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한국 문화 „SINGEN WAR IMMER EIN TEIL VON MIR“ Über die Erfolgsgeschichte des Bayreuther Baritons Samuel Youn Kultur Korea Ausgabe 1/2013 GANGNAM STadttYLE SWINGIN’ SEOUL Warum junge berufstätige Koreaner den Swing für sich entdeckt haben SPEZIAL: MUSIKLAND KOREA

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한국

한국문화

„SINGEN WAR IMMER EIN TEIL VON MIR“ Über die Erfolgsgeschichte des Bayreuther Baritons Samuel Youn

Kultur Korea

Ausgabe 1/2013

GANGNAM STadttYLE

SWINGIN’ SEOUL Warum junge berufstätige Koreaner den Swing für sich entdeckt haben

S p E z I A L :

Musikl and korea

Titelbild:(v. li. n. re.)

Sängerin der Gruppe Coreyah © Koreanisches KulturzentrumBesucher eines Clubs in Hongdae © Jon Dunbar

Gayageum-Meister Byungki Hwang © KOCISKomponistin Eun-Hwa Cho © Jeong-Woo Lee

Dami Kim, Preisträgerin des JJV Hannover © Marek KruszewskiPansori-Sängerin Chun-Hee Lee, Quelle: Just & Music

Sänger PSY © SM Entertainment Co.

E d i t o r i a l„Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist“, pflegte Victor Hugo zu sagen. Mit dem Spezialthema „Musikland Korea“ möchten wir der Vielfalt von Musik eine Sprache verleihen - soweit das eben möglich ist. Was eigentlich genau „koreanische Musik“ sei, fragte kürzlich der Besucher eines Gugak-Konzerts. Apropos „Gugak“. Wir berichten über Historie und Ausprägungen der traditionellen koreanischen Musik, stellen Instrumente und das Handwerk zu deren Anfertigung vor. Musik - das ist Klassik und Jazz, Swing und Rock, neue Musik, K-Pop, Underground, Gugak und mehr. Wir stellen die verschiedenen Genres vor und lassen Repräsentanten, Fans, KomponistInnen, InitiatorInnen und ExpertInnen zu Wort kommen.Chin Unsuk gehört zu den berühmtesten zeitgenössischen Komponistinnen/Komponisten Koreas und Europas. In einem Interview erzählt sie von ihrem Werdegang, ihren Prägungen und Zielen. Für Eun-Hwa Cho, ebenfalls Komponistin, ist Musik etwas „Heiliges“ und was sie auch tut: „Die Hälfte meines Gehirns beschäftigt sich immer mit Musik“. Auf die Frage nach dem Erfolgsrezept koreanischer Musiker auf deutschen Bühnen sagt Samuel Youn, Bariton der Bayreuther Festspiele: „Wir werden schon als Kind gelehrt, immer hundert Prozent zu geben…“In „Abkehr von Hongdae“ wird die gegenwärtige Veränderung der Musikszene vor Ort beschrieben, während die Leadsängerin einer Rock-/Symphonic-Metal-Band über ihr Leben zwischen Kneipe und Kirche, ihre Begeisterung für nächtliche Rocksongs und morgendliche Arien erzählt. Und … wohl niemandem ist die mediale Präsenz des südkoreanischen K-Pop-Stars PSY und sein Pferdetanz zu den Rhythmen von „Gangnam Style“ entgangen. Wer wissen möchte, was die Bewohner des besagten (oder besser: besungenen) Seouler Stadtteils von dem Song halten und wie er ihr Leben verändert, dem sei der Artikel „Gangnam STadttYLE“ empfohlen.

Im April dieses Jahres wird die Fotografin Herlinde Koelbl im Koreanischen Kulturzentrum Arbeiten mit Korea-Bezug ausstellen. Ein Porträt gibt Einblick in eine andere Form der künstlerischen Arbeit - für all diejenigen, die sich mehr für Fotografie als für Musik interessieren, oder für beides.

Wir wünschen Ihnen ein FROHES UND GESUNDES JAHR 2013 und viel Freude beim Lesen!Ihre Redaktion Kultur Korea

1KULTURKOREA

새해 복 많이 받으세요! Frohes neues Jahr!

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2KULTURKOREA

1 EDITORIAL

2 INHALTSVERZEICHNIS

G U G A K

4 POLITIK DER MUSIK Koreanische vs. westliche Musik in Korea von Prof. Dr. Keith Howard

7 KOREANISCHE MUSIK-INSTRUMENTE von Tobias Liefert

10 ARIRANG Über den Nimbus einer inoffiziellen Nationalhymne von Dr. Stefanie Grote

11 DIE KLASSIK KOREAS STELLT SICH VOR Berlin und München erleben ein Konzert der Gegensätze von Matthias R. Entreß

14 DAS HANDWERK UND DER KLANG DER ZEIT Von der Kunst des Instrumentenbaus von Sandra Linn

16 SIJO Ein Ton, tausend Klangfarben von Jan Dirks

18 NORAE: GAGOK-GESANG IM HAUS DER BERLINER FESTSPIELE Eine europäische Erstaufführung von Marie-Irène Igelmann

20 „ALS ICH KLEIN WAR, ERWACHTE ICH ZU DEN LEISEN BUDDHISTI-SCHEN GESÄNGEN MEINER MUT-TER“ Die koreanische Künstlerin yeesookyung über große und kleine Räume, verges-sene koreanische Traditionen und die Schönheit der Farbe Weißvon Anne Phillips-Krug

23 „…UND WENN WAS UMHAUEND IST, MUSS MAN NICHT WEITER-SUCHEN“ Gespräch mit Alexander Moosbrugger, Leiter der Bludenzer Tage für zeitgemäße Musik von Matthias R. Entreß

24 EIN ORCHESTER AUS FRANK-FURT WAGT NEUES UND VERBINDET WESTLICHE KLASSIK MIT KOREANISCHER VOLKSMUSIK von Gesine Stoyke

W E S T L I C H EK L A S S I K

26 „SINGEN WAR IMMER EIN TEIL VON MIR“ Über die Erfolgsgeschichte des Bay-reuther Baritons Samuel Youn. Im Gespräch mit Dr. Stefanie Grote

29 DAS NOVUS STRING QUARTET von Gesine Stoyke

31 „WAS WAGNER WOHL DENKEN WÜRDE…?“ Korea meets Classic 2012 von Rhan Gunderlach

33 INTERNATIONALER JOSEPH JOACHIM VIOLINWETTBEWERB HANNOVER (JJV HANNOVER) 2012

34 „ICH HABE MICH SEHR DARUM BEMÜHT, (…) DIE MUSIK IN DEN MITTELPUNKT ZU STELLEN“ Interview mit Dami Kim, erste Preisträge-rin des JJV Hannover 2012 von Gesine Stoyke

35 „DAS NIVEAU DER AUSBILDUNG IN SÜDKOREA IST EXZELLENT“ Interview mit Herrn Prof. Krzysztof Wegrzyn, Künstlerischer Leiter und Initiator des JJV Hannover von Gesine Stoyke

K O M P O N I S T I N N E NU N D K O M P O N I S T E N

36 „MIT JEDEM STÜCK ETWAS NEUES SCHAFFEN“ Interview mit der Komponistin Unsuk Chin von Anne Schneppen

39 ÜBER MEIN WERK „PART OF NATURE“ Komponieren für koreanische Instrumente von Il-Ryun Chung

KULTUR KOREA

„ M U SI K L A N D KOr E A“1/2013

3KULTURKOREA

42 „MUSIK IST FÜR MICH ETWAS HEILIGES“Die Komponistin Eun-Hwa Cho im Gespräch mit Dr. Stefanie Grote

J A Z Z

44 SEOUL: EIN NEUER MARKER AUF DER LANDKARTE DES JAZZ von Dr. Nabil Atassi

46 DAS INTERNATIONALE JAZZ-FESTIVAL JARASUM von Dr. Stefanie Grote

47 MUSIK EROBERT DEN RAUM von Dr. Nabil Atassi

K - P O P

48 K-POP Eine Spurensuche von Esther Klung

50 GANGNAM STadttYLE von Malte E. Kollenberg

52 „BOYBANDS SOLLEN NICHT ALS COOL ODER MÄNNLICH VER-MARKTET WERDEN“Interview mit K-Pop-Fan Laura Kuhlig von Dr. Stefanie Grote

54 DAS K-POP WORLD FESTIVAL IN CHANGWON von Nina (Young-Hee) Han

K A L E I D O S K O P

55 „ICH HATTE EINFACH ZU VIEL SPAß AN DER SOGENANNTEN ,U-MUSIK‘ “ Interview mit Ji-in Cho, Frontfrau der Aachener Rock-/Symphonic-Metal-Band „Krypteria“ von Gesine Stoyke

57 ABKEHR VON HONGDAE Koreas Underground-Musikszene bemüht sich um Expansion von Jon Dunbar

60 „ALS INSTRUMENTENBAUER LERNT MAN NIEMALS AUS“ Interview mit dem Gitarrenbauer Christian Ingi Koehn von Gesine Stoyke

62 SWINGIN’ SEOUL - WARUM JUNGE BERUFSTÄTIGE KOREANER DEN SWING FÜR SICH ENTDECKT HABEN Interview mit Minjae Song, Tanzlehrer in der „Happy Bar“ von Sora Meyberg

D E U T S C H E S I C H T E NA U F K O r E A

64 ALS LEIBARZT, SCHULDIREK-TOR UND OBERHOFMEISTERIN IM OFFIZIELLEN AUFTRAG IN KOREA Gedanken zu den Reiseberichten von Dr. med. Richard Wunsch, Johann Boll-jahn und Emma Kroebel von Dr. Sylvia Bräsel

66 ALS ERSTE DEUTSCHE AUF DEN SPUREN DES MISSIONARS KARL GÜTZLAFF (1803 - 1851) AUF GODAE-DO (고대도) Eine Reise in die Frühzeit der deutsch-koreanischen Beziehungen von Dr. Sylvia Bräsel

P O r T r Ä T

68 „ES GIBT KEIN REZEPT FÜR ANNÄHERUNG“ Interview mit der Fotografin Herlinde Koelbl von Dr. Stefanie Grote

K O r E A I N K Ü r Z E

71 DAS JAHr 2013130 Jahre offizielle koreanisch-deutsche Beziehungen und 50. Jahrestag des Koreanisch-Deutschen Anwerbe-abkommens

K O r E A I M A L L T A G

72 REZEPT Ddeokguk

73 KLEINER SPRACHFÜHRER

V E r A N S T A L T U N G E NK O r E A N I S C H E SK U L T U r Z E N T r U M

74 DIE DOZENTEN DES KOREANI-SCHEN KULTURZENTRUMS STEL-LEN SICH VOR: Jee Yeon Kim

75 KURSE

B U N D E S W E I T EV E r A N S T A L T U N G E N

A K T U E L L

76 KOREANISCHE LACKKUNST IM MUSEUM FÜR LACKKUNST MÜNSTER von Dr. Patricia Frick

VOr S C HAU

78 VErANSTALTUNGS-KALENDEr

rÜ C K BL IC K

79 FEIERLICHE ENTHÜLLUNG EINER GEDENKTAFEL AUF DER INSEL USEDOM FÜR DEN BEGRÜN-DER DES DEUTSCHUNTERRICHTS IN KOREA

80 VERLEIHUNG DES JACOB- UND WILHELM-GRIMM-PREISES DES DAAD 2012 AN PROF. DR. SAM-HUAN AHN

81 IMPrESSUM

G U G a K

4KULTURKOREA

Oben: © National Gugak CenterUnten: Seoul Philharmonic Orchestra © KOCIS

Politik der MusikKoREANISCHE vS. wESTLICHE MuSIK

IN KoREA

von Prof. Dr. Keith Howard

5KULTURKOREA

Die Koreaner hatten keinen eigenen Begriff von „koreani-scher Musik“, bis die westliche Musik im späten 19. Jahrhun-

dert ihren Weg auf die Halbinsel fand. In der Tat tauchte die Bezeichnung für „ko-reanische Musik“, Gugak [국악], erstmalig 1907 auf; einfach ausgedrückt: Vor dieser Zeit bestand keine große Notwendigkeit, die verschiedenen musikalischen Klang-welten Koreas von anderer nationaler oder internationaler Musik abzugrenzen. Die sino-koreanische Silbe, die viele mit Musik assoziieren, „ak“ [악], hat tatsäch-lich eine viel umfassendere Bedeutung und wird seit den konfuzianistischen Klassikern verwendet, um Musik, Tanz und Dichtung einzuschließen. Gleich-wohl steht „Gugak“ seit 1907 für „traditio-nelle koreanische Musik“, auch wenn die wörtliche Übersetzung des Begriffs „nati-onale Musik“ lauten würde. Heute steht der am weitesten verbreitete Begriff für Musik, „Eumak“ [음악], für den Durch-schnittskoreaner für westliche Musik, sowohl für Klassik als auch für Populär-musik. Die koreanische Musik hat ihren rechtmäßigen Platz aufgegeben, und die Verwendung dieser selben Bezeichnung, um die koreanische Musik zu benennen, erfordert das Hinzufügen eines Präfixes: „Hanguk Eumak’“ (한국음악, koreanische Musik) oder „Jeontong Eumak’“ (전통음악, traditionelle Musik).

Und dennoch repräsentiert die „Gugak“ heute Korea. Sie ist die Musik, über die ausländische Gelehrte beispielsweise in den drei großen Musikenzyklopädien schreiben, in The New Grove Dictiona-ry of Music and Musicians, in Musik in Geschichte und Gegenwart und in The Garland Encyclopedia of world Music. Gugak ist auch die Musik, die in koreani-schen Touristenbroschüren besonders herausgestellt wird. Sie hat ihre eigene Radiostation (GugakFM; www.gugakfm.com), und sie ist die Musik, die vom National Gugak Center (www.gugak.go.kr) aufrechterhalten wird, das an die 1400-jährige Tradition der Einrichtungen für Hofmusik anknüpft. Drei Genres der Gugak wurden zu UNESCO-Meisterwer-ken des mündlichen und immateriellen

Erbes der Menschheit erklärt (2001, 2003 und 2005), und viele weitere wurden in den letzten Jahren in die Repräsentative Liste der UNESCO des immateriellen Kul-turerbes der Menschheit aufgenommen. Gugak hat somit Kultsymbolcharakter.

Im 20. Jahrhundert kämpfte die Gugak um ihren Platz gegenüber der westli-chen Musik, die schnell eine viel größere Popularität erreichte. Damals, im Jahr 1909, entwickelte sich der Choyong Club (Joseon Gurakbu) zum ersten spezialisier-ten Institut für musikalische Ausbildung in Korea, aber als er 1911 begann, Un-terricht für Gugak anzubieten, verlangte er für den Gugak-Unterricht nur halb so viel wie für die Unterrichtsstunden in westlicher Musik, und Gugak-Lehrer wurden weitaus schlechter bezahlt als ihre Kollegen für westliche Musik.

Frühe Musikkurse an Universitäten in Korea beschränkten sich auf die Musik des Westens; der erste Studiengang für Gugak wurde an der Seoul National University erst 1959 eingeführt. Bis in die 1970er Jahre konzentrierte sich die musikalische Ausbildung an den Schulen ausschließlich auf westliche Musik – deutsche Lieder und koreanische Lieder mit westlichen Melodien und Harmonien – und immer noch bleibt ein Ungleich-gewicht bestehen, einfach, weil sich der Großteil der koreanischen Lehrkräfte zu Spezialisten für westliche Musik ausbil-den lässt.

Im Korea der Vergangenheit waren Bildungseinrichtungen auf die Yang-ban [양반] -Aristokratie beschränkt. Die Einführung eines breiter zugänglichen Bildungssystems ist zum Teil auf die Bemühungen von Missionaren zurück-zuführen, die in den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts im Land eintrafen. So begann die musikali-sche Ausbildung tatsächlich in Missions-schulen, und christliche Hymnen werden noch heute weithin als Inspiration für die Entwicklung der koreanischen Leidenschaft für die westliche Musik betrachtet. Erste Vervielfältigungen von Hymnen wurden 1888 an der Methodist

Ewha School in Seoul angefertigt. Das erste koreanische Hymnenbuch mit 27 Hymnen, Chanmiga [찬미가], wurde zuerst 1892 vervielfältigt und dann im Jahr 1895 mit 81 Hymnen neu heraus-gegeben, aber einige argumentieren, dass es bis nach der Veröffentlichung des ersten presbyterianischen Hymnen-buchs, Chanyangga [찬양가], das im Jahr 1894 erschien, nicht in vollem Umfang publiziert worden sei.

Die Kirchenmusik inspirierte viele Korea-ner. Der Interpret, Komponist und Lehrer Kim Insik (1885 – 1963) hatte seine ers-ten Musikstunden bei zwei Missionaren in Pjöngjang, während Yi Sangjun (1884 – 1948), der erste Koreaner, der Volkslie-der im westlichen Notensystem notierte, als Kind von Missionaren Hymnen und das Akkordeonspiel erlernte. Einiges Wissen über die westliche Musik erreich-te Korea vermutlich zu früheren Zeiten über Peking als Teil der Seohak-Faktion [서학, westliche Lehre] am koreanischen Hof, aber Ende des 19. Jahrhunderts gab es noch eine weitere Quelle: Japan. Das erste Horn erscholl in Korea 1880 an den Lippen eines japanischen Solda-ten, Tsurumoto Koji, und der Deutsche Franz Eckert (1852 – 1916) traf 1901 ein, nachdem er 22 Jahre in Japan verbracht hatte, um in Korea eine Blaskapelle für den koreanischen Hof auszubilden. 1902 schrieb Eckert Musik für eine koreanische Nationalhymne, die auf auffällige Weise seinem früheren japanischen National-lied, „Kimigayo“, ähnelte, aber er bildete auch die ersten modernen koreanischen Komponisten aus: Kim Inshik, Chong Sain (1881 – 1958) und Paek Uyong (1880 – 1950). Bis 1903 war ein Genre der japanischen Schullieder, Shōka, für koreanische Schulen adaptiert worden (als Changga [창가], die koreanische Aussprache für Shōka); das erste, „Hak-doga [학도가]/ Schülerlied“, wird oft Kim Inshik zugeschrieben, ist aber tatsächlich das Arrangement einer japanischen Melodie, die aus dem Jahr 1900 stammt, „Tetsudo shōka/ Eisenbahnlied“.

Der Studiengang für Gugak an der Seoul National University wurde von Lee

6KULTURKOREA

Hye-Gu (1908 – 2009) geleitet. In den 1930er Jahren hatte Lee seine Karriere als Radiosprecher begonnen, und seine Leidenschaft für Gugak wuchs, als er hochversierte Volks- und Hofmusiker traf und deren Musik aufnahm. 1948 grün-dete er die Korean Musicological Society (한국국악학회, Hanguk Gugak Hakhoe) und begann, eine eigene koreanische Musikwissenschaft zu etablieren, die für einen quasi-wissenschaftlichen und historischen Ansatz eintrat – der erstere passte sich dem westlichen Rationalis-mus an, und der letztere befand sich im Einklang mit Koreas konfuzianistischer Tradition. Lee war der Vater der korea-nischen Musikologie, der Lehrer vieler heutiger Musikwissenschaftler in Korea und ein Freund all derjenigen im Aus-land, die koreanische Musik studierten. Seine Transkriptionen und Analyse von Gugak und seine Übersetzungen von historischen Texten über die koreanische Musik verbanden sich mit den Bemühun-gen, Gugak in westliche Notenschrift zu übertragen, wobei Kim Kisu (1917 – 1986) eine zentrale Rolle spielte. Kim, der in den 1930er Jahren ein Schüler des Vorläufers des National Gugak Center war, stieg zu dessen Direktor sowie zum Direktor der National Traditional Music High School auf. Ab 1968 publizierte er mit dem National Gugak Center Jahresbände mit Partituren, die Anthology of Korean Tra-ditional Music (한국음악, Hanguk Eumak). Diese Serie von Notenschriften schloss sich an zwei weitere Serien an, eine, die Gugak in einem koreanischeren Stil in die westliche Notenschrift übertrug, und eine zweite, die alte Manuskripte repro-duzierte. Gemeinsam erhöhten diese Be-mühungen den Status der koreanischen Musik. So waren bis Anfang der 1980er Jahre viele Universitätsstudiengänge für Gugak gegründet worden, und endlich wurden auch die Gehälter der Musiker, die am National Gugak Center angestellt waren, auf ein Niveau gehoben, das dem der Musiker von in Seoul ansässigen westlichen Orchestern entsprach.

Zwei zusätzliche politische Faktoren führten dazu, dass die Gugak Kultsymbol-charakter annahm. Der erste war nationa-listisch in seiner Orientierung. Zwischen 1959 und 1963 publizierte der Journalist

Ye Yonghae (1929 – 1994) eine Serie von bahnbrechenden Artikeln für die Korea Daily News (한국일보, Hanguk Ilbo) unter dem allgemeinen Titel Human Cultural Properties (인간문화재, Ingan munhwajae). Er schrieb über traditionelle Musiker, Künstler und Kunsthandwerker und wie sie darum kämpften, ihre Künste vor dem zunehmenden Einfluss der Verwestli-chung zu bewahren. Er wies darauf hin, wie ihre unglaublichen Fähigkeiten der Gefahr ausgesetzt waren, verloren zu ge-hen – der lyrische Gagok [가곡]-Sänger Yi Byeongseon, der epische Pansori [판소리]-Sänger Im Bangul, der Spezialist für den buddhistischen Gesang Beompae [범패] Yi Gyeonghyeop, die Gayageum [가야금]- und Gomungo [거문고]-Zitherspieler Sim Sanggeon und Sin Gwaedong und so fort. 1962 reagierte die neu ernannte Regierung von Park Chung Hee darauf und verabschiedete das Gesetz zur Be-wahrung von Kulturgütern (문화재보호법, Munhwajae Bohobeop). Artikel 1 dieses Gesetzes verwies darauf, wie es darauf abzielte, „den kulturellen Fortschritt des Volkes herbeizuführen und zur Entwick-lung der menschlichen Kultur beizutra-gen.“ In anderen Worten war es darauf ausgelegt, den koreanischen Nationalis-mus zu stärken – eine Identität, die von der japanischen Kolonialherrschaft, vom Koreakrieg und in jüngerer Zeit durch das verstärkte Eindringen westlicher Einflüsse unterminiert worden war. Heute bezie-hen von den 110 traditionellen Auffüh-rungskünsten und –kunsthandwerken, die zu schützenswerten Kulturgütern er-nannt wurden, fast 50 Prozent Gugak ein. Die Koreaner haben nicht zuletzt durch Gugak ihren Nationalstolz zurückerlangt.

1964 wurde Gugak zu einem Teil der koreanischen Kulturdiplomatie, als die Yomiuri Zeitung das National Gugak Cen-ter einlud, auf seine erste internationale Tournee zu gehen. 1973 führte eine Kon-zertreise nach Europa zu begeisterten Be-wertungen auf dem gesamten Kontinent, was in Korea zu viel positiver Berichter-stattung führte. Der Musikwissenschaftler Han Manyeong, ein ehemaliger Schüler von Lee Hye-Gu, schrieb darüber, wie koreanische Musik „das Äquivalent einer Beethoven-Symphonie“ sei und wie sich die Gugak-Orchester „auf einer Augen-

höhe mit den Symphonieorchestern von Berlin, London und New York“ befänden. Er fuhr fort: „Es ist ironisch, dass der koreanischen Musik nicht von Korea-nern, sondern von Westlern ein solcher Wert beigemessen wird…. Erst jetzt, wo unsere Aufführungen im Ausland gelobt werden, sind sich unsere Musiker ihrer hohen künstlerischen Qualität bewusst geworden.“

Und so hat die Gugak ihren rechtmäßigen Platz in der Klangwelt Koreas eingenom-men, sowohl im Ausland als auch zu Hause.

Übersetzung aus dem Englischen: Gesine Stoyke

Keith Howard ist Pro-fessor für Musik an der SOAS (School of Oriental and African Studies), University of London, und war früher stellvertreten-der Dekan (Forschung) am Musikkonservato-rium von Sydney. Er ist Autor oder Herausgeber diverser Bücher, darunter als jüngstes Werk Music as Intangible Cultural Heritage: Policy, Ideology and Practice in the Preservation of East Asian Traditions (2012). Er hält Vorträge, gibt Work-shops und Konzerte an Universitäten in Großbri-tannien, Europa, Amerika, Asien und Australien und kommt regelmäßig als Korea-Experte in diversen Rundfunksendungen zu Wort. Er ist Mitglied von Redaktions- und Beratungsausschüssen in Großbritannien, den Niederlanden, Korea und Australien.

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G U G a K

7KULTURKOREA

koreanische MusikinstruMentevon Tobias Liefert

WElchE instrUmEntE GEltEn als KorEanischE mUsiKinstrUmEntE?

„Die koreanischen Musikinstrumente sind Gefäße, gefüllt mit den Herzen und Seelen der Koreaner, sie sind die Verkörperung der koreanischen Musikgeschichte, wie man sie in den Geschichtsbüchern sonst nicht finden kann.“1 Als „koreanische Musikinstrumente“ werden im engeren Sinne die alten, originären koreanischen Instrumen-te bezeichnet. Im weiteren Sinne hingegen umfasst diese Bezeichnung alle Musikinstrumente Koreas, zu denen auch moderne Tendenzen des Instrumentenbaus gezählt werden, wie beispielsweise eine 24-saitige, moderne Version der Zither Ga-yageum (가야금). Die folgenden Erläuterungen beziehen sich jedoch größtenteils auf die traditionellen koreanischen Instrumente.Obwohl die meisten koreanischen Musikinstrumente ihren Ursprung in China, Zentralasien und Südasien haben, unterscheiden sie sich häufig von verwandten Instrumenten aus den Nachbarländern Koreas. Die koreanischen Musikinstrumente zeichnen sich durch eine Reihe von Alleinstellungsmerkmalen aus, die ihnen einen unverkennbaren korea-nischen Charakter verleihen.

raUE, nEbEnGEräUschrEichE KlänGE, archaischE baUWEisE Und lEbEndiGE PinsElstichE

Die meisten koreanischen Musikin-strumente fallen durch ihre rauen, nebengeräuschreichen Klänge und ihre archaische Bauweise auf. Bis auf einige Schlaginstrumente, die durch eine Art Eisengussverfahren hergestellt werden, bestehen fast alle Instrumente aus Holz, Leder und Seide - alles Materialien, die in Korea relativ leicht erhältlich sind. Eine Ausnahme bildet der Bezug bzw. die Schutzabdeckung Daemo (대모) bei der Zither Geomun-go (거문고), die aus Schildkrötenpanzer gefertigt wird. Die Verwendung natürlicher Materialien konvergiert mit dem na-türlichen beziehungsweise naturna-

hen Klangcharakter der koreanischen Musik. Rauschen, Klacken, Rattern, Zirpen, Säuseln und Summen sind immer essenzieller Bestandteil der Klänge.Im Gegensatz zu den westlichen Musikinstrumenten, die fortwährend in ihrer Bauweise optimiert wurden, um maximale Agilität und virtuose Spieltechniken zu ermöglichen, blieben die traditionellen koreani-schen Instrumente jahrhundertelang nahezu unverändert. Der koreanische Gayageum-Meister Byungki Hwang (황병기) betont, dass es in der korea-nischen Musik sehr wichtig sei, dass Klänge nach ihrer Erzeugung verän-dert werden. Geschwindigkeit und Agilität sind hierbei relativ unwichtig. Den koreanischen Instrumenten mangelt es an Agilität, und genau darin besteht ihr Charakter.2

Archaisch ist die Bauweise der Instru-mente, da sie sich häufig aus sehr einfachen Teilstücken zusammenset-zen. Beispielsweise besteht die große Querflöte Daegeum (대금) im Prinzip nur aus einem großen Bambusrohr mit einem Anblasloch, dem Loch für die so typische Membran und sechs Öffnungen für die Grifflöcher. Je nach Wuchs des Bambus kann so sogar die Korpuslänge des Instrumentes variieren.Bei vielen Instrumenten könnte man meinen, dass es bei der Klangerzeu-gung um die Meisterung oder sogar Überwindung skurriler physischer Voraussetzungen geht. Sehr präg-nant und sinnfällig ist in diesem Zusammenhang Byungki Hwangs Charakterisierung: „In Korea wird häufig eine Situation geschaffen, in der es fast unmöglich ist, überhaupt einen Ton zu produzieren, und dann wird nach Möglichkeiten gesucht, gute Klänge zu erzeugen“ (vgl. Byungki Hwang, 2001, S. 133). Als Beispiel nennt Hwang die Bambus-Oboe Piri (피리). Ihr kleiner Korpus, ein gerades Bambusrohr mit Löchern, ist mit einem verhältnismäßig großen Doppelrohrblatt-Mundstück versehen, welches bereits ein Viertel ihrer Gesamtlänge ausmacht und nur schwer zum Klingen zu bringen ist.

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Gayageum-Meister Byungki Hwang

8KULTURKOREA

Beim Erlernen von Pansori-Gesang (판소리) besteht einer der ersten Schritte darin, die Stimme rau und heiser zu machen, um dann aus dieser rauen Stimme klare und schöne Klänge herauszuholen. Die eleganten Klänge der Geomun-go müssen sich trotz der ständigen Nebengeräusche des Bambusstöckchens, das die Saiten anreißt und auf die Abdeckung schlägt, durchsetzen.Im Gegensatz zu den Tonsystemen der abendländisch-europäischen Musik, die geprägt sind von den Entwicklungen der Mehrstimmigkeit und Harmonik und sich häufig der diatonischen/chromatischen Tonleitern bedienen, basieren die meisten Werke der koreanischen Musik auf Tonsys-temen, die mit wenigen Tönen auskom-men. Zu nennen wären hier pentatonische Tonleitern, die nur auf drei bis fünf Stufen basieren, wie beispielsweise die Skala Gye-myeonjo (계면조). Die Folge sind große In-tervalle zwischen den Tönen (zum Beispiel Terzen und Quarten), die durch die Verzie-rungen, Glissandi, Vibrati, etc. ausgefüllt werden. Das Verändern und Bearbeiten der Töne nach ihrer Erzeugung gehört zu den wichtigsten Merkmalen der koreanischen Musik und steht in enger Verbindung mit der Bauweise der Instrumente. Bei fast allen Melodieinstrumenten werden einmal an-geblasene, angeschlagene, gezupfte oder gestrichene Töne durch Druck der linken Hand hinter dem Steg oder durch Ziehen und Schieben auf den Bünden bei Sai-teninstrumenten, durch Veränderung der Ansatz-Spannung sowie durch Vergröße-rung und Verkleinerung des Anblasloches mithilfe von Drehbewegungen bei Blas-instrumenten in ihrer Tonhöhe verändert. Oft wird daher auch der Vergleich mit der menschlichen Stimme gezogen. Bei der Piri können beispielsweise Tonhöhenschwan-kungen bis zu einer Sechste mit nur einem Griff ausgeführt werden - allein durch den Ansatz. Die Zither Geomun-go gilt als eines der vielseitigsten und elegantesten Inst-rumente bezüglich derartiger Nachklang-Variationen. Auch bei der Zither Gayageum werden einmal erzeugte Töne durch Druck der linken Hand hinter den gänsefußähnli-chen Brücken Anjok (안족) verändert - frei schwingenden Saiten begegnet man kaum. Die Melodien sind oft linear, monodisch und in ihrer Intonation ungenau. Ein Har-moniesystem ist schon aus diesen Gründen nicht denkbar. Ein bekannter koreanischer

Komponist bezeichnete den Ton in der koreanischen Musik als lebendigen Pinsel-strich im Gegensatz zur abstrakten Linie in der westlichen Musik.

aKtUEllE EntWicKlUnGEn im instrUmEntEnbaU

Vor allem unter dem Einfluss der westli-chen klassischen Musik unterlagen die koreanischen Instrumente im zwanzigsten Jahrhundert einigen baulichen Verände-rungen. Neue Varianten der Saiteninstru-mente erhielten eine höhere Anzahl an Saiten, zum Beispiel die 24-saitige Zither Gayageum, um der westlichen musikali-schen Idiomatik gewachsen zu sein. Sie wurden elektronisch verstärkt und größer gebaut, da im Zuge veränderter Auffüh-rungspraxen die Musik zunehmend kon-zertant in großen Hallen aufgeführt wurde. Auch der verblendende Reiz, Harmonien und diatonische/chromatische Skalen mit virtuoseren Techniken spielen zu können, spielt eine Rolle bei den Entwicklungen im Instrumentenbau. Zur Aufführung von originär koreanischer Musik wären derar-tige Modifikationen der Instrumente nicht nötig.

möGlichKEitEn dEr KlassifiziErUnG

Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Klassifizierung von Musikinstrumenten. Zu verschiedenen Zeiten wurden in Korea Ins-trumente nach unterschiedlichen Kriterien kategorisiert. Beispielsweise waren bis zum Ende des Joseon-Reiches (1392 - 1910) Ur-sprung und Gebrauch entscheidend für die Einteilung der koreanischen Instrumente in die drei Kategorien indigene koreanische Instrumente (Hyang-akki, 향악기), Instru-mente der chinesischen Tang-Dynastie (Dang-akki, 당악기) und elegante rituelle Hofmusik-Instrumente (A-akki, 아악기). In der späten Joseon-Zeit zum Beispiel gab es das sogenannte Acht-Töne-Klassi-fizierungssystem (팔음), das die Musik-instrumente nach Materialien (Metall, Stein, Seide, Bambus, Kalebasse, Erde, Leder und Holz) einteilte. Mit einem Bogen gestrichene Saiteninstrumente, wie die Ajaeng (아쟁) oder die Haegeum (해금), galten aufgrund ihrer stehenden, anhaltenden Töne als Blasinstrumente (nur Instrumente, deren Töne nach dem Anschlagen oder Zupfen der Saiten aus- bzw. abklingen, wurden zur Kategorie der

Saiteninstrumente gerechnet). Heutzuta-ge ist eine Kategorisierung nach Art der Tonerzeugung (Aerophone, Chordophone, Idiophone und Membranophone) üblich, wobei der Einfachheit halber oft Idiophone und Membranophone unter dem Sammel-begriff „Schlaginstrumente“ zusammenge-fasst werden.Die folgende Darstellung von Instrumen-ten stellt nur eine kleine Auswahl einiger häufig verwendeter und wichtiger koreani-scher Instrumente dar.

saitEninstrUmEntE

Die Geomun-go (거문고) ist eine sechssai-tige Zither, deren Saiten mit einem kleinen Bambusstöckchen, Suldae (술대), ange-schlagen werden. Als Schutz dient eine aus Meeresschildkröten-Panzer gefertigte Ab-deckplatte, befestigt auf dem aus Paulow-nienholz (Odong Namu, 오동나무) gefertig-ten Korpus an der Stelle, an der die Saiten mit dem Bambusstöckchen geschlagen werden. Die Geomun-go gehört zu den wichtigsten Saiteninstrumenten der kore-anischen Musik. Dieses Instrument, das in dieser Form in keinem anderen asiatischen Land zu finden ist, könnte womöglich als das koreanischste Instrument überhaupt bezeichnet werden. Die drei mittleren Sai-ten sind mit Bünden versehen. Die äußeren Saiten schwingen frei. Sie hat einen tiefen, dunklen, aber eleganten Klang und galt als Instrument der Literaten und Gelehrten.

Die Gayageum gehört zusammen mit der Geomun-go zu den repräsentativsten origi-nären Saiteninstrumenten Koreas. Ihr Kor-pus besteht aus dem Holz der Paulownie (auch Blauglockenbaum genannt) und ist leicht gewölbt. Zwölf Saiten aus gezwirn-

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ter Seide werden über die beweglichen Stege Anjok geführt und mit der rechten Hand gezupft, während die linke Hand die erzeugten Töne kontrolliert, bearbeitet und verziert.Die Ajaeng ist eine große Zither mit verschiebbaren Stegen, deren sieben Saiten ursprünglich mit einem Bogen aus Forsythienholz gestrichen wurden. Der Abstand zwischen den Saiten ist etwas größer als bei anderen Zithern. Sie zeichnet sich durch ihren dunklen, rauen, anschwel-lenden Klang aus, der in der Hofmusik die Bassklänge unterstützt und mit ihrem Klang Würde und Erhabenheit auszudrü-cken vermag.Die Haegeum ist eine Spießgeige mit zwei Saiten aus Seide, durch die ein Bogen mit Pferdehaaren geführt wird. Der Korpus wurde früher aus Bambus und heutzutage aus Hartholz gefertigt. Sie wird aufgrund ihres großen Tonumfangs (ca. zwei Okta-ven) und den reichhaltigen Ausdrucksmög-lichkeiten als sehr beweglich, virtuos und vielseitig erachtet. Die Haegeum findet daher in fast allen Ensemble- und Orches-tergattungen Verwendung. Sie hat einen sehr eigenen Klang, der sich durch seine nasale Klangfarbe auszeichnet.

