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SCHATZSUCHER / TREASURE HUNTERS

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SCHATZSUCHER / TREASURE HUnTERS

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Fotografien von / Photographs by

Thomas henk henkel

NATURKUNDEMUSEUM

NORDBAHNHOF

ROSENTHALER PLATZ

EBERSWALDER STRASSE

SENEFELDER PLATZ

GESUNDBRUNNEN SCHÖNHAUSER ALLEE

BERNAUER STRASSE

VOLTASTRASSE

Bernau

er Str

aße

Brunnenstraße

Strals

under

Straße

W E DDING

PRENZLAUER BERG

Wolliner Straße

Gleimstraße

Gaudystraß

e

Eberswal

derStraße

Friedrich-Ludwig- Jahn-Sportpark

Falk-platz

Brunnenstraße

Rügene

r Stra

ße

Voltas

traße

Schönhauser Allee

Schönhauser Allee

Danziger Straße

Prenzlauer Allee

Rykestraße

Kollwitzstraße

Knaackstraße

Choriner Straße

Schwedter Str.Fehrbelliner StraßePutbusser Straße

Jasmunder Str.

Demmin

er Str

aße

Vineta-platz

Wattstraße

Ramlerstraße Korsörer Str.

Kopenhagener S

traße

Kastanienallee

Wolliner Straße

Ruppiner Str.

Brunnen

Brunnenstraße

Ackerstraße

Torstr

aße LinienstraßeGartenstraße

Invalidens

traße

Chausseestraße

Chausseestraße

Ackerstraße

AckerstraßeGartenstraße

Gustav

-Meyer

Allee

Scheringstraße

Bernauer Str.

Vetera

nenstr

.

Bergstraße

Park am Nordbahn-

hof

Pappelallee

Lychener Straße

Dunckerstraße

Raumerstraße

Metzer StraßeSaarbrücker Straße

Prenzlauer Berg

Wörther St

raße

Raabestr.

Tiecks

traße

Borsigstraße

Senefelderstr.

Oderberger Straße

Schwedter Straße

Ackerstraße

Strelitzer Straße

Hussitenstraße

straße

B e R l I n

M a u e r p a r k

Maßstab / Scale 1 : 30.000

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Herausgegeben von / edited by Benjamin Wolbergs

Fotografien von / Photographs by

Thomas henk henkel

sch aT z s u c heRMenschen auf dem Mauerpark Flohmarkt Berlin

TReasuRe hunTeR sPeople seen at Berlin’s Mauerpark flea market

Danziger Straße

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I’ve been living in Berlin for close to twenty years now and on a Sunday go to the flea market in the Mauerpark. Although I don’t intend to buy anything there, I return home with bags full of goods.

And now I think I know why this is. At a flea market people are hypno-tized by the things on display, and walk around like somnambulists, with misty eyes. They sometimes behave to their own disadvantage, and are psy-chologically influenced by all the second-hand goods seeking a new owner. Hardly have you shown an interest in something, and bought a spoon, for example, than the entire amount of cutlery on offer at the market reaches out towards you. Instantaneously, other spoons, along with knives and forks appear from nowhere and leap into your bag. Once, without thinking, I bought an old silver spoon from my hometown as an act of solidarity. On it was written in Russian “Moscow welcomes every visitor”. From that point on, I saw nothing but cutlery all over the flea market. The hospitable Moscow spoon peered with curiosity out of my bag and gave me friendly tips as to what else I should buy. There was suddenly a lot of interesting cutlery, such as hunters’ knives and forks with fluffy tails, and a spoon with a little spring mechanism making it perfect for chicken broth.

