8. die pragmatische wende in der textlinguistik

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64 - (1989): Language, Context, and Text: Aspects of Languagein a Social SemioticPerspective. London. Halliday, Michael A. K./Matthiessen, Christian M. L M.: Constructing experience through meaning: a language basedapproach to cognition. London, im Druck. Halliday, Michael A. K./Mclntosh, Angus/Stre- vens,Peter (1964): The linguistic sciences and lan- guageteaching. London. Hatim, Basil/Mason, Ian (1990): Discourse and the Translator. Language in Social life Series. London. Hodge, Robert/Kress, Gunther (1988): Social Semiotics. Cambridge,England. Malinowski, Bronislaw (1953): Coral Gardensand their Magic. New York. Matthiessen, Christian M. I. M./Bateman,John A. (1991): Text Generation and Systemic-Functional I. Forschungsphasefund Forschungsansätze Linguistics: Experiences from English and Japa- nese. Communication in Artificial Intellieence Series. London. Palmer,Frank R. (1968):Selected Papersof J. R. Firth 1952- 1959. London Sinclaiq John M. (1991); Corpus, Concordance, Collocation. Oxford. Steiner,Erich (1983): Die Entwicklung des Briti- schen Kontextualismus. Heidelberg. Sweet, Henry (1891): A new English Grammar. Oxford. Wegener, Philipp (1885): Untersuchungen über die Grundfragen des Sprachlebens. Halle. Erich Steiner Saarbrücken ( Deutschland) tive der Wende lagen dabei außerhalb der Disziplinen selbst in der Artikulation gesell- schafts- und bildungspolitischer Ansprüche an die Wissenschaft, etwa zur Kompensation sozialer Ungleichheit, zum Abbau von Bil- dungsschranken, zur Emanzipation und der Erweiterung kommunikativer Partizipations- möglichkeiten beizutragen (vgl. z. B. Maas/ Wunderlich 197 2; Hartung 1987). Die Formulierung ,,pragmatische Wende in der Textlinguistik" bezeichnet zum einen die Folgen der Anwendung pragmatischen Den- kens und pragmatischer Methodik in einem speziellen Teilbereich linguistischer Theorie- bildung und Deskription, eben der Textlin- guistik (vgl. z. B. Schlieben-Lange 197511979, ll0ff; Helbig 1988/1990, 152ff; Heinemann/ Viehweger 1991, 22ff). Zum andern jedoch wird die von der stärker textgrammatisch orientierten Textlinguistik sich abgrenzende Texttheorie in der Diskussion der 70er Jahre geradedurch die,,Wende" zu einem Synonyrn für eine pragmatisch orientierte Sprach- theorie überhaupt (2. B. Schmidt 1973a). Das heißt, die pragmatische Wende beansprucht ein Aufbrechen etablierter Konzeptualisierun- gen nicht nur von ,,Text", sondern qua Text von ,,Sprache" im Verhältnis zum Sprechen und den Sprechern allgemein. Die Kenntnis sozial bestimmter Handlungszusammenhänge ist Voraussetzung sozialen Handelns. ,,Die symbolische Bindung von Handlungszusam- menhängen ist aber die Leistung der Spra- 8. Die pragmatische Wende in der Textlinguistik 1. Vorbemerkungen 2. Historiographische Probleme der ,,Wende"- Metapher 3. Problemgeschichtliche Einordnungder Wende 4. Zur Konzeption der pragmatischen Wende in der Textlinguistik 5. Die Transformation der Wende: Kritik und Perspektiven 6. Literatur (in Auswahl) l. Vorbemerkungen Unter dem Etikett des ,,pragmatic turn" oder der ,,pragmatischen Wende" wird eine in den 60er Jahren einsetzende Konvergenz neuer Denkansätze in der Philosophfe und Wissen- schaftstheorie und beinahe allen Human- und Kulturwissenschaften zusammengefasst, die sich aus sehr heterogenen Strömungen zu- sammensetzte (vgl. Stachowiak 1993; Ver- schueren 1995) und in der Linguistik ihre Hauptwirkung ab etwa 1970 entfaltet hat (vgl. Helbig 1988/1990). Gemeinsam ist allen Strömungen die Uberzeugung von der sozia- len Vermitteltheit wissenschaftlicher Erkennt- nis, die Prämisse einer wesentlich sozialen, das heißt durch Handeln und soziale Erfah- rung begründeten Konstituenz der zu erklä- renden und beschreibenden Gegenständeso- wie der Anspruch auf gesellschaftliche Bedeu- tung und praktische Relevanz der Theoriebil- dung. Die wesentlichenTriebkräfte und Mo-

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Page 1: 8. Die pragmatische Wende in der Textlinguistik

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- (1989): Language, Context, and Text: Aspects ofLanguage in a Social Semiotic Perspective. London.

Halliday, Michael A. K./Matthiessen, Christian M.L M.: Constructing experience through meaning:a language based approach to cognition. London,im Druck.

Halliday, Michael A. K./Mclntosh, Angus/Stre-vens, Peter (1964): The linguistic sciences and lan-guage teaching. London.

Hatim, Basil/Mason, Ian (1990): Discourse and theTranslator. Language in Social life Series. London.

Hodge, Robert/Kress, Gunther (1988): SocialSemiotics. Cambridge, England.

Malinowski, Bronislaw (1953): Coral Gardens andtheir Magic. New York.

Matthiessen, Christian M. I. M./Bateman, John A.(1991): Text Generation and Systemic-Functional

I. Forschungsphasef und Forschungsansätze

Linguistics: Experiences from English and Japa-nese. Communication in Artificial IntellieenceSeries. London.

Palmer, Frank R. (1968): Selected Papers of J. R.Firth 1952- 1959. London

Sinclaiq John M. (1991); Corpus, Concordance,Collocation. Oxford.

Steiner, Erich (1983): Die Entwicklung des Briti-schen Kontextualismus. Heidelberg.

Sweet, Henry (1891): A new English Grammar.Oxford.

Wegener, Philipp (1885): Untersuchungen über dieGrundfragen des Sprachlebens. Halle.

Erich Steiner Saarbrücken( Deutschland)

tive der Wende lagen dabei außerhalb derDisziplinen selbst in der Artikulation gesell-schafts- und bildungspolitischer Ansprüchean die Wissenschaft, etwa zur Kompensationsozialer Ungleichheit, zum Abbau von Bil-dungsschranken, zur Emanzipation und derErweiterung kommunikativer Partizipations-möglichkeiten beizutragen (vgl. z. B. Maas/Wunderlich 197 2; Hartung 1987).

Die Formulierung ,,pragmatische Wende inder Textlinguistik" bezeichnet zum einen dieFolgen der Anwendung pragmatischen Den-kens und pragmatischer Methodik in einemspeziellen Teilbereich linguistischer Theorie-bildung und Deskription, eben der Textlin-guistik (vgl. z. B. Schlieben-Lange 197511979,ll0ff; Helbig 1988/1990, 152ff; Heinemann/Viehweger 1991, 22ff). Zum andern jedochwird die von der stärker textgrammatischorientierten Textlinguistik sich abgrenzendeTexttheorie in der Diskussion der 70er Jahregerade durch die,,Wende" zu einem Synonyrnfür eine pragmatisch orientierte Sprach-theorie überhaupt (2. B. Schmidt 1973a). Dasheißt, die pragmatische Wende beanspruchtein Aufbrechen etablierter Konzeptualisierun-gen nicht nur von ,,Text", sondern qua Textvon ,,Sprache" im Verhältnis zum Sprechenund den Sprechern allgemein. Die Kenntnissozial bestimmter Handlungszusammenhängeist Voraussetzung sozialen Handelns. ,,Diesymbolische Bindung von Handlungszusam-menhängen ist aber die Leistung der Spra-

8. Die pragmatische Wende in der Textlinguistik

1. Vorbemerkungen2. Historiographische Probleme der ,,Wende"-

Metapher3. Problemgeschichtliche Einordnungder

Wende4. Zur Konzeption der pragmatischen Wende

in der Textlinguistik5. Die Transformation der Wende: Kritik und

Perspektiven6. Literatur (in Auswahl)

l. Vorbemerkungen

Unter dem Etikett des ,,pragmatic turn" oderder ,,pragmatischen Wende" wird eine in den60er Jahren einsetzende Konvergenz neuerDenkansätze in der Philosophfe und Wissen-schaftstheorie und beinahe allen Human-und Kulturwissenschaften zusammengefasst,die sich aus sehr heterogenen Strömungen zu-sammensetzte (vgl. Stachowiak 1993; Ver-schueren 1995) und in der Linguistik ihreHauptwirkung ab etwa 1970 entfaltet hat(vgl. Helbig 1988/1990). Gemeinsam ist allenStrömungen die Uberzeugung von der sozia-len Vermitteltheit wissenschaftlicher Erkennt-nis, die Prämisse einer wesentlich sozialen,das heißt durch Handeln und soziale Erfah-rung begründeten Konstituenz der zu erklä-renden und beschreibenden Gegenstände so-wie der Anspruch auf gesellschaftliche Bedeu-tung und praktische Relevanz der Theoriebil-dung. Die wesentlichen Triebkräfte und Mo-

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8. Die pragmatische Wende in der Textlinguistik

che" (MaasÄVunderlich 1972, 193). Diese aufSprache insgesamt bezogene pragmatischePerspektive fordert, sprachliche Tatbeständegrundsätzlich vom Texthandeln her und imHinblick auf die Bedingungen seines Gelin-gens theoretisch zu konzipieren und zu be-schreiben.

Eine Darstellung zur textpragmatischenWende steht damit vor der Alternative, dieAufgabe entweder auf die speziell pragma-tisch motivierten Beiträge zum ,,Text" als(weiterer) linguistischer Beschreibungsebenezu beschränken oder aber das eigentliche Mo-tiv und Movens der ,,pragmatischen Wendein der Textlinguistik", nämlich den Versuchzur Begründung eines pragmatischen Sprach-begriffs ins Zentrum zu stellen. Für eine demForschungsstand adäquate Darstellung undproblemgeschichtliche Wertung der,,Wende"scheint es sinnvoll, die beiden Gesichtspunktezu verbinden. Damit wird eine Erörterungzum Begriff der Pragmatik selbst erforder-lich, die eine problemgeschichtliche Einord-nung der Wende und ihrer Folgen für dieTextlinguistik ermöglicht.

In die Formulierung der Themenstellungdes Beitrags gehen vielftiltig komplexe und inder Diskussion kontrovers thematisierte Vor-aussetzungen ein. Dies betrifft die Rede voneiner ,,Wende" überhaupt, den zugrunde zulegenden Begriff der Pragmatik wie auch dender Textlinguistik bzw. des Textes. Der Arti-kel orientiert den Aufbau der Argumentationan dieser Problematik. Im Folgenden werdenunter (2) die methodologischen Implikationendes historiographischen Konzepts,,Wende"problematisiert. Die Erörterung wird unter(3) auf die jüngere historiographische Ein-ordnung und Bewertung der ,,pragmatischenWende" in der Linguistik bezogen. Damitverbunden ist eine Erörterung zum Begriffder Pragmatik. Kapitel (4) diskutiert die Ent-stehungshintergründe und die Differenzie-rung textpragmatischer Orientierungen unterprimärem Bezug auf die Diskussion im deut-schen Sprachbereich. Kapitel (5) schließlichbehandelt die Aussichten der Textpragmatikvor dem Hintergrund der Kritik an Haupt-orientierungen der Wende in der linguisti-schen Diskussion.

