1 einer... · ich über klein kopisch /copsa mica erreichte. bis zur kirchenburg wurmloch /valea...
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Eine Vorfreude auf eine Rumänienreise ist das jährlich stattfindende Treffen der Rumänienfreunde
am Lütsche-Stausee in den Tiefen des Thüringer Waldes. Organisator ist kein geringerer als Willi
Scherz alias "Karpatenwilli".
Gerne folgten wir seinem Aufruf zu diesem Treffen am Wochenende nach Ostern im April 2010.
Wundervolle Berichte von Fahrten in das Balkanland und Erlebnisschilderungen in "Tuica-
geschwängerter Luft" unter Gleichgesinnten rundeten die Tage ab.
Meinen Beitrag zu dieser Veranstaltung bildete ein Diabericht über meine Fahrt aus dem Jahr
1992 von Siebenbürgen mit der Wanderung durch die Karpaten - dem Buchenland - und der
Heimfahrt über Tschernowitz - Lemberg und Breslau. Während eines Fotos, das eine Hochzeit in
Moldawitza zeigte, reichte Willi eine Runde Tuica und ein Coburger Wandervogel aus Würzburg
spielte ein zünftiges Lied, von denen er zu später Stunde noch viele mehr auf seiner Gitarre zum
Besten gab.
Auf diesem Treffen besprach ich u.a. mit meinem Großcousin Claus Greger aus Bayreuth die
kommende Wanderfahrt ins siebenbürgische Erzgebirge, und zu den sächsischen Kirchen- und
Bauernburgen in Siebenbürgen vom 30. April bis 26. Mai 2010.
Während ich am Freitag, d. 30. April 2010 mit dem Bus von Eurolines ab Frankfurt /Main nach
Diemrich /Deva in Rumänien fuhr, kam Claus privat mit einem Pfadfinderfreund Oliver Kormann
zur Bushaltestelle am Bahnhof.
Von Diemrich fuhren wir ins nahegelegene Eisenmarkt /Hunedoara, wo wir vom imposanten
Schloß der Corvinen beeindruckt waren. Ursprünglich stand hier eine im 14. Jahrhundert
errichtete Burg, die erstmals 1409 urkundlich als Schenkung Königs Sigismund von Luxemburg an
einen Vorfahren der Adelsfamilie erwähnt wird.
Im nahegelegenen Calan hatte Oliver Kormann einen Bauernhof gekauft und restauriert. Der
Nachbarssohn Florin, der in Deutschland arbeitete und mit Oliver bekannt war, war ebenfalls mit
dabei. Zusammen mit seiner jüngsten Schwester Anka hatten wir einen unterhaltsamen Abend.
Am Abend, des 1. Mai waren die Rumänien noch etwas beeinflußt von den "1. Mai-Feiern", doch
mit unseren mitgebrachten Schnapsvorräten ließen wir das Leben der müden Geister wieder neu
aufleben, wobei die hiesigen Getränke nicht zu verachten waren. Hier in Calan verbrachten wir
unter Freunden die 1. Nacht in Rumänien. Es war angenehm bei milden Temperaturen im Garten
bei Speis und Trank zu sitzen:
"... und sie haben drei Tage und drei Nächte gefeiert und bis ins hohe Alter glücklich gelebt",
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so lautet nicht nur der Schluss eines jeden rumänischen Märchens, sondern auch die rumänische
Lebensphilosophie.
Nach einem zünftigen rumänischen Frühstück verabschiedeten wir uns am Sonntag, dem 2. Mai,
von der netten Familie. Oliver und Florin hatten die Wanderfahrt von Claus nach Rumänien als
Gelegenheit genutzt, dieses Wochenende in Calan zu verbringen. Auf ihrer Heimfahrt brachten sie
uns ein Stück des Weges dem siebenbürgischen Erzgebirge /Apuseni näher.
Im Kurort und Bad Gergersdorf /Geoagiu nutzen Claus und ich die Gunst der Stunde und wir
nahmen bei dem herrlichen Frühlingstag ein erholsames Bad im heilenden Wasser. Nach dem Bad
schulterten wir unsere Tornister und wanderten in die Schluchten des Gergersdorfer Beckens.
