abendprogrammheft 20.03. korr - innsbrucker-abendmusik.at ·...
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Tonos humanos Ensemble Private Musicke Pierre Pitzl – Barockgitarre & Leitung Jesùs Fernandez Baena – Theorbe David Mayoral – Perkussion
Dienstag, 20. März 2018 Canisianum, Aula
PROGRAMM Carlo Calvi (um 1610 – um 1646) Ballo del Granduca (Bologna, 1646)
Francesco Corbetta (1615 – 1681) Corrente (Bologna, 1639)
Giovanni Paolo Foscarini (1600 – 1647) Ciacona
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Francesco Corbetta (1615 – 1681) Follia (Brüssel, 1648)
Nicola Matteis (um 1650 – vor 1703 oder nach 1713) Aria (London, 1686)
Carlo Calvi (um 1610 – um 1646) Rugiero
Antonio Carbonchi (um 1600 – k.A.) Ciacona (Florenz, 1640)
Giovanni Battista Granata (1620/21 – 1687) Allemanda – Brando – Sarabanda (Bologna, 1659)
Domenico Pellegrini (um 1621 – 1687) Brando – Corrente (Bologna, 1650)
Carlo Calvi (um 1610 – um 1646) Canario (Bologna, 1646)
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Girolamo Kapsberger (1580 – 1651) Toccata Arpeggiata – Toccata Seconda – Passacaglia (Rom, 1640)
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Francesco Corbetta (1615 – 1681) Sinfonia (Brüssel, 1648)
Ferdinando Valdambrini (k.A. – um 1646/47) Capona
Francesco Corbetta (1615 – 1681) Caprice de Chacone (Paris, 1671)
Luis de Briceño (um 1610 – 1630) Caravanda Ciacona (Paris, 1626)
P A U S E
Francisco Guerau (1649 – 1717 oder 1722) Passacaglia – Canario (Madrid, 1696)
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Gaspar Sanz (1640 – 1710) Folias – Canarios (Saragossa, 1674/1697)
Santiago de Murcia (1673 – 1739) Baylad Caracoles (Madrid, 1722)
Gaspar Sanz (1640 – 1710) Sarabanda – Chacona – Paradeta – Jacaras – Matachin
Santiago de Murcia (1673 – 1739) Marionas
Gaspar Sanz (1640 – 1710) Canarios
ZUM PROGRAMM: 1732 schreibt Johann Gottfried Walther, ein Vetter und Freund Jo-‐hann Sebastian Bachs, in seinem „Musicalischen Lexicon“ über die Gitarre: „Chitarra (ital.) Guitarre, Guiterre (gall.) Cithara Hispanica (lat.) χιϴαρις und χιϴαρα (gr.) ein mit 5 doppelten Darm-‐Saiten-‐Chören bezogenes plattes, lautenmäßiges Instrument, welches sonderlich vom spanischen Frauenzimmer gebraucht wird, (daher auch das Wort Spagnuola offt darbey stehet) aus Spanien nach Italien, und von da in andere Länder gekommen; es ist aber dieses Instrument mit der un-‐term Articul: Chelys angeführten Cithara nicht zu confundiren. Die Abbildung ist in Bonanni Gabinetto Armonico, p. 97. und in Mersenni Harmonic. Instrumentar. lib. 1 Prop. 21. zu sehen. Hierselbst wird noch gemeldet: daß es ehemals nur 4 chöricht gewesen; jetzo aber aus 5 doppelten in unisono gestimmten Saiten bestehe, doch habe die eine zum öfftern auch nur eine Saite.“ Mit dieser kurzen Charakterisierung umreißt Walther sehr grob die Entwicklung, welche die Gitarre im 17. Jahrhundert nahm: Sie wurde kontinuierlich weiterentwickelt und es etablierte sich die Standard-‐form der Barockgitarre mit fünf Saitenchören: Chorische Bespannung bedeutet, dass die fünf „Chöre“ aus je zwei gleich gestimmten Saiten bestehen. Richtig verortet Walther den Ursprung des Instrumentes in Spanien. Auch die europaweite Ausbreitung über Italien lässt sich ve-‐rifizieren. Was der Lexikograph verschweigt, ist der Umstand, dass die Gitarre längst nicht mehr nur ein Instrument des „spanischen Frauenzimmers“ war. Mit der Ausbreitung ging im 17. Jahrhundert ein sozialer Aufstieg einher. War sie noch um 1600 primär ein In-‐strument des „einfachen Volkes“, ein Straßeninstrument, das nur ge-‐schlagen und nicht gezupft wurde, so fand sie in der Folgezeit sogar Eingang in die höfische Musik. Damit kam es auch zu einer Professio-‐nalisierung des Gitarrenspiels: Es erschienen nun zahlreiche Lehrwer-‐ke, die davon zeugen, dass das Repertoire an Spieltechniken be-‐trächtlich erweitert wurde: Diese Gitarrenschulen, die zumeist auch Stücke ihrer Autoren enthalten, bilden eine wichtige Quelle für das im heutigen Konzert gespielte Programm. Zugleich folgen wir an die-‐sem Abend der Gitarre auf ihrem Siegeszug von Spanien über Italien