Yanggeum (양금) bedeutet so viel wie die Zither (Geum 금) des Westens (Yang 양) und wird im Deutschen gelegentlich auch „Hackbrett“ genannt. Im Gegensatz zu den originären koreanischen, mit Seiden-Saiten bestückten Instrumenten, sind die Yanggeum-Saiten aus Metall. Der Ursprung dieses Instruments geht zurück bis ins europäische Mittelalter, als während der Kreuzzüge die Hackbrettfamilie in den isla-mischen Ländern bekannt gemacht wurde. Die Stahlsaiten, die auf dem trapezförmi-gen Korpus befestigt sind, werden mit dem kleinen Bambus-Hämmerchen Chae (채) angeschlagen. Der Klang ist klar und durch-dringend.

blasinstrUmEntE

Die Danso (단소) ist eine vertikal zu halten-

de, an der Anblasstelle eingekerbte Bam-busflöte mit einem Loch auf der Rückseite und vier Löchern auf der Vorderseite. Die Danso hat einen klaren und durchdringen-den Ton und gilt als eines der populärsten koreanischen Instrumente. Diese Flöte wird bereits von Kindern erlernt und stellt eine beliebte Möglichkeit zum Einstieg in Gugak (국악, „Musik des Landes”) dar.Die Daegeum ist eine große Bambus-querflöte mit sechs Grifflöchern, einem Anblasloch sowie einer Öffnung neben dem Anblasloch für ihre so typische Membran, die beim Spielen bei bestimm-ten Tönen in Schwingung gebracht wird. Charakteristisch für diesen sogenannten Cheong-Klang (청소리) ist ein raues Surren, Schwirren und Schnarren.Die piri (피리) ist eine Bambusoboe mit einem Loch auf der Rückseite und sieben Löchern auf der Vorderseite. Auf ihren relativ kleinen Korpus, der lediglich aus einem einfachen Bambusrohr besteht, wird ein verhältnismäßig großes Doppelrohr-blatt-Mundstück gesteckt. Von ihr gibt es verschiedene Ausführungen und Größen. Ihr unverwechselbarer Ton kann sehr laut, schrill und durchdringend sein.Die Saenghwang (생황) ist eine koreani-sche Mundorgel mit 17 Bambuspfeifen, zählt zur Familie der Durchschlagzungen-instrumente und ähnelt der chinesischen Sheng.

schlaGinstrUmEntE

Die Buk (북), auf Deutsch auch Fasstrommel genannt, ist eine Trommel, die in verschie-denen Genres der koreanischen Musik gespielt wird. Sie hat zwei Felle und wird mit einem Holzschläger angeschlagen.

Die Janggu (장구), aufgrund ihrer Form auch Sanduhrtrommel oder Stundenglas-trommel genannt, ist eine Trommel mit zwei Fellen. Die eine Seite wird mit der Hand angeschlagen und die andere mit ei-

nem dünnen Bambusschläger. Die Janggu ist eines der wichtigsten Rhythmusinstru-mente, auf denen die koreanischen „Rhyth-musmuster” Jangdan (장단) geschlagen werden. Diese Jangdan bilden die Grund-struktur, sorgen für den Spannungslauf und für den Zusammenhalt der Stücke.

Der Jing (징) ist ein großer Messing-Gong und wird in vielen verschiedenen Musik-richtungen genutzt. Meistens wird der Jing in der linken Hand gehalten, während die rechte Hand mit einem weichen Schläger den Rhythmus schlägt. Allgemein wird bei den Gongs oft die Klangfarbe durch Ab-dämmen mit der linken Hand variiert. Der Jing zeichnet sich durch seinen warmen, glänzenden und obertonreichen Klang aus.Der Ggwaenggwari (꽹과리) ist ein kleiner Gong und wird mit der linken Hand gehalten, die mit der Handfläche durch Abdämmen auf der Rückseite des Gongs die Klangfarbe beeinflussen kann. Mit der rechten Hand wird der Gong mit einem harten Schläger angeschlagen. Es ist ein sehr wichtiges Instrument sowohl in Pung-mulnori (풍물놀이) als auch in der relativ neuen Gattung Samulnori (사물놀이).

1 Song, Hye-jin: ,,Korean Musical Instruments”, Seoul: Youl hwa dang Publisher 2011, S. 35.2 Hwang, Byung-ki: ,,Conversations with Kayageum Master Byung-ki Hwang”, Seoul: 2001, Pulbit Publi-shing Co., S. 131

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Tobias Liefert,Koreanisches Kulturzen-trum

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„Arirang“ [아리랑] ist Koreas populärstes Volkslied über Tragik, Sehnsucht und verlorene Liebe - und manchmal auch über ein bisschen Glück. Es wird auf der gesamten koreanischen Halbinsel gesungen und ist vielfach selbst unter Ausländern bekannt. Je nach lokalen Be-gebenheiten weichen die Melodien und Strophen voneinander ab, die Bewohner thematisieren ihre persönlichen Belange, ihre jeweiligen Lebensbedingungen. Be-nannt nach der entlegenen Inselgruppe Ulleungdo im Ostmeer gibt es beispiels-weise ein „Ulleungdo Arirang“, in dem das einsame Dasein auf der isolierten Insel besungen wird. Für das Arirang aus Miryang wiederum sind schnelle Rhyth-men charakteristisch - es verkörpert die bäuerliche Kultur. Insgesamt existieren etwa 3000 verschiedene regionale Ver-sionen, von denen das nach der Provinz Gyeonggi benannte „Gyeonggi Arirang“ die bekannteste ist. Danach folgen das „Gangwondo Arirang“, „Jindo Arirang“, „Jeongseon Arirang“ sowie besagtes „Miryang Arirang“. So unterschiedlich Melodien und Liedtexte auch sind - sie alle eint der gemeinsame Geist des Liedes und der Refrain „Arirang, Arirang“. Hier stimmen alle Koreaner ein, wenn sie in Theatern oder anderen Spielstätten zusammenkommen.

Die Inhalte sind meist tragisch und emo-tional – wie gesagt. Es geht um Liebe, Glück, Traurigkeit oder um das Böse, und gelegentlich finden sich patriotische Töne. Während der japanischen Kolonial-herrschaft (1910 - 1945) haben die Kore-aner unter Tränen das Arirang gesungen und ihrem Heimatgefühl und ihrer nati-onalen Empörung Ausdruck verliehen. Das Volkslied reflektiert sowohl Koreas moderne Geschichte als auch das per-sönliche Leben der Koreaner in alter Zeit. „Arirang verkörpert Freud und Leid in der Geschichte und im Leben der Korea-ner“, erklärt ein Vertreter des Nationalen Volkskundemuseums von Korea. „Es ist als kulturelle DNA tief verwurzelt in den koreanischen Emotionen.“1

Die genauen Ursprünge sind unbekannt. Während manche behaupten, dass die Entstehung des Volksliedes bis in die Anfänge der koreanischen Geschichte zurückreiche, verlegen andere die Ge-burtsstunde in die Zeit des Silla-Reiches (57 v.Chr. – 935 n.Chr.), während Dritte dessen Ursprünge zeitlich in der Schluss-phase der Joseon-Zeit (1392 – 1910) verorten.

Arirang ist bei Süd- und Nordkoreanern gleichermaßen beliebt. In der Vergan-genheit hat es bei internationalen Sport-

veranstaltungen für gesamtkoreanische Teams gar die Nationalhymne ersetzt. „Arirang-Festivals“ gibt es sowohl in Se-oul als auch in Pjöngjang, sie werden auf beiden Seiten mit großem Aufwand ge-feiert. „Wo Koreaner sind, da ist Arirang, und wo Arirang ist, da sind Koreaner“,2 so der künstlerische Leiter des Festivals 2012 in Seoul, Yun Jung-gang.

Da das Volkslied längst als inoffizielle Nationalhymne der Republik Korea gilt, hat die Regierung im vergangen Jahr die Aufnahme der südkoreanischen Versio-nen des Arirang in die Liste des immate-riellen Weltkulturerbes der Menschheit der UNESCO beantragt. Mit Erfolg, wie im Dezember 2012 ent-schieden wurde. Arirang ist mehr noch als das Volkslied der Koreaner – schüt-zenswertes Gut der Menschheit nämlich.

1 http://german.korea.net 2 http://world.kbs.co.kr/german/program/program_trendkorea_detail.htm?No=43413

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Ü b e r d e n n i m b u s e i n e r i n o f f i z i e l l e n n at i o n a l h y m n e

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Mit behutsamen Gongschlägen und einer schmerzli-chen Wendung auf der Ajaeng [아쟁]1 beginnt das vermutlich längste Sinawi [시나위]2, das jemals in

Deutschland gespielt wurde. Nach und nach gesellen sich die anderen Instrumente alter koreanischer Tradition dazu, die Melodielinien in der für westliche Ohren zutiefst traurigen Tonart Gyemyeonjo [계면조] schlingen sich umeinander in auf-merksamer Weise und bilden ein ruhiges Chaos, aus dem sich schließlich ein Solo herauswindet. Jedes Instrument bekommt Gelegenheit, sich allein auszusingen, die Rhythmen wechseln und steigern sich, Solos und Ensemblepassagen, darunter auch mal ein gemeinsam verabredetes Thema, bilden ein Kontinuum von zu Musik verzauberten menschlichen Seufzern und Klage-lauten. Plötzlich, als wären 50 Minuten nur ein Atemzug, has-pelt sich die Musik aus dem rasenden Hwimori [휘머리]3 in eine Verwirbelung wie eine Rauchfahne, in die ein Wind fährt, und das Stück endet mit einem satten Gongschlag. 1000 Zuhörer im Kammermusiksaal der Philharmonie haben 1000 Empfindun-gen und sind alle auf ihre Weise erschüttert, bewegt, belustigt

oder genervt. Komplexe Musik, koreanischer Free Jazz, sagen die einen, es gibt auch andere, die das als primitiv ansehen. Aber niemand, der nicht ein erinnerliches Erlebnis hatte!Das Volksmusikensemble des National Gugak Centers Seoul hatte 2011 bei einer Tournee mit zwei Programmen aus Volks-musik ein Initiationserlebnis, als das Publikum in Hamburg und Köln nach Sinawi und Sanjo [산조]4 vor Begeisterung raste und mehr, mehr verlangte. Dabei war es sehr schwierig gewesen, die Musiker zu einer Aufführung zu bewegen, die länger als 20 Minuten wäre! Mein Argument war, dass unser Publikum Zeit brauche, um sich in die Musik einzufinden, und während es in Berlin und Stuttgart nach jeweils 27 Minuten Dauer ehrlich begeistert und interessiert war, brach es in Hamburg und Köln nach 33 Minuten in einen kollektiven Jubelschrei aus. Also hatte die Musik offenbar erst nach einer halben Stunde die Ummauerung des Herzens gesprengt. Das Konzert hatte noch einen zweiten Teil, in welchem das andere Ensemble des National Gugak Centers, das Hofmusikor-chester, die Suite Gwanak Yeongsanhoesang [관악영산회상] ©

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yeongsanhoesang

Die Kl assiK Koreas stellt

sich vor

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B e r l i n u n d M ü n c h e n e r l e b e ne i n K o n z e r t d e r G e g e n s ä t z e

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vorstellte, die eine völlig andere Herausforderung ans Publikum bereithielt. Streng komponiert – im Gegensatz zum improvisatorisch aufgelockerten Sinawi – repräsentiert diese Suite die stoische Ge-lassenheit der konfuzianistischen Weltsicht, in der das Individuum, die Gesellschaft und die Natur eine unentrinnbare Einheit bilden. Die Tugenden von Einsicht in die hierarchische Ordnung und Mäßigung der Gefühle stellen ein Ideal dar, wel-chem die Wirklichkeit vermutlich kaum, sondern nur die idealistische Musik gerecht werden kann. Endlos und beinahe ohne Tempo dreht sich hier die uralte Melodie eines buddhistischen Gesangs in immer anderen, aber schwer unterscheidba-ren Variationen, bis nach 20 Minuten das Tempo um ein Winziges anzieht, was eine überpropor-tionale Wirkung erzeugt, wie ein dramatischer Lichtwechsel. Vieles macht diese Musik zu einem Gegenstück abstrakter Renaissancemessen und avantgardistischer heutiger Kunstmusik, aber trotzdem war der Beifall herzlich und warm. Eine Spaltung des Publikums konnte nicht beobachtet werden, und meine Vermutung, dass Sinawi eher für Jazzhörer vertraut und die Hofmusik eher für Klassik- und Avantgarde-Hörer interessant sein könnte, wurde durch eine Umfrage beim selben Programm in München, wo sowohl nach dem be-vorzugten Musikstil als auch nach dem eindrucks-vollsten Stück des Abends gefragt wurde, nicht bestätigt. Das ist sehr ermutigend! Und auch ein Signal dafür, dass die meterdicken Mauern zwischen den Musikstilen der Aristokra-tie und des Volkes durchlässig geworden sind. Beide kulturellen Segmente teilen ziemlich viele Eigenschaften – die Tonarten zum Beispiel, und die Behandlung des klingenden Tons, der immer in eine lebhafte Bewegung versetzt wird, mit Erregung in der Volksmusik und mit Mäßigkeit in der aristo-kratischen Tradition - verschieden, doch verwandt.Wenn ich in meiner Arbeit als Musikkurator einen Erfolg hatte, dann war es dies gewesen, wo es mir gelungen war, zwischen Musikern, bzw. Instituten, die an der Vermittelbarkeit ihrer Musik im Westen zweifelten, und einem an-spruchsvollen und wagemutigen Publikum zu vermitteln. 2003 bin ich in Seoul nach einem Auftritt

des alten Meistersängers Kim Ho-seong, der Sijo [시조] und Gasa [가사] aufführte, das sind intime Liedformen der Gelehrtenschicht, mit Tränen in den Augen vor Rührung zu ihm hinter die Bühne gegangen, um ihm zu danken, aber er entschul-digte sich bei mir für die so hässliche und lang-weilige Musik. Meine Schwüre, dass dem nicht so war, wies er zurück. Ich glaube, dass diese Zeiten vorbei sind. Nur fehlt es jetzt an Veranstaltern in Deutschland, die das Interesse des hiesigen Publikums an neuen alten Klängen erkennen und ernst nehmen.Aber es hat sich viel getan. Noch vor zehn Jahren hatten Konzerte des National Gugak Centers in Europa innerhalb von 70 Minuten und mit acht Musikbeispielen die ganze Pracht und Vielfalt der koreanischen traditionellen Musik darbieten wol-len. Damals kam auch die abfällige Bezeichnung des „touristischen Konzerts“ auf. Dies hätte nie einen Platz in unserem Kulturleben erringen kön-nen. Und der Eindruck einer schmeichlerischen Werbung diskreditierte die koreanische Musik so sehr, dass es auch heute noch unfassbar schwer ist, die Presse und Veranstalter dafür zu begeis-tern. Kulturredakteure und Programmdirektoren haben gemeinsam, dass sie die Kenntnisse, die das Publikum erreichen, filtern. Keine Zeitung hat eine Rezension gedruckt! Wie kann dann die koreanische Musik jemals bekannt werden?

Gwanak yeongsanhoesang haegeum-sektion 2012

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Matthias R. Entreß, geb.1957 in Hamburg, lebt und arbeitet in Berlin als freier Autor, Musikjour-nalist und -kurator. Er studierte Theaterwissen-schaft, Germanistik und Kunstgeschichte an der FU Berlin. Darüber hinaus kuratierte er 2004 in Berlin und 2007 in Italien Festivals mit koreanischer Musik, Konzerttourneen mit Pansori 2009 und Volksmusik 2011. Er initi-ierte 2005 die ersten deut-schen Übersetzungen von Pansori, an denen er auch mitarbeitete. Musikjour-nalistische Schwerpunkte sind Neue Musik und Außereuropäische Musik für DLR, HR, WDR.

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sinawi 2012

Die Fragebögen geben auch darüber Auskunft: „Durch Empfehlungen von anderen“ war in Berlin wie München der häufigste Anstoß zum Konzert-besuch.Die Zeiten sind auch vorbei, wo sich das kura-torische Bemühen nur um so grundlegende Forderungen drehen konnte wie nach Auffüh-rungen ganzer Werke und Werkzyklen, und nach dem Verzicht auf elektrische Verstärkung. Heute werden unsere Säle von den koreanischen Musi-kern geschätzt, und sie wissen, dass ganze Werke zu spielen nachhaltige Wirkung hat. Ja, so wie die westliche Musik in Korea ein tiefes Verlangen nach glatten, schönen Klängen befriedigt, so vervollkommnet auch die koreanische Musik seelisch wie ästhetisch das kulturelle Selbstgefühl westlicher Musikfreunde. Einiger, natürlich nicht aller.Aber die Frage, mit der ich nach der Abreise der allseits vergnügten und zufriedenen Musiker zu-rückblieb, war: In welchem Verhältnis stehen die Aufführungen solcher Musik in der Philharmonie und im Münchner Funkhaus des Bayerischen Rundfunks zu der Musikpraxis der alten Zeit? Erst jetzt erfuhr ich, dass Sinawi in der anfangs geschilderten Form eine Konzertfassung des schamanistischen Musizierens sei, wie sie erst im 20. Jahrhundert aufkam. Und in welcher Beset-zungsgröße Gwanak Yeongsanhoesang – kom-

plett oder nur in Teilen? – damals gespielt wurde, beantwortete auf mein insistierendes Fragen jeder anders. So stehe ich da und frage mich, ob sie überhaupt existiert, die traditionelle koreani-sche Musik. Oder ist sie nurmehr ein Nachhall aus einer untergegangenen Zeit, ein umherirrender unerlöster Geist vergangener Musik, der sich in unsere Seelen betten will? Die Suche nach der angemessenen Präsentation der Koreanischen Klassik hat erst begonnen.

1 Siebensaitige, mit einem Holzbogen gestrichene wölb-brettzither2 Koreanische schamanistische Zeremoniemusik 3 Einer der schnellsten „Jangdans“ genannten Rhythmus-muster der volksmusik 4 Ende des 19. Jahrhunderts aufgekommene instrumenta-le Solo-Suite auf der Basis von alten volksmelodien für ein koreanisches Melodieinstrument

Die Kunst des Instrumenten-baus muss von Generation zu Generation weitergegeben

werden, denn das Holz benötigt seine Zeit. Beispielsweise bedarf es für die koreanische Zither Geomungo (거문고) wenigstens fünf bis zehn Jahre der La-gerung. Trocken ist das Tonholz bereits nach dreien, aber um später Träger eines stabilen, reichen Klanges zu werden, müssen auch die sogenannten Wachstumssspannungen veschwunden sein. Eine lange Wartezeit, in der viele der kostbaren Scheite Risse bekommen und unbrauchbar werden, und selbst von den verbliebenen taugt in den Augen von Instrumentenbauern wie Bog-Gon Kim und Hung-Gon Go nur eines von hundert Stücken zur Her-stellung eines Meisterwerks. Es seien also vor allem Schnee und Sonne, die Zeit und der Wandel der Jahreszeiten, die ein blosses Stück Tonholz in einen Schatz verwandelten, den sie nur noch herausschälen müssten. Das ist sicher eine Bescheidenheit der alten Meister, gleichwohl verdeutlicht Bog-Gon Kim: „Lässt man das Holz nicht richtig trock-nen, nützt auch alle Handwerkskunst nichts: Das Resultat ist dann wie halb gekochter Reis“.

Er selbst lässt sich keine Zeit zum Aus-ruhen, zu sehr drängt es ihn danach, gemeinsam mit Wissenschaftlern, Künstlern und Fachleuten aller Bereiche die Techniken seiner Zunft weiterzu-entwickeln. Dabei fing sein Berufsweg so gegenteilig an: Der Hunger trieb ihn zur Musik, nichts sonst. Er war gerade einmal 14 Jahre, als ihn die verzweifelte Suche nach Arbeit nach Seoul und in die Obhut des Instrumentenbauers Tae-

Jin Choe führte. Liebe auf den ersten Blick war es nicht: Während seine Freun-de sich mal hier, mal dort als Kellner durchschlugen, kassierte der junge Herr Kim bei seinen halbherzigen Versuchen in der Werkstatt blutige Ratscher an den Händen. Sehr langsam, meint er, hätte er sich dieser Welt angennähert. Sie fingen ihn dann aber doch ein, die Instrumente und ihre Rätsel, und so begann er, nach ihren Antworten zu suchen. Er erforschte Jahrtausende alte Schriften, wie das Jeongganbo (정간보) und das Akhakgwebeom (악학궤범, die von König Sejong in Auftrag gegebene Anweisung zur Form der Musik und zum Spiel von verschiedenen Instru-menten), er holte seine schulische Ausbildung nach, studierte, promovier-te und widmet sich seither in all seinem Streben der Erforschung und Weiterent-wicklung seiner Instrumentenauswahl. Die akustischen Vermessungen im Labor helfen ihm bei der Patentierung neuer Schutzlacke, besserer Oberflä-chen sowie der Wiederentdeckung alter Techniken.

Herr Go, der wie Herr Kim um die sechzig sein wird, schützt die Kunst vor allem praktisch: Jeden Tag bringen ihm seine Kunden ihre beschädigten oder verstimmten Instrumente, die er mit Ruhe und Geschick repariert. Er hat selber zwanzig von ihnen gebaut. Sein Weg dorthin war aber ein völlig ande-rer: Er war bereits 20, als sein greiser Nachbar auf seine Bitten hin begann, ihn in das seltene Handwerk einzuwei-sen. Gos Bedeutung für die Zukunft seiner Zunft liegt in dem offenen Ohr, das er für die Ideen junger Künstler parat hat. Behutsam passt er die tradi-

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das Handwerk und der klang der ZeitVon der Kunst des koreanischen Instrumentenbaus

von Sandra Linn

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tionellen Bauweisen dem Bedarf der modernen Zeiten an. Ob für Pop oder Tango, mit zusätzlichen Saiten oder als Elektro-Variante, die Klassiker der koreanischen Musik schütteln zurzeit viel Staub ab, besonders die von ihm am häufigsten angefertigte schwarze Zither (Geomungo).

Die teils mit Bambusstöckchen bespielte Geomungo und die mit einem Bogen aus Rosshaar gestrichene Wölbbrett-zither Ajaeng (아쟁) werden aus dem sehr festen Holz der Paulownia Coreana gemacht. Paulownien bieten ein ausge-sprochen hochwertiges Klangholz, doch sind die wunderschön blau blühenden Riesenbäume in Südkorea leider nur noch selten zu finden. Zudem wird für den Instrumentenbau bevorzugt ausschliesslich der knapp über dem Boden gewachsene Stamm berücksich-tigt, Paulownienholz muss von daher oft importiert werden. Nachdem der Reso-nanzkörper aus einem Stück herausge-schnitzt und ausgehölt wurde, werden Seiten und Rücken aus Walnussholz aufgebracht. Auch Kastanie, Kiefer oder andere langsam wachsende Holzarten werden verwendet, so wie in Europa Fichte und Ahorn üblich sind. Die Saiten der Zithern werden aus Seide herge-stellt, was ihnen einen weicheren Klang schenkt als den metallen bespannten In-strumenten Chinas oder Europas. Jedes Instrument ist eine Herausforderung für seinen Hersteller, so steckt in einer Gaya-geum nie weniger als ein Monat Arbeit. Noch komplizierter ist die Herstellung der Geomungo, deren Unterteilungen von hoher symbolischer Bedeutung sind – ein perlmuttener halber und voller Mond ziert sie oft neben aufwendigen Intarsien.

Wie unterschiedlich die Handschrift jedes Instrumentenbauers ist, fällt besonders bei den koreanischen Flöten auf. Legt man einige Flöten derselben Art nebeneinander, sieht man sofort, dass sich ihre Längen, Lochstärken und -verteilungen von Meister zu Meister sichtbar unterscheiden. Für koreanische Flöten wird Bambus benutzt, besonders

gern der biegsame gelbe, der gene-rell vielerlei Verwendungen im Alltag findet. Aber auch kräftigere Sorten und sogar Jade können verarbeitet werden. Der Bambus sollte fünf Jahre alt sein, wenn er ab der Knolle geerntet wird. Danach wird er über Feuer erhitzt und mit Druck in die richtige Form gebracht, wobei seine natürliche, leicht elliptische Gestalt ausgenutzt wird, um später die breitere Oberfläche für die Fingerlöcher zu bestimmen. Danach muss auch der Bambus ruhen, idealerweise ganze fünf Jahre. Um später dennoch nicht seine Form zu verlieren oder wieder feucht zu werden, hat man die größeren Flöten wie die 80 cm lange Daegeum (대금) oder die halb so lange Danso (단소) traditionell an bestimmten Stellen fest umzurrt oder sie zusätzlich von innen mit rotem Lack versiegelt.

Kim Bok-Gons Ziel ist es, im Instrumen-tenbau „Altes und Neues harmonisch miteinander in Einklang (zu) bringen.“ Denn das Geheimnis des guten Klangs ist etwas, das man nur mit Gefühlen und Erfahrung verwirklichen, nicht aber lo-gisch vermitteln kann. Was ihre Meister die Instrumentenbauer in ihrer Jugend lehrten, müssen sie als Schüler selber entdecken und täglich weiter erfor-schen. Sie scheuen sich daher nicht, das teilweise über Jahrhunderte entwickelte Wissen mit der Moderne zu bereichern. Ein Bild, das an die Pflege einer Freund-schaft erinnert, und genauso empfinden sicher viele der Kunden die Verbindung zu ihrem Instrument und das Vertrauen zu dem Meister, in dessen Hände sie es geben.

Quellen: Ah-Young Chung (2007): Artisan Captures Su-blime Sounds. In: Korea Times vom 21. August 2007 ( HYPERLINK „https://www.koreatimes.co.kr/www/news/culture/2012/11/148_8690.html“ https://www.koreatimes.co.kr/www/news/culture/2012/11/148_8690.html)Hyeon-Suk Bak (2010): Instrumentenbaumeis-ter Kim Bok-Gon: „Ein Instrument ist ein Gefäss zur Aufbewahrung des Zeitalters.“ In: Koreana. Jahrgang 5, Nr.11, S.44-49 ( HYPERLINK „http://www.koreana.or.kr/months/news_view.asp?b_idx=969&lang=ge&page_type=list“ http://www.koreana.or.kr/months/news_view.asp?b_idx=969&lang=ge&page_type=list)Editorial (2009): Die traditionelle koreanische wölbbrettzither Gayageum. Homepage des Radiosenders KBS, http://rki.kbs.co.kr/german/program/program_qna_detail.htm?No=373Song Hye-jin (2006): Auf der Suche nach der Stimme von GAYA. In: Koreana. Jahrgang 1, Nr.1, ohne Seitenangabe ( HYPERLINK „http://koreana.kf.or.kr/l_German/view.asp?article_id=6468“ http://koreana.kf.or.kr/l_German/view.asp?article_id=6468)Keith Howard (1988): Korean Musical Instru-ments. A Practical Guide. Seoul.

Nach ihrem Magisterab-schluss 2009 war Sandra Linn das erste Mal in Ko-rea. Nur für einen kurzen Aufenthalt wurde sie von ihrer Universität in Bonn an die Partneruniversität Seoul National University geschickt. – Daraus wurde ein Jahr als DAAD-Sprach-assistentin, und heute unterrichtet sie an der Dankook-Universität in Cheonan. In Ihrer Freizeit durchstöbert sie die Stadt und die alternative Musikszene.

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Wo beginnt Musik? Was ist das kleinste Element, das als Musik gelten kann? Eine interessante Antwort hierauf gibt uns das Sijo, eine der wichtigsten Liedgattungen im Bereich der traditi-onellen koreanischen Musik. Der Begriff Sijo (시조 時調) bezieht sich zunächst einmal auf die literarische Gattung des dreizeiligen Kurzgedichtes, das erst-mals im 14. Jahrhundert am Ende der Goryeo-Zeit in Erschei-nung tritt und im 16. Jahrhundert in der frühen Joseon-Zeit nach der Entwicklung der koreanischen Schrift Hangeul seine Blütezeit erlebt. Sijos wurden in der Anfangszeit vor allem von den adligen Gelehrten, später auch von den Unterhaltungs-künstlerinnen am Hofe (den Gisaeng 기생 妓生) und im 19. Jahrhundert gegen Ende der Joseon-Zeit auch von nichtadligen Bürgern verfasst. Es handelt sich hierbei zumeist um bukolisch-idyllische Naturbeschreibungen mit symbolhaftem Charakter und oftmals auch kosmologisch-metaphysischer Dimension. Ein berühmtes Beispiel ist folgendes Sijo aus der Feder der legendären Gisaeng Hwang Jini (황진이 黃眞伊):

靑山裡(청산리) 碧溪水(벽계수)야 수이 감을 자랑마라 一到滄海(일도창해)하면 다시 오기 어려오니明月(명월)이 滿空山(만공산)하니 수여 간들 엇더리

Blauen Berges jadegrünes Bächlein, du, rühme dich nicht dei-nes schnelles Laufes.Einmal ins Meer gelangt, kehrst du nur schwer wieder.Helles Mondlicht füllt die leeren Berge – wie wäre es, ein wenig auszuruhen?

Das Gedicht folgt in seiner Struktur der Standardform des Pyeongsijo (평시조 平時調) von drei Versen zu jeweils etwa 15 Silben1 und kann auf verschiedenen Bedeutungsebenen gele-sen werden, so als eine in Naturbildern geschilderte Allegorie auf die Vergänglichkeit des Lebens oder auch als verschlüsselte Botschaft der Dichterin, die sich hier mit dem Mondlicht iden-tifiziert und einen jungen Angehörigen der Königsfamilie mit dem Namen Byeok Gye-su, was gleichzeitig soviel bedeutet wie „jadegrünes Bergbächlein“, zum Bleiben bewegen will.Solche Sijos wurden traditionellerweise nicht nur rezitiert, sondern vor allem auch gesungen, und so tritt etwa seit dem 18. Jahrhundert das Sijo auch als eigenständige Liedgattung in Erscheinung. Wie mag es nun klingen, wenn das Gedicht vom Bergbächlein musikalisch vertont wird? Wird die Textaussage des Liedes vielleicht durch die melodische Struktur oder einen besonderen Rhythmus bestärkt? Finden wir – vielleicht auch im Rahmen einer Instrumentalbegleitung – akustische Stim-mungsbilder oder Klangmalereien, die einen plätschernden Bergbach imitieren oder die Atmosphäre des mondbeschie-nenen Gebirges heraufbeschwören? Um es gleich zu sagen: Von all diesen Vorstellungen, die einem westlichen Kunstlied angemessen wären, muss man sich komplett verabschieden, wenn man einem Sijo lauscht.

Betrachten wir zunächst eine schematische Notation der musikalischen Umsetzung des oben betrachteten Gedichts (mit geringfügigen textlichen Abweichungen): 2

Der einstimmige Gesang des Sängers oder der Sängerin (im obigen Schema durch geschlängelte Linien markiert) wird

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Sijo Ein Ton,

tausend Klangfarben

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lediglich begleitet durch die Schläge der Janggu (장구) -Trom-mel (in der obersten Zeile durch Kreise und senkrechte Striche angegeben).3 Die Liedform des Sijo besteht entsprechend den drei Verszeilen des Gedichts aus drei musikalischen Abschnitten (jang 장 章). 4 Diese gliedern sich in Einheiten zu je fünf oder acht Zählzeiten (bak 박 拍):

Abschnitt: 5 + 8 + 8 + 5 + 8 ZählzeitenAbschnitt: 5 + 8 + 8 + 5 + 8 ZählzeitenAbschnitt: 5 + 8 + 5 + 8 Zählzeiten

Dieses Grundschema, zu dem wiederum zahlreiche, vor allem regional bedingte Varianten existieren, ist allerdings in der tatsächlichen musikalischen Realisation kaum erkennbar. Dies liegt zum einen am extrem langsamen Tempo – der Gesangs-vortrag der drei Verse dauert insgesamt etwa vier Minuten – und zum anderen an den ständigen Temposchwankungen. So wird die jeweilige Länge der Phrasen im Grunde frei bestimmt durch Ausdruck und Atemlänge des Sängers, und die Trommel-schläge dienen hierbei eher der musikalischen Orientierung als der Rhythmisierung oder Metrisierung. Der Text des Gedichtes ist für den Hörer kaum noch zu erken-nen, denn die einzelnen Worte werden im Gesangsvortrag durch extreme Melismatik 5 bis zur Unkenntlichkeit zerdehnt und durch Atempausen auch inmitten einzelner Silben zer-rissen. Eine erkennbare musikalische Ausdeutung des Textes findet nicht statt.In gesungener Musik spielt naturgemäß die melodische Form-gebung eine zentrale Rolle. Wie sieht es hier aus? Die Melodie pendelt im Grunde lediglich zwischen zwei Tönen im Quartab-stand hin und her, gelegentlich durch verminderte oder reine Quinte erweitert. Und auf genau diese ziemlich rudimentär wirkende Melodie wird unabhängig vom jeweiligen Text jedes der (über tausend) bekannten Pyeongsijos 6 gesungen.Ein schleppend langsamer, kaum noch erkennbarer Rhythmus, so gut wie keine instrumentale Begleitung, eine einstimmige Melodie aus letztlich nur zwei Tönen, die zudem in jedem Sijo gleich ist, ein unverständlich intonierter Text – was bleibt da eigentlich noch? Mehr als man vielleicht denkt. Denn das eigentliche musikali-sche Geschehen spielt sich auf einer ganz anderen Ebene ab. Es ist dies die mikrotonale Ebene der Stimmgebung und Klangfär-bung. Alles konzentriert sich auf die langen, fließenden Linien der Gesangsstimme, auf die virtuosen Verzierungstechniken, auf die kunstvollen Glissandi und Vibrato-Techniken, teilweise mit extrem weitem Ambitus [Tonumfang], auf den zusätzlichen Einsatz von Kopfstimme und Pressstimme, mal schroff-kratzig, mal weich-geschmeidig, und auf das ständige An-und Ab-schwellen des Atemstroms. Dadurch, dass die Stimme losgelöst ist von der inhaltlichen Aussage des Gedichtes, wird der Text auf eine rein klanglich-phonetische Ebene gerückt, die gewisser-maßen völlig frei über der semantischen Ebene schwebt. Und auf dieser Ebene hat der Interpret die Möglichkeit, durch den Charakter seiner eigenen Stimme und durch kleine, bewusst

gesetzte individuelle Schattierungen und Abweichungen von der Standardform ein einzigartiges, originäres Kunstwerk zu schaffen. Die Faszination des Sijos liegt im Ausdrucksspektrum und im Timbre der menschlichen Stimme selbst, in ihrem Spannungs-verlauf und ihren energetischen Verdichtungen, ihren vielfälti-gen Schwingungen und Schwankungen und ihrer immensen Klangfarbenvielfalt. So beginnt die Musik, anders als in der klassischen westlichen Musik, nicht erst durch die Inbezugsetzung mehrerer Töne, die Motive und dann Melodien bilden. Sie beginnt aus der Ruhe mit dem puren Klang, mit dem einzelnen Ton, der durch den Hauch des menschlichen Atems zum Schwingen gebracht und durch die Farben der menschlichen Stimme mit Leben erfüllt wird.

1 Als Standardform, die allerdings eher theoretischen Charakter hat und in der Praxis meist variiert wird, gilt: 1. vers: 3 + 4 + 4 + 4 Silben2. vers: 3 + 4 + 4 + 4 Silben3. vers: 3 + 5 + 4 + 3 Silben2 Aus: MCCANN, David R. (1976): The Structure of The Korean Sijo. In: Harvard Journal of Asiatic Studies, vol. 36. (1976), pp. 114-134.3 Gegebenenfalls können auch andere Instrumente wie Daegeum (대금 大芩) -Bambusquerflöte, Piri (피리) -oboe oder Haegeum (해금 奚琴) -Kniegeige hinzutreten, die dann die Gesangsmelodie mitspielen.4 Die letzten vier Silben des Gedichts bleiben dabei meist unvertont und werden nicht gesungen.5 Das Melisma ist eine Tonfolge oder HYPERLINK „http://de.wikipedia.org/wiki/Melodie“ \o „Melodie“ Melodie, die auf einer Silbe gesungen wird (Anm. d. Red., Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Melisma).6 Neben dem Pyeongsijo gibt es weitere Sijo-Gattungen, so beispielsweise das textlich erweiterte Saseol-Sijo (사설시절 辭設時調) oder das Jireum-Sijo (지름 時調), bei dem die Melodie des ersten verses ins obere Register transponiert wird. Literarische Sijos werden außerdem auch in den Liedgattungen Gagok (가곡 歌曲) und Gasa (가사 歌詞) vertont.

Literatur:BuRDE, wolfgang (Hrsg.) (1985): weltmusik Korea – Einführung in die Musiktradition Koreas. Mainz u. a.: Schott.MCCANN, David R. (1976): The Structure of The Korean Sijo. In: Harvard Journal of Asiatic Studies, vol. 36. (1976), pp. 114-134.

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Jan Dirks ging nach dem Ersten Staatsexamen (Musik, Französisch auf Lehramt) und einem Magister-abschluss (Koreanistik) nach Süd-korea, wo er an der Seoul National University in Theaterwissenschaft promovierte. Derzeit arbeitet er als Vollzeitdozent an der Gachon-Uni-versität, leitet Kurse am Literature Translation Institute of Korea, KLTI (Übersetzungsinstitut für korea-nische Literatur) und moderiert verschiedene Kultursendungen auf KBS WORLD Radio.

