· created date: 8/24/2010 11:53:37 am

8
Berichte und Kommentare 207 Clifford Geertz in der Kritik Ein Versuch, seinen Hahnenkampf-Essay "aus der Perspektive der Einheimischen" zu verstehen Volker Gottowik Die Ethnologie hat in den 80er und 90er Jahren eine Debatte ausgefochten, die auch hierzulande als Writing Culture-Debatte bekannt gewordenist (vgl. Clifford and Marcus 1986). In dieserDebaue ging es im weitesten Sinne um die Frage, in welchem Maße es Ethnographen gelingen kann, fremde Lebensfor'men und Weltbilder aääquatzu beschreiben - oder genauer formuliert: in welchem Maße, es gelingen kann, das Selbstverständnis der

Upload: dinhthuy

Post on 16-Jun-2018

221 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1:  · Created Date: 8/24/2010 11:53:37 AM

Berichte und Kommentare 207

Clifford Geertz in der Kritik

Ein Versuch, seinen Hahnenkampf-Essay"aus der Perspektive der Einheimischen"zu verstehen

Volker Gottowik

Die Ethnologie hat in den 80er und 90er Jahreneine Debatte ausgefochten, die auch hierzulandeals Writing Culture-Debatte bekannt geworden ist(vgl. Clifford and Marcus 1986). In dieser Debaueging es im weitesten Sinne um die Frage, inwelchem Maße es Ethnographen gelingen kann,fremde Lebensfor'men und Weltbilder aääquat zubeschreiben - oder genauer formuliert: in welchemMaße, es gelingen kann, das Selbstverständnis der

Page 2:  · Created Date: 8/24/2010 11:53:37 AM

208

Mitglieder fremder Kulturen auf eine angemesseneWeise zu repräsentieren. Im Verlauf dieser "Reprä-sentationsdebatte" ist jedoch nur am Rande daraufBezug genommen wotden, welche Bedeutung demVotum der Repräsentierten - also den Mitgliedernder untersuchten Gesellschaften - im Hinblick aufeine Beantwortung dieser Fragestellung zukommt.Genau hier setzen meine Überlegungen an: Ichinteressiere mich dafür, inwieweit sich die Einhei-mischen in ethnographischen Darstellungen ihrereigenen Kultur angemessen repräsentiert sehen,und welcher Stellenwert ihrer lftitik an eben die-sen Darstellungen einzuräumen ist.

Die Frage nach dem indigenen Verständnis eth-nographischer Texte ist nicht unbedingt eine Frage,mit der sich die Ethnologie seit ihren Anfängenkonfrontiert gesehen hätte. Erst der Aufbau mo-derner Bildungseinrichtungen in den Ländern derDritten Welt hat eine Entwicklung eingeleitet, dievon der ersten Ethnologengeneration gedanklichnicht zu antizipieren war (vgl. Mead 1978:124):daß nämlich die illiteraten Wilden zu kritischenLesern ihrer ethnographischen Abhandlungenwerden würden. Heute ist - und das gilt esfestzuhalten - die einstige Trennung von Gegen-stand und Rezipient ethnographischer Darstellun-gen weitgehend aufgehoben.

Die hier angesprochene Entwicklung zeigt sichnicht zuletzt daran, daß ethnographische Werkein den Ländern der Dritten Welt mittlerweilezum Curriculum gehören; in preiswerten Taschen-

^buchausgaben sind sie einem Massenpublikumin Afrika, Lateinamerika und Südostasien zugäng-lich; und die Texte von Clifford Geertz - umes an einem konkreten Beispiel festzumachen -liegen in Indonesien, sorgfältig übersetzt, in denBuchabteilungen der großen Einkaufszentren (2. B.bei Gramedia) aus.

Die Verbreitung ethnographischer Publikatio-nen in denjenigen Ländern, die Gegenstand die-ser Publikationen sind, ist nun jedoch nicht ohneFolgen für das Geschäft des Ethnographen geblie-ben. Es ist zu einer teils massiven Zurückweisungdieser Publikationen gekommen, die auch vor deneinschlägigen Klassikern der Ethnologie nicht Haltgemacht hat: Trobriander, Samoaner und Maorimelden sich zu Wort. um die Arbeiten von Mali-nowski, Margaret Mead und Co. als romantisch,ideologisch oder eurozentrisch zurückzuweisen.Und noch eine andere Entwicklung ist zu be-obachten: Westliche Ethnologen reklamieren im-mer häufiger für sich, im Namen der Einheimi-schen zu sprechen, wenn sie ihre Kollegen undVorgänger im Feld des vermeintlichen Irrtumsüberführen.

Berichte und Kommentare

So zum Beispiel Derek Freeman, der in sei-ner Entgegnung auf Margaret Meads Klassiker"Coming of Age in Samoa" (1928) einen dergrößten Skandale in der Ethnologie ausgelöst hat;in eben dieser Entgegnung nimmt er für sich inAnspruch, lediglich einer Bitte entsprochen zuhaben, die "gebildete Samoaner" - wie es heißt -an ihn herangetragen hätten: "Ich wurde von ihnengedrängt, Margaret Meads irriges Bild über diesamoanischen Sitten und Gebräuche zu korrigie-ren. So kam es, daß ich mich . .. daranmachte,Meads Schriften über Samoa in ihrer gesamtenReichweite einer systematischen Prüfung zu un-terziehen" (Freeman 1983: 18). Doch die Mead-Freeman-Kontroverse ist nur ein Beispiel dafür,daß jede Form der Kritik an ethnographischen Tex-ten, die aus indigenem Munde spricht oder sich aufeine indigene Zeugenschaft berufen kann, in be-sonderer Weise geadelt scheint und von daher einegestei gerte öffentliche Aufmerksamkeit erfährt.