nach Europa und hören Musik der bedeutendsten Gitarristen des Ba-‐rock. In letzter Konsequenz führte der Aufstieg der Gitarre nicht nur zur Verdrängung der bis dahin universell beliebten Laute, sondern auch zur anhaltenden Popularität der Gitarre bis in die Gegenwart. Bei aller Professionalisierung blieb die Improvisation ein wesentliches Element des Gitarrenspiels: Die Musik ist meist gerüsthaft notiert und es war der Kreativität und den Fähigkeiten des Spielers überlassen, welche Musik daraus entstand. Die beliebtesten Formen der Gitar-‐renmusik des Barock waren die Modetänze wie Sarabanda, Passacaglia und Ciacona. Die letzteren zwei beruhen auf ostinaten Bassmodellen und laden daher ganz besonders zum freien Improvi-‐sieren ein. Die neue Vielfalt der Spieltechniken sorgt für Abwechs-‐lung. Am Beginn des Konzertes steht eine Komposition des Italieners Carlo Calvi aus dessen „Intavolatura di Chitarra, e Chitarriglia“, die 1646 in Bologna erschien. Calvi war einer von vielen spanisch geschulten ita-‐lienischen Gitarrenvirtuosen. Der Kulturtransfer von Spanien in Rich-‐tung Italien wurde mit Sicherheit durch die territoriale Verbindung des Königreichs Neapel (mit Sizilien) mit Spanien (bis 1707) begüns-‐tigt: In Neapel regierte ein spanischer Vizekönig. Die Verbindungen lassen sich auch direkt belegen: So wirkte der aus Ancona stammen-‐de Gitarrist und Lautenist Giovanni Paolo Foscarino zeitweilig am Hof von Erzherzog Albert, einem Habsburger der spanischen Linie, in den spanischen Niederlanden. Seine um 1630 gedruckte Sammlung „Il primo, secondo e terzo libro della chitarra spagnola“ ist überhaupt der früheste italienische Tabulatur-‐Druck für die Gitarre. Antonio Carbonchi wirkte am Musenhof der Medici in Florenz. In seinen „So-‐nate de chitarra spagnola con intavolatura franzese“ (1640) verwen-‐det er eine französische Notation – auf Verlangen seiner ausländi-‐schen Schüler, wie er schreibt. Drei Jahre später erschien die Samm-‐lung „Dodici chitarre spostate“ – ein absolutes Kuriosum: Dieser Druck enthält 32 Stücke für zwölf Gitarren, die auf je einen Ton der chromatischen Skala gestimmt sind. Giovanni Battista Granata aus Turin war im Zivilberuf Bader, also Barbier und Chirurg in einem. Zu-‐gleich war er der wohl fruchtbarste italienische Gitarrenkomponist seiner Zeit. Er wirkte im berühmten Bologneser „Concerto Palatino“
als Lautenist und propagierte die „Chitarra atiorbata“, ein Instrument mit zusätzlichen Basssaiten. In Bologna war auch Domenico Pellegrini tätig, der sich selbst im Vorwort seiner Sammlung „Armoniosi Con-‐certi sopra la Chitarra Spagnuola“ (1650) als „Domenico Pellegrini Bo-‐lognese accademico Filomuso“ bezeichnet. Der aus Deutschland ein-‐gewanderte Giovanni Girolamo Kapsberger (eigentlich Johannes Hie-‐ronymus K.) machte sich in Rom als Virtuose auf der Laute und dem Chitarrone einen Namen. Seine zahlreichen Werke für Zupfinstru-‐mente sind nur handschriftlich überliefert und vielfach äußerst frag-‐mentarisch notiert. Kapsberger gehört aber zu den bedeutendsten und einflußreichsten Musikerpersönlichkeiten seiner Zeit. In Rom war auch Ferdinando Valdambrini tätig, von dem zwei Sammlungen mit Gitarrenmusik überliefert sind, über den aber sonst nichts bekannt ist. Ein Spanier und ein Italiener stehen für die Popularisierung der Gitar-‐re in Frankreich: Luis de Briceño und Francesco Corbetta. Briceño schrieb mit seinem „Metodo mui facilissimo para aprender a tañer