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Additive Fertigung durch Selektives
Elektronenstrahlschmelzen der Nickelbasis Superlegierung IN718: Prozessfenster, Mikrostruktur
und mechanische Eigenschaften
Der Technischen Fakultät
der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg
zur
Erlangung des Doktorgrades Dr.-Ing.
vorgelegt von
Harald E. Helmer
aus Schwabach
II
Als Dissertation genehmigt
von der Technischen Fakultät
der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Tag der mündlichen Prüfung: 05.12.2016
Vorsitzende/r des Promotionsorgans: Prof. Dr. Reinhard Lerch
Gutachter/in: Prof. Dr. Robert F. Singer
Prof. Dr. Uwe Glatzel
III
Vorwort
Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit am Lehrstuhl
Werkstoffkunde und Technologie der Metalle (WTM) und am Zentralinstitut für Neue
Materialien und Prozesstechnik (ZMP) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-
Nürnberg (FAU) im Rahmen des DFG-Projekts B2 der ersten Förderperiode des
Sonderforschungsbereichs Transregio 103 „Vom Atom zur Turbinenschaufel“.
Allen voran möchte ich meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr.-Ing. Robert F. Singer
danken. Sein mir entgegengebrachtes Vertrauen und der gemeinsame
wissenschaftliche Diskurs über eine Vielzahl von Fragestellungen hat die vorliegende
Arbeit erst ermöglicht und in großem Maße bereichert. Weiterhin habe ich Frau Prof.
Dr.-Ing. habil. Carolin Körner für die tatkräftige Unterstützung dieser Arbeit zu
danken.
Die Größe der Arbeitsgruppe „Elektronenstrahlbasierte Additive Fertigung“
ermöglichte es wissenschaftliche Fragestellungen über Legierungen und
Legierungsgruppen hinweg zu beleuchten und hierdurch tieferes Verständnis der
physikalischen Eigenheiten des Selektiven Elektronenstrahlschmelzprozesses
(SEBM) zu erlangen. An dieser Stelle habe ich den Kollegen Dr.-Ing. Jan
Schwerdtfeger, M.Sc. Simon Eichler und Dipl.-Ing. Thorsten Scharowsky für
tiefgreifende, fachliche Diskussionen zu danken.
Neben der experimentellen Legierungsvielfalt hat die am Lehrstuhl WTM entwickelte
numerische Simulation weitere Erkenntnisgewinne ermöglicht. Mein besonderer
Dank gilt hier Dipl.-Phys. Fuad Osmanlic und Dipl.-Ing. Andreas Bauereiß. Die enge
Zusammenarbeit mit der Simulation hat einen erheblichen Beitrag zu dieser Arbeit
geleistet.
Weiterhin möchte ich allen meinen Kollegen am WTM, ZMP und NMF für die
kollegiale Zusammenarbeit und angenehme Arbeitsatmosphäre danken.
Ausdrücklich gilt es hier die tatkräftige Unterstützung des technischen Personals zu
erwähnen, ohne die jede experimentelle Arbeit unmöglich wäre. Weiterer Dank gilt
den äußerst hilfsbereiten Sekretariaten am WTM und ZMP, die jede bürokratische
Hürde mit Leichtigkeit gemeistert haben.
Aus meinem privaten Umfeld gilt der größte Danke meiner Frau und meinen Eltern,
die mich in jeder Situation bedingungslos unterstützt haben.
IV
Abstract
Die Additive Fertigung (AM) weist gegenüber konventionellen Fertigungsverfahren
eine Reihe von Vorteilen auf: erhöhte Konstruktionsfreiheit, kostengünstige
Individualisierbarkeit, reduzierte Lebenszykluskosten und vereinfachte industrielle
Prozessketten. Diese und das zunehmende Angebot an industrietauglichen AM-
Maschinen hat großes Interesse in der Industrie geweckt. Mit Additiven
Fertigungsverfahren, wie dem Selektiven Elektronenstrahlschmelzen (SEBM), lassen
sich komplexe, endkonturnahe Bauteile direkt aus einem in Schichten geschnittenen
CAD-Model aufbauen, in dem schichtweise dünne Lagen metallischen Pulvers
entsprechend der CAD-Information der jeweiligen Schicht mit dem Elektronenstrahl
aufgeschmolzen und konsolidiert werden.
Diese Doktorarbeit beschäftigt sich mit der Prozessqualifizierung und -optimierung
der Legierung IN718 - der am häufigsten eingesetzten Nickelbasis Legierung
weltweit - für den SEBM-Prozess. Es wird ein Prozess- und Eigenschaftsprofil von
SEBM-IN718 erstellt, welches Prozessfenster für eine dichte und rissfreie
Verarbeitung, Wärmebehandelbarkeit, Kornstrukturoptimierung und statische und
dynamische Festigkeiten umspannt und den industriellen Einsatz ermöglicht. Um die
erarbeiteten Prozessfenster auf komplexe Bauteile übertragbar zu machen, wird ein
analytisches Modell auf Basis der thermischen Bedingungen vorgestellt. Die erzielten
Kornstrukturen innerhalb der Prozessfenster sind stark stängelkristallin. Durch den
Einsatz innovativer Scanstrategien wird ein lokaler Wechsel von stängelkristallinen
zu globulitischen Gefügen erzielt. Dieser wird mit der Hilfe von
Elektronenrückstreudiffraktometrie (EBSD) und numerischer Simulation auf einen
scharfen, schichtweisen Wechsel der Wärmestromrichtung zurückgeführt. Für das
stängelkristalline Gefüge zeigen sich weiterhin zum Knetmaterial vergleichbare
statische und dynamische Festigkeiten. Die dynamischen Eigenschaften im
hochzyklischen Bereich sind maßgeblich durch interne Defekte, wie Gasporen und
Einschlüssen, bestimmt. Während die in SEBM-IN718 bruchinitiierenden Gasporen
aus bereits im Pulver eingefrorenen Gasporen resultieren, wird für die vorliegenden
Einschlüsse ein schichtweiser Anreicherung- und Agglomerationsmechanismus auf
Basis der Schmelzbadkonvektion vorgestellt.
V
Additive Manufacturing (AM) possesses many advantages compared to conventional
manufacturing techniques: increased design freedom, low-cost individualization,
reduced life cycle costs and facilitated industrial process chains. These and the
increasing availability of industrial-suited AM-machines have gained great interest in
the industry. With AM-processes, like Selective Electron Beam Melting (SEBM)
complex near net shape parts can be fabricated directly from a sliced CAD-model by
locally melting and consolidating thin powder layers with an electron beam according
to the CAD information in the specific layer.
This thesis is engaged with the process qualification and optimization of alloy
IN718 - most common nickel base superalloy worldwide - for the SEBM process. A
process and properties profile of SEBM-IN718 was developed ranging from process
windows for dense and crack-free fabrication, to heat treatment, grain structure
optimization and static and dynamic mechanical properties and enabling industrial
application. To transfer the achieved process windows to complex parts, an analytical
model on basis of the thermal conditions is presented. Grain structures in the
process windows are strongly columnar. By innovative scanning strategies the local
grain structure could be altered from columnar to equiaxed (CET). This CET was
linked to a sharp and layer-wise change of the heat flux direction by analysis with
electron beam backscatter diffraction (EBSD) and numerical simulation. For the
columnar grain structure static and dynamic strengths comparable to wrought
material can be achieved. The high cycle fatigue properties are mainly determined by
internal defects like gas pores and inclusions. Gas porosity is known to be connected
to trapped gas pores in the powder particles. For the observed inclusions a new
enrichment and agglomeration mechanism based on melt pool convection is
proposed.
VI
VII
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ..................................................................................................................... III
Abstract .................................................................................................................... IV
Inhaltsverzeichnis .................................................................................................. VII
Verzeichnis der Formelzeichen und Abkürzungen ................................................ X
1 Motivation und Zielsetzung .............................................................................. 1
2 Literaturübersicht .............................................................................................. 3
2.1 Nickelbasis Superlegierung INCONEL 718 ................................................... 3
2.1.1 Mikrostruktur und Materialverhalten ........................................................ 3
2.1.2 Herstellungsprozesse und Wärmebehandlung ....................................... 7
2.2 Additive Fertigung (AM) ................................................................................. 8
2.2.1 Verfahren mit lokaler Werkstoffzufuhr ..................................................... 8
2.2.2 Pulverbettbasierte Verfahren .................................................................. 9
2.2.3 Scanstrategien ...................................................................................... 11
2.3 Erstarrung in additiven Strahlschmelzverfahren ....................................... 12
2.3.1 Erstarrungsmorphologien ...................................................................... 13
2.3.2 Columnar-to-equiaxed transition ........................................................... 15
2.3.3 Bevorzugte Wachstumsrichtung und Kornselektion .............................. 19
2.3.4 Scanstrategien und Textur .................................................................... 21
2.3.5 Mikrosegregation .................................................................................. 23
2.4 Dynamische Festigkeit ................................................................................. 25
2.4.1 Dauerschwingversuch ........................................................................... 25
2.4.2 Bruchinitiierung und Risswachstum ...................................................... 26
2.4.3 Hochzyklische Ermüdungsfestigkeit in der Additiven Fertigung ............ 28
2.4.4 Linearelastische Bruchmechanik (LEBM) ............................................. 29
3 Experimentelles Vorgehen ............................................................................. 33
3.1 SEBM von INCONEL® 718 ............................................................................ 33
3.1.1 Legierungspulver .................................................................................. 33
VIII
3.1.2 Prozessqualifizierung ............................................................................ 34
3.1.3 Scanstrategien ...................................................................................... 36
3.2 Probenpräparation ........................................................................................ 37
3.3 Mikrostruktur- und Defektanalyse ............................................................... 37
3.3.1 Lichtmikroskop (LM) .............................................................................. 38
3.3.2 Rasterelektronenmikroskop (REM) ....................................................... 40
3.3.3 Elektronenrückstreudiffraktometrie (EBSD) .......................................... 42
3.3.4 Mikrosonde (EPMA) .............................................................................. 44
3.3.5 Chemische Zusammensetzung............................................................. 44
3.4 Wärmebehandlung ....................................................................................... 45
3.4.1 Dynamische Differenzkalorimetrie (DSC) ............................................. 45
3.4.2 Bestimmung der Lösungsglühtemperatur ............................................. 45
3.5 Mechanische Eigenschaften ........................................................................ 46
3.5.1 Additive Fertigung und Probenfertigung ................................................ 47
3.5.2 Resonanzfrequenzdämpfungsanalyse (RFDA) ..................................... 49
3.5.3 Kalt- und Warmzugversuch ................................................................... 49
3.5.4 Hochzyklischer Ermüdungsversuch (HCF) ........................................... 50
4 Numerisches Vorgehen .................................................................................. 52
5 Ergebnisse und Diskussion ........................................................................... 54
5.1 Prozessfenster für kolumnare Kornstrukturen (CG-IN718) ....................... 54
5.1.1 Aufschmelztiefe ..................................................................................... 56
5.1.2 Globale chemische Zusammensetzung ................................................ 57
5.1.3 Einfluss der thermischen Diffusion auf die Konsolidierung ................... 58
5.2 Schmelzbadgeometrie und Kornstruktur ................................................... 62
5.2.1 Einfluss der Strahlbreite ........................................................................ 63
5.2.2 Einfluss der Scanstrategie .................................................................... 67
5.2.3 Einfluss der Scanmustertiefe ................................................................ 73
5.2.4 Mechanismen der Neukornbildung ....................................................... 75
5.2.5 Entwicklung der Kornstruktur ................................................................ 81
IX
5.3 Mikrostruktur und Wärmebehandlung ........................................................ 89
5.3.1 Mikrostruktur und thermische Historie ................................................... 89
5.3.2 Thermophysikalische Eigenschaften ..................................................... 93
5.3.3 Auflösung der δ-Phase .......................................................................... 93
5.3.4 Homogenisierung von Mikroseigerungen .............................................. 96
5.3.5 Definition der Lösungsglühung.............................................................. 99
5.4 Mechanische Eigenschaften und Textur .................................................. 100
5.4.1 Kornstruktur von Zug- und Ermüdungsproben .................................... 100
5.4.2 Elastizitätsmodul ................................................................................. 101
5.4.3 Statische Festigkeit ............................................................................. 102
5.5 HCF-Schwellfestigkeit ................................................................................ 105
5.5.1 Mikrostrukturelle Defektarten .............................................................. 105
5.5.2 Hochzyklische Schwellfestigkeit.......................................................... 108
5.5.3 Bruchinitiierungsdefektarten ............................................................... 109
5.5.4 Rissverlauf .......................................................................................... 111
5.5.5 Verarbeitungseinflüsse auf die HCF-Bruchinitiierung .......................... 112
5.5.6 Bruchmechanische Betrachtung der HCF-Schwellfestigkeit ............... 116
6 Zusammenfassung und Ausblick ................................................................ 119
Literaturverzeichnis ............................................................................................. 121