Mittlerweile versuchen Ethnologen aus der Noteine Tugend zu machen; sie versuchen, offensivmit diesem "neuen Berufsrisiko" (Groves 1956)umzugehen und gewissermaßen dem "Urteil derUntersuchten" (Kohl 1993 : I27 ) zuvorzukommen:Sie tragen ihre ethnographischen Publikationenzurück ins Feld, um die Meinung ihrer einstigenInformanten einzuholen (vgl. z. B. Feld 1987 undSchefold 1988:625-646); dabei geht es ihnenletztlich darum, ihre ethnographischen Befundevon den Einheimischen kritisch prüfen zu lassen,sich gewissermaßen der Kritik der Einheimischenzu stellen: Doch was steht von einer solchenindigenen Kritik ethnographischer Texte zu er-warten (vgl. auch Gottowik 1998X

Ich möchte nach diesen eher einleitenden Bq-merkungen die Frage nach dem Stellenwert in-digener Kritik innerhalb des ethnographischenErkenntnisprozesses aufgreifen und vor dem Hin-tergrund meiner eigenen Erfahrungen diskutieren.Dabei geht es um Erfahrungen, die ich als Gast-dozent an einer Universität auf Bali mit einerLehrveranstaltung gemacht habe, in deren Verlaufein ethnographischer Text über Bali mit balinesi-schen Studenten diskutiert werden sollte. Warumseinerzeit in Absprache mit meinem counterpart ander Universitas Udayana in Denpasar die Wahl ge-rade auf Clifford Geertz und dessen Essay "'DeepPlay': Bemerkungen zum balinesischen Hahnen-kampf' (1972;1983a) fiel, hat Gründe, die ich hierkurz benennen wil l :

Geertz hat den Anspruch der modernen An-thropologie, fremde Kulturen nicht auf der Grund-lage der eigenen Werturteile, sondern "aus derPerspektive der Einheimischen" zu beschreiben,

Anthropos 99.2004

Page 3:  · Created Date: 8/24/2010 11:53:37 AM

Berichte und Kommentare

aufgegriffen und in Essays wie "Thick Descrip-tion" (1973) und "From the Native's Point ofView" (1977) programmatisch erneuert; zugleichgilt "Deep Play" (1972), also der Essay über denbalinesischen Hahnenkampf, als paradigmatischfür eine ethnographische Untersuchung, der genaudas gelungen sein soll: die fremde Kultur "aus derPerspektive der Einheimischen" zu zeigen.

Geertz interpretiert in "Deep Play" den Hah-nenkampf als symbolischen Austragungsort vonStatusrivalitäten. in dessen Verlauf das Ethos derbalinesischen Kultur - gewissermaßen - durch-buchstabiert wird. Als komplexes Symbolsystembildet der Hahnenkampf dieses Ethos jedoch nichtbloß ab, sondern er schafft es erst bis zu einemgewissen Grad. Um diese Dialektik zu unterstrei-chen, bedient sich Geerlz eines Vergleichs:

"Wenn wir uns ... eine Vorstellung von Mac-beth ansehen, um zu erfahren, wie sich ein Mannfühlt, der ein Königreich gewonnen, aber seineSeele verloren hat, so gehen die Balinesen zu Hah-nenkämpfen, um zu erfahren, wie sich ein Mann. . . fühlt, wenn er . .. einen völligen Triumphoder eine völlige Niederlage erlebt hat" (Geertz1983a:255) .

Es sind diese griffigen Thesen, vorgetragen ineinem äußerst ansprechenden literarischen Stil, die"Deep Play" zu einem Klassiker der modernenEthnologie und dem vielleicht am häufigsten zitier-ten ethnographischen Text aus der zweiten Hälftedes 20. Jhs. haben werden lassen.

Im Verlauf der eingangs angesprochenen Writ-ing Culture-Debatte ist "Deep Play" jedoch einerumfassenden Kritik unterzogen worden; vor allemder von Geertz erhobene Anspruch, den balinesi-schen Hahnenkampf aus der Perspektive der Bali-nesen beschrieben zu haben, wurde von einer Rei-he von Fachkollegen vehement zurückgewiesen;so zum Beispiel von Vinzent Crapanzano, dessenvernichtendes Urteil über den Hahnenkampf-Essayhier wie folgt wiedergegeben werden kann: "thereis in fact in 'Deep Play' no understanding of thenative from the native's point of view. There isonly the constructed understanding of the con-structed native's constructed point of view" (Cra-panzano 1986:74).

Wenn in der ethnologischen Fachgemeinschaftkein Konsens darüber besteht, ob es sich bei "DeepPlay" um eine Darstellung "aus der Perspektive derEinheimischen" oder eine ethnographische Kon-struktion handelt, liegt es in gewisser Weise nahe,die Einheimischen selbst zu fragen, ob sie ihrenStandpunkt in diesem Text aufgehoben sehen. Dasjedenfalls ist die These, die ich hier zunächsteinmal heuristisch aufstellen möchte. Allerdinss

Anthropos 99.2OO4

209

sollte man unter dem, was hier summarisch als"die Einheimischen" angesprochen wurde. nichtunbedingt schreib- und leseunkundige Reisbauernoder Tagelöhner verstehen.