N OR A EGagok-Gesang im Haus der Berliner Festspiele Eine europäische Erstaufführung

vo n M a r i e - I r è n e I g e l m a n n

E iner der Glanzpunkte von Foreign Affairs, dem neuen internationa-

len Festival für Theater und performa-tive Künste der Berliner Festspiele, war NoRAE, eine Performance der aus Seoul stammenden Bildenden Künstlerin yeesookyung, die zum ersten Mal im Herbst 2012 in Europa gezeigt wurde. Ihr Projekt NoRAE – willows became the thread and a nightingale became the shuttle (LIED – Weiden wurden zum Faden und eine Nachtigall zum Weber-schiffchen) widmete yeesookyung der Jahrhunderte alten koreanischen Gagok-Musik1, die bereits im Jahre 2010 von der UNESCO zum „immateriellen Kulturerbe der Menschheit“ erklärt worden ist. Ent-gegen der herkömmlichen Aufführungs-praxis, in der die Gagok-Sängerinnen und Sänger von einem kleinen Kammer-orchester mit traditionellen koreani-schen Instrumenten begleitet werden, inszenierte yeesookyung den Gagok-Gesang der Sängerin Minhee Park ganz ohne Instrumentalbegleitung. Für diese Performance entwarf yeesookyung

einen trichterförmigen Raum, durch den Minhee Parks Stimme wie über einen Lautsprecher verstärkt wurde, sodass sich ihr subtiler Gesang ohne jedwede elektronische Unterstützung im gesam-ten Zuschauerraum entfalten konnte.

Im Gagok, einer sehr langsamen, wenn-gleich reich verzierten und dynamischen Vokalmusik, zieht sich ein Wort, selbst eine Silbe zeitlich oftmals bis zu einer Minute hin – für europäische Ohren alles andere als ein vertrautes Klangerlebnis. Minhee Parks Gesang wand sich in den unterschiedlichsten Variationen der musikalischen Ornamentik durch die Register der tiefen Bruststimme und glitt geschmeidig in die Höhen der Kopfstim-me. Die einzigen Zäsuren waren die sehr spärlich gesäten Atempausen, in denen ich als Zuhörerin fast automatisch tief mitatmete - erstaunt über den ausdau-ernden Atem der zierlichen Sängerin.

Die Abwesenheit musikalischer Be-gleitung ließ die Atempausen für mich

wie Leerstellen von erhabener Eleganz erscheinen. Diese Empfindung wurde durch das Bild, das sich mir bot, noch verstärkt. Im Bühnendunkel erweckte der makellos weiße Innenraum des Trichters den Eindruck eines unend-lich weiten und leeren Raumes. Dies lag zum einen an der schattenlosen Ausleuchtung mit grellem Neonlicht, zum anderen an der architektonischen Konzeption des Raumes selbst: Die Illusion von unendlicher, räumlicher Tiefe wurde durch die schräg aufein-ander zulaufenden Seitenwände und den sich anhebenden Bühnenboden intensiviert. In diese weiße Leere setzte yeesookyung die Gagok-Vokalistin Min-hee Park im traditionellen koreanischen Gewand. Die weiße Farbe symbolisiert für yeesookyung zweierlei: Freiheit und Verantwortung. Als Künstler habe man die Entscheidungsfreiheit bei der Gestal-tung einer weißen Leinwand, man trage jedoch gleichzeitig die Verantwortung für jede darauf hinterlassene Spur, so die Künstlerin in einem Interview.

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Trichterförmiger Raum, entwickelt von der Künstlerin yeesookyung

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Im leuchtenden Trichter reglos dasitzend, umgeben von vollständiger Dunkelheit, be-wegte Minhee Park während der einstündigen Performance nur ihre Lippen und ihre Augen. Ich ließ mich von den Wellen der virtuosen, plötzlich leiser und dann wiederum umso lauter werdenden vibrierenden Stimme tragen. Die langanhaltenden Töne ihres Gesangs schufen eine meditative Atmosphäre im gesamten Raum. Mir schien, als ob meine Konzentration auf den minimalistischen Gesang mein Gehör schärfte, sodass selbst ein zufälliges Husten oder Rascheln im Zuschauerraum mich fast schmerzvoll störte. Unweigerlich verharrte ich in einer fast starren Position, um ja nichts aus dem Auf und Ab der Töne zu verpassen. Mir schien aber auch, dass sich nicht nur meine auditive, sondern auch meine visuelle Wahr-nehmung beim Klang dieser spirituellen Lieder veränderte: Langsam verwischten sich im glei-ßenden Licht des Trichters die Körperumrisse der Gagok-Vokalistin und wurden eins mit dem weißen Nichts um sie herum; es war, als ob sie schwebte.

In der beeindruckenden Komposition von Bild und Ton, die Auge und Gehör gleichsam her-ausforderte und schärfte, erschuf yeesookyung einen transzendenten Raum der Einkehr und der Schönheit, in dem der spirituelle Charakter der melancholischen koreanischen Liebeslieder des Gagok wohl nicht nur für mich sinnlich erfahrbar geworden ist. Nach Ausklingen des letzten Tons erlosch mit einem Male auch das strahlend weiße Licht im Trichter. Wie aus einem schönen Traum gerissen, trauerte ich wehmütig den sanften Klängen in der Dunkel-heit nach. Dann ging das Licht plötzlich wieder an. Von der anmutigen Sängerin war jedoch keine Spur mehr zu sehen. Sowohl meine Begeisterung als auch die des Publikums über das Erlebte war groß. Zurück in den hektischen Alltag wollte wohl kaum jemand... .

1 Gagok: Koreanische vokalmusik für Frauen- und Männer-stimme sowie Instrumentalensemble (Anm. d. Red.)

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Marie-Irène Igelmann, geboren 1989, studierte Theaterwis-senschaft an der Université de Paris III – Sorbonne Nouvelle und der University of Toronto sowie an der Freien Universität Berlin. Sie absolvierte Regiehospitanzen und -assistenzen am Schau-spielhaus Bochum und am Schauspiel Essen. Die koreani-sche Produktion NORAE von yeesookyung begleitete sie im Rahmen ihres Praktikums im Bereich der Produktionslei-tung von Foreign Affairs, dem neuen internationalen Festival für Theater und performa-tive Künste der Berliner Festspiele.

Minhee Park

„Als ich klein war, erwachte ich zu den leisen buddhistischen Gesängen meiner Mutter“

Die koreanische Künstlerin yeesookyung über große und kleine Räume, vergessene koreanische Traditionen und die Schönheit der Farbe Weiß

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Sie sind hauptsächlich Bildende Künstlerin. was lockt Sie an der Musik?

Ich wuchs in einer buddhistischen Familie auf. Als ich klein war, erwachte ich zu den leisen buddhis-tischen Gesängen meiner Mutter. In den 1980er Jahren, als ich zwanzig war, fühlte ich mich von unterschiedlichsten religiösen Gesängen angezo-gen. Im Jahr 2009, nachdem ich Oshos Buch der Geheimnisse gelesen hatte, interessierte mich, wie Klang den Verstand beeinflusst. Seitdem habe ich mir immer wieder verschiedene spirituelle Musik, religiöse Tonkunst und religiöse Gesänge ange-hört. Auch heute höre ich solche Musik noch beim Zeichnen. Sie hilft mir dabei, unheimliche, aber gleichzeitig beeindruckende Bilder aus meinem Unterbewusstsein zu locken.

wie entstand die Idee zu NoRAE – willows became the thread and a nightingale became the shuttle? wenn ich es recht verstehe, geht es bei Gagok um Reduktion und Essenz. warum wollten Sie diese Musik künstle-risch verarbeiten?

Im Jahr 2009 begann ich eine zweijährige Ausbil-dung bei einer Gagok-Vokalistin, deren Auffüh-rung in einem kleinen traditionellen koreanischen Haus mich sehr bewegt hatte. Früher, vor allem im Joseon-Reich [1392 – 1910] des 19. Jahrhunderts, wurde Gagok in vergleichsweise kleinen Räumen von den Gisaeng präsentiert, den koreanischen Unterhaltungskünstlerinnen jener Zeit. Ebenfalls 2009 sah ich mir eine Gagok-Aufführung in einem Theater an, um mehr darüber zu erfahren. Ich war sehr enttäuscht, weil die Stimme im Theater so anders klang als in dem Raum, wo ich zu dieser Zeit Gagok lernte.In dem Theater, gebaut nach westlichem Vor-bild, konnte ich nur wenige Tonlagen akustisch wahrnehmen und der Gesang klang nicht schön, insbesondere wegen der elektronischen Musikan-lage. Mir wurde klar, dass solche Theater nicht ge-eignet sind für den subtilen und minimalistischen Ausdruck dieses Gesangs. Diese Erfahrung war die Grundlage für meine Idee, eine Bühne für Gagok ohne elektronische Verstärkung zu entwerfen und dann eine Gagok-Aufführung ohne Instrumente zu inszenieren.

Haben Sie diese Arbeit speziell für Minhee Parks Gesang entworfen?

Die Bühne wurde allgemein für Gagok-Vokalisten entworfen. 2010 präsentierte in Seoul eine andere Sängerin ihre Performance. Minhee Park habe ich für die Berliner Festspiele eingeladen: Sie hat nicht

nur als traditionelle koreanische Sängerin, sondern auch als zeitgenössische Künstlerin bereits mit unterschiedlichen Künstlern verschiedener Genres zusammengearbeitet, vor allem mit Bildenden Künstlern. Deshalb konnte sie dieses Projekt verste-hen. Vor allem aber denke ich, dass sie dank ihres kristallklaren Wesens mit dieser Performance eine erhabene Schönheit kreiert.

Es scheint, als hätten Sie eine andere welt erschaffen, eine Lichtform in einem dunklen, endlosen Raum. warum dieser Kontrast von Licht und Dunkelheit?

Die ausschließliche Konzentration des schatten-losen Lichts auf die Bühne bewirkt beim Publi-kum den Eindruck einer virtuellen, schwerelosen Erscheinung. Ich wollte eine Atmosphäre erzeugen, als würde Gagok getauft von dem blendenden fluoreszierenden Licht. Der entstehende Raum löst automatisch die Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart auf, zwischen männlich und weib-lich, Alt und Jung, Osten und Westen.

was bedeutet die Farbe weiß für Sie?

Sie bedeutet Freiheit und Verantwortung. In der Vergangenheit wurden Koreaner wegen ihrer meist weißen Garderobe als das „weiß gekleidete Volk“ bezeichnet. Eines der nationalen Kulturgüter, das Baekja-Porzellan aus der Joseon-Zeit, ist ebenfalls weiß. Für mich symbolisiert weiße Farbe auch die Freiheit, selbst entscheiden zu können – wie beim Bemalen einer weißen Leinwand. Gleichzeitig trägt man die Verantwortung für die Spuren, die man auf der Leinwand hinterlässt.

Nimmt Ihr Stück Bezug auf die koreanische Gesell-schaft?

Der Koreakrieg und die japanischen Besetzung haben einen großen Teil des traditionellen Kultur-erbes Koreas zerstört. Aus diesem Grund ist auch Gagok den meisten Koreanern nicht mehr geläufig. Als Bildende Künstlerin möchte ich die Schönheit des Gagok vermitteln, die sogar bei den Nachkom-men ihrer Erfinder in Vergessenheit geraten ist. Der Gagok-Gesang begeistert mich schon mein ganzes Leben lang, seit ich ihm zum ersten Mal begegne-te. Es war, als ob ein im Ausland aufgewachsenes koreanisches Adoptivkind zum ersten Mal seine leibliche Mutter getroffen hätte. Ich denke, meine Leidenschaft für Gagok ist genetisch bedingt.

welche Bedeutung haben Raum und die Erfahrung von Musik im Raum für Sie?

Ich glaube fest daran, dass die Schallwellen spirituell schöner Musik nicht nur den Verstand des Publikums beeinflussen, sondern auch den Raum physisch verändern.

was bedeutet das für Sie als Bildende Künstlerin?

Es bedeutet, dass ich den Raum nicht als unveränderliche phy-sische Größe verstehe, sondern als mikro- und makrotransfor-mativen Raum. Klassische Musik befördert zum Beispiel das Wachstum von Pflanzen. Die erhabene Atmosphäre religiöser Stätten, zum Beispiel alter Tempel, ist auch ein Ergebnis der Schallwellen der dort gesungenen Gesänge, die die umge-benden Materialien physisch verändert haben.

Arbeiten Sie mit dem Raum als Bildende Künstlerin anders als in Ihren Performances und Inszenierungen?

Als Bildende Künstlerin nutzte ich Raum lediglich dazu, Kunstwerke auszustellen. Die Arbeit an Performances und Inszenierungen hat mein Verständnis von Raum vollkommen verändert. Ich versuche jetzt, die Energie zu fühlen, die einen leeren Raum füllt und glaube, dass kein Raum leer ist.

wie schwer ist es, einem europäischen Publikum die koreanische Kultur zu vermitteln?

NoRAE ist meine erste Performance in Europa. Grundsätzlich können die Gagok-Texte selbst von einem koreanischen Pub-likum nicht verstanden werden, da jedes Wort auf etwa eine Minute ausgedehnt wird. Das Publikum hört also nur einzelne Segmente des gedehnten Klangs. Darum erinnert es eher an moderne Kunst als an einheimische koreanische Musik.

Das E-Mail-Interview führte Anne Phillips-Krug Übersetzung von Nico Laubisch

Das Gespräch wurde anlässlich der europäischen Erstaufführung von „NORAE – Willows became the thread and a nightingale became the shuttle“ bei den Berliner Festspielen/ Foreign Affairs geführt.

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Anne Phillips-Krug arbei-tet in der Redaktion der Berliner Festspiele und als freie Journalistin für Print und Hörfunk.

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„…und wenn was umhauend ist, muss man nicht weitersuchen“

Gespräch mit alexander moosbruGGer, dem leiter der „bludenzer taGe fÜr zeitGemäße musik“

Die Bludenzer Tage für zeitgemäße Musik, die im vergangenen Jahr vom 21. bis zum 24. November

stattfanden, sind ein kleines, aber stark beachtetes Festival für Neue und experi-mentelle Musik in Vorarlberg/Österreich, das seit 25 Jahren besteht. Seit 2007 wird es von dem Komponisten und Organisten Alexander Moosbrugger geleitet. Wie in seiner eigenen kompositorischen Arbeit, in der er mit jedem Werk einen neuen Anfang setzen möchte, findet er auch als Kurator immer neue Aspekte, die die schwierigsten Fragen zum musikalischen Kontext und zu kreativer Arbeit im sozia-len Gefüge erhellen. 2011 ging es um den Solisten und seinen Resonatoren – seine instrumentale Begleitung oder Live-Elek-tronik oder den aktiv wahrnehmenden Hörer. Im vergangenen Jahr stand die Form des Klavierkonzerts im Mittelpunkt, und an jedem Abend wurde den neuen Kompositionen ein ausführlich gespieltes koreanisches Sanjo [산조] gegenüber-gestellt. Sanjo ist eine Ende des 19. Jahrhunderts aufgekommene instrumen-tale Solo-Suite auf der Basis von alten Volksmelodien für ein koreanisches Melo-dieinstrument – in Bludenz waren das die Oboe Piri [피리] (gespielt von Lee Inhwa), die Querflöte Daegeum [대금] (gespielt von Park Hye-ohn) und die sechssaitige Wölbbrettzither Geomungo [거문고] (ge-spielt von Kim So-yeon) – mit Trommel-begleitung (Lee Sang-kyung). „Zweiter Spieler – Regisseur des Hörens“ war ein Stichwort 2011, und das fand in der Form des Sanjos, wo ein Melodie-Instrument vom Trommler begleitet und kontrolliert wird, seine vollkommenste Erfüllung, denn da liegt, so Moosbrugger, „der Fokus auf dieser Sologeschichte einzel-ner Musiker mit zweitem Spieler, der die Zeit strukturiert und auch die Regie des Hörens anzuweisen weiß.“„Traditionell“ wird oft als Gegenteil

von Innovation und Kreativität verurteilt. In welchem Zusammenhang kann denn Sanjo mit Neuer Musik stehen? Moos-brugger: „Ich denke, Musik unserer Zeit im Westen und koreanische alte Musik haben mehr miteinander zu tun, als es auf die erste Sicht erscheinen mag. Wenn wir den Begriff Sanjo mit „verstreute Melodien“ übersetzen wollen, so ist das in gewisser Weise das, was Marc Sabat mit seinem aktuellen Stück Lying in the grass, river and clouds vorlegt. Die 88 Tasten des Klaviers werden hier individuell fein-har-monisch ausgedeutet, was auf mich wirkt wie eine Verkettung von 88 Teilen, die unterschiedlich gearbeitet sind: hier eine Kadenz, da eine Modulation oder eine harmonische Ausdeutung jeweiliger Zen-tren. Und wie beim Sanjo jeder Ton die Affektgrenze berührt, dabei eine Intimität stets in Geltung bleibt, und mit jedem Ton etwas für unser Ohr Ungewohntes veranstaltet wird, verbunden mit einer Sorgsamkeit, einer Zugewandtheit, wird

das in manchen Stücken strukturell aufgenommen, die 2012 präsentiert wurden.“Und Dietrich Eichmanns Stück Entre Deux Guerres schlug unwillkürlich den Bogen zu Sinawi [시나위], der improvisa-torischen Schamanenmusik, mit der, in kleiner Besetzung aller vier Musikerinnen, das Festival endete: „Sinawi, wenn man den Verweis auf den Free Jazz bringt, korreliert mit Dietrich Eichmanns Stück, das für mich beim ersten Hören wie eine genialische Improvisation klang, die penibel abgehört und notiert ist, und das sind doch strukturelle Momente, die recht direkt auch in der Musik Koreas auftau-chen, etwas, das sich über die Improvisa-tion formt und in der Weiterführung eine große Behutsamkeit verlangt.“ Moosbrugger betrachtet dies als innere Verbindungen, nicht nur als rein äußerli-che Ähnlichkeiten und entwickelt daraus seine Festival-Dramaturgie: „Ich arbeite gern mit zwei Ensembles pro Konzert, so-dass man mit einer Art hoquetus-Technik [ein Stilmittel der mittelalterlichen Musik, in der die Stimmen im Wechsel Ton für Ton ineinandergreifen] Überschneidun-gen von Inhalten erreicht, die am nächs-ten Konzertabend dann in einen weiteren Zusammenhang geraten.“Warum Korea und nicht Indien oder Japan? „Ich will das nicht verrätseln, aber das Geheimnis, was mich da so kriegte, ich würd‘s lüften, kann es aber nur skiz-zieren, es geht über das bloß Reizvolle hinaus. Es hat mich bisweilen umge-hauen, was ich da hörte, und wenn was umhauend ist, muss man nicht weitersu-chen. Wahrscheinlich hat das, durchaus eigennützig als Komponist formuliert, meine musikalische Welt vervollständigt.“

Das Gespräch führte Matthias R. Entreß

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Alexander Moosbrugger, geb. 1972 in Bregenzerwald, Österreich, ist diplomierter Konzertorganist und Komponist vorwiegend zeitgenös-sischer Kammermusik. Er studierte Orgel in Feldkirch und Stuttgart, Musikwissenschaft und Philosophie in Wien. Moosbrugger gründete und leitete das Avantgarde-Musik-Festival Reihe 0, Tage aus Musik und leitet seit 2007 die Bludenzer Tage für zeitgemäße Musik. Seit 2001 lebt er in Berlin.

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Westliche KlassiK mit Koreanischer

volKsmusiK v o n G e s i n e S t o y k e

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Die 2005 gegründete Kammerphilhar-monie Frankfurt, heute eines der füh-renden Kammerorchester in der Region, stellt sich im Rahmen ihrer Internetprä-senz als „innovativ, kreativ, mitreißend“ vor und als ein junges Orchester, das „klassische Musik auf anderen Wegen“ präsentiert. Konzerte des Ensembles an unerwarteten Orten wie der Abflug-halle des Frankfurter Flughafens im Dezember 2012 und Bildungsprogram-me für Schulen und Kitas sollen auch diejenigen Menschen an die klassische Musik heranführen, die sonst kaum damit in Berührung kommen. Im Jahr 2014 will die Kammerphil-harmonie im Rahmen des Projekts „Kammerphilharmonie Frankfurt meets Korea“ das Experiment wagen, die west-liche Klassik mit der Volksmusik Koreas zu verknüpfen. Die Idee zu diesem Vorhaben entstand in Zusammenarbeit mit Prof. Gerhard Müller-Hornbach, einem renommierten Komponisten, der eine Kompositionsklasse an der Hochschule für Musik und Darstellen-de Kunst Frankfurt hat. Er befasst sich schon seit längerem intensiv mit der koreanischen Volksmusik und war auch schon mehrfach zu Arbeitsaufenthalten in Korea. Darüber hinaus gelang es über ein Mitglied der Kammerphilharmo-nie, einen persönlichen Kontakt zum

koreanischen Komponisten Dong-Jin Bae aufzubauen, der in Korea und Frankfurt Komposition studierte und jetzt an einer Musikhochschule in Seoul unterrichtet. „Die beiden Komponisten werden jeweils ein Werk komponieren, das jedes auf seine Weise die verschie-denen musikalischen Traditionen mit-einander verbindet“, erläutert Nicolai Bernstein, Mitglied des Managements der Kammerphilharmonie. Auf Frank-furter Seite wird Prof. Müller-Hornbach eine Komposition anfertigen, die korea-nische und europäische Klangkörper in einem Gesamtwerk integriert. Darüber hinaus sind Workshops mit Musikstudenten beider Länder geplant, die sich hauptsächlich mit der Frage be-fassen, wie - das heißt anhand welcher kompositorischer Mittel - unterschied-liche Einflüsse in der Musik umge-setzt werden können. „Das gesamte Programm bietet zu diesem Thema reichlich Stoff“, bekräftigt Bernstein. „Es wird also weniger um Besonderheiten einer einzelnen Musikrichtung gehen. Vielmehr wird im Fokus stehen, wie ver-schiedene Kulturen und deren Einflüsse auf das Wirken eines Künstlers Einfluss nehmen, verschmelzen und ein neues, bereichertes Resultat hervorrufen.“ Das Projekt richtet sich an eine mög-lichst breitgefächerte Zielgruppe.

Geplant ist die Einladung von Schulklas-sen, denen die Musik vorgestellt und erklärt werden soll. Und was ist der dem Projekt zugrun-deliegende Impuls? „Dass Musik in sich selbst, aber auch auf anderen Ebenen Kulturen verbinden und das gegensei-tige Verständnis fördern kann“, so Bern-stein. „Musik ist eine Sprache, die auf einer anderen Ebene verstanden wird als das gesprochene Wort und daher jedem zugänglich ist. Sie liefert durch ihr jeweils spezielles Wissen enorm viele Informationen über den Charakter der Menschen, die sie hervorbringen. Diese Informationen werden intuitiv wahrge-nommen und auch bei sehr ungewöhn-lichen Eindrücken teilweise verstanden. Zudem überschreitet das gemeinsame Musizieren mit Leichtigkeit alle kulturel-len Barrieren.“Man darf gespannt sein, ob sich das Frankfurter Publikum auf dieses Expe-riment einlässt – vielleicht findet ja auf diesem Wege nicht nur die westliche Klassik, sondern auch die koreanische Volksmusik viele neue Fans in Deutsch-land.

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Im Sommer vergangenen Jahres hat Samuel Youn bei den Bayreuther Festspielen den russischen Bassbariton Evgeny Nikitin ersetzt, der wegen einer Hakenkreuz-Täto-

wierung in die Schlagzeilen geraten war und wenige Tage vor der Eröffnungspremiere des Fliegenden Holländers seinen Auftritt absagte. Gerade einmal fünf Stunden vor Beginn der Generalprobe erfuhr der koreanische Bariton davon, dass er die Titelpartie in der Wagner-Oper übernehmen solle. Unschwer vorstellbar also, dass dieses Ansinnen insofern einen musikalischen ‚Salto mortale‘ erforderte, als üblicherweise vier Wochen Vorbereitungszeit nötig sind. Darüber hinaus ist die Generalprobe in Bayreuth besonders wichtig - wichtiger gar als jede andere Aufführung, weil zu diesem An-lass sehr viele bedeutende Persönlichkeiten aus der Musikbranche eingeladen werden, darunter Intendanten, Komponisten, Dirigenten. Samuel Youn blieb nicht einmal Zeit, diese Herausforderung und die an ihn geknüpften Erwartungen in vollem Umfang zu realisieren - es ging schlicht darum, die Situation zu retten. Nach dem erfolgreichen Verlauf der Generalpro-be übertrug ihm die Festivalleitung in Bay-reuth alle Holländer-Vorstellungen. Zwischen Generalprobe und Premiere lagen genau drei Tage, die sich wie folgt gestalteten: Pause an Tag 1 und Tag 3, konzentrierte Bühnenprobe an Tag 2. „Ohne diese Erholungsphasen hat man keine Kraft für die anspruchsvollen Aufführun-gen.“ Samuel Youn hatte einst an der Oper Köln bereits zehn Holländer-Vorführungen gesungen – die Voraussetzung, um in Bayreuth so kurzfris-tig einspringen zu können. Er war mit der Rolle vertraut, wenngleich sich die Regiekonzepte deutlich voneinander unterschieden und eine Anpassung an die Vorgaben des Festspielhau-ses in der Kürze der Zeit eine Herausforderung für sich darstellte. Doch allen Widrigkeiten zum Trotz: Die Premiere war ein großer Erfolg. Die Zuschauer reagierten mit stürmischem Applaus, die Medien feierten einen „voluminösen Bariton der Extraklasse“, der mit „heldischem Glanz in der Stimme“ überzeugte und durch sein „Wagner-Format“1 begeisterte. Ich frage ihn, wie er mit dem Erfolg umgeht. „Ich bin dankbar. Mein Dank gilt zunächst Gott, weil er mir zur Seite stand, diese schwierige Aufgabe zu bewäl-

tigen. Ohne diesen Glauben hätte ich das nicht geschafft. Zweitens hatte die Festspielleitung in Bayreuth dieses große Vertrauen in mich und drittens hat mich das Publikum gefeiert. Ich habe mich nach der Vorstellung niederge-kniet – das war mein Dank an Gott und an die Zuschauer.“ - Die Bühne der Bayreuther Fest-spiele ist vertrautes Terrain. Als Solist war der Bariton bereits vor seinem Auftritt im Holländer in den Opern Parsifal, Tannhäuser und Lohengrin zu hören und zählt auch in diesem Jahr zum festen Solisten-Bestand. Was Bayreuth für ihn persönlich bedeutet, möchte ich wissen. „Ich bin erstmals 2004 in Bayreuth aufgetreten, und es war und ist für mich immer eine Ehre und ein großes Glück, Wagner in Bayreuth zu singen. Im Übrigen liegt mir die Musikgeschichte Wagners sehr am Herzen.“

Seine Liebe zum Gesang hat er bereits in jungen Jahren entdeckt, als er Mitglied im Kinderchor der evangelischen Kirche in Korea war. „Singen war immer ein Teil von mir. Als ich merkte, dass meine Stimme größer war als die anderer Kinder, habe ich irgendwann beschlos-sen, Solist zu werden. Ich hatte von Gott dieses Geschenk bekommen und wollte Menschen daran teilhaben lassen.“ So sollte es dann auch kommen. Youn hat in Seoul, Mailand und Köln Gesang studiert. Gastengagements führen ihn heute in sämtliche Metropolen Europas, aber auch in sein Heimatland Korea - sein gefühltes Zuhause. „Ich bin mittlerweile seit über 20 Jah-ren in Europa, das ist schon die Hälfte meines Lebens. Europa ist meine zweite Heimat, Köln ist mein Wohnsitz und in Europa meine erste Heimat, trotzdem wird mein Heimweh nach Korea immer größer. Wenn ich in Korea auftrete – etwa zwei- bis dreimal pro Jahr – sind meine Gefühle viel stärker, als wenn ich auf einer europäischen Bühne stehe. Meine emotionale Heimat ist Korea. Mein Wunsch, Opernsänger zu werden, ist in Korea entstanden, und auch meine ersten Berührungen damit hatte ich in Korea, nicht in Europa.“ Ein Leben zwischen den Welten. Und die Zukunft? „Ich habe mir in Europa als Opernsänger einen Namen gemacht. Deshalb würde ich gern regelmäßig als Gast in Korea auftreten, um das europäische Niveau und meine Bühnenerfahrungen in Korea zu prä-

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sentieren. Eine komplette Rückkehr nach Korea wäre zum gegenwärtigen Zeit-punkt aufgrund meiner vertraglichen Engagements in Europa bis 2016 nicht möglich. Ich habe das Gefühl, meine Er-fahrungen in Europa und Amerika in den nächsten 10 Jahren vertiefen zu müssen, bevor ich danach vielleicht endgültig nach Korea zurückgehe.“Auf die Frage, in welcher Hinsicht sich die Opernszene Europas am deutlichs-ten von der Südkoreas unterscheide, antwortet Youn: „Die Operngeschichte in Korea ist sehr kurz. Wir haben alles von der europäischen Musikgeschichte gelernt. Wir können die Operntradition Europas nicht nachholen. Die kore-anischen Opernhäuser können sich lediglich annähern, sie versuchen, diese Tradition kennenzulernen. Mit Bezug auf das italienische Opernrepertoire ist das Niveau schon sehr hoch. … und ansonsten unterscheidet sich auch das koreanische Publikum deutlich vom europäischen.“ Inwiefern? „Wenn wir z.B. Wagners Parsifal spielen, darf nach dem 1. Akt nicht applaudiert werden, aber den Koreanern ist das egal“ (lacht).

Südkoreaner sind aus deutschen Opern-häusern nicht mehr wegzudenken. Der Bariton Siegfried Lorenz sagte in einem Interview einmal: „Es gibt ja fast keine dunklen deutschen Bässe mehr….“ und lobte die Erfolge seiner koreanischen Gesangsstudenten.2 Musikkritiker beklagen das dürftige Niveau deutscher Nachwuchssänger. Das Erfolgsrezept der Koreaner begründe sich in Fleiß und Ehrgeiz, erklärt Youn: „Wir werden schon als Kind gelehrt, immer hundert Prozent zu geben, uns immer zu hundert Prozent zu konzentrieren. Wer in Korea Musiker werden will, übt den ganzen Tag ohne

Unterbrechung und ohne etwas anderes zu denken. Wir investieren unsere ganze Energie in diese eine Sache. Als ich in Bayreuth zu singen begann, gab es keine Informationen auf Englisch, Französisch oder Spanisch, sondern nur auf Deutsch. Wer also in Bayreuth auf der Bühne steht, muss gut Deutsch sprechen, um als Sän-ger verstanden zu werden. Als Ausländer müssen wir doppelt und dreifach so viel arbeiten wie die deutschen Sänger. Wie gesagt, wer als Asiate in Europa erfolg-reich sein will, muss hundert Prozent geben.“ Wer hundert Prozent gibt und, wie Samuel Youn, 300 Tage im Jahr auf der Bühne steht - sei es im Rahmen einer Probe oder einer Aufführung - und in der verbleibenden Zeit Texte lesen und aus-wendig lernen muss, hat keine Zeit für Müßiggang. „Das ist mein Leben. Ich bin immer in der ganzen Welt unterwegs, aber meine Frau und meine Kinder leben in Köln. Wenn ich auswärts gastiere, ver-suche ich jedoch immer, meine Familie mitzunehmen. Meine Familie ist mein Ausgleich. Ich möchte zuerst Vater und dann Opernsänger sein.“

weitere Informationen unter:http://www.samuelyoun.net

1 Sämtliche Quellennachweise unter: http://www.samuelyoun.net 2 http://www.der-neue-merker.eu

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Dr. Stefanie Grote,Redaktion Kultur Korea

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Das Novus String Quartet: Young-uk Kim (Violine), Jaeyoung Kim (Violine), Seungwon Lee (Bratsche) und Woong-whee Moon (Violoncello)

W E s t l i c h E K l a s s i K

DAs N Ov u s s t R i N g Q uA Rt E tvo n G e s i n e S t o y ke

Eine Momentaufnahme aus dem Finale des Internationalen Musik-wettbewerbs der ARD München

2012: Es ist der 15. September, kurz vor Mitternacht, der Schauplatz ist das Münchener Prinzregententheater. Als die Mitglieder des Novus String Quartet aus Südkorea erfahren, dass sie mit dem zweiten Preis in der Kategorie „Streich-quartett“ ausgezeichnet worden sind und unter dem aufbrandenden Applaus des Publikums in das Licht der Bühne treten, um ihren Preis entgegenzunehmen,

ist ihren Gesichtern die Überraschung und Freude deutlich anzusehen. Denn obwohl sie bereits aus internationalen Wettbewerben in Osaka, Wien und Lyon erfolgreich hervorgegangen sind, ist es ihnen bislang nie gelungen, über den dritten Platz hinauszukommen. Und nun erstmals der zweite Preis - und dazu noch beim ARD Musikwettbewerb.1

Der Internationale Musikwettbewerb der ARD ist nicht irgendein Wettbewerb, sondern gilt als einer der renommier-

testen und größten Musikwettbewerbe überhaupt. Er beflügelte die Karriere international bekannter Künstler wie Jessye Norman oder Juri Baschmet und umfasste im letzten Jahr Preisgelder in ei-nem Gesamtwert von über 200.000 Euro. Seine Vielseitigkeit zeigt sich darin, dass er jedes Jahr wechselnde Gattungen aus den Bereichen Gesang, Soloinstrument und Ensemble anbietet. 2012 standen die drei Kategorien Gesang, Klarinette und Streichquartett zur Wahl.

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Angesichts der Bedeutung dieses Ereig-nisses ist die Freude der vier koreani-schen Musiker gut nachzuvollziehen, für die sich durch die Auszeichnung viele neue Chancen ergeben. „Anders als bei anderen Wettbewerben, bei denen wir Preisträger waren, kamen nach dem ARD Musikwettbewerb Einladungen für verschiedene Festivals“, erzählt der Brat-schist Seungwon Lee später im Rück-blick. Neben Festival- und Konzertein-ladungen trafen auch bereits Anfragen für TV- und CD-Produktionen ein. Auch freut sich Seungwon darüber, dass die Streicherformation mit der Welturauf-führung des sechsten Streichquartetts des zeitgenössischen deutschen Kom-ponisten Nikolaus Brass im Jahr 2015 beauftragt wurde.

Obwohl erst 2007 gegründet, kann sich das Streichquartett bereits heute als ei-nes der besten Kammermusikensembles Südkoreas bezeichnen. Das Novus String Quartet, das sind Jaeyoung Kim (Violine), Young-uk Kim (Violine)2 , Seungwon Lee (Bratsche) und Woong-whee Moon (Vio-loncello), und das „Novus“ im Namen soll den Anspruch der Vier widerspiegeln, eine Musik zu machen, die „jung und frisch“ ist.

Ein Streichquartett, besetzt mit zwei Violinen, einer Bratsche und einem Violoncello, stellt die bedeutsamste Gat-tung der Kammermusik dar. Gewöhnlich bestimmen die Violinen die Melodie, unterlegt vom Bass des Violoncello und ergänzt durch die Bratsche als vermit-telndes Element zwischen hoher und tiefer Stimme. Dennoch zeichnet sich das Quartett durch eine Gleichberech-tigung der Stimmen aus - das heißt, die Hauptmelodie muss nicht immer von den Violinen gespielt werden, sondern kann auch zuweilen von der Bratsche oder vom Violoncello übernommen werden. Die Hauptmelodie bleibt also durchgängig erhalten, mit nur hin und wieder wechselndem Hauptakteur.

Dass das Zusammenspiel in einem Quar-tett eine perfekte Feinabstimmung der Spieler untereinander erfordert, kann man sich vorstellen. Auch die Mitglie-der des Novus String Quartet brauchten in der Anfangsphase ein wenig Zeit, um zu einem gemeinsamen Stil zu finden. „Wie in jedem Team ist es auch bei einem Streichquartett die größte Herausforderung, das Spiel aufeinander abzustimmen“, erklärt Seungwon Lee. „Es kommen vier Personen mit einem unterschiedlichen Charakter und mu-sikalischen Hintergrund zusammen. In den Proben wird diskutiert und nach Ge-meinsamkeiten gesucht, und am Ende dieses Prozesses finden vier Individuen zu einem Klang und einer Musik. Im Laufe der Zeit haben wir uns besser ken-nengelernt, und so ist es uns gelungen, die Proben nach und nach zu optimie-ren. Inzwischen ist immer weniger Zeit erforderlich, um unsere Musik zu einem Ganzen verschmelzen zu lassen.“

Das Proben zu viert ist schon aus geo-grafischen Gründen nicht ganz einfach, denn die beiden Violinisten leben in München, der Bratschist in Berlin und der Cellist in Hamburg. So üben die Vier gewöhnlich jeder für sich und treffen sich drei oder vier Mal im Monat zum Zusammenspiel in München. Da die gemeinsame Zeit kostbar ist, wird sie sehr intensiv genutzt: Geprobt wird nie weniger als fünf oder sechs Stunden pro Tag. Die Vorbereitungszeit des Ensem-bles auf Konzerte ist erstaunlich kurz: Bei Werken, die das Quartett noch nicht gespielt hat, beginnt sie üblicherweise zwei Monate vor der Aufführung, bei bereits bekannten Werken gar erst zwei Wochen vorher.