Auf dem Lande atmeten wir die frische Luft und erfreuten uns am blühenden Flieder. Das frische
Maiengrün war eine Wohltat für die Augen. Beim Wandern hörten wir für dieses Jahr die ersten
Kuckucksrufe. Die Häuser wurden immer kleiner und die Wege schlechter, manchmal waren wir
froh, wenn es einen Steg über den Bach gab. Dafür waren die Schluchten /Cheile landschaftlich
reizvoll. Hohe schroffe Felswände zu beiden Seiten.
Am Kloster Buna Vestire "Gottes Verkündigung" trafen wir auf den jungen Preot Rafael Corneanu,
der uns das noch im Bau befindliche Kloster zeigte. Die noch jungen Schwestern bereiteten uns
eine Mahlzeit, und Silvana, eine von ihnen, die deutsch sprach, überreichte uns freudestrahlend
eine CD ihrer choralen Gesänge.
Mit Gottes Segen wanderten wir vorbei an blühenden Apfelbäumen weiter und suchten uns einen
romantischen Schlafplatz: natürlich unter einem weiss blühendem Apfelbaum, den Claus
ausgewählt hatte.
Nachtlager unter einem
blühenden Apfelbaum
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Der Abend war erstaunlich mild, die Sonne schickte die letzten Strahlen herüber, so daß wir die
entfernte Bergkette vor Augen hatten und friedlich einschlummerten. Nachts schreckte ein
Rehbock und der Mond schimmerte durchs Geäst.
Nach so einer Nacht ist das bisschen Wegeproviant am Morgen schnell verzehrt und da uns noch
keine reifen Äpfel in den Mund fielen, setzten wir unseren Weg sogleich fort.
Über Klein-Schlatten /Zlatna und Großschlatten /Abrud fuhren wir nach Garda des Sus um die
bekannte Eis- und Gletscherhöhle Scarisoara mit ihrem 22 Meter dicken Eispanzer zu besichtigen.
Schöner noch als die Eishöhle war die umliegende Landschaft. Wir fanden eine gute und
preisgünstige Pension auf einem Bauernhof. Die Eigentümer bewahrten die alten Traditionen und
es war mehr als eine nette Geste, dass die Frau des Hauses "Ivlianzia" nach dem Frühstück ihre
schöne Tracht anlegte und sich in der Motzentracht fotografieren ließ.
Bäuerin in Landestracht,
d. h. Motzentracht
Die Bergwelt ist die Heimat der Motzen, deren Geschichte sich über 4000 Jahre zurückverfolgen
läßt: auf den Hügeln liegen verstreute Dörfer, inmitten einer märchenhaften Landschaft, wo man
eine Welt wie aus früheren Jahrhunderten vorfindet. In dem vom Kalkstein geformten Gebiet mit
vielen fantastischen Gebilden findet man spektakuläre Klammen und Höhlen.
Auf dem Weg ins Tal wäre ich noch gerne länger zu Fuß gewandert. Doch ein Kleinauto mit
Ladefläche kam des Weges und wir sprangen kurzerhand hinten auf. Zugig war's; doch genossen
wir die Fahrt ins Tal mit dem Blick auf die schneebedeckten Berge.
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Über Campeni und dem Ariestal, welches für seine landschaftliche Schönheit berühmt ist und
mitten ins Apusenigebirge führt, erreichten wir die alte Goldgräbersiedlung Rotseifen-Goldbach
/Rosin Montana bei Abrud.
Einstmals wuschen die Motzen in den Bergbächen Gold, andere bedienten sich der "Feuer- und
Wasser-Technik", eine schon aus der Bibel bekannte Methode. Dabei wird vor dem goldhaltigen
Fels ein Feuer entzündet, so daß sich das Gestein stark erhitzt und schließlich explodiert.
Aber wie sah es hier aus! Die Goldgräbersiedlung war fast ausgestorben, der Betrieb fast zum
Erliegen gekommen, so daß wir erst im Bergwerksmuseum von einem kundigen Mineningenieur
mehr darüber erfuhren. Begeistert zeigte er uns in den Schächten Meißelspuren der römischen
Mineure, die hier vor zweitausend Jahren bei Fackelschein gearbeitet hatten.
Sogar die Wanderwege waren gesperrt, da zwischenzeitlich neue Konzessionen vergeben worden
waren. Irgendwie marschierten wir auf Befragen weiter, sahen Schutthalden und mit Hilfe von
Autostop kamen wir nach Bucium ins Buciumtal, eine Gemeinde aus 6 rustikalen Bauerndörfern.
