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26.06.22 Soziale Beziehungen älterer Menschen in stationären Einrichtungen Macht - Autorität - Gewalt Prof. Dr. Wolfgang Glatzer Goethe-Universität Frankfurt am Main Fachbereich Gesellschaftswissenschaften Institut für Gesellschafts- und Politikanalyse Email: [email protected]

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Soziale Beziehungen älterer Menschen in stationären Einrichtungen

 Macht - Autorität - Gewalt

Prof. Dr. Wolfgang Glatzer

Goethe-Universität Frankfurt am Main Fachbereich Gesellschaftswissenschaften

Institut für Gesellschafts- und Politikanalyse

Email: [email protected]

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Gliederung

Einstieg

Familiäre Erfahrungen mit älteren Menschen

Soziologie und Pflegeberufe

 

Soziale Beziehungen und Macht

Macht: die unentbehrliche, ambivalente Ressource

Autorität: die sanfte Macht

Gewalt: die brutale Macht

 

Fundamente sozialer Beziehungen

Vertrauen: die Grundlage sozialer Beziehungen

Anerkennung: ein Beitrag zur Gleichberechtigung

Reziprozität: ein Ausgleichsmechanismus in sozialen Beziehungen

Selbstbestimmung: ein Grundbedürfnis im menschlichen Zusammenleben

 

Resümee

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Familiäre Erfahrungen

Schloss Banz am Obermain

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Familiäre Erfahrungen

Henriette (geb. 1863) Wilhelm (geb.1865)

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Familiäre Erfahrungen

Anna (geb. 1895) Emmi (geb. 1922)

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Familiäre Erfahrungen

Paul (geb. 1911)

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Familiäre Erfahrungen

Klaus (geb. 1922)

Hedi (geb. 1922)

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Soziologie und Pflegeberufe

Was ist Soziologie?

Soziologie ist einem ihrer großen Gründer - Max Weber – zufolge

„eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will“ (Weber 1947 S. 1).

Im Kontext der Pflegeberufe ist zu fragen: Wozu dient die Soziologie ?

In Analogie zu Max Weber kann man formulieren:

In der Profession der Pflegeberufe ist es kontinuierlich erforderlich soziales Handel deutend zu verstehen und zu erklären, um sie dadurch in ihrem Ablauf zieladäquat beeinflussen zu können.

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Soziale Beziehungen und Macht

Macht: die unentbehrliche, ambivalente Ressource

„Macht bedeutet jede Chance innerhalb einer sozialen Beziehungen den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durch zu setzen." (Weber, 1947, S. 28).

Machtträger A

Machtpotential hoch niedrig

hochMachtbalance asymmetrische

Machtverteilung

niedrigasymmetrische Machtverteilung Ohnmacht

Mac

htt

räg

er B

Übersicht 1: Die Machtverteilung und ihre sozialen Konsequenzen

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Soziale Beziehungen und Macht

realistisches Machtpotential

Macht hoch niedrig

hochgefestigte

Machtüberschätzte

Macht

niedrigunterschätzte

Machtlabile Macht

zug

esch

rieb

enes

M

ach

tpo

ten

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Übersicht 2: Die wahrgenommene Machtverteilung und ihre sozialen Folgen

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Soziale Beziehungen und Macht

Autorität: die sanfte Macht

Autorität ist gekennzeichnet:• einerseits durch den Autoritätsanspruch; • andererseits durch die Folgebereitschaft.

Die Bereitschaft zum Gehorchenwollen beruht vor allem auf dem Legitimitätsglauben, also der Annahme, dass der Machtanspruch gerechtfertigt ist.

Die Durchsetzungsfähigkeit von Macht und ihre Akzeptanz stehen in einem engen Zusammenhang mit ihrer Legimität.

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Gewalt: die brutale Macht

• Gewalt ist "physische Zwangseinwirkung von Personen auf Personen, die bestimmte angebbare Folgen hat" (Imbusch, S. 92).

• Die Anwendung von Gewalt hat die Verletzlichkeit eines Menschen und die Verletzungsmächtigkeit eines anderen zur Voraussetzung.

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Fundamente sozialer Beziehungen

Vertrauen: die Grundlage sozialer Beziehungen

"Vertrauen ist eine Annahme bzw. Wette über das künftige Verhalten anderer.“

(Roßteutscher 2009)

"Wie sehr und wie häufig wir Vertrauen schenken und uns auch selbst als vertrauenswürdig erweisen , merken wir erst, wenn wir die Fähigkeit dazu verloren haben." (s.o)

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Anerkennung: ein Beitrag zur Gleichberechtigung

Anerkennung wird definiert als Achtung der Bedürfnisse von Menschen, (insbesondere wenn sie) … einem nicht gleichgestellt sind (Becker 2009:78).