Hinsichtlich der weitestgehend kanoni-schen Elemente der Darstellungen zur Ent-wicklung der textlinguistischen Diskussionfasst sich der Beitrag kurz. Übersichtl icheund informative Darstellungen dazu, in de-nen sich die Entfaltung der textlinguistischenSystematik in der Regel auch an der histori-

schen Entwicklung der Diskussion orientiert,sind gut zugänglich (vgl. Brinker 1913;1996;Kallmeyer/Meyer-Hermann 1973; Dressler(ed.) 1978a, l -15; Völz ing 1978, 13-33; deBeaugrande/Dressler 1981, l5-31; Helbig1988/1990, 148- 178, Heinemann/Viehweger1991, l3-85). Da der begriflliche und theore-tische Ertrag der pragmatischen Wende indiesem Band in verschiedenen Beiträgen aus-führlich zur Sprache kommt, konzentriertsich der Artikel auf eine problemgeschicht-liche Darstellung und Einordnung.

2. Historiographische Probleme der

,,Wende"-Metapher

Konsensbildung in wissenschaftsgeschicht-lichen Darstellungen ist ein komplizierterund von Kontroversen getragener Prozess.Initiale Prozesse wissenschaftshistorischerEntwicklungen, Kristallisations- und Kulmi-nationspunkte wie auch Bruchstellen undWendepunkte sind durch die Historiographiekeineswegs im Sinne bloßer Faktensammlungzu dokumentieren; sie werden vielmehr histo-riographisch konstruiert. Wissenschaftssozio-logisch junge Disziplinen wie die linguistischePragmatik und die Textlinguistik sind in ihrerEntwicklung unmittelbar geprägt vom Ver-such, den eigenen Forschungsstandpunkt dis-kursiv durchzusetzen und über historiogra-phische Deutungsmuster - wie etwa das der,,Wende" - verbindlich zu interpretieren. DieEtablierung von Darstellungskonventionenzur Geschichte steht dabei stets in der Span-nung zwischen der Diskursgeschichte derDisziplinen einerseits und ihrer wissenschaft-lichen Problemgeschichte andererseits (vgl.Knobloch 1996). Was im sozialen System derWissenschaftskommunikation Anerkennungfindet, muss nicht notwendigerweise auchproblemgeschichtlich ein Fortschritt sein,und umgekehrt. Der Erfolg theoretischer In-novation wird notwendig zunächst als einkommunikativer Erfolg manifest, indem etwagegenüber einer bis dahin vorherrschendenLeitorientierung eine Abgrenzung durchge-setzt wird und autonome Thematisierungenermöglicht werden. Vor allem darauf ist dieSelektivität und Perspektivität der,,Wende"-Metapher - auch im Kontext der ,,pragmati-schen Wende" - bezogen. Sie betont die Dis-kontinuität und den Bruch mit herrschendenOrientierungen und bezieht daraus ihre Wert-schätzung. Helbig (1988/1990, 15) macht denauf die spezifi sche zeitgeschichtliche Diskurs-

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konstellation bezogenen Sinn der Wende-Me-taphorik deutlich, wenn er formuliert: ,,Vorallem unter dem maßgebenden Einfluss desStrukturalismus und der generativen Gram-matik entstand der Eindruck einer solchenUmorientierung als 'Wende"', und entspre-chend formuliert Hartung in einem Rück-blick auf die 70er Jahre: ,,Man wußte, woge-gen man waro aber nicht unbedingt, wofür"(Hartung 1987, 278). Diese Hinweise auf diediskursive Eigendynamik der sprachprag-matischen Wende lassen zunächst offen, wieihr problemgeschichtlicher Stellenwert einzu-schätzen ist.

3. Problemgeschichtliche Einordnungder Wende

3.1. Diskursive Dynamik der Wende

Der unter dem Stichwort ,,pragmatischeWende" gefasste Wandel setzt den Prozessder wissenschaftlichen Institutionalisierungeiner linguistischen Pragmatik in Gang. DieWende kommt bezogen auf die Textlingui-stik/Texttheorie in programmatischen Ent-würfen zum Ausdruck (2. B. Hartmann 1968;1971; MaasAil'underlich 1972; Schmidt 1973a1'Breuer 1974; Kummer 1975), die innerhalbkurzer Zeit in den 70er Jahren zu einem An-stieg einschlägiger Forschungsaktivitäten füh-ren, begleitet von Tagungen, Kongressen undDebatten, denen Diskussionsbände (Stempel(ed.) l97l; Gülich/Raible (eds.) 1972; 1977;Schmidt (ed.) 1976; Petöfi (ed.) 1979), For-schungsberichte und Anthologien (Schmidt(ed.) 1974; Dressler (ed.) 1978a; 1978b) fol-gen. Nahtlos schließt sich für den Bereich derPragmatik insgesamt die Gründung entspre-chender Zeitschriften an - zuerst des ,,Jour-nal of Pragmatics" im Jahr 1977 - sowie dasErscheinen einschlägiger Einführungen (be-reits Dressler 1972; Kallmeyer et al. 1914;Coseriu 198011994; van Dijk 1980; Dressler/de Beaugrande 1981; Brinker 1985; Heine-mann/Viehweger l99l;Yater 1992) und Hand-bücher (van Dijk (ed.) l98a). Im Blick aufdiese Entwicklungen beschreiben Heine-mannAy'iehweger (1991) die Konsequenzender pragmatischen Wende wie folgt: ,,Seitherrücken in stärkerem Maße Fragen der prak-tischen Verwendung von Sprachzeichen inkonkreten Kommunikationsereignissen insZenlrum des Interesses. wird die Einbettunssprachlicher Außerungen in komplexe, überigreifende Zusammenhänge der kommunika-tiven T?itigkeit postuliert" (HeinemannAy'ieh-

I. Forschungsphasen und Forschungsansätze

weger 1991, 22). Die Einschätzung trifft zu,soweit man sich dabei am wissenschaftlichinstitutionellen Aufkommen und der Kon-junktur der sogenannten,,Bindestrich-Lin-guistik" Sprechakttheorie, Gesprächsanalyse,Soziolinguistik, Psycholinguistik - auch dieTextlinguistik wird dazu gezählt - (vgl. Hel-big 1988/1990, 148ff) orientiert. Ein erhebli-cher Anteil dieser Prosperität der Wende istdabei gleichursächlich mit der allgemeinenExpansion des Bildungs- und Wissenschafts-systems zu Beginn der 70er Jahre.

3.2. Problemgeschichtliche Ambivalenz

In der Retrospektive ist kritisch zu konstatie-ren, dass die Geschichte pragmatisch argu-mentierender Sprachbegriffe in der Sprach-theorie tiefergehende Fundamente gelegt hat,als in der ,,pragmatischen Wende" selbst zumTragen kommen. Die Wende bleibt theore-tisch und grundbegrifllich hinter Vorleistun-gen pragmatischen Denkens in der Sprach-theorie zurück, und zwar sowohl im Blickauf den sprachkonstituierenden als auch imBlick auf den sozial konstitutiven Charaktersprachlichen Handelns. Brigitte Nerlich undDavid D. Clarke fassen die Ergebnisse ihrerForschungen zur Geschichte der Pragmatik(Nerlich 1995a; 1995b; Nerlich/Clarke 1994;1996) in einer äußerst skeptischen Wertungdes Ertrags der Wende zusammen: ,,How-ever, in the case of pragmatics, some of thepast got lost or forgotten in the excitementof the present. As a result something of thediscipline itself was lost, in the same way thatindividuals can lose their identity by losingtheir memory" (Nerlich/Clarke 1994, 440).

Die Autoren weisen nach. dass (und auswelchen Gründen) im ,,so-called pragmaticturn" (Nerlich 1995a,311) der hinsichtlichder sprachtheoretischen Pragmatiktraditionweitestgehend isolierte Diskursstrang der,,ordinary language philosophy" (Austin,Grice, Searle) zum Tragen kommt (Nerlich1995a- 324ffi. Dieser verfehlt bereits be-züglich der Sprechakttheorie i.e. S. die Re-zeption einschlägiger Arbeiten, z. B. AdolfReinachs (Burkhardt 1990; Nerlich/Clarke1996). Wichtiger im vorliegenden Zusam-menhang ist jedoch die nahezu vollständigeVernachlässigung der Arbeiten, die die Kon-textualität der Kommunikation, die Bezogen-heit sprachlicher Ordnungen auf Kontextedes Handelns und die pragmatisch bestimmtezeichenhafte Materialität der Sprache in denMittelpunkt stellen. In diesem Sinne beziehtdas Pragmatikverständnis der ,,ordinary lan-

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8. Die pragmatische Wende in der Textlinguistik

guage philosophy" weder Grundlegungen der20er Jahre (2. B. bei Malinowski und Mead)mit ein, noch die vor allem im deutschenSprachbereich anzusiedelnden sprachprag-matischen Entwürfe (2. B. bei Marty, Wege-ner und vor allem Bühler), die in der Lingui-stik Einfluss auch auf die englischsprachigeDiskussion der 30er Jahre (2. B. Gardiner,Firth) gewinnen und die Entwicklung desKontextualismus mit motivieren. Diese histo-rische Unbedarftheit hat Konsequenzen auchfür den dadurch etablierten Pragmatikbegriff.Freilich ist zu konzedieren, dass auch der ausheutiger Sicht komplexeste Entwurf zu einempragmatischen Sprachbegriff ante litteram,Karl Bühlers Sprachtheorie, bestenfalls An-sätze zu einem Begriff von Textualität als ei-genständiger Sprachbeschreibungsebene ent-wickelt und dass ihm ebenso der Zugriffauf den sozialkonstitutiven Charakter desSprechakts (i. S. performativer Akte) fehlt.Zumindest hinsichtlich des ersten Punktsliegt die Ursache in einer Unterschätzung derdurch das Verstehen konstituierten sprachli-chen Ordnungen (Ehlich 1989). Nichtsdesto-weniger liefert Bühler ein umfassendes Mo-dell für einen ungeteilt pragmatischen Begriffder Sprache ,,als Kommunikationsmittel mitausdrücklichem Sprecher-Hörer-Bezug" (Sta-chowiak 1993, XXVII) und entwickelt hierden frühen Ansatz Philipp Wegeners weiter.Die besondere Leistung dieser Perspektivebestand gerade auch darin, dass sie es ermög-lichte, das System pragmatisch zu verstehen.