Im Hanul Ursita (Schicksalsgasthof) war niemand anwesend und wir machten es uns in
Landstreichermanie auf der Veranda gemütlich. Am Abend erschien dann doch eine Frau um nach
der Wäsche zu sehen, und sie öffnete uns den Wohnbereich, wo wir auf Strohsäcken übernachten
konnten.
Nachtlager im Heu
Ein zünftiges Frühstück mit Cafe und Schnaps gab es am Morgen im Magazin mixt. Die
Verkäuferin war sichtlich überrascht, die hungrigen Mäuler so früh am Tag zu sehen. Die
Landschaft ist bekannt durch ihre Narzissenwiesen, an deren Duft wir uns erfreuten.
Wie für zünftige Wanderer üblich, fanden wir auch die blaue Blume.
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Entlang von alten Brücken, Wacholderheiden und Buchen bestandenen Hängen erreichten wir das
kleine Nest Mogos - so wie es in einem Reiseführer beschrieben war. Erwähnt wurden hier
insbesondere die sogenannten "suris", das sind Schober, die sich mit steilem, reetgedeckten Dach
an die steil abfallenden Weiden klammern. Wir hatten schon schönere gesehen und nach dem uns
ein Tierarzt noch ein besonders altes Motzenhaus geszeigt hatte, setzten wir unseren Weg ins Tal
Baruii fort.
altes Motzenhaus
Zwei Tage wanderten wir durch das Tal, das fast wie verlassen wirkte. Kein Auto fuhr mehr an uns
vorbei und auf einer Beerdigung, an der wir zufällig vorbeikamen, wurden wir gleich zum
Leichenschmaus eingeladen. Diese leibliche Stärkung war gut; und noch ahnten wir nicht, daß wir
sobald kein Lebensmittelgeschäft zu Gesicht bekommen würden.
Unterwegs waren wir froh, bei einsetzendem Regen in den Motzenscheunen übernachten zu
können: Heu zur weichen Unterlage für den Schlafsack war ausreichend vorhanden.
Einmal fragte ich eine neben der Scheune in einem Motzenhaus lebende Frau, ob sie uns Eier
kochen könnte. Für 5 Lei kochte sie uns 10 Eier, die sie mit Brot und Milch herüberreichte.
Ein leckeres Abendbrot. Ein mitgelaufener Hund hielt für uns vor der Motzenscheune Wache - aber
was für eine Wache? Da wir nicht alle 10 Eier am Abend aufgegessen hatten, waren wir mehr als
erstaunt, als die für das Frühstück reservierten Eier am nächsten Morgen gar nicht mehr
vorhanden waren. Ob das unser Wachhund zu verantworten hatte?
Während des nächtlichen Gewitters waren wir froh, dass die Scheune trocken blieb. Kuhglocken
und Hundegebell weckten uns am Morgen.
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Über den Ort Bradesti mit seinem kleinen aber netten ethnografischen Museum, kamen wir auf
den Weg ins Tal Poienii. Hier waren wir schon vor 3 Jahren durchgewandert und es gefiel uns.
Vom Bergkamm hatte man gute Sicht auf die Berge und aus dem Tal grüßte das Kloster Schitul
Sub Piatra (Kloster unter dem Stein). Claus wollte zum Muttertag zu Hause sein und so nahm er
nach einem guten Bier und Schnaps Abschied.
Ich übernachtete im Kloster, Schwester Alina zeigte die Reliquien und kümmerte sich um meine
Mahlzeiten. Nach der Klosterandacht wanderte ich gestärkt am Samstag, d. 8. Mai entlang der
Trascauhöhlen Huda lui Papara und Dilbine alleine weiter über die Almen und Karstflächen. Links
und rechts am Wegesrand gab es viele kleine Dinge zu bewundern: Schmetterlinge, Insekten,
Käfer und die verschiedensten Pflanzen und Blüten.
Hierzu passte das Karpatenlied:
"Von brausendem Donner und Sturmwind begrüßt
zieht mit lachendem Herzen hinan ..."
Stundenlang wanderte ich, ohne auch nur einen Menschen zu Gesicht zu bekommen. Weidende
Kühe, die bei meinem Anblick bei einem Wegweiser neugierig herbeitrabten, blieben die einzigen,
größeren Lebewesen auf dieser Wanderstrecke. Plötzlich lagen die Burgreste mit dem gut
erhaltenen Bergfried von Coltesti in malerischer Umgebung vor mir. Die Burg war eine nach dem
Mongoleneinfall 1241 errichtete Adelsburg, eine der ältesten siebenbürgischen Wehranlagen.