Anhang A. Prozessparameter im Vorheizschritt ................................................ 135
Anhang B. Definition der Strahlbreite ................................................................. 136
Anhang C. Energetische Betrachtung des Aufschmelzprozesses .................. 137
Anhang D. Thermodynamische Simulation ........................................................ 138
Anhang E. Wärmeleitfähigkeit von IN718 und Al2O3 .......................................... 139
Anhang F. Schwellwert des Spannungsintensitätsfaktors ............................... 140
X
Verzeichnis der Formelzeichen und Abkürzungen
Formelzeichen
Symbol Beschreibung Einheit
𝑎 Kinetischer Parameter für dendritisches Wachstum s/m
𝑎 Risslänge m
𝑎 Thermische Diffusivität m2/s
𝑎 und 𝑏 Halbachsen einer Ellipse m
𝐴 Messfläche m²
𝐵 Mittlere vertikale Sehnenlänge m
𝑐0 Nominelle Zusammensetzung Gew.-%
𝑐𝐶𝑟+𝐹𝑒 Summe der Konzentrationen von Cr und Fe Gew.-%
𝑐𝐿 Konzentration der Schmelze Gew.-%
𝑐𝑁𝑏+𝑇𝑖 Summe der Konzentrationen von Nb und Ti Gew.-%
𝑐𝑆 Konzentration des Festkörpers Gew.-%
𝑐𝑚𝑎𝑥0 Maximale Elementkonzentration im wie gebaut Zustand Gew.-%
𝑐𝑚𝑎𝑥𝑡 Maximale Elementkonzentration im wärmebehandelten Zustand Gew.-%
𝑐𝑚𝑖𝑛0 Minimale Elementkonzentration im wie gebaut Zustand Gew.-%
𝑐𝑚𝑖𝑛𝑡 Minimale Elementkonzentration im wärmebehandelten Zustand Gew.-%
𝑑 Breite des Konzentrationsprofils m
𝑑𝑓 Strahlbreite m
𝑑𝑉 Volumenanteil aller Körner Vol.-%
𝐷𝐿 Diffusionskoeffizient der Schmelze m²/s
𝐸𝐴 Flächenenergie J/m²
𝐸𝐿 Linienenergie J/m
𝐸𝑉 Volumenenergie J/m3
𝑓𝑠 Festphasenanteil -
𝑔 Orientierung eines Korns in Bunge Konvention -
𝐺 Thermischer Gradient K/m
ℎ𝑑 Scanmustertiefe m
ℎ𝑠 Spurabstand m
𝐼 Emittierte Stromstärke A
𝐽𝑂𝐷𝐹 Texturindex -
𝑘 Gleichgewichtsverteilungskoeffizient -
𝑘𝑠 Seigerungsverteilungskoeffizient -
𝐾 Proportionalitätskonstante m3/4 K1/2 s-1/5
XI
𝐾𝑡 Spannungsintensitätsfaktor -
𝑙𝐴 Aufschmelztiefe m
𝑙𝑠 Scanvektorlänge m
𝑙𝑡ℎ Thermische Diffusionslänge m
𝐿 Mittlere horizontale Sehnenlänge m
𝑛 Kinetischer Parameter für dendritisches Wachstum -
𝑛 Avrami-Exponent -
�⃑� Normalenvektor auf der Erstarrungsfront / Schmelzbadgeometrie -
𝑁 Lastwechselspielzahl -
𝑁 Anzahl an Dendriten in der Messfläche 𝐴 -
N0 Nukleationskeimdichte m-3
𝑂𝐷𝐹(𝑔) Orientierungsdichtefunktion -
𝑝 Prozesskammerdruck N/m²
𝑃 Strahlleistung kg m2 s-3
𝑅 Dendritenspitzenradius m
𝑅 Spannungsverhältnis -
𝑡 Auslagerungszeit s
𝑡𝑟 Rückkehrzeit s
𝑇𝐿 Liquidustemperatur °C
𝑇𝑚 Homologe Temperatur -
𝑇𝐿(𝑥) Liquidustemperatur vor der Erstarrungsfront °C
𝑇𝑆 Solidustemperatur °C
𝑇𝑄(𝑥) Lokale Schmelztemperatur vor der Erstarrungsfront °C
𝑈 Beschleunigungsspannung der Elektronenstrahlkanone V
𝑣 Ablenkgeschwindigkeit des Elektronenstrahls m/s
𝑣ℎ𝑘𝑙⃑⃑ ⃑⃑ ⃑⃑ ⃑⃑ Geschwindigkeitsvektor der bevorzugten Wachstumsrichtung -
𝑣ℎ𝑘𝑙 Geschwindigkeit der bevorzugten Wachstumsrichtung [hkl] m/s
𝑣𝑠 Erstarrungsfrontgeschwindigkeit m/s
𝑣𝑡 Transversale Fortschrittgeschwindigkeit m/s
𝑉 Volumenanteil von Körnern mit einer gewissen Orientierung 𝑔 Vol.-%
𝑊 Ausscheidungsanteil Vol.-%
𝑊0 Equilibriumsausscheidungsanteil Vol.-%
𝑌 Korrekturfaktor des zyklischen Spannungsintensitätsfaktors -
Γ Gibbs-Thomson-Koeffizient K m
𝛿 Restsegregationsindex -
XII
𝜆1 Primärarmabstand m
𝜆2 Sekundärarmabstand m
∆𝐾𝐼 Zyklischer Spannungsintensitätsfaktor N/m3/2
∆𝐾𝑡ℎ Schwellwert des zyklischen Spannungsintensitätsfaktors N/m3/2
∆𝑇 Unterkühlung °C
Δ𝑇0 Erstarrungsintervall °C
Δ𝑇𝐶 Konstitutionelle Unterkühlung vor der Erstarrungsfront °C
Δ𝑇𝑁 Nukleationsunterkühlung °C
∆𝑇𝑡𝑖𝑝 Unterkühlung an der Dendritenspitze °C
∆𝜎 Zyklische Spannung N/m²
∆𝜎(𝑎) Kritische zyklische Spannung in Abhängigkeit von der Risslänge N/m²
𝜎𝑎 Spannungsamplitude N/m²
𝜎𝐷 Dauerfestigkeit N/m²
𝜎𝑚 Mittelspannung N/m²
𝜎𝑚𝑎𝑥 Maximalspannung in Umgebung einer Kavität N/m²
𝜎𝑛𝑜𝑟𝑚 Normalspannung N/m²
𝜎𝑜 Oberspannung N/m²
𝜎𝑢 Unterspannung N/m²
𝜏 Zeitkonstante s
𝜑 Winkel zwischen Wärmestrom- und Baurichtung °
𝜑𝑚𝑎𝑥 Winkel 𝜑 bei einer Schmelzbadhöhe von 50 µm °
𝜙 Volumenanteil an globulitischen Keimen -
𝜙𝑐 Kritischer Volumenanteil an globulitischen Keimen -
𝜓 Winkel zwischen �⃑� und 𝑣ℎ𝑘𝑙⃑⃑ ⃑⃑ ⃑⃑ ⃑⃑ °
Kristallographische Phasen und Ausscheidungen
Symbol Beschreibung
𝛾 Ungeordnete Matrixphase in Nickelbasis Superlegierungen
𝛾′ Intermetallische Härtungsphase Ni3(Al,Ti)
𝛾′′ Intermetallische Härtungsphase Ni3Nb
𝛿 Intermetallische Sprödphase Ni3Nb
NbC Niobcarbid
TiN Titannitrid
Al2O3 Aluminiumoxid
XIII
Abkürzungen
Symbol Beschreibung
AM Additive Manufacturing
At.-% Atomprozent
At.-ppm Atom-parts per million
BS Bidirektionales Scanmuster
BSE Backscattered electrons
CET Columnar-to-equiaxed-transition
CG Columnar grained
CGHL Columnar grained by a high line offset
CGHS Columnar grained by a high spot size
CGLS Columnar grained by a low spot size
CNC Computerized Numerical Control
DA Direct-aged
DK Dendritenkern
DSC Differential scanning calorimetry
EBCHR Electron beam cold hearth refining
EBSD Electron backscattered diffraction
EDX Energy dispersive x-ray spectroscopy
EG Equiaxed grained
Gew.-% Gewichtsprozent
Gew.-ppm Gewichts-parts per million
HFW Horizontal field width
ICP-OES Inductively coupled plasma optical emission spectrometry
ID Interdendritischer Bereich
KAV Mittleres Kornaspektverhältnis
LBM Lattice Boltzmann Methode
LM Lichtmikroskop
MUD Multiples of a uniform distribution
PREP Plasma rotating electrode process
REM Rasterelektronenmikroskop
RFDA Resonanzfrequenzdämpfungsanalyse
SE Secondary electrons
SEBM Selective electron beam melting
SLM Selective laser melting
TBV Tiefenbreitenverhältnis
XIV
TCP Topologically close packed phases
VAR Vacuum arc remelting
ZTU Zeit-Temperatur-Umwandlung
1 Motivation und Zielsetzung 1
1 Motivation und Zielsetzung
Nach US-Präsident Barack Obama weist das „Additive Manufacturing“ (AM) das
Potential auf, die Art und Weise der industriellen Fertigung gänzlich zu verändern. In
einer Studie von Roland Berger Consultants wird gar eine Vervierfachung des
Marktvolumens in der Additiven Fertigung innerhalb der nächsten 10 Jahre
prognostiziert [Eisenhut2013]. Die positiven Aussichten für die Additive Fertigung
resultieren aus diversen Vorteilen gegenüber den konventionellen
Fertigungsverfahren. Ist in konventionellen Fertigungsverfahren, z.B. im Gießen,
Umformen und Zerspanen, eine Erhöhung der Stückkosten mit zunehmender
Bauteilkomplexität in Abb. 1.1 zu beobachten, so gilt gleiches für AM-Verfahren nicht.
In der Additiven Fertigung werden Bauteile schichtweise und endkonturnah
aufgebaut. In jeder Schicht wird lediglich das zum Bauteil zugehörige Material
erzeugt. Eine Erhöhung der Komplexität führt demnach zu keiner Steigerung der
Stückkosten bzw. Taktzeit. Weiterhin ermöglicht der schichtweise Aufbau eine hohe
Gestaltungsfreiheit. Geometrische Einschränkungen im Gießen oder Umformen
führen häufig zu verfahrensbedingt erhöhten Bauteildicken. Die erhöhte
Gestaltungsfreiheit in AM-Prozessen ermöglicht eine gegenüber den
Bauteilanforderungen angepasste Konstruktion, die durch Materialeinsparung eine
kostengünstige und effiziente Bauteilfertigung bei gleichzeitig erhöhter Komplexität
erlaubt. Der formlose Aufbau in AM-Prozessen führt weiterhin zu einer
kostengünstigen Fertigung von Prototypen und Kleinserien, da hohe
Anschaffungskosten von Guss- oder Schmiedeformen entfallen.
Abb. 1.1: Schematische Darstellung der Stückkosten und Taktzeit für konventionelle und
additive Fertigungsprozesse in Abhängigkeit von der Bauteilkomplexität [Eisenhut2013].
1 Motivation und Zielsetzung 2
Gerade im Prototypenbau, z.B. in der Automobilindustrie, kommen AM-Verfahren
bereits heute zum Einsatz, tragen sie doch einen signifikanten Beitrag zur
Reduzierung der Entwicklungszyklen bei. Weitere Anwendungsfelder sind die Luft-
und Raumfahrt (Titanlegierungen und Nickelbasis Superlegierungen), der
Werkzeugbau (Stähle) und die Medizintechnik (Titan- und CoCr-Legierungen), in
welchen gerade die Ressourceneffizienz der AM-Prozesse bei der Verarbeitung
kostenintensiver Legierungen einen entscheidenden Vorteil mitbringt. Insbesondere
in pulverbettbasierten AM-Prozessen, wie dem Selektiven
Elektronenstrahlschmelzen (SEBM) und dem Selektiven Laserstrahlschmelzen
(SLM), können Bauteile endkonturnah aufgebaut werden und nicht aufgeschmolzene
Pulverpartikel rezykliert werden.
Trotz des vielseitigen industriellen Einsatzes von AM-Technologien liegen derzeit
gerade hinsichtlich der Prozess-Eigenschaften-Korrelation nur vereinzelte Arbeiten
vor [Thijs2013b, Kunze2015]. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist die
Prozessqualifizierung der Nickelbasis Superlegierung IN718 für das Selektive
Elektronenstrahlschmelzen und die Verbesserung des Prozessverständnisses
hinsichtlich der Gefügeentwicklung und der daraus resultierenden mechanischen
Eigenschaften. Die Legierung IN718 ist eine der am häufigsten eingesetzten
Nickelbasis Superlegierungen und wird aufgrund ihrer guten
Hochtemperaturfestigkeit und Korrosions- und Oxidationsbeständigkeit
beispielsweise in der Luftfahrt als Turbinenscheibenwerkstoff eingesetzt [Huan2012].
IN718 ist bekannt für seine sehr gute Schweißbarkeit und eignet sich folglich
exzellent für das Selektive Elektronenstrahlschmelzen [Henderson2004]. In der
vorliegenden Arbeit werden Prozessfenster für den dichten und rissfreien Aufbau
definiert und die resultierenden Gefüge mit den Prozessbedingungen in Verbindung
gebracht. Dem Einfluss von Scanstrategien mit hohen Ablenkgeschwindigkeiten auf
die Kornstrukturentwicklung wird besonderes Augenmerk zuteil. Ein weiterer
Schwerpunkt der Arbeit stellt die Betrachtung der mechanischen Eigenschaften eines
stängelkristallinen und eines globulitischen Gefüges dar, wobei insbesondere der
Elastizitätsmodul und die statische und dynamische Festigkeit untersucht werden.
2 Literaturübersicht 3
2 Literaturübersicht
2.1 Nickelbasis Superlegierung INCONEL 718
Die Nickelbasis Superlegierung INCONEL® 718 (IN718, Werkstoffnummer 2.4668)
der Special Metals Corporation wurde in den 50er Jahren entwickelt und ist aufgrund
ihrer guten mechanischen und korrosiven Eigenschaften bei einem moderaten
Materialpreis die Nickelbasis Superlegierungen mit dem größten Produktvolumen
weltweit [Paulonis2001, Schafrik2001]. Anwendung findet IN718 beispielsweise in
der petrochemischen Industrie und im Gas- und Flugzeugturbinenbau. Die guten
mechanischen Festigkeiten resultieren aus der Mischkristallhärtung der Matrix und
der Ausscheidungshärtung auf Basis der Elemente Nb, Ti und Al (vgl. Tab. 2.1).
2.1.1 Mikrostruktur und Materialverhalten
Im Folgenden werden die verschiedenen Phasen und deren Einfluss auf das
Eigenschaftsprofil der Legierung dargestellt.
𝛾-Matrix
Den Hauptbestandteil der Legierung IN718 bildet ein kubisch flächenzentrierter Ni-
Mischkristall - die 𝛾-Matrix - mit hohen Eisen- und Chromanteilen (vgl. Tab. 2.1). Die
korrosive Beständigkeit resultiert aus einem hohen Chromanteil und der damit
verbundenen Ausbildung einer Cr2O3-Deckschicht. Weiterhin tragen die
Legierungselemente Cr, Fe und Mo im Sinne einer Mischkristallhärtung zur hohen
Festigkeit der Legierung bei [Decker1969]. Neben der Mischkristallhärtung wird ein
erheblicher Anteil der guten Warmfestigkeit von IN718 über eine
Ausscheidungshärtung durch die intermetallischen Härtungsphasen 𝛾′ und 𝛾′′
realisiert.
Tab. 2.1: Chemische Zusammensetzung von IN718 in Gew.-% nach [DIN17744].
Elemente /
Ni Cr Fe Ti Nb Mo Al Co C Konzentration
Minimum 50,00 17,00 Bal. 0,65 4,75 2,80 0,20 - -
Maximum 55,90 21,00 Bal. 1,15 5,50 3,30 0,80 1,00 0,08
2 Literaturübersicht 4
𝛾′-Phase
Die kohärente 𝛾′-Phase mit der Stöchiometrie Ni3(Al,Ti) und einer geordneten L12-
Struktur stellt die übliche Härtungsphase in Nickelbasis Superlegierungen dar und
führt aufgrund hoher Solvustemperaturen zu der außerordentlichen Warmfestigkeit
dieser Legierungsklasse. In IN718 ist der Nb-Gehalt auf Kosten der in Nickelbasis
Superlegierungen üblicherweise hohen Al- und Ti-Gehalte erhöht, so dass sich der
Volumenanteil der 𝛾′-Phase auf lediglich 4-5 Vol.-% begrenzt [Groh1991]. Die 𝛾′-
Phase spielt daher eine eher untergeordnete Rolle in der Festigkeitssteigerung in
IN718.
𝛾′′-Phase
Die 𝛾′′-Phase mit der stöchiometrischen Zusammensetzung Ni3Nb hat mit einem
Phasenanteil von bis zu 14 Vol.-% den größten Anteil an der Festigkeitssteigerung
unter den Ausscheidungsphasen in IN718 [Paulonis1969, Groh1991]. Die Bildung
der 𝛾′′-Phase resultiert aus den im Verhältnis zu anderen Nickelbasis
Superlegierungen erhöhten Nb- und Fe-Gehalten. Quist et al. zeigen an binären Ni-
Nb-Legierungen, dass eine alleinige Erhöhung des Nb-Gehalts bis zu 12 Gew.-% zu
keiner 𝛾′′-Ausscheidung führt. Bei Zugabe von Fe ist eine 𝛾′′-Ausscheidung bei
deutlich geringeren Nb-Gehalten zu beobachten [Quist1971]. Die 𝛾′′-Phase hat eine
tetragonal raumzentrierte Kristallstruktur (D022) und liegt in der 𝛾-Matrix teilkohärent
vor. Die Teilkohärenz führt einerseits zu einer scheibenförmigen Morphologie der
Phase und andererseits zu einer klaren Orientierungsbeziehung zwischen den 𝛾′′-
Ausscheidungen und der 𝛾-Matrix in Gl. (2.1) [Slama2000].
{100}𝛾 ∥ (001)𝛾′′ , ⟨001⟩𝛾 ∥ [100]𝛾′′ (2.1)
𝛿-Phase und Phasenstabilität
Die 𝛿-Phase ist eine orthorhombische Ordnungsphase (D0a), die stöchiometrisch mit
der 𝛾′′-Phase übereinstimmt und inkohärent in der Matrix vorliegt. Die sogenannte
primäre 𝛿-Phase bildet sich während der Erstarrung an Korngrenzen. Bis zu einem
gewissen Gehalt ist die primäre 𝛿-Phase in Schmiedeprozessen erwünscht, da diese
die Korngrenzenmobilität herabsetzt und damit eine effektive Kontrolle der
Kornstruktur im Schmiedeprozess ermöglicht [Muzyka1971]. Die sogenannte
sekundäre 𝛿-Phase ist im Korninneren nach mehreren tausend Stunden bei
2 Literaturübersicht 5
Einsatztemperaturen oberhalb von 650 °C vorzufinden und nicht erwünscht. Aus
Gründen gleicher stöchiometrischer Zusammensetzung kommt es mit Ausbildung der
𝛿-Phase zu einer Verarmung der Matrix an Nb und damit zu einer Reduzierung des
maximalen 𝛾′′-Phasenanteils. Die sekundäre 𝛿-Phase entsteht bei erhöhten
Temperaturen durch einen Vergröberungsprozess aus der metastabilen 𝛾′′-Phase
und stellt das Ende der Ausscheidungssequenz dar [Kirman1970, Azadian2001]. Mit
der Phasenumwandlung geht ein Verlust der Teilkohärenz einher, so dass die
inkohärente 𝛿-Phase keinen signifikanten festigkeitssteigernden Beitrag liefert
[Slama2000]. Vielmehr ist zum einen ein Festigkeitsverlust durch den im Zuge der
Phasenumwandlung reduzierten 𝛾′′-Phasenanteil und zum anderen eine reduzierte
Duktilität durch die spröden, plattenförmigen 𝛿-Ausscheidungen zu beobachten
[Slama2000].
Die Solvustemperatur der 𝛿-Phase findet sich im ZTU-Diagramm für geschmiedetes
IN718 in Abb. 2.1 bei einer Temperatur von etwa 1020 °C [Radavich1989, Oradei-
Basile1991, Azadian2004, Xie2005b]. In gegossenem IN718 lassen sich nach
Carlson et al. aufgrund erhöhter Nb-Gehalte im interdendritischen Bereich 𝛿-
Solvustemperaturen von bis zu 1050 °C beobachten [Carlson1989].