When it came to fish cutlery, I had my reservations as to whether I really needed eight oyster forks. Until that point in time we’d never eaten eight oysters simultaneously. And certainly never at home. But the well-

meaning spoon in my bag was convinced it was really necessary to own all eight. The very fact that another piece of cutlery belonging to this set, which looked like a flattened, square spoon and went by the cultivated name of a “caviar server”, was only available together with the eight oys-ter forks made their purchase unavoidable. Thanks to my new-found close relationship with the Moscow spoon, I managed to stock up on my supply of cutlery in no small way. I’ve noticed that only foreigners buy cutlery at the flea market, maybe because they come from countries where the peo-ple are starving …? While the locals are probably disgusted by the idea of eating from used cutlery.

On the way back I also bought some dessert cutlery decorated with pearls, and almost ended up purchasing a mysterious oversized fork for large-scale food (that turned out on closer inspection to be a back-scrat-cher). Incidentally, I once lent out the square caviar server as an exhibit for “Germany – A Country of Immigrants”. The organizers of this exhibition asked me which objects I took with me when I left Russia two decades ago, and what hopes I had for my new life in Germany. I replied that I left with hardly any baggage, save for a caviar spoon. I had great expectations of Germany, and believed I would eat caviar every day.

Sadly these expectations have not been fulfilled. But I’ve kept the silver spoon “Moscow welcomes every visitor”.

R u ssi an sp o o nby

WlAdIMIR KAMIneR

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Seit beinahe zwanzig Jahren in Berlin lebend, gehe ich sonntags zum Flohmarkt am Mauerpark. Obwohl ich dort nichts kaufen will, komme ich mit vollen Taschen nach Hause zurück. Inzwischen glaube ich dahin-tergekommen zu sein, warum das so ist.

Auf dem Flohmarkt werden Menschen von Sachen hypnotisiert, deswegen bewegen sie sich dort wie Schlafwandler, haben Nebel in den Augen und handeln gelegentlich zum eigenen Nachteil. Sie werden von Flohmarktwaren psychisch beeinflusst, die einen neuen Besitzer suchen. Kaum zeigt man Interesse an etwas Bestimmtem und kauft zum Beispiel einen Löffel, sofort reckt sich einem der gesamte Flohmarktbestand an Besteck entgegen. Löffel, Gabel und Messer springen wie Pilze aus dem Boden – und einem in die Tasche. Einmal kaufte ich gedankenlos aus Solidarität mit meiner Heimatstadt einen alten Silberlöffel, mit der Auf-schrift auf Russisch „Moskau ist über jeden Gast froh“. Ab sofort sah ich auf dem Flohmarkt nur noch Besteck. Löffel, Gabel, Messer krümmten sich an jeder Flohmarktecke. Der bereits gekaufte gastfrohe Moskauer Löffel schaute neugierig aus meiner Tasche und gab mir wohlgemeinte Ratschläge, was ich noch unbedingt kaufen sollte. Es gab auf einmal sehr viel interessantes Besteck, Jägerbesteck zum Beispiel, bei dem Messer und Gabel flauschige Tierschwänzchen hatten und der Löffel eine Federung, die perfekt zur Hühnerbrühe gepasst hätte.

Beim Fischbesteck hatte ich so meine Zweifel, ob ich tatsächlich acht Austerngabeln bräuchte. Wir hatten bis dahin noch nie acht Austern gleichzeitig gegessen, zu Hause nicht einmal eine. Der gast-freundliche Löffel in meiner Tasche meinte dazu, es sei definitiv not-

wendig, alle acht zu besitzen. Allein schon die Tatsache, dass ein an-deres dazugehöriges Besteckstück, das wie ein flacher quadratischer Löffel aussah und sich mit dem noblen Namen Kaviarschaufelchen schmückte, nur zusammen mit den anderen acht Austerngabeln zu haben war, machte ihren Kauf unvermeidlich. Durch die entstandene enge Freundschaft mit dem Moskauer Löffel stockte ich meine Be-steckvorräte kräftig auf. Ich habe bemerkt, nur Ausländer kaufen auf dem Flohmarkt Besteck, vielleicht weil sie aus Hungerländern kom-men? Die Einheimischen ekeln sich wahrscheinlich davor, benutztes Besteck zu verwenden.