Auf Bali sind seit den 60er Jahren Universitätenund Hochschulen entstanden; und es gibt an einerdieser Universitäten sogar ein Institut für Ethnolo-gie, an dem balinesische Studenten zu Ethnologenausgebildet werden. Mit diesen angehenden Wis-senschaftlern wollte ich Geertz' Essay über denHahnenkampf diskutieren. Eine solche Diskussionschien mir insofern spannend zu sein, als aufSeiten der balinesischen Studenten nicht nur einelebensweltliche Vertrautheit mit dem balinesischenHahnenkampf vorausgesetzt werden konnre, son-dern auch die Bereitschaft zu wissenschaftlicherReflexion. Das geplante Forschungsseminar zielteletztlich darauf, die Kenntnisse und Fähigkeitendieser angehenden Kollegen produktiv zu machenund für den ethnographischen Erkenntnisprozesszu bergen.

Bevor ich auf dieses Forschungsseminar ein-gehe, möchte ich kurz den weiteren Aufbau mei-nes Beitrages skizzieren: Ich komme zunächst aufdie besonderen Bedingungen zu sprechen, unterdenen ich dieses Forschungsseminar durchführenkonnte - möglichst knapp, doch soweit es notwen-dig ist, um mich hier "im Feld", gewissermaßen"among native scholars", verorten zu können; ichkomme dann auf meine Erwartungen hinsichtlichdieses Forschungsseminars zu sprechen und fasse- im Kontrast dazu - die Einsichten zusafirmen,zu denen es geführt hat, um abschließend dieseEinsichten auf die eingangs genannte WritingCulture-Debatte zu beziehen und die Frage nachdem Stellenwert indigener Kritik innerhalb desethnographischen Erkenntnisprozesses zu beant-worten. Ich beginne mit den konkreten Umständenvor Ort.

Ich hatte mein Vorhaben, ein solches For-schungsseminar durchzuführen, Prof. Dr. I GustiNgurah Bagus, einem der führenden EthnologenIndonesiens, in einem Schreiben dargelegt, under hat mich eingeladen, dieses Seminar im Som-mersemester 1997 auszurichten. Seitbns der Uni-versität war entschieden worden, dieses Seminarim Rahmen eines Studienaufbauprogramms mitSchwerpunkt auf kulturwissenschaftlichen Frage-stellungen anzubieten ("Program Studi S 2: KajianBudaya"); an diesem - wenn man so will - "post-graduate program" nahmen insgesamt 26 Studie-rende (24 Männer und 2 Frauen) teil, die nicht nuraus allen Landesteilen Indonesiens. sondern auchaus ganz unterschiedlichen Fachgebieten kamen.Entweder hatten die Teilnehmer dieses Prosramm

Page 4:  · Created Date: 8/24/2010 11:53:37 AM

210

belegt, um sich im Hinblick auf die Promotion zuqualifizieren, oder sie strebten - teilweise nachlangjähriger Berufstätigkeit - als Fortbildungs-maßnahme den nach vier Semestern zu erzielendenS 2-Abschluß an. Die damit angedeutete Hetero-genität der Gruppe spiegelte sich auf zwei Ebenenwider: in der Altersspanne der Teilnehmer, die vonEnde zwanzig bis Anfang sechzig reichte, und indeutlich ungleich verteilten Sprachkenntnissen.

Vor allem die älteren Teilnehmer sprachen nursehr schlecht Englisch, während ich einräumenmuß, daß meine Kenntnisse der lokalen Verkehrs-sprache zu diesem Zeitpunkt nicht ausreichten,um die Veranstaltung auf Indonesisch (BahasaIndonesia) anzubieten. Die Folge davon wffi,daß eine Reihe von Studenten sich überfordertfühlte und der Veranstaltung fern blieb; im Durch-schnitt kamen pro Sitzung etwa 15 Personen, vondenen sich gut die Hälfte aktiv beteiligte. Inter-essante Impulse für die Diskussion gingen vonDozenten der philoiogischen Fakultät (FakultasSastra) aus, an die das örtliche Institut für Eth-nologie angeschlossen ist; doch diese Dozentennahmen zumeist nur sporadisch an der Veranstal-tung teil.

Alle Teilnehmer erhielten von mir eine Kopiedes Textes in der Originalsprache; aufgrund dergenannten Sprachprobleme wurden sie angehal-ten, zusätzlich zum orignalsprachlichen Text dieindonesische Übersetzung von "Deep Play" ("Per-mainan Mendalam") zu konsultieren; die Diskus-sion bewegte sich jedoch im Medium der Original-sprache des Textes, d. h. in Englisch, und Englischblieb auch die vorherrschende Sprache innerhalbdes Seminars.

Dem von Clifford Geertz erhobenen Anspruch,den balinesischen Hahnenkampf "from the native'spoint of view" zu zeigen,sind wir nun in insgesamtzwölf Sitzungen nachgegangen; wir haben "DeepPlay" gemeinsam Absatz für Absatz gelesen, Ver-ständnisfragen - soweit möglich - ausgeräumtund Aussagen von Geertz über die balinesischeKultur dahingehend diskutiert, ob die anwesendenStudenten und Dozenten solche Aussagen überihre eigene Kultur auch treffen würden.