TCP-Phasen und keramische Einschlüsse
Neben den bereits genannten Phasen finden sich sowohl keramische Teilchen
(Oxide, Nitride, Carbide), als auch TCP-Phasen (topologically closed packed) in der
Mikrostruktur.
Im Zuge geringer Löslichkeit kommt es für die in konventionellen IN718 üblichen
nominellen Sauerstoff-, Stickstoff- und Kohlenstoffkonzentrationen zu einer
Abb. 2.1: ZTU-Diagramm für geschmiedetes
IN718 [Xie2005b]. Bei Temperaturen über
900 °C bildet sich bereits nach wenigen
Minuten 𝛿-Phase an Korngrenzen.
2 Literaturübersicht 6
Überschreitung der Sättigungskonzentration in der Schmelze und damit zur
Ausscheidung von Oxiden, Nitriden und Carbiden beim Erkalten und/oder Erstarren
der Schmelze. Der in der Schmelze gelöste und der bereits ausgeschiedene Anteil
einer keramischen Verbindung lässt sich im Gleichgewicht mit Hilfe des
Löslichkeitsprodukts 𝐾𝐿 berechnen, welches in Gl. (2.2) für Titannitrid (TiN)
dargestellt ist.
𝐾𝐿 = [𝑐𝑇𝑖 ∙ 𝑓𝑇𝑖] ∙ [𝑐𝑁 ∙ 𝑓𝑁] (2.2)
Hierbei stellt 𝑐𝑖 den in der Schmelze gelösten Anteil und 𝑓𝑖 den Henry Koeffizienten
einer Komponente 𝑖 dar. In Tab. 2.2 finden sich die anhand des Löslichkeitsprodukts
berechneten Sättigungskonzentration der Elemente S, Mg, N und O in IN718 bei 𝑇𝑆
und 𝑇𝐿 [Mitchell1991, Cockcroft1992].
Die einzelnen Ausscheidungsvorgänge beeinflussen sich gegenseitig. Die sich
bereits bei höheren Schmelztemperaturen ausscheidenden Aluminiumoxide (Al2O3)
fungieren als Nukleationspunkte für Titannitride (TiN), die sich erst bei weiterer
Reduzierung der Schmelztemperatur bilden [Cockcroft1992, Mitchell1994b]. Die
Ausscheidungstemperatur ist dabei maßgeblich von der jeweiligen
Elementkonzentration abhängig. So kommt es beispielsweise bei nominellen
Stickstoffgehalten von weniger als 37 Gew.-ppm (parts per million) erst unterhalb von
𝑇𝐿 zur Bildung von TiN [Cockcroft1992].
Für nominelle Stickstoffgehalte von größer als 37 Gew.-ppm stehen TiN ebenfalls als
Keime für die sich während der Erstarrung bildenden Niobcarbide (NbC) zur
Verfügung [Mitchell1994b]. Strondl et al. konnten dieses Verhalten in SEBM-IN718
mit einem nominellen Stickstoffgehalt von 147 Gew.-ppm bestätigen [Strondl2008].
Diese sogenannten primären NbC bilden sich im interdendritischen Bereich, da es
Tab. 2.2: Sättigungskonzentration von S, Mg, N und O bei 𝑇𝑺 und 𝑇𝐿 in IN718 in Gew.-ppm
nach [Mitchell1991] und [Cockcroft1992].
Element /
S Mg N O Sättigungskonzentration
Bei 𝑻𝑺 2 5 5 2
Bei 𝑻𝑳 * * 37 5
* nicht verfügbar.
2 Literaturübersicht 7
hier im Zuge von Mikroseigerungen (vgl. Kap. 0) lokal zu einer Anreicherung der
Schmelze mit Nb und C kommt [Knorovsky1989, Cieslak1989, Kang2004]. Sobald
die Sättigungskonzentration erreicht ist, scheidet sich NbC aus. Die nun an C
verarmte Schmelze reichert sich wiederum mit Nb an, bis die Bildung eines
Lavesphaseneutektikum den Erstarrungsvorgang beendet [Knorovsky1989].
Die Lavesphase ist als Sprödphase nachteilig für die mechanischen Eigenschaften.
Radhakrishna et al. beobachten für das Elektronenstrahlschweißen einen reduzierten
Lavesphasenanteil bei hohen Erstarrungsgeschwindigkeiten [Radhakrishna1997].
Für das Selektive Elektronenstrahlschmelzen (SEBM) detektieren Strondl et al. keine
Lavesphase [Strondl2008].
2.1.2 Herstellungsprozesse und Wärmebehandlung
Nach dem klassischen Herstellungsprozess durch Vakuuminduktionsschmelzen
(VIM, vacuum induction melting) und Vakuumlichtbogenumschmelzen (VAR, vacuum
arc remelting) finden sich in IN718 Nb-Makrosegregation [Yu1986, Carlson1989], die
häufig sowohl in Schmiede-, als auch Gussteilen verbleiben. Deren Beseitigung bzw.
Minimierung stellt die größte Herausforderung im Herstellungsprozess dar.
Neben den Makroseigerungen liegt das Gefüge nach dem Guss bzw.
Schmiedeprozess in einem ungünstigen Ausscheidungsgrad vor. Der Anteil der
Härtungsphasen ist reduziert und der Anteil der Sprödphasen (𝛿- und Lavesphase)
erhöht [Carlson1989]. IN718 wird daher ausschließlich im wärmebehandelten
Zustand eingesetzt um das volle Potential der Legierung auszuschöpfen.
Wärmebehandlungen für IN718 lassen sich in einen Lösungsglühschritt mit dem Ziel
der Auflösung der Härtungsphasen und Sprödphasen und einen Auslagerungsschritt
mit dem Ziel der homogenen und vollständigen Ausscheidung der Härtungsphasen
unterteilen. Für geschmiedetes IN718 sind zwei etablierte Wärmebehandlungen im
Folgenden dargestellt [ASM Handbook1991]:
Standard Wärmebehandlung (AMS 5664)
In einem einstündigen Lösungsglühschritt bei 1038 - 1066 °C werden die
Härtungsphasen 𝛾′ und 𝛾′′ und die 𝛿-Phase vollständig aufgelöst. Nach der
Luftabkühlung schließt sich eine zweistufige Auslagerung bei 760 °C und
649 °C für jeweils 10 h an. Im Zuge der vollständigen Auflösung der 𝛿-Phase
lassen sich mit dieser Wärmebehandlung grobe Korngefüge einstellen. Diese
2 Literaturübersicht 8
Wärmebehandlung eignet sich für Hochtemperaturanwendungen unter
Kriechbeanspruchung.
High Strength Wärmebehandlung (AMS 5662)
Im einstündigen Lösungsglühschritt kommt es aufgrund von Temperaturen
von 927 - 1010 °C zu keiner vollständigen Auflösung der 𝛿-Phase, wodurch
das feine Korngefüge aus dem Schmiedeprozess bestehen bleibt. Nach der
Luftabkühlung erfolgt wiederum eine zweistufige Auslagerung bei 718 °C und
621 °C für jeweils 8 h. Die Wärmebehandlung eignet sich insbesondere für
Bauteile, die unter dynamischer Last beansprucht werden.
2.2 Additive Fertigung (AM)
Der Begriff Additive Fertigung (AM, additive manufacturing) beschreibt Verfahren, die
eine endkonturnahe Bauteilfertigung über einen additiven Materialaufbau realisieren.
Allen additiven Fertigungsverfahren sind die rechnergestützte Konstruktion (CAD,
computer-aided-design) und rechnergestützte Fertigung (CAM, computer-aided-
manufacturing) gemein. Erstere stellt die Erstellung eines 3D-Modells der
aufzubauenden Geometrie und Zweitere das Zerlegen dieses Modells in Schichten
konstanter Dicke unter Einbeziehung der Fertigungsinformation (Scanmuster und -
parameter) dar. Die Additive Fertigung von Metallen lässt sich in Verfahren mit
lokaler Werkstoffzufuhr und pulverbettbasierte Verfahren unterteilen.
2.2.1 Verfahren mit lokaler Werkstoffzufuhr
In Verfahren mit lokaler Werkstoffzufuhr (Auftragsschweißen) wird das aufzutragende
Material entweder über einen Pulverstrom oder über einen Draht zugeführt und durch
einen Energiestrahl, meist Laser- oder Ionenstrahl, aufgeschmolzen. Das
Schmelzbad wird durch einen Schutzgasstrom vor Oxidation geschützt, der
gleichzeitig als Transportmedium im Falle pulverförmiger Materialzufuhr genutzt wird.
Der bewegliche Prozesskopf (Material- und Energiequelle) und Bautisch erleichtern
den Aufbau überhängender Strukturen und ermöglichen den Auftrag auf unebenen
Substrukturen. Das Auftragsschweißen eignet sich daher besonders für die
Reparatur von kostspieligen Bauteilen, wie Turbinenschaufeln oder Pressmatrizen
[Gäumann2001, Levy2003, Kelbassa2006, Mokadem2007]. Das aufgetragene
Material weist meist ein feinkörniges Gefüge mit hohen relativen Dichten und zur
2 Literaturübersicht 9
Guss- oder Schmiederoute vergleichbaren mechanischen Eigenschaften auf
[Qi2012]. Unter genauer Kontrolle der Erstarrungsbedingungen ist ein einkristalliner
Auftrag realisierbar [Gäumann2001, Mokadem2007].
2.2.2 Pulverbettbasierte Verfahren
Die beiden wesentlichen pulverbettbasierten Verfahren sind das Selektive
Laserstrahlschmelzen (SLM, selective laser melting) und das Selektive
Elektronenstrahlschmelzen (SEBM, selective electron beam melting), die sich
fundamental in der verwendeten Wärmequelle, aber geringfügig in ihrem
Funktionsprinzip unterscheiden. Der Schichtaufbau ist in Abb. 2.2 in vier
Prozessschritte unterteilt: Pulverauftrag, globales Beheizen und Versintern der
Pulverschicht (meist nur SEBM), selektives Schmelzen der Bauteilkontur und
des -volumens in der jeweiligen Schicht und Absenken des Bautisches. Dieser
Prozesszyklus wird Schicht für Schicht wiederholt, bis das Bauteil vollständig
aufgebaut ist.
Das globale Beheizen und Versintern des Pulverbetts erfolgt im SEBM-Prozess
ebenfalls mit Hilfe des Elektronenstrahls. Der Strahl wird, um eine oberflächliche
Anschmelzung der Pulverschicht zu vermeiden, stark verbreitert. Die Versinterung
jeder neu applizierten Pulverschicht ist bei Einsatz des Elektronenstrahls eine
notwendige Bedingung für eine erfolgreiche Verarbeitung, da andernfalls eine
explosionsartige Aufwirbelung des Pulverbetts durch elektrostatische Aufladung zu
beobachten ist [Eschey2009]. Im Selektiven Laserstrahlschmelzen ist eine
Temperierung und Versinterung des Pulverbetts üblicherweise nicht erforderlich, wird
aber aus Gründen einer verbesserten Verarbeitbarkeit von rissanfälligen
Werkstoffen, wie hoch 𝛾′-haltigen Nickelbasis Superlegierungen [Hagedorn2013] und
Titanaluminid-Legierungen [Gussone2015] untersucht. Das selektive Schmelzen
erfolgt mit einem fokussierten Strahl, der im SEBM-Prozess über elektromagnetische
Linsen und im SLM-Prozess über mechanische Spiegel abgelenkt wird. Die
Pulverschicht wird dabei unter Rückschmelzung des Substrats bzw. der zuvor
aufgebauten Schicht vollumfänglich aufgeschmolzen, so dass relative Dichten von
nahezu 100 % erzeugt werden können.
2 Literaturübersicht 10
In beiden Verfahren findet die Verarbeitung innerhalb einer Prozesskammer (vgl.
Abb. 2.3) statt, die entweder evakuiert (SEBM) oder mit Schutzgas durchströmt wird
(SLM). Sowohl die Evakuierung, als auch die Schutzgasströmung dienen dem
Schutz vor Oxidation und Gasaufnahme im Schmelzschritt. Im SEBM-Prozess findet
die Verarbeitung aus Gründen einer besseren Prozessstabilität weiterhin in einer
kontrollierten Heliumatmosphäre (𝑝 = 2x10-3 mbar) bei Bautemperaturen in
Abhängigkeit der Sinterneigung des zu verarbeitenden Metalls statt. In den derzeit
kommerziell erhältlichen SEBM-Anlagen der Fa. Arcam AB (Mölndal, SE) kommt
eine Elektronenstrahlkanone mit einer Beschleunigungsspannung von 60 kV und
einer maximalen Strahlleistung von 3,5 kW zum Einsatz. Im SLM-Prozess kommen
verschiedene Lasertypen, z.B. CO2-, Nd:YAG- und Faserlaser, und Leistungsklassen
von 0,2 - 1 kW zum Einsatz. Namhafte Hersteller sind die Concept Laser GmbH
(Lichtenfels, D), die EOS GmbH (Krailling, D), die Renishaw plc (Wotton-under-Edge,
Abb. 2.2: Schematische Darstellung der Prozessschritte in pulverbettbasierten additiven
Fertigungsprozessen. Ausgehend vom Pulverauftrag wird das Pulverbett mit einem
verbreiterten Strahl beheizt und versintert (nur SEBM-Prozess) und anschließend mit
einem fokussierten Strahl entsprechend der jeweiligen Schichtinformation aus dem CAD-
Modell selektiv geschmolzen. Nach dem Absenken des Bautisches entsprechend der
Schichtdicke beginnt der Zyklus von neuem bis das finale Bauteil aufgebaut ist.
Pulverauftrag
Vorheizen/Versintern (SEBM)
Selektives Schmelzen
Absenken des Bautisches
Bautisch
Pulverbett
Startplatte
Bauteil
Pulverschicht
Versinterung (SEBM)
Rakel
DefokussierterStrahl
FokussierterStrahl
2 Literaturübersicht 11
UK), die SLM Solutions GmbH (Lübeck, D) und die Trumpf Lasertechnik GmbH
(Ditzingen, D).
2.2.3 Scanstrategien
Der Begriff der Scanstrategie wird unter Betrachtung der selektiven
Strahlschmelzprozesse SLM und SEBM eingeführt. Unter Scanstrategie wird die Art
und Weise verstanden, wie eine Strahlquelle eine applizierte Pulverschicht unter
selektiver Aufschmelzung konsolidiert [Xie2005a, Zaeh2009, Thijs2013a]. In Abb. 2.4
sind die Bestandteile einer Scanstrategie schematisch anhand eines würfelförmigen
Probenkörpers dargestellt. Die quadratische Schmelzfläche wird in einer Schicht von
der Strahlquelle auf sogenannten Scanvektoren mit einer Ablenkgeschwindigkeit 𝑣
abgefahren und unter lokaler Aufschmelzung der Pulverschicht und des Substrats -
des sogenannten Schmelzbades - konsolidiert. Der Abstand zwischen zwei
nebeneinander liegenden Scanvektoren ist als Spurabstand ℎ𝑠 und die Länge eines
Abb. 2.3: Schematische Darstellung einer Selektiven Elektronenstrahlschmelzanlage. Es
ist der schichtweise Aufbau eines Bauteils innerhalb eines Pulverbetts mit Hilfe des
Elektronenstrahls dargestellt. Die mittels einer Rakel neu applizierte Schicht wird nach
einem Heiz- und Sinterschritt selektiv vom Elektronenstrahl geschmolzen. Anschließend
wird der Bautisch gesenkt und der Prozesszyklus beginnt von neuem. Der Prozesszyklus
wiederholt sich bis die letzte Schicht des Bauteils aufgebaut ist.
Bautisch
Pulverbett
Rakel
Startplatte
Bauteil
Pulver-behälter
Elektronen-strahlquelle
Elektro-magnetischeLinsen
Pulver-schicht
2 Literaturübersicht 12
Scanvektors als Scanvektorlänge 𝑙𝑠 definiert [VDI3405/02]. Es wird zwischen uni-
und bidirektionaler Ausrichtung der Scanvektoren - dem Scanmuster - unterschieden.
Ausgehend von einem im Randbereich der Schmelzfläche liegenden Scanvektor
(gestrichelter Vektor in Abb. 2.4) verläuft der Strahl sukzessive entlang
nachfolgender Scanvektoren bis die Schmelzfläche vollständig konsolidiert ist. In der
darauffolgenden Schicht wird das Scanmuster meist um einen bestimmten Winkel
(im SEBM meist 90°) rotiert. Die Scanmustertiefe ℎ𝑑 ist ein Vielfaches der
Schichtdicke und beschreibt die Anzahl an Schichten bis eine Drehung des
Scanmusters vollzogen wird.