2011 hatte das Novus String Quartet die Gelegenheit, im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie zu spielen - eine bedeutungsvolle Erfahrung, die die vier Musiker gern wiederholen würden. Im Januar dieses Jahres steht ein Konzert in

der Carnegie Hall in New York auf dem Programm, und Seungwon Lees beson-derer Traum ist es, „als Kammermusiken-semble eines Tages in der Wigmore Hall in London aufzutreten.“

Der zweite Preis des Internationalen Musikwettbewerbs der ARD München ist sicher erst der Anfang für die vier ta-lentierten jungen Koreaner. Schon jetzt ist ihr Terminkalender prall gefüllt, und künftig werden sie sich die Orte ihrer Auftritte aussuchen können.

1 Folgende weitere Künstler aus Südkorea wurden beim Internationalen Musikwettbewerb der ARD München 2012 ausgezeichnet: Gesang Frauen: Sumi Hwang und Anna Sohn (jeweils 2. Preis), Gesang Männer: Hansung Yoo (2. Preis) und Kyubong Lee (3. Preis).2 Jaeyoung Kim und Young-uk Kim wechseln sich ab und spielen je nach werk die 1. oder 2. violine.

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Gesine Stoyke,Redaktion Kultur Korea

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„Was Wagner Wohl denken Würde...?“

Korea meets Classic 2012

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Ich sitze im Olymp. Töne steigen zu mir auf. Es sind Lieder, Arien, Weisen, gesungen von Menschen, die eine Gabe haben, die so selten wie schön ist. Sie haben eine

Stimme - und was für eine! Diese Stimmen kön-nen Noten, geschrieben mit Tinte auf Papier, zum Klingen bringen. Die Punkte mit Hals und Fähnchen, markiert durch „b“ oder „#“ tanzen aus ihrem festem Gefüge aus fünf Linien und beginnen zu leben. Die Noten verdichten sich zu einem Hörerlebnis, das mir Welten eröffnet.

Ich sitze im Olymp und höre Gesang. Ich höre die Klage über den Verlust der Heimat. Die Sehnsucht nach den Bergen. Ich bin wieder in Korea. Sie zeigen mir den Mond, der sich im Wasser spiegelt, führen mich hinaus in die kalte Nacht. Koreanische Lieder stimmen oft traurig. Meine deutsche Freundin liest die Liedtexte und flüstert: Man könnte meinen, Korea beste-he nur aus Bergen, Wind, Regen und Schnee. Nur ab und an hält der Frühling Einzug.

Im Olymp, aus der Ferne, sehe ich die Sänger nur als Gestalt. Ihre Gesichter kann ich nicht er-kennen. Das ist natürlich zum einen schade. Ich

kann Anna Sohns Mimik nicht sehen, wenn sie zu Verdis Violetta wird und „È strano!“ schmet-tert oder haucht, wenn Jaeeun Lee als Elisabeth „Dich, teure Halle“ singt. Aber vielleicht hilft mir das sogar, dass ich sie nicht wirklich sehe. Vielleicht würde ich, statt ihrem Gesang zu lauschen, eher darüber nachdenken, ob es möglicherweise kurios ist, dass eine Koreanerin eine Bühnenheldin Richard Wagners darstellt. Ich würde vielleicht weitergrübeln, was Wagner wohl denken würde, säße er heute hier, neben mir, in Berlin, im Kammermusiksaal der Philhar-monie.

Es ist erstaunlich, wie viele gute Musikerinnen und Musiker aus Korea kommen und hier in Deutschland studieren, auch Engagements finden. Ich kenne keine konkreten Zahlen. Aber gefühlt sind es ganz, ganz viele. Der kurzfristige Ersatz in Bayreuth für den abgesetzten Sänger Evgeny Nikitin ist ein Koreaner - Samuel Youn.1 Ein weiterer koreanischer Sänger auf dem Grü-nen Hügel in einer Hauptrolle ist Kwangchul Youn. Bei Wettbewerben zeichnen sich immer wieder koreanische Sänger und Sängerinnen aus. 2009 beim Wettbewerb „Neue Stimme“ z.B.

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von Rhan Gunderlach

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Rhan Gunderlach ist als Kind nach Deutschland gekommen und hat an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) Deutsch und Geschichte studiert. Sie war über zehn Jahre als Fernsehjournalistin u.a. für die Deutsche Welle und den ARD-Sender mdr sowie als Pressesprecherin bei der EXPO 2000 in Hannover tätig. Seit 2001 ist sie Mit-Inhaberin einer Agentur für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit mit dem Schwerpunkt Internationale Politik/ Ent-wicklungspolitik, seit 2009 Geschäftsführerin und seit 2012 Generalsekretärin der Deutsch-Koreanischen Gesellschaft.

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wurden alle drei Plätze an Koreaner vergeben. Francisco Araíza, Professor an der Musikhochschule Stuttgart und Jurymitglied, selbst renommierter Tenor, erklärt sich den Erfolg der koreanischen Teilnehmer zum einen damit, dass die Sprache, sehr vokalreich und ohne Gewicht auf Kehlkopf und nasale Töne, für den Gesang sehr geeignet sei. Darüber hinaus aber macht er den Grund vor allem in der Tatsache aus, dass Koreaner gerne singen und nicht nur „säuseln“. Das kann ich nur bestätigen. Koreaner singen mit Lust. Ich selbst war zum ersten Mal mit einer Gruppe von Koreanern und Koreanerinnen und Deutschen in einer Seouler Karaoke-Bar. Eine eher schüchterne Professorin griff als erste zum Mikrofon. Sie sang ohne Hemmungen eine Schnulze. Der Nächste wollte das Mikrofon gar nicht mehr abgeben. Die deutschen Gäste brauchten ein wenig länger und ein Gläschen Soju, um warm zu werden.

Auch den Sängerinnen und Sängern, denen die Botschaft der Republik Korea diese Bühne in der Berliner Philharmonie ermöglicht hat, war die Freude am Singen anzumerken.2 Als der Bariton Donghwan Lee Bizets „Toreador, en garde“ singt,

klatscht das Publikum im fast voll besetzten Kammermusiksaal hingerissen sogar mit. Was für wunderbare Sängerinnen und Sänger, denke ich und bin ziemlich stolz, dass Koreaner so schön singen können und auch ich Koreanerin bin. Dann denke ich noch, wie gut, dass die Botschaft der Republik Korea es alle Jahre wieder schafft, diese wunderschönen Stimmen zu versammeln, damit wir ihnen hier alle lauschen können. Ich freue mich jetzt schon auf das nächste Gala-Konzert, in diesem Jahr.

1 Sehen Sie hierzu auch den Beitrag „Singen war immer ein Teil von mir“ über den Bariton Samuel Youn von Dr. Stefanie Grote in dieser Ausgabe.2 Anna Sohn (Sopran), Jaeeun Lee (Sopran), Jaesig Lee (Tenor), Minseok Kim (Tenor), Hansung Yoo (Bariton), Donghwan Lee (Bariton), Youngmi Lee ( Klavier)

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INTERNATIONALER JOSEPH JOACHIM VIOLINWETTBEWERB H A N N O V E R

Am 13. Oktober 2012 ging der Internatio-

nale Joseph Joachim Violinwettbewerb

Hannover (JJV Hannover) zu Ende. Benannt

nach Joseph Joachim (1831 - 1907), einem

österreichisch-ungarischen Violinisten,

Dirigenten und Komponisten, der als einer

der herausragendsten Geiger seiner Zeit gilt,

zieht der Wettbewerb alle drei Jahre hochka-

rätige junge Musikerinnen und Musiker aus

aller Herren Länder an. Bei diesem höchst-

dotierten Violinwettbewerb der Welt haben

nur die Besten eine Chance: Von den 178

Bewerberinnen und Bewerbern des Jahres

2012 gelangten nur 37 in die Endauswahl. In

den beiden Halbfinalrunden wurden die Teil-

nehmerinnen und Teilnehmer unter anderem

vor die Herausforderung gestellt, in einer Art

Uraufführung ihre eigene Interpretation des

Auftragswerks des Münchner Komponisten

Peter Francesco Marino zu liefern und in

einem Konzert mit dem Münchner Kammer-

orchester das Ensemble von der Violine aus

zu leiten. Neben technischem Können war

daher auch viel Kreativität gefragt.

Mit Dami Kim (1. Preis gemeinsam mit

Alexandra Conunova-Dumortier), In Mo Yang

(4. Preis) und Bomsori Kim (5. Preis) wurden

gleich drei Kandidatinnen und Kandidaten

aus Südkorea ausgezeichnet, eine erfreuliche

Bilanz also auch aus koreanischer Sicht.

weitere Informationen: www.jjv-hannover.de

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Die Preisträgerin Dami Kim beim JJV Hannover

GS Liebe Frau Kim, erst einmal herzliche Glückwünsche zu Ihrem ersten Preis! Wie haben Sie die Atmosphäre beim Internationalen Joseph Joachim Violinwettbewerb Hannover 2012 empfunden?

DK Nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch insbesondere die Mitglieder des Orchesters, die die Wettbewerbsteilnehmer im Semifinale und Finale begleitet haben, empfand ich als außerordentlich freundlich. Ich bin äußerst dankbar dafür, dass sie sich um mich gesorgt haben, als ich am Tag des Finales mit einer Erkältung zu kämpfen hatte. Auch die Jurymitglieder waren sehr sympathisch. Viele von ihnen haben nach dem Finale das Gespräch mit mir gesucht und mir im Detail erläutert, welche Punkte ihnen an meinem Spiel aufgefallen waren.

GS Was für ein Gefühl war es für Sie, bei dem Wettbewerb vor einer hochkarätigen Jury auf der Bühne zu stehen und sich beweisen zu müssen? Überwog die Anspannung, oder gab es auch ein Gefühl der Freude?

DK Statt daran zu denken, dass ich vor der Jury eines der bedeutendsten Violinwettbewerbe der Welt stehe, habe ich mich darauf konzentriert, Freude am Spiel zu empfinden und für die Zuschauer zu spielen. Ich habe mich sehr darum bemüht, nicht an das Ergebnis zu denken, sondern die Musik in den Mittelpunkt zu stellen. Vielleicht haben die Jurymitglieder deshalb mein Spiel als sehr leicht empfunden, wie

sie mir später sagten. Aber am Ende des Wettbewerbs war ich tief bewegt. Aus Erleichterung darüber, dass nun die Anspannung vorüber war, die nicht zuletzt durch meinen gesundheitlichen Zustand hervorgerufen wurde, kamen viele komplexe Gefühle in mir auf, und ich wäre fast in Tränen ausgebrochen.

GS Wie war das Echo der koreanischen Medien auf Ihre Auszeichnung?

DK Über das Interesse der koreanischen Medien war ich sehr erfreut. Ich wurde bereits vorher mehrfach bei internationalen Wettbewerben ausgezeichnet, aber vielleicht weil der JJV Hannover einer der renommiertesten Musikwettbewerbe der Welt ist, habe ich dieses Mal das bislang größte Interesse erlebt.

GS Sind Sie in Korea bereits so etwas wie ein Star?

DK Hahaha, das würde ich nun eine Übertreibung nennen. Aber ich freue mich, dass ich durch diese Auszeichnung nun die Möglichkeit habe, in Korea mit verschiedenen Orchestern aufzutreten und in der Kumho Art Hall als Solistin zu spielen. Bereits jetzt bereite ich mich sehr intensiv auf diese Konzerte vor.

GS Und wie geht es nach dem Wettbewerb jetzt für Sie weiter? Was sind Ihre Pläne für die nächsten Monate?

DK Zurzeit bin ich am New England Conservatory of Music (NEC) in Boston

eingeschrieben. Vielleicht werde ich nach meinem Abschluss 2013 in den USA oder in Deutschland weiterstudieren. Neben der Universität werde ich auch die Gelegenheit für möglichst viele Auftritte nutzen. Dieser Wettbewerb ist für mich der erste Meilenstein in meiner Musikerkarriere. Ich werde mein Bestes geben, um einen Schritt weiterzugehen.

GS Haben Sie neben der Musik auch hin und wieder die Gelegenheit, sich ein wenig zu erholen? Womit verbringen Sie Ihre freie Zeit?

DK Wenn ich nicht übe, bin ich am liebsten zu Hause und genieße die Zeit allein. Um mich von den Strapazen des Übens und des Studiums zu erholen, sehe ich gern Filme und manchmal Comedy-Sendungen.

Das Interview führte Gesine Stoyke

intervie w mit dami kim, erste preisträGerin des internationalen Joseph Joachim violinwet tbe werbs hannover (JJv hannover) 2012

„Ich habe mich sehr darum bemüht, (…) die Musik in den Mittelpunkt zu stellen“

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GS Herr Prof. Wegrzyn, Sie sind Künstlerischer Leiter und Initiator des Internationalen Joseph Joachim Vi-olinwettbewerbs Hannover. Welcher Impuls lag der Gründung des Wett-bewerbs zugrunde, und was reizt Sie besonders an dieser Aufgabe?

KW Schon vor ungefähr 35 Jahren habe ich mich als damals noch junger Teilneh-mer bei vielen internationalen Violinwett-bewerben mit der Idee auseinanderge-setzt, eines Tages einen Violinwettbewerb zu initiieren, der den Erwartungen eines jungen, aufstrebenden Künstlers ent-spricht.

Das bedeutet für mich, dass ein Wettbe-werb nicht nur hohe Preisgelder ermög-lichen soll, sondern auch „das Leben danach“. Zum einen sorgt der Internati-onale Joseph Joachim Violinwettbewerb für eine weltweit vertriebene mediale Visitenkarte durch einen Vertrag mit dem Label NAXOS. Zum anderen werden den Preisträgern Debütrezitale und -konzerte mit Orchestern und Ensembles von inter-

nationalem Rang vermittelt. Darüber hi-naus bekommen sie über einen Zeitraum von drei Jahren ein Spitzeninstrument zur Verfügung gestellt. Und zu guter Letzt werden unsere Gewinner durch eine international operierende Konzertagentur beraten.

Nachdem meine Familie und ich 1984 nach Hannover gekommen waren und uns einige Jahre dort eingelebt hatten, begannen diese Ideen zu reifen, und ich fand einen Patron für den Wettbewerb, nämlich Joseph Joachim. Dieser war in der Zeit von 1852 bis 1866 als 1. Konzert-meister der damaligen Königlichen Hof-kapelle in Hannover tätig – und ich war einer seiner Nachfolger in dieser Position.

Glücklicherweise konnte ich mit meiner Idee die Gremien der Stiftung Nieder-sachsen interessieren und begeistern. Seit 1991 findet der Wettbewerb nunmehr dank der Stiftung Niedersachsen als Aus-richterin alle drei Jahre in Hannover statt.Besonders reizvoll an dem Projekt ist für mich der ständige Kontakt mit der internationalen Weltklasse der jungen Geigerinnen und Geiger aus den unter-schiedlichsten Ländern, die Hannover dann zwei Wochen voller exzellenter Musik bescheren.

GS Im Wettbewerb 2012 wurden mit Dami Kim (1. Preis zusammen mit Ale-xandra Conunova-Dumortier), In Mo Yang (4. Preis) und Bomsori Kim (5. Preis) gleich drei junge MusikerInnen aus Südkorea ausgezeichnet. Worauf führen Sie den außerordentlichen Er-folg der koreanischen TeilnehmerIn-nen zurück?

KW Ein wesentlicher Grund liegt meiner Einschätzung nach in dem hohen Stellen-wert, den die musikalische Ausbildung

in Südkorea einnimmt. Außerdem ist das Niveau der Ausbildung in Südkorea exzel-lent, insbesondere auch in der Förderung musikalischer Talente bereits in jungen Jahren.

GS Bestehen Kooperationen zwi-schen dem Wettbewerb und Musikin-stitutionen in Korea?

KW Bisher leider nicht. Regelmäßig stel-len wir unsere Preisträger jedoch Orches-tern und Festivals in Korea vor. Vielleicht fällt das Echo durch die Auszeichnungen 2012 ja noch stärker aus.

GS Der Wettbewerb hat nicht zuletzt als höchst dotierter Violinwettbewerb der Welt ein hohes internationales Renommee. Wie ist erfahrungsgemäß die Resonanz der koreanischen Me-dien? Wie wird der Wettbewerb Ihres Wissens in Korea wahrgenommen?

KW Der Internationale Joseph Joachim Violinwettbewerb Hannover genießt ein sehr hohes Ansehen an den koreanischen Musikhochschulen. 2012 hatten wir insgesamt 178 Bewerber, davon stamm-ten 36 aus Korea – kein anderes Land hat so viele Bewerber verzeichnet. Unter den neun koreanischen TeilnehmerInnen sind, wie Sie wissen, mehrere wunderbare KünstlerInnen, die, wie ich denke, eine bessere mediale Präsenz in ihren Heim-atmedien verdient hätten. Ich hoffe sehr, dass wir in Zukunft mit einem wachsen-den Interesse seitens der Medien in Korea rechnen können.

Das Interview führte Gesine Stoyke

„Das Niveau der Ausbildung in Südkorea ist exzellent“

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intervie w mit herrn prof. krz ysztof weGrz yn, dem kÜnstlerischen leiter und initiator des internationalen Joseph Joachim violinwet tbe werbs hannover (JJv hannover)

K o m P o n i s t i n n E n U n d K o m P o n i s t E n

„ m i t J e d e m s t Ü c k e t w a s n e u e s s c h a f f e n “

interview mit der komponistin unsuk chin

Frau Chin, wie sind Sie, als Kind in Korea, zur Musik gekommen? Gab es da einen Schlüsselmoment - oder eine Schlüsselfigur?Ich war zweieinhalb Jahre alt, als ich das erste Mal mit einem Musikinstrument in Berührung kam. Mein Vater war Pfarrer einer presbyterianischen Kirche, und er hatte für die Kirche ein Klavier gekauft. Als ich vier Jahre alt war, brachte er mir einige Grundlagen und ein wenig Notenlesen bei, und so fing alles an. Vom ersten Moment an empfand ich das Niederdrücken der Tasten und den darauf folgenden Klang, diese Beziehung zwischen dem Instrument und mir, als etwas ganz Besonderes. Ich kann das mit Worten nicht richtig erklären, aber es war eine unglaublich sinnliche Erfahrung für mich: Meine Kraft und meine Energie fließen in das Instrument, werden in einen Klang umgesetzt und kommen in dieser neuen Gestalt wieder aus dem Instrument heraus. Das hat mich vom ersten Augenblick an fasziniert. Seit der Grundschule, ungefähr ab der zweiten Klasse, habe ich in der Kirche den Gottesdienst meines Vaters auf einer kleinen Orgel begleitet. Das war für mich eine sehr wichtige Erfahrung, weil ich die Gesänge eigentlich immer vom Blatt spielen musste und auch transponieren musste, wenn die

Gemeinde ungenau sang. Das war sozusagen meine erste Übung in westlicher Harmonielehre.

wurden Sie, außerhalb der Gemeinde, damals musikalisch gefördert?Es war das Jahrzehnt nach dem Korea-Krieg. Meine Eltern waren arm, und daher kam Klavierunterricht für mich nicht in Frage. Meine Schwester aber studierte Gesang, und mithilfe ihrer Bücher begann ich, mir die Grundlagen der Musiktheorie anzueignen. Ich bildete mich auch durch das Hören von Musik weiter. In der Mittelschule gab es einen Musikraum mit Hunderten von Schallplatten. Der Musiklehrer überließ mir einen Schlüssel für die Räume, damit ich sie mir in Ruhe anhören konnte. Partituren waren zu teuer, aber ich schrieb sie mir ab, um etwas daraus zu lernen. Dieser Musiklehrer sagte mir auch, ich solle unbedingt Komposition studieren an der Seoul National University, der besten Universität des Landes. Es hat dann tatsächlich geklappt, auch wenn der Weg bis dahin sehr steinig war.

Unsuk Chin wurde 1961 in Südkorea geboren und lebt seit 1988 in Berlin. Zu ihren Interpreten zählen Dirigenten wie Sir Simon Rattle, Myung-Whun Chung, Gustavo Dudamel, Kent Nagano und andere. Ihre Werke wurden von vielen internationalen Spitzenorchestern zur Aufführung gebracht, darunter die Berliner Philharmoniker, das Chicago Symphony Orchestra, das Los Angeles Philharmonic Orchestra, u.a.. 2007 kam Chins erste Oper „Alice in Wonderland“ an der Bayerischen Staatsoper zur Eröffnung der Münchner Opernfestspiele zur Uraufführung. Seit 2006 leitet sie die von ihr gegründete Neue Musik-Reihe des Seoul Philharmonic Orchestra, und seit 2011 ist sie künstlerische Leiterin der Reihe „Music of Today“ des Philharmonia Orchestra in London.

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Unsuk Chin wurde 1961 in Südkorea geboren und lebt seit 1988 in Berlin. Zu ihren Interpreten zählen Dirigenten wie Sir Simon Rattle, Myung-Whun Chung, Gustavo Dudamel, Kent Nagano und andere. Ihre Werke wurden von vielen internationalen Spitzenorchestern zur Aufführung gebracht, darunter die Berliner Philharmoniker, das Chicago Symphony Orchestra, das Los Angeles Philharmonic Orchestra, u.a.. 2007 kam Chins erste Oper „Alice in Wonderland“ an der Bayerischen Staatsoper zur Eröffnung der Münchner Opernfestspiele zur Uraufführung. Seit 2006 leitet sie die von ihr gegründete Neue Musik-Reihe des Seoul Philharmonic Orchestra, und seit 2011 ist sie künstlerische Leiterin der Reihe „Music of Today“ des Philharmonia Orchestra in London.

Sie haben später in Hamburg bei György Ligeti studiert, der Sie erheblich geprägt hat...Ich studierte bei ihm im Alter von 24 bis 27 Jahren. Er prägte mich durch seine extrem kritische Haltung. Als ich zu ihm kam, konnte ich schon einige kleine Erfolge vorweisen, internationale Wettbewerbserfolge zum Beispiel, die natürlich meinem Ego schmeichelten. Ligeti lehnte die prämierten Stücke vehement ab, weil er sie für unoriginell hielt, womit er Recht hatte. Er warf diese Stücke gleich in den Papierkorb und verlangte von mir, ich solle diese Art von Avantgarde-Klischee sofort hinter mir lassen und meinen eigenen Stil finden. Sicherlich habe ich von seiner ungeheuren Ernsthaftigkeit und der Unbestechlichkeit seines Urteils gelernt. Denn man muss sagen, dass seine Selbstkritik ebenso stark war wie seine Kritik anderen gegenüber. Außerdem konnte er Partituren lesen und analysieren wie kaum ein anderer. Seine Ernsthaftigkeit, zusammen mit seiner undogmatischen Offenheit verschiedensten Musikkulturen gegenüber, hat bei mir sehr viel freigesetzt, auch wenn ich nach seinem Studium erst einmal drei Jahre lang unfähig war, irgendetwas zu komponieren. Von seiner Musik habe ich natürlich viel gelernt. Es ist ja faszinierend, wie er mit 60, am Höhepunkt seines Ruhmes also, selber Tabula Rasa machte und zu einem ganz neuen Stil, zu einer Art kreativer Synthese gelangte.

Sie stammen aus Korea, sind in der ganzen welt zu Hause, aber Sie kehren immer nach Berlin zurück. was bedeutet Ihnen Berlin - nicht nur musikalisch?Hier kann man alles machen. Man kann sich aktiv in der Musikszene bewegen. Man kann sich aber auch zurückziehen und anonym bleiben. Daher finde ich, dass Berlin eine weltweit wirklich einmalige Stadt ist. Zum einen hat die Stadt den Charme eines Dorfes (gerade wenn man aus einer Megacity wie Seoul kommt). Zum anderen aber ist Berlin natürlich eine der größten

Weltmetropolen für Klassische Musik und für Kunst überhaupt. Die Anzahl von kreativen Köpfen und Künstlern aus aller Welt ist sicherlich einmalig. Die Lebensqualität und die Zeit für Muße sind hier sehr groß, also ist Berlin auf jeden Fall ein Ruhepol. Berlin ist eine ideale Stadt für Künstler, man kann sich völlig auf seine Sache konzentrieren.

und was verbinden Sie heute mit Seoul, mit Korea?Südkorea befindet sich eigentlich schon seit meiner Teenagerzeit in einem ständigen Wandel, in einer extrem schnellen Modernisierungsschleife. Die Modernisierung, für die man in Europa 100 Jahre brauchte, geschah in Südkorea in einem Zeitraffertempo. Daher ist für Korea das Neben- und Miteinander von Moderne und Prä-, Post- sowie Hypermoderne kennzeichnend. Als Kleinkind erlebte ich noch ein sehr armes, vom Korea-Krieg verwüstetes Land, das so gut wie gar keine Mittelschicht kannte und bäuerlich geprägt war; die heutige Jugend kennt meistens nur die durch und durch urbanisierten und von Hightech durchzogenen hyper- und postmodernen Megacitys.Was die Musik anbelangt, so ist ‚westliche klassische Musik‘ schon lange vom koreanischen Erziehungssystem nicht wegzudenken. Vielerorts in Amerika, Deutschland oder Frankreich bilden gerade Koreaner das Gros der Musikstudenten. Zwar fehlt im koreanischen Musikleben noch manches an Infrastruktur, aber es gibt eine enorme Anzahl international renommierter koreanischer Musiker, von denen viele in der Diaspora studierten und arbeiten, viele aber auch – und das in zunehmendem Maße – in Korea leben. Heute haben sich noch allzu wenige von diesen bedeutenden Künstlern international etabliert, aber das wird sich innerhalb der nächsten 20 Jahre zweifellos ändern.

Sie haben sich stets Interpretationen widersetzt, Ihre Musik auf „fernöstliche“, koreanische wurzeln zurückzuführen. wie sehen Sie Ihr

verhältnis zur musikalischen Tradition Ihrer Heimat?Ich bin ja mit der europäischen Musik aufgewachsen, auch wenn ich mich für viele andere musikalischen Traditionen interessiere. Auch bei meiner Ausbildung spielte die traditionelle koreanische Musik überhaupt keine Rolle, da die westliche klassische und die traditionelle koreanische Musik zwei voneinander getrennte Musiksparten sind. ‚Westliche‘ klassische Musik ist ja seit hundert Jahren schon ein Teil der koreanischen Gesellschaft und somit auch der koreanischen Tradition, spätestens, seitdem es koreanische Musiker von internationalem Rang gibt. Seit mehr als fünfzig Jahren dominiert in Korea sogar die westliche klassische Musik. Man darf aber nicht vergessen, dass die alte Tradition koreanischer Musik schon vor langer Zeit gekappt wurde, insbesondere durch die japanische Annexion zwischen 1910 - 1945. Natürlich hat man die Traditionen immer wieder neu versucht zu beleben. Was mich betrifft, so habe ich mich mit der traditionellen koreanischen Musik beschäftigt, wie auch mit den traditionellen Musikkulturen mancher anderer außereuropäischer Länder, und das ist eine sehr interessante Erfahrung für einen Komponisten. Direkt beeinflusst wurde ich davon in meinem Werk nicht, aber es gibt einige Stücke, in denen gewisse Allusionen und Ideen aus der traditionellen koreanischen Musik eine Rolle spielen, aber nur auf sehr versteckte, entfernte und freie Art und Weise. Ich versuche immer, meine eigene Musik zu schreiben.

wie würden Sie selbst Ihre Musik, das „Typische, Spezielle, Besondere“, beschreiben?Musik lässt sich so schwer beschreiben! Die Musik drückt meiner Meinung nach eigentlich gerade das aus, was begrifflich nicht gesagt werden kann. Dazu kommt noch, dass meine Musik sowieso etwas schwer zu klassifizieren ist, da sie gewissermaßen ortlos ist. Sie hat Verbindungen zu unterschiedlichen musikalischen Traditionen und eine Vielzahl von kulturellen Codierungen.

Das bedeutet, dass es für den Hörer sehr viele Zugangsmöglichkeiten gibt. Ich gehöre nicht in irgendeinen Club, ich möchte mich nicht auf eine Richtung festschreiben. Stattdessen versuche ich, mit jedem Stück etwas Neues zu schaffen, auch wenn es natürlich Konstanten gibt.

wie steht es in Korea mit dem Interesse an „Neuer Musik“? Zeitgenössische Musik führte lange Zeit ein eher virtuelles Dasein in Korea, war außer in den Hochschulen überhaupt nicht existent, obwohl es seit Isang Yun und Sukhi Kang koreanische Komponisten von internationalem Rang gibt. Aber seit etwa zehn Jahren tut sich da manches. Das 2002 in der Geburtsstadt Isang Yuns gegründete rührige Tongyeong Music Festival mit einem eigenen Ensemble, vielen internationalen Gastspielen und Uraufführungen hat hier zweifellos eine Lücke geschlossen. Ich habe selbst die Ehre gehabt, beim Seoul Philharmonic Orchestra eine Neue Musik-Reihe ins Leben zu rufen. Da gab es schon viel Nachholbedarf: Das Gros des Orchesterrepertoires selbst der klassischen Moderne war in Korea noch gar nicht aufgeführt worden. Das Publikumsinteresse ist enorm, und da die Musiker hervorragend sind und wir koreanische wie internationale Gastdirigenten und Solisten für Konzerte gewinnen konnten, hat sich schon sehr vieles machen lassen. Ich hoffe aber, dass es zu vielen weiteren Initiativen in puncto Neue Musik kommen wird.

Ihre Kompositionen haben größte internationale Anerkennung gefunden. Sie werden von den besten orchestern der welt aufgeführt, von Dirigenten der Spitzenklasse dirigiert. Mit welchen Aufführungen, Interpretationen, Künstlern verbinden Sie besondere Erinnerungen?Da möchte ich in erster Linie die Dirigenten Myung-Whun Chung, Kent Nagano und Esa-Pekka Salonen nennen und dann Instrumentalisten wie die halbkoreanische Geigerin Viviane Hagner, den Cellisten Alban Gerhardt,

die koreanische Sängerin Yeree Suh oder den chinesischen Shengvirtuosen Wu Wei. Alles Weltklassekünstler, mit denen ich eng zusammengearbeitet habe.

Das Piano ist für den Komponisten sicher das Grundinstrument. Gibt es andere Instrumente, die Sie spielen? Das Klavier ist mein Instrument. Wenn ich für andere Instrumente komponiere, kam es eigentlich nur selten vor, dass jemand sagte: „Das hier geht nicht, das musst du unbedingt ändern!“ Meine Musiker sind immer sehr kreativ und suchen nach Lösungen für die Aufgabenstellungen, die sie in meinen Stücken finden, selbst dann, wenn ihnen irgendeine Sache unbekannt ist, und sie nicht auf Anhieb die Wirkung erreichen können, die ich mir vorgestellt habe.

wie steht es mit den Anforderungen elektronischer Musik, mit der Sie sich an der Berliner Tu ja lange beschäftigt haben?Vor zwanzig Jahren komponierte ich mehr elektroakustische Musik als heute, aber ich kehre auch heute immer wieder zur Elektronik zurück. Was mich besonders dabei fasziniert, ist, wie mit einem Mikroskop in die Beschaffenheit der Klänge ‚hineinzusehen‘. Das sind Erfahrungen, die sich auch im nicht-elektronischen Komponieren nutzen lassen. Sie erweitern den Blick und ermöglichen es, unter die Oberfläche des traditionellen Instrumentalklangs zu gehen.

welche Musik spielen oder hören Sie, wenn Sie nicht Ihre eigene produzieren?Eigentlich alles, was für mich interessant ist. Ich habe da keine Hemmschwellen. Wenn ich Klavier spiele, so spiele ich den gesamten Kanon durch - von Bach über Chopin und Schumann bis hin zu Debussy und Messiaen. Ich kenne mich auch sehr gut aus mit der Neuen Musik, zumal ich ja Neue Musik-Konzerte organisiere in London und in Seoul, und ich betrachte es als eine Pflicht, auch möglichst viel von dem zu kennen, was die Kollegen komponieren. Ich höre sehr gerne Musik außereuropäischer

Kulturen. Ich habe aber auch ein Faible für die Pop- und Rockmusik der 60er und 70er Jahre, da gab es noch eine große Kreativität in diesem Bereich. Aber auch heute gibt es kreative Rockmusiker, ich denke da an Björk. Es kommt aber auch darauf an, woran ich arbeite. Als ich ein Cellokonzert schrieb, habe ich möglichst alles gehört, was fürs Cello komponiert wurde. Als ich „Miroirs des temps“ schrieb, ein Stück mit Bezug zum Mittelalter, habe ich mich viel mit mittelalterlicher Musik beschäftigt, was ebenso faszinierend war.

womit beschäftigen Sie sich, neben der Musik, in Ihrer „Freizeit“? Ich führe ein ganz normales Leben. Aber mein Zeitplan wird immer enger. Es gibt immer mehr Aufführungen, und außer dem Komponieren bin ich auch für die Neue Musik-Reihen zweier Orchester – des Seoul Philharmonic und des Londoner Philharmonia Orchestra – zuständig.

welches - musikalische - Ziel haben Sie noch vor Augen?Jedes neue Stück ist eine neue Aufgabe. Als nächstes kommt ein Stück, was vom LA Philharmonic unter Gustavo Dudamel uraufgeführt werden wird. Es gibt mehrere Interpreten, denen ich ein Stück versprochen habe, und insbesondere habe ich vor, eine Fortsetzung meiner Oper „Alice in Wonderland“ zu komponieren. Ich habe aber zu wenig Zeit, um all das zu komponieren, was ich möchte.

Die Fragen stellte Anne Schneppen

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Anne Schneppen lebte von 2005 bis 2007 mit ihrer Familie in Seoul und arbeitete von dort - wie schon zuvor aus Tokio - als Fern-ost-Korresponden-tin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. In Korea beschäf-

tigte sie sich vor allem mit politischen, aber auch gesellschaftlichen Themen.

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Über mein Werk

„Part oF nature“ Komponieren für koreanische Instrumente

von Il-Ryun Chung

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Il-Ryun Chung lebt als freischaffender Komponist, Gitarrist und Janggu-Spieler in Berlin.Hier bei den Proben einer Aufführung beim KLANGSPUREN Festival zeitgenössischer Musik in Schwaz Tirol.Fo

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„Schreiben Sie bitte ein abendfüllendes Werk für das National Orchestra of Korea...“

- dieser Satz hallte wie ein Donnerschlag in meinen Ohren, sodass ich den Rest des Mittagessens mit Hwang Byungki, dem Gayageum-Meister und damali-gen künstlerischen Leiter des National Orchestra of Korea, kaum noch wahrneh-men konnte. Es begannen zwei Jahre, in denen ich mich intensiv und ausschließ-lich mit koreanischen Instrumenten beschäftigen sollte. Hwang Byungki hatte mein Stück „shinaui III“ für koreani-sche und westliche Instrumente gehört und mich für dieses Ausnahmeprojekt ausgewählt.

Praktisch alles war daran außergewöhn-lich: Von einem Auftrag für ein abend-füllendes Orchesterwerk hatte ich noch nie gehört. Dass dieser auch noch einem relativ unbekannten Komponisten wie mir erteilt wurde, war noch erstaunlicher, aber die Rahmenbedingungen des Auf-trags waren das Außergewöhnlichste: „Ich werde nun auf Ihr Konzept warten... .“ Scheinbar keine Bedingungen also, aber das wog umso schwerer.

Das Konzept zu „Part of Nature“, das ich von Anfang an auch als „Korean Concerto Grosso“ bezeichnet hatte, fiel mir ziemlich bald ein, nachdem Hwang Byungki ein Musik-/Tanztheaterkonzept abgelehnt hatte. Die Befürchtung, dass ein 80-bis 90-minütiges Musikstück die Zuhörer überfordern könnte, hatte mich zuerst zu einer Gesamtkunst-Kon-zeption geführt. Ich fasste mir ein Herz und arbeitete ein Konzept mit einem Orchesterstück, vier Konzerten für alle koreanischen Instrumente und einem Lied mit Pansori-Gesang aus [판소리]. Die Idee war schön und gut, aber ich stand vor dem Problem, dass ich zwar Janggu [장구, Sanduhrtrommel], Ga-yageum [가야금, Wölbbrettzither] und Daegeum [대금, Bambusflöte], für die ich bereits komponiert hatte, gut kannte, aber die anderen Instrumente teilweise noch nicht einmal aus der Nähe betrach-tet hatte. Natürlich kannte ich den Klang,

aber das reichte mir lange nicht, um auch nur davon zu träumen, ein Konzert für diese Instrumente zu schreiben. Ich begab mich also auf eine mehrwöchige Studienreise zum National Orchestra of Korea in Seoul und studierte intensiv alle Instrumente des Orchesters, machte Aufnahmen und lernte die Musiker kennen. Schnell wurde mir klar, was ich vorher nur geahnt hatte: Koreanische In-strumente sind Überbleibsel einer längst vergangenen Zeit. Sie sind geradezu ar-chaisch, sie sind noch nahe am Ursprung der Musik. Das Projekt begeisterte mich zunehmend mehr, denn Zeit meines Musikerlebens war ich am Ursprung der Musik interessiert gewesen. Die Fragen „Woher kommt die Musik?“ und „Warum machen wir Musik?“ sind die Quellen meines Musikschaffens bis heute.

Alle koreanischen Instrumente sind im Prinzip seit Jahrhunderten unverändert geblieben. Als exemplarisches Beispiel möchte ich die Piri [피리] beschreiben, ein Blasinstrument mit Doppelrohrblatt, verwandt mit der Oboe. Oder besser: ein Vorfahre der Oboe. An Einfachheit ist die Piri kaum zu überbieten - sie besteht aus einem kleinen Bambusröhrchen, in das sechs oder sieben Löcher gebohrt worden sind. Das Doppelrohrblatt wird einfach oben aufgesteckt. Selbst die besten Piris werden kaum mehr als 100 Euro kosten.