Im Gegensatz dazu nimmt der Ansatz der,,ordinary language philosophy" zwar diepragmatischen Funktionen des Sprachhan-delns in den Blick, aber er blendet die prag-matische Funktionalität der Sprache selbsttheoretisch und empirisch weitgehend aus(vgl. Verschueren 1995, 6ff). Bei Austin undSearle bestimmen die konventionellen For-mate der Sprechakte - und damit implizitnach wie vor der Satz -, bei Grice die weitge-hend zeichenungebundene Intention und diekonversationelle Logik der Implikatur denPragmatikbegriff. Die Pragmatik wird auf ei-nen eng umschriebenen, gegen Syntax und(kontextfreie) Semantik weitgehend abge-schotteten kanonischen Bereich begrenzt, derDeixis, konversationelle Implikatur, Präsup-position, Sprechakte und konversationelleInteraktion (2. B. Levinson 1983/1994) um-fasst. Dass sprachliche Selektionen allerStrukturebenen im Text nicht ein bloßes Per-formanzphänomen sind, sondern auch durchin der Kompetenz verfügbare Text-Kontext-

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beziehungen qualifiziert sind, kommt nichtals ein pragmatisches Problem in den Blick.Kontext und sprachliche Bedeutung sind ineinem pragmatischen Sprachbegriff koevol-vierende Einflussgrößen, und zwar potentiellhinsichtlich der Gesamtheit sprachlicher Ei-genschaften. Entsprechend kritisch gegen-über einem aktzentrierten Pragmatikbegriffformuliert Verschueren ,,if ... pragmatics isto be defined as the study of meaning incontext, it should study whatever meaningemerges as a result of the contextual use ofany linguistic feature (including phonologi-cal, morphological, or syntactic ones),whether this feature has a 'semantics' of itsown or not" (Verschueren 1995, l1). Erstrecht gilt dies freilich auch für die übersatz-mäßigen Ordnungen des Textes und des Ge-sprächs, die über semasiologisch fassbareZeichenqualitäten komplexe Handlungssche-mata in der Kompetenz verfügbar machen.Die Tradition eines die Leistungen des Ver-stehens in Rechnung stellenden Sprachbe-griffs, die Dimension der ,,Sprache als Text"(Scherner 1984) bleibt in der sprechakttheo-retisch dominierten Pragmatik der Wendeweitgehend unberücksichtigt.

3.3. Die Dialektik der Wende

Während die ,,pragmatische Wende" - imKontext der Texttheorie - zunächst bean-sprucht, die systemlinguistische Perspektiveaufzuheben, kommt es in der Folge tatsäch-lich zu einer Art Zwei-Reiche-Lehre, in derauf der einen Seite Systemlinguistik, alsoGrammatik (mit Syntax + wahrheitswert-funktionaler Semantik), und auf der anderenSeite die Pragmatik als Residualkategorie ste-hen. Mit dieser Entwicklung kommt inner-halb einer linguistischen Pragmatik, die ihrEntstehen wesentlich der - gegen den logi-schen Positivismus Rudolf Carnaps gewende-ten - ordinary-language-philosophy Austinsverdankt, tatsächlich Carnaps Pragmatikver-ständnis der ideal-language-philosophy zumTragen. Diese Ambivalenz ist bereits 1938 inMorris' Konzeption der Pragmatik angelegt(vgl. Schneider 19931' Verschueren 1995). Syn-taktische und semantische Kompetenz einer-seits und pragmatische Kompetenz anderer-seits werden im Diskurs kategorial geschie-den. Genau dadurch jedoch wird ein für dieTextlinguistik folgenreicher Kunstgriff mög-lich: In der Gegnerschaft der Wende-Pragma-tik zur Aussagenlogik und Satzlinguistikbleibt die Bezugsgröße konstant: Der Satzwird durch die Außeruns ersetzt: die ver-

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meintlich,,neueo' Handlungsperspektive wirdqua Satz aufden Sprech-Akt bezogen, - unddarauf reduziert. Der Handlungswert desTextes ergibt sich in dieser Sicht als Summeillokutiver Teilhandlungen eines Sprechers,die sprachlich ,,auf die Sätze des Textes ab-bildbar" (Motsch 1986, 262) sein sollen (vgl.Kap. 4.3.3.). Damit werden rationalistischeSyntax und universalistische Pragmatik ver-söhnt. Der Erfolg der Wende scheint - ent-gegen dem historiographischen Augenschein- problemgeschichtlich geradezu dadurchzustande zu kommen, dass ihr Pragmatikbe-griff Interessen der generativen Positionstützt. ,,Austin, Wittgenstein, and Grice werehailed as heroes in the 1970s and their in-sights were quickly integrated into a system-oriented linguistics looking for universal fea-tures of language" (Nerlich 1995a,3ll).

Diese eigentümliche Gleichsinnigkeit vonGrammatik und Pragmatik der Wende führtunmittelbar zu einer letzten Ambivalenz: ImSelbstverständnis der Textlinguistik wird be-reits in den 80er Jahren das .,Wende"-Modelleiner Ablösung der textgrammatischen durcheine handlungstheoretische bzw texttheoreti-sche Perspektive zurückgeführt und aufgelöstzugunsten eines integrativen Ansatzes (2. B.Heinemann/Viehweger l99l; Brinker 1985;1996). Der Anspruch auf eine vollständigeAssimilation der Textkonstituenz an Kate-gorien des Handelns ist aufgehoben und inein nach Beschreibungsebenen differenziertesModell überführt worden, das wesentlichauch die Gliederung dieses Handbuchs - na-mentlich in Kapitel V. und VI. - bestimmt.Die Textlinguistik hat sich - so gesehen -

als wissenschaftliche Diszplin konsolidiert.Komplementär dazu jedoch steht in einernach Grammatik & Pragmatik differenzier-ten Sprachtheorie der Status des Textes -

auch und gerade als Folge der ,,pragmati-schen Wende" - zlr Disposition, denn diePragmatik hat keinen systematischen Ort füreine Textlinguistik, die mit der Sprachlichkeitdes Textes in toto rechnet (vgl. z. B. Motsch1986 vs. Hartung 1987). Weite Teile der herr-schenden Pragmatik - von der Grammatikzu schweigen - geben den Text als eigenstän-dige Kategorie zur Analyse eines sprachlichzeichenhaft integrierten Handelns auf. In derSicht - des Grammatikers und Historiogra-phen Gerhard Helbig: ,,Die Textlinguistik hatdas Schicksal, von der gleichen wissenschafts-geschichtlichen Entwicklung (der,,kommu-nikativ-pragmatischen Wende") zugleich her-vorgebracht und eingeschränkt bzw. ,,aufge-

I. Forschungsphasen und Forschungsansätze

hoben" zu werden" (Helbig 1988/1990, 157).Das ist die Dialektik der pragmatischenWende. Diese Dialektik ist allerdings nichtdas letzte Wort in der Geschichte der Textlin-guistik (vgl. Kap. 5).

4. Zrr Konzeption der pragmatischen

Wende in der Textlinguistik

4.1. Die Hinwendung der Systemlinguistikzum Text

Der Text ist durchaus auch in systemlingui-stischer Perspektive ein Ausgangs- und Ziel-punkt der linguistischen Analyse. Im me-thodologischen Programm seiner,,Prolego-mena" (zuerst 1943) bestimmt Hjelmslev, derAusgangspunkt der linguistischen Analyse sei,,der noch unanalysierte Text in seiner unge-teilten und absoluten Ganzheit" (vgl. Hjelms-lev 194311974, l7). Die Analyse soll, ausge-hend vom ,,Text als einer in Komponentenaufgeteilten Klasse" (vgl. ebd.), zur Kon-struktion des Systems führen. Die Perspek-tive und der Zielpunkt systemlinguistischerZugänge zum Text wird in einer MetapherHjelmslevs deutlich: ,,Die erste Aufgabe derAnalyse besteht ... darin, eine Teilung desTextverlaufs vorzunehmen. Der Text ist eineKette. und alle Teile h.B. Sätze. Wörter. Sil-ben und was man sonst noch nennen will)sind ebenfalls Ketten" (ebd. 3a). Die Me-thode der Textbeschreibung ist die Textana-lyse im Sinne einer ,,fortgesetzten Teilung"(ebd.), wobei sich Hjelmslev explizit gegenden linguistischen Usus wendet, gleich mit ei-ner Teilung der (Satz)Perioden in Sätze zu be-ginnen und die Behandlung größerer Text-teile, Periodenverbindungen usw. anderenWissenschaften zuzuweisen (vgl. ebd. 96).Trotz dieser Selbstverpflichtung, den Textzum Gegenstand zu machen, kommt Hjelms-levs analytische Perspektive nicht zur Syn-these. Zwar ist der Text phänomenologischeine Ganzheit, aber die Frage, was eigentlichdie 'Ketten' auf der Ebene des Textes selbstintegriert, stellt Hjelmslev nicht. Der Text istunentbehrlich als Bezugsgröße für die Aus-gliederung einer Hierarchie von Taxemen desSystems, aber genau dadurch kommt er nichtselbst als Komponente des Handelns in denBlick. Die bei Hjelmslev exemplarische Pro-blematik, die sich auch in Harris' (1952) di-stributioneller,,discourse analysis" fortsetzt(vgl. Wunderlich 1976, 294ff; Yölzing 1979,19ff), bricht in der systemlinguistischen Per-spektive bereits auf. bevor die Entwickluns

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Page 6: 8. Die pragmatische Wende in der Textlinguistik

8. Die pragmatische Wende in der Textlinguistik

der Pragmatik den Prozess akzeleriert. DerVersuch, den Text transphrastisch als Satz-kette zu bestimmen und deren Kohärenz mitden Konzepten und Methoden der Satzlin-guistik zu analysieren, scheitert. Satzgram-matische Merkmale wie Satzgliedstellung (to-pic-comment-Gliederung), Artikelselektion,Partikelgebrauch, Tempusfolge, Satzmodus,direkte und indirekte Rede, Ellipse, Satzak-zent und Intonation, vor allem aber Korefe-renz und ana- und kataphorische Pronomi-nalisierung weisen über den Satz hinaus aufden Text als Funktionseinheit. EntsprechendeKataloge von Merkmalen und Kategorien ei-ner Textgrammatik werden erarbeitet (vgl.z. B. Isenberg 1968/1971; Wunderlich 1970;Dressler 1972, 16ff). Es gelingt aber nicht,mittels der analytisch bestimmten transphra-stischen Qualitäten und Einheiten textuelleKohärenz hinreichend zu fassen, geschweigedenn kohärente Texte zu generieren. Das giltfür das syntaktische Konzept pronominalerVerkettung Roland Harwegs (1968) ebensowie für die bereits strukturalistisch transfor-mationell orientierten Ansätze in der Arbeits-stelle für Strukturelle Grammatik (ASG) inOst-Berlin (2. B. Isenberg, Heidolph, Steinitz)oder die der generativen Semantik verpflich-teten Ansätze im Konstanzer DFG-Projektzur ,,Textgrammatik" (vgl. v. Dijk/Ihwe/Pe-töfi/Rieser 1972). Die insbesondere in derdeutschsprachigen Wissenschaftslandschaftforcierte Diskussion führt zu grundsätzlichenKontroversen (2. B. Schmidl 1973b zu Dress-ler 1972). Schwierigkeiten zeigen sich in text-syntaktischer und textsemantischer Hinsicht.