la guitarra a lo español“ ein Lehrwerk für die spanische Spielart. Der Verfasser reiste zwischen Spanien und Frankreich hin und her und konnte bereits an den Höfen reüssieren. Francesco Corbetta stammte aus dem italienischen Pavia und erwarb sich früh besonderes Re-‐nommee als Gitarrenvirtuose. Er konnte Ludwig XIV. von Frankreich und seinen Hof für die Gitarre begeistern und unterrichtete den Kö-‐nig. Später unterwies er auch König Karl II. von England im Gitarren-‐spiel. Corbetta veröffentlichte fünf umfangreiche und bedeutende Sammlungen mit Gitarrenmusik. Zu guter Letzt begeben wir uns noch einmal ins Mutterland der Gitar-‐re. Auch dort entwickelte sich das Gitarrenspiel weiter. Wesentlich an dieser Entwicklung beteiligt war Gaspar Sanz, der Sproß einer ange-‐sehenen Familie aus der Gegend von Saragossa. Seine Ausbildung als Gitarrist erhielt er am Königshof in Neapel. In die Heimat zurückge-‐kehrt, veröffentlichte er mit der 1674 erschienenen „Instrucción de música sobre la guitarra española y métodos de sus primeros rudi-‐mentos hasta tañer con destreza“ ein überaus erfolgreiches, bis in die Gegenwart einflussreiches Lehrwerk für die fünfchörige Barockgitar-‐
re. Am spanischen Königshof wirkten die Gitarristen Francisco Guer-‐au und sein Schüler Santiago de Murcia.
Dr. Franz Gratl
ZU DEN MUSIKERN: Private Musicke Das Ensemble Private Musicke hat sich seit seiner Gründung 1998 ein breites Repertoire erspielt, welches von der Frührenaissance bis zum Spätbarock reicht. Die Besetzungen variieren. Jedoch, ob als Viola da Gamba Consort, als Zupfinstrumentenconsort oder in unterschiedlichen Kombinationen mit verschiedensten Instrumenten und natürlich Sängern: den typischen „Private Musicke Sound“ erkennt man sofort. Eine Vielzahl an Einpielungen, die bei Accent, ORF Alte Musik und der Deutschen Grammophon erschienen sind, dokumentieren dies sehr anschaulich. Die Einspielungen wurden mit zahlreichen Preisen, wie Diapason d’or, 5 Sterne Goldberg, Pasticcio Preis des österreichischen Rundfunks, CD des Monats bei Fono Forum und BBC music usw, ausgezeichnet. Der Name “Private Musicke” ist einer Sammlung von Consortmusik des englischen Komponisten Martin Peerson aus dem Jahr 1620 ent-‐nommen. Das Ensemble unter der Leitung von Pierre Pitzl war Gast bei den renommiertesten europäischen Konzerthäusern und Festivals, wie Aix-‐en-‐Provence, Resonanzen Wien, Lucerne Festival, Edinburgh Fes-‐tival, Theatre des Champs Elysées, Helsinki Festival, London Wigmore Hall, Amsterdam Concertgebouw, Berlin Kammerphilharmonie ua. Das Programm „Lettere amorose“ mit der tschechischen Mezzoso-‐pranistin Magdalena Kozena führte die Musiker auch nach Japan, Ko-‐rea und China. Ausflüge in die Welt der Oper runden das reichhaltige Programm des Ensembles ab (Aufführungen bei den Innsbrucker Festwochen der Al-‐ten Musik und den Musikfestspielen Sanssouci). Discographie: “Les Plaisirs melancoliques”, ORF Edition “Alte Musik”, 1999 “Ferrabosco I&II”, ORF Edition “Alte Musik”, 2001 “Meraviglia D’Amore”, ORF Edition “Alte Musik”, 2002 “Heinrich Schütz, Johann Theile. Johannes-‐ und Matthäus Passion”, ORF, 2003 “Jose Marin. Tonos Humanos”, ACCENT, 2004
“Echo de Paris”, ACCENT, 2006 “Alonso Mudarra. Tres libros de musica, Sevilla 1546” mit Raquel Andueza, AC-‐CENT, 2008 “Lettere amorose” mit Magdalena Kozena, Deutsche Gramophone 2010 “Il labirinto della chitarra”, ACCENT 2011 “Alfabeto Songs” ACCENT 2013 “Rom-‐Paris-‐Madrid” ACCENT 2014 “Santiago de Murcia. Cifras selectas” ACCENT 2016 Mehr Informationen auch unter www.privatemusicke.at Pierre Pitzl begann seinen Einstieg in die Welt der Musik sehr spät, mit 12 Jahren und einer Elektrogitarre, ehe er ins Fach der klassischen Musik wech-‐selte. Er studierte Gitarre an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien