10. ulmer symposium „krankenhausinfektionen“ – fortsetzung aus heft 3/2013

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KONGRESSBERICHT 10. Ulmer Symposium ,,Krankenhausinfektionen‘‘ – Fortsetzung aus Heft 3/2013 Ein weiterer Vortrag im Zusammenhang mit multiresistenten Erregern widmete sich der Frage, inwieweit ESBL-bildende Enterobacteriaceen als Infektionserreger beim Menschen ein zoonotisches Reservoire haben. Dabei wurde festgestellt, dass der Anteil Cephalosporin-resistenter E. coli-Stamme in den letzten Jahren auf > 10% gestiegen ist. Die ESBL-Gene liegen meist auf konjugativen Plasmiden, welche sehr leicht zwischen Individuen einer Spezies oder zwischen verschiedenen Enterobacteriaceen- Spezies ausgetauscht werden konnen. Studien aus der Veterinarmedizin ergaben, dass ESBL-E. coli bei Nutztieren (Masthahnchen, Schweinen, Rindern) sehr haufig sind, wobei ESBL der Variante CTX-M-1 mit 30 bis 60% uberwiegen. Bei Haustieren findet man neben dieser Variante auch haufiger CTX-M-15. Bei E. coli-Isolaten von Menschen wurden vor allem die beiden CTX-M-Varianten 1 und 15 mit einem Anteil von jeweils 30 bis 40% aller ESBL identifiziert. Des Weiteren ergab ein in Bayern durchgefuhrtes Screening bei mehr als 3.000 Probanden, dass bis zu 7% der Studienteilnehmer mit ESBL-E. coli besiedelt sind. Zur Fragenstellung, inwieweit ein Austausch von ESBL-tragenden Plasmiden zwischen Tier und Mensch erfolgt, werden derzeit detaillierte Untersuchungen durchgefuhrt. Zwei Referate widmeten sich dem Thema ,,Clostridium difficile‘‘, wobei in dem ersten Vortrag uber ein systematisches Review zu nosokomialen Ausbruchen von C. difficile berichtet wurde. Zugrunde gelegt wurden hierbei Daten von Pub Med sowie die Outbreak Data Base. Insgesamt 58 Ausbruche (AB) mit 6.652 Patienten (Mittel: 129; Median: 52) wurden eingeschlossen. Die Infektionsrate betrug 99,7%. Es wurden mindestens 393 Todesfalle dokumentiert (durchschnittliche Letalitat: 5,9%). Fur 8 AB war der Ribotyp 027 verantwortlich, hier zeigte sich eine deutlich hohere Letalitat von 13,5%. Meist waren altere Patienten betroffen (19 AB in der Altersgruppe 60 – 79 Jahre und 6 AB bei Patienten > 79 Jahre). Neben geriatrischen Abteilungen (7 AB) waren vor allem die Chirurgie (6 AB) sowie die Onkologie und Orthopadie mit jeweils 3 AB betroffen. Die am haufigsten zu CDAD-Ausbruchen fuhrenden antibiotischen Substanzen waren Cephalosporine (20 AB), Clindamycin (18 AB) und Fluorchinolone (16 AB). Als Hauptubertragungsweg wurde bei 41 AB ein direkter bzw. indirekter Kontakt berichtet. In 22 AB wurde als Konsequenz das aktuelle Therapieregime geandert. Bei 17 AB wurde eine Therapie mit Vancomycin und/oder Metronidazol begonnen. Als haufigste Hygienemaßnahmen wurden Isolierungen im Einzelzimmer oder Kohortierung (38 AB) ergriffen, im Weiteren Wechsel der Substanz zur Oberflachendesinfektion (23 AB), Seife zur Reinigung der Hande (21 AB), Screening von Patienten (17 AB) sowie die Verwendung von Schutzkleidung (16 AB). Es wurde festgestellt, dass sich Outbreak Data Base bei der Suche nach nosokomialen AB durch CDAD bewahrt hat. In den meisten Fallen wurde im Ausbruchsfall eine Vielzahl verschiedener Hygienemaßnahmen zeitgleich begonnen, die Durchfuhrung aller in nationalen und internationalen Empfehlungen ausgesprochenen Maßnahmen wurden jedoch nur selten umgesetzt. Im Vergleich zu Salmonellen-bedingten AB zeichnen sich AB durch CDAD durch eine auffallig hohe mittlere Anzahl betroffener Patienten (48 vs. 129) sowie eine signifikant hohere Letalitat (5,9% vs. 11,6%; P < 0,001) aus. Zu den Kosten durch CDAD berichtete die Arbeitsgruppe aus Greifswald. Es wurde festgestellt, dass ein verlangerter Krankenhausaufenthalt den wesentlichen Kostenfaktor darstellt, dieses betrifft jedoch alle nosokomial erworbenen Infektionen. Die bisher publizierten Kostenstudien beziehen sich allerdings nur auf Krankenhausabrechnungsdaten und den Vergleich von Verweilzeiten gegenuber nicht infizierten Patienten. Eine Erhebung der tatsachlichen Kosten steht bislang aus. Jetzt wurde anhand einer retrospektiven Analyse ein Ein-Jahres-Zeitraum bezuglich nosokomialer CDAD-Patienten an der Universitatsmedizin Greifswald ausgewertet. Dabei wurden neben einer Identifizierung von CDAD-relevanten Behandlungsprozessen auch die Kosten von Hygienemaßnahmen, Arzneimitteln, Laboruntersuchungen sowie Erlosausfalle bedingt durch Bettensperrungen und Verweilzeitverl angerung berechnet. 90 Patienten wurden in die Analyse eingeschlossen. Pro CDAD-Patient fallen durchschnittlich zusatzliche Gesamtkosten in Hohe von 5.262,96 Euro an. Erlosausfalle auf Grund der verlangerten Verweildauer bedingen mit 2.555,59 Euro pro Fall den hochsten Anteil, gefolgt von Erlosausfallen auf Grund von Bettensperrungen wahrend der Isolierung mit 2.413,08 Euro pro Fall. Insgesamt ergeben diese Opportunitatskosten einen Anteil von 94,41% an den Gesamtkosten. Dem gegenuber sind die Kosten fur Hygienemaßnahmen mit 253,98 Euro, Arzneimittel mit 22,88 Euro und Laboruntersuchungen mit 17,44 Euro gering. Als Schlussfolgerung wurde festgestellt, dass die CDAD zu deutlichen Mehrkosten fur das Krankenhaus fuhrt. Zu Zahlen zum MRSA-Screening in einem Universitatsklinikum berichtete F. Lemm aus Bochum. Dort werden seit 2004 alle auftretenden MRSA-Falle entsprechend den Vorgaben Krh.-Hyg. + Inf.verh. 35 Heft 4 (2013): 131–135 http://journals.elsevier.de/khinf 131