Aus Sicht eines westlichen Kompo-nisten könnte man die koreanischen Instrumente so beurteilen: Archaische Instrumente mit primitivem Aufbau, unsicherer Intonation und ungleichmä-ßiger Ansprache, beschränkt in ihrem Tonvorrat (im Prinzip pentatonisch) und nicht besonders klangstark.

Tatsächlich stehe ich der neueren Musik für Gugak-Orchester [국악] äußerst kritisch gegenüber, denn sie offenbart alle Schwächen, die ich oben aufgeführt habe. Gugak-Instrumente sind nicht

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dafür gemacht, Harmonien zu intonie-ren, diatonische oder hochchromatische Melodien zu spielen. Die in der west-lichen Musik so beliebten, perlenden und brillanten Tonleitern - alles das lässt diese Instrumente äußerst beschränkt aussehen.

Mein Maßstab ist und bleibt aber San-jo [산조], eine Solomusikgattung, in der alle Gugak-Instrumente hören lassen, was sie wirklich können, und das ist im-mens viel. In Sanjo kann man den hohen Entwicklungsstand der Gugak-Musik bezüglich der Melodik, Klangfarben und Rhythmik bewundern. Die Abwesenheit eines Harmoniesystems hat glücklicher-weise verhindert, dass die Instrumente modernisiert wurden, denn sonst wären alle diese naturnahen, wilden und unge-zähmten Klänge längst verschwunden.

Deshalb sollte man die Gugak-Instru-mente eigentlich so beurteilen: Einzigartig im Timbre und äußerst klang-farbenreich, sehr flexibel in der Modu-lation der Töne, sehr virtuos in ihrer Art und Weise, höchst modern aufgrund der Integration von Nebengeräuschen in die Musik.

Ich habe bei der Komposition von „Part of Nature“ versucht, alle Schwächen zu meiden und die besonderen Fähigkeiten der Instrumente zur Geltung zu bringen. Am Anfang stand der Entschluss, sich im Wesentlichen auf den Tonverrat zu beschränken, den die Instrumente leicht hervorbringen können. Das wirkte schon mal wie eine Art Befreiung, denn am Anfang einer Komposition steht ja immer die Eingrenzung. Nichts lässt einen ohnmächtiger erscheinen als die Grenzenlosigkeit. Die Beschränkung auf ein mehr oder weniger pentatonisches Tonmaterial schloss von vornherein die fast zwanghafte Neigung der Kompo-nisten mitteleuropäischer (also auch meiner) Prägung aus, stets komplexes Tonmaterial zu verwenden, das meist in

dem Verwenden aller zwölf Töne endet.

Die Gugak-Instrumente brauchen nicht zwölf Töne, denn jeder Ton ist einzigar-tig, da die Tonhöhe nur ein Aspekt von vielen ist - die Klangfarbe und schließlich der Verlauf eines Tones in der Zeit sind ebenso wichtig. Die Gugak-Rhythmik ist sowieso meine Sache, nichts liebe ich mehr als das, und nun konnte ich sie ungehemmt verwenden. Alles, was ich brauchte, war schon da. Es war wie nach Hause kommen.

Ein großes Manko gibt es aber in der Gugak-Welt. Das Repertoire ist äußerst begrenzt. Gugak braucht viel neue Musik, die im Geiste der Gugak-Instru-mente geschrieben ist, damit auch die alte Musik überleben kann und nicht zu musealen Ereignissen verkommt.

„Part of Nature“ wurde am 6. und 7. Ok-tober 2011 im National Theater of Korea uraufgeführt. Im Juni desselben Jahres gab es eine Voraufführung des Stücks mit Sätzen, die zu diesem Zeitpunkt bereits fertiggestellt waren. Nach der Voraufführung und der daraus resultie-renden Erfahrung habe ich vieles an der Instrumentation geändert. Die Solisten gehörten allesamt zu den besten Gugak-Musikern der jüngeren Generation und haben sich mit Hingabe und Aufopfe-rung dem Projekt gewidmet, viel mehr kann sich ein Komponist kaum noch erträumen. Dennoch musste ich lernen, dass gerade die Konzentration auf die koreanischen Spieltechniken und die Gugak-Rhythmik den Orchestermu-sikern schwerfiel und unbequem zu sein schien.

Trotz des großen Erfolgs der beiden Aufführungen scheint es für andere Gugak-Orchester außerhalb des Vorstel-lungsvermögens zu liegen, das Stück zu spielen, denn es erfuhr bisher keine weitere Aufführung. Mit „Part of Nature“ gerät der Großteil des koreanischen Kon-

zertpublikums gewiss auch an den Rand der Akzeptanz, da es seit Jahrzehnten harmonisierte und somit verwestlichte Gugak-Orchester-Musik gewöhnt ist und auch die originale höfische Musik eher langweilig findet. Diese bedenkenlose Vermischung, die zurzeit mit der Fusion-Mode immer noch sehr beliebt ist, klingt dagegen in meinen Ohren wie eine Vergewaltigung koreanischer Musik. Oder kulinarisch ausgedrückt wäre es so, als würde man Kimchi [김치] mit Sahnedressing oder Bulgogi [불고기] mit Bratensoße essen.

In der Saison 2013/14 wird „Part of Nature“ aber voraussichtlich wieder vom National Orchestra of Korea gespielt wer-den, und eine Auslandstournee ist auch in Planung.

Ich bin der Überzeugung, dass „Part of Nature“ ein Schritt in die richtige Richtung ist, um der koreanischen Musik auch international die Bedeutung zukommen zu lassen, die sie verdient. Ich glaube auch, dass Gugak eine große Zukunft haben wird, denn sie gehört zu den Dingen, die es nirgendwo anders mehr gibt, die aber einen unschätzbaren Wert haben. Vielen ist das nur noch nicht bewusst.

Mehr über „Part of Nature“:

www.ilryunchung.com/de/Part_of_Nature.html

Eun-Hwa Cho ist Komponistin und Dozentin im Fachbereich Tonsatz/Musiktheorie an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin. Ihre Stücke wurden bei zahlreichen Konzerten und Festivals mit Ensembles und Orchestern wie dem Arditti Quartett, Ensemble Modern, ensemble recherche, Ensemble intercontemporain, Tokyo Sinfonietta, KBS Symphonie Orchester, Orchestre National de Belgique und dem State Hermitage Orchestra St. Petersburg aufgeführt und mit diversen Preisen ausgezeichnet.

Im Kleinkindalter hat Eun-Hwa Cho zum ersten Mal Klaviermusik gehört – und war fasziniert. „Mein wahres Spielzeug war mein Klavier, ich hatte

keine Puppen.“ Aus der Begeisterung wurde Profession. Nach ihrem Studium der Komposition an der Seoul National University kam sie 2000 nach Deutschland, denn hier im europäischen Raum sei schließlich die Wiege der Musik von Bach und Beethoven. Bereits in Korea hatte sie die Musik von Prof. Hanspeter Kyburz kennengelernt und beschlossen, bei ihm zu studieren und ihren Lebensmittelpunkt nach Berlin zu verlegen. An der Hoch-schule für Musik Hanns Eisler schloss sie bei ihm ein weiteres Studium der Komposition an, das sie um ein Diplom der Musiktheorie ergänzte. Anders als an der Universität in Seoul, wo sie sehr „mechanisch“ komponierte Werke als „Fleiß- und Handarbeit“ beschreibt und Zeit zum intensiven Denken fehlte, „lässt mich das Hochschulsystem in Deutschland frei“. Ihre Liebe gehörte der europäischen Klassik - damals. Mit moderner Musik tat sie sich zunächst schwer. „Ich konnte keinen Trost darin finden, ihre Sprache ist anders“ - eben nicht Bach oder Beethoven, wie gesagt.

„Eigentlich wollte ich Konzertpianistin werden, aber charakterlich bin ich nicht dafür geschaffen. Ich fühlte mich nie wohl auf der Bühne, also bin ich Komponistin geworden, ich wollte schöpferisch tätig sein.“ Wie ich mir einen »typischen« Arbeitstag vorstellen muss, möchte ich von meiner Interviewpartnerin wissen – vorausgesetzt, es gibt ihn überhaupt. Gewiss, so Eun-Hwa Cho, sei Komponieren Arbeit – und zugleich auch wieder nicht, „weil mein ganzes Leben vom Komponieren bestimmt wird. Wenn ich spazieren gehe, wenn ich koche, wenn ich Freunde treffe, ist das eine Art von Arbeit. Selbst wenn ich mich schlafen lege, arbeitet mein Kopf weiter. Dann vergesse ich oft, das Licht auszuschalten, weshalb ich fast nie im Dunkeln schlafe. Die Hälfte meines Gehirns beschäftigt sich immer mit Musik, ich kann das nicht wirklich trennen. Das ist auch ein Problem. Manchmal muss

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„MUSIK IST FÜR MICH ETWAS HEILIGES“die komponistin eun-hwa cho im Gespräch mit dr. stefanie Grote

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man abschalten können. Aber wenn ich nicht arbeite, werde ich krank, fühle mich nicht gut, deshalb suche und habe ich immer etwas zu arbeiten. Musik ist für mich etwas Heiliges.“ Und eben weil Komposition ein kreativer Schaffenspro-zess ist, frage ich nach dem Umgang mit »Störfaktoren« wie Zeitdruck, Müdig-keit, Unausgeglichenheit. „Komposition erfordert eine sehr hohe Konzentration. Wenn ich traurig oder krank bin, kann ich nicht wirklich gut komponieren. Dann muss ich mich zwingen, was an-dererseits auch eine Rettung sein kann, weil ich ‚Störfaktoren‘ auf diese Weise ein wenig ignoriere.“

Apropos „Rettung“. Eun-Hwa Cho hat den Zugang zur modernen Musik gesucht, sich langsam angenähert und Unerwartetes gefunden. „Moderne Musik hat so viele Möglichkeiten und kann in eine andere Welt führen“, kann sie trösten – heute. Sie erinnert sich, bei einem Konzert der Berliner Philharmoniker einmal das Gefühl gehabt zu haben, dass klassische Musik nicht die Wirklichkeit, sondern einen Idealzustand beschreibe. Sie erschien ihr in jenem Moment zu „naiv”, um Trost zu spenden, weil die Musik „nur schön” war.

Mit der Etude I: Der weg zur Natur für Daegeum und Janggu hat sie letztes Jahr erstmals für koreanische Instrumente komponiert. Worin sich das späte Interesse für koreanische Musik begründe, möchte ich wissen - von ihr als Koreanerin, die in Korea geboren und aufgewachsen ist, dort studiert hat. „Ich habe von jeher das Klavier geliebt. Die in Korea sehr präsenten Schlaginstrumente waren für mich keine Instrumente, sondern eher Spielzeuge, weshalb mir koreanische Musik immer ein bisschen befremdlich erschien.“ Erst als sie nach Deutschland kam, habe sie Musik bewusst wahrzunehmen und in diesem Sinne erst zu »hören« gelernt. „Wenn man nicht hören kann, kann man nicht sprechen, sich nicht ausdrücken.

Erst mit dem Hören-Lernen habe ich begonnen, koreanische Musik zu verstehen.“ Der Auslöser für dieses neue Interesse war der Klang der Janggu (장구, Sanduhrtrommel), von dem sie beim Konzert im Rahmen eines Korea-Besuches fasziniert war. Erst von dem Moment an betrachtete sie die Janggu nicht mehr als Spielzeug, sondern als Musikinstrument. „Die Janggu hat unglaublich viel Potenzial als Solo-Instrument, auch wenn sie bislang nur als Begleitinstrument eingesetzt wurde.“ In diesem Jahr möchte sie auf jeden Fall noch eine Etüde und danach ein Stück für ein traditionelles koreanisches Orchester schreiben. Wer für ein Orchester komponiert, schreibt Musik für verschiedene Instrumente. Nun drängt sich die Frage auf, wie wichtig die theoretische oder praktische Kenntnis von eben diesen zahlreichen Instrumenten ist, für die sie komponiert. „Wer die Natur der diversen Instrumente nicht kennt, kann nicht gut komponieren“, sagt Eun-Hwa Cho. Sie selbst hat Klavier, Flöte, Klarinette, Posaune, Geige und Cello gelernt, aber bislang (noch) kein koreanisches Instrument. „Deshalb war es für mich so schwer und außerordentlich zeitintensiv, traditionelle koreanische Musik zu verstehen. Komposition beinhaltet aber auch eine theoretische Annäherung; ich muss viel lesen, mich mit Philosophie oder Ästhetik beschäftigen.“ Europäischer und traditioneller koreanischer Musik liege eine unterschiedliche Philosophie zugrunde. „Erstere will etwas bauen, Form bauen, Harmonie bauen, Akkord bauen, Struktur bauen. Letztere will das nicht. Ziel der koreanischen Musik ist es nicht, etwas zu bauen, sondern etwas zu lösen – etwa so, als werde ein Faden abgewickelt. Sie will nichts Großes schaffen, sondern sich musikalisch auflösen. Die Grundideen sind andere.“

Was will Eun-Hwa Cho schaffen? Was ist ihre grundlegende Intention als Komponistin? Worin besteht die zentrale Herausforderung? „Ich habe

das Bedürfnis, mit meiner Komposition etwas auszudrücken. Ich möchte nicht, dass die Musik auf dem Papier bleibt - sie muss gespielt werden. Ich muss mich immer wieder selbst überprüfen, ob ich Menschen erreichen kann und bin noch nicht sicher, ob das glückt, ich bin noch auf dem Weg, auf der Suche. Deshalb ist nicht der Erfolg für mich wichtig, sondern mein persönliches Gefühl gegenüber dem Schaffensprozess, ich muss mit der Musik überzeugen – zunächst die Musiker. Sie müssen Interesse haben, das jeweilige Stück zu spielen. Wenn ich die Musiker nicht überzeugen kann, ist eine Umsetzung unmöglich. Und die Zuhörer müssen die Ehrlichkeit und die Authentizität spüren. Kurzum: Wer komponiert, muss etwas geben können.“

Auf die Frage, wie das Vorhaben gelingen kann, europäische Ohren an die Klänge traditioneller koreanischer Instrumente zu gewöhnen, entgegnet Eun-Hwa Cho: „Man darf nicht erwarten, dass sich das Publikum für koreanische Musik ebenso begeistert, wie für Mozart. Man muss sie respektieren als Teil einer eigenen Kultur.“ Ob ich schon einmal in der Wüste gewesen sei? Ich verneine. „Ich möchte koreanische Musik mit der Wüste vergleichen, die vielen Menschen fremd ist, aber ihre eigene Schönheit hat. Ich denke, die Wüste ist schön, weil es dort endlosen Sand und die glühende Sonne gibt. Und sie ist nicht weniger schön, weil es dort kein Meer und keinen Nadelbaum gibt. - Wer koreanische Musik ohne Vorurteile hört, kann ihren eigenen Charme, ihre eigene Schönheit wahrnehmen.“

J a z z

ein neuer Marker auf der Landkarte des Jazz

vo n D r. N a b i l A t a s s i

Seoul. Die südkoreanische Hauptstadt gehört zu

den größten Ballungsräumen der welt, allerdings denkt im Zusammenhang mit Jazz hier in Europa niemand an Seoul. Aber: Seit einigen Jahren regt sich dort einiges in puncto Jazz. In den vielen Clubs und Bars der 20-Millionen-Stadt wimmelt es von koreanischen und internationalen Jazzern und Nachwuchsmusikern. Das Jarasum-Jazzfestival ist mit über 150.000 Besuchern eines der größten Jazzfestivals der welt - und es findet auf koreanischem Boden statt! Mittendrin lebt seit nunmehr fast vier Jahren der deutsche Bassist Martin Zenker1: Er bekam im Jahr 2008 einen Ruf an die renommierte Musikhochschule von Daejon. Die Atmosphäre, die Seoul Jazzmusikern bietet, ist kaum mit der einer europäischen Stadt zu vergleichen. unzählige Jazzclubs, betrieben von aufgeschlossenen Besitzern, haben in den letzten Jahren eröffnet. Sie locken ein junges und Jazz-interessiertes Publikum an. Immer mehr junge koreanische Jazzmusiker tummeln sich in Seoul und finden in den Clubs und Bars viele Auftrittsmöglichkeiten. Hinzu kommt ein zaghaft wachsender Zustrom an internationalen Jazzmusikern: All das macht Seoul zu einem modernen Melting pot [Schmelztiegel] für Jazz.

1 Sehen Sie dazu das Interview mit Martin Zenker in Kultur Korea, Ausgabe 2/2012, unter der Rubrik „Porträt“. Fo

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honGdaE - das viErtEl, das niE schläft

Hongdae gehört zu den Szene– und Studentenvierteln von Seoul. Hier lebt seit 2008 der Bassist Martin Zenker. Mittlerweile ist er Teil der aktiven Jazzszene Seouls – und verbringt dabei den Großteil seiner Zeit in Hongdae: „Man kann Dinge möglich machen hier, man kann jederzeit irgendwo spielen und bekommt sogar ein wenig Geld dafür, und man muss nicht Jahre im Voraus planen.“ Möglich wird das durch eine in Seoul recht neu entstandene Szene ohne viel Institution und Planung, geschweige denn Förderung. Hier lebt der Jazz auf den Straßen. Genau dort wird er vom koreanischen Publikum zumeist begeistert aufgenommen. Auch der britische Trompeter Damon Brown hat Seoul als Jazzstadt entdeckt: „Seoul ist etwas Besonderes“, sagt Damon Brown. „Ich liebe die koreanische Jazzszene mit diesen kleinen, intimen Clubs. Sie haben eine Menge Seele – das ist es, wie Jazz sein sollte, nicht im Konzertsaal, sondern in kleinen Lokalen wie im ‚Palm‘ oder ‚Evans‘.“

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Das ‚Palm‘ und das ‚Evans‘, das sind die beiden bekanntesten Jazzclubs in Hongdae. Sie gehören bereits zu einer neueren Generation junger Jazzclubs. Die großen Namen in der südkoreanischen Jazzclublandschaft liegen meist in den von amerikanischen Soldaten bewohnten Vierteln wie das „Once In A Blue Moon“ in Apgujeong, das „Cheonnyeondongando“ in Hyewha und das „All That Jazz“ in Itaewon. In Nakseongdae, in der Nähe der Seoul National University, betreibt Jang-deok Phark seit 1999 den Jazzclub „Mo’ Better Blues“. Der urige Club birgt echte Atmosphäre: klein, dunkel und verraucht. Jang-deok Phark hat bemerkt, dass mit Jazzclubs in Seoul auch Gewinn zu machen ist. Also hat er kurzerhand 2009 seinen zweiten Club „Jazz Alley“ eröffnet, keine 200 Meter vom „Mo’ Better Blues“ entfernt. „Jazz hat in Korea eine gute Zukunft vor sich, es gibt immer mehr Leute hier, die Jazz mögen. Ich denke, dass immer mehr kleine Jazzclubs gebraucht werden für die hiesige Jazzszene, das wäre ein guter Weg, noch mehr Menschen an den Jazz heranzuführen.“

JazzParK

In einem Fernsehstudio in Seoul wird einmal monatlich im südkoreanischen Fernsehen die Sendung „Jazzpark“ ausgestrahlt. Im Fokus stehen koreanische Jazzmusiker, aber auch internationale Formationen. An diesem Abend spielt der koreanisch-amerikanische Pianist Kyungyoon John Nam. Nam hat in Kanada studiert und ist gerade nach Seoul zurückgekehrt. Produzent Hong Soon Shin erzählt stolz von seiner Jazz-Fernsehsendung und dem Konzept dahinter. Über 100 Ausgaben von „Jazzpark“ wurden bereits ausgestrahlt, und auch an diesem Abend ist das Studio bis auf den letzten Platz gefüllt. Produzent Hong fühlt sich insbesondere der Geschichte des koreanischen Jazz verpflichtet, erst kürzlich hat er aus diesem Grund einen Film produziert. Die

Dokumentation heißt „Bravo! Jazz life“ und ist eine Hommage an die koreanischen Jazzmusiker der ersten Stunde: „Die erste Generation koreanischer Jazzmusiker ist jetzt durchschnittlich etwa 75 Jahre alt, und nur noch weniger als zehn von ihnen leben noch, jedes Jahr versterben zwei bis drei. Wir müssen deren Geschichte bewahren, deshalb haben wir diesen Film gemacht“, erzählt Produzent Hong. „Bravo, Jazz life“, erschien zusammen mit einem Soundtrack zum zeitgenössischen koreanischen Jazz. Jazz in Korea hat eine erstaunlich lange, wenn auch durch wenige Akteure geformte Tradition. Sie tragen uns unbekannte Namen wie Kyunhgsanbook-do, Bong-hwa oder Kang Dae-Kwan. In den 1950er und 1960er Jahren begannen sie, beeinflusst von den US–amerikanischen Soldaten, erste Schritte in Richtung Jazzmusik zu wagen. Der frühe koreanische Jazz entwickelte sich eher seicht und volkstümlich, Be-Bop, Hard-Bop oder gar Fusion Jazz tauchten auf der koreanischen Halbinsel kaum auf. Von Anfang an wurde Jazz mit traditioneller koreanischer Musik gemischt, ein Stilmittel, das gerade heute von den zeitgenössischen Künstlern gerne aufgegriffen wird.

diE JazzhochschUlE von daEJon

Hier in der Vorstadt von Seoul befindet sich das Jazz Department, an dem Bassist Martin Zenker seit 2008 als Dozent lehrt. Leiter des Jazzstudiengangs ist Jae Chung. Er ist selbst aktiver Jazzmusiker der Seouler Szene und hat in Kanada studiert: „Als ich 1995 nach Korea kam, gab es nicht so viele Jazzmusiker hier. Jetzt, 15 Jahre später, kann man sich gar nicht vorstellen, wie schnell sich die Szene entwickelt hat! So viele haben im Ausland studiert, und jetzt öffnen immer mehr Schulen, die Jazz unterrichten. Die jungen Leute sind wirklich an Jazz interessiert.“ Einer seiner Studenten ist der erst 23-jährige Bassist Seoung-ho Jang. Er ist in einer von Martin Zenkers Klassen und ein Vertreter der hoffnungsvollen Generation junger Jazzmusiker in Südkorea. Sie sind talentiert, gut ausgebildet und voller Energie. Seoung-ho fühlt sich als junger Musiker in Seoul gut aufgestellt: „Seoul ist ein tolles Umfeld mit vielen sehr netten Musikern und vielen Clubs. Dieses Jahr werde ich mein Studium abschließen und meinen Master machen - ich weiß es jetzt noch nicht genau -, aber dann kann ich hoffentlich nach Europa oder nach New York gehen. Danach komme ich zurück nach Korea - nach Seoul - und nehme dann ein Album auf und werde hoffentlich viele Gigs in Korea spielen.“

weitere Informationen: www.journaldujazz.deweblinks: „Bravo, Jazz life“ (mit Trailer): http://www.korean-drama-guide.com/Koreanmovie10-Bravo-Jazz-Life.html Auflistung der Seouler Jazzclubs:http://10mag.com/korea-seoul-live-jazz-clubs/

D a s I n t e r n a t i o n a l e J a z z - von Dr. Stefanie Grote

F e st iv a l J ar as u m

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Als das Internationale Jazz-Festival Jarasum (JIJF) 2004 zum ersten Mal stattfand, hätten sicher die wenigsten geglaubt, dass es sich innerhalb kurzer Zeit zu einem bedeutenden nationalen und internationalen Event entwickeln würde - war doch Südkorea bis dato nicht gerade durch seine Jazz-Begeisterung aufgefallen. Umso beachtlicher ist die Entwicklung der vergangen Jahre. Entgegen aller Erwartungen erfreut sich heute nicht nur die Jazz-Szene in Seoul zunehmender Beliebtheit, sondern auch das JIJF in der Provinz Gyeonggi-do. Jedes Jahr kommen berühmte Jazz-Musiker und Fans aus aller Welt für drei Tage im Oktober auf der Insel Jarasum zusammen, um vor der landschaftlich schönen Kulisse - umgeben von Bergen und dem Fluss Bukhangang - zu feiern und dem Ruf des JIJF gerecht zu werden, zu den vielversprechendsten und besten Festivals Koreas zu zählen. 2010 vom Ministerium für Kultur, Sport und Tourismus als „exzellentes koreanisches Festival” beworben, hat sich die Besucherzahl in weniger als 10 Jahren von 30.000 auf etwa 200.000 erhöht.

Fester Bestandteil des Festivals ist der Internationale Jazz-Wettbewerb Jarasum, der letztes Jahr bereits zum 6. Mal stattfand und bei dem die talentiertesten Jazz-Musiker aus Korea und dem Ausland in den drei Kategorien „Großer Preis”, „Größte Kreativität” und „Bester Solist” ausgewählt

werden, um sich in zwei Vorrunden für die Endrunde zu qualifizieren. Der „Große Preis” ist mit 10 Millionen Won (~ 7000 Euro) dotiert und gibt dem Gewinner/der Gewinnerin die Gelegenheit, bei der Eröffnung des Internationalen Jazz-Festival Jarasum 2013 auf der Hauptbühne zu spielen. Die anderen Preisträger erhalten jeweils 3 Millionen Won (~ 2100 Euro) - ein Auftritt im Rahmen des Festivals ist auch ihnen sicher.

Im vergangenen Jahr haben etwa 80 Bands aus über 20 Ländern ihre Fans auf neun verschiedenen Bühnen begeistert, darunter Profi- und Amateur-Musiker – jeweils zur Hälfte. Eine Ausstellung über die Percussion-Instrumente der Welt oder ein Jazz-Buch-Festival ergänzen das musikalische Programm. Im Jazz Art Shop verkaufen Künstler einzigartige Souvenirs, und auch eine Verkostung des extra für das Festival hergestellten „Jazz-Makgeolli“ („Jazz-Reiswein”) oder des „Jazz-Weins“ sollten sich die Musikfans nicht entgehen lassen. Auch ein Abstecher auf den nahe gelegenen Flohmarkt oder ein Ausflug in das landschaftlich reizvolle Umland machen den Festivalbesuch zu einem lohnenswerten Vorhaben. Mit einem Bus- oder Zugticket nach Gapyeong ist man aus Seoul schnell angereist.

weitere Informationen (Koreanisch, Englisch):http://www.jarasumjazz.com

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Dr. Nabil Atassi ist freier Journa-list. Er arbeitet u.a. für den Norddeutschen Rundfunk und die Zeitschrift Jazzthetik und

produziert einen monatlichen Radio-podcast. Auf seinen Reisen entdeckt er Jazzszenen fremder Länder. 2010 reiste er nach Seoul, die Bindung zu der Stadt und zu dem Land hält bis heute.

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MusIk Den RauMvon Dr. Nabil Atassi

Für Gee Hye Lee ist es ein besonderes Konzert an diesem 20.09.2012 in Ber-lin. Vor 16 Jahren kam die Pianistin aus

Seoul/Südkorea nach Deutschland. Hier studierte sie Musik, lebt und wirkt heute in Stuttgart. Und das äußerst erfolgreich: Gee Hye Lee ist Trägerin des diesjährigen Jazz-Preises des Landes Baden-Württem-berg, im Juli erschien ihre neue CD „lights“ in Deutschland, im Oktober nun auch bei Universal Music in Südkorea. Für das Koreanische Kulturzentrum war das nicht zuletzt Grund genug, Gee Hye Lee zum Konzert nach Berlin einzuladen. „Es ist toll für mich, dass ich etwas für mein Land tun kann“, freut sich Gee Hye Lee vor dem Konzert während sie vor dem Gebäude des Koreanischen Kulturzentrums steht. Auch für das Kulturzentrum ist es ein besonderer Abend, es ist erst das dritte Jazzkonzert überhaupt in den Räumen am Leipziger Platz. Viele sind gekommen, Koreaner und Deutsche, um ihre gemein-same Landsfrau zu sehen und zu hören. Gelöst und gelassen ist die Stimmung, als Gee Hye Lee die Bühne betritt. Dabei sind die atmosphärischen Voraussetzungen des Raumes nicht unbedingt mit denen ei-nes Jazzclubs zu vergleichen. Aber wieder einmal zeigt sich: es ist die Musik, die die Atmosphäre in den Ohren und Köpfen der Zuhörer bestimmt. Ohne Umschweife beginnt Gee Hye Lee ihr Set mit „Double you“ von ihrer aktuel-len CD „lights“. Dabei strahlen die Pianis-tin und das von ihr angestimmte Stück sofort eine Gelassenheit aus, die auch die Zuhörer mitnimmt. Flankiert wird Gee Hye Lee von ihren beiden Mitmusikern, dem Bassisten Jens Loh und dem Berliner Schlagzeuger Sebastian Merk. „Ich spiele am liebsten mit Jens und Sebastian, da fühle ich mich am wohlsten“, erzählt Gee

Hye Lee. Das hört man: Das Zusam-menspiel der drei ist zutiefst empa-thisch und sehr vertraut. Immer wieder interagieren sie, in Blick, Wort und Geste. Auch dadurch nehmen sie die Zuhörer wieder mit, es entsteht eine intime, warme Atmosphäre. Das soll sich auch während des gesamten Konzertes nicht ändern.

Musik spricht für sich Von großen Worten und emotionalen Reden über ihren koreanischen Hinter-grund sieht Gee Hye Lee ab, konzentriert sich auf die Musik: Das Stück „NU“ von der Platte „lights“ widmet sie einem ihrer mu-sikalischen Vorbilder, dem verstorbenen Pianisten Esbjörn Svensson. Überhaupt stammen die meisten Stücke im Set vom aktuellen Album, nur ein einziges Stück von ihrem 2009 erschienenen Debüt „midnight walk“ wird gespielt. Musikalisch gehen die drei an diesem Abend also ihren Weg. Wie an einer Perlenschnur reihen sie ein gediegenes, in legato gehaltenes Stück an das andere - mit dezentem Groove und klanglich wohl austariert. Die Akzente sind fein, die Soli zierlich. Jens Lohs Spiel mit den wogenden Basslinien und liegenden Soli ist wohltuend unaufgeregt. Gee Hye Lee selbst streut immer wieder kleine Solo-Pia-no-Einlagen ein. Sie klingen agil, modern und dennoch lyrisch. Manch einem im Publikum dürfte allerdings ein wenig der Kick des Unerwarteten, die Überraschung, gefehlt haben. Was hängen bleibt von diesem Abend ist die Atmosphäre, die vom Gee Hye Lee Trio bedächtig aufge-baut wird – nicht mit Worten, sondern mit Musik.

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Gee Hye Lee

Jens Loh (Bass), Sebastian Merk (Schlagzeug)

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k-PoPeIne sPuRensuchevon Esther Klung

WAS IST K-POP? Beinahe jeder, der diesen Satz liest, wird denken, dass er die Frage beantworten kann. „K-Pop? Kenn ich! Das ist doch dieser PSY.“ Falsch. Streng genommen, ist PSY weder K-Pop noch ein Idol (englische Bezeichnung für einen südkoreanischen Popstar). Natür-lich ist PSY ein Musiker aus Südkorea und gehört zu einem der größten Entertain-ments [Konzern der Unterhaltungsindust-rie], im weitesten Sinne ist PSY also K-Pop, weil er Musik aus Korea, auf Koreanisch, macht. Doch wer K-Pop auf diese Weise betrachtet, der kratzt nur an der Oberflä-che. Genauso oberflächlich sind auch all die Artikel und Berichte, die seit Kurzem die Medien fluten. Jeder ist plötzlich ein K-Pop-Experte und klassifiziert diesen Musikstil, indem er adjektivreiche Schub-laden dafür baut. Doch darin liegen gleich mehrere Fehler. Erstens ist K-Pop nicht nur eine Musikrichtung, und zweitens passt er in keine Schublade. Mittlerweile beherrscht ein Bild die Medien: K-Pop ist bunt, schrill, künstlich, etwas albern, niedlich und kitschig. Dass K-Pop genauso gut laut, experimentell und erwachsen sein kann, sieht kaum jemand.

ALSO ZURÜCK ZUM ANFANG. WAS IST K-POP?

K-Pop ist Musik aus Südkorea auf Kore-anisch, aber auch auf Englisch. K-Pop ist Popmusik, aber eben auch Rock, Hip Hop, Electro und Crossover auf jede erdenkliche Weise. K-Pop ist Musik von Idols. Hier steht man vor der nächsten Definitionsfrage. Was sind Idols? Idols sind koreanische Popstars, Vorbilder und Künstler. Sie sind nicht nur Musiker, sondern auch Schauspieler, Moderato-ren, Models und natürlich Ikonen. Sie dominieren die koreanische Popwelt, sind in Dramen (Fernsehserien) zu sehen, in

Filmen, in TV-Shows, die dort wöchentlich laufen, und von denen einige eigens auf sie zugeschnitten werden. Sie lächeln von Werbeplakaten, und die Produkte, die sie bewerben, werden gekauft wie kaum andere. Sie kurbeln Benefiz-Projekte an, spenden tonnenweise Reis und sind natürlich ständig im Radio zu hören. Sie sind Helden zum Anfassen, treffen ihre Fans bei Veranstaltungen, schütteln Hände, unterzeichnen CDs, posieren für Fotos. Und sie sind ein Kulturgut, sie sind Südkoreas immaterieller Exportschlager, sie kurbeln die „Koreanische Welle“ [한류/ Hallyu, Phänomen der Beliebtheit korea-nischer Populärkultur im Ausland] an und verhelfen dem Land nicht nur zu einem Touristenboom, sondern auch zu einem wachsenden Interesse an der Kultur. Der Entstehungszeitpunkt von K-Pop, wie man ihn heute kennt, lässt sich am ehesten auf Mitte der 90er Jahre datieren. Damals wurden die drei großen Enter-tainments (SM, YG und JYP) gegründet und mit ihnen das, was in den deutschen Medien so gern als „Castingmaschinerie“ beschrieben und mit den international aufkommenden Boygroups der frühen 90er verglichen wird. Der Vergleich hinkt nicht nur, er ist sogar grundlegend falsch. Natürlich, die Jungs und Mädchen, die Jahre später in einer Band debütieren und sich in Idols verwandeln, werden gecastet. Nicht alle sind herausragende Naturtalente, die sofort die Bühnen der Welt betreten können, und nicht alle sind perfekte Schönheiten. Es stimmt, in Korea, wie in kaum einem anderen Land, wird chirurgisch nachgeholfen, und kaum ein Idol hat nicht die eine oder andere Schönheitsoperation hinter sich. Es stimmt auch, dass das Entertainmentbusi-ness eine riesige Maschinerie ist. Doch hier gelangen wir zum grundlegenden Unterschied zu den oben genannten Boy- ©

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groups: In Korea funktioniert das Business perfekt, alle zur Popkultur gehörenden Bereiche greifen geschickt ineinander und treiben sich somit gegenseitig an. Dies gibt es in der Form in keinem anderen Land. Es wird nichts dem Zufall überlas-sen, es geht um wahnsinnig viel Geld und wahnsinnig viel Ruhm, und im selben Maß um harte Arbeit und Verantwortung. Casting, das klingt nach hübschen Jungs und Mädchen, die ein bisschen Talent mitbringen und dann schnellstmöglich auf den Markt geschmissen werden, um einen Haufen Geld „abzugreifen“, bevor sich niemand mehr für sie interessiert. So kommen und gehen die Gewinner der deutschen (und weltweiten) Castingfor-mate, bis am Ende alle gleich klingen und einen gleichermaßen langweilen. In Korea ist dies anders. Idol werden bedeutet jahrelang Trainee sein, und Trainee sein bedeutet, eine Ausbildung zu durchlaufen. Idol ist ein Job, auf den man vorbereitet wird, indem man 16 oder mehr Stunden am Tag trainiert, singen, tanzen, schauspielern und moderieren lernt. Am Ende hat man vielleicht das Glück, eine Anstellung zu bekommen, also mit einer Band zu debütieren. Doch nicht alle wer-den Idols, das Handwerk beherrschen sie trotzdem – und kaum einer oder eine von ihnen wird je in einem anderen Bereich glücklich werden können, als in dem, auf den sie sich ihre gesamte Jugend über vorbereitet haben. Die Verantwortung, die sie tragen, liegt da-rin, in einem Land, in dem mehr als zwölf Stunden am Tag gearbeitet und gelernt wird und wenig Zeit für Hobbys bleibt, für Zerstreuung zu sorgen und zu zeigen, dass auch die Idols hart arbeiten und trotzdem Spaß haben. Zieht man schlussendlich bei der Frage „Was ist K-Pop?“ den Vergleich mit west-lichem, vor allem amerikanischem Pop, ist schnell eines klar: K-Pop nimmt alle brauchbaren Elemente moderner Musik, mischt sie mit eigenen, teils klassischen Einflüssen und bringt am Ende ein Produkt auf den Markt, das um Klassen besser ist. K-Pop ist perfekt produziert, perfekt durchdacht, perfekt in Szene gesetzt. Im Gegensatz zu amerikanischer Musik, in der häufig geflucht wird, in der es oft

um Sex, Alkohol und Drogen geht, wo sich die Stars zuweilen halbnackt präsen-tieren müssen und Skandale zu brauchen scheinen, bei denen einige von ihnen betrunken aus Hotelzimmern fliehen, ist K-Pop unschuldiger, reiner, jugendfreund-licher und damit ein Gegentrend für alle diejenigen, die sich fragen, inwiefern die Stars und Sternchen, die über westliche Fernsehbildschirme flimmern, als Vorbilder dienen können. K-Pop ist zu einem Massenphänomen geworden, und diesen Stein hat der korea-nische Rapper PSY ins Rollen gebracht. Die Frage stellt sich, wie viele von den über 850 Millionen (Stand: Dez. 2012), die PSYs „Gangnam Style“-Video auf Youtube gese-hen haben, am Ende tiefer in die Thematik einsteigen. PSY selbst weiß dies, man sah es ihm an, als er bei den EMAs (European Music Awards) 2012 auftrat und seinen Preis entgegennahm. Auch die K-Pop-Fans, die schon seit Jahren dabei sind, wissen, dass PSY kein „Rookie“ (Anfänger) ist, wie er bei den EMAs ironisch bemerkte, son-dern, dass er seit mehr als zehn Jahren in der Musikbranche aktiv ist, und sie wissen auch, dass das Lied sich auf den Seouler Bezirk Gangnam bezieht und was es damit auf sich hat.