Ansehen, Ehre, Respekt sind verwandte Begriffe.

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Reziprozität: ein Ausgleichsmechanismus in sozialen Beziehungen

Reziprozität ist ein grundlegendes Steuerungskonzept für soziale Beziehungen. Man gibt etwas und erwirbt dabei das Recht etwas wieder zu bekommen.

„Durch die ritualisierte Abfolge von Geben, Nehmen und Erwidern können persönliche und enge Beziehungen erzeugt und intensiviert werden.“

(Hallein-Benze 2009:41)

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Selbstbestimmung: ein Grundbedürfnis im menschlichen Zusammenleben

 

"Tun oder unterlassen zu können, was man will, soweit man nicht andere schädigt - das ist in freien Gesellschaften jedermann selbstverständliches Recht“ (Wagner

2001)

Selbstbestimmung ist kein Privileg, dass wenige Menschen beanspruchen können, sondern ein Grundbedürfnis aller Menschen.

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Resümee

Thesen und Empfehlungen: • Zwischen den älteren Menschen und dem Pflegepersonal besteht oft eine Machtimbalance

und noch wichtiger ist zu erkennen, dass die Machtressourcen von älteren Menschen und Pflegern ganz verschieden sind. Der sanften Machtausübung durch Autorität, zum Wohl der älteren Menschen, sollte der Vorzug gegeben werden.

• Das Pflegepersonal ist gehalten Autorität, vor allem fachliche Autorität aufzubauen und damit Einfluss auf die älteren Menschen auszuüben. Dies ist vor allem wichtig, wenn ältere Menschen nicht mehr in der Lage sind ihre Interessen zu artikulieren und durchzusetzen.

• Gewaltanwendung ist eine Reaktion, die meist auf Stresssituationen und Überforderung zurückgeht, sowohl beim Pflegepersonal als auch bei älteren Menschen. Gewalttätiges Verhalten muss normativ und institutionell streng kontrolliert werden.

• Die Etablierung eines wechselseitigen Vertrauensverhältnisse ist als Basis der sozialen Beziehungen unabdingbar. Die Zerstörung von Vertrauen ist beidseitig zu vermeiden.

• Anerkennung und Respekt sind im Umgang von Pflegepersonal und älteren Menschen wichtige Grundlagen, auch wenn die hierzu notwendigen Kompetenzen beeinträchtigt sind.

• Es sollte auf Reziprozität in Beziehungen, zum Beispiel der wechselseitigen Bestätigung, geachtet werden. Reziprozität kann in vielfältigen physischen und psychischen Formen der Erwiderung und des Austausches erfolgen.

• So weit wie möglich sollte der Selbstbestimmung Raum gegeben werden, sowohl der Selbstbestimmung der älteren Menschen wie des Pflegepersonals. Kompromisse sollten nicht einseitig, sondern in einer Machtbalance gefunden werden.

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Literatur

Becker, Maya/Krätschmer-Hahn (Hg.) (2009): Fundamente sozialen Zusammenhalts. Frankfurt am Main, Campus

 

Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (1992, 2. Aufl.): Nomenklatur der Altenhilfe. Eigenverlag

 

Geiger, Helmut (Hrsg.) (2003): Die Würde des alten Menschen ist unantastbar. Rechtliche, medizinische , wirtschaftliche und soziale Problem der lettzen Lebensphase. edition akademie Nr. 3

 

Görgen, Thomas (2000) Gewalt gegen älter Menschen im stationären Bereich. http://www.bibb.de/redaktion/altenpflege_saarland/literatur/gewalt_03.htm

 

Heinzelmann, Martin (2004): Das Altenheim - noch immer eine "Totale Institution". Eine Untersuchung des Binnenlebens zweier Altenheime. Göttingen, Dissertation

 

Imbusch, Peter (2006): Macht - Herrschaft - Autorität: In: Schäfers, Bernahrd/Kopp, Johannes (Hrsg.) 2006: Grundbegriffe der Soziologie. Wiesbaden, VS-Verlag S. 164 - 171

 

Imbusch, Peter (2006): Gewalt. In: Schäfers, Bernhard/Kopp, Johannes (Hrsg.) (2006): Grundbegriffe der Soziologie. Wiesbaden, VS-Verlag, S. 92 -94

 

Riedel, Annette/Stolz, Konrad (2009): Altenwohlgefährdung. Über die Schutzbedürftigkeit von älteren Menschen. Dr. Med. Mabuse November/Dezember 2009

 

Schroeter, Klaus R./Rosenthal Thomas (Hrsg.)(2005): Soziologie der Pflege. Grundlagen, Wissensbestände und Perspektiven. Weinheim und München, Juventa

 

Weber, Max (1947): Grundriss der Sozialökonomik. Wirtschaft und Gesellschaft. Halbband. Tübingen, Mohr/Siebeck