Textsyntaktisch führt etwa der Versuch,die koreferente pronominale Wiederauf-nahme eines Nominalausdrucks syntaktischals Transformation dieses Ausdrucks zu be-handeln, bei einem Satz wie the woman whowrote him saw the man who loves her zu eineminfiniten Regress, wenn her bzw. him jeweilsdurch den koreferenten Nominalausdruck er-setzt werden. Dieses sogenannte ,,Bach-Pe-ters-Paradox" durchbricht die Logik einerRückführung der Substitution auf syntakti-sche Kategorien und Transformationen (vgl.Bach 1970; Völzing 1979,32f).

Das textsemantische Hauptproblem derErklärung beziehungsweise des Generierenskohärenter Satzfolgen liegt darin, dass dieaszendenten Formen der Wiederaufnahmeebenso wie die nichttextualisierten Verstehens-voraussetzungen (Präsuppositionen, Konti-guitätssubstitution etc.) zu ihrem Funktionie-ren eine jeweils textuell deszendente themati-

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sche Selektivität vorausse tzen. D abei begrün-det erst die in der (Text)Handlung bzw. imTexttyp liegende Perspektivität einer Thema-tisierung kohärente Präsuppositions- und Er-wartungszusammenhänge (vgl. Völzing 1979,32 ff; Scherner 7984,I<ap. 1-9). Die zentraleRolle des übergreifenden Kohärenzaspektstritt besonders deutlich bei der sogenannten,,impliziten" Wiederaufnahme, Konnexionbzw. Themaprogression (vgl. bereits Isenberg1971; Brinker 1996, l5l7ff) zutage. Teun A.v. Dijks Konzept der ,,Makrostruktur" vonTexten greift dieses Problem zunächst imRahmen eines generativen Ansatzes auf (v.Dijk l97ll78: 1977; 1980, 4l ff); die resultie-rende textsemantische Konzeption steht aberbereits auf der Schwelle zu einem deszendentpragmatischen Textbegriff, der die Meta-phorik der Text-,,Kette" aufgibt (vgl. v. Dijk1980, 92rr).

4.2. Philosophischer Kontext dertextpragmatischen Wende

Der sprachphilosophische Kontext ist für dieBegründung einer linguistischen Texttheorievor allem bedeutsam, weil die Philosophie ge-rade nicht den sprachlichen Text zum Aus-gangspunkt der Reflexion nimmt, sonderneine pragmatische Basisebene zu begründensucht, die Textualität selbst erst ermöglichtund fundiert. Nur philosophisch kann derblinde Fleck jeder Sprachtheorie in den Blickkommen. Der philosophische Schlüssel zu ei-ner pragmatischen Theorie des Textes istzweifellos die Kategorie der Handlung.Schon philosophisch ist dabei jedoch die Ex-tension von ,,Handlung" problematisch undan der Frage, wie die ,,Handlung" zursprachlichen Form in Beziehung zu setzensei, scheiden sich grundsätzlich divergierendeOrientierungen. Die sprachpragmatische Phi-losophie der 60er und 70er Jahre trägt zurBeantwortung dieser zenlralen Frage nahezunichts bei. Auch eine pragmatische Philoso-phie des ,,Textes" hat es nicht gegeben, undso fehlt ein entsprechendes Kapitel in ein-schlägigen Abhandlungen znr Begriffsge-schichte von ,,Text" (vgl. Ehlich 1984; Kno-bloch l990a,b; Scherner 1997). Gleichwohlkönnen genuin philosophische Leitkonzeptebenannt werden, die den Diskurs zur prag-matischen Wende in der Linguistik und Text-linguistik geprägt haben. Dazu gehören:kommunikative Konstitution und Sprach-Apriori der Möglichkeit von Erkenntnis;Doppelstruktur der Rede (illokutionär/pro-positional); Performativität/Handlungscha-

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rakter der Außerung; Konventionalität vonSprechhandlungen; Intentionalität und inten-tionale Logik der Konversation bzw. Argu-mentation, Dialogizität, Universalität derDiskursnormen. Der philosophische Kontextlässt sich problemgeschichtlich unter dreizentralen Topoi rekonstruieren: Sie betreffendas Verhältnis (a) von Bedeutung und Be-griff, (b) von Aussage und Handlung sowie(c) das Verhältnis der Handelnden selbst zu-einander.

(a) Die Grundlegung einer pragmatischenPerspektive in der sprachphilosophischen Se-mantik geht zurück auf Ludwig Wittgen-steins Anregungen zu einer operationalen Be-deutungstheorie. In S. J. Schmidts (1968) phi-losophischer Habilitationsschrift wird dieseTraditionslinie sprachphilosophisch und lin-guistisch rekonstruiert und in kritischer Ab-setzung von der sich als nicht-empirischeWissenschaft verstehenden logischen Seman-tik (Frege, Mill, früher Wittgenstein, Carnap,Tarski, Stegmüller) zum Konzept einer empi-rischen Textsemantik weiterentwickelt. Be-deutungsfragen werden abgelöst von der inder logischen Semantik vorherrschenden Re-ferenz- und Wahrheitsproblematik - und lin-guistisch ebenso von der in Deutschlandnoch dominierenden Wortfeldtheorie - undsie werden pragmatisch an die Bedingungendes Verstehens gekoppelt. Dieses stützt sichqua sprachlicher Struktur intentional auf densituativen Kontext und erzeugt so Bedeu-tung. Die Pragmatik wird zur Grundlegungder Semantik (vgl. auch Schneider 1975). Dasdafür maßgebliche integrative Format wirdbei Schmidt (1973a) der Text als eine prag-matisch ,,geordnete Menge von Anweisungenan Kommunikationspartner" (ebd. 76). Die-ser Zugang bleibt in der weiteren Entwick-lung der Textlinguistik wichtig für die verste-hensorientierte Perspektive, die das Kohä-renzproblem in den Vordergrund stellt (vgl.Scherner 1984;1997).

(b) Parallel zur Etablierung eines pragma-tischen Bedeutungsbegriffs in der Sprachphi-losophie, der die Tradition der Identifizie-rung von Bedeutung mit dem begrifflichenDenotat sprachlicher Zeichen kritisiert undden Weg für linguistische Theorien der TexUKontextbeziehung freimacht, rückt in derSprechakttheorie der späten 60er Jahre in derNachfolge von Austins frühem Entwurf beiSearle (1965; 1969) erneut die Kritik an derFixierung der Sprachphilosophie auf die Pro-position bzw. Aussagebedeutung in den Vor-dergrund. Die Aussage oder Proposition ist

I. Forschungsphasen und Forschungsansätze

für Searle ein pragmatisch inexistentes philo-sophisches Gebilde. Nur Sprechakte sindpragmatisch real. Propositionen kommen alsTeile solcher Akte vor, unterliegen dabei aberstets der Kontrolle durch den illokutionärenAkt, der durch bestimmte funktionsanzei-gende Mittel - namentlich die sogenannten,,performativen Verben" - erkennbar seinsoll. Die Analyse wahrheitsfunktionaler Aus-sagen in der Sprachphilosophie betrifft ledig-lich die Behauptungen und damit einen sehreingeschränkten Typ illokutionärer Akte. Er-kenntnistheoretisch zentral ist - bereits beiAustin - das Kriterium der Performativität:Das Sprechen bezieht sich nicht qua Pro-position auf eine Wirklichkeit, sondern esist selbst wirklichkeitskonstitutiv, indem esHandlungen vollzieht und Geltungsbedin-gungen für Sprechakte setzt. Für das Verhält-nis zur Linguistik entscheidend ist Searles Be-stimmung, der illokutionäre Akt sei ,,die mi-nimale Einheit der sprachlichen Kommuni-kation" und zu spezifrzieren als ,,die Produk-tion des Zeichens für den Satz unter be-stimmten Bedingungen" (Searle 196511975,154). Hinsichtlich des Verhältnisses von Prag-matik und Textlinguistik hat Searles Theorie

obwohl zer;traler Bezugspunkt nahezualler einschlägigen Arbeiten der frühen siebzi-ger Jahre - gegensätzliche Entwicklungenzur Folge: Die zitierte Dehnition des illoku-tionären Aktes führt einerseits dazu, dass dielinguistische Analyse sich im Wesentlichenweiterhin auf das strukturelle Format desSatzes beschränkt. Am Status des Verhältnis-ses zur Syntax scheiden sich - namentlich imdeutschsprachigen Bereich - hier bereits frühdivergierende pragmatische Grundorientie-rungen: Es entwickelt sich einerseits eine ehersprechakttheoretisch-syntaktische Richtung,die der Syntax eine pragmatische Kompo-nente als Filter vorausgehen lässt (2. B. Wun-derlich), von der sich andererseits eine ehertextsemantisch orientierte Pragmatik ab-grenzt (Hartmann, Schmidt, Kummer, v.Dijk, Weinrich), die pragmatische Informa-tion als Grundlage der jeweiligen sprachli-chen Selektionen selbst sieht (vgl. Schmidt191 3a, 131 ff). Entsprechend kritisiert bereitsSchmidt (1973a, 5l): ,,Searle argumentiertausschließlich satzbezogen, nicht textbezo-gen, und behandelt folglich das Problem dersoziokommunikativen Funktion sprachlicherAußerungen auf der falschen Ebene". NebenSearle werden die Arbeiten von H. P. Grice(1968; 1975) zu einem wichtigen Impuls fürdie pragmatische Wende in der Linguistik.

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8. Die pragmatische Wende in der Textlinguistik

Grice' Schlüsselbegriff ist der der ,,Intentio-nalität". Sie bestimmt, was mit einer Auße-rung gemeint ist und ist die Voraussetzunqfür das Verstehen des Nichtgesagten in ,,konlversationellen Implikaturen". Damit lenktGrice - gewissermaßen kontrapunktisch zuSearles Konventionalismus - die Aufmerk-samkeit auf das Problem des intentionalenGebrauchs und der Erwartbarkeit sozialsinnvoller Inferenzen in der Kommunikation(vgl. Fritz 1982; Vossenkuhl 1982).