Sie ahnen, dass es einen Moment geben wird, in dem bei der Erwähnung von PSY manch einer sagen wird: „Den kenn ich, das ist doch der witzige Typ mit dem Pferdetanz, dieser Japaner… .“ PSY wird in den Köpfen bleiben, die Frage ist nur, wie. Auch K-Pop wird bleiben, doch auch dort sind Veränderungen erkennbar. Der Trend geht weg von der Musik, die für die Idols produziert wird, denn Trainees werden mittlerweile auch ausgebildet, um ihre Musik selbst zu produzieren und eigene Liedtexte zu schreiben. Wer also wirklich in das Thema einsteigen will, wird merken, dass K-Pop extrem wandelbar ist, und wie schwer es ist, eine perfekte Antwort auf die anfangs gestellte Frage zu finden.

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Esther Klung gibt seit 2010 das Onlinemagazin „K-Colors of Korea“ heraus und hat 2008 eine der ersten deutschsprachigen K-Pop-Communitiys, „So-Loved“, mitgegründet. Seit 2011 sind die beiden Teams für die europäischen K-Pop Awards, die „So-Loved Awards“, verantwortlich. www.k-magazin.com / www.awards.so-loved.net

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Noch nie hat ein südkoreanischer Musiker so viel Erfolg gehabt wie PSY. Der Song „Gangnam Style“ des koreanischen Rappers war der Hit der vergangenen Monate. Das Video dazu eines der meist-

gesehenen auf YouTube. Aufgrund seines Erfolges hat der Sänger selbst seinen Landsmann, Ban Ki-moon, den Generalsekretär der Vereinten Nationen, getroffen. Er hat bei den MTV Music Awards Mitte November 2012 in Frankfurt groß abgeräumt und wird in Südkorea als eine Art Nationalheld gefeiert. Kaum eine Plakatwand in Seoul, von der nicht das Babyface des 34-Jährigen auf die Konsumenten herunterschaut. Ohne den musikalischen Erfolg undenkbar.Doch was ist es, was den Musiker mit dem Stadtteil Gangnam verbindet? Und was denken seine Bewohner über die plötzliche Aufmerksamkeit?Park Jae-sang ist 34 Jahre alt und auf dem Höhepunkt seines Erfolges. Die Rede ist von PSY, dem koreanischen Rapper, der im Sommer mit „Gang-nam Style“ einen Welthit gelandet hat. Kaum eine Disko, kaum eine Party, auf der das Lied aus Südkorea nicht gespielt wird. Doch nicht nur PSY ist überall präsent. Auch der Seouler Stadtteil Gangnam ist nun von Australi-en bis Zimbabwe und von Aachen bis Zwickau den Leuten ein Begriff.

Gangnam ist auch bekannt als das südkoreanische „Beverly Hills“. Ganz wie beim Vorbild tummeln sich in Gangnam vor allem die Reichen und Schönen, oder die, die sich dafür halten. Schönheitskliniken, teure Woh-nungen, teure Cafés, Bars und Clubs. Dekadenz gehört in dem Stadtteil ganz selbstverständlich mit zum Straßenbild.

Gut 500.000 Einwohner hat der Distrikt, dessen Name sich mit „südlich des Flusses“ übersetzen lässt. Mit knapp 40km2 ist Gangnam der drittgrößte der Seouler Bezirke. Traditionell wird eher konservativ und wirtschafts-freundlich gewählt.

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Gangnam STadttYLEvon Malte E. Kollenberg

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Malte E. Kollenberg, aufgewachsen in Bonn und Gummersbach, hat in Bamberg und Seoul Politik- und Kommunika-tionswissenschaft studiert. 2007 hat er zusammen mit einem Partner das Journalistenbüro KOL-LENBECKER gegründet. Jetzt lebt und arbeitet er als Korrespondent in Seoul.

Am Ausgang 7 der U-Bahn-Station Gangnam steht Eom Jong-ryeol und verkauft Nussgebäck. Eigentlich passt der 41-Jährige gar nicht so richtig nach Gangnam. Doch auch er profitiert von dem Hype, der um den Bezirk nun gemacht wird. „Der Song ‚Gangnam Style‘ verändert das Quartier nicht schlagartig. Mal abgesehen davon, dass mehr und mehr Menschen auf Gangnam aufmerksam werden. ‚Gangnam Style‘ ist einfach Spaß“, erklärt er. Doch auch in Apgujeong, einem beliebten Einkaufsviertel in Gangnam, machen sich die Auswirkungen des erfolgreichen Liedes bemerkbar. In Kwon Da-nas Kleidungsgeschäft ist durchweg mehr los, wenn sie das Lied im Laden auflegt. „Wenn ich Gangnam Style im Laden

spiele und die Tür öffne, kommen mehr Kunden ins Geschäft. Sie freuen sich, und ein paar japani-sche Touristen haben auch schon hier im Laden getanzt”, grinst die Verkäuferin.

Mit dem Erfolg des Songs kommen immer mehr Touristen nach Gangnam. Doch auch viele Kore-aner sind auf die Möglichkeiten aufmerksam ge-worden, die sich ihnen dort bieten. Denn Popmu-sik ist eines der erfolgreichsten Kulturprodukte, das Südkorea exportiert. Vieles wird in Gangnam produziert. Schulen, die sich auf die Ausbildung junger Menschen zu Popstars spezialisiert haben, sind seit „Gangnam Style“ bei vielen in den Fokus gerückt. „Dank ‚Gangnam Style‘ hat die Nachfrage nach Musik aus Korea zugenommen. Bisher war der Markt für südkoreanische Musik vor allem Japan und China, aber durch ‚Gangnam Style‘ breitet sich das nun immer weiter aus. PSY hat seinen eigenen Style entwickelt und versucht nicht, amerikanische Musiker nachzuahmen“, sagt Jeon Jun-kyu. Er ist Geschäftsführer eines K-Pop Hagwons [학원], eines Musiknachhilfeins-tituts in Gangnam, und kann sich seit dem Erfolg von PSY nicht über fehlendes Interesse beklagen.Der Stil, den PSY entwickelt hat, ist ironisch, soll suggerieren, dass der Sänger sich selbst nicht so schrecklich ernst nimmt. PSY wird nicht müde, in Interviews zu betonen, dass es

ihm ausschließlich darum gegangen sei, etwas Lustiges zu produzieren. Dass er der Gesellschaft in Gangnam einen Spiegel habe vorhalten wollen, verneint der Musiker strikt.PSY, durchschnittlich groß, untersetzt und auch nicht besonders attraktiv, passt allerdings so gar nicht in das Bild, das Südkorea von der eigenen Musikszene und von Seouls Reichendistrikt Gangnam zeichnen möchte. Auch das „vom Tellerwäscher zum Millionär“-Märchen, das das Land gerne bemüht, um die eigene Erfolgsgeschichte hervorzuheben, spiegelt sich in Park Jae-sangs Leben nicht wieder. Als Sohn eines Industriellen hat er sich nie wirklich Sorgen um seine Existenz machen müssen, hat in San

Francisco an der amerikanischen Eliteuniversität Berkeley studiert und das Leben eines reichen Jungen aus gutem Hause genossen. Nun zieht er die Verhältnisse in Gangnam in seinem Lied und dem dazugehörigen Video ins Lächerliche. Künstlich, selbstverliebt und oberflächlich.Doch für die 25-jährige Studentin Park Ji-eun ist das eine durchaus passende Beschreibung des Distrikts. „PSY beschreibt Gangnam schon ganz gut. Aber die Beschreibung ist auch sehr sarkastisch. Es ist ein schöner Ort zum Ausgehen. Aber um hier zu leben, ist es einfach zu hektisch und zu laut“, findet Park. „‚Gangnam Style‘ ist einfach Spaß.“ Ein paar hundert Meter weiter steht Lee Hyo-suk, ebenfalls Studentin. Sie wohnt zwar nicht in Gangnam, kommt aber gerne zum Einkaufen in die Gegend. Und auch sie hat eine drastische Meinung zum Bezirk. „Die Leute hier sind sehr beschäftigt. Sie nehmen ihre Umwelt gar nicht wahr. Sie scheren sich nicht um ihre Mitmenschen. Es geht ihnen nur um sich selbst“, ist sich die 25-Jährige sicher. Das sei wirklich „Gangnam Style“. Im von Erfolg besessenen Südkorea wollen viele trotzdem kaum etwas lieber werden als Teil des Distrikts. Geschäftsmann Lee Eun-yeol arbeitet in Gangnam, aber auch er möchte dorthin ziehen, sobald er es sich leisten kann. „Hier leben die erfolgreichen Leute.“

Gangnam STadttYLEvon Malte E. Kollenberg

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„BoyBands sollen nicht als cool oder männlich vermarktet werden

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INTERVIEW MIT

K-POP-FAN

LAURA KUHLIG

LAURA KUHLIG

STUDIERT IM 5. SEMESTER

KOMMUNIKATIONSWISSENSCHAF-

TEN UND ANGLISTIK/AMERIKANISTIK. IM

VERGANGENEN JAHR HAT SIE KOREA VIER

WOCHEN LANG BEREIST UND IST MIT EIN-

DRUCKSVOLLEN ERINNERUNGEN ZURÜCK-

GEKEHRT. FÜR DEN KOMMENDEN HERBST

PLANT SIE NUN, ZU STUDIENZWECKEN

FÜR LÄNGERE ZEIT DORTHIN ZU

GEHEN.

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SG Wann und wodurch sind Sie mit K-Pop in Berührung gekommen? Was begeistert Sie daran?

LK K-Pop habe ich eher durch Zufall entdeckt, als ich vor circa vier Jahren im Internet nach Serien gesucht habe und auf das koreanische Drama „You’re beautiful“ gestoßen bin. Ich fand die Schauspieler so attraktiv, dass ich nach weiteren Informationen über sie gesucht habe und herausfand, dass zwei von ihnen Mitglieder einer Band sind. Ich habe mir bei YouTube ihre Musikvideos angesehen und bin über die Videovorschläge am Rand zu vielen anderen K-Pop-Bands weitergeleitet worden. Was mich vor allem daran begeistert, sind die tollen und absolut synchronen Tänze in den Videos und bei Auftritten. Außerdem wird man in den USA oder in Europa keine Boybands finden, die sich freiwillig in Tüll- und Rüschenkleider stecken lassen, um für eine Varietyshow als Girlgroup aufzutreten.

SG Haben Sie eine Lieblingsband?

LK Ich habe keine Favoriten bzw. sie wechseln ständig. Für mich kommt es auf gute Songs und ansprechende Musikvideos an.

SG Was unterscheidet K-Pop von anderer Popmusik?

LK Ich würde sagen, so gut wie alles. Das fängt bei der Quantität der Bandmitglieder an, geht über die Tänze und Kostüme bis hin zu den Marketingstrategien. Boybands sollen nicht als cool oder männlich vermarktet werden, sondern als niedlich und liebenswert (siehe das Musikvideo des Debütsongs der Band „Boyfriend“), was sich sowohl in den Outfits, als auch in den Tanzbewegungen widerspiegelt.

SG In der Tat liegen K-Pop und Metrosexualität eng beieinander. Viele männliche K-Pop-Stars distanzieren sich von dem klassisch maskulinen Rollenbild – sie sind geschminkt, tragen Schmuck, ihre Bewegungen sind weich, ihre Ausstrahlung ist feminin. Gefällt Ihnen das? Liegt die Popularität von K-Pop nicht zuletzt auch darin begründet?

LK Ich denke wirklich, dass es genau das ist, was mich an K-Pop so fasziniert, obwohl das vermutlich eine Geschmackssache ist. Viele meiner Freunde haben mich gefragt, was ich an weiblichen Männern so anziehend finde, dass ich mir Poster von ihnen an die Wand hänge. Ich kann es leider auch nicht erklären, aber ich denke, dass die Popularität von K-Pop weltweit mit diesen Rollenbildern zusammenhängt, die so offensichtlich allem wiedersprechen, was wir gewöhnt sind.

SG K-Pop-Stars müssen dem gängigen Schönheitsideal entsprechen. Für einen perfekten Körper nehmen sie massive körperliche Eingriffe in Kauf, darunter Kieferknochenkorrekturen zur Gesichtsverschmälerung, Entfernung von Rippenteilen zur Verschlankung der Taille oder die Entfernung von Waden- oder Oberschenkelmuskulatur zur Formvollendung der Beine. Inwiefern beeinflusst dieser Schönheitswahn der Idole Ihre eigene Selbstwahrnehmung oder die anderer Fans?

LK Ich finde diesen Schönheitswahn ehrlich gesagt ziemlich beängstigend. In Europa gibt es kein einheitliches Schönheitsideal, denn einige mögen runde Gesichter, andere schmale, manche Männer bevorzugen schlanke Frauen und andere stehen eher auf Kurven. Aber in Korea gibt es leider DAS eine Schönheitsideal, nach dem

alle streben und was diesen enormen Anstieg von operativen Eingriffen in den letzten Jahren nach sich gezogen hat. Das führt vor allem zu einem verminderten Selbstwertgefühl bei den asiatischen Fans. Da der Körperbau von Asiaten grundsätzlich anders ist als der von Europäern, würde ich den Einfluss hier als nicht ganz so drastisch einschätzen.

SG Welche Zukunft hat K-Pop ihrer Einschätzung nach? Ist das ein kurzlebiger Trend, eine Modeerscheinung, oder hat K-Pop eine Chance, sich langfristig als Musikgenre zu etablieren?

LK Ich glaube nicht, dass der Trend kurzlebig sein wird. Am Anfang dachte ich das, denn irgendwann hören sich alle Songs gleich an, die Tänze ähneln einander und die Faszination des Neuen und Unbekannten nimmt ab. Ich höre K-Pop immer noch gerne und schaue mir regelmäßig die neuen Musikvideos an, aber meine anfängliche Begeisterung ist nach vier Jahren um einiges gesunken. Doch es wird immer neue Fans geben, die K-Pop für sich entdecken und den Hype weiterverbreiten werden, bis auch sie aus dieser Phase herrausgewachsen sind. Aber solange es Teenager gibt, hat K-Pop meiner Meinung nach eine Chance, sich dauerhaft zu etablieren.

Das Interview führte Dr. Stefanie Grote

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von Nina (Young-Hee) Han

Seit 2011 findet mit 15.000 Zuschauern jährlich das welt-weit größte K-Pop World Festival vor dem Rathausplatz in Changwon, Hauptstadt der Provinz Gyeongsangnam-do,

statt.

Organisatoren des Festivals sind die Stadt Changwon, das Ministerium für Kultur, Sport und Tourismus und die südkore-anische Rundfunkanstalt KBS (Korean Broadcasting System), deren Anliegen es ist, ein Festival dieser Größenordnung nicht nur in Seoul und Umgebung stattfinden zu lassen, sondern auch Gebiete wie Gyeongsangnam-do für den Tourismus zu erschließen.

Weltweit haben die Koreanischen Kulturzentren in 32 Län-dern über acht Monate mit großem Organisationsaufwand unter 50.000 begeisterten Bewerbern für den Wettbewerb die Vorauswahl getroffen. Einige Tage vor Veranstaltungsbeginn reisten die 15 qualifizierten Teams aus Chile, China, Tschechien, Frankreich, Indonesien, Japan, Kasachstan, Mexiko, Peru, Russ-land, Spanien, der Türkei, dem Vereinigten Königreich (UK), den USA und Usbekistan in Seoul an.

In der Kategorie „Vocal“ [Stimme/Gesang] hatte die Gruppe Nadya & Marwah aus Indonesien mit dem Song „Ma Boy“ von der vierköpfigen Girlgroup Sistar die Nase vorn, und in der Ka-tegorie „Dance Performance“ [Tanzdarbietung] gewannen die Teilnehmerinnen aus Tschechien namens o.M.G. mit „The Boys“ von der K-Pop-Gruppe Girls’ Generation souverän.

Laut Se-Young Oh, Exekutivdirektor von KBS, schafft das K-Pop World Festival eine Plattform für K-Pop-Fans aus aller Welt, die begeistert die Nähe ihrer Idole suchten – und bei Generalpro-ben sowie hinter der Bühne schließlich auch fanden.

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Nina (Young-Hee) Han, Unternehmensberate-rin für internationale Firmen und interkultu-relle Trainerin mit Fokus Asien-Europa, beim K-Pop World Festival 2012 in Changwon.

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INTERVIEW MIT JI-IN CHO, FRONTFRAU DER AACHENER ROCK-/SYMpHONIC-METAL-BAND „KRYpTERIA“1

GS Frau Cho, Sie haben zunächst Theolo-gie studiert. Hatten Sie ursprünglich vor, Pfarrerin zu werden?

JC Nein, ich habe das aus Interesse neben Musik studiert. Als Kind hatte ich aller-dings tatsächlich mal ernsthaft überlegt, ins Kloster zu gehen (lacht).

GS Sängerin in einer Rockband zu sein ist vielleicht nicht unbedingt das Karriereziel, das sich Eltern für ihre Kinder wünschen. Wie haben Ihre Eltern auf Ihren Einstieg in das Musikgeschäft reagiert?

JC Ich denke, sie wussten schon sehr früh, dass ich jemand bin, der seinen eigenen Weg gehen möchte. Es gab ja auch die Überlegung, Lehrerin zu werden; es war dann aber für mich bald unvorstellbar, nicht mehr auf der Bühne zu stehen, und ich bin sehr dankbar, dass meine Eltern darauf vertrauten, dass ich das Richtige für mich tun würde.

GS Nach dem Theologiestudium haben Sie noch ein klassisches Studium in Klavier und Gesang an der Hochschule für Musik Köln absolviert. Hätten Sie sich auch eine Karriere als Sängerin der Klassischen Musik oder als Pianistin vorstellen können?

JC Ich wusste schon früh, dass mich das re-lativ enge und strenge Korsett der Klassik nicht glücklich machen würde. Ich hatte einfach zu viel Spaß an der sogenannten „U-Musik“ [Unterhaltungsmusik]. Das war zwar schon ein gewisser Spagat, wenn ich am Samstagabend mit einer Rockband in einer zu damaligen Zeiten üblicherweise noch verrauchten Kneipe sang und am nächsten Morgen in der Kirche eine Arie singen sollte. Aber gerade diese zwei ver-schiedenen Welten fand ich unglaublich spannend und anziehend.

Ich hatte einfach zu viel Spaß an der sogenannten ,U-Musik‘

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JI-IN CHO WURDE 1976 IN LEVERKUSEN GEBOREN. SIE ERLANGTE BEKANNTHEIT ALS SÄNGERIN DER AACHENER ROCK-/SYMPHONIC-METAL-BAND „KRYPTERIA“ UND ALS MITGLIED DER POP-BAND „BECOME ONE“, DIE AUS DER CASTING-SHOW „FAME ACADEMY“ HERVORGING. MIT DER BAND „KRYPTERIA“ GEHT SIE AUF TOURNEE IN EUROPA, AMERIKA UND ASIEN.

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GS Bereits 2000 unternahmen Sie den ersten Anlauf ins Showgeschäft mit einer Teilnahme an der Castingshow „Popstars“, schieden aber aus. An der Castingshow „Fame Academy“ im Jahr 2003 nahmen Sie nur teil, weil eine Freundin Sie ohne Ihr Wissen anmelde-te. Hätten Sie Ihren Traum, Bandsänge-rin zu werden, an den Nagel gehängt, wären Sie nicht erfolgreich bei „Fame Academy“ gewesen?

JC Ich glaube, so oder so hätte ich eine eigene Band gegründet, um mich und meine musikalischen Ideen verwirkli-chen zu können. Allerdings hätte ich sicherlich nicht diesen Sprung ins kalte Wasser des professionellen Musikbusi-ness in dieser Dimension erlebt – das war definitiv sehr hart, aber auch sehr lehrreich, und ich möchte diese Erfah-rung nicht missen.

GS Sie wurden 2010 von der korea-nischen Ausgabe des US-Wochen-magazins Newsweek als eine/r der herausragendsten KoreanerInnen im Ausland aufgelistet. Macht Sie das stolz? Welches Verhältnis haben Sie zum Heimatland Ihrer Eltern?

JC Ich muss gestehen, mich hat das sehr überrascht. Damit hatte ich nicht im Entferntesten gerechnet, aber natür-lich habe ich mich gefreut und fühlte mich geehrt. Ich bin sehr froh, dass ich als Background sowohl die koreanische als auch die deutsche Kultur habe – ich kann so viel aus beiden Kulturen lernen.

GS Warum kommt Ihre Musik so gut in Korea an? Ist dies vielleicht auch zum Teil der Tatsache geschuldet, dass eine deutsche Band eine Leadsängerin koreanischer Abstammung hat?

JC Tja, warum wir so gut ankommen, müsste man wohl die koreanischen Fans fragen… Ich hoffe natürlich, dass neben der „Exotenmischung“ unsere Musik und wir als Persönlichkeiten eine Rolle spielen – so, wie sich das wahr-scheinlich jeder Musiker wünscht! Wir vier sind sehr emotionale und fragende Menschen, die über Gott und die Welt philosophieren, und das verpacken wir in unsere Musik. Da wir nicht die Einzigen auf der Welt sind, die so sind, fühlen sich vielleicht viele von unserer Musik angesprochen.

GS Sie sind vor einiger Zeit Mutter geworden. Wie vereinen Sie Beruf und Familie?

JC Naja, auf das Schönste in meinem Beruf verzichte ich vorerst: das Touren. Ich hatte mir schon immer vorgenom-men, mir auch Zeit für unser Kind zu nehmen. Zwar war die Musik immer mein absolutes Lebenselixier, aber mo-mentan kann ich mir nichts Schöneres vorstellen, als mich meinem Kind zu widmen.

GS Welche Träume haben Sie für Ihr Kind? Würden Sie sich freuen, wenn es Ihre musikalischen Gene geerbt hätte?

JC Ich würde mir wünschen, dass es neben Gesundheit ein gesundes Selbst-bewusstsein und Gewissen für sich selbst und seine Umwelt entwickelt. Ich hoffe, es lernt, was es selbst glücklich macht, damit es auch viel Kraft und Freude daran hat, andere Menschen in seinem Umfeld glücklich zu machen. Musik ist definitiv ein schöner Motor, und natürlich fände ich es toll, wenn es auch so viel Freude durch Musik erfährt. Im Grunde genommen geht es jedoch allein darum, dass jeder seinen Weg im Leben findet.

Das Interview führte Gesine Stoyke

1 Die Band „Krypteria“ besteht seit 2005 in folgender Formation: Ji-In Cho (Gesang), Chris Siemons (Gitarre), Frank Stumvoll (Bass/Gesang) und S.C. Kuschnerus (Schlagzeug/Gesang). Seit 2010 übernimmt olli Singer die Livegitarre für Chris Siemons, der das Touren aufgrund gesundheitlicher Probleme aufgeben musste, jedoch Mitglied der Band blieb (Anm. d. Red.).

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ABKEHR VON HONGDAEKOREAS UNDERGROUND-MUSIKSZENE

BEMÜHT SICH UM EXPANSION

von Jon Dunbar

Youngsoon Park ist viele, viele Male für die Musik nach Seoul gependelt. Von seiner Heimatstadt Cheongju im Lan-desinneren Koreas sind es ungefähr 120 Kilometer bis zur Metropole.

Youngsoon, der Leadsänger der Street-punk-Band „Attacking Forces“, reist nun bereits seit über einem Jahrzehnt regelmäßig in den Seouler Bezirk Hong-dae, um dort in Live-Clubs aufzutreten. „Ich bin vorher zusammen mit meinen Bandmitgliedern gependelt, aber jetzt

reise ich immer allein nach Seoul, weil alle anderen derzeitigen Bandmitglieder bereits dort wohnen.“

Youngsoons Geschichte steht für die traurige Realität, mit der sich Koreas stark zentralisierte Underground-Musikszene konfrontiert sieht. In solch einem kleinen Land mit einem derart effektiven Trans-portsystem ist es einfacher für alle, sich auf einen Ort zu konzentrieren, statt den Aufbau von musikalischen Communitys in den verschiedenen Städten zu fördern.

Brian Hough, ein Englischlehrer aus Kanada, zog Mitte der 2000er Jahre nach Cheongju, als dort monatlich Performan-ces von Underground-Musik stattfanden. Er knüpfte auch Kontakte zu anderen regionalen Szenen außerhalb von Seoul und begann im Rahmen seiner Agentur „Cheongju Rock City“, regionale Bands in die Stadt zu holen.

Bald erhielt er Anfragen, Auftritte in größeren, nahegelegenen Städten wie Daejeon und Cheonan zu organisieren. Er

MENSCHENMENGE IN EINEM CLUB IN HONGDAE

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fand es aber dennoch weiterhin schwierig, gegen Seoul anzukommen, eine Stadt, deren Einflussbereich sich über mehr als die Hälfte der südkoreanischen Bevölkerung erstreckt. „Wir machten oft die Erfahrung, dass unsere größte Herausforderung, wenn wir ein Konzert organisierten, nicht die Konkurrenz durch andere Clubs oder ein Mangel an Interesse waren“, erklärt Hough, „sondern die Leute davon zu überzeugen, an einem Samstagabend in der Stadt zu bleiben und den Aufbau ihrer eigenen Szene vor Ort zu unterstützen, statt einfach nach Seoul zu fahren.“

Youngsoons Band wandelte sich langsam von einer Gruppe von Lokalhelden zu einer ,Pendlerband‘. „Wir werden gewöhnlich als eine Band aus Cheongju vorgestellt, aber es ist drei Jahre her, dass wir dort aufgetreten sind“, sagt Youngsoon. „Wir waren es leid, uns endlos ohne großen Erfolg darum bemühen zu müssen, Publikum vor Ort anzuziehen.“

Stattdessen haben sie nun den Großteil ihrer Auftritte in Hongdae, Seouls angesagtem Universitätsbezirk, der für sein Nachtleben bekannt ist. Dies ist die übliche Praxis für Bands aus dem gesamten südkoreanischen Teil der Halbinsel, die jedes Wochenende in den Seouler Distrikt kommen, um hier auf der Bühne zu stehen.

„Niemand kann die Tatsache leugnen, dass Koreas Zentrum für Underground-Musik Hongdae ist“, sagt Youngsoons Bandkollege und bester Freund Jongo Park, der kürzlich der Karriere wegen nach Seoul zog. „Wenn eine Band von außerhalb Seouls nach Hong-dae kommt, zweifelst du niemals an ihrer Leidenschaft für die Musik.“

Seit den frühen 1990er Jahren haben die meisten koreanischen Rockbands ihre Anfän-ge in schäbigen Kellerclubs wie „Club Drug“, „Blue Devil“ oder „Slugger“ gemacht. In den letzten Jahren ist Hongdae seinem eigenen Erfolg zum Opfer gefallen, da steigende Grundstückspreise zu einer Gen-trifizierung führen, mit dem Entstehen von Franchise-Unternehmen und kostspieligen neuen Konzerthallen, die kleine Agenturen und Clubs nach und nach ersetzen.

MUKIMUKIMANMANSU TRITT IM „ALTERNATIVE SPACE MOON” AUF.

DER PERFORMANCEKÜNST-LER ERIC SCOTT NELSON VERLAGERT SEINEN AUFTRITT AUF DAS DACH DES „ALTER-NATIVE SPACE MOON”.

AUFTRITT DER BAND ,,SOME-THING FIERCE” IM ,,LOWRISE” IN MULLAE

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„Dies ist einer der Gründe, warum die korea-nische Musikszene schwächelt“, sagt Kiseok Seo, Leadsänger der Hardcore-Band „The Geeks“. „An der Oberfläche sieht es großartig aus – viel Geld kommt herein – aber bei ge-nauerem Hinsehen ist es nicht so positiv. Es ist gut, wenn man einen zentralen Standort hat, aber schlecht, wenn die Leute selbstge-fällig werden.“

„Hongdae ist ein Ort der unbegrenzten Möglichkeiten, aber gleichzeitig ist es ein Ort, an dem Liebe und Hass dicht beieinan-derwohnen“, sagt Kyungha Hwang, Gitarrist der Post-Punk-Band „No Control“.

Während Hondae stetig wächst, findet Kyungha es zunehmend schwieriger, Auftrit-te unterzubringen, weil viele Clubs nicht das Risiko mit innovativen Bands eingehen wol-len und sich deshalb für etablierte, populäre Gruppen mit Erfolgsgarantie entscheiden. „Minderheiten-Genres können in Hongdae nicht einmal überleben“, sagt er.

„Viele Bands versuchen, sich dem anzupas-sen, was immer gerade in Hongdae angesagt ist, weshalb die Medien und die Öffentlich-keit immer nur von der Hongdae-Szene sprechen“, erklärt Youngsoon.

Jongno drückt es noch direkter aus: „Hong-dae ist jetzt ein Ort für Verlierer.“ „Für viele alte Hasen wie mich ist es traurig“, sagt Ki-seok, der langjährige Erfahrung im Promoten von Konzerten in Hongdae hat. „Früher gab es eine ganze Reihe von Leuten, die sich für Kultur interessierten, aber zurzeit lässt das nach.“

Kürzlich hat sich Kiseok einer Gemeinschaft von Promotern angeschlossen, um „Pow-wow“ zu eröffnen, einen neuen Club für Live-Musik in Itaewon, dem Hauptausländerbezirk in Seoul. „Wir wollten eine Szene außerhalb von Hongdae schaffen“, erklärt er. „Ich denke, dass dies der erste Schritt ist.“

Auch Kyungha bemüht sich darum, die Sze-ne für Underground-Musik über die Grenzen von Hongdae hinaus zu verbreiten. Er ist Mitbegründer des „Kollektivs Unabhängiger Musiker“, das Auftritte in anderen Bezirken fördert, einschließlich Myeongdong, Mullae

und des Campus der Korea National Univer-sity of Arts. „Rückblickend denke ich, dass es ein Misserfolg war“, gesteht er ein. „Die Leute haben ein distanziertes Verhältnis zu Orten außerhalb von Hongdae. Wenn der Standort ,unbequem‘ ist, ich meine psychologisch, verspüren die Menschen eine Distanz, auch wenn der Ort räumlich nicht weit entfernt ist.“

Ein anderer, sogar noch ungewöhnlicherer Ort, der seine eigene Musikszene entwickelt, ist Mullae, ein Bezirk mit Stahlbetrieben im Süden von Seoul - von Hongdae durch den Han-Fluss getrennt, der die Hauptstadt in zwei Hälften teilt. Zum Abriss verdammt, wurde in der Nachbarschaft ein Betrieb nach dem anderen geschlossen, und viele Stand-orte wurden durch Kunstgalerien und Clubs für Live-Musik ersetzt. Einer dieser neuen Clubs ist „Alternative Space Moon“, dessen Mitbegründerin Katrin Baumgärtner ist, eine Künstlerin halbkoreanischer Abstammung aus Deutschland.

„Ich denke, dass es wichtig ist, dass Musik und Kunst nicht nur auf einen Bezirk konzen-triert sind, da sie nicht wie ein seltenes Tier in einem Zoo behandelt werden sollten“, sagt Katrin. „Künstler haben sich in Mullae ange-siedelt, weil es billig ist; du kannst laut sein, und es ist ein guter Ort zum Arbeiten.“

Aber Mullae kann nur eine temporäre Lö-sung anbieten, und sein Verfallsdatum rückt näher. „Niemand weiß, wie lange es anhalten wird…, aber ich denke, dass es nicht nur auf den Bezirk ankommt. Es hat sich bereits ein Netzwerk aus Leuten gebildet.“

Während Hongdaes Szene für Live-Musik stetig wächst, bemühen sich ihre Organisa-toren um eine Umkehr des Trends, indem sie Live-Musik in ganz Korea verbreiten und die Musikszenen in den einzelnen Regionen fördern. Es ist klar, dass essenzielle Bemü-hungen erforderlich sein werden, um diese Ziele in die Realität umzusetzen, aber es wird ein ziemliches Abenteuer sein, Live-Musik an Orte zu bringen, an denen sie niemals zuvor existiert hat.

Übersetzung aus dem Englischen: Gesine Stoyke

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Jon Dunbar ist als Journalist u.a. für die Webseite www.korea.net tätig. Tagsüber setzt er sich für die Bekanntmachung koreanischer Mainstream-Kultur ein, und abends engagiert er sich im Bereich der koreanischen Underground-Musik. Er hat sich mit dieser Szene befasst, seitdem er 2003 nach Korea zog, und unterstützt Musiker vor Ort durch Artikel, Fotografie und die gelegentliche Planung von Veranstaltungen. Von seinem Magazin „Broke in Korea“ hat er bereits 16 Ausgaben veröffent-licht, und auf seiner Webseite, „Daehanmindecline“ hat er in den vergangenen neun Jahren Koreas Musikszene dokumentiert. Er ist seit über einem Jahrzehnt als Blogger tätig und schreibt vor allem über Musik, die Erforschung des urbanen Raums und seine Katzen.

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seit einigen Jahren führen sie ein sehr erfolgreiches Gitarrenstudio in berlin-Kreuzberg. Wie kam es zur Gründung?Im Jahr 2006 habe ich meine Ausbildung zum Gitarrenbauer an einer der weltweit bekanntesten Instrumentenbau-Schulen in Newark, England, abgeschlossen. Im Anschluss lernte ich Restaurierung und Reparatur an der Newark-Geigenbau-schule. Da mir schon während meiner Lehrjahre klar wurde, dass ich meiner eigenen Vision von Gitarrenbau nach-gehen wollte, war es nur konsequent, in meine Heimatstadt Berlin zurückzukeh-

ren und meine eigene Werkstatt zu eröff-nen. 2007 bin ich mit meiner damaligen Freundin und jetzigen Ehefrau Thilde van Norel, die selber Geigenbauerin ist, nach Deutschland gekommen. Obwohl ich mein Diplom mit Auszeichnung machte und vom englischen Classical Guitar Magazine einen Preis für meine Arbeit erhielt, war der Anfang nicht leicht, und der Erfolg erforderte etwas Geduld.

Wie sind sie auf die idee gekommen, instrumentenbauer zu werden, und was fasziniert sie insbesondere an der Gitarre?

Nun, zunächst einmal habe ich damals noch Gartenbau studiert. In meiner Freizeit habe ich mich viel mit der Gestaltung von Bonsaibäumen und dem Gitarrenspiel beschäftigt. Damals war ich Sänger und Gitarrist in einer Rockband.Durch großes Glück stieß ich auf ein Buch über das Bauen von akustischen Gitarren. Ich war fasziniert und habe mich entschlossen, es einfach mit dem Buch als Anleitung zu probieren. Davor hatte ich schon immer gerne mit Holz gearbeitet.

„ALS INSTRUMENTENBAUER LERNT MAN NIEMALS AUS“

intErviEW mit dEm GitarrEnbaUEr christian inGi KoEhn

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Nachdem ich das zweite Instrument gebaut hatte, fing ich an, nach einem Weg zu suchen, das Hand-werk richtig zu erlernen. Mein Weg führte mich schließlich nach England zu dem Mann, der eben dieses, für mich so entscheidende Buch geschrieben hat.Ich habe vor allem den wirklichen Zauber der Konzertgitarre entdeckt. Sie ist der menschlichen Stimme sehr nah und spricht ruhig, besonnen und mit großer Intimität von der Schönheit der Welt. Der Spieler hat große Möglichkeiten, seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen.

inwieweit haben sie sich mit der traditionellen korea-nischen musik beschäftigt?Ich höre sehr gerne folkloristische Musik und Pan-sori [판소리, langer epischer Gesang in der koreani-schen Musik, Anm. d. Red.]. Mit der Faszination für den klingenden Holzkörper mit seinen schwingen-den Saiten wuchsen natürlich auch die Aufmerk-samkeit und das Interesse für die traditionellen koreanischen Saiteninstrumente, wie zum Beispiel Geomungo [거문고], Gayageum [가야금] und Ajaeng [아쟁], die allesamt zur Familie der Wölbbrettzithern zählen und mit Seidensaiten bespannt sind. Ich liebe die eigenständige Klangästhetik dieser Instru-mente und auch die bemerkenswerten Spieltech-niken und die damit verbundenen Ausdrucksmög-lichkeiten. Ich habe sogar einen Geomungo-Kurs besucht, um das Instrument besser kennenzulernen. Auch ist eine gewisse koreanische Ästhetik in mei-nen Instrumenten wiederzuerkennen, dazu habe ich mich unter anderem mit der koreanischen Möbel-baukunst auseinandergesetzt

haben sie schon einmal versucht, koreanische musikin-strumente zu bauen?Ich habe inzwischen Aufzeichnungen und Notizen von Geomungo und Gayageum gemacht, denn ich habe tatsächlich vor, eines dieser Instrumente zu bauen. Allerdings möchte ich mich vorher noch mit einem guten traditionellen koreanischen Instrumen-tenbauer austauschen.