Mit der Ausrichtung dieses Forschungsseminarswar die Idee eines reziproken Austausches verbun-den: Einerseits wollte ich den Studierenden einenZugang zu einem ethnographischen Text über Balivermitteln, der aus einer anderen, nämlich derwestlichen Geistestradition heraus entstanden ist;andererseits hoffte ich, von den Studierenden inErfahrung zu bringen, wie sie einen solchen Textlesen und verstehen, der ihnen aus einem fremdenund ungewohnten Blickwinkel heraus etwas Ver-

Berichte und Kommentare

trautes vor Augen führt. Mein Interesse richtetesich auf die hier zu erwartenden Verfremdungs-vorgänge, denen das Vertraute zwangsläufig un-terworfen ist, wenn es aus fremder Perspektivebeschrieben wird. Zugleich hoffte ich, über die ge-meinsame Lektüre stdrker auf die Traditionen undKonventionen aufmerksam zu werden, denen dasethnographische Genre bei der Beschreibung desFremden folgt. Letztlich sollte das Forschungsse-minar den Rahmen dafür abgeben, über bestimmteAspekte der balinesischen Kultur miteinander insGespräch zu kommen und zugleich exempiarischdas Schreiben von Ethnographie als kulturspezifi-sche Praxis zu thematisieren.

Gemessen an diesem Anspruch - den ich imsprachlichen Duktus ganz ähnlich in einem DFG-Antrag formuliert hatte - war der Verlauf diesesForschungsseminars für mich - um es vorsich-tig zu formulieren - einigermaßen überraschend.Jedenfalls stellten sich andere als die erwarte-ten Einsichten ein, und dafür sind verschiedeneGründe verantwortlich, die ich hier kurz andeutenmöchte:

Bei unserer gemeinsamen Lektüre von "DeepPlay" stießen wir zum Beispiel auf eine Passage,in der Geertz besonders bedeutsame Hahnen-kämpfe, die sogenannten tiefen Kämpfe, als "großeDuelle ä la 'Zwölf Uhr mittags"' bezeichnet(vgl. Geertz 1983a:243); jeder westliche Leserversteht unmittelbar, was Geertz hier mitteilenwill, selbst wenn er den Film mit Gary Cooperund Grace Kelly in den Hauptrollen nie gesehenhat; nicht so die studentischen Teilnehmer, denenmein Bemühen, ihnen die Schlüsselszene diesesHollywood-Westerns zu schildern, einigermaßenabsurd erschienen sein muß.

Was ich mit diesem Beispiel exemplarisch ver-deutlichen möchte, ist folgendes: EthnographischeTexte wie "Deep Play" bauen auf einem kul-turspezifischen Bildungshintergrund auf, der aufSeiten der Einheimischen, selbst wenn es sichum Intellektuelle handelt, nur bedingt vorausge-setzt werden kann; dieser fehlende gemeinsameBildungshintergrund konnte in der Diskussion desTextes allenfalls punktuell ad hoc überbrückt, Ietzt-lich aber nicht kompensiert werden.

An einer anderen Stelle in "Deep Play" führtGeertz aus, daß ein Hahnenkampf, bei dem mannur zuschaut, ohne sich selbst mit einer Wettezu beteiligen, kaum interessanter sei als "Krocketoder Hunderennen" (Geertz 1983a:256). Der hiergezogene Vergleich erschließt sich dem westlichenLeser ebenfalls ohne Mühe, nicht so den balinesi-schen Teilnehmern, die - balinesische Straßenkötervor Augen - sich nicht so recht vorstellen konnten,

Anthropos 99.20Q4

Page 5:  · Created Date: 8/24/2010 11:53:37 AM

Berichte und Kommentare

daß man solche Kreaturen - in einem wörtlichenSinne - um die Wette laufen lassen kann.

Ethnographische Texte beziehen sich - wiedieses Beispiel verdeutlichen sollte - auf die Aus-gangskultur des Ethnographen als einer beständiggegebenen Ebene des Vergleiches: Ganz unabhän-gig davon, ob diese Vergleiche in "Deep Play"explizit oder eher implizit gezogen werden - dasResultat war stets das gleiche: Sie waren seitensder studentischen Teilnehmer nur bedinst nach-vollziehbar, da sie nicht in ausreichendä Uug"über die hier vorausgesetzten Kenntnisse west-licher "Sitten und Gebräuche" verfügten.

Die fehlende Vertrautheit mit dem - im wei-testen Sinne - Traditionszusammenhang, aus demheraus ethnographische Texte entstehen und densie zugleich fortschreiben, hatte zur Folge, daß dieDiskussion von "Deep Play" in recht einseitigenBahnen verlief: Formfragen traten nahezu vollstän-dig hinter Inhaltsfragen zurückt; es erfolgte - mitanderen Worten - eine Engführung der Diskussionaufdie inhaltlichen Aussagen des Textes und derenStimmigkeit mit der Erfahrungswelt der studenti-schen Teilnehmer.

Darüber hinaus war auffällig, auf welch unter-schiedliche Weise der Text von den Studierendengelesen wurde, die ja nur zum Teil aus Bali, zumanderen Teil aus anderen indonesischen Landes-teilen stammten. Zwar war die Gruppe der Bali-nesen in sich heterogen: Sie kamen aus der Stadtoder vom Land, waren jung oder alt, Hindus oderChristen, ieidenschaftliche Hahnenkämpfer oderdiesem blutigen Spektakel gegenüber indifferenteingestellt. Doch die Lesart dieser zufällig zusam-mengewürfelten Gruppe fiel prinzipiell anders ausals die der Studierenden aus den anderen indone-sischen Landesteilen: Die Studierenden aus Java.Timor oder Sulawesi fanden den balinesischenHahnenkampf als ein Phänomen beschrieben, dasihnen zunächst einmal selbst fremd war und sie vorvergleichbare Verstehensprobleme stellte wie denwestlichen Ethnographen. Von daher verfolgten siedessen Erläuterungen in "Deep Play" interessiertund im großen und ganzen wohlwollend; andersdagegen die balinesischen Studenten.