(c) Von Bedeutung für die Entwicklung derlinguistischen Pragmatik der 70er Jahre sindHabermas' Konzeption einer Universalprag-matik und Apels Transzendentalpragmatik.Habermas legt seine Konzeption auf eineParallelität zu Chomskys Kompetenztheoriean. Sein Vorschlag zu einer ,,Theorie derkommunikativen Kompetenz" zielt auf die,,Nachkonstruktion des Regelsystems, nachdem wir Situationen möglicher Rede über-haupt hervorbringen oder generieren" (Ha-bermas 1971, 102). Habermas unterscheidetvier universale Klassen von Sprechakten(Konstativa, Repräsentativa, Regulativa,Kommunikativa), die er Typen von Geltungs-ansprüchen für Außerungen zuordnet (Wahr-heit, Wahrhaftigkeit, Richtigkeit, Verständ-lichkeit). Zentrales Argument der Theorie,die auf Begründung einer diskursiven Ethikzielt, ist, dass Handelnde in der Kommunika-tion zwei kontrafaktischen Erwartungen fol-gen: Nämlich, dass die Befolgung von Regelnoder Normen für Sprechakte grundsätzlichintentional sei (Intentionalitätserwartung)und dass - daraus abgeleitet - diese Nor-men als legitim akzeptiert sind bzw. prinzpielldiskursiv thematisiert und legitimiert werdenkönnen (Legitimitätserwartung) (vgl. ebd.118 f). Damit sind die Sprecher in jedem nor-menthematisierenden Diskurs genötigt, eineideale, auf Verständigung und Konsens zie-lende Sprechsituation zu unterstellen. DieStruktur der kommunikativen Komoetenz istHabermas zufolge genau auf die Fahigkeitzur Konstruktion dieser Situation bezosen(ebd. 122). Apel kritisiert Habermas' Ani;h-nung an Chomsky. Er fordert, die grammati-sche wie die kommunikative Kompetenz alsim Sozialisationsprozess koevolvieiende Fä-higkeiten zu analysieren, wobei der Gesichts-punkt kommunikativer Funktionalität füh-rend sei. In Apels Konzeption steht die er-kenntnistheoretische Begründung eines drit-ten Typs der Philosophie - nach einer Phaseder klassischen Ontologie und einer weiterender Bewusstseinsphilosophie - im Zentrum

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(vgl. Apel 1993, 48ff). Dabei stützt er sichvor allem auf Peirce' Semiotik. In der tran-szendentalsemiotischen Philosophie wird diezeichenvermittelte Beziehung der Handeln-den zueinander zur unhintergehbaren Vor-aussetzung von Identität und Erkenntnis.Das ,,ich denke" der klassischen Bewußt-seinsphilosophie wird zum ,,ich argumen-tiere". Text und Texthandeln in einer ..Inter-pretationsgemeinschaft" sind damit episte-mologisch konstitutiv und überwinden Kor-respondenztheorien der Wahrheit ebenso wieerkenntnistheoretischen Solipsismus. Für Ha-bermas wie für Apel grundlegend ist die in-tentionale Strukturierung von Argumentatio-nen, für die Toulmins (195811974) Theoriedas Fundament bildet.

4.3. Linguistischer Kontext dertextpragmatischen Wende

4.3. 1. Diskursgeschichtlicher Kontext derPhilologien

Die Durchsetzung des Textbegriffs der prag-matischen Wende verläuft parallel zu einergrundbegrifllichen Krise der Literaturwissen-schaft und übernimmt Hand in Hand mit derSemiotik - zumindest vorübergehend - eineFührungsrolle für den Gesamtbereich dernun so genannten Textwissenschaften. Spezi-ell innerhalb der germanistischen Literatur-wissenschaft war spätestens seit dem Germa-nistentag 1966 eine deutliche Entwicklung zueinem säkularen, an Texthandlungen und-strukturen orientierten Werk-Begriff erkenn-bar, der dem ideologischen Ballast der ,,Dich-tungs"-Philologie ein neues Gegenstandsver-ständnis und wissenschaftlich rationale Me-thoden gegenüberstellte (2. B. Kreuzer/Gun-zenhäuser 1965). Das neue Konzept ,,Text"stand in der Diskussion für das Ziel, den ge-genüber der werkzentrierten hermeneutischenTradition gehegten Ideologieverdacht unterder Führung einer erkenntnis- und hand-lungstheoretisch reflektierten Theorie derTexte zu überwinden (vgl. Scherner 1997,134 ff). Die Umorientierung der Literaturwis-senschaft ist dabei gleichursächlich mit einerNeuorientierung auch der Literatur selbst aufgesellschaftliche Wirksamkeit hin (vgl. Kreu-zer 1973175). Die Philologien erfassen nun-mehr,,alle textgebundene Kommunikationals ihren potentiellen Gegenstandsbereich"(ebd. 74), zu dem nicht nur literarische Texte,sondern auch Alltagstexte und nicht primärsprachliche ,,Texte" (Film, Fernsehen, Wer-bung) zählen.

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Auch in der sprachwissenschaftlichen Dis-kussion der frühen 70er Jahre gibt es diskur-siv einen Bruch mit der Tradition. Die Dis-kussion setzt der philologischen Tradition der

,,Grammatik" nicht nur den ,,Text" alsschwer zu integrierende weitere Beschrei-bungsebene, sondern vor allem den Begriffder ,,Kompetenz" enlgegen. Das gerade erstbekannt werdende, aber schon mit hohemPrestige versehene Konzept Chomskys wirdals ein theoretischer Schlüsselbegriff derWende sogleich rhetorisch von der grammati-schen auf die kommunikative Kompetenzübertragen und in dieser rhetorischen Funk-tion Anfang der 70er Jahre in der Diskussion

,,breit aufgegriffen" (Ehlich 1993, 318). Dabeiliegt das tertium comparationis der beidenbegrifllich heterogenen Verwendungen von

,,Kompetenz" vor allem in den Merkmalender Universalität und Generativität derSprach- bzw. Redeftihigkeit (vgl. z. B. Haber-mas 1971; Hartig/Kurz l97l). Beide Merk-male etablieren im Hinblick auf die Traditionder Philologie neue Gesichtspunkte. Hin-sichtlich der philologischen Tradition wirkendie Wende in der Grammatiktheorie und inder Pragmatik in die gleiche Richtung, auchwenn sie ansonsten getrennte Wege gehenund um den Führungsanspruch konkurrieren.

4.3.2. Leitorientierungen undGemeinsamkeiten

Die ,,kommunikative Kompetenz" ist promi-nentes Beispiel und zugleich zentraler Be-zugspunkt eines Ensembles hoch bewerteterLeitorientierungen bzw. Gesichtspunkte, diedie textpragmatische Wende prägen: Genera-tivität, Universalität, Kontextualität/Situati-vität, Prozessualität, Handeln/Intentionalität,Dialogizität. Diese Aspekte werden in diver-gierenden Konzeptionen begrifllich unter-schiedlich bestimmt und gewichtet. Gleich-wohl bilden sie die Kristallisationspunkte derDiskussion. Einige Bezüge seien daher knappherausgestellt. Im Rückblick auf die pragma-tische Wende schreibt Brinker (1985, 15):

,,Die kommunikationsorientierte Textlingui-stik entwickelt sich vor dem Hintergrund derlinguistischen Pragmatik". Damit wird zu-treffend herausgestellt, dass sich die Wendein der Textlinguistik eben nicht als Antwortauf ungelöste Fragen der Textgrammatik er-gibt (vgl. Kap. 3.1.), sondern umgekehrt

,,neue" Fragen der Pragmatik zum Ausgangs-punkt für Antworten werden, die auf eineneue Fassung des Textbegriffs selbst zielen.Im Unterschied zur korpus- bzw. produkt-

I. Forschungsphasen und Forschungsansätze

orientierten und einzelsprachlich rückgebun-denen Textgrammatik akzentuiert die Text-pragmatik bzw. Texttheorie zunächst dieUniversalität und Generativität der für Kom-munikation vorauszusetzenden sprachlichenHandlungskompetenzen.

(a) Generativilril erscheint in der textprag-matischen Wende als Merkmal von Denkan-sätzen unterschiedlicher Provenienz. In Sear-les Sprechakttheorie scheint das Merkmal aufim sogenannten Prinzip der Ausdrückbarkeit(1971, 34ff), das für jeden möglichen illoku-tionären Akt eine sprachliche Realisierungs-option postuliert. In Habermas' (1971) Kon-zeption der kommunikativen Kompetenzgeht es um die Fähigkeit von Sprechern, prin-zipiell unbegrenzt Situationen möglicherRede und entsprechend pragmatische Bin-dungseffekte erzeugen zu können. Teun A.van Dijk untersucht in einer von der text-grammatischen Perspektive sich absetzendenSicht die ,,Rekonstruktion des Sprachvermö-gens eines Sprachbenützers, eine potentiellunendliche Anzahl von Texten zu produzie-ren" (1971, 272), wobei die generative Satz-grammatik als Teil dieser Kompetenz ver-standen wird. Entscheidend für die genera-tive Potenz ist bei v. Dijk die Differenz zwi-schen einer die globale Kohärenz organisie-renden semantischen Tiefenstruktur (Makro-struktur) und kontingenten Möglichkeitender Oberflächenorganisation (ebd. 290ff). S.J. Schmidt (1973a,159ff) schlägt ein Texter-zeugungsmodell als Teil eines Kommunika-tionsmodells vor, in dem pragmatische Kohä-renzdeterminanten bei der Erzeugung einerTexttiefenstruktur führend sind.

(b) Universalität: Der generative Charak-ter der Rede- und Textkompetenz kooinzi-diert mit ihrer Universalität. Die stets einzel-sprachlich rückgebundenen Restriktionen derTextgrammatik sind aufgehoben in universa-len sozialen Strukturen des Handelns, etwades fugumentierens (vgl. Wunderlich 1974;Huth 1975) und in universalen kognitiv-se-mantischen Strategien des Erzeugens undProzessierens von Texten. ,,Die Bildung underst recht der Verlauf von Texten folgt ...nicht mehr einzelsprachlichen Regelungen,sondern [...] gemeinsam befolgten Textbil-dungsnormen und zugleich ganz individuellbegründbaren Ausdrucksmotivationen" (Hart-mann 1971, 19). Die Eigenständigkeit derTextlinguistik als Linguistik des Sinnes undder Ordnung kommunikativer Akte betrifftalso universale Fähigkeiten und Texttraditio-nen.

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8. Die pragmatische Wende in der Textlinguistik

(c) Kontextualitöt: Textbildungsnornen,die die von der Satzebene unabhängige Text-förmigkeit des Handelns strukturell sichernund sich in funktional zu bestimmenden Text-sorten manifestieren, sind in ihrem Funktio-nieren wesentlich kontextuell determiniert.Man denke exemplarisch etwa an ein ein-faches Beispiel wie den Witz als Textsorte,dessen Realisierung spezifische Situations-variablen und die Antizipation obligatorischerkommunikativer Züge konstitutiv voraussetzt(2. B. Marfurt 1978). Die kommunikativeKompetenz umfasst nicht bloß die Kenntnissuprasyntaktisch operierender sprachlicherMittel, sondern das Wissen um kontextuelleKonstellationen möglicher Rede.,,Redekon-stellationstypen" (Steger et al. 1974) oderauch,,kommunikative Handlungsspiele" sensuSchmidt (vgl. 1973a,234) sind keine sprach-lich manifestierten Ordnungen, sondern Text-Kontext-Gefüge, in die situative Parameterobligatorisch eingehen. Hier spielt in derpragmatischen Wende K. L. Pikes Tagmemik(1967) eine wichtige Rolle, die fordert: ,,Lin-guistic analysis must begin with the com-posite verbal-nonverbal behavioreme* (1961 ,147; vgl. Gülich/Raible 1977,97 ff). Der Textist nicht rein sprachlich, geschweige dennschriftlich, zu konzipieren, sondern fungiertals,,zweiseitige sprachlich-soziale Struktur"(Schmidt 1973a, 146) und ,,kommunikativeRahmenfunktion für sprachliche Elementeund Strategien" (ebd.). Kontextuell verbindli-che, d. h. an eine Situationstypik gebundeneObligationen verankern die pragmatischenKriterien der Textsortendefintion auch aufder einzelsprachlichen Ebene der langueselbst (vgl. Simmler 1984, 32ff). Steger et al.(1974) konstruieren die Textsortenunterschei-dungen unmittelbar aus sechs zugrunde ge-legten Redekonstellationstypen. In umge-kehrter Richtung nehmen Gülich/Raible(1975), indem sie von intuitiven Textsorten-unterscheidungen ausgehen, eine Zuordnungvon externen Merkmalen der Verwendung zukommunikativen Textfunktionen vor. DieKontextualität von Außerungen als Hand-lungen ist der entscheidende Punkt, der zurAufgabe der Konzeption der Textlinguistikals Sprachverwendungslinguistik führt, wiesie noch von Hartmann (1971) vorgestelltwird, denn Text und Kontext sind bereits aufder Ebene der Kompetenz vermittelt.