Wie wollen sie den Kontakt zu einem solchen instru-mentenbauer herstellen? In Seoul gibt es das National Gugak Center, ein Institut für traditionelle koreanische Musik. Dort findet man ausgezeichnete Musiker, die das Erbe der koreanischen Musikkultur pflegen. Musiker, die einem hohen Anspruch an ihre Kunst gerecht werden wollen, sind auf ein gutes Instrument angewiesen. Über sie könnte man erfahren, welche Meister im Moment sehr hochwertige Instrumente in Korea bauen.

stellt deren bau besondere herausforderungen an den instrumentenbauer, welche sich von westlichen instrumenten unterscheiden?Ich denke, es ist vor allem wichtig, die koreanische Musik und ihre Anforderungen an den Klang eines Instrumentes zu verstehen. Diese unterscheiden sich schon deutlich von westlichen Instrumenten. Die Modulation der Tonhöhe und ein recht trocke-ner und klagender Klang spielen eine wichtige Rolle.Zuerst fielen mir viele Dinge auf, die man effizienter und nach westlichen Maßstäben vielleicht präziser ausfüh-ren könnte, um ein lauteres und län-ger klingendes Instrument mit mehr Obertönen zu schaffen. Die Auswahl des Tonholzes und die Optimierung bestimmter Bauteile würden dabei eine starke Auswirkung haben. Jedoch ist hier Vorsicht geboten, denn diese Instrumente sind natürlich über einen langen Zeitraum aus den Be-dürfnissen der koreanischen Musiker und der koreanischen Musik gewach-sen und haben sich zu dem entwi-ckelt, was sie heute sind. Ein zu großer westlicher Einfluss könnte ein Instrument her-vorbringen, dessen Klang für den traditionel-len Musiker nicht authentisch ist. Ich bin selber gespannt, wann ich mich dazu bereit fühlen werde, ein koreanisches Instrument zu bauen, in das ich auch meine Kenntnisse als westlicher Gitarrenbauer einfließen lassen kann.

Was sind ihre Pläne für die nahe zukunft?Als Instrumentenbauer lernt man niemals aus, so möchte ich möglichst offen bleiben für alles Wissenswerte. Auch für die Dinge, die ich von traditionellen Instrumentenbauern aus Korea lernen kann. Letztendlich ist es jedoch meine Aufgabe, ein zuverlässiges Instrument für den Musiker zu bauen, der wiederum durch seine Interpretation einer Komposition Musik schafft, die vielen Menschen Freude bereitet. Dieser Aufgabe möchte ich vor allem gerecht werden.Ich habe 2012 ein Instrument für einen Gitarren-professor in Seoul gebaut. Einer seiner Schüler spielt ebenfalls eine Gitarre von mir. In diesem Jahr möchte ich Korea besuchen, um meine Arbeit dort persönlich vorzustellen und natürlich, um meine koreanischen Wurzeln zu festigen.

Das Interview führte Gesine Stoyke

weitere Informationen: www.koehngitarren.de

CHRISTIAN INGI KOEHN (36) IST HALBKOREANER. MIT SEINER FRAU, EINER HOLLäN-DISCHEN GEIGENBAUERIN, UND SEINEM VIERJäHRIGEN SOHN, DER GERADE MIT DEM CELLOSPIELEN ANGEFAN-GEN HAT, LEBT ER IN BERLIN, KREUZBERG. ER LIEBT DIE KOREANISCHE KÜCHE UND ALTE SCHALLPLATTEN.

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K a l E i d o s K o P

das hippe partyviertel hongdae ist immer für eine Überraschung gut. auf junge koreaner zu stoßen, die

in retro-outfits zur swing-musik der 20er Jahre tanzen, hätte ich dennoch kaum erwartet. wer vermutet

schon, dass ausgerechnet korea eine der größten swing-tanz-szenen der welt hat? tatsächlich gilt seoul

derzeit als einer der angesagtesten orte zum swing-tanzen, und ausländische tänzer schwärmen von der

atmosphäre in bars wie dem „big apple“ und dem „swing time“. durch zufall nahm mich eine freundin zu

ihrem unterricht mit, und seitdem bin auch ich teil dieser außergewöhnlichen szene.

wenn man vom swing spricht, denken viele erst einmal an waghalsige athletische hebefiguren. was am

anfang beim erlernen des tanzes aber viel wichtiger ist, ist das reagieren auf die musik und die körperliche

kommunikation mit dem partner. wer einmal swing getanzt hat, weiß, wie komplex das zusammenspiel

von führen und folgen ist. ein Grund dafür, warum swing mit dem gleichen enthusiasmus wie zu seinen

anfangszeiten getanzt werden kann, ist wohl seine außergewöhnliche dynamik und kreativität. so hat sich

auch in korea mit der zeit ein ganz eigener tanzstil entwickelt.

SwINGIN’ SEoULWarUm JUnGE bErUfstätiGE KorEanEr dEn sWinG fÜr sich EntdEcKt habEn

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MITGLIEDER DER „TTANTTARA“

(딴따라) DANCEHALL NACH EINER

AUFFÜHRUNG IM HONGDAE PLAYGROUND

(놀이터/ NORITEO)

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Als Neuling in der Szene, und im Übrigen auch als eine/r der wenigen AusländerInnen in den Clubs, habe ich meinen Tanzlehrer zu einem Gespräch getroffen, um mehr über die Besonderheiten des Swing-Tanzens in Korea herauszufinden. Wie die meisten Lehrer arbeitet Minjae Song Vollzeit in einem anderen Beruf, verbringt aber den Großteil seiner Freizeit mit dem Tanzen. Die „Happy Bar“ zählt mit etwa 8000 Online-Community-Mitglie-dern und bis zu 400 aktiven Mitgliedern zu einem der fünf größten Clubs in Seoul.

WIE WAREN DIE ANFÄNGE DES SWINGS IN KO-REA? Der Swing-Tanz hat seinen Anfang vor ca. 15 Jah-ren in Korea gefunden. Die Bewegung verbreitete sich damals vor allem durch Tänzer, die den Lindy Hop – die ursprünglichste Variante des Swings - im Ausland gelernt hatten und nach Korea brachten. Daher ist seine derzeitige Popularität auch nicht von heute auf morgen entstanden, sondern hat sich stetig weiterentwickelt. Der Eindruck einer plötzlichen boomartigen Verbreitung trifft also weniger zu. Von einer Mode könnte man aber inso-fern sprechen, als dass die Clubs zurzeit besonders viele Mitglieder anziehen und die Szene weiterhin wächst.

WAS IST SO BESONDERS AN DER SEOULER SWING-SZENE? Zuerst einmal, dass man an allen Tagen der Woche irgendwo Swing tanzen kann. Diese Möglichkeit hat man in keiner anderen Stadt. Interessant daran ist außerdem, dass sich die Clubs fast ausschließ-lich auf der U-Bahn-Linie 2 angesiedelt haben.1 Für viele, die direkt nach der Arbeit zum Tanzen kommen, ist das also ideal. Ein weiteres Merkmal der Seouler Szene ist das hohe Tanzniveau. Korea-ner sind, wie in so vielen anderen Bereichen auch, beim Tanzen extrem ehrgeizig. In Kombination mit den vielen Gelegenheiten zum Üben können viele Tänzer schon nach kurzer Zeit ein relativ hohes Niveau aufweisen.

WAS GESCHIEHT IN DEN CLUBS RUND UM DAS TANZEN?Für die Mitglieder spielt die Kommunikation im Internet eine wichtige Rolle. In den Foren verabre-den sie sich zu Treffen auch außerhalb der Swing-Bars. Da die Clubs eine große Internet-Community haben, kennen sich die Mitglieder meist nur unter ihrem Spitznamen. Es ist daher in der Szene üblich, diesen anstelle des richtigen Namens zu verwen-den.Neben dem Unterricht und den Partys, die meis-tens im Anschluss an den Unterricht stattfinden, gibt es zusätzliche Veranstaltungen, wie etwa die Graduation-Performance am Ende eines Kurses, Workshops und Line-Dance-Events. Außerdem veranstaltet jeder Kurs ein „MT“, bei dem sich die Gruppenmitglieder besser kennenlernen können.2

WAS BEDEUTET SWINGTANZ FÜR DICH PERSÖN-LICH? Bevor ich mit dem Tanzen angefangen habe, wusste ich überhaupt nichts über den Swing. Durch den Swing habe ich entdeckt, dass ich Talent zum Tanzen habe. Das herausgefunden zu haben, hat mein Selbstbewusstsein enorm gestärkt. Für viele Koreaner bietet das Tanzen außerdem einen willkommenen Ausgleich zum stressigen Büroall-tag. Wenn man in Korea einen Bürojob anfängt, wird das Leben sehr eintönig. Da macht es Spaß, in seiner Freizeit noch einmal etwas Neues zu lernen. Viele, die bei uns einen Kurs anfangen, haben außerdem die Hoffnung, durch das Tanzen einen Partner kennenzulernen (lacht).

Das Interview führte Sora Meyberg

1 Diese Circle Line verbindet die großen Büroviertel Seouls und ist eine der am stärksten genutzten Linien.2 Bei den in Korea beliebten „Membership Trainings“ mieten sich Gruppen für etwa zwei Tage in ein größeres Haus ein und veranstalten, gern in verbindung mit Alkohol, Spiele zum Kennenlernen.

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intErviEW mit minJaE sonG, tanzlEhrEr in dEr „haPPy bar“

Sora Meyberg hat in Berlin Deutsche und Englische Philologie und Erziehungs-wissenschaften studiert. Seit Anfang 2012 unter-richtet sie als DAAD-Sprachassistentin Deutsch an der Yonsei-Universität. In ihrer freien Zeit lernt sie fleißig Swing in der „Happy Bar“ in Seoul.

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d E U t s c h E s i c h t E n a U f K o r E a

als lEibarzt, schUldirEKtor Und

obErhofmEistErin im offiziEllEn

aUftraG in KorEa von Dr. Sylvia Bräsel

GEDANKEN Zu DEN REISEBERICHTEN voN DR. MED. RICHARD wuNSCH,

JoHANN BoLLJAHN uND EMMA KRoEBEL

TEIL 2: JoHANN BoLLJAHN

„Herr Bolljahn nimmt die Stellung an!“Mit diesem Satz in einem Brief des Konsul Krien aus Seoul im Februar 1898 an den deutschen Reichskanz-ler – beginnt die Karriere des Johann Bolljahn - und damit die professionelle institutionell verankerte Vermittlung der deut-schen Sprache, Kultur und Landeskunde in Korea. Wer war dieser „ehrenwerthe

Mann“ J. Bolljahn, von dem Zeitgenossen wie Konsul Krien, der Arzt Dr. Richard Wunsch, der Journalist Dr. Siegfried Genthe, der spätere Reichskanzler Georg Michaelis oder die Ober-hofmeisterin Emma Kroebel mit Hochachtung berichteten? Johann Bolljahn (1862 – 1928) war der Begründer des Deutschunterrichts in Korea - und kann somit als ein „Stammvater“ des heu-tigen Goethe-Instituts Seoul bzw. als ein früher Nestor der Deutschen Abteilungen an koreani-schen Universitäten bezeichnet werden.Der wie Norbert Weber und Karl Gützlaff aus kleinsten Verhältnissen stammende Johann Bolljahn kam im August 1889 auf Vermittlung des Diplomaten Treutler nach Korea. Hinter-grund war die Eröffnung einer Deutschen Sprachschule (am 15.9.1898) in Absprache mit den koreanischen Behörden. In den Ausführungen von Konsul Krien wird auf Bolljahns ausdrückliche Eignung bzw. seine Auslandserfahrungen in Manchester, Paris und Tokio verwiesen. Siegfried Genthe und Emma Kroebel ist es zu danken, dass wir noch heute einen Eindruck von der gesellschaftlichen Anerkennung, den Unterrichtsmethoden, und dem Verlauf der Prüfungen an der Kaiserlichen Deutschen Sprachschule unter Rektor Bolljahn in Seoul erhalten können. So schreibt Genthe in seinen Reiseschilderungen Korea: „Ich hörte in verschiedenen Fächern zu, Erdkunde, Kopf-rechnen, Geschichte, deutsche Grammatik und deutsche Dichtung. Am meisten wunderte mich, wie es gelungen war, ein so schwer greifbares und

selbst den meisten Deutschen nur dem Gebrauch nach vertrautes Stoffgebiet, wie die deutsche Grammatik, den jungen Koreanern fasslich zu machen. Beim Abfragen bediente sich der Lehrer ausschließlich des Deutschen.“ Erfolgreiche Absolventen der Deutschen Sprachschule unter Rektor Bolljahn waren unter anderem die ersten koreanischen Diplo-maten, die nach Berlin entsandt wurden: Woo Ki-Won und Hyen Hong-Shik.Weltoffenheit, Toleranz und Mittlergeist bewies Bolljahn auch in seinen zahlreichen Publikatio-nen. Hier ist anzumerken, dass es in dieser Zeit durchaus zum guten Ton gehörte, dass sich ein Lehrer in gehobener Stellung wissenschaftlich profilierte. Die Spannbreite seiner Veröffent-lichungen in verschiedensten renommierten Zeitschriften („Missionskunde und Religions-wissenschaft“, „Deutsche Zeitschrift für auslän-disches Unterrichtswesen“, „Zeitschrift für Philo-sophie und Pädagogik“ etc.) ist beeindruckend. Er schildert Land, Leute, Sitten und Gebräuche interessant, eingängig und mit wohlwollender Spannung für den Leser. Die Neigung der Kore-aner zu Märchen und Naturmagie, die tief in der Geschichte ihrer Heimat wurzelt, vermag Bolljahn - der aus einer ebenfalls durch Legenden geprägten Küstenregion stammt (man denke an Vineta und den deutschen Hong Kil-Dong namens Klaus Störtebecker) - sehr anschaulich - und manchmal sogar in einem saloppen Ton – als „Menschheitsmus-ter“ zu transportieren: „Korea ist das Land der Sagen, Legenden und Märchen. von Zwergen und Heinzelmännchen, die dem Guten behilflich sind, dem Schlechten aber manche nachteilige Possen und Streiche spielen, wimmelt es an allen orten. Das geheimnisvolle, Mysteriöse belebt die Natur und die ganze Anschauungs- und Denkweise des koreanischen volkes vom Lebensanfang bis zum Lebensende …. Auch die Geomantie spielt im koreanischen Familienleben eine große Rolle. Die Kunst Geomantie zu treiben, wählen vor allem Landleute zu ihrem Beruf und verdienen damit

„ICH MöCHTE wELTENBÜRGER SEIN, ÜBERALL Zu HAuSE uND ÜBERALL uNTERwEGS” (ERASMuS voN RoTTERDAM)

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schweres Geld. …. Ein Sohn, der es versäumt, für seinen verstorbenen vater eine günstige Begräb-nisstelle auswählen zu lassen, kann dadurch sein ganzes Lebensglück zerstören.“Ähnlich unkompliziert und eingängig be-schrieb Bolljahn den Ahnenkult, eine Hoch-zeitszeremonie oder die Rolle der Mudang [무당, koreanische Schamanin] in der damali-gen koreanischen Gesellschaft. Seine Herkunft aus ärmlichen dörflichen Verhältnissen an der deutschen Ostseeküste beförderte dabei wohl sein Verständnis für das Leben der einfachen Koreaner. Nicht zuletzt über seine Sangesfreu-digkeit und Musikbegeisterung - er spielte Orgel und Geige - fand er Zugang zu den Tanz- und Musik-Ritualen des traditionellen Korea. Nicht weniger bildlich und ohne pädagogi-schen Zeigefinger schilderte der deutsche Lehrer für seine deutschsprachigen Rezipienten die Organisation des koreanischen Prüfungs-systems: „Das war ein Leben und Treiben in der Hauptstadt. Tausende von Scholaren wander-ten am festgesetzten Tage schon in aller Frühe mit Papier, Schreibmaterial und mit der hohen, schwarz gefärbten Prü-fungskappe in der Ta-sche nach dem Palaste, denn dort, hinter dem königlichen Garten, auf

einem großen Platze wurde das Examen abge-halten . Das betreffende Thema wurde von Sei-ner Majestät bestimmt …. Es ging überhaupt bei diesem Kwagga ziemlich ungezwungen und lustig her; auch an musikalischer Unterhal-tung fehlte es nicht“, schreibt Bolljahn in einem Aufsatz über das „Koreanische Schulwesen“ in der „Deutschen Zeitschrift für Ausländisches Unterrichtswesen“ im April 1900.

So belegen die Lebenswege, Reiseberichte, Artikel und Briefe der deutschen Experten Dr. Richard Wunsch, Johann Bolljahn, Emma Kroebel etc. auf spezifische Weise die tradi-tionsreiche Geschichte der deutsch-koreani-schen Beziehungen, die es weiterzuführen gilt. Während die jährliche Verleihung des „Richard Wunsch Medical Price“ in Seoul an einen koreanischen Nachwuchsmediziner als eine bleibende Würdigung der Lebensleistung des Dr. Richard Wunsch im Interesse von Fortschritt und Völkerverständigung schon gute Tradition geworden ist, wurde nunmehr mit der Enthül-lung einer Gedenktafel an der „Alten Schule“ in Usedom am 6.8.2012 dem Begründer des Deutschunterrichts in Korea Johann Bolljahn endlich die ihm gebührende Ehre zuteil.1 Die deutschen Experten Johann Bolljahn, Emma Kroebel und Dr. Richard Wunsch würde es wohl gefreut haben.

1 Zur Enthüllung der Bolljahn-Gedenktafel sehen Sie auch den Beitrag „Feierliche Enthüllung einer Gedenktafel auf der Insel usedom für den Begründer des Deutschunterrichts in Korea“ in der Rubrik „Bundes-weite veranstaltungen – Rückblick“ in dieser Ausgabe [Anm. d. Red.].

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Dr. Sylvia Bräsel lehrt als Literaturwissenschaftlerin an der Uni-versität Erfurt und hat sich durch zahlreiche wissenschaftliche Publikationen zur koreanischen Literatur und Kultur sowie lite-rarische Übersetzungen (Ko Un; Hwang Tong-gyu, Oh Tae-Suk, Kim Young-ha etc.) ausgewiesen. 1996 erhielt sie den Überset-zerpreis der Daesan-Foundation in Seoul. Von 1992 bis 1996 war sie im Auftrag des DAAD an der Yonsei Universität in Seoul tätig. Sie ist Fachberaterin für moderne koreanische Literatur an Kindlers Literatur Lexikon und wurde 2009 von der DKG e.V. mit dem Mirok Li–Preis ausgezeichnet.

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d E U t s c h E s i c h t E n a U f K o r E a

a l s E r s t E d E U ts c h E aU f d E n s P U r E n d E s m i s s i o n a r s Karl GÜtzlaff (1803 - 1851) aUf GodaE-do (고대도) Eine Reise in die Frühzeit der deutsch-koreanischen Beziehungen

von Dr. Sylvia Bräsel

Diese Reise begann „im Kopf“ bereits vor etwa zwölf Jahren. Ich war fasziniert von den Reiseberichten und Publi-kationen des Freimissionars Karl Gützlaff (1803 - 1851) über Korea. Der Name Gützlaff war aber zu meinem Erstaunen der wissenschaftlichen Literatur nur noch eine Randglosse wert. Dem promovierten Historiker, Journalisten und Asienkenner Winfried Scharlau (1934 - 2004) ist es zu verdanken, dass diese Persönlichkeit mit genialen wie exzentrischen Zügen überhaupt dem Vergessen entrissen wurde. Die von Scharlau

besorgte Neuherausgabe von „Gützlaffs Bericht über drei Reisen in den Seepro-vinzen Chinas 1831 - 1833“ (Hamburg 1997) lud regel-recht zu einer adäquaten

interdisziplinären Beschäftigung mit der vielschichti-gen Hinterlassenschaft des Freimissionars ein, zumal das Kapitel Korea weiterhin ein „weißer Fleck“ blieb. Das weckte meine Neugier, da der protestantische Missionar Gützlaff zu seiner Zeit ein in Europa und Nordamerika sehr bekannter und geschätzter Mann war, der u.a. mit Persönlichkeiten wie Alexander von Humboldt (1769 - 1859) und Carl Ritter (1779 - 1859) in Kontakt stand. Vergleichbar mit dem späteren Frei-missionar Albert Schweitzer (1875 - 1965) vermochte er die Öffentlichkeit für seine Projekte zu begeistern und setzte sich darüber hinaus bereits für eine Gleich-rangigkeit beider Kulturkreise ein.1

Würde sich diese Sicht in den koreanischen Quellen bestätigen?Hier knüpfen meine Grundsatzpublikationen zu Gütz-laffs Korea-Aufenthalt an.2

Gemeinsam mit meinem koreanischen Kollegen Prof. em. Ahn Sam-Huan/ SNU (Jacob- und Wilhelm-Grimm-Preisträger des DAAD 2012) hatte ich im Jahre 2001 die Aufzeichnungen in den Annalen des

7. Monats des 32. Regierungsjahres von König Sun-Jo mit dem Titel „Sunjosillok“ (선조실록) zur Landung des ersten protestantischen Missionars in Korea, Karl Gützlaff, studiert. Die Quellen bestätigen, dass der Missionar Karl F. A. Gützlaff am Nachmittag des 17.7.1832 (als erster Deut-scher) koreanischen Boden betrat. Auch die Insel wird klar genannt: Es handelt sich eindeutig um Godae-do (고대도) – und nicht Wonsan-do (원산도). Auch die friedlichen Absichten der Expedition werden ausdrücklich bestätigt. Ziel war es, auf friedlichem Wege Handelsmöglichkeiten zu erkunden und Kon-takte mit dem koreanischen Königshof aufzunehmen, heißt es in den Annalen. Mit seinen Publikationen über seinen Korea-Auf-enthalt legte Gützlaff Grundlagen für nachfolgende wissenschaftliche Forschungen in verschiedenen Bereichen wie Geografie, Sprachforschung, Ökonomie und Kulturgeschichte. So druckte am 6.11.1833 die renommierte Zeitschrift „Das Ausland“ den ersten deutschsprachigen Aufsatz zur koreanischen Sprache aus der Feder des Multitalents. Damit hat Gützlaff nachweislich als erster Europäer das Hangeul [한글, koreanisches Alphabet] in westlichen Publikationen (The Chinese Repository 1832 & Das Ausland 1833) bekannt gemacht.

Auf Godae-do (고대도) – heute eine 150-Seelen-Ge-meinde, die verwaltungstechnisch zur Stadt Bory-eong (보령시) gehört - ist diese völkerverbindende Botschaft angekommen.

Am 23. August 2012 fand die erste Gützlaff-Tagung protestantischer Theologen mit Unterstützung der Stadt Boryeong statt. Etwa 500 Teilnehmer aus Korea waren in die Stadt gekommen, die bisher durch das „Mud-Festival“ (보령머드축제) bekannt ist. Der Begeis-terung und der Kreativität des Theologie-Professors Oh Hyun-Ki (오현기) von der christlichen Baekseok-Universität (백석대학교) in Cheonan (천안) ist es zu

„WENN JEMAND EINE REISE TUT, SO KANN ER

WAS ERZäHLEN“ (MATTHIAS CLAUDIUS)

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TIA

verdanken, dass Gützlaffs Ideen in Südkorea wieder lebendig sind und zur Identitätsfindung und zugleich zur Offenheit für andere Kulturen beitragen.Pfarrer und Kirchgemeinde von Godae-do arbeiten Hand in Hand mit der Stadtverwaltung und der Wis-senschaft - und nunmehr auch mit der deutschen Seite. So besuchte mich Prof. Oh Hyun-Ki in Vorbereitung der Gützlaff-Tagung in Boryeong für ein Interview und zum Austausch von Forschungsergebnissen im Juli 2012 in Erfurt. Gützlaff ist auf Godae-do ein wichtiges Symbol der langjährigen deutsch-koreanischen Freundschaft. So wurde ich am 9. September 2012 auch empfangen: herzlich und mit einer beeindruckenden, unkompli-zierten Aufgeschlossenheit. Der Pfarrer holte mich und meine Familie von der Fähre ab, die Gemeindevertre-tung begrüßte mich ganz selbstverständlich als erste Deutsche nach 180 Jahren auf Godae-do. Der Rund-gang über die Insel gestaltete sich zu einer kreatürli-chen Reise durch die Begegnungsgeschichte unserer Länder. Überall sind Wände mit der Geschichte der Landung von Karl Gützlaff auf Godae-do bemalt. Jedes Kind kann die Stationen gut nachvollziehen.

Da findet man die Kartoffel, die Gützlaff in Korea gepflanzt haben soll, neben der Darstellung der Be-grüßung des Fremden durch die Inselbewohner. Wie damals brachte der Pfarrer uns Getränke und Früchte. Freundlich lud er uns in die Gützlaff-Kirche zum Verwei-len ein. Das kleine Museum mit ersten Exponaten und Erläuterungen zum Wirken von Karl Gützlaff spricht für die Initiative und Begeisterungsfähigkeit der Menschen. Die Botschaft des Missionars scheint im Alltag lebendig zu sein. Dies hilft den Bewohnern, Gemeinsamkeit und Miteinander auf der Insel zu leben. Zugleich ist Gützlaff die Verbindung zur Welt. Die deut-sche Flagge neben dem Porträt von Gützlaff ist Zeichen der Zukunftsorientierung und Offenheit. Gemeinsam mit dem Team von Professor Oh und dem Pfarrer der Gemeinde wanderten wir zur Bucht, wo Gützlaff einst koreanischen Boden betrat. Ein Abendessen, gegeben vom Bürgermeister der Stadt Boryeong, schloss den erlebnisreichen Tag ab. Mit vielen Ideen für die weitere Gestaltung der Zusam-menarbeit konnte ich nach Erfurt zurückreisen – im Gepäck auch einen Stein von Gützlaffs Landeplatz. Der Missionar, der vor 180 Jahren die koreanische Insel Godae-do betrat, verstand es, Netzwerke zu initiieren und damit eine Vertrauensbasis zu schaffen. Diese Aufgabe bleibt aktuell mit Blick auf 130 Jahre deutsch-koreanische Beziehungen in diesem Jahr.

1 vgl.: Kultur Korea, 2/2012 S. 25 – 28: Missionare mit Charisma & Marketingtalent: Karl Gützlaff & Norbert weber von S. Bräsel.

2 Baltische Studien, Band 89/2003; S. 137-150; Karl Gützlaff und das Christentum in ostasien, Steyler verlag 2005, S.61 – 75 & Transactions, volume 77, 2002, S. 69-89.

P o r t r ät

„Es gibt kein Rezept für Annäherung“

HERLINDE KOELBL, DEUTSCHLANDS RENOMMIERTESTE FOTOGRAFIN,

BEREITET FÜR DAS KOREANISCHE KULTURZENTRUM IN BERLIN EINE

AUSSTELLUNG VOR, DIE AB 12. APRIL 2013 ZU SEHEN SEIN WIRD.

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INTERVIEW MIT DER FOTOGRAFIN HERLINDE KOELBL

Im Fokus Ihres künstlerischen Schaffens steht die Abbildung von Menschen. Woher rührt dieses konkrete Interesse? Menschen zu porträtieren, ist das Spannendste, was möglich ist, weil man immer auf zwei Ebenen gefordert wird, zum einen in Bezug auf die künst-lerische Ebene – es muss ein gutes Bild entstehen, eine gute Komposition mit gutem Licht – und zum anderen in Bezug auf die Unberechenbarkeit von Menschen. Man weiß nie, in welcher Stimmung sie sind, in welcher Situation, und es ist jedes Mal eine neue Herausfor-derung, sich dem Menschen zu nähern, eine Nähe herzu-stellen, um ein tieferes Bild zu schaffen, als nur die Oberflä-che abzubilden.

Gibt es einen bestimmten Typus Mensch, der Sie beson-ders interessiert? Auf Basis welcher Kriterien erfolgt Ihre Auswahl?Es gibt für mich keine spezielle Auswahl von Menschen. Ich schaue, wie die Menschen leben, was sie antreibt, womit sie sich beschäftigen, was sie bewegt. Das ist meistens an eine bestimmte Themenaus-wahl gebunden, z.B. an das Thema „Wohnzimmer“ oder an „Schlafzimmer in den Metro-polen der Welt“, wofür ich in New York, Moskau, London, Paris, Rom und Berlin foto-grafiert habe. Ich habe den Lebensraum der Menschen eingefangen und sie dort porträtiert. Das ist jedes Mal ein anderer Bezug.

Welche Beziehung besteht zwischen Ihnen und den porträtierten? Es ist ganz wichtig, dass es meinerseits eine hohe Konzen-tration auf den anderen gibt, dadurch entstehen Intensität und Neugier. Ich möchte

wissen, was das für ein Mensch ist und die Antwort in dem Bild erfassen - sie soll in dem Bild den Ausdruck finden.

Wie erzeugen Sie diese Kon-zentration? Beim Porträtieren ist der andere für diesen Moment das Wichtigste auf der Welt, er ist der Bezugspunkt. Ver-bunden mit der Neugier und dem Interesse entsteht etwas Besonderes, und manchmal ist es so, dass wir gar nicht viel sprechen müssen, wir eher nonverbal kommunizieren. Wichtig ist auch, dass man als Fotograf zunächst etwas gibt, sich dem Anderen zuwendet - man darf nicht erwarten, dass sich der andere von alleine öffnet.

Wie gelingt diese Annähe-rung?Das ist ganz individuell. Men-schen sind so verschieden. Es gibt kein Rezept für Annähe-rung – jede Begegnung ist anders.

Wie bedeutsam ist eine per-sönliche Begegnung mit der/dem zu porträtierenden im Vorfeld des Fotografierens?Es muss keine persönliche Begegnung im Vorfeld geben. Ich versuche allerdings, mich vorher über den Menschen zu informieren. Meistens findet jedoch ein Kennenlernen erst beim Porträtieren statt. Dann ist es wichtig, schnell einen Zugang zu finden, einen Weg zu dem anderen, zu seinem Denken, zu seinem Wesen.

In Ihrem Bildband „Starke Frauen“ haben Sie weibliche Körper fotografiert, die dem klassischen Schönheitsemp-finden widersprechen. Sie zeigen Übergewichtigkeit, Alter, ungeschönte Nacktheit und Gebrechlichkeit. Welches

ästhetische Grundverständ-nis liegt dieser perspektive zugrunde?Die ‚starken Frauen‘ muss-ten für mich im doppelten Sinn stark sein - es ging um leibliche und um mentale Stärke. Die Ausstrahlung der Bilder entsteht erst durch das Zusammentreffen dieser beiden Faktoren. Schönheit hat also etwas Individuelles. Es gibt natürlich die Schönheit der Models, die sehr ästhetisch ist und sehr klar, aber es gibt eben auch eine individuelle Schönheit, die mit Ausstrah-lung und Persönlichkeit zu tun hat, mit dem Leben eines Men-schen - die finde ich besonders spannend und interessant und faszinierend.

Anlässlich des Deutsch-Koreanischen Anwerbeab-kommens von 1963 und dem bevorstehenden 50. Jahrestag 2013 werden wir einen Teil Ihrer Arbeit im Koreanischen Kulturzentrum präsentieren. Ab 12. April sind Ihre Fotografien über koreanische Bergarbeiter und Krankenschwestern zu sehen, die im Rahmen des Anwerbe-abkommens als Gastarbeiter/innen nach Deutschland gekommen sind. Was reizt Sie an diesem Thema?Das Deutsch-Koreanische Anwerbeabkommen war und ist in der Gesellschaft kein Thema, man spricht nicht davon. Das Schöne ist zum einen, dass durch diesen Auftrag das Thema etwas mehr ins Gedächtnis gerufen wird. Zum anderen wird darin auch ein Stück deutsch-koreanische Geschichte sichtbar. Ich habe die koreanischen Familien - manchmal zwei oder drei Generationen - fotografiert, wie sie jetzt in Deutschland leben.

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Ich verknüpfe die Fotografie mit ihrer eigenen, also der koreanischen Geschichte. Das Thema ist spannend, weil man das Heute und das Gestern sieht und beides miteinander verbindet.

Sie gelten als Fotografin, die sich höchst intensiv mit der jeweils gewählten Thematik beschäftigt. Was bedeutet das im Allgemeinen und konkret in Bezug auf die geplante Ausstellung? Ich versuche immer, den The-men mehrere Dimensionen zu geben, mehrere Ebenen zu schaffen, damit man bei näherem Hinsehen immer neue Schichten entdeckt, sei es fotografisch oder textlich. Damit bekommt ein Thema größere Tiefe. Was mich zu-dem immer interessiert, sind Veränderung und Vergäng-lichkeit, denn nichts im Leben ist so sicher wie die Verände-rung und die Vergänglichkeit.In Vorbereitung auf die Ausstellung im Koreanischen Kulturzentrum habe ich mir Kurzbiografien der zu Porträ-

tierenden geben lassen und mit ihnen Familienalben und Papiere durchgesehen.

Ihr Themenspektrum ist vielfältig und reicht von „Die Kommissarinnen“ und „Schlafzimmer“ über „Haare“ und „Opfer“ bis hin zu „Feine Leute“ oder „Jüdische portraits“ - um nur einige zu nennen. Wie entstehen die Ideen für Ihre Themen?Die Themen kommen immer zu mir (lacht), d.h. die Themen suchen mich, und ich gehe dann darauf ein.

Das heißt?Die Themen sind da und neh-men in meinem Gedächtnis Platz ein, und meistens sind es so viele, dass ich sie gar nicht alle realisieren kann.

Richten wir den Blick auf Ihre nunmehr dreißigjähri-ge Schaffensgeschichte als Fotografin. Wie würden Sie Ihre eigene Entwicklung beschreiben? Meine Themen sind so un-terschiedlich, auch in Bezug

auf den Darstellungsstil, dass es immer etwas Neues ist, es gibt keine lineare Entwick-lung. Nur die grundsätzliche Ausrichtung auf das ‚Thema Mensch‘ und meine Neugier sind für mich immer geblie-ben, das ist das Entscheiden-de. Es ist wichtig, sich immer wieder neu einzulassen, neue Herausforderungen anzuneh-men, nie stehenzubleiben, weil man denkt, man könne etwas schon. Ich habe inzwi-schen Filme, Videoinstallatio-nen und Interviews gemacht, die ich passend zum Thema als künstlerische Stilmittel nutze.

Wie kritisch betrachten Sie Ihre Bilder aus der Anfangs-zeit? Würden Sie heute eine andere Herangehensweise wählen?Nein. Meine Bilder aus der Anfangszeit haben für mich heute noch Gültigkeit.

Das Interview führte Dr. Stefanie Grote

Bedroom, LondonAus dem Buch „Schlafzimmer in den Metropolen der Welt“, Herlinde Koelbl. Hier ein englisches Ehepaar in London.

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K o r E a i n K Ü r z E

In das Jahr 2013 fallen gleich zwei Jahrestage, die für die koreanisch-deutschen Beziehungen von besonderer Bedeutung sind: der 130. Jahrestag der Aufnahme offizieller diplomatischer Beziehungen und der 50. Jahrestag des Koreanisch-Deutschen Anwerbeabkommens.

1883 schlossen das Königreich Korea und das Deutsche Kaiserreich einen Handels-, Freundschafts- und Schifffahrtsvertrag ab, um die Freundschaft zwischen beiden Ländern zu intensivieren und den Handelsverkehr zu erleichtern. Was als trockener Vertragstext auf dem Papier begann, hat sich inzwischen zu einem lebendigen Austausch auf politischer, wirtschaftlicher, wissenschaftlicher, gesellschaftlicher und kultureller Ebene entwickelt.

1963, 80 Jahre nach Aufnahme der offiziellen bilateralen Beziehungen, wurde das Koreanisch-Deutsche Anwerbeabkommen über ein Programm zur vorübergehenden Beschäftigung koreanischer Bergarbeiter in deutschen Bergwerken abgeschlossen. Auf der Grundlage dieses Abkommens und einer späteren Vereinbarung über die Entsendung von Krankenschwestern kamen von 1963 bis 1977 rund 20.000 koreanische Krankenschwestern, Schwesternhelferinnen und Bergarbeiter nach Deutschland. Viele von ihnen blieben. Heute gelten die in Deutschland lebenden Koreaner als Beispiel für gelungene Integration.

Quelle: http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Briefmarken/2012/06/2012-06-18-PM30.

DAS JAHR 2013

130 JAHRE OFFIzIELLE KOREANISCH-DEUTSCHE BEzIEHUNGEN UND 50. JAHRESTAG DES KOREANISCH-DEUTSCHEN ANWERBEABKOMMENS

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Der letzte koreanische Bergarbeiter, der 2004 in Rente geht.