Auf dem Rückweg habe ich noch ein mit Perlen geschmücktes Dessertbesteck gekauft, und beinahe hätte ich auch eine geheimnis-volle Riesengabel für großkalibriges Essen erworben, die sich aber bei genauer Betrachtung als eine Bürste zur Rückenmassage erwies. Die quadratische Kaviarschaufel habe ich übrigens inzwischen als Exponat für die Ausstellung „Einwanderungsland Deutschland“ geopfert. Die Organisatoren haben bei mir angefragt, mit welchen Gegenständen ich vor zwanzig Jahren Russland verlassen habe und welche Hoffnungen ich mit Deutschland verband. Ich bin fast ohne Gepäck, nur mit einer Kaviarschaufel nach Deutschland gereist, antwortete ich. Ich hatte gro-ße Erwartungen, was Deutschland betrifft, ich dachte, wir werden hier jeden Tag Kaviar schaufeln.

Leider haben sich meine Erwartungen nicht in diesem Ausmaß be-stätigt. Den silbernen Löffel „Moskau ist über jeden Gast froh“ habe ich behalten.

R u ssian sp o o nby

WlAdIMIR KAMIneR

Russe nlÖF Fe lvon

WLADIMIR KAMINER

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Im Zeitalter von Digitalkameras und Smartphones ist es nur noch schwer vorstellbar, dass es eine Epoche gab, in der man eine Reise in eine grö-ßere Stadt unternehmen musste, um ein Foto von sich machen zu las-sen. Porträtfotos wurden selten hergestellt und waren meist nur zu be-sonderen Anlässen üblich, vorausgesetzt man konnte sich den Besuch bei einem professionellen Fotografen im Atelier überhaupt leisten. So war es vor 150 Jahren. Bald schon zogen Wanderfotografen von Dorf zu Dorf, um ihr Handwerk anzubieten.

Dieses Arbeitsprinzip einer längst vergangenen Zeit hat der Berliner Fotograf Thomas Henk Henkel aufgegriffen. Über zwölf Monate hin-weg baute er sein ambulantes Atelier auf dem Mauerpark Flohmarkt auf. An Sonntagen lud er die Besucher ein, sich mit ihren gerade ge-

kauften Gegenständen fotografieren zu lassen. Das Ergebnis ist eine einzigartige Kombination aus Reportage- und Studiofotografie – faszi-nierende Menschen mit ihren wundersamen Anschaffungen.

Das Atelier bestand aus nichts weiter als einem Zelt mit einem Ho-cker, einem Stoffhintergrund und einer kleinen Blitzanlage, ähnlich der Ausrüstung der Wanderfotografen des 19. Jahrhunderts. Und wie seine Vorgänger hatte Henkel mit Temperaturen zwischen acht Grad unter null im Januar und weit über dreißig Grad im August zu kämpfen.

Das Durchhaltevermögen hat sich gelohnt, wie dieser Bildband zeigt. Henkels Fotos halten besondere Augenblicke und besondere Menschen für die Nachwelt fest. Menschen, die an einem Sonntag in Berlin das Glück hatten, Dinge zu finden, die sie vielleicht gar nicht gesucht haben.

In these days of digital cameras and smart phones, it’s hard to imagine a time when you had to go on a trip to have your photograph taken. Meaning that a portrait photo was reserved for important family occasions. That’s assuming you could even afford to visit a professional photographer in his studio. But 150 years ago, this was the case. Which is why photographers plied their trade by traveling from one village to the next to take portrait photos.

This product of a bygone age was resurrected when Berlin-based pho-tographer Thomas Henk Henkel set up his makeshift studio at the Mauer-park flea market. On Sundays he would invite people to be photographed along with the objects they’d just bought from one of the stalls. Resulting

in a unique combination of photo-reporting and studio photography, cap-turing intriguing people with equally curious purchases.

Henkel’s studio was nothing more than a tent, housing a stool, a back-drop, and a small flash unit. Similar to the equipment used by the traveling photographers of the 19th century. And just like his predecessors, he had to sit it out in temperatures ranging from 8° below freezing in January to well over 30° in August.