2.3 Erstarrung in additiven Strahlschmelzverfahren
Die Erstarrung metallischer Schmelzen lässt sich in die Schritte Nukleation und
Wachstum von Keimen bzw. Kristalliten unterteilen. Im Folgenden werden
wachstums- und nukleationskontrollierte Modelle aus Feingussverfahren mit
gerichteter Erstarrung und Strahlschmelzverfahren vorgestellt.
Abb. 2.4: Schematische Darstellung der einzelnen Bestandteile einer Scanstrategie in
pulverbettbasierten Strahlschmelzprozessen. Der Strahl verläuft auf Scanvektoren mit
einem uni- und bidirektionalen Scanmuster innerhalb einer Schicht. Die Ausrichtung des
Scanmusters wird meist schichtweise um einen bestimmten Winkel (im SEBM meist 90°)
gedreht. Die Häufigkeit der Drehung wird mit der Scanmustertiefe beschrieben.
Schmelzbad
Bauteil
Konsolidiertes Material
Scanvektor
Pulverschicht
Schmelzfläche
Spurabstand h s
v
Bidirektional Unidirektional
Scanmuster
90°
Beginn des Scanmusters
Schichtdicke
Scanmustertiefe h d
Scanvektorlänge l s
2 Literaturübersicht 13
2.3.1 Erstarrungsmorphologien
Die Erstarrungsmorphologie von Legierungen ist maßgeblich vom thermischen
Gradienten 𝐺 und der Erstarrungsfrontgeschwindigkeit 𝑣𝑠 beeinflusst. Für additive
Fertigungsprozesse ist eine Wärmeabfuhr über den Festkörper (Substrat bzw.
bereits aufgebaute Schichten) zu beobachten, bei welcher sich je nach Größe der
Unterkühlung nukleationskontrollierte Bereiche mit globulitischer Morphologie oder
wachstumskontrollierte Bereiche mit planarer, gerichtet zellularer oder gerichtet
dendritischer Morphologie unterscheiden lassen [Kurz1998, Gäumann1997,
Mokadem2004a]. Die Zusammenhänge, die zu den unterschiedlichen Morphologien
führen, können vereinfacht anhand eines binären Legierungssystems erklärt werden.
An der Erstarrungsfront (fest-flüssig Phasengrenze) kommt es im Zuge der
Erstarrung zu einer inhomogenen Verteilung der beiden Legierungselemente
zwischen Festkörper und Schmelze. Der Gleichgewichts-Verteilungskoeffizient 𝑘 in
Gl. (2.3) beschreibt die hieraus resultierenden Konzentrationsunterschiede an der
Erstarrungsfront unter Annahme einer linearisierten Solidus- 𝑇𝑆 und
Liquidustemperatur 𝑇𝐿 im Zustandsdiagramm in Abb. 2.5. Dieser berechnet sich aus
dem Verhältnis der Konzentration im Festkörper 𝑐𝑠 und der Konzentration in der
Schmelze 𝑐𝐿 des jeweiligen Elements.
𝑘 =𝑐𝑆𝑐𝐿
(2.3)
Je nach Löslichkeitsverhalten kann 𝑘 Werte größer bzw. kleiner eins annehmen und
führt demnach zu einer Anreicherung im Festkörper bzw. in der Schmelze für das
jeweilige Element. Für den vorliegenden Fall eines binären Zustandsdiagramms
kommt es zu einer Anreicherung des Legierungselements 𝑖 in der Schmelze in
Umgebung der Erstarrungsfront. Die nominelle Zusammensetzung 𝑐0 ist in Abb. 2.5
in direkter Nähe zur Phasengrenze auf 𝑐0/𝑘 erhöht. Dies hat lokal eine veränderte
Liquidustemperatur 𝑇𝐿(𝑥) zur Folge. Liegt nun ein flacher thermischer Gradient 𝐺 an,
kann die lokale Temperatur der Schmelze 𝑇𝑄(𝑥) in Umgebung der Erstarrungsfront
unterhalb 𝑇𝐿(𝑥) fallen, so dass ein konstitutionell unterkühlter Bereich entsteht. Die
Bedingung der konstitutionellen Unterkühlung Δ𝑇𝐶 lässt sich demnach in Gl. (2.4) in
Bezug zur Breite des Konzentrationsprofils 𝑑 und des Erstarrungsintervalls Δ𝑇0
formulieren.
2 Literaturübersicht 14
𝐺 ≤∆𝑇0
𝑑 (2.4)
Mit 𝑑 = 𝐷𝐿 𝑣𝑠⁄ lässt sich Gl. (2.4) in die übliche Form in Gl. (2.5) überführen, wobei
𝐷𝐿 den Diffusionskoeffizienten der Schmelze darstellt.
𝐺
𝑣𝑠 ≤
∆𝑇0
𝐷𝐿 (2.5)
Für den wachstumskontrollierten Bereich findet sich in Abb. 2.6 für ein konstantes
Verhältnis von 𝐺/𝑣𝑠 eine gleichbleibende Morphologie, die sich aber in ihrer Feinheit
Abb. 2.5: Modell der „columnar-to-equiaxed transition„ (CET) nach Hunt und Gäumann auf
Basis der konstitutionellen Unterkühlung nach Kurz [Kurz1998, Hunt1984]. Für einen
flachen thermischen Gradienten stellt sich vor der Erstarrungsfront ein konstitutionell
unterkühlter Bereich ein, in welchem globulitische Körner heranwachsen können und je
nach Volumenanteil in der kolumnaren Front eingebaut werden oder diese überwachsen.
TL(c )
0
TS(c )0
TL(x)
TL
c0
c /k0
cL
FlüssigFest
c0
c /k0
∆c 0
0
TQ(x)
TS
∆T
0d = /vDL S
Konzentration c
Te
mp
era
tur
TK
onze
ntr
atio
n c
d
∆TC
∆TN
Abstand von der Erstarrungsfront x
Konstitutionell unterkühlter Bereich
Kolumnare Front
2 Literaturübersicht 15
unterscheiden kann. Als Maß für die Feinheit eignet sich der dendritische
Primärarmabstand 𝜆1. Bei Zunahme des Produkts aus 𝐺 und 𝑣𝑠 - der Abkühlrate -
wird das Gefüge feiner (bzw. 𝜆1 kleiner). Nach Kurz lässt sich 𝜆1 nach Gl. (2.6)
empirisch aus 𝐺 und 𝑣𝑠 berechnen [Kurz1998].
𝜆1 = 𝐾𝐺−0,5𝑣𝑠−0,25
(2.6)
𝐾 =4,3(Δ𝑇0𝐷𝐿Γ)
0,25
𝑘0,25 (2.7)
Die Proportionalitätskonstante 𝐾 kann für Nickelbasis Superlegierungen im
Allgemeinen zu 1440 m0,75K0,5s-0,2 angesetzt werden [Krug1998]. Im Speziellen lässt
sich 𝐾 für die entsprechende Legierung in Gl. (2.7) aus Δ𝑇0, 𝑘, 𝐷𝐿 und dem Gibbs-
Thomson-Koeffizient Γ berechnen.
2.3.2 Columnar-to-equiaxed transition
Im nukleationskontrollierten Bereich wird die kolumnare Erstarrungsfront durch das
Wachstum globulitischer Keime im konstitutionell unterkühlten Bereich unterbrochen.
Dieser Wechsel von einer dendritisch, kolumnaren zu einer dendritisch,
globulitischen Erstarrungsmorphologie (CET, columnar-to-equiaxed transition) wird
seit vielen Jahren in der Literatur kontrovers diskutiert [Winegard1954, O'Hara1967,
Hunt1984, Pollock1996, Kurz2001]. Es lassen sich zwei wesentliche Mechanismen
für die Entstehung von gleichachsigen Körnern herausarbeiten:
Abb. 2.6: 𝐺-𝑣𝑠-Diagramm mit nukleations-
kontrolliertem Bereich mit globulitischer
Erstarrungsmorphologie und wachstums-
kontrollierten Bereichen mit planarer,
gerichtet zellular und dendritischer
Erstarrungsmorphologie nach Kurz
[Kurz1998]. Für 𝐺 𝑣𝑠⁄ = 𝑘𝑜𝑛𝑠𝑡. ist eine
gleichbleibende Morphologie zu
beobachten, die sich aber in ihrer Feinheit
entsprechend der Abkühlrate 𝐺 ∗ 𝑣𝑠
unterscheiden kann.
10-1
100
101 102
103
10-4
10-3
10-2
10-1
100
101
102
globuliti
sch
gericht
et
dendriti
sch
geric
htet z
ellular
planar
CET
G/v =
konst.
G*v = konst.
Thermischer Gradient [K/mm]
Ers
tarr
un
gs
fro
ntg
esc
hw
ind
igk
eit
[mm
/s]
2 Literaturübersicht 16
1. Heterogene Nukleation in der konstitutionell unterkühlten Schmelze vor der
Erstarrungsfront
2. Fragmentierung von dendritischen Primär-, Sekundär- oder Tertiärarmen im
Zweiphasengebiet
Heterogene Nukleation
Ein CET-Übergang auf Basis einer heterogenen Nukleation in einer konstitutionell
unterkühlten Schmelze wird erstmalig von Winegard und Chalmers diskutiert
[Winegard1954]. In einem ersten analytischen Modell beschreibt Hunt den CET-
Übergang in folgenden Teilschritten (vgl. Abb. 2.5) [Hunt1984]:
1. Nukleation: Spontane Nukleation im konstitutionell unterkühlten Bereich bei
Erreichen der Nukleationsunterkühlung Δ𝑇𝑁 mit der Nukleationskeimdichte N0.
2. Keimwachstum: Wachstum der stationären Keime in Abhängigkeit der
Unterkühlung ∆𝑇 bis zum Zusammentreffen mit der Erstarrungsfront.
3. Geometrische Auswahl: Liegt zum Zeitpunkt des Zusammentreffens mit der
Erstarrungsfront ein Volumenanteil an globulitischen Keimen 𝜙 von größer
49 % vor, kommt es zum CET-Übergang.
Die Berechnung des Keimwachstums erfolgt unter der Annahme stationärer
Bedingungen und eignet sich damit für Prozesse mit langsamer Erstarrung, z. B. für
den Bridgman-Prozess. Gäumann et al. passen das Modell unter Verwendung eines
variablen Konzentrationsfelds auf die Rascherstarrung in Strahlschmelzprozessen an
[Gäumann2001]. Die Unterkühlung an der Dendritenspitze ∆𝑇 wird mit Hilfe des
KGT-Modells (Kurz-Giovanola-Trivedi) berechnet [Kurz1986]. Die analytische Lösung
in Gl. (2.8) wird der nach dem KGT-Modell berechneten Unterkühlung angefittet.
∆𝑇 = ∆𝑇𝑐 = (𝑎 ∗ 𝑣𝑠)1/𝑛 (2.8)
𝑎 und 𝑛 stellen Fit-Parameter dar. Für ∆𝑇 wird ausschließlich ∆𝑇𝑐 herangezogen, da
andere Beiträge zu ∆𝑇, wie die thermische, die kinetische oder die
Krümmungsunterkühlung für die Rascherstarrung nicht relevant sind
[Gäumann1997]. Gleiches gilt für die Nukleationsunterkühlung ∆𝑇𝑁, die gleich Null
gesetzt wird [Gäumann1997]. Für diese Vereinfachung lässt sich das Modell nach
2 Literaturübersicht 17
Hunt zu einer Beziehung zwischen der Nukleationskeimdichte, dem Volumenanteil
an globulitischen Körnern und den Erstarrungsbedingungen in Gl. (2.9) reduzieren
[Gäumann1997].
𝐺𝑛
𝑣𝑠= 𝑎 {√
−4𝜋𝑁0
3 𝑙𝑛[1 − 𝜙]
3 1
𝑛 + 1}
𝑛
(2.9)
Die Nukleationskeimdichte wird anhand von EBSD-Orientierungskarten
experimenteller Einzelspurversuche ermittelt und als materialspezifischer Parameter
angenommen. Entsprechend dem Modell von Hunt wird bei einem kritischen
Volumenanteil an globulitischen Körnern 𝜙𝑐 von kleiner als 0,66 % von einer
vollständig dendritisch, kolumnaren Erstarrung ausgegangen. Gäumann et al.
erstellen mit Hilfe von Gl. (2.9) Prozesskarten in einer 𝐺-𝑣𝑠-Auftragung nach Abb.
2.6, die die Möglichkeit eines vollständig einkristallinen Materialaufbaus im
Laserauftragsschweißen vorhersagen [Gäumann2001]. Mokadem entwickelt das
Modell nach Gäumann für das Laserauftragsschweißen auf einkristallinen Substraten
mit einer Fehlorientierung zwischen den bevorzugten kristallographischen <100>-
Wachstumsrichtungen und der Baurichtung (BR) weiter. Für eine Reihe von
Prozessparametern versagt das Modell hinsichtlich der Vorhersage des CET-
Übergangs. Die Annahme einer konstanten Nukleationskeimdichte auf Basis
heterogener Nukleation in den Modellen von Hunt und Gäumann wird für teilweise
gegensätzliche Tendenzen zwischen Modell und Experiment verantwortlich gemacht.
Mokadem konstatiert, dass die Nukleationskeimdichte eine Funktion der
Prozessparameter und der geometrischen Aspekte des dendritischen Netzwerks ist
und damit nicht als materialspezifisch erachtet werden kann [Mokadem2004b].
Dendritenfragmentierung
Neben der heterogenen Nukleation auf Basis einer konstanten
Nukleationskeimdichte werden Fragmentierungsmechanismen als Ausgangspunkt
eines CET-Übergangs diskutiert [O'Hara1967, Kou1986, Hellawell1997,
Herlach2001, Liu2002, Mathiesen2006, Ruvalcaba2007]. Dendritische Fragmente
von Sekundär- oder Tertiärarmen können aus dem Zweiphasengebiet in den
konstitutionell unterkühlten Bereich vor der Erstarrungsfront transportiert werden und
die kolumnare Front unterbrechen [Mathiesen2006, Ruvalcaba2007]. Die
2 Literaturübersicht 18
diskutierten Mechanismen lassen sich in mechanische oder konstitutionelle
Fragmentierung untergliedern:
1. Mechanische Fragmentierung: Mechanischer Bruch durch geringe
Festigkeiten des dendritischen Netzwerks im Zweiphasengebiet
2. Konstitutionelle oder thermische Fragmentierung: Abschmelzen dendritischer
Sekundär- und/oder Tertiärarme aus konstitutionellen und/oder thermischen
Gründen
Der Mechanismus der mechanischen Fragmentierung wird erstmalig von O’Hara
vorgeschlagen. O’Hara erkennt eine Kombination aus hohen Konvektionsströmen
und der geringen Festigkeit des dendritischen Netzwerks im Zweiphasengebiet als
ursächlich für einen mechanischen Bruch an [O'Hara1967]. Pilling und Hellawell
können anhand von strömungsmechanischen Berechnungen eine mechanische
Fragmentierung auch bei hohen Strömungsgeschwindigkeiten nicht bestätigen
[Pilling1996]. Billia et al. bestätigen diese Ergebnisse [Billia2004]. Paradies et al.
untersuchen mögliche Fragmentierungsmechanismen an Succinonitril- und Aceton-
Lösungen bei hohen Konvektionsströmen. Es findet sich eine gute Korrelation
zwischen der Fragmentierungsrate und der Strömungsgeschwindigkeit in Umgebung
des Zweiphasengebiets. Die Ursache der Fragmentierung wird ebenfalls nicht in
einer mechanischen, sondern in einer konstitutionellen Initiierung gesehen
[Paradies1997]. Die mechanische Fragmentierung ist demnach nach
übereinstimmenden Berichten unter nicht erzwungener Konvektion als
unwahrscheinlich zu erachten.
Liu und Hellawell untersuchen die konstitutionelle Fragmentierung mit Hilfe von
transparenten SCN-, NH4Cl- und [CH2CN]2-Lösungen auf Wasserbasis
[Hellawell1997, Liu2002]. Die Lösungen erstarren analog zu metallischen
Legierungen in einer dendritischen Morphologie und ermöglichen so eine in-situ
Analyse des Fragmentierungsmechanismus. Für eine kontinuierliche Verlangsamung
der Erstarrungsfrontgeschwindigkeiten 𝑣𝑠 beobachten Liu und Hellawell eine schnelle
Anpassung der Dendritenspitzenradien 𝑅 und Sekundärarmabstände 𝜆2. Die
Primärarmabstände 𝜆1 hinken dieser Anpassung hinterher, so dass es in der Folge
zu einer verstärkten Anreicherung von Lösungsbestandteilen im interdendritischen
Bereich (solute pile-up) kommt. Im Zuge dieser Anreicherung können Liu et al. eine
2 Literaturübersicht 19
Abschmelzung der Verknüpfung zwischen Primär- und Sekundärarm anhand der
transparenten dendritischen Strukturen sichtbar machen. Der Gehalt an abgelösten
Sekundärarmen nimmt in ihren Experimenten mit zunehmender Verlangsamung von
𝑣𝑠 zu [Liu2002]. Mathiesen et al. untersuchen verschiedene
Fragmentierungsmechanismen in Al-Cu-Legierungen unter konstanten
Erstarrungsbedingungen mit Hilfe einer Synchrotron-Röntgenmikroskopie hinsichtlich
ihrer Wahrscheinlichkeit einen CET-Übergang hervorzurufen. Neben der
Fragmentierungsrate stellen die Position der Fragmentierung im Zweiphasengebiet
und der Transport von Fragmenten in den konstitutionell unterkühlten Bereich für den
CET-Übergang entscheidende Größen dar. Mathiesen et al. konstatieren einer
konstitutionellen Fragmentierung auf Basis eines lokalen solute pile-ups das höchste
Potential für die Ausbildung eines CET-Übergangs [Mathiesen2006].