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KONGRESSBERICHT

10. Ulmer Symposium ,,Krankenhausinfektionen‘‘– Fortsetzung aus Heft 3/2013

Ein weiterer Vortrag imZusammenhang mit multiresistentenErregern widmete sich der Frage,inwieweit ESBL-bildendeEnterobacteriaceen alsInfektionserreger beim Menschen einzoonotisches Reservoire haben. Dabeiwurde festgestellt, dass der AnteilCephalosporin-resistenter E. coli-St€ammein den letzten Jahren auf > 10%gestiegen ist. Die ESBL-Gene liegenmeist auf konjugativen Plasmiden,welche sehr leicht zwischen Individueneiner Spezies oder zwischenverschiedenen Enterobacteriaceen-Spezies ausgetauscht werden k€onnen.Studien aus der Veterin€armedizinergaben, dass ESBL-E. coli bei Nutztieren(Masth€ahnchen, Schweinen, Rindern)sehr h€aufig sind, wobei ESBL derVariante CTX-M-1 mit 30 bis 60%€uberwiegen. Bei Haustieren findet manneben dieser Variante auch h€aufigerCTX-M-15. Bei E. coli-Isolaten vonMenschen wurden vor allem die beidenCTX-M-Varianten 1 und 15 mit einemAnteil von jeweils 30 bis 40% aller ESBLidentifiziert. Des Weiteren ergab ein inBayern durchgef€uhrtes Screening beimehr als 3.000 Probanden, dass bis zu7% der Studienteilnehmer mit ESBL-E.coli besiedelt sind.Zur Fragenstellung, inwieweit einAustausch von ESBL-tragendenPlasmiden zwischen Tier und Menscherfolgt, werden derzeit detaillierteUntersuchungen durchgef€uhrt.Zwei Referate widmeten sich demThema ,,Clostridium difficile‘‘, wobei indem ersten Vortrag €uber einsystematisches Review zunosokomialen Ausbr€uchen von C.difficile berichtet wurde. Zugrundegelegt wurden hierbei Daten von PubMed sowie die Outbreak Data Base.Insgesamt 58 Ausbr€uche (AB) mit 6.652Patienten (Mittel: 129; Median: 52)wurden eingeschlossen. DieInfektionsrate betrug 99,7%. Es wurdenmindestens 393 Todesf€alle dokumentiert