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K o r E a i m a l lta G

zUtatEn

• 1 Rinderscheibe ( ca. 400 g) • 300 g Rumpsteak in einem Stück• 600 g Reiskuchen- plättchen • 2 Frühlingszwiebeln• 2 Eier• ½ in Streifen geschnitte- nes Seetangblatt• Salz• Pfeffer

GEWÜrzE fÜr das flEisch

• 1 klein gehackte Knob- lauchzehe• 1 klein gehackte Früh- lingszwiebel• 2 EL Sojasauce• 1 TL Sesamöl• Sesamkörner

vorbErEitUnG dEr brÜhE

• Rinderscheibe in kaltem Wasser ca. 30 Min. ste hen und ausbluten las sen und dann waschen.• Rinderscheibe in einen Topf mit kaltem Wasser geben, abdecken, aufkochen lassen und die Brühe einmal weg schütten.• Eine Frühlingszwie bel halbieren, mit der Rinderscheibe und dem Rindfleisch in einen Topf mit 1,5 l Wasser geben. Aufkochen lassen, die Hitze reduzieren und ggf. den Schaum häu figer abschöpfen. Ca. 30 Min. gerade eben sieden lassen (nicht kochen). • Frühlingszwiebel ent fernen.

vorbErEitUnG dEs flEischEs

• Fleisch von der Rinder scheibe lösen und in dünne Streifen schnei- den.• Rindfleisch (Rumpsteak) ebenfalls in dünne Streifen schneiden.• Rindfleischstreifen mit den Gewürzen einlegen.

zUbErEitUnG

• Brühe aufkochen und die Reiskuchenplätt chen hinzugeben und bei mittlerer Hitze ko chen, bis sie weich sind.• Eier in einer kleinen Schüssel aufschlagen, und sobald die Reis kuchenplättchen weich sind, in die Suppe geben und einmal kurz aufkochen.• Die Suppe mit den Reiskuchenplättchen auf vier Schüsseln verteilen. Gewürztes Fleisch, klein gehackte Frühlingszwiebeln und die Seetangblätter über die Suppen verteilen.

TippsBesonders gut schmeckt auch Mandu-Ddeokguk. Dafür Mandus (gefüllte Teigtaschen) in die Suppe geben und mit aufkochen.

Ddeokguk Koreanische reisKuchensuPPe(für 4 Personen)

Traditionell wird in Korea am Neujahrstag Ddeokguk (떡국) gegessen. Die Suppe weißlicher Färbung und die weißen Reiskuchenplättchen symbolisieren die Reinheit, mit der ein neues Jahr begonnen werden soll.

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73KULTURKOREA

Kleiner sprachführerLASST UNS SINGEN!

노래를 불러요! Noraereul Bulleoyo

O TANNENBAUM소나무

Sonamu

WENN ICH EIN VÖGLEIN WäR이몸이 새라면 Imomi saeramyeon

Ein weihnachtslied zum Jahresanfang? In Korea

wird „o Tannenbaum “ - anders als in Deutschland

- das ganze Jahr über gesungen. Deshalb haben

wir es in diese Ausgabe aufgenommen.

74KULTURKOREA

v E r a n s ta lt U n G E n KorEanischEs KUltUrzEntrUm

Seit 2010 bietet das Koreanische Kul-turzentrum Kurse für die zwölfsaitige Wölbbrettzither Gayageum (가야금) an, die vermutlich um das sechste Jahrhun-dert im koreanischen Königreich Gaya (42 – 562) entstand. Dieses bekannteste der traditionellen koreanischen Instrumente zeichnet sich durch einen weichen, sub-tilen Klang aus. Die Töne werden durch das Zupfen mit der rechten Hand erzeugt und gewöhnlich durch unterschiedlichste Bewegungen der linken Hand variiert. Spezialisten für traditionelle koreanische Musik sind in Deutschland rar gesät; deshalb fordert das Koreanische Kultur-zentrum Lehrkräfte direkt aus Korea an, die im Rahmen eines mehrmonatigen Praktikums die Möglichkeit erhalten, hiesigen Schülern ihr Wissen zu vermit-teln und gleichzeitig Auslandserfahrung zu sammeln. Zurzeit wird das Koreanische Kulturzen-trum von Jee Yeon Kim unterstützt, die nun schon seit Ende August 2012 in Berlin wohnt. Ende Januar 2013 wird ihre Zeit im Kulturzentrum zu Ende gehen. Die 29-jährige Koreanerin stammt aus einer Familie von Komponisten für westliche Musik und wurde schon früh von ihren Großeltern, ihrer Tante und ihrer Mutter, die alle westliche Instrumente beherr-schen, an die Musik herangeführt. Als sie eines Tages zum ersten Mal die Gaya-geum hörte, stand für sie fest, dass sie dieses Instrument erlernen wolle. „Ich bin

die erste in der Familie, die ein koreani-sches Instrument spielt“, erzählt Jee Yeon Kim lachend. Sie versucht, die besondere Anziehung, die die koreanische Zither auf sie ausübt, in Worte zu fassen: „Die Art, wie durch das Niederdrücken der Saiten Musik erzeugt wird und wie die Finger auf den Saiten hin- und herwandern, erinnert ein wenig an einen Seiltanz und hat den gleichen, leicht verwegenen Charme. Außerdem erzeugt es bei mir ein Glücksgefühl, wenn meine Finger die Seidenschnüre berühren.“Ab der Mittelschule besuchte sie eine Lehreinrichtung, die auf koreanische Musik spezialisiert war, und nach der Oberschule studierte sie an der Korea National University of Arts (한국예술종합학교/ Hanguk Yesul Jonghap Hakgyo). „Ich hatte das Glück, viele gute Lehrer an meiner Seite zu haben“, erinnert sie sich dankbar. So entwickelte sie im Laufe der

Zeit den Mut, neuen Herausforderungen zu begegnen, die Fähigkeit zu harter Ar-beit, Selbstvertrauen und Selbstdisziplin. In Seoul unterrichtete Jee Yeon Kim und gab Konzerte als freischaffende Künstle-rin. Sie beteiligte sich an den unterschied-lichsten Projekten, oft unter Einbeziehung anderer künstlerischer Disziplinen wie Kalligrafie, Tanz und Dichtung. Die Ar-beitsbedingungen für Künstler der tradi-tionellen Musik haben sich in den letzten Jahren verbessert: Sie werden zuneh-mend von der Regierung unterstützt, und auch die Möglichkeit zum internationalen Austausch nimmt durch die Teilnahme an Musikfestivals im Ausland zu. Die Anfangszeit in Berlin war mit vielen Umstellungen für Jee Yeon Kim ver-bunden: „Als freischaffende Künstlerin musste ich mich erst einmal an die festen Arbeitszeiten gewöhnen.“ Auch die Tatsache, dass sie kein Deutsch spricht, rief bei ihr zunächst Nervosität hervor, aber nachdem sie zwei, drei schwierige Situationen gemeistert hatte, gewann sie an Sicherheit. Inzwischen besucht sie Ausstellungen und Konzerte, unternimmt Entdeckungstouren durch Berlin. Von der ernsthaften Herangehensweise des Berliner Publikums an die koreani-sche Musik war die Künstlerin positiv überrascht: „Das fremde Instrument wird als etwas Besonderes betrachtet, und die Menschen setzen sich intensiv mit den In-halten auseinander, die ich in mein Spiel ,hineinzufüllen‘ versuche.“ Über die Art und Weise, wie sie ihre Schü-ler an die Zither Gayageum heranführen sollte, hat sie sich viele Gedanken ge-macht. Statt mit erhobenem Zeigefinger zu unterrichten, ist es ihr oberstes Ziel, die Freude am Instrument zu vermitteln. Und welche Ziele hat sie sich für ihren Aufenthalt in Deutschland gesetzt? „Um die Gayageum einem noch größeren Per-sonenkreis vorzustellen, werde ich viele Konzerte geben. Auch möchte ich heraus-finden, wie man nicht nur die Gayageum, sondern die koreanische Musik insgesamt hierzulande noch bekannter machen kann. Das ist vielleicht die Hauptaufgabe, die ich mir gestellt habe.“

Die Dozenten des Koreanischen Kulturzentrums stellen sich vor:

gayageum-Lehrerin Jee Yeon Kimvon Gesine Stoyke

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75KULTURKOREA

KUrsEVeranstaltungsort für alle Kurse:

Koreanisches Kulturzentrum, Leipziger Platz 3, 10117 BerlinKontakt: Tel. 030/ 269 52-0

sPrachKUrsE KorEanischGrundstufe 1A (1. Quartal: neuer absoluter Anfängerkurs)Dozentin: Frau Paek-Un ChongMontag, 17.30 - 20.00 UhrZeit: 07.01. - 11.03.13Kursbuch: Sogang Korean New Series 1A (Student‘s Book + Workbook)ISBN: 978-89-7699-572-8 (Student‘s Book)ISBN: 978-89-7699-573-5 (Workbook)

Grundstufe 1A/ a (2. Quartal: Fortsetzungskurs des absoluten Anfängerkurses)Dozentin: Frau Paek-Un ChongDonnerstag, 17.30 - 20.00 UhrZeit: 10.01. - 14.03.13Kursbuch: Sogang Korean New Series 1A (Student‘s Book + Workbook)

Grundstufe 1A/ b (2. Quartal: Fortsetzungskurs des absoluten Anfängerkurses)Dozentin: Frau Paek-Un ChongSamstag, 10.30 - 13.00 UhrZeit: 12.01. - 16.03.13Kursbuch: Sogang Korean New Series 1A (Student‘s Book + Workbook)

Grundstufe 1A (3. Quartal: Fortsetzungskurs der Grundstufe 1A des 2.Quartals)Dozentin: Frau Paek-Un ChongMittwoch, 17.30 - 20.00 UhrZeit: 09.01. - 13.03.13Kursbuch: Sogang Korean New Series 1A (Student‘s Book + Workbook)

Grundstufe 1B (2. Quartal)Dozentin: Frau Paek-Un ChongDienstag, 17.30 - 20.00 UhrZeit: 08.01. - 12.03.13Kursbuch: Sogang Korean New Series 1B (Student‘s Book + Workbook)

Grundstufe 1B (3. Quartal)Dozentin: Frau Hyunjung KimFreitag, 17.30 - 20.00 UhrZeit: 11.01. - 15.03.13

Kursbuch: Sogang Korean New Series 1B (Student‘s Book + Workbook)

Grundstufe 2A (2. Quartal)Dozentin: Frau Hyunjung KimDienstag, 17.30 - 20.00 UhrZeit: 08.01. - 12.03.13Kursbuch: Sogang Korean New Series 2A (Student‘s Book + Workbook)

Grundstufe 2B (1. Quartal)Dozentin: Frau Hyunjung KimMontag, 17.30-20.00 UhrZeit: 07.01. - 11.03.13Kursbuch: Sogang Korean New Series 2B (Student‘s Book + Workbook)

Mittelstufe 3A (1. Quartal)Dozentin: Frau Hyunjung KimDonnerstag, 17.30 - 20.00 UhrZeit: 10.01. - 14.03.13Kursbuch: Sogang Korean New Series 3A (Student‘s Book + Workbook)

Mittelstufe 4A (1. Quartal)Dozentin: Frau Paek-Un ChongFreitag, 17.30 - 20.00 UhrZeit: 11.01. - 15.03.13Kursbuch: Sogang Korean New Series 4A (Student‘s Book + Workbook)

Gebühren: Alle Sprachkurse EUR 40,00 pro Quartalanmeldung: Die Anmeldung erfolgt direkt bei den Kursleiterinnen per E-Mail vor Kursbeginn Frau Hyunjung Kim: [email protected] Paek-Un Chong: paekun@ gmx.dezahlungsweise: Die Kursgebühr zahlen Sie bitte am ersten Kurstag in bar direkt an die Kursleiterinnen.lehrmaterial: Die Lehrbücher können die Kursteilnehmer bei www.seoulselection.com oder www.koreanbook.de erwerben (Die Lehrbücher sind NICHT im Koreanischen Kulturzentrum erhältlich).Weitere Informationen zu den Kursen erfragen Sie bitte per E-Mail bei Frau Kim bzw. bei Frau Chong.

*Änderungen vorbehalten

KalliGrafiE-KUrs

Dozent: Zen-Meister Byong Oh SunnimMittwoch, 10.00 – 12.00 UhrMittwoch, 18.00 – 20.00 UhrKursgebühr: EUR 30,00 pro Monat; bei Teilnehmern, die sich für eine dreimonatige Teilnahme am Kurs entscheiden, reduziert sich die Kursgebühr für drei Monate auf EUR 80,00. Unterrichtssprache: Koreanisch/ DeutschEin Einstieg in den Kurs ist jederzeit möglich.

GayaGEUm (zwölfsaitige Zither)

Dozentin: Frau Jee Yeon Kim (bis Ende Januar, danach kommt eine neue Dozentin aus Korea)Anfänger: Mittwoch, 16.00 – 17.30 UhrZeit: 07.01. – 11.03.13Mittelstufe: Montag, 17.00 – 18.30 UhrZeit: 09.01. – 13.03.13Kursgebühr: EUR 30,00 für zehn SitzungenUnterrichtssprache: Koreanisch

danso (kleine Bambusflöte) und

daEGEUm (große Bambusflöte)

Dozent: Herr Hong YooZeit: 08.01. – 12.03.13Danso: Dienstag, 18.00 – 19.30 UhrDaegeum: Dienstag, 19.30 – 21.00 UhrKursgebühr: EUR 30,00 pro QuartalDie Instrumente können im Koreanischen Kulturzentrum käuflich erworben werden.Danso: EUR 5,00 (aus Kunststoff )Daegeum: ca. EUR 15,00 Unterrichtssprache: Koreanisch/ Englisch

KorEanischEs yoGa

Dozentin: Hanna (Seohee) JangMittwoch: 18.00 – 19.00 Uhr, Figur 19.10 – 20.10 Uhr, Yin/YangSamstag: 11.00 - 12.00 Uhr, Yin/Yang 12.15 – 13.15 Uhr, Figur 13.30 – 14.30 Uhr, PowerProgramm1. Figur-Yoga: figurformend/ Stärkung der Muskulatur 2. Yin/Yang-Yoga: natürliche BewegungsmeditationKursgebühr 1 Monat 3 Monate1x/ Woche EUR 30,00 EUR 70,00 2x/ Woche EUR 40,00 EUR 90,00

*Der Einstieg in alle Kurse ist jederzeit möglich.Mitzubringen: eine Matte und bequeme KleidungLeitung: Tel. 030/ 7680-4759 (Hanna)

Zum Redaktionsschluss von Kultur Korea war die Planung für die veranstaltungen des Koreanischen Kulturzentrums von Januar bis März 2013 noch nicht abgeschlossen. wir bitten Sie daher, die aktuellen veranstaltungen unserer webseite www.kulturkorea.org zu entnehmen.

76KULTURKOREA

b U n d E s W E i t E v E r a n s ta lt U n G E n - a K t U E l l

Koreanische Lackkunst im Museum für Lackkunst Münstervon Dr. Patricia Frick

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Die vom 28. Oktober 2012 bis zum 27. Januar 2013 im Museum für Lackkunst in

Münster präsentierte Sonderausstel-lung „Die Lackkunst Koreas – Ästhe-tik in Vollendung“ zeigt ausgewählte, mit Perlmutteinlagen verzierte Lackarbeiten (나전칠기, najeon chil-gi) aus der Goryeo- (918–1392) und Joseon-Zeit (1392–1910). Die kost-baren Arbeiten aus koreanischen, japanischen und europäischen Sammlungen, die anlässlich dieser in der westlichen Welt ersten, der koreanischen Lackkunst gewidmeten Schau zusammengeführt wurden, offenbaren die faszinierende Schön-heit und unverwechselbare Ästhetik der koreanischen Lackkunst und veranschaulichen die facettenreiche Entwicklung ihrer überaus kunstvol-len Techniken.

Der Saft des Lackbaums (Rhus verniciflua) wurde auf der koreani-schen Halbinsel schon während der Bronze-Zeit (1000–300 v. Chr.) ge-nutzt, wobei die frühesten greifbaren Zeugnisse, die eine eigenständige Lackproduktion belegen, aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. stammen – es handelt sich um Birkenrinden und aus Holz gefertigte Träger, die mit dünnen rußschwarzen Lackschichten überfangen wurden.

Weltweit haben nur etwa zwanzig mit Perlmutt verzierte Lackobjekte

aus der der Goryeo-Zeit (918 – 1392) überdauert, wobei die meisten Stücke einem buddhistischen Kontext entstammen: Kästen zur Aufbewahrung von Sutren, Dosen für Gebetsperlen und Behälter für Räucherwerk finden sich neben klei-neren Dosen und Behältnissen, die vermutlich für das Königshaus oder den Adel gefertigt wurden. Die meisten der Goryeo-zeitlichen Objekte weisen gerundete Ecken und abgeflachte Seitenpartien auf, die eine natürliche und leichte Form-gebung begründen und wesent-lich zur Schönheit der Lacke jener Zeit beitragen. Die Verwendung von untermaltem Schildpatt der Echten Karettschildkröte (Eretmo-chelys imbricata) als Dekorelement (대모복채법, daemo bokchaebeop) ist eine weitere Besonderheit dieser überaus raren Lackarbeiten. In Kombination mit dem farblich prächtig irisierenden Perlmutt bieten die ebenfalls in den Lack eingelegten Plättchen aus Schild-patt ein imposantes und äußerst reizvolles Farbenspiel, das bis heute zu faszinieren vermag. Das Schild-patt wurde hierfür in hauchdünne Scheibchen geschnitten und auf der Unterseite gelb, orangefarben, rot oder dunkelrot koloriert. Aufgrund der geringen Stärke des Schildpatts scheinen die Farben hindurch und vermögen eindrucksvolle Akzente im Dekor zu setzen. Die Kombina-

1 Dose für Gebetsperlen (yeomjuhap), Goryeo-Dynastie, 12. Jahrhundert Kyoto, Taima-dera Tempel (wichtiges Kulturgut Japans)2 Kasten für Kämme und Kosmetik (bitjeob), Joseon-Dynastie, 18. Jahrhundert Seoul, National Museum of Korea3 Kasten (ham), Joseon-Dynastie, 19. Jahrhundert Seoul, National Museum of Korea

Fotos: 1 © Taima-dera Tempel 2+3 © National Museum of Korea

77KULTURKOREA

tion von Perlmutt und koloriertem Schildpatt ist ein Spezifikum der ko-reanischen Lackkunst, das von keiner anderen Lacktradition aufgegriffen wurde. Auch der Gebrauch von Drähten aus Edelmetallen als rein dekorative Elemente oder aber zur Verstärkung des Objektes ist eines der charakteristi-schen Merkmale der Goryeo-zeitlichen Lackkunst. Kleinteilige florale Dekore von rankenden Chrysanthemen und Päonien sowie verschiedene geometri-sche Muster sind die kennzeichnenden Motive, die in ihrer charakteristischen Ornamentik die Objekte stets flächen-füllend bedecken. Ähnlich wie Tesserae, kleinteilige Plättchen in römischen Mosaiken, wurden aus Hunderten von kleinen Perlmutt- und Schildpattstücken allseitige, teils umlaufende Dekore (절문, jeolmun) geschaffen, die an technischer Raffinesse ihresgleichen suchen. Die einzelnen floralen Elemente, die sich als gleichmäßig wiederholende Dekorein-heiten über die gesamte Objektober-fläche erstrecken, haben dabei einen Durchmesser von meist weniger als einem Zentimeter. In großer Regelmä-ßigkeit und mit außergewöhnlicher Präzision angeordnet, vermögen sie den Betrachter bis heute in ihren Bann zu ziehen.

Für die Phase des Übergangs von der Goryeo- zur Joseon-Zeit im 14./15. Jahr-hundert ist die Hinwendung zu einem freieren und großzügig angelegten De-kor mit weichem, fließenden Schwung erkennbar, wenngleich die meisten Objekte jener Zeit noch den Traditio-nen der Goryeo-zeitlichen Lackkunst verhaftet sind. Im Laufe der Joseon-Zeit erweiterte sich das Dekorrepertoire, und die zuvor vielfach stilisiert wieder-gegebenen Blüten und Blätter wurden zunehmend realistischer und naturge-treuer dargestellt. Techniken wie das haarfeine Gravieren von Binnendekoren (모조법, mojobeop) und die Gestaltung von Dekoren mithilfe von äußerst dünn geschnittenen und in der gewünschten Länge gebrochenen Perlmuttstückchen beziehungsweise -streifen (끈음질, kkeuneumjil), deren Anfänge in der

Goryeo-Zeit liegen, wurden weiter ent-wickelt und erfreuten sich bald großer Popularität. Nach dem Ende der für die koreanische Bevölkerung leidvollen mandschuri-schen und japanischen Invasionen im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert wurde das Dekorrepertoire um Motive wie die Vier Pflanzen der Kultiviert-heit (사군자, sagunja), die Darstellung von Blumen und Vögeln (화조, hwajo) sowie rankende Weintrauben (포도넝쿨, podo neongkul) erweitert. Darüber hinaus besann man sich auf Traditionen des Goryeo-Reiches und interpretierte Stilelemente jener Jahrhunderte, wie beispielsweise die Verwendung von Schildpatt und Metalldrähten, neu. Die spezifisch koreanische Technik des kunstvollen Brechens des Perlmutt (타찰법, tachalbeop), bei der größere gewölbte Perlmuttscheiben bewusst gebrochen wurden, um sie für Dekorein-heiten in der Fläche nutzen zu können, verbreitete sich rapide und erreichte im 17. und 18. Jahrhundert eine Blüte. Das beim Brechen entstandene Craquelée im Perlmutt verleiht diesen Objekten bis heute einen ganz speziellen Reiz. Der Gebrauch einer Vielzahl von Lack-objekten durch breitere Gesellschafts-schichten führte im 19. und frühen 20. Jahrhundert des späten Joseon-Reiches dazu, dass vielerlei Lackobjekte un-terschiedlichster Art für den täglichen Gebrauch produziert wurden. Eine Fülle von Techniken, wie feine Detailgravuren und das künstliche Brechen des Perl-mutts kamen hierbei zur Anwendung. Neben geometrischen Motiven wie bei-spielsweise dem Schildkrötenpanzermo-tiv (거북등문의, geobukdeung munui) gewannen auch Landschaftsszenen und andere bildliche Dekormotive an Popu-larität. Dekore wie die Zehn Motive der Langlebigkeit (십이장생, sipijangsaeng), die Acht Kostbarkeiten (팔보, palbo), die Fledermaus, Kranich, Drache sowie die Schriftzeichen für Glück (복, bok) und Langes Leben (수, su) sind mit ihrer glückverheißenden Symbolik häufig Ausdruck guter Wünsche für das Wohl-ergehen sowie ein langes, gesundes und glückliches Leben gewesen. Gegen

Ende der Joseon-Zeit wurde Perlmutt überdies häufig durch die Kombination mit Materialien wie Haifischhaut, Schild-patt, Koralle und verschiedene Metalle effektvoll zur Geltung gebracht.

Zur Ausstellung erschien beim Hirmer-Verlag, München, ein umfangreiches Ka-talogbuch in deutscher und englischer Sprache, das mit seinen Beiträgen inter-nationaler Wissenschaftler einen Bogen von den Anfängen des Lackhandwerks auf der koreanischen Halbinsel bis hin zu den populären Arbeiten des 20. Jahr-hunderts spannt.

Dr. Patricia Frick ist seit Januar 2007 am Museum für Lackkunst in Münster tätig. Zuvor volontierte sie in der Ostasien-Abteilung des Linden-Museums Stuttgart und war mehrere Jahre als wissenschaftliche Angestellte am Institut für Kulturwissen-schaften Ost- und Südasiens, Sinologie, der Universität Würzburg beschäftigt. Während ihres Studiums der Fächer Sinologie, Japanologie, Anglistik und Öffentliches Recht verbrachte sie Studi-enjahre an der Universität Hangzhou, VR China, am Palastmuseum Taipei, Taiwan, sowie an der Universität Cambridge, Großbritannien. Im Februar 2006 wurde sie mit einer Arbeit zur Gewan-dung der Song-Dynastie im Spiegel ritueller Bekleidungs-vorschriften an der Universi-tät Würzburg promoviert. Die aktuelle Sonderaus-stellung des Museums für Lackkunst „Die Lackkunst Ko-reas – ästhetik in Vollendung“ hat sie gemeinsam mit ihrer koreanischen Kollegin, Frau Dr. Soon-Chim Jung, kuratiert.

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Bis 06. JanuarHamburg

Kunst aus Südkorea: To begin is to be half done

Ort: Der KunstvereinKlosterwall 23, 20095 Hamburg

Kontakt: Tel. 040/[email protected]

www.kunstverein.de

Bis 13. JanuarStuttgart

Ausstellung „Entdeckung Korea! Schätze aus deutschen Museen“

Zeit: 13.10.12 – 13.01.13Di 10.00-17.00 Uhr Mi 10.00-20.00 Uhr

Do – Sa 10.00-17.00 UhrSo 10.00-18.00 Uhr

Ort: Linden-Museum Stuttgart Staatliches Museum für Völker-

kunde, Hegelplatz 170174 Stuttgart

Bis 26. JanuarBerlin

Artists from GalerieTeilnehmende Künstler: Hye-Ja,

Jung Kwan-Young, Kim Hyun-Kyung, Kim Mi-Kyoung, Lee

Keun-Woo, Park Byung-Hoon, Park Young-Hak, Silvio Cattani,

Udo Rein, Vio ChoeZeit: bis 26.01.13

Ort: LEE galerie BerlinBrunnenstr. 172, 10119 Berlin

Kontakt: Tel. 030/ 41717973

Bis 27. JanuarMünster

Die Lackkunst Koreas, Ästhetik in Vollendung

Ort: Museum für Lackkunst Windthorststr. 26

48143 MünsterKontakt: Tel. 0251/4185122

www.museum-fuer-lackkunst.de

Bis 29. JanuarGelsenkirchen

Gruppenausstellung „MALEREI 12“

Studierende und „Ehemalige“ der Kunstakademie Münster zum 25.

Jahrestag der selbstständigen Kunstakademie

Unter anderem mit Werken der koreanischen Künstler Min Clara

Kim und Il Jong Park (ILLE)Ort: Alte Villa des Kunstmuseums

Gelsenkirchen Horster Str. 5 – 7

45897 GelsenkirchenKontakt: Tel. 0209/ 694361

Jeweils MontagsStuttgart

Geenius Monday mit der Jazz-pianistin Gee Hye Lee

Zeit: 21.00 UhrOrt: KISTE Stuttgart, LiveMusik,

Jazzclub und BarHauptstätter Str. 35

70173 StuttgartKontakt: Tel. 0711/ 5532805

tournee der koreanisCHen Folk-

sÄngerin gonne CHoi

02. JanuarCelle

Zeit: 20.00 UhrOrt: Kunst und Bühne

Nordwall 46, 29221 Celle

03. JanuarHamburg

Zeit: 21.00 UhrOrt: Freundlich & Kompetent

Gertigstr. 57, 22303 Hamburg

04. JanuarSchwanewede

Zeit: 20.00 UhrOrt: Bistro Journal

Langenberg 228790 Schwanewede

05. JanuarOsterholz-Scharmbeck

Zeit: 20.00 UhrOrt: Tagungshaus Bredbeck

An der Wassermühle 3027711 Osterholz-Scharmbeck

06. JanuarBremen

Zeit: 20.00 UhrOrt: Club Moments

Vor dem Steintor 6528203 Bremen

11. JanuarBremen

Zeit: 20.00 UhrOrt: Studio-Nord-Bremen

Mühlenfeldstr. 2328355 Bremen

Kontakt: Tel. 0421/526272-0

FEBRUAR

Bis 28. FeBruarBerlin

lines up. RecollectionPublic lights

Lichtinstallation von Jeongmoon ChoiZeit: 16.00 – 22.00 Uhr

Ort: Linienstr. 142, 10115 Berlin

09. FeBruarHannover

Abschlusskonzert mit koreanischen Gesangsstudenten

der Yonsei-Universität (Seoul, Korea)

Zeit: 15.00 UhrOrt: Ballhof Zwei

Knochenhauer Str. 28 30159 Hannover

Kontakt: Tel. 0511/ 99991111

13. FeBruarBerlin

Konzert für den FriedenFrühlingserwachen zum

Koreanischen NeujahrsfestDucksoon Park-Mohr, Sopran

Markus Wenz, KlavierZeit: 18.00 Uhr

Ort: St. Marien am Behnitz Behnitz 9, 13597 Berlin-Spandau

Eine veranstaltung der vHS-Spandau und der Musikschule

Spandau

aB 23. FeBruarDüsseldorf

Festival: KORE-A-MOVESDas Festival zeigt die beein-

druckende Bandbreite des Tanzschaffens in Südkorea.

Zeit: 23.02. – 02.03.13Ort: tanzhaus nrw düsseldorf

Erkrather Str. 3040233 Düsseldorf

Kontakt: Tel. 0211/ 17270-0

MÄRZ

14. MÄrZBerlin

Tristan und IsoldeMit Samuel Youn als Kurwenal und Yosep Kang als Seemann

Zeit: 17.00 UhrOrt: Deutsche Oper Berlin

Bismarckstr. 35, 10627 BerlinWeitere Termine: 17.03., 23.03.13,

jeweils 17.00 UhrKontakt: Tel. 030/ 34 38 43 43

16. MÄrZBerlin

Koreanischer Kulturabend 대보름 잔치

Benefizkonzert für den Koreani-schen Verein Berlin e.V.

Koreanische Volks- und Kunst-lieder, koreanische Tänze, dazu

Kostproben koreanischer SpeisenDucksoon Park-Mohr, Sopran

Hae-Ok Noack, KlavierJee Yeon Kim, Gayageum

Berlin Kaya-TanzensembleChor der Königin-Luise-Kirche

WaidmannslustEberhard Mohr, Moderation

Zeit: 18.00UhrOrt: Labsaal, Alt-Lübars 8

13469 BerlinKontakt: Tel. 030/ 404 49 48

(Ducksoon Park-Mohr)

21. MÄrZDortmund

Tod und Verklärung (Richard Strauss)

Stabat Mater (Gioachimo Rossini)

Mit Samuel YounZeit: 20.00 Uhr

Ort: Konzerthaus Dortmund Großer Saal, Brückstr. 21

44135 DortmundKontakt: Tel. 0231/ 22696-0

22. MÄrZKöln

Tod und Verklärung (Richard Strauss)

Stabat Mater (Gioachimo Rossini)

Mit Samuel YounZeit: 20.00 Uhr, Einführung in das

Konzert: 19.00 UhrOrt: Kölner Philharmonie

Bischofsgartenstr. 1 50667 Köln

Kontakt: Tel. 0221/ 20408-0

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79KULTURKOREA

b U n d E s W E i t E v E r a n s ta lt U n G E n - rÜcKblicK

fEiErlichE EnthÜllUnG EinEr GEdEnKtafEl aUf dEr insEl UsEdom fÜr dEn bEGrÜndEr

dEs dEUtschUntErrichts in KorEa

V.re.n.li.: Martin Meenke (Leitender Verwaltungsbeamter/ Usedom), Gesandter-Botschaftsrat Jong Seok Yun (Leiter des Koreanischen Kulturzentrums/Kulturabteilung der Botschaft der Republik Korea in Berlin), Moung-Yul Braun (Inhaberin Hotel-Restaurant „Pommernmühle“ in Ueckermünde), Parla-mentarischer Staatssekretär Hartmut Koschyk MdB (Ehren-präsident der DKG e.V.), Dr. Sylvia Bräsel (Universität Erfurt), Dr. Uwe Schmelter (ehem. Leiter der GI Region Ostasien und Vizepräsident der DKG e.V.), Botschafter a.D. Michael Anton Geier (Präsident der DKG e.V.), Karl-Heinz Schröder (Amtsvorsteher Usedom), Jochen Storrer (Bürgermeister der Stadt Usedom)Fo

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Dem Begründer des Deutschunterrichts in Korea, Johann Bolljahn, wurde mit der Enthüllung einer Gedenktafel an der „Alten Schule“ in Usedom am 6. August 2012 endlich die ihm gebührende Ehre zuteil.

Zur Veranstaltung, die in Kooperation mit der Stadt Usedom stattfand, waren der Ehrenpräsident der DKG e.V., Parlamen-tarischer Staatssekretär Hartmut Koschyk MdB, Gesandter- Botschaftsrat Jong Seok Yun, Leiter des Koreanischen Kultur-zentrums/Kulturabteilung der Botschaft der Republik Korea, Botschafter a. D. und Präsident der DKG, Michael Anton Geier, sowie der Nordkorea-Experte und Vizepräsident der DKG, Dr. Uwe Schmelter, nach Usedom auf Usedom gereist. Auch sehr viele Usedomer waren zur Feierstunde erschienen, um den größten Sohn ihrer Stadt zu ehren und sich anhand der von Dr. Sylvia Bräsel erstellten zweisprachigen Broschüre mit Bildern und Dokumenten, die von der Schwestergesell-schaft KDG in Seoul gedruckt worden war, über die Lebens-leistung von J. Bolljahn zu informieren.

Dr. Sylvia Bräsel verwies in ihrer Würdigung für Johann Boll-jahn auf die Tatsache, dass so auf neue Weise Tradition und Moderne sich verbinden. Seit September 2012 arbeitet eine junge Lehrerin aus Usedom wieder im deutschen Auftrag in Ostasien. Der anschließende Empfang, gegeben vom Kore-anischen Kulturzentrum, Kulturabteilung der Botschaft der Republik Korea in Berlin, ermöglichte einen ungezwungenen Gedankenaustausch aller Teilnehmer.

Im November 2012 wurde Prof. Dr. Sam-Huan Ahn in Berlin mit dem Jacob- und Wilhelm-Grimm-Preis des DAAD ausgezeichnet. Besondere Würdigung fanden Ahns Leistungen in der germanistischen und komparatistischen Literaturwissenschaft sowie sein Beitrag zur internationalen akademischen Kooperation und zur kulturellen Verständigung. Prof. Dr. Ahn ist die dritte Persönlichkeit aus Asien und der erste Koreaner, dem diese Auszeichnung zuteil wird. Der Preis ist mit 10.000 Euro und einem vierwöchigen Forschungsaufenthalt in Deutschland dotiert.

Prof. Dr. Sam-Huan Ahn wurde 1944 in Südkorea geboren. Er hatte einen wesentlich Anteil am Aufbau und Erhalt der Germanistik in Korea und verhalf ihr durch bedeutende Veröffentlichungen und Ämter zu internationalem Ruf. Von 1971 bis 1975 studierte der DAAD-Alumnus Germanistik, Volkskunde und Sinologie an der Universität Bonn und promovierte dort über das Thema „Exilliterarische Aspekte in Thomas Manns Roman ‚Doktor Faustus‘“. Ahn leitete unter anderem das Institut für Deutschlandforschung an der Seoul National University und ist heute Ehrenprofessor der Universität. Auch war er Präsident der Koreanischen Gesellschaft für Germanistik, der Koreanischen Gesellschaft für Komparatistik, der Koreanischen Goethe-Gesellschaft und der Koreanischen Thomas-Mann-Gesellschaft. Durch seine Übersetzungen der Werke von Johann Wolfgang von Goethe, Thomas Mann, Martin Walser und Günter Grass ins Koreanische ermöglichte er Generationen seiner Landsleute einen Zugang zur deutschen Literatur.

In seiner Rede während der Preisverleihung bezeichnete Ahn die deutsche Sprache und Literatur als „Friedensstifterin“ und beklagte, dass die Germanistik in den letzten Jahren an koreanischen Universitäten an Bedeutung verloren habe. Dabei sei sie insbesondere für die „ostasiatische Vergangenheitsbewältigung“ zwischen China, Korea und Japan aufgrund ihres besonderen Wortschatzes, der Wörter wie „Einfühlung“ und Wendungen wie „sich in jemandes Lage hineinversetzen“ enthalte, besser geeignet als das Englische.

Die deutsche Kultur hat seit jeher einen besonderen Stellenwert für die Koreaner, und die Werke deutscher Musiker, Literaten und Philosophen sind in Korea bekannt und beliebt. Das größte koreanische Kaufhaus, das Lotte-Kaufhaus, eine Baseball-Mannschaft und selbst ein Kaugummi sind nach Goethes Lotte aus den „Leiden des jungen Werther“ benannt. Zurzeit lernen etwa 44.000 Koreaner die deutsche Sprache, und laut Dr. Anna Prinz, Beauftragte für Außenwissenschaftspolitik im Auswärtigen Amt, studieren gegenwärtig 5000 Südkoreaner in Deutschland.

Quelle: oliver Heilwagen, „Jacob- und wilhelm-Grimm-Preise 2012 – Die deutsche Sprache als ,Friedensstifterin‘“ in DAAD-magazin.de (http://www.daad-magazin.de/22521/index.html)Pressemitteilung „‚Germanistik weltweit stärken‘. DAAD vergibt Jacob- und wilhelm-Grimm-Preis und Förderpreis am 16. November in Berlin“ (http://www.daad.de/portrait/presse/pressemitteilungen/2012/22445.de.html)

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r i c h t i G s t E l l U n G

In der letzten Ausgabe unseres Magazins (4/2012) wurde im Zusammenhang mit dem Artikel „Korea ist nicht nur eine Wirtschaftsmacht...“ (S. 70)

Herr Michael Anton Geier, Botschafter a.D., in der Bildunterschrift fälschlicherweise als „Vorsitzender“ der Deutsch-Koreanischen Gesellschaft bezeichnet.

Er ist jedoch deren Präsident. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.

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