2.3.3 Bevorzugte Wachstumsrichtung und Kornselektion
Ist die Wachstumsrichtung der planaren und zellularen Erstarrungsmorphologie
maßgeblich von der Richtung des Wärmestroms bestimmt, so lassen sich für eine
dendritische Morphologie bevorzugte Wachstumsrichtungen beobachten. Primäre,
sekundäre und tertiäre dendritische Arme wachsen in kubischen Metallen bevorzugt
in den kristallographischen <100>-Richtungen. In diesen Richtungen liegt aufgrund
der Anisotropie der Grenzflächenenergie die größte Anlagerungsgeschwindigkeit an
der Fest-Flüssig-Phasengrenze vor [Rappaz1986]. Die Orientierung des
Wärmestroms führt während der Erstarrung zur Auswahl von einer der 6
äquivalenten <100>-Richtungen. Die <100>-Richtung mit der geringsten
Fehlorientierung gegenüber dem Wärmestrom weist die höchste
Wachstumsgeschwindigkeit auf und stellt damit die bevorzugte dendritische
Wachstumsrichtung 𝑣ℎ𝑘𝑙 im jeweiligen Korn dar. Die Geschwindigkeit der
bevorzugten Wachstumsrichtung lässt sich unter Gleichgewichtsbedingungen
anhand der geometrischen Beziehung in Gl. (2.10) in Abhängigkeit von der
Isothermengeschwindigkeit 𝑣𝑖𝑠𝑜 bzw. Erstarrungsfrontgeschwindigkeit berechnen
[Rappaz1989].
|𝑣𝑠⃑⃑ ⃑| = |𝑣𝑖𝑠𝑜⃑⃑⃑⃑⃑⃑ ⃑| = |𝑣ℎ𝑘𝑙⃑⃑ ⃑⃑ ⃑⃑ ⃑| cos𝜓 (2.10)
Die Vektoren 𝑣𝑖𝑠𝑜⃑⃑⃑⃑⃑⃑ ⃑ und 𝑣ℎ𝑘𝑙⃑⃑ ⃑⃑ ⃑⃑ ⃑ spannen den Winkel 𝜓 auf. Die Größen sind in Abb. 2.7
für Korn 1 dargestellt.
2 Literaturübersicht 20
In Abb. 2.7 ist weiterhin der Mechanismus der Kornselektion einer dendritischen
Erstarrung zu beobachten. Korn 1 ist gegenüber dem Wärmestrom fehlorientiert. Die
bevorzugte kristallographische Wachstumsrichtung [100] weicht mit einem Winkel 𝜓
von der Wärmestromrichtung bzw. von 𝑣𝑖𝑠𝑜⃑⃑⃑⃑⃑⃑ ⃑ ab. Korn 2 zeigt keine Fehlorientierung
gegenüber dem Wärmestrom. Bei gleicher Unterkühlung ∆𝑇 haben beide Körner eine
identische dendritische Wachstumsgeschwindigkeit 𝑣[100]. Korn 1 muss jedoch
aufgrund der Fehlorientierung eine größere Strecke zurücklegen um der
Liquidusisotherme zu folgen und fällt daher gegenüber Korn 2 in einen Bereich
größerer Unterkühlung ∆𝑇1 bzw. höherer dendritischer Wachstumsgeschwindigkeit
𝑣[100] zurück. Auf dieser zurückgefallenen Position findet Korn 1 stärkere
Unterkühlung vor und kann jetzt mit gleicher 𝑣𝑖𝑠𝑜 folgen. Da nun Korn 2 räumlich vor
Korn 1 liegt, kann Korn 2 unter Ausbildung von Sekundärarmen das Wachstum
korngrenzennaher Primärarme von Korn 1 blockieren. Die Korngrenze verschiebt
sich dadurch zu Gunsten von Korn 2 bis Korn 1 vollständig überwachsen ist
[Walton1959]. Die Kornselektion basiert demnach auf dem Kriterium der minimalen
dendritischen Wachstumsgeschwindigkeit bzw. der minimalen Unterkühlung.
In Korn 1 kann ein weiteres Merkmal einer Fehlorientierung der dendritischen
Wachstumsrichtungen gegenüber dem Wärmestrom detektiert werden. Finden sich
in Korn 2 noch Sekundärarme mit einer symmetrischen räumlichen Ausprägung, so
ist in Korn 1 eine Bevorzugung der Sekundärarme mit der geringsten
Fehlorientierung zum Wärmestrom auszumachen. Die Auswahl basiert wiederum auf
dem Kriterium der minimalen dendritischen Wachstumsgeschwindigkeit.
Abb. 2.7: Schematische Darstellung zweier
Körner mit unterschiedlicher Orientierung
zum Wärmestrom. Korn 1 mit einer
größeren Fehlorientierung der bevorzugten
<100>-Wachstumsrichtung gegenüber dem
Wärmestrom fällt hinter das wohlorientierte
Korn 2 zurück und wird überwachsen
[Walton1959].
∆T1
∆T2
Tem
pe
ratu
r T
T (c )L 0
Q.
[100]
[010]
[10
0]
[001]
Korn 1 Korn 2
[010]
[001]
v[1 0 0 ]
viso
v viso [1 0 0 ]
=
ψ
2 Literaturübersicht 21
2.3.4 Scanstrategien und Textur
Für den SEBM-Prozess lässt sich meist eine ausgeprägte (100)-Fasertextur mit einer
parallelen Orientierung zur Baurichtung beobachten. Strondl et al. zeigen erstmals
ein stark stängelkristallines Gefüge für die Nickelbasis Superlegierung IN718
[Strondl2009]. Al-Bermani stellen ebenfalls entlang der Baurichtung elongierte 𝛽-
Körner für die Titanlegierung TiAl6V4 fest [Al-Bermani2010]. Antonysamy et al.
bestätigen die Ausprägung einer (100)-Fasertextur für 𝛽-Körner in TiAl6V4 und
führen diese auf ein ebenes Schmelzbad für die verwendeten Prozessparameter
zurück [Antonysamy2013]. Eine Erklärung der beobachteten Fasertextur liefert Abb.
2.8.
In Strahlschmelzverfahren wird durch eine Strahlquelle ein Schmelzbad im Substrat
oder im bereits aufgebauten Material erzeugt. Die geometrische Ausgestaltung des
Schmelzbades wird von den Strahlparametern und den Wärmeleitungs- und
Strömungsbedingungen bestimmt. Das Substrat bzw. bereits aufgebautes Material
fungiert dabei als Wärmesenke und führt zu einer epitaktischen Erstarrung
Abb. 2.8: Schematische Darstellung des schichtweisen Aufbaus in pulverbettbasierten
additiven Fertigungsprozessen am Beispiel des Selektiven Elektronenstrahlschmelzens.
Jede Schicht wird durch ihre Nachfolgende partiell zurückgeschmolzen, so dass das
Schmelzbad auf der Kornstruktur der angeschmolzenen Schicht epitaktisch erstarrt. Für
das dargestellte, ebene Schmelzbad ist der Wärmestrom weitestgehend parallel zur
Baurichtung orientiert, so dass über kompetitives Wachstum die Ausbildung eines
stängelkristallinen Gefüges zu beobachten ist.
Zuvor aufgebaute Schichten
Pulverschicht
Elektronenstrahl
e-
e-
v
Schmelzbad
Partikelgröße
45-105 µm
Schichtdicke = 50 µm
Rückgeschmolzener
Bereich
Wärmestrom
Baurichtung
2 Literaturübersicht 22
ausgehend von der angeschmolzenen Kornstruktur. Im Zuge der Wärmeabfuhr über
den Festkörper stellt die Normale des Schmelzbadrandes die Richtung des
thermischen Gradienten bzw. des Wärmestroms dar und definiert nach Gl. (2.10) die
bevorzugte kristallographische Wachstumsrichtung in der epitaktisch erstarrenden
Kornstruktur [Rappaz1989]. Für das im SEBM-Prozess meist ebene Schmelzbad ist
der Wärmestrom in Abb. 2.8 weitestgehend parallel zur Baurichtung orientiert. Das
schichtweise epitaktische Aufwachsen auf die in der jeweiligen Schicht
angeschmolzene Kornstruktur ermöglicht im Sinne einer Kornselektion über mehrere
Schichten hinweg die Auswahl von gegenüber dem Wärmestrom günstig orientierten
Körnern, so dass stängelkristalline Kornstrukturen mit [100]-Orientierung gegenüber
der BR zu beobachten sind.
Für den SLM-Prozess wird ebenfalls eine Fasertextur in Baurichtung beobachtet. Es
zeigen sich stängelkristalline Gefüge für die Nickelbasis Superlegierungen
Nimonic263 [Vilaro2012], IN738LC [Rickenbacher2013, Kunze2015], CM247LC
[Carter2014] und IN718 [Strößner2015]. Gleiches gilt für den korrosionsbeständigen
Stahl 316L [Riemer2014] und die 𝛽-Kornstruktur in der Titanlegierung TiAl6V4
[Simonelli2014]. Im SLM-Prozess ist die Fasertextur meist schwächer ausgeprägt als
im SEBM-Prozess. Dies erklärt sich aus den üblicherweise steileren
Schmelzbadflanken in SLM und den damit verbundenen größeren Abweichungen
des Wärmestroms von der BR. Die Schmelzbadgeometrien in SLM und SEBM sind
grundsätzlich von den verwendeten Prozessparametern abhängig. Unter der
Annahme identischer Strahlleistungsdichten lassen sich dennoch Unterschiede
zwischen den Wärmequellen Laser und Elektronenstrahl hinsichtlich der
Energiedeponierung herausarbeiten. Werden Elektronenstrahlen für die in SEBM
verwendete Beschleunigungsspannung von 60 kV in einer Tiefe von einigen
Mikrometern deponiert [Klassen2014a], so liegt die optische Eindringtiefe von
Photonen für die in SLM verwendeten Lasertypen lediglich bei einigen Nanometern.
Aus diesem Grund finden sich bei gleichen Leistungsdichten für SLM deutlich höhere
Oberflächentemperaturen, welche zu höheren Verdampfungsdrücken führen. Die
hieraus resultierende Schmelzbadkonvektion hat eine Vertiefung, aber keine
entsprechende Verbreiterung des Schmelzbades zur Folge, so dass im SLM-Prozess
meist steilere Schmelzbadflanken und eine stärkere Abweichung des Wärmestroms
von der BR zu beobachten sind.
2 Literaturübersicht 23
Scanmustertiefe und Textur
Die Kornstruktur in additiven Fertigungsprozessen ist weiterhin von der verwendeten
Scanstrategie abhängig. Einen starken Einfluss zeigt die Scanmustertiefe. So lässt
sich für eine schichtweise Drehung des Scanmusters das bereits beschriebene
stängelkristalline Gefüge in der schematischen Zeichnung in Abb. 2.9 a) beobachten.
Die [100]-Richtung der Stängelkristalle ist parallel zur Baurichtung ausgerichtet.
Unterbleibt die schichtweise Drehung, zeigt sich im Laserauftragsschweißen
insbesondere für ein unidirektionales Scanmuster eine stängelkristalline Kornstruktur
mit einer Neigung zur Baurichtung [Dinda2009, Moat2009, Dinda2012, Parimi2014].
Die [100]-Richtung der Stängelkristalle weicht in Abhängigkeit von der
Schmelzbadgeometrie um bis zu 30° von der Baurichtung ab [Dinda2009,
Parimi2014]. Thijs et al. stellen für das Selektive Laserstrahlschmelzen der
Aluminiumlegierung AlSi10Mg bei einer gleichbleibenden Ausrichtung des
Scanmusters ebenfalls ein stängelkristallines Gefüge mit einer gewissen Neigung zur
Baurichtung fest [Thijs2013a]. Die Ausrichtung der Stängelkristalle spiegelt wiederum
die mittlere Orientierung des Wärmestroms über mehrere Schichten hinweg wieder.
Ohne Drehung des Scanmusters ist das Schmelzbad in jeder Schicht identisch
orientiert (vgl. Abb. 2.9 b). Je nach Gestalt des Schmelzbades weicht der
a) b)
Abb. 2.9: Einfluss der Scanstrategie auf die Orientierung der stängelkristallinen
Kornstruktur. Für eine Scanstrategie mit schichtweiser Drehung des Scanmusters zeigen
sich in a) Stängelkristalle mit einer parallelen Orientierung zur Baurichtung. Unterbleibt die
Drehung des Scanmusters, lässt sich ein stängelkristallines Gefüge mit einer Neigung zur
Baurichtung in b) beobachten. Die Vorgänge resultieren aus kompetitivem Wachstum
entsprechend der mittleren Orientierung des Wärmestroms über alle Schichten hinweg.
v
[1
00
]
90°
Schmelzbad
Kornstruktur
v
Schmelzbad
[1
00
]
Kornstruktur 0°
Mittlere Wärme-stromrichtung
Mittlere Kornorientierung
90° SchichtweiserDrehwinkel
2 Literaturübersicht 24
Wärmestrom nun mehr oder minder von der Baurichtung ab. Über mehrere
Schichten stellt sich durch kompetitives Wachstum ein stängelkristallines Gefüge ein,
welches entsprechend der gleichbleibenden, mittleren Wärmestromrichtung zur
Baurichtung geneigt ist.
2.3.5 Mikrosegregation
Im Zuge der dendritischen Erstarrung von Legierungen kommt es zu einer
Ungleichverteilung von Legierungselementen im Festkörper und in der Schmelze.
Die sich hieraus bildenden Konzentrationsunterschiede sind zwischen Dendritenkern
und interdendritischen Bereich lokalisiert und werden gemeinhin als
Mikrosegregation bezeichnet. Dabei gibt es sowohl Legierungselemente mit einer
erhöhten Löslichkeit im Festkörper (k > 1), als auch mit einer erhöhten Löslichkeit in
der Schmelze (k < 1). Für die so genannte Gleichgewichtserstarrung, die einer
unendlich langsamen Erstarrung entspricht, können die entstehenden
Konzentrationsunterschiede über Festkörperdiffusion bis zur Einstellung der
nominellen Zusammensetzung 𝑐0 aufgelöst werden. Die Gleichgewichtserstarrung ist
aber nur theoretischer Natur, so dass in technischen Prozessen im Zuge der hohen
Abkühlraten Konzentrationsunterschiede im Festkörper verbleiben. Ausgehend von
dieser Beobachtung wurden verschiedene Erstarrungsmodelle entwickelt, die die
Bildung von Mikrosegregation beschreiben [Gulliver1922, Scheil1942, Burton1953,
Tiller1953, Bower1966]. Allen Modellen liegt die Annahme zu Grunde, dass es zu
keiner oder lediglich geringer Festkörperdiffusion während der Erstarrung kommt. Als
Ausgangspunkt gelten demnach die sich auf Basis der Verteilungskoeffizienten
einstellenden Konzentrationen in Festkörper und Schmelze zu Beginn der
Erstarrung. Das Modell von Scheil und Gulliver stimmt qualitativ meist gut mit den
experimentell gefundenen Konzentrationsprofilen überein und hat daher die größte
praktische Relevanz. Unter Annahme vollständiger Konvektion in der Schmelze wird
eine Veränderung der globalen Zusammensetzung der Schmelze im Verhältnis zur
nominellen Zusammensetzung bei fortlaufender Erstarrung bzw. zunehmendem
Festphasengehalt 𝑓𝑠 vorausgesagt. Ausgehend von der Anfangskonzentration 𝑘 ∙ 𝑐0
verläuft die Zusammensetzung des Festkörpers entlang der Soliduslinie und lässt
sich mit Hilfe der Scheil-Gulliver-Gleichung in Gl. (2.11) in Abhängigkeit des
Festphasengehalts 𝑓𝑠 berechnen [Gulliver1922, Scheil1942].
