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1 Therapie der Depression bei vaskulären Risikopatienten und Patienten nach Schlaganfall Ulrich Hegerl Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Universitätsklinikum Leipzig Stiftung Deutsche Depressionshilfe 3. Prophylaxe-Seminar des Kompetenznetzes Schlaganfall Berlin 3. Prophylaxe-Seminar des KNS © Ulrich Hegerl

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Therapie der Depression bei vaskulären Risikopatienten und Patienten nach Schlaganfall

Therapie der Depression bei vaskulären Risikopatienten und Patienten nach Schlaganfall

Ulrich Hegerl

Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und PsychotherapieUniversitätsklinikum Leipzig

Stiftung Deutsche Depressionshilfe

3. Prophylaxe-Seminar des Kompetenznetzes Schlaganfall

Berlin

3. Prophylaxe-Seminar des KNS

© Ulrich Hegerl

Verlust von Interesse u.

Freudedepressive Stimmung

gestörter Antrieb

Haupt- und Nebenkriterien nach ICD-10Haupt- und Nebenkriterien nach ICD-10

Suizidgedanken / Suizidale

HandlungenVermindertes

Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen

Schlafstörungen

Negative und pessimistische

Zukunfts- perspektiven

Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit

Gefühl von Schuld und

Wertlosigkeit

Appetitminderung

3. Prophylaxe-Seminar des KNS

© Ulrich Hegerl

Je nach Zusammensetzung der Symptome können unterschiedliche Syndrome im Vordergrund stehen:

Gehemmte Depression

Agitierte Depression

Somatisierte „larvierte“ Depression

Wahnhafte Depression

ErscheinungsbilderErscheinungsbilder3. Prophylaxe-Seminar des KNS

© Ulrich Hegerl

Beschreibung: Arten und VerlaufBeschreibung: Arten und Verlauf

Rezidivierende depressive Episode(phasisch, unipolar, Major Depression)

Dysthymie („neurotische Depression“)

3. Prophylaxe-Seminar des KNS

© Ulrich Hegerl

Beschreibung: Arten und Verlauf Beschreibung: Arten und Verlauf

Manisch Depressive Erkrankung (Bipolare affektive Störung):

Neben depressiven Phasen treten Zustände von übermäßiger Aktivität, gehobener Stimmung und allgemeiner Antriebssteigerung, manchmal auch Gereiztheit auf.

Bipolare Störungen erfordern DRINGEND medikamentöse Behandlung.

3. Prophylaxe-Seminar des KNS

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Depression und SuizidalitätDepression und Suizidalität

10-15 % mit rezidivierender Depression versterben durch Suizid

20-60 % weisen einen Suizidversuch auf

40-70 % leiden an Suizidideen

bei 90 % der Suizidenten psychiatrische Erkrankung im Vorfeld, am häufigsten Depression (40-70 %)

3. Prophylaxe-Seminar des KNS

© Ulrich Hegerl

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Suizidraten in Deutschland 2010Suizidraten in Deutschland 2010

(Quelle: Bundesamtes f(Quelle: Bundesamtes füür Statistik/Gesundheitsberichterstattung des Bundes; 2011)r Statistik/Gesundheitsberichterstattung des Bundes; 2011)

3. Prophylaxe-Seminar des KNS

© Ulrich Hegerl

Suizidversuche AltersverteilungNürnberg und Würzburg 2000 - 2004

Suizidversuche AltersverteilungNürnberg und Würzburg 2000 - 2004

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Alterskategorie

Männlich

Weiblich

3. Prophylaxe-Seminar des KNS

© Ulrich Hegerl

„Burnout“oft irreführend

• keine etablierte Diagnose• oft Ausweichdiagnose für Depression• Erschöpfungsgefühl fester Bestandteil jeder Depression• Überforderung lediglich einer von vielen möglichen Auslösern für Depression • Depression bessert sich nicht durch „Erholung“ oder „Ausruhen“• Schlafentzug wirkt antidepressiv• Krankschreibung manchmal kontraproduktiv• Urlaub kontraproduktiv•stigmaverstärkend

3. Prophylaxe-Seminar des KNS

© Ulrich Hegerl

Depression nach Schlaganfall

•Mit höherer Morbidität, Mortalität und geringeren Rehabilitationseffekten verbunden•PSD (post stroke depression): 11 – 55%, MD: 17 -27%•Bei Frauen häufiger•Überschätzung durch Symptomüberlappung (Schlaf, Konzentration, Appetit) •Überschätzung durch Fehldiagnosen (Fatigue, Affektlabilität)•Deutlich häufiger bei vorbestehender depressiver Störung (Ried et al 2010) und familiärer Belastung•Zusammenhang mit Schwere der schlaganfall- bedingten Beeinträchtigung?•Einfluß der Lokalisation des Insults?•Subkortikale Läsionen der weißen Substanz bei CVD, TIAs und vaskuläre Demenz mit Depression assoziiert (Hypothese der vaskulären Depression)

3. Prophylaxe-Seminar des KNS

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SchlaganfallSchlaganfallDepressionDepression

SuizidalitSuizidalitäätt

InflammationInflammationHypertonus, RR, Diabetes m.Hypertonus, RR, Diabetes m.