bei Walter Würdinger, wo er mit 19 Jahren sein Solistendiplom "cum laude" ablegte. Danach widmete er sich der Laute, der Kammermusik und dem Generalbass an der Schola Canto-‐rum Basiliensis (bei Eugen Dombois, Hopkinson Smith, Jürgen Hüb-‐scher und Jesper Christensen) sowie am Conservatorium Den Haag der Viola da Gamba (bei Wieland Kuijken und Christoph Coin). Seither ist er als Solist und Kammermusiker sowohl mit der Viola da Gamba als auch mit der Barockgitarre tätig. Aufnahmen und Konzerttätigkeit mit Ayre Espanol, Frans Brüggen, Rene Jacobs, Concerto Köln, La Galania, Clemencic Consort, Concen-‐tus Musicus Wien, Ensemble Daedalus, Accademia Montis Regalis u.a. Mit dem von ihm geleiteten Ensemble PRIVATE MUSICKE war Pierre Pitzl bei den renommiertesten europäischen Konzerthäusern und Fes-‐tivals, wie Festival Aix-‐en-‐Provence, Resonanzen Wien, Lucerne Festi-‐val, Edinburgh Festival, Theatre des Champs Elysées, Helsinki Festival, London Wigmore Hall, Amsterdam Concertgebouw, Berlin Kammer-‐philharmonie u. a. sowie in Japan, Korea und China zu Gast. Sowohl als Solist als auch mit seinem Ensemble hat Pierre Pitzl zahl-‐reiche CDs bei „ORF Edition Alte Musik“, ACCENT und der Deutschen Grammophon veröffentlicht. Sie wurden mit dem Diapason d'Or und vielen anderen Preisen ausgezeichnet.
In jüngster Zeit wirkt der Musiker verstärkt auch als Leiter von Pro-‐jekten mit barocker Vokal-‐ und Opernmusik. Als Dozent ist Pierre Pitzl bei verschiedenen Meisterkursen tätig und unterrichtet Viola da Gamba an der Privatuniversität Konservatorium-‐Wien und an der Musikuniversität Wien. In den Jahren 2017/18 führte ihn ein Lehrauftrag für Barockgitarre an die Hochschule für Musik nach Bremen. Jesùs Fernandez Baena Geboren in Estepa (Sevilla), studierte er Blockflöte und Laute am Kon-‐servatorium Superior de Música de Sevilla, u.a. bei Guillermo Peñal-‐ver und Juan Carlos Rivera. Gefördert von der spanischen Regierung setzte er sein Studium am Koninklijk Konservatorium von Den Haag fort und erhielt dort auch 2002 sein Diplom. Er konzertiert regelmäßig mit bekannten Ensembles wie Private Mu-‐sicke, El Concierto Español, Al Ayre Español, La Real Cámara, Acca-‐demia del Piacere, Hippocampus, Ludovice Ensemble, More Hispano o La Colombina u.a. Im Jahr 2010 gründete er zusammen mit der So-‐pranistin Raquel Andueza sein eigenes Ensemble, La Galanía, mit dem er seitdem international konzertiert. Nebenbei begleitet er auch immer wieder bekannte Sänger, darunter María Bayo, Magdalena Kožená, Jordi Domènech, Nùria Rial, José Hernández Pastor, Carlos Mena und Raquel Andueza. Aufnahmen eingespielt hat er für das Schweizer, Französische und niederländische Radio sowie für die CD-‐Label Harmonia Mundi France, Deutsche Grammophon, NB Musika und Naïve. 2011 hat Baena sein eigenes CD Label mit dem Namen Anima e Corpo ins Leb-‐en gerufen, das seitdem sechs CD-‐Aufnahmen veröffentlicht hat. David Mayoral Perkussionist u. a. bei Jordi Savall, Hesperion XXI und dem Ensemble „L'arpeggiata“, ist einer der weltweit meist beschäftigten Instrumen-‐talisten. Mehrere Monate im Jahr ist er auf allen Kontinenten dieser Erde unterwegs und verleiht den verschiedenen Ensembles und Mu-‐ sikprojekten, die er begleitet, seine ganz besondere Note. Seine Vorliebe für die arabische Percussion und indische Rhythmen prägen seinen unverwechselbaren Groove und seine Klangvielfalt. Er spielt
neben unterschiedlichsten Rahmentrommeln, Darabuka und Riq auch virtuos das Santur. Wir laden Sie ganz herzlich zu unserem nächsten Konzert ein!
Tastenspiele Johann Sebastian Bach Goldberg-‐Variationen BWV 988
Peter Waldner – Cembalo Dienstag, 10. April – 20 Uhr – Canisianum, Aula
www.innsbrucker-‐abendmusik.at
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