2 Literaturübersicht 25
𝑐𝑆 = 𝑘𝑐0(1 − 𝑓𝑠)(𝑘−1) (2.11)
Häufig wird bei höheren Festphasenanteilen im Zuge der Mikrosegregation eine
Löslichkeitsgrenze in der Schmelze erreicht, so dass es zu einer eutektischen
Erstarrung kommt.
In Nickelbasis Superlegierungen findet sich eine Vielzahl stark seigernder
Legierungselemente. Um das Seigerungsverhalten jedes einzelnen Elements zu
beschreiben, wird häufig der sogenannte Seigerungs-Verteilungskoeffizient 𝑘𝑠
herangezogen. Dieser berechnet sich aus dem Verhältnis der Konzentration im
Dendritenkern und im interdendritischen Bereich des jeweiligen Elementes
[Sung1999, Caldwell2004]. Der Verteilungskoeffizient des jeweiligen
Legierungselements ist von der Legierungszusammensetzung abhängig [Heckl2010].
In IN718 ist besonders für Nb und Ti eine starke Anreicherung im interdendritischen
Bereich festzustellen [Carlson1989, Cieslak1990]. Andere Legierungselemente
zeigen kein starkes Seigerungsverhalten und verteilen sich demnach gleichmäßig
zwischen Dendritenkern und interdendritischen Bereich.
2.4 Dynamische Festigkeit
Die dynamische Festigkeit oder Ermüdungsfestigkeit hat für rotierende Bauteile in
Flugzeug- und Gasturbinen, wie Turbinenscheiben und -schaufeln, aufgrund der
nieder- und hochzyklischen Belastungen eine hervorgehobene Bedeutung. Die
Ermüdungsfestigkeit beschreibt einen Verformungs- bzw. Versagenswiderstand
gegenüber einer wiederkehrenden zyklischen Beanspruchung. Die Beanspruchung
kann dabei thermischer, mechanischer oder auch thermo-mechanischer Natur sein.
Die auftretenden Spannungen sind dabei meist unterhalb der Fließspannung des
Materials. Dennoch kommt es im Zuge der zyklischen Beanspruchung zu einer
lokalen plastischen Verformung an mikrostrukturellen Defekten im Bauteilinneren und
an der -oberfläche.
2.4.1 Dauerschwingversuch
Der Dauerschwingversuch dient der Bestimmung der Ermüdungsfestigkeit. Es wird
die ertragbare Lastwechselspielzahl 𝑁 bei einer Spannungsamplitude 𝜎𝑎 ermittelt.
Neben der Spannungsamplitude ist der Dauerschwingversuch über die
charakteristischen Größen Mittelspannung 𝜎𝑚, Oberspannung 𝜎𝑜 und
2 Literaturübersicht 26
Unterspannung 𝜎𝑢 nach DIN50100 definiert [DIN50100]. Die genannten Größen sind
in Abb. 2.10 schematisch dargestellt.
Es lassen sich wechselnde und schwellende Beanspruchung anhand des
Spannungsverhältnisses 𝑅 in Gl. (2.12), dem Verhältnis aus Unter- und
Oberspannung, unterscheiden [DIN50100].
𝑅 =𝜎𝑢
𝜎𝑜 (2.12)
Weiterhin ist eine Einteilung in Nieder- (LCF, low-cycle fatigue) bis 104 Lastwechsel
und Hochzyklische Ermüdung (HCF, high-cycle fatigue) von 105 bis 107 Lastwechsel
üblich. Bei Temperaturen oberhalb 0,4 der homologen Temperatur 𝑇 > 0,4 𝑇𝑚 ist mit
einer Kriechermüdungswechselwirkung zu rechnen, wodurch die Belastungsfrequenz
einen großen Einfluss auf die Ermüdungsfestigkeit zeigt [Bürgel2011]. Die
Ergebnisse des Dauerschwingversuchs werden meist in einer doppellogarithmischen
Auftragung der Spannungsamplitude gegenüber der Lastwechselspielzahl nach
Wöhler dargestellt.
2.4.2 Bruchinitiierung und Risswachstum
Der Ermüdungsvorgang lässt sich in die Teilschritte Rissbildung bzw. -schärfung,
Mikrorisswachstum (Stufe I, II und III) und Restbruch unterteilen. Im hochzyklischen
Bereich ist die Rissbildung der geschwindigkeitsbestimmende Schritt und damit von
besonderer Bedeutung. Die Rissbildung oder auch Bruchinitiierung geht
üblicherweise von folgenden mikrostrukturellen Irregularitäten aus [Murakami2002,
Lange2014]:
Abb. 2.10: Schematische Darstellung
charakteristischer Größen des
Dauerschwingversuchs im Zugschwell-
bereich nach DIN50100 [DIN50100].
2 Literaturübersicht 27
- Keramische Einschlüsse
- Kavitäten, z.B. Poren und Lunker
- Korn- und Zwillingskorngrenzen
- Persistente Ermüdungsgleitbänder
Gleitbänder entstehen im Zuge der zyklischen Belastung und können in
Ermangelung anderer mikrostruktureller Defekte ausgehend von Ex- und Intrusionen
an der Bauteiloberfläche eine Bruchinitiierung hervorrufen. Andere mikrostrukturelle
Defekte sind eine Folge des Herstellungs- und/oder Verarbeitungsprozesses und
führen zu einer lokalen Spannungsüberhöhung in ihrer Umgebung. Die Größe der
Spannungsüberhöhung lässt sich über den theoretischen Spannungsintensitätsfaktor
𝐾𝑡 in Gl. (2.13) beschreiben.
𝐾𝑡 =𝜎𝑚𝑎𝑥
𝜎𝑛𝑜𝑟𝑚 (2.13)
In Abb. 2.11 ist die Spannungsüberhöhung mit der Maximalspannung 𝜎𝑚𝑎𝑥 in direkter
Umgebung zu einer elliptischen Kavität gegenüber der Normalspannung 𝜎𝑛𝑜𝑟𝑚
schematisch dargestellt. Mit zunehmendem Abstand vom Defekt nähert sich die
Spannungsüberhöhung der Normalspannung an.
Unter der Annahme eines elliptischen Defekts lässt sich die Maximalspannung auf
Basis einer elastischen Analyse nach Gl. (2.14) berechnen [Inglis1913].
A
𝜎𝑚𝑎𝑥 = 𝜎 (1 + 2𝑎
𝑏) (2.14)
𝑎 und 𝑏 stellen dabei die Halbachse der Ellipse dar. Ebene Defekte, die in AM-
Bauteilen als Bindefehler zwischen einzelnen Schichten beobachtet werden, führen
nach Gl. (2.14) zu einer erheblichen Spannungsüberhöhung.
2 Literaturübersicht 28
Im Zuge des Spannungsabbaus in der Umgebung des Defekts beeinflusst der
Abstand des Defekts von der Bauteiloberfläche neben der
Bruchinitiierungsdefektgröße maßgeblich die Ermüdungsfestigkeit [Danninger2003,
Gao2004].
2.4.3 Hochzyklische Ermüdungsfestigkeit in der Additiven Fertigung
Die Knetvariante der Nickelbasis Superlegierung IN718 ist für ihre guten
hochzyklischen Ermüdungseigenschaften bei Einsatztemperaturen von bis zu 650 °C
bekannt. Oberhalb von 650 °C kommt es zu einer zunehmenden Versprödung des
Werkstoffs. Durch die vermehrte Umwandlung der metastabilen Härtungsphase 𝛾′′ in
die Gleichgewichtsphase 𝛿 stehen die größeren 𝛿-Teilchen als Rissausgangspunkte
zur Verfügung (vgl. Kap. 2.1). Mangels größerer interner Defekte ist die HCF-
Festigkeit von geschmiedetem IN718 stark von der Korngröße abhängig. Eine
Reduzierung der Korngröße verringert die Wahrscheinlichkeit größerer Mikrorisse, so
dass vergleichsweise hohe HCF-Festigkeiten für DA-IN718 (direct-aged) mit
Korngrößen von ASTM 10 zu beobachten sind [Gopikrishna1997, Korth1991]. Eine
reduzierte Korngröße zeigt sich in anderen Nickelbasis Superlegierungen ebenfalls
als vorteilhaft [Bain1988, Du2015, Deng2015].
In AM-Bauteilen zeigen sich üblicherweise geringere Ermüdungsfestigkeiten als in
den geschmiedeten oder den gegossenen Pendants [Liu2010, Qi2012, Brandl2012,
Edwards2013, Edwards2014, Leuders2014, Wycisk2014]. Die Bruchinitiierung geht
dabei im wie gebaut Zustand meist von der Bauteiloberfläche aus, welche aufgrund
einer hohen Rauigkeit als rissbehaftet betrachtet werden kann [Edwards2013,
Wycisk2014]. Für bearbeitete bzw. polierte Probenoberflächen geht die
Abb. 2.11: Spannungsüberhöhung 𝜎𝑚𝑎𝑥 in
Umgebung einer elliptischen Kavität. Mit
zunehmendem Abstand verringert sich die
Spannung bis auf das Niveau der
Normalspannung 𝜎𝑛𝑜𝑟𝑚.
2 Literaturübersicht 29
Bruchinitiierung vermehrt von internen mikrostrukturellen Defekten aus, die sich in
folgende Defektarten unterteilen lassen:
- Bindefehler: Ebener Defekt parallel zur Schichtebene [Brandl2012,
Wang2012a, Leuders2013, Edwards2014, Wycisk2014]
- Gasporen: Sphärische Kavität [Qi2012, Brandl2012]
- Mikrolunker: Nicht sphärische Kavität [Brandl2012]
- Risse: Heiß-, Wiederaufschmelz- und Spannungsrisse [Edwards2014]
Die Ermüdungsfestigkeiten von SEBM- und SLM-TiAl6V4 sind um bis zu 80 %
gegenüber den Knetvarianten reduziert [Edwards2013, Edwards2014]. Nach
Edwards et al. sind die geringen HCF-Festigkeiten das Resultat hoher Porosität. Für
eine 0°-Belastung parallel zur Baurichtung zeigen sich dabei in SLM-TiAl6V4 die
geringsten Ermüdungsfestigkeiten und die größte Streuung der Ergebnisse
[Edwards2014]. Brandl et al. zeigen für AlSi10Mg ebenfalls geringere HCF-
Festigkeiten für eine 0°-Belastung und höhere für eine 90°-Belastung senkrecht zur
Baurichtung. Es wird darauf verwiesen, dass Defekte in der Additiven Fertigung
meist parallel zu den Schichten vorzufinden sind, wodurch eine 0°-Belastung zu der
größten Spannungsüberhöhung führt [Brandl2012]. Leuders et al. stellen an
heißisostatisch gepressten (HIP) SLM-TiAl6V4 eine mit konventionell verarbeiteten
TiAl6V4 vergleichbare Ermüdungsfestigkeit fest [Leuders2014]. Gleiches konnte
Wang an der selektiv laserstrahlgeschmolzenen Nickelbasis Superlegierung
Hastelloy® feststellen [Wang2012a]. Defekte, wie Poren und Lunker, werden
während des HIPens geschlossen und stehen für eine Bruchinitiierung nicht mehr zur
Verfügung [Leuders2014]. Für das Laserauftragsschweißen lässt sich für TiAl6V4
[Brandl2010] und IN718 [Amsterdam2009, Qi2012] eine mit geschmiedetem Material
vergleichbare Ermüdungsfestigkeit realisieren. Qi et al. detektieren für einen Teil des
Probenmaterials computertomographisch Gasporen mit einer Größe von 75 -
120 µm, die im anschließenden Schwingversuch bruchinitiierend wirken und die
Ermüdungsfestigkeit um eine Größenordnung herabsetzen [Qi2012]. Die
Ermüdungsfestigkeit polierter AM-Bauteile ist demnach das Resultat der Anzahl und
der Größe mikrostruktureller Defekte und der Belastungsrichtung.
2.4.4 Linearelastische Bruchmechanik (LEBM)
Die linearelastische Bruchmechanik liefert einen Ansatz technische Bauteile gegen
Ermüdung auszulegen. Mikrostrukturelle Defekte in technischen Bauteilen werden
2 Literaturübersicht 30
dabei als Risse betrachtet. Maßgeblich für die technische Auslegung ist die
Ermüdungsrissausbreitung. Diese lässt sich im Mode I als Funktion der
Rissgeschwindigkeit 𝑑𝑎/𝑑𝑁 und des zyklischen Spannungsintensitätsfaktors ∆𝐾𝐼 mit
Hilfe von Rissfortschrittsmessungen beschreiben. Diese so genannte 𝑑𝑎/𝑑𝑁-Kurve
ist abhängig von der Temperatur, dem Spannungsverhältnis und dem Gefüge,
insbesondere der kristallographischen Textur des Materials. Der zyklische
Spannungsintensitätsfaktor berechnet sich nach Gl. (2.15) aus der zyklischen
Spannung ∆𝜎, der Risslänge 𝑎 und einem Korrekturfaktor 𝑌 [Richard2012].
∆𝐾𝐼 = ∆𝜎 √𝜋𝑎 𝑌 (2.15)
Bis zu einem Schwellwert ∆𝐾𝑡ℎ des zyklischen Spannungsintensitätsfaktors, der
einem unendlich langsamen Rissfortschritt entspricht, ist dabei keine
Rissausbreitung zu beobachten. Ausgehend von Gl. (2.15) lässt sich mit dem
Schwellwert des zyklischen Spannungsintensitätsfaktors 𝐾𝑡ℎ in Gl. (2.16) eine
kritische, zyklische Spannung ∆𝜎(𝑎) in Abhängigkeit von der Risslänge berechnen,
ab welcher mit Rissausbreitung zu rechnen ist.
∆𝜎(𝑎) =∆𝐾𝑡ℎ
𝑌√𝜋𝑎 (2.16)
Der Schwellwert 𝐾𝑡ℎ zeigt nach Lawless et al. in geschmiedetem IN718 eine
signifikante Abhängigkeit von der Korngröße und der Temperatur [Lawless2001]. Für
IN718 findet sich eine Zunahme des Schwellwerts mit zunehmender Korngröße und
zunehmender Temperatur. Der erhöhte Widerstand gegen Ermüdungsrisswachstum
in groben Kornstrukturen wird auf Basis des Verhaltens der reversiblen
Gleitvorgänge im Schwingversuch erklärt. In groben Kornstrukturen erstrecken sich
Ermüdungsgleitbänder auf größere Bereiche, so dass ein Versetzungsaufstau in
Umgebung der Korngrenzen seltener auftritt [Krueger1987, Gray1983].
Neben der Korngröße lassen sich für Mikrostrukturen mit elongierten bzw.
stängelkristallinen Körnern in konventionell verarbeiteten [Blochwitz2008] bzw.
mittels SLM aufgebauten austenitischen Stahl 316L [Riemer2014] eine Anistropie
des Schwellwert des zyklischen Spannungsintensitätsfaktors 𝐾𝑡ℎ feststellen. In SLM-
316L zeigt sich für das Ermüdungsrisswachstum parallel zur Längsachse der
Stängelkristalle und damit parallel zur Baurichtung ein um ca. 40 % verringerter
Schwellwert im Verhältnis zu einem Risswachstum senkrecht zur Baurichtung. Die
2 Literaturübersicht 31
Anisotropie des Schwellwerts wird über den Rissverlauf erklärt. Während das
Risswachstum in Baurichtung entlang der Korngrenzen der Stängelkristalle nahezu
geradlinig und mit geringer Risslänge verläuft, ist das Risswachstum senkrecht zur
Baurichtung von der häufigen Durchquerung von Stängelkristallen und dem damit
gewundeneren Verlauf mit erhöhter Risslänge geprägt. Der Schwellwert 𝐾𝑡ℎ ist daher
für ein Risswachstum senkrecht zur Baurichtung bzw. zur Längsachse der
Stängelkristalle erhöht [Riemer2014].
Mit Hilfe des Schwellwerts des zyklischen Spannungsintensitätsfaktors ∆𝐾𝑡ℎ lassen
sich in einer Auftragung der zyklischen Spannungsamplitude gegenüber der
Risslänge bzw. des äquivalenten Defektradius in einem so genannten Kitagawa-
Takahashi-Diagramm in Abb. 2.12 Bereiche ohne und mit Risswachstum
einzeichnen [Kitagawa1976]. Für Kurzrisse wird dabei die kritische, zyklische
Spannung zusätzlich von der Ermüdungsfestigkeit des defektfreien Materials
begrenzt. Basierend auf den Kriterien der Ermüdungsfestigkeit und des zyklischen
Spannungsintensitätsfaktors lässt sich in Abb. 2.12 eine kritische Defektgröße
definieren, ab welcher die Risslänge die kritische, zyklische Spannung herabsetzt.