Yet it was well worth his perseverance – as the photos on these and the following pages testify. Henkel’s portraits preserve the moment and the people for posterity. People who set out one Sunday not knowing what they were looking for. But found it anyway.

ein Wanderfotograf auf dem mauerpark Flohmarkt

a wandering photographer at the Mauerpark f lea market

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Spielzeugpferd /toy horse | aus Stoff /made of cloth | 10 €

Thomas [37] & Milo [2] aus /from Berlin

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14 Brosche /brooch | gold-schwarz /gold-black | 1 €

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15 Drachenring /dragon ring | leicht angelaufen /slightly tarnished | 7 €

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Porzellanfiguren /porcelain figures | mit Kratzspuren /with scratch marks | 7 € Norbert lebt im Wedding und bezieht Hartz IV. Früh morgens sucht er den Markt nach Schätzen ab, um sie mittags weiter zuverkaufen. Norbert sammelt Überraschungs -eier-Figuren, Hunderte haben in seiner 1-Zimmer-Wohnung Platz gefunden. Die Kuh mit den roten Pumps ist sein Lieblingsfund vom Mauerpark.

Norbert lives in Wedding and is on social welfare. Early in the morning he is hunting for treasures, so he can resell them later. Norbert collects Kinder surprise toys, hundreds of them have taken up room in his small flat. The cow with the red shoes is his favoured finding from the Mauerpark.

Norbert aus /from Berlin

seITen / pages 14–15

Thomas [28] aus /from England & Armando [21] aus /from Kuba /Cuba

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I mPRes s um / iMp Rint

Junius Verlag GmbHStresemannstraße 37522761 Hamburgwww.junius-verlag.de

© 2013 by Junius Verlag GmbHCopyright für Fotos / copyright for photos: Thomas Henk HenkelFoto / photo Seiten / pages 94–95: © Karl-Ludwig Lange | akg imagesAlle Rechte vorbehalten

COVER:Woody & Freunde | Farbabplatzungen | je 0,50 €Thoas aus Potsdam ist Modedesigner und betreibt in Berlin-Mitte seine „Butterflysoulfire-Boutique“. Die Figuren will er zu einem Kunstwerk verarbeiten.

Woody & friends | spalling | 0,50 € eachThoas from Potsdam is a fashion designer and runs his “Butterflysoulfire Boutique” in Berlin Mitte. He wants to use the purchased figurines to create a work of art.

Herausgeber / editor: Benjamin Wolbergs

Text: Wladimir Kaminer (4–5), Nigel J. Luhman (7), Thomas Henk Henkel (08–91), Alexander Puell / Freunde des Mauerparks e.V. (94–95)

Gestaltung / design: Benjamin Wolbergs, Berlin

Druck und Bindung / printing and binding: Rasch Druckerei und Verlag GmbH & Co. KG

Printed in Germany1. Auflage 2013ISBN 978-3-88506-030-7

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

DeR FoToGRaF / the photogRapheR

Thomas Henk Henkel (geb. 1965) lebt seit 1991 als freiberuflicher Kameramann in Berlin. Für seine Reportagen und Dokumentarfilme hat er über fünfzig Länder bereist.

Thomas Henk Henkel (born 1965) has been a Berlin-based freelance cameraman since 1991. He has traveled to more than 50 foreign countries to film news reports and documentaries.

DanksaGunG / aCKnoWLeDgeMents

An alle Schatzsucher / to all treasure huntersNorbertPetra, Kim & Leon Henkel Murat und Nina-Kezban Ayvaz und das Team vom Mauerpark FlohmarktAlexander Puell (Freunde des Mauerparks e.V.)Peter SchusterFlorian KirchnerJohn Smith & Mark Boettger Rob LongstaffNigel J. LuhmanWladimir Kaminer

Stufenlinsenscheinwerfer | VEB Bühnen- u. Studiotechnik Berlin | 45 €