(durchschnittliche Letalit€at: 5,9%). F€ur 8AB war der Ribotyp 027 verantwortlich,hier zeigte sich eine deutlich h€ohereLetalit€at von 13,5%.Meist waren €altere Patienten betroffen(19 AB in der Altersgruppe 60 – 79Jahre und 6 AB bei Patienten > 79Jahre).Neben geriatrischen Abteilungen (7 AB)waren vor allem die Chirurgie (6 AB)sowie die Onkologie und Orthop€adie mitjeweils 3 AB betroffen.Die am h€aufigsten zu CDAD-Ausbr€uchenf€uhrenden antibiotischen Substanzenwaren Cephalosporine (20 AB),Clindamycin (18 AB) und Fluorchinolone(16 AB). Als Haupt€ubertragungswegwurde bei 41 AB ein direkter bzw.indirekter Kontakt berichtet.In 22 AB wurde als Konsequenz dasaktuelle Therapieregime ge€andert. Bei17 AB wurde eine Therapie mitVancomycin und/oder Metronidazolbegonnen.Als h€aufigste Hygienemaßnahmenwurden Isolierungen im Einzelzimmeroder Kohortierung (38 AB) ergriffen, imWeiteren Wechsel der Substanz zurOberfl€achendesinfektion (23 AB), Seifezur Reinigung der H€ande (21 AB),Screening von Patienten (17 AB) sowiedie Verwendung von Schutzkleidung(16 AB).Es wurde festgestellt, dass sichOutbreak Data Base bei der Suche nachnosokomialen AB durch CDAD bew€ahrthat. In den meisten F€allen wurde imAusbruchsfall eine Vielzahl verschiedenerHygienemaßnahmen zeitgleichbegonnen, die Durchf€uhrung aller innationalen und internationalenEmpfehlungen ausgesprochenenMaßnahmen wurden jedoch nur seltenumgesetzt.Im Vergleich zu Salmonellen-bedingtenAB zeichnen sich AB durch CDAD durcheine auff€allig hohe mittlere Anzahlbetroffener Patienten (48 vs. 129) sowieeine signifikant h€ohere Letalit€at (5,9%vs. 11,6%; P < 0,001) aus.

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Zu den Kosten durch CDAD berichtetedie Arbeitsgruppe aus Greifswald. Eswurde festgestellt, dass ein verl€angerterKrankenhausaufenthalt den wesentlichenKostenfaktor darstellt, dieses betrifftjedoch alle nosokomial erworbenenInfektionen. Die bisher publiziertenKostenstudien beziehen sich allerdingsnur auf Krankenhausabrechnungsdatenund den Vergleich von Verweilzeitengegen€uber nicht infizierten Patienten.Eine Erhebung der tats€achlichen Kostensteht bislang aus.Jetzt wurde anhand einer retrospektivenAnalyse ein Ein-Jahres-Zeitraumbez€uglich nosokomialer CDAD-Patientenan der Universit€atsmedizin Greifswaldausgewertet. Dabei wurden neben einerIdentifizierung von CDAD-relevantenBehandlungsprozessen auch die Kostenvon Hygienemaßnahmen, Arzneimitteln,Laboruntersuchungen sowie Erl€osausf€allebedingt durch Bettensperrungen undVerweilzeitverl€angerung berechnet.90 Patienten wurden in die Analyseeingeschlossen. Pro CDAD-Patient fallendurchschnittlich zus€atzlicheGesamtkosten in H€ohe von 5.262,96Euro an. Erl€osausf€alle auf Grund derverl€angerten Verweildauer bedingen mit2.555,59 Euro pro Fall den h€ochstenAnteil, gefolgt von Erl€osausf€allen aufGrund von Bettensperrungen w€ahrendder Isolierung mit 2.413,08 Euro proFall. Insgesamt ergeben dieseOpportunit€atskosten einen Anteil von94,41% an den Gesamtkosten. Demgegen€uber sind die Kosten f€urHygienemaßnahmen mit 253,98 Euro,Arzneimittel mit 22,88 Euro undLaboruntersuchungen mit 17,44 Eurogering.Als Schlussfolgerung wurde festgestellt,dass die CDAD zu deutlichenMehrkosten f€ur das Krankenhaus f€uhrt.Zu Zahlen zum MRSA-Screening ineinem Universit€atsklinikum berichteteF. Lemm aus Bochum.Dort werden seit 2004 alle auftretendenMRSA-F€alle entsprechend den Vorgaben