Natürlich hätte ich hier gerne standesgemäß übernachtet. Aber ein Blick zum Himmel verhieß
nichts Verheißungsvolles.
In Coltesti fand ich Zeit, einem ungarischen Dorffest mit Tanzdarbietungen und Musik
beizuwohnen. Am Abend erreichte ich noch vor dem einsetzenden Regen die alte Bergwerk-
siedlung Eisenberg /Rimetea. Bekannter ist der Ort unter dem ungarischen Namen Tarock, da hier
nur Ungarn wohnen.
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Zigeunermusik
Über Straßburg /Aiud nahm ich Abschied vom Motzenland um nach Siebenbürgen zu ziehen, das
ich über Klein Kopisch /Copsa Mica erreichte. Bis zur Kirchenburg Wurmloch /Valea Viilor war es
nicht mehr weit.
Die von den Siebenbürger Sachsen gebauten Kirchenburgen prägen das Landschaftsbild
Siebenbürgens. Anfangs wurden Wehrburgen auf Bergspitzen erbaut, später ging man dazu über,
die Kirche in der Dorfmitte zu befestigen, um im Notfall schneller in Sicherheit zu gelangen. Die
meisten Wehranlagen der Kirchen und der umgebenden Höfe wurden zur Zeit der türkischen
Präsenz in Siebenbürgen, also zwischen 1420 und 1699 erbaut. Die Kirchenburgen wurden von
jedem Dorf mit Stolz instand gehalten. Diese Baudenkmäler gehören zum nationalen Erbgut und
einige davon wie Bierthälm, Wurmloch und Deutsch-Weißkirch wurden in die UNESCO-Listen des
Weltkulturerbes aufgenommen.
Leider sind seit dem Weggang vieler Sachsen die Kirchen- und Wehrburgen in einem schlechten
Zustand. Zwischenzeitlich war auch diese Kirchenburg in Wurmloch seit meinem letzten Besuch
davon betroffen. Mit Ach und Krach besorgte mir der Kurator den Schlüssel zum leerstehenden
Pfarrhaus um übernachten zu können.
In Siebenbürgen wollte ich mehrere Kirchen- und Bauernburgen erwandern, wobei die Broschüre
über die "Gästehäuser in Siebenbürgen und Wanderwege zwischen den Kirchenburgen in der
Mediascher Gegend" eine wertvolle Hilfe ist. Viele Pfarrhäuser, die leer stehen, bieten eine
günstige Übernachtungsmöglichkeit.
Am Montag lief ich nach Mortesdorf /Motis um auf einem Wanderweg nach Meschen zu gelangen.
Die einheimische Bevölkerung und auch ein Schäfer kannten den Wanderweg nicht und schickten
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mich in die falsche Richtung. Nach dem gestrigen Gewitterregen hatte ich bei dem schlammigen
Boden mindestens ein Pfund Lehm unter jedem Schuh. Langsam lösten sich auch die Schuhe auf
und meine rechte dicke Zehe war arg ramponiert. Nach stundenlangem Umherirren im Wald war
ich erleichtert, auf eine Lichtung zu treten. In der Ferne sah ich prächtige Eichen, doch der Boden
war für eine Rast noch viel zu naß.
Wenn nicht in Meschen, so blieb ich doch gerne eine Nacht im Pfarrgebäude von Eibesdorf. Aber
wie sah es hier aus? Das alte Pfarrhaus war abgebrannt, doch im Nebengebäude fand ich eine
Bleibe. Der alte Kurator versorgte mich wie in all den Jahren zuvor mit köstlichem Wein.
Eibesdorf
Bis zu meinem gestrigen Zielort Meschen /Mosna war es heute nicht weit. Unterwegs grüßten
mich die Maikäfer, an denen ich immer meine Freude habe. Im Pfarrhaus von Meschen fand ich
Unterkunft, nutzte den Sonnenschein als Waschtag, pflegte meine Schuhe und besuchte Bekannte
aus alter Zeit.
Mittels der neu markierten Wanderwege zog ich über Niemesch /Nemsa - Hetzeldorf /Atel nach
Tobsdorf /Dupus. In den kleinen Dörfern gefiel es mir am besten. Eine sächsische Familie nahm
mich auf, ich ruhte aus vom Wandern und sah den heimkehrenden Kühen zu.