Weiterhin spielt der Randabstand des Defekts eine erhebliche Rolle hinsichtlich der
kritischen Defektgröße. Liegt ein Defekt oberflächennah vor, kann die
Spannungsüberhöhung nicht gänzlich im Probenquerschnitt abgebaut werden. Es
kommt zu einer Überlagerung der Spannungsüberhöhung in Umgebung des
Probenrands und des Defekts, der in Abhängigkeit zum Randabstand des Defekts
die Ermüdungsfestigkeit stark reduzieren kann. Der Korrekturfaktor 𝑌 aus Gl. (2.16)
trägt diesem Sachverhalt Rechnung und ermöglicht die Eintragung von Defekten mit
unterschiedlichen Randabständen in das Kitagawa-Takahashi-Diagramm
[Danninger2003].
2 Literaturübersicht 32
Abb. 2.12: Zyklische Spannungsamplitude
in Abhängigkeit vom Defektradius in einem
sogenannten Kitagawa-Takahashi
Diagramm. Der Schwellwert ∆𝐾𝑡ℎ des
zyklischen Spannungsintensitätsfaktors und
die Ermüdungsfestigkeit des defektfreien
Materials spannen Bereiche mit und ohne
Risswachstum auf. Der Schnittpunkt beider
Kriterien liefert eine kritische Defektgröße,
ab welcher mit einer Abnahme der
bruchauslösenden Spannungsamplitude zu
rechnen ist.
3 Experimentelles Vorgehen 33
3 Experimentelles Vorgehen
Für das Selektive Elektronenstrahlschmelzen wird die Nickelbasis Superlegierung
INCONEL® 718 (UNS N07718 / W.Nr. 2.4668) [DIN17744] qualifiziert. Das
Hauptaugenmerk liegt in einer dichten und maßhaltigen Verarbeitung. Neben der
Prozessqualifizierung wird der Einfluss verschiedener Scanstrategien auf die
Kornstrukturentwicklung im SEBM-Prozess untersucht. Es werden Prozessfenster
mit stängelkristalliner Kornstruktur (CG, columnar grained) und Parameterbereiche
mit gleichachsiger Kornstruktur (EG, equixial grained) experimentell bestimmt und
anhand zweier exemplarischer Parametersätze hinsichtlich ihrer
Wärmebehandelbarkeit und mechanischen Eigenschaften untersucht.
3.1 SEBM von INCONEL® 718
In der vorliegenden Arbeit wird eine Elektronenstrahlschmelzanlage des Typs A2
(ARCAM AB, Mölndal, SE) mit einer Beschleunigungsspannung von 60 kV und einer
Maximalleistung von 3,5 kW bei einer kontrollierten Heliumatmosphere von
2 x 10-3 mbar zum Aufbau von würfelförmigen Proben aus vorlegiertem Pulver der
Legierung IN718 verwendet (siehe Abb. 2.3).
Der Bauprozess beginnt auf einer Startplatte, welche entsprechend Abb. 2.3 im
Pulverbett eingebettet ist. Diese wird vor Beginn des Bauprozesses auf eine erhöhte
Temperatur vorgeheizt, welche charakteristisch für das jeweilige Material ist und für
IN718 bei 950 °C liegt. Der sog. SEBM-Prozess besteht aus einem Vorheizschritt,
welcher aus Gründen verbesserter mechanischer Stabilität und erhöhter elektrischer
und thermischer Leitfähigkeit eine Versinterung neu applizierter Pulverschichten
erzielt, und einem Schmelzschritt, welcher eine vollständige Konsolidierung der
Pulverschicht als Ziel hat. Der Vorheizschritt wird über alle Versuche hinweg
hinsichtlich der verwendeten Linienenergie (siehe Gl. (3.1)) konstant gehalten und ist
daher nicht Gegenstand der Untersuchung (vgl. Anhang A). Im Schmelzschritt wird
neben der Leistung und der Ablenkgeschwindigkeit, auch die Scanstrategie variiert.
3.1.1 Legierungspulver
Zum Einsatz kommt ein argongasverdüstes Legierungspulver der Nickelbasis
Superlegierung INCONEL® 718 (TLS Technik GmbH, Bitterfeld, D). Eine
Partikelgrößenmessung mit Hilfe eines Mastersizer 3000 (Malvern, Worcestershire,
U.K.) liefert eine Partikelgrößenverteilung von 45 - 105 µm und einen mittleren
3 Experimentelles Vorgehen 34
Durchmesser dv 50 von 67,8 µm. Die Fließzeit beträgt 33,2 s nach [DIN4490] und die
Schüttdichte 57,2 % nach [DIN3923-1]. Die chemische Zusammensetzung des
Legierungspulvers wird mittels ICP-OES (inductively coupled plasma optical
emission spectrometry), Verbrennungsverfahren und Trägergas-Heißextraktion
bestimmt und findet sich in Tab. 3.1.
3.1.2 Prozessqualifizierung
Das Primärziel der Prozessqualifizierung metallischer Legierungspulver liegt in der
vollständigen Konsolidierung und demnach in einer hohen relativen Dichte des
aufgebauten Materials. Da für eine vollständige Konsolidierung das Aufschmelzen
des neu applizierten Pulvers der jeweiligen Schicht und das partielle
Zurückschmelzen der darunterliegenden Schicht erforderlich ist, wird das
Hauptaugenmerk in der Prozessqualifizierung auf die verwendete Leistung 𝑃 bzw.
die verwendete Stromstärke 𝐼 des Elektronenstrahls gerichtet. Die
Beschleunigungsspannung 𝑈 bleibt mit 60 kV konstant. Neben der Stromstärke wird
weiterhin die Ablenkgeschwindigkeit des Elektronenstrahls 𝑣 variiert, da sich bei
konstanter Stromstärke und unterschiedlichen Ablenkgeschwindigkeiten die örtlich
deponierte Energiemenge stark unterscheidet. Diesen Zusammenhang verdeutlicht
die Linienenergie 𝐸𝐿 in Gl. (3.1):
𝐸𝐿 = 𝑃
𝑣=
𝑈 ∗ 𝐼
𝑣 (3.1)
Zur Minimierung der Porosität werden demnach erster Hand die beiden
Prozessparameter 𝐼 und 𝑣 innerhalb der Bauversuche variiert. Ein Bauversuch ist
exemplarisch in Abb. 3.1 anhand einer technischen Zeichnung und einer Aufnahme
Tab. 3.1: Chemische Zusammensetzung des argongasverdüsten INCONEL 718®
Legierungspulvers in Gew.-%.
Element Ni Fe Cr Nb Mo Ti Al Co C
Konz. [Gew.-%] 53,00 19,60 17,50 5,15 3,02 0,84 0,57 0,14 0,022*
Element Ta N O B
Konz. [Gew.-%] 0.015 0,007** 0,005** <0,005
Chemische Analyse mittels ICP-OES durch die GfE Fremat GmbH in Freiberg. Elemente mit * und
** werden mit dem Verbrennungsverfahren (*) bzw. einer Trägergas-Heißextraktion (**) analysiert.
3 Experimentelles Vorgehen 35
dargestellt und besteht aus 9 - 12 Probenkörpern mit einer quadratischen
Grundfläche von 15 mm x 15 mm und einer Höhe von 10 - 20 mm, die auf eine 10 -
20 mm dicke IN718-Bauplatte mit einem Durchmesser von 100-114 mm in einem
Abstand von 8 mm zueinander aufgebaut werden.
Die Korngröße im Startplattenmaterial liegt bei ca. 19 µm. Die Schichtdicke beträgt
50 µm. Die Scanvektorlänge wird bei 15 mm konstant gehalten. Es wird ein
bidirektionales Scanmuster mit einer Scanmustertiefe von 50 µm verwendet
(Scanstrategie BS). Das Scanmuster wird demnach nach jeder Schicht um 90°
rotiert. Innerhalb eines Probenkörpers werden die Prozessparameter über die
gesamte Bauhöhe konstant gehalten. Es werden 3 Prozessfenster für einen dichten
und maßhaltigen Aufbau mit stängelkristallinem Gefüge erstellt, welche sich
untereinander hinsichtlich der verwendeten Strahlbreite 𝑑𝑓 und/oder des
Spurabstands ℎ𝑠 unterscheiden. Durch die sich unterscheidenden Spurabstände ist
eine Auftragung über 𝐸𝐿 nicht zweckmäßig, da sich die auf die Fläche deponierte
Energiemenge indirekt proportional zu ℎ𝑠 verhält. Dieser Zusammenhang spiegelt
sich in der Flächenenergie 𝐸𝐴 in Gl. (3.2) wieder:
𝐸𝐴 = 𝐸𝐿
ℎ𝑠=
𝑈 ∗ 𝐼
ℎ𝑠 ∗ 𝑣 (3.2)
Eine Auflistung der Geschwindigkeits- und Flächenenergiebereiche der
Prozessfenster PI, PII und PIII findet sich in Tab. 3.2.
a) b)
Abb. 3.1: Technische Zeichnung in a) und Aufnahme in b) für einen Bauversuch bestehend
aus 9 würfelförmigen Probenkörpern mit einer Basislänge von 15 mm und einem Abstand
von 8 mm zueinander.
3 Experimentelles Vorgehen 36
3.1.3 Scanstrategien
Neben der Prozessqualifizierung wird der Einfluss der Scanstrategie auf die
Kornstruktur untersucht. Es werden der Spurabstand, die Ablenkgeschwindigkeit und
die Scanmustertiefe variiert.
Veränderung des Spurabstands und der Ablenkgeschwindigkeit
Eine der wesentlichen Scanstrategien dieser Arbeit stellt die Reduzierung des
Spurabstands dar. Hiermit ist eine Erhöhung der vom Strahl abzufahrenden
Scanvektoren im Schmelzschritt verbunden. Bei Variierung des Spurabstandes mit
gleichbleibender Ablenkgeschwindigkeit ändern sich folglich die Schichtbauzeit und
damit das thermische Feld in Umgebung des Schmelzbades signifikant. Aus
Gründen der Vergleichbarkeit wird die Ablenkgeschwindigkeit in Abhängigkeit zum
Spurabstand angepasst, so dass die Schichtbauzeit und die transversale
Fortschrittgeschwindigkeit 𝑣𝑡 für jeden Parametersatz konstant bleiben. Die
Berechnung von 𝑣𝑡 aus Spurabstand, Ablenkgeschwindigkeit und Scanvektorlänge 𝑙𝑠
findet sich in Gl. (3.3).
𝑣𝑡 = ℎ𝑠 ∗ 𝑣
𝑙𝑠 (3.3)
ℎ𝑠 und 𝑣 werden bei einer konstanten 𝑣𝑡 von 0,022 m/s und einer konstanten
Flächenenergie von 1,8 J/mm² variiert. Weiterhin werden bei einem Spurabstand von
37,5 µm zusätzliche Flächenenergien abgefahren. Andere Parameter wie
Scanmuster, Schichtdicke etc. werden analog zu der Prozessqualifizierung konstant
gehalten.
Tab. 3.2: Auflistung der Geschwindigkeits- und Flächenenergiebereiche für die
Prozessfenster mit stängelkristallinem Gefüge.
Parameter /
𝑣 [m/s] 𝐸𝐴 [J/mm²] ℎ𝑠 [µm] 𝑑𝑓* [µm] Prozessfenster
PI 0,2 - 2,4 1,0 - 5,0 200 500
PII 0,2 - 2,4 1,0 - 5,0 200 400
PIII 1,0 - 4,5 1,1 - 2,4 100 300
* vgl. Anhang B.
3 Experimentelles Vorgehen 37
Scanstrategie BS10: Veränderung der Scanmustertiefe
Um den Einfluss der Schmelzbadorientierung auf die Kornstrukturentwicklung zu
untersuchen wird für einen Parametersatz, welcher bei bidirektionalem Scanmuster
und schichtweiser 90°-Drehung der Scanvektoren zu einem hohen Gehalt an
Neukörnern (Parameter: 𝑣 = 8,8 m/s, ℎ𝑠 = 37,5 µm 𝐸𝐴 = 1,8 J/mm²) führt, das
bidirektionale Scanmuster erst in jeder zehnten Schicht um 90° gedreht.
3.2 Probenpräparation
Die Proben für die Mikrostrukturanalyse im wie gebaut und wärmebehandelten
Zustand werden als Längsschliff parallel zur Baurichtung und als Querschliff
senkrecht zur Baurichtung eingebettet. Der Probenkörper wird, wie in Abb. 3.2
dargestellt, für den Längsschliff in der Mitte und senkrecht zur Orientierung der
Scanvektoren der letzten Schicht getrennt. Für alle Untersuchungen wird jeweils die
linke Probenhälfte verwendet. Es kommt das Heißeinbettmittel Epo-Schwarz
(Heraeus Kulzer GmbH, Wehrheim, D) zum Einsatz. Die metallographische
Präparation erfolgt nach Tab. 3.3.
Für Mikrostrukturuntersuchungen verbleiben die Proben im polierten Zustand. Für die
Bestimmung der Schmelzbadgeometrie, der Aufschmelztiefe und des
Primärarmabstands findet eine elektrolytische Mikroätzung mit einer 10-% Oxalsäure
für 2-4 s unter einer Spannung von 6 V statt.
3.3 Mikrostruktur- und Defektanalyse
Die Prozessfenster für eine dichte und ebene Verarbeitung werden anhand von
Mikrostrukturanalysen licht- und elektronenmikroskopischer Aufnahmen bestimmt.
Untersuchungen an Längsschliffen werden, insofern nicht anders definiert, in einem
Tab. 3.3: Arbeitsschritte der metallographischen Präparation.
Parameter /
Scheibe Schmiermittel Dauer Kraft Umdrehungen Präparationsart
Schleifen SiC-Schleifpapier 80-2400 Wasser - - 300 U/min
Polieren MD-Mol 3 µm Lubrikant Grün 10 min 20 N 300 U/min
MD-Chem 0,25 µm OPU:H2O 1:5 10 min 15 N 150 U/min
Produktbezeichnung nach Fa. Struers (Struers GmbH, Willich, D).
3 Experimentelles Vorgehen 38
Abstand von 1 mm zur Probenoberseite und bei einem Randabstand von 3 mm,
6 mm, 7,5 mm, 9 mm und 12 mm (ausgehend von der linken Seitenfläche)
entsprechend der schematischen Zeichnung in Abb. 3.2 erstellt.
Das Zug- und Ermüdungsprobenmaterial wird anhand einer 0°-Probe (Baurichtung
parallel zur Belastungsrichtung) einer mikrostrukturellen Defektanalyse unterzogen.
Es werden zusätzliche Aufnahmen in Abhängigkeit von der Bauhöhe erstellt.
Die Bildauswertung erfolgt, insofern nicht anders dargestellt, mit Hilfe der
Bildauswertungssoftware ImageJ (Version 1.47, Wayne Rasband, National Institut of
Health, USA).
3.3.1 Lichtmikroskop (LM)
Untersuchungen an lichtmikroskopischen Aufnahmen umfassen die Bestimmung der
Mikro- und Makroporosität, der Titannitridausscheidungsgröße (TiN), der
Aufschmelztiefe, der Schmelzbadgeometrie und des Primärarmabstands. Die
Aufnahmen erfolgen im Hellfeld an einem optischen Lichtmikroskop des Typs
DM6000M (Carl Zeiss AG, Oberkochen, D). Es werden je nach Aufnahmeart 3 bis 10
Aufnahmen entsprechend Abb. 3.2 mit unterschiedlichen Vergrößerungen
entsprechend Tab. 3.4 erstellt.
Abb. 3.2: Schematische Darstellung der Probengeometrie mit den Abmaßen
15x15x10-25 mm³. Die Betrachtungsebene des Längsschliffs liegt parallel zur Baurichtung
und senkrecht zu den Scanvektoren der letzten Schicht. Es werden in einem Abstand von
1 mm zur Probenoberseite Aufnahmen mit einem Randabstand von 3 mm, 6 mm, 7,5 mm,
9 mm und 12 mm erstellt. Der Längsschliff wird im Folgenden durch ein Quadrat mit Pfeil
im linken, unteren Bildrand angezeigt. Die Orientierung des Pfeils spiegelt die Baurichtung
wieder.
Y
Längsschliff
Scanvektoren der
letzten Schicht
Querschliff
15 mm
10-2
5 m
m
1 mm
Schliffebene
3 mm
6 - 9 mm
12 mmZ
X
3 Experimentelles Vorgehen 39
Porosität
Die Porosität umfasst Gasporen, Mikrolunker und Konsolidierungsporosität und wird
für alle Proben der Prozessfenster- und Scanstrategieexperimente ermittelt, die auf
den Schmelzflächen keine Poren aufweisen. Die Porosität wird unter Verwendung
eines konstanten Schwellwerts mit Hilfe eines Matlab-basierten Skripts automatisch
ausgewertet [Franke2015]. Es wird eine relative Dichte 𝜌𝑟𝑒𝑙 von größer als 99,5 % als
dicht definiert.