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des Nationalen Referenzzentrums f€urnosokomiale Infektionen dokumentiertund ausgewertet. Ab Oktober 2009wurde ein systematisches MRSA-Aufnahmescreening etabliert und beijedem Patienten erfolgte eine Erfassungder Risikofaktoren f€ur MRSA nach denVorgaben des RKI €uber einenFragebogen. Jeder Patient mitRisikofaktoren wurde mittels Nasen-Rachenabstrich auf MRSA getestet.Insgesamt kamen 34.000Risikofrageb€ogen zur Auswertung.Die Anzahl der MRSA-F€alle stieg von2004 mit 162 F€allen auf 2009 / 311F€alle kontinuierlich an. Mit derEinf€uhrung des MRSA-Aufnahmescreenings Ende 2009 erfolgteeine sprunghafte Zunahme derentdeckten MRSA-F€alle (2011: 522F€alle).Der prozentuale Anteil der Hospital-erworbenen F€alle sank imGesamtzeitraum deutlich ab (2004:83%; 2011: 8%). Ebenso sank der Anteilvon klinischen Infektionen bezogen aufalle MRSA-F€alle ebenfalls von 69% in2004 auf 14% in 2011. Gleichermaßenkonnte die absolute Zahl der ausklinischen Isolaten entdeckten MRSAdeutlich (2004: 112; 2011: 72) gesenktwerden.Nach Einf€uhrung des Risikofragebogensf€ur MRSA wird derzeit bei 61% allerPatienten ein MRSA-Aufnahmescreeningdurchgef€uhrt. Mit 55% am h€aufigstenwar der Risikofaktor ,,station€arerKrankenhausaufenthalt > 3 Tage in denzur€uckliegenden 12 Monaten‘‘Screening-relevant. Es wurde festgestellt,dass durch ein MRSA-Aufnahmescreening nach den Vorgabendes Robert Koch-Instituts sowohl dieRate an nosokomialen MRSA-F€allen alsauch die relative und die absolute Zahlan MRSA-Nachweisen in klinischenIsolaten wirkungsvoll reduziert werdenkann.Daten aus einem l€andlichen Bereich(Kreis Euskirchen/Eifel) belegen bei13.000 Nasenabstrichen eine S. aureus-Pr€avalenz von 12,13% und eine MRSA-Pr€avalenz von 1,55%.Dagegen konnte in einer Punkt-Pr€avalenzstudien in M€unchenerAkutkliniken eine mittlere MRSA-Pr€avalenz von 1,37% festgestelltwerden. Damit war MRSA der h€aufigsteEinzelerreger mit besonderer Resistenz.Allerdings war C. difficile mit einerPr€avalenz von 1,66% h€aufigeraufgetreten als MRSA!

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Zur Situation von MRE inAltenheimen wurde eine Studie ausBerlin vorgestellt, in welcher 402Bewohner aus 7 unterschiedlichenAltenpflegeeinrichtungen eingeschlossenwaren. €Uber Inguinal-Abstriche erfolgteeine Analyse auf MRSA, VRE, ESBL undmultiresistente Pseudomonas spp.,Stenotrophomonas maltophila undAcinetobacter baumanii sowie Candidaspp..6 Monate nach der urspr€unglichenUntersuchung wurden Bewohner mitderartigen Erregern erneut untersucht.Dabei wurde die H€aufigkeit desAuftretens von Infektionen,Krankenhausaufnahme undAntibiotikabehandlung bei allen an derStudie Teilnehmenden erfasst und diekolonisierten und nicht-kolonisiertenBewohner verglichen.ESBL-basierende Enterobacteriaceenwurden bei 4,5%, MRSA bei 4,7%,andere gramnegative,Drittgenerationscephalosporin-resistenteBakterien in 12,7% und Candida spp.bei 0,5% festgestellt. Eine dauerhafteBesiedlung im inguinalen Bereichw€ahrend der 6 Monate dauerndenStudien mit identischem Stamm wurdebei 42% der MRSA-positiven Bewohnerund 44% der ESBL-positiven Bewohnerfestgestellt. Molekulare Typisierungendieser Isolate zeigen, dass die St€ammeder Altenheimbewohner h€aufig auch inden umgebenden Krankenh€auserngefunden wurden.Als Risikofaktoren f€ur eine Besiedlungmit MRE wurden eine hohe Pflegestufe,Wunden und Bettl€agerigkeit sowievorangegangene Krankenhausaufnahmeidentifiziert.Der zweite Survey der MRSA-Pr€avention in Nordrhein-westf€alischen Krankenh€ausern ergabeine mittlere MRSA-Inzidenzdichte von2,21 F€alle pro 1.000 Patiententage.34,7% aller S. aureus-St€amme warenMRSA und die Krankenh€auseruntersuchten im Mittel 13,3% alleraufgenommenen Patienten auf MRSA.Die €ortlichen Gesundheits€amter gabenan, dass 66% der antwortendenKrankenh€ausern die nationalenHygieneempfehlungen angemessenumgesetzt haben.Im Vergleich zu einer im Jahr 2006durchgef€uhrten Umfrage konnte eineVerdopplung der MRSA-Screeningsratebei Aufnahme festgestellt werden. Diemittlere MRSA-Inzidenz stieg um 16%,die Einsch€atzung des Grades der