(d) Prozessualitdt: Texte sind im Unter-schied zu ihrer stets sprachlich manifestenRealisierung prinzipiell als Zeichen-in-Funk-tion (Schmidt 1973a\ zu bestimmen. Dabei

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wird in direkter Wendung gegen Chomskysrationalistisch motivierte Trennung vonKompetenz und Performanz die kommunika-tive Kompetenz durchgängig unter dem Ge-sichtspunkt ihrer empirisch bestimmten Ak-tualgenese und ihres prozessualen Charaktersbestimmt (2. B. Searle 196911971,32ff',MaaslWunderlich 1912,90ff). Es geht nicht um dieKompetenz zur (performativen) Anwendungund sozialen Situierung des sprachlichenWissens, sondern umgekehrt wird für die,,Linguistik als Texttheorie" gefordert, dassihr Kompetenzbegriff sich auf den Prozessder Konstitution von Texten beziehen müsse.Methodologisch wird daraus gefolgert, dassdie Linguistik ,,ihre Objekte nur aus Kom-munikationsintegralen'ausbetten' kann undsollte" (Schmidt 1973a, 39).

(e) Handelnllntentionalitöt. Diese metho-dologische Maxime reflektiert die Tatsache,dass sich unter der Hand das Objekt der Lin-guistik selbst verändert, indem Sprache nun-mehr unter dem Gesichtspunkt der Einheitendes sozialen Handelns bestimmt wird. Prag-matische, semantische und grammatischeKohärenzkriterien sind im Sinne einer Hier-archie geordnet, in der die Stimmigkeit vonHandlung bzw. Kommunikationsintentionund Kontext den höchsten Stellenwert hat(vgl. das Referat von Brinker 1996). Ent-scheidend ist dabei nicht, dass in der Folgeetwa der Satz als strukturelles Format inRichtung auf den Text überschritten würde,sondern dass er als Bezugsgröße für einehandlungsorientierte Beschreibung über-haupt zur Disposition steht. ,,Auch ein Text,der einen einzigen Satz enthält, besteht ei-gentlich nicht aus diesem Satz als solchem,sondern aus diesem Satz als Ausdruck einerbestimmten situationell bedingten Textfunk-tion" (Coseriu 1913, 8/9). Unter dieser Per-spektive ist auch die Zuordnung des Sprech-aktes zum Format des Satzes problematisch(vgl. z. B. die Diskussion zu Kummer inGülich/Raible 1912, 50ff; Wunderlich 1976,296f1), denn ein Sprechakt kann ausdruck-seitig als Laut, als Wort, als Satz oder auchals Satzfolge realisiert sein. Die Intentionali-tät des Handelns und dessen konventionelleForm entscheiden über das strukturelle For-mat der Selektionen. Die wichtigste Konse-quenz dieser Einsicht ist, dass das Kohärenz-kriterium nicht mehr auf die Abfolge vonSätzen, sondern auf Folgen von Handlungenin einem Text-Kontext-Gefüge bezogen wird,wobei diese Handlungen auch auf unter-schiedliche Akteure verteilt sein können.

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(f ) Dialogizitöt: Es ist dieser letzte Ge-sichtspunkt, der dazu führt, dass in der prag-matischen Wende nicht mehr der semantischweitgehend,,selbstversorgte" (Bühler) mono-logische, schriftliche Text, sondern der Dis-kurs und der Dialog zum herausragenden Ex-empel für die Bestimmung von ,,Text" wer-den. Entsprechend - so schreibt etwa Wun-derlich (1916, 295 f) - ,,verschiebt sich derSchwerpunkt der Untersuchungen von mo-nologischen schriftlichen Texten zu dialogi-schen und mündlichen 'Texten', die ich allge-mein auch Diskurs nennen will". Es gehörtzur Dialektik der textpragmatischen Wende,dass genau dieser Punkt, an dem der viel-leicht radikalste Schnitt im Verhältnis zurphilologischen Texttradition vollzogen wird,im Fortgang der Entwicklung zu einem zen-tralen Argument gegen den Textbegriff derWende wird (vgl. Kap. 5).

4.3.3. Zur Divergenztextpragmatischer Orientierungen

Die knapp vorgestellten Leitorientierungenmotivieren problemgeschichtlich die diskur-sive Absetzung der pragmatischen Perspek-tive von der grammatischen Tradition in derWende. Dieser Bruch ftihrt zu einer Topik derPerspektiven auf den Text 'vom System her'und 'vom Handeln her', die in der Darstel-lung unterschiedliche Formulierungen gefun-den hat: z. B. Textgrammatik vs. Textprag-matik (Dressler 1972), transphrastischer An-satz vs. kommunikationsorientierter Ansatz(Kallmeyer/Meyer-Hermann 197 3, 221), Text-linguistik vs. Texttheorie (Schmidt 1973a,129ff), propositionale vs. kommunikativeTextauffassung (Helbig 1988/1990, 167 ff),Erweiterungspostulat vs. Fundierungspostu-lat (Heinemann/Viehweger 1991, 24 ff). Dabeisuggeriert die polarisierende Topik zwar Ein-heitlichkeit der textpragmatischen Wende,tatsächlich aber, dies zeigte auch schon diephilosophische Diskussion, ist damit ein insich sehr heterogener Konstitutionszusam-menhang nur unzulänglich gefasst. Die Hete-rogenität hat Konsequenzen für die Entwick-lung der Wende, die bereits von Beginn anoffensichtlich sind. Es ist wenig sinnvoll, hiereine Liste divergierender Positionen zu Ein-zelpunkten vorzustellen. Statt dessen soll dieBeschreibung der Divergenzen auf verschie-dene Erkenntnisinteressen und theoretischeMotive bezogen werden.

Der Gesichtspunkt der kommunikativenFunktionalität von Texten kommt in Kon-zeptionen der Wende in einer eher am Begriff

L Forschungsphasen und Forschungsansätze

des Zeichens und einer eher syntaxnah amAspekt der Kompositionalität orientiertenDenkrichtung zum Tragen. Ist der Text a),,originäres sprachliches Zeichen" (Hart-mann) oder b) performative Resultante einervor allem auf dem Satz als Handlungseinheitaufruhenden Komposition? Davon noch ein-mal zu unterscheiden sind Ansätze, die c) dieVerstehensproblematik und das Zustande-kommen thematischer Kohärenz ins Zentrumder Textlinguistik rücken.

Zu (a): Die Zeichenhaftigkeit des Texteswird schon früh in der Frage nach der Kon-stituenz von Textsorten zum Thema. Zur Sor-tenfrage äußern sich Vertreter unterschiedl!cher textpragmatischer Orientierungen (vgl.Gülich/Raible (eds.) 1972). Erne bedeutendeGruppe versucht, den Text als eigenständigesprachliche Form mit Zeichenqualität (Hart-mann, Gülich, Raible, Stempel, Weinrich) zufassen (vgl. Gülich/Raible 1975: Raible 1980).Für die Zeichenhaftigkeit spricht die konven-tionelle Prägung von Textsortenunterschei-dungen und die Redundanz in der Merkmals-struktur intuitiver Textsortenkonzepte (vgl.Dimter 1981). Die Textsorte wird als Merk-malskomplexion textinterner (sprachlicher)und textexterner (kommunikativer) Merk-male gesehen, wobei sich bei verschiedenenTextsorten und innerhalb von Textsorten-klassen Merkmalsbereiche überlappen undjeweils typische Vertreter von Textklassen be-nannt werden können. Dabei steht die Narra-tivik als Paradigma im Mittelpunkt des Inter-esses. Während die beschriebene Denkrich-tung vorwiegend induktiv von gegebenenTextsortenunterscheidungen ausgeht, entwik-keln textfunktionale Ansätze ihre Kriterienzur Textsortendifferenzierung deduktiv. DieTextfunktion wird als die im Text ausge-drückte Kommunikationsabsicht des Text-produzenten verstanden (vgl. Brinker 1996,l522ff). Bezugspunkte dafür sind etwa Büh-lers Organonmodell oder Searles Illokutions-typologie. Auch hier wird der Text als eineGanzheit gesehen, aus der erst mögliche Satz-funktionen ausgliederbar werden.

Zu (b): Daneben und in Konkurrenz dazuentwickelt sich im Gefolge der Searle'schenAnalyse illokutionärer Akte eine Form derTextbetrachtung, die - wie Searle, wesentlichproduktions- und sprecherorientiert - ver-sucht, die Struktur von Texten als hierarchi-sche Ordnung von Teilillokutionen einerTextillokution zu analysieren (vgl. Motsch/Viehweger 1981; 1991, l2l ff). Helbig (1988/90. 214\ charakterisiert den Ansatz zutref-

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8. Die pragmatische Wende in der Textlinguistik

fend, wenn er schreibt: ,,Der Begriff derSprachhandlung wird von Sätzen auf Texteübertragen". Der Satz als die sprachlicheForm elementarer Teilhandlungen ermöglichtstrukturell die Komposition der Texthand-lung, wobei zwischen den durch Sätzen reali-sierten Teilhandlungen,,pragmatische Ver-knüpfungen" (Motsch 1983, 5l0ff) bestehen.Diese Richtung favorisiert von Beginn aneine syntaxnahe Konzeption der Textprag-matik, wobei ,,eine gesetzmäßige Zuordnungvon sprachlichen Formen und Illokutions-typen" (Motsch/Viehweger 1991, 116) ange-nommen wird. Die wichtigsten Vertreter sindin der Frühphase vor allem Wunderlich undspäter Motsch, Viehweger, Rosengren, Hunds-nurscher u. a. Eine wichtige Rolle spielt fürdiese Diskussion das von Inger Rosengrenorganisierte Lunder Symposion,,Spracheund Pragmatik", das von 1978 bis 1986 insge-samt fünfmal stattfindet. Während in der An-fangszeit das Modell der Illokutionshierar-chie noch in sehr verschiedenen Ansätzen ge-nutzt wird, z. B. auch bei Schmidt (1973a),wird die Applikation der Sprechakttheoriefür Zwecke der Textanalyse im Fortgang derEntwicklung besonders von generativ-gram-matisch orientierten Ansätzen favorisiert. DieBehandlung von Texten als selbst zeichenhaftorganisierten Mustern wird abgelehnt undeine Analyse von Texten als ,,Produkt ele-mentarer Kenntnissysteme" (Motsch/Vieh-weger 1991, 126) gefordert. Auch eine Er-weiterung der Anwendungs-Perspektive fürSprechakttaxonomien auf den Dialog findetstatt (Weigand 1989).