Die Haltung der balinesischen Studenten warschon nach drei oder vier gemeinsamen Sitzun-gen von einer gewissen Ungeduld gekennzeichnet:Wenn Geertz detailliert den Abiauf eines Hah-nenkampfes schildert, die beiden gängigen Wett-formen vorstellt und die ungeschriebenen Regelnerläutert, nach denen sich die Wettallianzen bil-den, dann führte er ihnen etwas vor Augen, vondem sie überzeugt waren, es wesentlich besserzu kennen - nämlich aus eigener lebensweltlicher

Anthropos 99.2004

2tr

Anschauung und Praxis. Warum - so die wie-derkehrende Frage - muß man sich so lange miteinem Text auftralten, der doch nur Bekanntes imMedium einer fremdgn Sprache und im Hinblickauf befremdliche Gesichtspunkte diskutiert?

Außerdem ließen die üalinesischen Studentenkeinen Zweifel darüber aufkommen, daß sie andieser Beschreibung den "native point of view"nicht so recht erkennen konnten. Insgesamt gese-hen waren es drei prinzipielle Einwände, die ge-genüber "Deep Play" geltend gemacht wurden:

1. Einigen balinesischen Studenten war dieThematik des Textes zu speziell; der Einwand lau-tete hier, daß man Bali nicht auf den Hahnenkampfreduzieren könne, um allgemeine Aussagen überdie balinesische Kultur davon abzuleiten; außer-dem gäbe es auf Bali etwas Wichtigeres zu tun, alsHahnenkämpfe zu untersuchen; als wichtiger wur-den zum. Beispiel Landrechtsfragen empfunden,also die Uberführung von traditionellem Landrechtin staatlich kodifiziertes Recht - ein in der Tat ganzvirulentes Problem nicht nur auf Bali.

2. Den balinesischen Teilnehmern waren dieAusführungen von Geerlcz zu generalisierend; derEinwand lautete hier, daß fast jedes Dorf aufBali seine Eigenheiten nicht zuletzt aach bei derDurchführung und Organisation von Hahnenkämp-fen hätte, Geertz von seinen Beobachtungen inder Gemeinde Tihingan, im Südosten der Inselgelegen, nicht auf alle anderen Gemeinden aufBali schließen könne, und es von daher auch ganzunmöglich sei, von dem balinesischen Hahnen-kampf zu sprechen.

3. Einigen balinesischen Teilnehmern war dieErörterung der Thematik zu oberflächlich; derEinwand lautete hier, daß sie bei Geertz keineAntworten auf die Fragen fänden, die sie selbstin bezug auf den Hahnenkampf hätten; warumder Hahnenkampf zum Beispiel eine krankheits-abwehrende, im weitesten Sinne apotropäische Ei-genschaft besitzt, könne ihnen auch Geertz nichterklären.

Die balinesischen Studenten sahen demzufolgeihre Kultur auf einen Ausschnitt rcduziert, der fürsie selbst nicht im Zentrum der Aufrnerksamkeitsteht und dem es in ihren Augen auch nochan der erforderlichen Tiefenschärfe mangelt; undnoch wichtiger: Sie fanden den Hahnenkampf aufeine Weise beschrieben, die mit ihrem eigenenErfahren und subjektiven Erleben kaum noch et-was gemeinsam hat. All das, was sie selbst amHahnenkampf schätzten: Dramatik, Nervenkitzel,Spannung, wurde bei der ethnographischen Be-schreibung dieses blutigen Schauspiels kläglichvermißt.

Page 6:  · Created Date: 8/24/2010 11:53:37 AM

212

Nun könnte man annehmen, daß angesichts ei-ner solch umfassenden indigenen Kritik an "DeepPiay" der Geertzsche Anspruch, den Hahnenkampfaus indigener Perspektive beschrieben zu haben,nicht länger aufrechtzuerhalten sei. Ich bin hieranderer Meinung.

Die verschiedenen Kritikpunkte, denen zufolgeder ethnographische Text zu speziell, zu gene-ralisierend und zu oberflächlich sei, sind meinesErachtens darauf zurückzuführen. daß es sich beiGeertz' Aussagen über den balinesischen Hahnen-kampf um Aussagen handelt, die - wenn manso will - auf einer Ebene "mittlerer Reichweite"angesiedelt sind. Was damit gemeint ist, läßt sichmit direktem Hinweis auf den Meister am bestenverdeutlichen:

Ethnographen arbeiten Geertz zufolge in Dör-fern, aber nicht über Dörfer, d. h. sie sollten zuAussagen gelangen, die mehr als nur parochialeReichweite besitzen (Geertz 1983b: 32); d.h. aberauch, daß Ethnographen, die sich nicht im lo-kalen Detail verlieren wollen, zu typifizierendenAussagen gelangen müssen; für diese ethnogra-phischen Aussagen "mittlerer Reichweite" giltjedoch, daß sich die Teilnehmer darin nicht wie-dererkennen. Soziologen haben diese Wissensartals "isoliert" bezeichnet und damit zum Ausdruckbringen wollen, daß sie seitens der Teilnehmerim Rekurs auf die eigenen Erfahrungen wederzu verifizieren noch zu falsifizieren ist (vgl. z. B.Schütz 1972:6I). Gleichwohl kann in einer solchisolierten Wissensart die Perspektive der Einhei-mischen in einem dialektischen Sinne aufgehobensein, ohne freilich mit der Perspektive auch nureines einzigen dieser Einheimischen notwendiger-weise identisch sein zu müssen.