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angemessenen Umsetzung der RKI-Empfehlungen um 15%.Bez€uglich des Vorkommens von MRSAin der Psychiatrie konnte in einerUntersuchung aus Essen festgestelltwerden, dass dort nur wenige MRSA-Patienten auftreten, obwohl f€ur diePilotstation die geropsychiatrischeAbteilung ausgew€ahlt wurde. Grundhierf€ur war, dass dort auf Grundh€aufiger station€aren Aufenthalte miteiner erh€ohten MRSA-Besiedlunggerechnet wurde. F€ur das Screeningwurden gepoolte Nasen-Rachen-Abstriche verwendet und in den ersten 9Monaten kamen 128 Patienten zurUntersuchung, von diesen wiesen 90einen oder mehrere Risikofaktoren auf.Nur 1 Patient wurde MRSA-positivgetestet. Als Fazit wurde festgestellt,dass trotz des insgesamt ausgepr€agtenRisikoprofils und anf€anglicherBef€urchtungen, es gebe eine großeMenge unerkannter mit MRSAbesiedelter Patienten, dieses nichtbest€atigt wurde.Einen Vergleich der antiseptischenWirksamkeit und zur lokalenVertr€aglichkeit eines Polyhexanid- miteinem Chlorhexidin-basiertenAntiseptikum auf intakter Haut in einerklinischen Studie ergab, dass beideSubstanzen eine vergleichbareWirksamkeit auf der intakten Hautzeigen. Dieses wurde anhand derKeimzahlreduktion nach 5, 10 und 30Minuten Behandlungsdauer sowieanhand der lokalen Vertr€aglichkeitgetestet. Es wurde festgestellt, dass dieErgebnisse auch f€ur andereAnwendungsgebiete, z.B. dieWundbehandlung €ubertragbar sind, wasjedoch in weiteren klinischen Studiennachgewiesen werden muss.Dass trotz der st€andigen Benetzung mitDesinfektionsmittel beiHaushaltshandschuhen vonReinigungspersonal von einerrelevanten Keimbesiedlung auszugehenist, zeigt eine Untersuchung aus Essen.Es konnten hier mehrfach S. aureus undEnterobacteriaceen nachgewiesenwerden.Antibiotika-Begehungen alsSteuerungsinstrument desAntibiotikaverbrauches sindoffensichtlich in der Lage, eineVerbrauchsminderung von Antibiotika zubewirken. Es wurde €uber praktischeErfahrungen aus 11 Jahren Antibiotika-Surveillance in einem Lehrkrankenhausder Universit€at Duisburg-Essen berichtet.

Hier wurde nach Inkrafttreten des IfSGim Jahr 2002 eine Antibiotika-Surveillance eingerichtet und beisteigendem Antibiotika-Einsatz wurde2007 mit steuernden Maßnahmenbegonnen. Es erfolgten Verbrauchs-Erfassung, R€uckmeldung, Entwicklungund Propagierung der internenEmpfehlungen zur perioperativenAntibiotika-Prophylaxe und zumAntibiotika-Einsatz bei Infektionen sowiedie Einrichtung eines infektiologischenKonsillardienstes.Besonders effektiv zeigten sich dieAntibiotika-Begehungen, bei denen einedetaillierte Erfassung vor Ort mitentsprechend kommentierterR€uckmeldung erfolgte. Insgesamt konnteeine Reduktion der Anwendungsratenvom Maximum 0,46 (Juni 2007) auf0,29 (Juni 2011) DDD (Tagesdosen)/Falltage erreicht werden. Neben derdeutlichen Reduktion des Einsatzeswurde auch eine Modifikation derverwendeten Antibiotika-Gruppenbewirkt. Es wird allerdings f€urerforderlich angesehen, dass zurSicherung des Erfolges langfristigwiederholte Interventionen erfolgen.In einem besonderen Komplex wurdedas Hygienemanagement beimultiresistenten gramnegativenErregern beleuchtet.Dabei stellte Meyer von der Charit�e inBerlin fest, dass die Verbreitungantibiotikaresistenter E. coli in hohemMaße außerhalb von Einrichtungen, diePatienten station€ar oder ambulantbetreuen und von Heimen erfolgt.Bez€uglich 3MRGN Klebsiella spp. erfolgtdie Verbreitung in lokalen Ausbr€uchen inder Regel klonal. Ob auch eine€uberregionale Verbreitung von 3MRGN-K.pneumoniae, die mit Einrichtungen derstation€aren oder ambulantenPatientenversorgung assoziiert ist,erfolgt, ist unklar. Dagegen ist dasAuftreten von 4MRGN-K. pneumoniae-Isolaten derzeit in Europa noch keinProblem der ambulanten Versorgung,sondern manifestiert sich nahezuausschließlich in Krankenh€ausern.Bez€uglich Enterobacter spp. sprechenbisherige Erkenntnisse vorwiegend f€urendogene Infektionen mit individuellenSt€ammen des E.-cloacae-Komplexes undeinem Nicht-Krankenhaus-assoziiertenVerbreitungsweg. Trotz deren großerHeterogenit€at k€onnen sich im Rahmenvon Ausbr€uchen auch klonaleAusbreitungen zeigen, was bedeutet,dass eine Weiterverbreitung bei L€ucken