StresshormoneStresshormone3. Prophylaxe-Seminar des KNS

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Depression and risk of stroke (Dong et al 2012, Stroke)

• Meta-analysis of prospective studies• 206 641 participants, 6086 cases• Pooled relative risk: 1.34 (after controlling

for confounding factors such as diabetes, hypertonus)

3. Prophylaxe-Seminar des KNS

© Ulrich Hegerl

Für die depressive Erkrankung spricht:

Abgrenzung zu Reaktion auf schwere Erkrankungen und anderen Befindlichkeitsstörungen

Abgrenzung zu Reaktion auf schwere Erkrankungen und anderen Befindlichkeitsstörungen

Affektstarre und mangelnde Schwingungsfähigkeit (meist spürbar im direkten Kontakt)

Gefühl der Gefühllosigkeit

Innere Anspannung

Schuldgefühle und Ausmaß an Hoffnungslosigkeit

Suizidalität

Wahnsymptomatik (Versündigung, Verarmung)

Verlauf (gab es bereits früher depressive Episoden?)

Depression ist keine nachvollziehbare Reaktion auf Schlaganfall oder schwierige Lebensumstände!

3. Prophylaxe-Seminar des KNS

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Suicide risk in primary care patients with major physical diseases (Webb et al 2012, Arch Gen Psychiatry)

•Family practices: n=593, General Practice Research Database; patient records from about 8 % of the UK population•2001 – 2008•Comparison of 873 suicide cases with 17460 controls concerning major physical diseases

3. Prophylaxe-Seminar des KNS

© Ulrich Hegerl

(Webb R.T. 2012)(Webb R.T. 2012)

3. Prophylaxe-Seminar des KNS

© Ulrich Hegerl

(Webb R.T. 2012)(Webb R.T. 2012)

Multimorbidität erhöht nicht das Suizidrisiko3. Prophylaxe-Seminar des KNS

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PsychotherapieTherapie

depressive Sympto-Matik (Erleben undVerhalten)

DepressiverZustand

z. B. akute psycho-soziale Belastung,Stress, Umzug

Auslöser

z. B. negative Lebens- erfahrungen, Per-sönlichkeit

Vulnerabilität

Psychosoziale Aspekte

Pharmakotherapie

z. B. neurochemische Dysfunktionen,

Überaktivität der Stresshormonachse

z. B. Überaktivität der Stresshormonachse

z. B. genetische Faktoren

Neurobiologische Aspekte

Psychische und körperliche Ursachen: 2 Seiten einer Medaille

Psychische und körperliche Ursachen: 2 Seiten einer Medaille

Hegerl et al 2012

3. Prophylaxe-Seminar des KNS

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Monate – Jahre Langzeittherapie

6 Monate ErhaltungstherapieAkuttherapie

Behandlung bei unipolarer Depression

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unbehandelt

Rückfall ?

Remission

Einsetzen der Therapie/

Medikation

Response

Remission

Frank et al. 1990.

3. Prophylaxe-Seminar des KNS

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Die Behandlung der DepressionDie Behandlung der Depression

Zentrale Behandlungssäulen:

• Medikamentöse Behandlung (v.a. Antidepressiva)

• Psychotherapie (Wirksamkeit v. Verhaltenstherapie und Interpersoneller Therapie am besten belegt)

Weitere unterstützende Behandlungsverfahren (im Einzelfall indiziert)

• LichttherapieWirkung bei saisonaler Depression belegt• Wachtherapie meist nur im Rahmen stationärer Therapie mögl.• EKT bei schwerer therapieresistenter Depression

3. Prophylaxe-Seminar des KNS

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Tri- und tetrazyklische Antidepressiva (TZA)

Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)

Neue Substanzen (z.B. NARI; SSNRI; NaSSA)

Agomelatin

MAO-Hemmer

Johanniskrautpräparate (wirksam nur als hochdosierte Extrakte)

AntidepressivaAntidepressiva3. Prophylaxe-Seminar des KNS

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Akuttherapie der Depression nach Schlaganfall