Zl (c): Die kommunikative Funktionalitätvon Texten bezeichnet nur einen der Bezugs-punkte für die Differenzierung unterschiedli-cher Positionen in der textpragmatischenWende. Dieser Bezugspunkt ist, namentlichbei den an Searle orientierten Ansätzen, deut-lich produktions- bzw. sprecherorientiert. DieFunktion eines Textes wird als Resultat derIntentionalität einer Produktionshandlunggesehen, die den Textsinn artikuliert. DieSeite des Hörers wird kaum berücksichtist.Demgegenüber entwickeln sich schon frühlnder textpragmatischen Wende Ansätze, diedas Kohärenzproblem stärker von der Seiteder Rezipienten her aufgreifen. Der Akzentliegt hier auf den Voraussetzungen für dasErzeugen einer semantisch-thematischen Ko-härenz von Texten. Was braucht die rezeptiveSeite, damit ein Text (noch) kohärent erschei-nen kann? Von welchen sozialen und vorallem kognitiven Voraussetzungen hängt das

Textverstehen ab? Hier ergibt sich eine deutli-che höhere Alfinität zur Semantik und zumBeitrag semantisch vermittelter Kontextuali-sierungsleistungen von Rezipienten zur tex-tuellen Kohärenz. Die Geschichte und Syste-matik dieses Zu,gangs hat Scherner (1984)aufgearbeitet, der (ebd. 223ft) deutlich aufdas Ungenügen sprechakttheoretischer An-sätze für texttheoretische Fragen hinweist(vgl. bereits Brinker 1973, 30f). Gleichwohlerlaubt die Perspektive einen Anschluss auchan sprechakttheoretische Kategorien. Wih-rend produktionsorientierte Ansätze die satz-bezogene Illokutionsanalyse in den Vorder-grund stellen, ergibt sich für verstehensorien-tierte Zugänge ein Schwerpunkt auf der Ana-lyse der Textproposition und ihrer funktiona-len Einbettung. Die semantische Integrationdes Textes wird dabei durch multiple sprach-liche Indices (phonologische, lexikalische,grammatische) gestützt und ist pragmatischvorrangig orientiert an dem Ziel, den Emp-fünger hinsichtlich der Intention und des Ver-stehensmodus des Textes zu instruieren. Ein-flussreiche Zugänge zur Problematik thema-tischer Kohärenz kommen von der Seite dergenerativen Semantik (v. DUk) und aus dervorwiegend mit Bedeutungsfragen sich ausein-andersetzenden Philosophie (Schmidt 1973a).Vor allem v. Dijk greift bereits Mitte der 70erJahre auf Methoden und Ergebnisse dersprachpsychologischen Textforschung zurückund bereitet mit der Unterscheidung von (se-mantischer) Makrostruktur und (funktiona-ler) Superstruktur die kognitive Neuorientie-rung der Textlinguistik vor (vgl. Kintsch/v.Dijk 1978; v. Dijk 1980). In gleicher Weiseverstehensorientiert argumentieren schon frühVertreter aus der textgrammatischen Tradi-tion (vgl. Sitta/Brinker (eds.) 1973; Brinker1973 Glinz 1977). Der Begriff des Textthe-mas wird hier in Weiterentwicklung desStrukturfunktionalismus der Prager Schulezum zentralen theoretischen Instrument aus-gebaut (vgl. Brinker 1985; Lötscher 1987).Bei Brinker werden funktional - d. h. durchdie kommunikative Absicht - bestimmte Ty-pen der thematischen Entfaltung zur Grund-lage textueller Kohärenz. Hier wird der Be-griff des Themas nicht mehr rein linguistisch,sondern in Bezug auf das Weltwissen und dieHandlungsintention gefasst. Die propositio-nale Kohärenz wird der pragmatischen Funk-tionalität untergeordnet, die in Analogie zurSearle'schen Illokutionstypologie differen-ziert und zum Kriterium für die Abteilungvon Textsorten wird. Brinker (1985) versucht

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damit eine konstruktive Integration sehr he-terogener Ansätze. Dabei ist es kein Zufall,dass dieser Vorschlag zur Synthese auf denModellfall der Konstitution schriftlicher Texrebezogen und damit an ein prototypischesTextkonzept gebunden wird, das für dieWende zentrale Gesichtspunkte der Neudeh-nition von ,,Text" (2. B. Kontextualität, Pro-zessualität, Dialogizität) gerade nicht in denMittelpunkt stellt (Brinker 1996).

Mit dem Zustand der Unübersichtlichkeitder eigenen Disziplin gehen ihre Vertreterbeim Versuch zu einer Summa der Wende -

etwa in Einführungen in die ,,Textlinguistik"aus den 80er Jahren - sehr verschieden um:Während etwa Klaus Brinker - auf Kosteneiner zentralen Intention der Wende, nämlichder Öffnung zum Diskurs - durch die proto-typische Konstruktion des Gegenstandes,,Text" durchaus eine Synthese verschiedenerAnsätze erreicht, bieten de Beaugrande/Dressler (1981), die den Text als ,,kommuni-katives Ereignis" (ebd. XII) verstehen, in ih-rem Syntheseversuch ein Spiegelkabinett text-theoretischer Begriffe an. Sie definieren,,Textualität" über ein Ensemble von siebenKriterien bzw.,,konstitutiven Prinzipien"(ebd. l3f) - die völlig heterogenen Theorie-traditionen verpflichtet sind: So verweist dasMerkmal der Kohäsion auf die Textgramma-tik, das Merkmal der Kohärenz ist den Zielender Textsemantik verpflichtet, Intentionalitötbetont vor allem die sprecherseitigen (Sprech-akttheorie) Voraussetzungen und die Akzep-tabilitrit sowie Informativitdt beziehen sichauf hörerseitige Konditionen des Textverste-hens. Schließlich rekurriert Situationalit tit aufdie kontextuelle Einbindung und das Krite-rium der Intertextualital betont die diachroneDimension einer Textsortentypik. Der Zu-gang belegt die Vielfalt textlinguistischer undtexttheoretischer Untersuchungsansätze der70er Jahre, aber eine theoretische Synthesewird gar nicht erst angestrebt. Eher repräsen-tiert diese Einführung schon exemplarischden theoretisch lockeren Verbund des ..dis-course analysis"-Kozepts, das zumindest fürden anglo-amerikanischen Wissenschaftsbe-trieb bis heute gegenüber den Konzepten,,text" oder gar ,,text linguistics" deutlich do-miniert. ,,Textlinguistik" dagegen hat auchheute noch eine europäische, wenn nicht, spe-zihsch deutsche Konnotation. Die topischeKontinuität der Perspektiven ,,text as pro-cess" und ,,text as product" (vgl. de Beau-grande 1989) ist in der scientific communityauch wissenschaftsseschichtlich verschiede-

I. Forschungsphasen und Forschungsansätze

nen Großräumen und Einflusssphären ver-pflichtet (vgl. Jörn Albrecht in: Coseriu 1980/1994, S. XI; Ostman/Virtainen 1995; Antos/Tietz 1991, XIII). Dabei hängt die theoreti-sche Offenheit bzw. Unverbindlichkeit der,,discourse analysis" mit dem institutionelläußerst bunten Feld us-amerikanischer For-schungsinteressen zu ,,Text" zusammen (vgl.Chafe 1986).

5. Die Transformation der Wende:

Kdtik und Perspektiven

Die Beurteilung der ,,Wende-Zeit" der 70erJahre bot im Rückblick der 80er ein wenigkonsistentes Bild. Während etwa für Kalver-kämper 1980 ,,offenkundig bewiesen ... [ist],daß der Textlinguistik die Zukunft gehört"(Kalverkämper 1980, 124), kommt GerhardHelbig (vgl. Kap. 3.3.) zu dem Schluss, dasses der Disziplin ,,nicht gelungen ist, die Fragenach ihren fundamentalen Kategorien zu klä-ren und damit die Textlinguistik selbst alseine eigenständige Disziplin vollständig zu le-gitimieren" (Helbig 1988/90, 157). SolcheWertungen sind stets auch interessegebun-den. Nicht weniger gilt dies für die Einschät-zung der textlinguistischen Zukunft heute(vgl. Antos/Tietz 1997). .Robert de Beau-grande schreibt in seinem Uberblick zur Text-linguistik im Handbook of Pragmatics derInternational Pragmatics Association von1995: ,,The 1990s look toward a generalscience of text and discourse" (de Beau-grande 1995, 542). Ist diese Einschätzung -

über das institutionelle Interesse der Pragma-tik hinaus - gerechtfertigt durch substanti-elle Fortschritte der linguistischen Pragmatikin den 80er Jahren? Man kann im Rückblickauf die vergangenen 20 Jahre der Nach-Wende-Zeit eine Reihe grundlegender Neu-orientierungen feststellen, die großenteils ge-rade auch aus der Kdtik der Wende erwach-sen sind. Fast alle substantiellen pragmati-schen Neuorientierungen der 80er und frühen90er Jahre gehen zurück auf Interessenver-schiebungen. die mit der Überwindung einerunfruchtbaren Topik des Paradigmenwech-sels aus den 70er Jahren zusammenfallen.Das soll an zwei Aspekten exemplarisch ge-zeigt werden, die zugleich Aufschluss gebenüber die Logik der Versachlichung, die demdiskursiven Hoch einer ..Wende" stets aufdem Fuß folgt.

Diese Versachlichung zeigt sich im Hin-blick auf

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8. Die pragmatische Wende in der Textlinguistik

o die exemplarische Rolle von Schrift undSchreiben für die Transformation der lin-guistischen Pragmatik und der Textlingui-stik

. sowie das Verhältnis von Text und Kontextund - damit unmittelbar verbunden -

den theoretischen Status textuell bestimm-ter Zeichenhaftigkeit.

(l) Während die pragmatische Wende ihrenGegenstand gegen die philologische Tradi-tion der schriftorientierten Grammatik undPhilologie konstituierte, verbindet sich seitBeginn der 80er Jahre ein wesentlicher Er-kenntnisschub in der Linguistik mit einerprosperierenden Schriftlichkeits- und Schreib-forschung. Die Einsicht in den ,,written lan-guage bias" führt eine neue Leitdifferenz ein,die dazu beiträgt, Aporien in verschiedenenpragmatischen Forschungsbereichen (Sozio-linguistik, Psycholinguistik, Textlinguistik) zuklären bzw. zu überwinden. Der Prototyp desTextes ist der medial und konzeptionellschriftliche Text der systematisch die von derSprechakttheorie ins Zentrum gestellte raum-zeitlich und dialogisch gebundene Sprech-handlung überschreitet und dafür eine spezi-frsche sprachliche Formalität ausbildet (Coul-mas/Ehlich (eds.) 1983); Schlieben-I,ange1983. 138ff: Ehlich 1984: 1994: Koch/Oster-reicher 1985; Brinker 1996). ,,Reden ist Sil-ber, Schreiben ist Gold" überschreibt FlorianCoulmas 1985 einen Aufsatz und bringt da-mit die neue Wertschätzwg zum Ausdruck,die die Schriftlichkeit in der Linguistik ge-winnt.