Zu Christi Himmelfahrt erreichte ich Bierthälm /Biertan, die stärkste der sächsischen
Bauernburgen, die auch von entsprechend vielen Besuchern Zulauf erhielt.
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Wenn meine beiden Füßen träge wurden, hielt ich gerne ein Pferdefuhrwerk an. Mit 4 bzw. mit 8
Füßen ging dann die Fahrt "beflügelt" weiter. So erreichte ich Waldhütten /Valchid. Wie hier in
Waldhütten war die Kirchenburg in einem schlechten Zustand - ich erschrak bei dem Anblick.
Manche Sachsendörfer waren von ihrer einstigen Bevölkerung verlassen und es wohnten nur noch
Rumänen und Zigeuner in den Orten; und so sah es dann auch aus.
Vor Großkopisch /Copsa Mare erwischte mich auf freier Strecke ein Regenschauer. Ich fand keine
Bleibe indem kleinen Ort und marschierte die nächsten Stunden weiter bis nach Rauthal /Rondola,
wo ich im Pfarrhaus übernachten konnte.
Über den bewaldeten Hügel war der Weg kurz bis ins benachbarte Tal nach Malmkrog /Malincrav.
Unterwegs lauerten mir die Hütehunde auf, doch ein junger, aufmerksamer Hirte klärte die
Situation. In Malmkrog fand ich im Gästehaus des Pfarrhauses Quartier und konnte mich die
nächsten Tage ausruhen und die lädierten Füße heilen lassen, denn nicht nur die Schuhe waren in
einem trostlosen Zustand.
Auch im schönen Malmkrog kannte ich noch viele Leute und ich hatte keine Langeweile; das
Dorfgeschehen ist einmalig. Am Samstag, d. 15. Mai, fand ein Apfelblütenfest gegenüber
der Wehrkirche statt. Es fanden zahlreiche Spiele für Groß und Klein statt, die Apfelweinkelterei
konnte besichtigt werden und ein Stand mit Mici-Mici sorgte für das leibliche Wohl. Für alle
erheiternd war die Wahl zur Apfelblütenkönigin, die Jessica Linzing gewann.
Wahl der
Apfelblütenkönigin
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Zwischenzeitlich kam ein Wanderkamerad nachgereist. Zwei Tage vor meiner Abfahrt hatte Bernd
Wolter "Wind von unserer Wanderfahrt" bekommen. Natürlich war die Lust dabei zu sein sofort
vorhanden. Allerdings war dann die Zeit doch zu knapp und so kam er nun nach Malmkrog nach.
Leider hatte er im Gepäck schlechtes Wetter mitgebracht.
Meine schönsten Erlebnisse in Malmkrog hatte ich an einigen Abenden auf der Pirsch. Wir
beobachteten viele Rehe, die in die Luzernefelder zum Äsen kamen. Schon auf meinen
Wanderungen von Kirchenburg zu Kirchenburg hatte ich in den Wäldern stets zahlreiche Rehe
beobachten können. Am 3. Abend war es schließlich so weit. Der Nachmittag war Wolken
verhangen aber windstill. Als ich alleine ging, beobachtete ich eine starke Fuchsfähe, die ins Schilf
abbog. An einer Unterkunft für Hirten setzte ich mich hin und um 19 Uhr 30 erschien eine Ricke
mit Kitz in dem Luzernefeld. An einer anderen Stelle erschien ein Jährling im Bast mit einer Ricke.
Diese Vertrautheit währte nicht lange, denn bald kam ein starker, junger Rehbock, der den
Jährling flüchten ließ und andeutete wer Herr im Hause ist. Kurze Zeit später stand der Bock
günstig und ein Schuß hallte durch das Tal. "Waidmannsheil". Die anwesenden Rehe nahmen
erstaunlicher Weise keine Notiz von dem Knall und ästen weiter. Gut zubereitet war die gebratene
Rehleber eine Delikatesse.
Im Regen verzichteten wir auf die Wanderung nach Kreisch und fuhren mit der Pfarrersfrau mit
dem Auto nach Dunersdorf /Danes. Wir streiften die Regenponchos über und gelangten nach
Groß-Alisch /Seleus, nördlich der Großen Kokel, wo wir im Gästehaus "Pfarrer Albert Schaser"
übernachteten.