Kurz und knapp: Die Differenz zwischenSeibst- und Fremdwahrnehmung, die im Verlaufder gemeinsamen Lektüre von "Deep Play" zutagetrat, führte vor dem Hintergrund der geschildertenVerständnisprobleme zu Irritationen auf Seitender balinesischen Studenten; und alles zusammen-genommen: Irritationen, Verständnisprobleme undDifferenz der Perspektiven, veranlaßte sie letztlichdazu, den gesamten ethnographischen Text abzu-Iehnen.

Doch es gab bei der gemeinsamen Lektürevon "Deep Play" auch Momente einer indigenenKritik, bei der die spezifischen Kompetenzender studentischen Teilnehmer zum Tragen kamen.Diese Momente haben mein eigenes Verständnisdes Textes nachhaltig verändert; und ich möchtekurz auf ein solches Beispiel indigener Kritikzu sprechen kommen, insofern darin - meinesErachtens - der eigentliche Ertrag dieses For-

Berichte und Kommentare

schungsseminars exemplarisch zu Tage tritt. Dafürist es allerdings notwendig, etwas näher an denfraglichen Text heranzurücken:

Geertz zufolge verkörpert der Hahn auf Balisymbolisch Maskulinität, er ist ihm zufolge einmaskulines Symbol (vgl. Geertz I983a:209), undso hebt er in diesem Zusammenhang auch dieMöglichkeit hervor, mit dem indonesischen Wortfür Hahn (sabung) vergleichbare Zoten zu reißenwie mit dem englischen Wort für Hahn (cock):

"Keinem, der einige Zeit auf Bali verbrachthat, entgeht die tiefgehende psychologische Iden-tifikation der Männer mit ihren Hähnen (cocks).Der zweideutige Begriff wird hier bewußt ver-wendet; er wirkt im Balinesischen genau wie imEnglischen, bis hin zu denselben müden Witzen,abgegriffenen Wortspielen und phantasiearmenObszönitäten" (Geertz 1983a: 209).

Die sexuellen Konnotationen. die mit dem in-donesischen (!) Wort für Hahn (sabung) verbundensind, verweisen Geertz zufolge auf das besondereVerhältnis, das hier zwischen Mensch und Tiergegeben ist: "die Initimität [intimacy] der Männermit ihren Hähnen ist mehr als nur metaphorisch"(Geertz 1983a: 211).

Um diese These zu stützen, schildert Geertz aufrund eineinhalb Seiten die in der Öffentlichkeitzu beobachtenden Interaktionen zwischen bali-nesischen Männern und ihren Hähnen, die letzt-lich die geradezu libidinöse Beziehung zwischenbeiden illustrieren soll: "Wann immer man eineGruppe balinesischer Männer sieht, die müßig inder Ratshütte oder an der Straße hocken, . . . hatmindestens die Hälfte von ihnen einen Hahn in denHänden. Man hält ihn zwischen den Schenkeln.wippt ihn leicht auf und ab, um seine Beinmus|elnzu stärken, zaust seine Federn mit geistesabwe-sender Sinnlichkeit, stößt ihn dem Gockel desNachbarn entgegen, um ihn zu erregen, und ziehtihn zwischen die Beine zurück, um ihn wieder zuberuhigen" (Geertz I983a: 211).

Die studentischen Teilnehmer, mit denen ichdiese Passage diskutiert habe, hatten an der Stim-migkeit der beschriebenen Beobachtungen nichtsauszusetzen; doch sprachen sie sich gegen die hiervorgenommene Sexualisierung der Beziehung zwi-schen Mann und Hahn aus. So bestätigten sie zwardie Möglichkeit, mit dem indonesischen Wort fürHahn (sabureg) sexuelle Anzüglichkeiten zu for-mulieren, und sie hatten selbst zahlreiche Beispielefür dahingehende Redewendungen parat; doch zu-gleich wiesen sie darauf hin, daß das Indonesischeim alltaglichen Sprachgebrauch der Balinesen nureine untergeordnete Rolle spielt und beim Hah-nenkampf praktisch völlig unberücksichtigt bleibt.

Anthropos 99.2004

Page 7:  · Created Date: 8/24/2010 11:53:37 AM

Berichte und Kommentare

Balinesen beziehen sich, mit anderen Worten, beimHahnenkampf nicht in Indonesisch auf den Hahn,sondern in ihrer Muttersprache, und das ist Bali-nesisch - doch den beiden im Balinesischen ge-bräuchlichen Begriffen für Hahn, namentlich .ridpund ayam, geht jede sexuelle Konnotation ab (vgl.auch Santikarrna 1992: 160).

Insofern verliert hier die Geertzsche Argu-mentation, soweit sie sich linguistisch begründet,ihre Grundlage was wiederum nicht ohneFolgen für die Interpretation des balinesischenHahnenkampfes bleibt. Denn erst über die Deu-tung des Hahns als Symbol männlicher Sexualitätwar Geertz zu folgender These gelangt: "Im Hah-nenkampf verschmelzen Mensch und Tier, Gutund Böse, Ich und Es, die schöpferische Krafterregter Männlichkeit und die zerstörerische Kraftentfesselter Animalität in einem blutigen Schau-spiel von Haß, Grausamkeit, Gewalt und Tod"(Geertz 1983a:2I3).