im Hygieneregime m€oglich ist. Bez€uglichder Epidemiologie anderer Antibiotika-resistenter, seltener nachgewiesenerEnterobacteriaceen gibt es keinedringlichen Hinweise darauf, dass eineKrankenhaus-assoziierte Verbreitung vonProteus spp., Citrobacter spp. oderM. morganii vorliegt. Dagegen ist f€urSerratien eine Persistenz einzelner Kloneim Krankenhaus beschrieben worden.Die Epidemiologie von P. aeruginosaist komplex und noch nicht vollst€andigaufgekl€art. Die Ausbreitungmultiresistenter St€amme im Krankenhauswird wahrscheinlich durch einen hohenSelektionsdruck beg€unstigt. Dagegen istdie weltweite Ausbreitung und Zunahmevon Carbapenem-resistenten A.baumanii-Klonen (4MRGN) am ehestenals ein Problem anzusehen, welches mitder station€aren oder ambulantenVersorgung von Patienten assoziiert ist.3MRGN-A.baumanii sind weniger gutuntersucht und die Verbreitung €uberEinrichtungen des Gesundheitssystemsist nicht gesichert.Zur Mikrobiologie multiresistentergramnegativer Erreger berichteteKaase aus Bonn. Er stellte fest, dassCarbapenem-Resistenz beiEnterobacteriaceae durch zweiunterschiedliche Mechanismen bedingtist. Einerseits kann ein Porinverlustzugrunde liegen, der in Kombination miteiner ESBL oder AmpC-Betalaktamase zueiner manifesten Carbapenem-Resistenzf€uhren kann. Derartige St€amme werdenz.B. bei Patienten beobachtet, welchebereits mit einem ESBL-produzierendenErreger infiziert waren und eine l€angerdauernde Therapie mit Carbapenemenbekommen haben.Andererseits kann eine Carbapenem-Resistenz auch durch die Bildung vonCarbapenemasen verursacht sein und eswird weltweit eine Ausbreitung solcherCarbapenemase-produzierendenEnterobacterieceen beobachtet. BeiKlebsiella pneumoniae werden solcheCarbapenemasen am h€aufigstengefunden.Die infektiologische Bedeutung dieserEntwicklung wird daran deutlich, dassf€ur Infektionen mit Carbapenem-resistenten K. pneumoniae eine erh€ohteLetalit€at bewiesen ist. Erkl€arbar ist diesnicht durch eine fehlende ad€aquateTherapiem€oglichkeit in der ersten Phaseder Infektion vor dem Vorliegen einesErregernachweises, sondern auch durchdie grunds€atzlich stark eingeschr€anktentherapeutischen Optionen bei