Es regnete den ganzen Tag, wir besichtigten die Kirchenburg, taten sonst garnichts und waren
froh, daß uns der freundliche Pfarrhausverwalter den warmen Ofen einheizte und am Abend
leckere Sachen am Grill für uns zubereitete. Klar, das wir das leckere Essen mit Bier und Schnaps
bereicherten.
Am nächsten Tag fuhren wir zusammen nach Schäßburg. Auch nordöstlich von Schäßburg wollten
wir einige Kirchenburgen besichtigen. Während Bernd mit dem Zug nach Arkeden /Archita fuhr,
trampte ich nach Zoltendorf /Mihai Viteazu. Auf einsamen Wegen kämpfte ich gegen den Schlamm
und gelangte gleichzeitig auch in diesen Ort, wo wir im Pfarrhaus unterkamen. Bei solchen
Unterkünften war es nur gut, daß man auch von den Pfarrhausverwaltern Essen bestellen konnte.
Die gute Frau war liebevoll um unser Wohl bemüht.
Da in den Wäldern um Arkeden Bären gesichtet wurden, schien unser rumänischer Wanderfreund
und Preot Vasile Munteanu sehr besorgt. Zusammen mit seinem Hund zeigte er uns den Weg und
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wir liefen Umwege auf matschigen Waldwegen und erreichten so unser Tagesziel Radeln /Roades.
In Radeln hatte der Sänger Peter Maffey eine Stiftung "Schutzraum für Kinder" gegründet.
Hierzu hatte er die Kirchenburg angemietet und das ganze Anwesen wurde samt Pfarrhaus
nun umgebaut. Der Burghüter Niku zeigte uns die Kirchenburg und wir bekamen einen kleinen
Raum im leerstehenden Pfarrhaus zugewiesen. Der Ofen wurde in Gang gesetzt, so daß wir
unsere nassen Klamotten und Schuhe trocknen konnten. Bernd und ich machten es uns je auf
einer Couch bequem und wir tranken mit Nikus Freunden mit Bier auf unser Wohl.
Nikus Frau war eine Sächsin, die uns mit der Abend- und Morgenspeise versorgte. Bei dem
verregneten Wetter waren die Wege schlecht zu gehen. Daher hatte Bernd gleich vereinbart, am
nächsten Tag mit dem Pferdefuhrwerk gefahren zu werden.
Und so ging Bernd's Traum in Erfüllung: nach dem Frühstück wurde das Pferd angespannt, wir
saßen mit unserem Gepäck auf und fort ging die frohe Fahrt. Wir dachten an Peter Maffey und
an eines seiner bekannten Lider „Mach’s gut mein Freund …“
Natürlich war die Fahrt holprig, denn es ging über Bodenunebenheiten, Bäche und manch'
andere Hindernisse galt es zu überwinden. Aber so eine Fahrt ist einmalig und wir fühlten uns
wie der Taugenichts aus dem Roman von Eichendorff um Jahrhunderte zurückversetzt. Nach 2
Stunden Fahrt kam Meburg /Beia in Sicht. In der Dorfkneipe hielt das Gespann an und wir gaben
eine letzte Runde guten Bieres. Leider bekam der arme Gaul kein Bier ab, ich hoffe, daß er mit
dem bißchen Hafer zufrieden war. Zum Bahnhof von Meburg war es nicht mehr weit, wo wir noch
mit dem Fuhrwerk hingebracht wurden.
Der einsetzende Regen störte uns nicht, da ein Personenzug einfuhr, der uns bis nach
Hamruden /Homorod brachte. Leider war das Gästehaus mit Blick ins Alttal belegt. Auch der gute,
alte Wilhelm Knorr wohnte nicht mehr an der Kirchenburg. Bei ihm hatte ich nämlich noch 1995
übernachtet. Zwischenzeitlich waren einige Personen, die ich von vergangen Reisen kannte,
ausgewandert, umgezogen oder gar verstorben.
Kurze Zeit später standen wir im Motel Liliana in RepsRupea, das man uns zur Übernachtung
empfohlen hatte. In der Eingangshalle stand - welch ein Glück - ein Schuhputzautomat; es
dauerte eine Weile bis wir unsere verdreckten Schuhe wieder auf Vordermann gebracht hatten.
Im Restaurant feierte eine Gruppe von Abiturienten ihren 10-jährigen Abschluss. Überrascht
waren wir, wie schick und hübsch die jungen Leute gekleidet waren und ausgelassen feierten.