Cochrane Review: Wirksamkeitsbelege für Antidepressiva

SSRI- große Überdosierungssicherheit- wenig kardiale NW- nur geringe pharmakokinetische Interaktionen bei Escitalopram, Citalopram, Sertralin- bei PSD mit geringerer Mortalität assoziiert (Ried et al 2011)- bei PSD besseres Abklingen kognitver und motorischer Schlaganfallfolgen (Chollet et al 2011, Jorge et al 2010)- bessert Affektinkontinenz- Nachteil: u.a. erhöhte Blutungsneigung, Raten pro 100 000 Personenjahre bei SSRI 4.16, ohne AD 2.99, Smoller et al 2009 (Serotoninentleerung der Thrombozyten; Vorsicht bei Kombination mit anderen Gerinnungshemmern)

TZAam besten untersucht ist Nortriptylin

3. Prophylaxe-Seminar des KNS

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Rückfallverhütung bei unipolarer Depression

Geddes et al. 2003.

Weiterführung der Akutbehandlung halbiert oder drittelt das Rückfallrisiko

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100TZA SSRI NARI MAO-Hemmer

(15 Studien) (10 Studien) (2 Studien) (4 Studien)

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VerumPlazebo

3. Prophylaxe-Seminar des KNS

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Prevention of poststroke depression with antidepressants (Salter et al 2012)

• Systematic review• Non-depressed poststroke patients (n=776)• Treatment duration 1 year• Odds ratio: 0.34

3. Prophylaxe-Seminar des KNS

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Salter et al 2012Salter et al 2012

Prevention of poststroke depression?3. Prophylaxe-Seminar des KNS

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Wirksamkeit der sog. Kognitiven Verhaltenstherapie am besten belegt

Psychotherapie der DepressionPsychotherapie der Depression

Vorgehen innerhalb der kognitiven Verhaltenstherapie:

Aufbau angenehmer Aktivitäten, Abbau von Belastungen

Tagesstrukturierung

Korrektur fehlerhafter Überzeugungen

Verbesserung des Sozial- und Kommunikationsverhaltens

Problemlösetraining

Bei PSD:• Cochrane Review (Hackett et al 2008): kein

Wirksamkeitsnachweis • Präventive Wirkung für Problem Solving Therapy (Robinson et

al 2008)

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Sind Fatigue bei Depression und nach Schlaganfall vergleichbar?

•Schläfrig versus erschöpft•Antriebsarm versus antriebsgehemmt

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“hypoaroused fatigue” “hyperaroused fatigue”

(depression?)- cancer related fatigue

- fatigue in immunological disorders

- postinfectional fatigue

-CFS

-Poststroke fatigue

depression associated fatigue

lack of drive (anergic state) inhibition of drive (retardation)

Sleepy exhausted, high inner tension

unstable wakefulness regulation hyperstable wakefulness regulation

Hypocortisolism hypercortisolism

response to psychostimulants response to antidepressants

Hypo- and hyperaroused fatigue?3. Prophylaxe-Seminar des KNS

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Überstabile Wachheitsregulation bei Depression

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Schlaf

Hyperstabile Wachheit(z.B. Depression)

Instabile Wachheit (z.B. ADHS, Manie, Extrovertiertheit, Fatigue)

normaler Wachheitsabfall

Zeit [15 min]

Wachheit

Ist Rückzug- und Reizvermeidungsverhalten in der Depression eine Reaktion auf hyperstabile Wachheit?

Hegerl et al 2012, Neurosci Biobehav Rev

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Überstabile Wachheitsregulation bei Depression

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SchlafZeit [15 min]

Wachheit

•Schlaf oft depressions- verstärkend•Morgentief•Wachtherapie•Schlafmangel manieauslösend•Psychostimulantien antimanisch?

bei sich selbst Zusammenhang zwischen Schlaf und Stimmung beobachten

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Vigilance regulation in unmedicated patients with Major Depression (n=30) and healthy controls (n=30)

Differences between depressives and controls were tested by Mann-Whitney U-Test: * p < .050; ** p < .010; *** p < .001

Hegerl et al 2011, World J Biol Psychiatry

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Patients treated with methylphenidate Patients treated with placebo

Lower vigilance stages (B2/3) at baseline predict better response to methylphenidate in Cancer Related Fatigue

Only in the verum group there was a significant correlation (Pearson correlation coefficient r = 0.64; p=0.008)

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Depression

•PSD ist häufig•PSD geht mit erhöhter Mortalität und Morbidität einher•Mehr als nachvollziehbare Reaktion auf Schlaganfall•AD (SSRI) bei PSD antidepressiv und präventiv wirksam•Depression häufigste Ursache für Suizide

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2.2.

Am 1. September 2013Am 1. September 2013Leipzig, GewandhausLeipzig, Gewandhaus

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