Diese Wertschätzung geht zum einen zu-rück, auf den exemplarischen Status der Er-forschung von Rezeption und Produktionschriftlicher Texte im Kontext der sogenann-ten ,,kognitiven Wende". Das wissenschaftli-che Reden über Texte setzt an zentraler Stelledie Berücksichtigung ihrer prozeduralen Kon-stitution durch Schreiber und Leser - respek-tive Sprecher und Hörer - voraus. Dabei ste-hen zunächst primär psychologisch die Re-zeptionsseite und die Bedingungen der Erzeu-gung textueller Kohärenz im Vordergrund(vgl. Kintsch/van Dijk 1978; Rickheit/Stroh-ner 1985). Dies führt vorübergehend zu einerAssimilation textlinguistischer Kategorien andie kognitive Psychologie, die die zeichen-hafte Materialität des konkreten Textes inden Hintergrund drängt. Gegenüber diesemInteresse rückt dann zunehmend die sprach-liche Artikulation des Textes als textkonstitu-tiver Prozess und als Textqualität in den

11

Brennpunkt der Aufmerksamkeit. Weder einetransphrastische Grammatik in strukturellerHinsicht, weder Themata in textsemantischerHinsicht, noch eine Illokutionshierarchie inpragmatisch-funktionaler Hinsicht sind hin-reichend, um den Text als Text konstituierenzu können. Pragmatisch ausschlaggebend istdie sprachliche Formulierung als Form undResultat problemlösenden Handelns (Antos1982; Bereiter/Scardamalia 1987). Textpro-duktion etabliert sich - nicht als Subdisziplineiner Textlinguistik - sondern als ein neuesVerständnis vom Gegenstand selbst, das dieBeschränkung auf die Beschreibungsebene,,Text" überwindet und genau dadurch zurweiteren Klärung des Begriffs beiträgt (vgl.Antos 1989; de Beaugrande 1992).

Parallel zu dieser Entwicklung tritt zumanderen namentlich auch für systemlinguisti-sche Erkenntnisinteressen das Verhältnis vonSchriftlichkeit und Sprache in den Vorder-grund. Dabei stellt sich die Schrift in einemersten Schritt als Sprachanalyse dar (Coul-mas 1981), in einem zweiten Schritt stellt sichheraus, dass das Schriftsystem selbst alssprachlich bzw. als ,,schriftliche Sprache"verstanden werden kann. Schriftlichkeit führtauch historisch ztJr Transformation vonSprache, und zwar auf allen Ebenen (vgl.Müller 1990; Ludwig 1991;Ehlich 1994;Stet-ter 1997). Insbesondere auch das Verhältnisvon Satz und Text wird einer pragmatischenKlärung zuführbar. Unter den Bedingungenvon Schriftlichkeit ändert sich nicht bloß diegrammatische Organisation von Sätzen,ganze Bereiche gerade textlinguistisch be-deutsamer sprachlicher Inhaltsformen -

etwa das Spektrum der Konjunktionen - bil-den sich erst im Gebrauchskontext dekon-textualisierter Kommunikation aus (Raible1992). Damit werden Schriftlichkeit undSchreiben tatsächlich zum Paradigma einerpragmatisch intendierten Sprachanalyse, dieallerdings weder den mündlichen Diskurs ge-gen den schriftlichen Text, noch den ,,Text alsHandlung" gegen das ,,System" rhetorischausspielen muss.

(2) Einen erheblichen Teil ihrer Dynamikhatte die Texttheorie der Wende daraus bezo-gen, dass sie den ,,Text in Funktion" zu ihremGegenstand erklärte. Die Zeichenhaftigkeitdes Textes schien nur abhängig von kontex-tuellen Handlungsdeterminanten und Kon-stellationen möglicher Rede bestimmbar.Nun sind aber Kontext und Situation keinevorkommunikativ oder außersprachlich be-stimmbaren Größen, die der Textanalyse so-

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ziologisch oder konversationsanalytisch vor-ausgehen könnten. Ein verbindlicher Kontextmuss für die Beteiligten selbst erst durchKommunikation bzw. Interaktion - alsodurch Zeichengebrauch - festgelegt werden.Ins Zentrum des pragmatischen Interessesrückt daher etwa bei Charles Fillmore undJohn J. Gumperz (von sehr verschiedenenSeiten kommend) schon Mitte der 70er Jahredie Frage nach einer erstaunlichen Fähigkeitder Sprecher: Welche sprachliche Kompetenzist es, fragt Fillmore (1976,90), die es einemSpreche.r ermöglicht, einer gegebenen sprach-lichen Außerung einen bestimmten Kontextdes Handelns zuzuordnen? Die Frage führt -

vor allem durch Gumperz (1982) vorange-trieben - zur Entwicklung und Begründungdes Konzepts der ,,Kontextualisierung" (Auer/di Luzio (eds.) 1992) und zu einem prag-matischen Verständnis sprachlicher Kompe-tenz als einer Kontextualisierungskompetenz(Feilke 1994 1996). Nonverbales und sprach-liches Verhalten kontextualisieren Textsor-tenkonzepte, idiomatisch geprägte Sprech-akte, Modalitäten der Interaktion, ebensodas Thema und die Handlungsrollen der Be-teiligten. Dies hat in zwei Richtungen Konse-quenzen für die Topik der Wende: Erstens:Weil die sprachliche Kompetenz des ,,sensi-tive speaker" (Fillmore 1976) eine Kontex-tualisierungskompetenz ist, können kommu-nikative Kompetenz und linguistische Kom-petenz nicht länger i. S. einer Zwei-Reiche-Lehre (Pragmatik vs. Syntax + Semantik)nebeneinander gestellt werden, wie dies dieWende in weiten Teilen der Pragmatik for-derte. Zweitens: Wenn die linguistische Kom-petenz des ,,sensitive speaker" selbst bereitspragmatisch instruiert ist, dann materialisiertsich pragmatische Information nicht erst aufder Ebene des aktualen Textes oder derSprechhandlung. Sie ist vielmehr zeichenhaftmanifest im pragmatischen Mehrwert oderGebrauchswert von Einheiten aller sprachli-chen Strukturbereiche. Innerhalb der Textlin-guistik wie auch in der Diskursanalyse gibtes eine deutliche Entwicklung zur ,,Rehabili-tierung der sprachlichen Oberfläche (Antos1989, l3). Phonologische, morphologische,lexikalische und grammatische Selektionenselbst sind bereits in der Kompetenz in unter-schiedlichem Maße durch die ..Textbereiche"domänenspezifisch geprägt, in denen siepragmatisch eine Rolle spielen. Mit dieserSichtweise schließt die neuere Pragmatik ex-plizit an an die Tradition des Britischen Kon-textualismus namentlich bei Firth. Ein her-

I. Forschungsphasen und Forschungsansätze

ausragendes Beispiel dafür ist das erst injüngster Zeit deutlich werdende Gewicht text-rollenindizierter Kollokationen für die Kon-struktion textueller Kohärenz (vgl. Sinclair1991; Rothkegel 1994:' Feilke 1996, 156ff,242ff). Aber auch im Bereich der Grammatiksteht mit der Untersuchung sogenannter,,grammatical constructions" in jüngster Zeitein Ansatz zur Diskussion, der den pragmati-schen und textlinguistischen Mehrwert gram-matischer Konstruktionsmuster untersucht(vgl. z. B. Feilke 1994,315 ff; Fillmore et al.1988; Lambrecht 1994). Die zeichenhafteMaterialisierung textbestimmter sprachlicherSelektionen aller Strukturebenen ermöglichtauch einen neuen Zugang zur Textsorten-frage. Während de Beaugrande/Dressler (1981,191) meinen, Textsorten unabhängig vonOberfl ächeneigenschaften bestimmen zu kön-nen, zeichnet sich gerade in diesem Punktheute - auch bei de Beaugrande selbst (vgl.de Beaugrande 1991, 301; 1995) - eine ver-änderte Sichtweise ab, die der Oberflächeeine wichtige Rolle zuweist. Adamzik (1995)etwa sieht Textsorten als ,,durchaus unsyste-matisch, nämlich nach dem jeweiligen kom-munikativen Bedarf sich ausbildende Kon-ventionen oder Schemala zur Bildung be-stimmter Texte, ... so etwas wie Routinefor-meln auf der Textebene" (Adamzik 1995,28).Hier ist auch das in jüngster Zeit gestiegeneInteresse an den ,,kommunikativen Gattun-gen" der Alltagskommunikation zuzuordnen(Günthner 1995). Es ist klar, dass ein solchesKonzept keine trennscharfe Kategorisierungder Texte erlaubt. Dafür aber kommt es All-tags-Textsorten-Konzeptionen sehr nahe, diesich durch Merkmals-Redundanz auszeich-nen (vgl. Dimter l98l). Auch Dimter betontbereits die zentrale Rolle von Oberflächen-strukturen für die textbezogene Schemabil-dung, wenn er feststellt, dass Sprecher/HörerTextexemplare ohne Kenntnis des Inhalts unddes Verwendungskontexts allein aufgrundmakro- und mikrosyntaktischer Oberflächen-merkmale übereinstimmend bestimmten Text-klassenkonzepten zuordnen (Dimter 1981,l26f). Eine rein funktional deduzierte undtrennscharfe Sortengliederung kann die zei-chenhaft bestimmte Qualität ihres Gegen-standes gerade nicht fassen. Gegen die uni-versalistischen Intentionen der Wende ergibtsich in diesem Zusammenhang auch eineneue Aufmerksamkeit für die kulturspezi-fische Prägung des Textsortenwissens (vgl.bereits Schlieben-Lange 1983, 143; Fix 1997).

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8. Die pragmatische Wende in der Textlinguistik

Neben der Herausforderung der Textlin-guistik durch die sich ständig wandelndeKommunikations-Praxis, liegt ein wichtigestheoretisches Anregungspotential für die Dis-ziplin in der Aufarbeitung des Kontextuali-sierungspotentials pragmatisch bestimmtersprachlicher Zeichenhaftigkeit aller Struktur-ebenen.

Hier kann die Textlinguistik vielleicht ausdem Schicksal der Sprechakttheorie lernen.Den,,Niedergang der Sprechakttheorie"führt Burkhardt (1990) auf Searles Uber-schätzung des Sprechakts zurück, namentlichauf dessen Unfiihigkeit, die aus philosophi-schen Gründen satz- und sprecherzentrierteTheorie zu öffnen für ein pragmatischesSprachverständnis, das auch die sprachlichenVoraussetzungen der Erkennbarkeit vonHandlungswerten durch einen Hörer syste-matisch mitreflektiert. Im Unterschied zurSprechakttheorie war die Textlinguistik nie,,ex cathedra" konzipiert. Das Forschungsin-teresse am Text ist vielftiltig und entspre-chend vielftiltig ist auch die Wahrnehmungdes Gegenstandes. Was vordergründig alsUneinheitlichkeit der Textlinguistik erschei-nen mag, ist damit auch als Chance zu sehen:Nur eine Textlinguistik, die an der theoreti-schen Integration der vielfültigen sprachli-chen Determinanten arbeitet, die die Produk-tion und das Verstehen von Texten bestim-men, kann zeigen, dass und in welchem Sinnedem Text tatsächlich der Status des ,,originä-ren sprachlichen Zeichens" (P. Hartmann)zukommt.

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Helmuth Feilke, Bielefeld( Deutschland)

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