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Das Pfingstwochenende wollten wir wie schon beim letzten Besuch im nahe gelegenen
Deutsch-Weißkirch /Viscri verbringen. Zu diesem festlichen Anlaß ist die alte Kirchenburg sauber
geputzt. Auch dieses Jahr sollte sich unser Besuch wieder lohnen. Ein rumänischer Bauer buk
gerade Brot und wir mussten Kuchen und Brot gleich probieren. Für die Heimfahrt gab er mir noch
eine Flasche Wein mit, im Gegenzug ließ ich am Abreisetag meinen in die Jahre gekommenen
Lieblingspullover und einige nicht mehr benötigte Utensilien zurück, da es nun doch wieder
wärmer geworden war.
Unterkunft fanden wir in einer als Herberge ausgewiesenem Museum, wo wir ausgezeichnetes
Essen bekamen. In unserem Zimmer befanden sich 2 Hochbetten, die aus Schubladen
zusammengesetzt waren. Auch die gesamte Zimmereinrichtung bestand aus Museumsstücken.
Am Pfingstsonntag, d. 23. Mai war die Kirchenburg in Deutsch-Weißkirch früh geöffnet.
Im Speckturm hing wie in früheren Zeiten ein Speck.
der Speck im Turm
Die Aussicht vom Turm reichte über das hübsche Dorf bis hinein in die Karpaten. Musikalisch
wurde die Pfingstmesse unterstützt durch eine Gruppe Nerother Wandervögel. Im Anschluss an
den Pfingstgottesdienst sangen die Wandervögel unter der Linde weiter und erfreuten die
Kirchenbesucher, die aus Nah und Fern gekommen waren. Plötzlich lachte die Sonne wieder und
Speisen und Getränke wurden ausgeteilt, wobei auch die Runde Schnaps aus Maramuresch nicht
zu kurz kam.
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Am Nachmittag gab es eine Lesung über die Veröffentlichung des Buches "Mit der Sonne steh' ich
auf", die begeisterten Anklang fand.
Der Ort zeigte sich von seiner schönsten Seite, auch wenn Prinz Charles nicht zugegen war.
Ein Storch blickte neugierig über sein Nest hinaus und nach einem schönen Sonnenuntergang
hatten die Nerother Wandervögel am Lagerfeuer ihren letzten Auftritt.
Lieder am Lagerfeuer
Nerother Wandervögel
aus Deutsch-Weisskirch
musizieren
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Die Wandervögel aus Deutschland und Österreich waren entgegen früheren Zeiten nicht zu Fuß,
sondern mit dem Wagen angereist und in einem Sachsenhaus untergebracht. Dagegen war ich als
Wandersmann mit dem guten, alten "Affen" unterwegs. Es war mehr als romantisch und zünftig
am nächtlichen Lagerfeuer die lustigen Wanderlieder zu hören und die erlebte Reise in Gedanken
vorüber ziehen zu lassen.
Zum Pfingstfest am Pfingstmontag in Pruden /Prod hatte uns der Schäßburger Dekan Johannes
Halmen zur Mitfahrt eingeladen. Dieses Ereignis ließen wir uns nicht entgehen. In Pruden waren
fast alle Sachsen ausgewandert, doch es hatte eine Neugründung von Menschen aus dem
Bundesland Sachsen gegeben, die nun kirchlich gefeiert wurde. Den unterhaltsamen Teil
bestimmte eine sächsische Trachtengruppe aus Bistritz mit ihren Tanzeinlagen.
Tanzgruppe aus Sachsen
Nach dem Nachmittagscafe wurden in der Kirche verschiedene Lieder gesungen. Passend zur
Landschaft war das mundartlich gesungene siebenbürgische Lied "Et saß e klin wäld Vijelchen" (Es
saß ein klein wild Vögelein) vom Chor der Silberfäden.
Den Abend verbrachten wir in Schäßburg /Sighisoara und übernachteten in der dortigen
Jugendherberge.
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Schulklasse in
Schäßburg
Am Dienstag, d. 25. Mai traten wir über Hermannstadt die lange Heimfahrt mit dem Bus an. Am
Nachmittag zeigten die Sonnenstrahlen ihre Wirkung: hell leuchtete der blühende Mohn auf den
rumänischen und ungarischen Feldern ein letztes Mal zum Abschied.
Motzenscheune