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Carbapenem-resistentenEnterobacteriaceen. F€ur die n€achsten 5Jahre ist nicht mit der Einf€uhrung neuerinnovativer Antibiotika gegenmultiresistente gramnegative Bakterienzu rechnen.Anders als bei den Enterobacteriaceenkann P. aeruginosa allein durchMutation (Porinverlust, verst€arkterEfflux, €Uberexpression von intrinsischenß-Laktamasen) ohne Aufnahme fremderResistenzgene resistent gegenausnahmslos alle verf€ugbarenAntibiotika inclusive Carbapenemewerden. Dementsprechend wird auchnur in 20% der Carbapenem-resistentenP. aeruginosa-St€amme eineCarbapenemase gefunden.Auch bei A. baumanii ist dieCarbapenem-Resistenz fast immer durcheine Carbapenemase verursacht.Zu den Hygienemaßnahmen beimultiresistenten gramnegativenErregern berichtete Frau Wendt ausHeidelberg. Die von der KRINKOempfohlenen Hygienemaßnahmenber€ucksichtigen die Verbreitungswegeder verschiedenen gramnegativenSt€abchenbakterien und dieRisikobereiche, in denen Patienten vorInfektionen gesch€utzt werden m€ussen.F€ur 3MRGN der Spezies E. coli undKlebsiellen werden weitergehendeHygienemaßnahmen nur inRisikobereichen empfohlen. Dabei ist esAufgabe der Kliniken, die Risikobereichezu identifizieren und Maßnahmenentsprechend der Risikobereicheeinzuf€uhren und umzusetzen.Beim Auftreten von 4MRGN sindMaßnahmen in allenKrankenhausbereichen erforderlich. Einwesentlicher Bestandteil der Pr€aventionder Verbreitung von 4MRGN ist dasScreening mit einer fr€uhzeitigenErkennung von besiedelten Patienten,um einer Verbreitung m€oglichstfr€uhzeitig entgegen wirken zu k€onnen.€Uber den Erfolg eines Interventions-Projektes zur Reduktion der Sepsis inder Neonatologie (Neo-Isept)berichtete Geffers aus Berlin. Es wurdeentsprechend den KRINKO-Empfehlungen zur Pr€aventionnosokomialer Infektionen beineonatologischenIntensivpflegepatienten mit einemGeburtsgewicht unter 1500 g einMaßnahmenpaket zur Pr€aventiongef€aßkatheter-assoziierte Sepsisentwickelt und den Teilnehmern einProgramm bereitgestellt. Zwischen Juli

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2009 und Juli 2010 wurde dieses imRahmen eines multimodalenFortbildungsprogrammes in 33neonatologischen Abteilungenimplementiert. Die Teilnehmerrekrutierten sich aus 53 Abteilungen miteiner standardisierten Infektionsrate>1,1, d.h. mit €uber 10% mehrSepsisf€allen als anhand derRisikozusammensetzung zu erwartenwaren und mehr als zwei erwartetenSepsisf€allen.Als Ergebnis desInterventionsprogrammes konnte einsignifikanter R€uckgang dergef€aßkatheter-assoziierten Sepsis in denbeteiligten Abteilungen um 26%festgestellt werden (2,42 vs. 1,79 ZVK-ass. Sepsisf€alle/1.000 ZVK-Tage; p =0.0014). Dieser Reduktionserfolg warnachhaltig und setzte sich auch nach deraktiven Interventionsphase fort (0,89ZVK-ass. Sepsisf€alle/1.000 ZVK-Tage inden 3 Monaten nach Beendigung derInterventionsphase). Parallel zumR€uckgang der Sepsisrate konnten€Anderungen in der Prozessqualit€at beiPr€aventionsmaßnahmen der Abteilungfestgestellt werden.In einer Studie aus Aachen solltefestgestellt werden, ob die Zahl derliegenden ZVK die Infektionsratenbeeinflusst. Dabei wurden im Zeitraumvon 2001 bis 2011 auf zweiIntensivstationen die ZVKs, die ZVK-Tage, die ZVK-assoziiertenBlutstrominfektionen und dieInfektionsraten unter Ber€ucksichtigungder Zahl gleichzeitig liegender ZVKs proPatient ausgewertet.Als Ergebnis zeigte sich, dass diedurchschnittlichen ZVK-assoziiertenBlutstrominfektionsraten bei genaueinem liegenden ZVK signifikantniedriger (3.69/1.000 ZVK-Tage)lagen im Vergleich zu den Raten beimehr als einem gleichzeitig einliegendenZVK (13,09/1.000 ZVK-Tage).Bemerkenswert ist, dass sich beideRaten signifikant von der Standardrategem€aß KISS von 5,94/1.000 ZVK-Tageunterscheiden.Als Schlussfolgerung wird festgestellt,dass die Anzahl liegender ZVKs einenerheblichen Einfluss auf die ZVK-assoziierte Blutstrominfektionsrate hat.Der zus€atzliche ZVK kann einzus€atzliches Infektionsrisiko darstellen;allerdings k€onnen Patienten mit mehrals einem ZVK auch ein Klientel mitschwererem Krankheitsgrad darstellen.Eine Stratifizierung gem€aß der Zahl