Geertz schreibt dem Hahn auf Bali demnacheine spezifische symbolische Bedeutung zu, dieihm nach Aussage der balinesischen Teilnehmermitnichten zukommt; sie wiesen seine Interpre-tation in diesem Punkt - mit guten Gründen,wie ich finde - zurück. Wenn man die Kdtikder balinesischen Teilnehmer ernst nimmt - wasman meiner Meinung nach sollte -, wird manam balinesischen Hahnenkampf als symbolischemAustragungsort von Statusrivalitäten die sexuellenAspekte abziehen müssen, mit denen Geertz' Deu-tung behaftet ist.

Soweit die Kritik der studentischen Teilnehmer,die hier beispielhaft für eine indigene Kdrikethnographischer Texte angeführt wurde; sie reicht- wie ich hoffe - dazu aus, folgendes Argumentplausibel zu machen:

Der indigenen Kdtik an ethnographischenTexten kann durchaus ein erkenntnisförderndesMoment innewohnen, gleichwohl sind die Ein-heimischen keine privilegierten Kritiker dieserTexte; ihre Kritik gilt es in jedem Einzelfall zlgewichten und hinsichtlich ihrer Stichhaltigkeitzu prüfen. Allein daß es in der Ethnologie - imGegensatz etwa zu den historischen Wissenschaf-ten - möglich ist, eine solche Kritik einzuho-len, rechtfertigt meines Erachtens das Bemühen,das Forschungsgespräch über die Publikation desethnographischen Textes hinaus fortzuführen: al-lerdings nicht im Hinblick auf eine Zustimmungzu diesem Text, sondern - und das ist gewis-sermaßen die Pointe dieses Beitrages - im Hin-blick auf die Gründe seiner Ablehnung. Diesesvordergründige Paradoxon möchte ich zum Ab-schluß kurz erläutern.

Anthropos 99.2004

2t3

Wenn ich es richtig sehe, hat die WritingCulture-Debatte die Ethnologie vor die folgendeAlternative gestellt: Entweder versucht sie, neueDarstellungsformen zu entwickeln, die die Einhei-mischen stärker in den Schreibprozeß einbindenund zum Beispiel als Koautoren oder Mitheraus-geber in die Pflicht nehmen; in diesem Bereichoperiert die sogenannte dialogische oder expe-rimentelle Ethnographie, ohne daß sich bislangjedoch ein neues Paradigma für das Schreibenethnographischer Texte abzeichnete.

Oder - und das wäre die andere Variante -die Ethnologie gibt ihren Anspruch auf eine Re-präsentation fremden Selbstverständnisses auf undbekennt sich dazu, Ausdruck einer kulturspezi-flschen Praxis zu sein, die in ihrer einseitigenAusrichtung auf das Differente und Abweichende- im weitesten Sinne auf das Exotische - dieKritik der Einheimischen geradezu zwangsläufigherausfordern muß.

Die Geltungsfragen, mit denen sich ethno-graphische Aussagen in diesem Fall konfrontiertsehen, sind meines Erachtens nur auszuräumen,wenn sich die Ethnologie dieser Kritik stellt, sichzugleich aber auch vor Augen führt, daß die an-gesprochenen Geltungsfragen im Rekurs auf dieZustimmung der Einheimischen gerade nicht aus-zuräumen sind (vgl. auch Gottowlk 1997:295):

Denn die Gründe, warum die Einheimischeneiner ethnographischen Aussage zustimmen, sindim Rahmen einer mit Geefiz als kulturhermeneu-tisch zu bezeichnenden Methodologie nicht auf-zuklären - insbesondere dann nicht, wenn einesolche Zustimmung aus strategischen Erwägun-gen heraus erfolgt. Möglicherweise stimmen dieEinheimischen nur deshalb z\, weil sich wieauch immer geartete Machtverhältnisse in die Ge-sprächssituation eingeschlichen haben. Wenn dieEinheimischen - um es an einem Beispiel konkretzu machen - nur deshalb zustimmen, um denEthnographen als Einnahmequelle nicht zu ver-prellen, käme es für sie darauf an, die eigentlichenGründe ihrer Zustimmung zu verschweigen undgerade nicht in den gemeinsamen Dialog nt in-vestieren. Zustimmung seitens der Einheimischenbietet demnach keinen Ausweg aus der Geltungs-problematik ethnographischer Aussagen, da dienormativen Grundlagen einer solchen Zustimmungnicht in Erfahrung zu bringen sind (vgl. HabermasI97I:153 f.; Honneth 1985:249t.).

Im Gegensatz dazu können die Gründe derZurückweisung ethnographischer Aussagen hin-sichtlich ihrer Stichhaltigkeit und Plausibilitätgewichtet werden. Von daher wäre darauf zu plä-dieren, daß sich ethnographische Aussagen ge-

Page 8:  · Created Date: 8/24/2010 11:53:37 AM

2t4

genüber der Kritik aller zu bewähren haben -und dazu gehören nichtz:uletzt auch die indigenenKritiker (vgl. Rosaldo 1989:50). Wenn auf dieindigene Abkunft eines Kritikers jedoch in ersterLinie Bezug genommen wird, um seine Kritikzu privilegieren oder pauschal abzuwehren, solltedie Ethnologie auf dieses Attribut eher verzichten.Aus dem indigenen Kritiker würde dann ein Kriti-ker neben anderen Kritikern, die sich untereinan-der zwar durch einen unterschiedlichen Grad anVertrautheit mit den beschriebenen Phänomenenunterscheiden mögen, deren ethnische, kulturelleoder geographische Abkunft hinsichtlich der Ge-wichtung von Argumenten jedoch keine Rollemehr spielt.

Im indigenen Kritiker weire dann eher eineArt von analytischer Denkfigur zu sehen, derenLeistung für die Ethnologie allerdings nicht un-terbewertet werden sollte: Sie hat die Ethnologiedazu gebracht, sich - selbstreflexiv - als Ausdruckeiner kulturspezifischen Praxis zu verstehen.

Der Autor dankt Ida Ayu Agung Mas und Prof. Dr.I. Gusti Ngurah Bagus für die selbstlose Unterstützungvor Ort; außerdem möchte er sich bei Dr. Cora Benderund Solvejg Wilhelm für die Anregungen bedanken,die aus ihrer kritischen Auseinandersetzung mit diesemManuskript erwachsen sind.

Zitierte Literatur

Clifford, James, and George E. Marcus (eds.)1986 Writing Culture. The Poetics and Politics of Ethnog-

raphy. Berkeley: University of California Press.

Crapanzano, Vincent1986 Hermes' Dilemma: The Masking of Subversion in

Ethnographic Description. In: Clifford and Marcus;pp.51-76.

Feld, Steven1987 Dialogic Editing: Interpreting How Kaluli Read Sound

and Sentiment. Cultural Anthropology 2: 190-210.

Freeman, Derek1983 Liebe ohne Aggression. Margaret Meads Legende von

der Friedfertigkeit der Naturvölker. München: Kindler.[Orig.: Margret Mead and Samoa. The Making andUnmaking of an Anthropological Myth. Cambridge:Harvard University Press, 19831

Geertz, Clifford19'72 Deep Play: Notes on the Balinese Cockfight. Daedalus

l 0 l : I - 3 7 .1913 Thick Description: Toward an Interpretive Theory of

Culture. In: C. Geertz, The Interpretation of Cultures.Selected Essays; pp.3-30. New York: Basic Books

1911 "From the Native's Point of View": On the Nature ofAnthropological Understanding. In: J.L. Dolgin et al.

Berichte und Kommentare

(eds.), Symbolic Anthropology. A Reader in the Studyof Symbols and Meanings; pp.480-492. New York:Columbia University Press. [Orig. 1974]

1983a "Deep Play": Bemerkungen zum balinesischen Hah-nenkampf. In: C. Geertz, Dichte Beschreibung. Beiträ-ge zum Verstehen kultureller Systeme; pp.202-260.Frankfurt: Suhrkamp Verlag.

1983b Dichte Beschreibung. Bemerkungen zu einer deutendenTheorie von Kultur. In: C. Geertz, Dichte Beschreibung.Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme; pp.7-43.Frankfurt: Suhrkamp Verlag.

Gottowik. Volker1997 Konstruktionen des Anderen. Clifford Geertz und die

Krise der ethnographischen Repräsentation. Berlin:Dietrich Reimer Verlag.

1998 Der Andere als Leser. Zur indigenen Rezeption ethno-graphischer Texte. In: C. Breger und T. Döring (Ilrsg.),Figuren der/des Dritten. Erkundungen kultureller Zwi-schenräume; pp. 65-85. Amsterdam: Rodopi.

Groves, Murray1956 Trobriand Island Clans and Chiefs. Man 56 164.

Habermas, Jürgenl91l Der Universalitätsanspruch der Hermeneutik. In: Her-

meneutik und Ideol,ogiekritik. Mit Beiträgen vonKarl-Otto Apel, Claus v. Bormann, Rüdiger Bubner,Hans-Georg Gadamer, Hans Joachim Giegel, JürgenHabermas; pp. 120-'159. Frankfurt: Suhrkamp Verlag.

Honneth, Axel1985 Kritik der Macht. Reflektionsstufen einer kritischen

Gesellschaftstheorie. Frankfurt: Suhrkamp Verlag.

Kohl, Karl-Heinz1993 Ethnologie - die Wissenschaft vom kulturell Fremden.

Eine Einführung. München: Verlag C.H. Beck.

Mead, Margaret1928 Coming of Age in Samoa. A Psychological Study of

Primitive Youth for Western Civilisation. New York:William Morrow.

1978 Brombeerblüten im Winter. Ein befreites Leben. Rein,bek: Rowohlt Taschenbuchverlag. [Orig.: BlackberryWinter. My Erlier Years. New York: Simon and Schu-s te r ,19721

Rosaldo. Renato1989 Culture and Truth. The Remaking of Social Analysis.

Boston: Beacon Press-

Santikarma, Degung1992 Geertz's Cockfight. A View From a Balinese Cock-

fighter. In: Pertemuan Tahunan. Lembaga PengkajianBudaya Bali [Society for Balinese Study]; pp. 150- 169.

. Denpasar.

Schefold, Reimar1988 Lia. Das große Ritual auf den Mentawai-Inseln (Indo-

nesien). Berlin: Dietrich Reimer Verlag.

Schütz, Alfred19'72 Der Fremde. Ein soziaipsychologischer Versuch. In:

A. Schütz, Gesammelte Aufsätze II: Studien zur sozio-logischen Theorie; pp.53-69. Den Haag: MartinusNijhoff. [Orig. 1944]

Anthropos 99.2004