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einliegender ZVKs im Rahmen derSurveillance k€onnte dieses Risikoabbilden und die Vergleichbarkeitverbessern.Einen Blick €uber die GrenzenDeutschlands hinaus warf Friedrich ausGroningen (NL) welcher €uber denUmgang mit Patienten mitCarbapenem-resistenten Klebsiellapneumoniae (KPC) in denNiederlanden berichtete.Dort kommen Antibiotika-resistenteErreger seltener vor als in anderenL€andern Europas, was zun€achst f€urMRSA und VRE gilt. Als Grund hierf€urwerden Strukturunterschiede zwischenden Gesundheitssystemen, deutlicherh€ohere Anzahl an €Arzten f€urMikrobiologie undKrankenhaushygienikern sowieHygienefachkr€aften in den Niederlanden,im weiteren mehr mikrobiologischeUntersuchungen sowie intensiveresDiagnostik-, Hygiene- und Antibiotic-Stewardship, angesehen.Bei gramnegativen multiresistentenErregern scheint der Unterschiedbisher nicht so groß zu sein wie beianderen Erregern. Die Gr€unde hierf€ursind noch Teil wissenschaftlicherDiskussionen. Der massive Einsatz vonAntibiotika in der industriellenLandwirtschaft ist hier von besondererBedeutung f€ur die Verbreitung von E.coli-ESBL. Dagegen werden Klebsiellapneumoniae-ESBL €uberwiegendnosokomial €ubertragen und es tretenimmer wieder Ausbr€uche durch dieseErreger im Krankenh€ausern auf.Carbapenem-resistente Klebsiella-pneumoniae-St€amme gelten inden Niederlanden bisher ausschließlichals importiert. Es wird eine,,Null-Toleranz‘‘-Strategie gegendiese Art der ,,besonders-resistentenMikroorganismen (BRMO)‘‘angestrebt, was in einer17-seitigen Empfehlungzusammengefasst ist.So werden alle Patienten, die in einemausl€andischen Krankenhaus gelegenhaben, bei Aufnahme in einniederl€andisches Krankenhaus aufMRSA und ESBL gescreent. Zugleichwerden sie prophylaktisch isoliertversorgt. Erst nach Ausschluss einerTr€agerschaft werden sie entisoliert.Sporadische KPC-Patienten werdenanders als MRSA (strikte Isolierung) insogenannter Kontaktisolierung imEinzelzimmer behandelt. Bei Nachweisvon KPC aus klinischem Material werden

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die Mitpatienten gescreent, jedoch nurin Ausbruchsituationen isoliert.Mitarbeiter werden in der Regel nichtuntersucht. Auch finden keineUntersuchungen statt, um die Isolierungw€ahrend eines station€aren Aufenthalteszu beenden. Sollte dieses trotzdemerforderlich sein, kann der Patient nachzwei negativen Abstrichen im Abstandvon 24 Stunden entisoliert werden,wenn w€ahrend seines station€arenAufenthalteseinmal w€ochentlich ein Screeningdurchgef€uhrt wurde. KPC-Patientenwerden EDV-m€aßig registriert, um siebei einer Wiederaufnahme fr€uhzeitigidentifizieren zu k€onnen. BeiWiederaufnahme innerhalb einesJahres wird einKPC-Patient in prophylaktischeIsolierung aufgenommen.Mit der Frage, ob eine Barrierepflegeim 4-Bett-Zimmer m€oglich ist,besch€aftigte sich L€uhrer aus M€unchen.Auch in der neurologischenRehabilitation steht derzeit dieZunahme von Patienten mitMRGN im Vordergrund. Die zum Teileinschneidenden klinischenKonsequenzen mit fehlenderTherapieoption haben dazu gef€uhrt,dass verschiedene Maßnahmen derKontrolle eingef€uhrt wurden.Nur bedingt zuverl€assigeScreeningmethoden haben vieleunerkannte Kolonisationen,ungleiche Behandlung gleicher Patientenund eine stille Verbreitung durchvermeintliche Sicherheit mit sichgebracht. Die konsequenteEinzelzimmerisolierung ist auswirtschaftlichen und organisatorischenGr€unden nicht immer durchf€uhrbar undauch die nach Patienten differenzierteBarrierepflege kann in einem4-Bett-Zimmer nicht sicherdurchgehalten werden.Daher wurde in einer 150-Bettenneurologischen Rehabilitationsklinik einvereinfachtes Vorgehen bei derBasishygiene eingef€uhrt. Dabeiwurden Barrieremaßnahme erweitert,auf der anderen Seite die Indikation f€urEinzelzimmer-Isolierungen reduziert.Als Ergebnis nach Einf€uhrung derMaßnahme wurde die Anzahl dernotwendigen Isolierungen um mehr alsdie H€alfte reduziert. Andererseits nahmder Verbrauch an Sch€urzen um das5-fache zu. Eine Zunahme von Patientenmit multiresistenten Erregern konntenicht beobachtet werden.

Auf Grund des riesigen Angebotes vonReferaten in mehreren parallelverlaufenden Sitzungen ist es leidernicht m€oglich, weitere Vortr€age zu

referieren. Insgesamt kann aber demKongress erneut ein hoherwissenschaftlicher Standard bescheinigtwerden, was sich auch in der

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zunehmenden Teilnehmerzahl derVeranstaltung wiederspiegelt.

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