TiN-Ausscheidungsgröße
TiN-Ausscheidungen werden hinsichtlich ihres Potentials einer Bruchinitiierung im
HCF-Versuch für das Zug- und Ermüdungsprobenmaterial analysiert. Unter
Verwendung eines konstanten Farbschwellwerts werden die goldfarbenen TiN-
Ausscheidungen von der Porosität getrennt. Es wird die Fläche und die Anzahl der
Ausscheidungen bestimmt.
Schmelzbadgeometrie und Aufschmelztiefe
Die Schmelzbadgeometrie wird an der letzten Schicht untersucht, da diese als
einzige nicht von einer nachfolgenden zurückgeschmolzen wird. Abbildung 3.3 liefert
eine schematische Darstellung der Schmelzbadgeometrie und der
Auswertemethode. Es wird die maximale Schmelzbadtiefe (bzw. Aufschmelztiefe)
und die halbierte Schmelzbadbreite anhand von Linienmessungen bestimmt. Als
Anfangspunkt der halbierten Breite dient die maximale Schmelzbadtiefe. Es werden
jeweils 3 Schmelzbäder an Längsschliffen bei einem Randabstand von 6 - 9 mm
analysiert. Neben einer alleinigen Betrachtung der Aufschmelztiefe wird die
Tab. 3.4: Einstellungen der Aufnahmearten der lichtmikroskopischen
Mikrostrukturanalysen.
Einstellungen /
Vergrößerung Anzahl der
Aufnahmen Lage Zustand Methode
Aufnahmeart
Porosität 100x 5 Längs Poliert Kontrastschwellwert
TiN-
Ausscheidungsgröße 100x 10 Längs Poliert Farbschwellwert
Schmelzbadgeometrie 200x 3 Längs Geätzt Linienmessung
Aufschmelztiefe 200x 5 Längs Geätzt Linienmessung
3 Experimentelles Vorgehen 40
Schmelzbadgeometrie mit Hilfe des Tiefenbreitenverhältnisses (TBV) ausgewertet,
welches sich aus dem Quotienten der Schmelzbadtiefe und -breite berechnet.
Gesamthöhe des Oberflächenprofils
Neben der Porosität wird bei der Erstellung von Prozessfenstern die
Oberflächenqualität als Kriterium berücksichtigt. Hierzu werden Aufnahmen des
Längsschliffes entsprechend Abb. 3.4 mit einer 7,8-fachen Vergrößerung an einem
Stereomikroskop des Typs M205C (Leica MICROSYSTEMS, Wetzlar, D) erstellt. Als
Maß zur Beurteilung der Oberflächenqualität dient die Gesamthöhe des
Oberflächenprofils (Profiltiefe) 𝑃𝑡 nach [DIN EN ISO 4287]. Diese stellt den Abstand
zwischen der größten Profilspitze und des größten Profiltales dar und wird mit Hilfe
von Linienmessungen entsprechend der Abb. 3.4 bestimmt. Ab einem Grenzwert 𝑃𝑡
von 200 µm werden Versuchsproben der Prozessfensterversuche als uneben bzw.
nicht maßhaltig betrachtet.
3.3.2 Rasterelektronenmikroskop (REM)
Ein Rasterelektronenmikroskop des Typs XL30 (Phillips Electronics, Eindhoven,
Niederlande) wird für die Aufnahme der Kornstruktur und der δ-Phase an
Längsschliffen und für die Fraktographie der Ermüdungsbruchflächen genutzt. Eine
Auflistung der verwendeten Einstellungen liefert Tab. 3.5.
Abb. 3.3: Schema der
Schmelzbadgeometrie für einen
Längsschliff parallel zur Baurichtung und
senkrecht zu den Scanvektoren. Es wird die
max. Schmelzbadtiefe und die halbe
Schmelzbadbreite bestimmt.
Abb. 3.4: Bestimmung der Gesamthöhe des
Oberflächenprofils an einem Längsschliff als
Maß für die Beurteilung der
Oberflächenqualität. Prozessparameter
innerhalb des Prozessfensters haben einen
𝑃𝑡 von kleiner als 200 µm.
Schmelzbad-tiefe
Elektronenstrahl
Schmelzbadbreite
KonsolidierteSchichtdicke
2 mm
Profiltiefe
3 Experimentelles Vorgehen 41
Korngröße im Linienschnittverfahren
Die Korngröße wird mit Hilfe des Linienschnittverfahrens nach DIN EN ISO 643 an
jeweils drei REM-Aufnahmen mit einem Randabstand von 6 - 9 mm entsprechend
Tab. 3.5 und Abb. 3.2 bestimmt. Es werden horizontale und vertikale Linien in die
Aufnahmen gelegt und bei jedem Schnittpunkt zwischen einer Linie und einer
Korngrenze eine Markierung gesetzt. Der Abstand zwischen zwei Markierungen
entspricht einer Sehnenlänge. Aus den einzelnen Sehnenlängen wird eine mittlere
Kornbreite (horizontale Messung) bzw. -länge (vertikale Messung) gebildet. Um eine
ähnliche Anzahl an Messpunkten in horizontaler und vertikaler Messung zu
erzeugen, werden aufgrund des zumeist stark stängelkristallinen Gefüges in der
vertikalen Messung 10 Linien und in der horizontalen 5 Linien in jeder Aufnahme
ausgewertet. Randkörner werden vollumfänglich mit einbezogen. Aus der mittleren
horizontalen Sehnenlänge (L) und vertikalen Sehnenlänge (B) berechnet sich das
mittlere Kornaspektverhältnis KAV in Gl. (3.4):
𝐾𝐴𝑉 = 𝐿
𝐵 (3.4)
Im untersuchten Parameterraum variiert KAV von 1 bis 7. Ein KAV von 1 stellt ein
vollständig globulitisches Gefüge dar, ein KAV von größer eins ein stängelkristallines.
Für einen ausgewählten Parametersatz wird mit Hilfe eines Matlab-Skripts die
mittlere Kornbreite in Abhängigkeit von der Bauhöhe mittels horizontalen
Linienschnittverfahren mit einem Linienabstand von 0,5 µm bestimmt.
Tab. 3.5: Aufnahmearten und verwendete Einstellungen am Rasterelektronenmikroskop.
Einstellungen /
Spannung Strahlbreite HFW Detektor Bemerkung Aufnahmeart
Kornstruktur 5 kV 5-6 1500 µm BSE Hoher Kontrast
δ-Phase 12,5 kV 6 200 µm BSE Hoher Kontrast
Fraktographie 20 kV 4-6 Verschieden SE, BSE, EDX -
HFW (horizontal field width), SE (secondary electrons), BSE (backscatter electrons),
EDX (energy dispersive x-ray spectroscopy)
3 Experimentelles Vorgehen 42
δ-Phasenanteil
Die δ-Phase liegt aus Gründen einer prozessinhärenten thermischen Belastung des
Gefüges inhomogen vor. Der Phasenanteil wird an einem Längsschliff einer 0°-Probe
mit einer quadratischen Grundfläche von 15x15 mm² und einer Bauhöhe von 75 mm
an 6 verschiedenen Bauhöhen ermittelt. Bei hohem Kontrast und geringer Helligkeit
erscheinen Delta- und Lavesphase und NbC im BSE-Modus als helle Bereiche auf
dunklem Untergrund. Die genannten Phasen werden mit Hilfe eines
Konstrastschwellwerts vom Untergrund und die δ-Phase anschließend über einen
Formfaktor von 0,5 von den anderen Phasen getrennt.
Die Bestimmung des δ-Phasenanteils mittels Bildauswertung führt zu vergleichbaren
Volumenanteilen im Vergleich zu einer röntgendiffraktometrischen Bestimmung
[Hazotte2001].
Fraktographie der Ermüdungsproben
Die fraktographische Untersuchung der Ermüdungsbruchflächen dient der
Bestimmung der Fläche und des Randabstandes des bruchauslösenden Defektes.
Die Fläche wird anhand der kleinstmöglichen Ellipse, welche den Defekt gänzlich
umschließt, nach Murakami bestimmt [Murakami2002]. Nachdem der Defekt
gegenüber der Belastungsrichtung bzw. Betrachtungsebene geneigt vorliegen kann,
handelt es sich bei der gemessenen Defektfläche häufig um eine projizierte Fläche.
Bei Verdacht auf Fremdatomanteile werden neben SE-, auch BSE-Aufnahmen
erstellt und die Zusammensetzung mit Hilfe einer energiedispersiven
Röntgenspektroskopie analysiert.
3.3.3 Elektronenrückstreudiffraktometrie (EBSD)
Eine quantitative Analyse der kristallographischen Textur wird für eine Reihe von
exemplarischen SEBM-Proben mit stängelkristalliner und gleichachsiger Kornstruktur
mit Hilfe der Elektronenrückstreudiffraktometrie (EBSD, electron backscatter
diffraction) durchgeführt. Es kommt ein EDAX Texturanalysesystem (Ametek GmbH,
Wiesbaden, D) zum Einsatz, welches auf einem Helius 600i
Rasterelektronenmikroskop (FEI Company, Hillsboro, Oregon, USA) installiert ist. Zur
automatischen Indizierung der Elektronenrückstreumuster wird das Programm Aztec
(Oxford Instruments plc, Abingdon, UK) verwendet. Die Orientierungsbestimmung
3 Experimentelles Vorgehen 43
erfolgt stets in der Probenmitte bei einem Randabstand von 7,5 mm. Eine Auflistung
der verwendeten Einstellungen liefert Tab. 3.6.
Mit Hilfe der Software HKL Channel 5 (Oxford Instruments plc, Abingdon, UK)
werden Orientierungskarten mit Farbcodierungen entsprechend der inversen
Polfiguren erstellt und Schmidfaktoren für die Belastungsfälle 0°-, 45°- und 90°-CG
(vgl. Kap. 3.5) berechnet. Es wird der höchste Schmidfaktor für jedes Korn in
Abhängigkeit von der angelegten Belastungsrichtung berechnet. Für die Bewertung
des Einflusses der Kornstruktur auf die mechanischen Eigenschaften wird der
mittlere Schmidfaktor 𝑚𝑠̅̅ ̅̅ aus der Mittelung der einzelnen Schmidfaktoren für jeden
Belastungsfall und für die beiden Gefügearten EG und CG berechnet. Für zwei
Orientierungskarten wird die Abweichung von einer (100)-Fasertextur mit paralleler
Orientierung zur Baurichtung berechnet. Korngrenzen mit einem Korngrenzenwinkel
von größer 10° sind in den Orientierungskarten in schwarz eingezeichnet.
Nukleationsmechanismus
Zur Untersuchung des Nukleationsmechanismus bei gleichachsiger Kornstruktur
werden hochaufgelöste EBSD-Aufnahmen der letzten Schichten mit einer
Schrittweite von 0,7 µm erstellt.
Orientierungsdichteverteilungsfunktion
Polfiguren mit Orientierungsdichtefunktion 𝑂𝐷𝐹(𝑔) (orientation distribution function)
werden mit der Matlab-Erweiterung Mtex in der Version 4.0.9 bei einer konstanten
Halbbreite von 5° erstellt [Bachmann2010]. Mit Hilfe der 𝑂𝐷𝐹(𝑔) aus Gl. (3.5) wird
eine quantitative Beschreibung der Textur eines polykristallinen Werkstoffs
ermöglicht. Die 𝑂𝐷𝐹(𝑔) gibt den Volumenanteil 𝑉 an Körnern mit einer gewissen
Orientierung 𝑔 nach Bunge Konvention gegenüber dem Volumenanteil aller Körner
𝑑𝑉 innerhalb der Messfläche wieder.
Tab. 3.6: Einstellungen für Aufnahmen mittels Elektronenrückstreudiffraktometrie.
Einstellungen /
Spannung Strom Schrittweite HFW Messposition Aufnahmeart
Kornorientierung 20 kV 0,69 nA 2-4 µm 1,5 mm Probenmitte
Nukleationsmechanismus 20 kV 0,69 nA 0,7 µm 1,0 mm Probenmitte
3 Experimentelles Vorgehen 44
𝑂𝐷𝐹(𝑔) = 𝑑𝑉(𝑔)
𝑉 𝑑𝑔 (3.5)
Weiterhin wird der Texturindex 𝐽𝑂𝐷𝐹 für eine Beurteilung der Intensität der Textur
nach Gl. (3.6) berechnet. Für isotrope Materialien ist 𝐽𝑂𝐷𝐹 eins, für anisotrope größer
eins [Mainprice2014].
𝐽𝑂𝐷𝐹 = ∫|𝑂𝐷𝐹(𝑔)|2 𝑑𝑔 (3.6)
3.3.4 Mikrosonde (EPMA)
Mit Hilfe der wellenlängendispersiven Mikrosondenanalyse werden das
Segregationsverhalten im wie gebaut Zustand und das Homogenisierungsverhalten
im wärmebehandelten Zustand untersucht. Die Elementkarten werden in der
Probenmitte von Längsschliffen bei einem Abstand von 1 mm zur Probenoberseite
erstellt. Es kommt eine JEOL Mikrosonde des Typs LXA-8100 (JEOL Ltd., Tokyo,
Japan) zum Einsatz, die mit einer Beschleunigungsspannung von 20 kV betrieben
wird. Die Belegung der Monochromatorkristalle, welche für die Elementanalyse
Verwendung findet, ist in Tab. 3.7 aufgelistet.
Tab. 3.7: Belegung der Monochromatorkristalle in der Mikrosondenanalyse
Kristall TAP LIF PETJ PETH
Belegung Al Fe, Ni Nb, Cr Mo, Ti
Im Sinne einer quantitativen Analyse werden alle Messpunkte der Elementkarten mit
Hilfe eines lehrstuhlinternen Matlab-Skripts nach ihrem Festphasengehalt sortiert und
das daraus resultierende Konzentrationsprofil mit der Scheil-Gleichung in Gl. (2.11)
gefittet [Müller2015].
Für die gewählten Belegungen der Monochromatorkristalle und Geräteeinstellungen
ist eine aussagekräftige Analyse für das Element Al nicht möglich.
3.3.5 Chemische Zusammensetzung
Die globale chemische Zusammensetzung wird durch eine optische
Funkenspektroskopie in Abhängigkeit von der Flächenenergie und der
3 Experimentelles Vorgehen 45
Ablenkgeschwindigkeit bestimmt. Bei der optischen Funkenspektroskopie wird ein
Lichtbogen zwischen Elektrode und Probe dazu genutzt, eine geringe Menge des
Probenmaterials zu verdampfen und zu ionisieren. Hierbei kommt es zur Emission
elementspezifischer Wellenlängen, deren Intensitäten im Vergleich zu einer
hinterlegten Datenbank Aufschluss über die Zusammensetzung des Materials liefern.
Zum Einsatz kommt ein Funkenspektrometer SpectroMaxx 06 (Spectro GmbH,
Kleve, D).
An einem 0°-Rohling der Zug- und Ermüdungsproben (vgl. 3.5) wird mit Hilfe einer
Trägergas-Heißextraktion der Sauerstoff- und Stickstoffgehalt ermittelt. Es werden
vier Probenstücke mit einer Masse von 0,035 ± 0,005 g dem Rohling etwa 1 mm
unterhalb der letzten Schicht (Probenoberseite) entnommen und in einer Horiba
EMGA - 620W (Horiba Ltd., Kyoto, J) vermessen.
3.4 Wärmebehandlung
Die Wärmebehandlung in SEBM-IN718 dient der Lösungsglühung einer
inhomogenen Ausscheidungsverteilung im wie gebaut Zustand und der
Ausscheidung der Härtungsphasen 𝛾′ und 𝛾′′ in der Auslagerung. Eine probate
Lösungsglühtemperatur wird anhand einer dynamischen Differenzkalorimetrie und
von Lösungsglühexperimenten bestimmt.
3.4.1 Dynamische Differenzkalorimetrie (DSC)
Mit Hilfe der dynamischen Differenzkalorimetrie DSC (differential scanning
calorimetry) wird die 𝛿-Solvustemperatur für eine Probe im wie gebaut Zustand mit
einem δ-Phasenanteil von 4,3 Vol.-% bestimmt. Es kommt eine DSC des Typs STA
409 C/CD (Netzsch GmbH, Selb, D) zum Einsatz. Die Messung wird unter
Argonschutzgasatmosphäre (Ar 5.0) in einem Al2O3-Tiegel mit einer Aufheizrate von
5 K/min durchgeführt. Die Auswertung der Messdaten erfolgt anhand der Software
NETZSCH PROTHEUS® (Netzsch GmbH, Selb, D).
3.4.2 Bestimmung der Lösungsglühtemperatur
In SEBM-IN718 findet sich im wie gebaut Zustand eine inhomogene Verteilung der
δ-Phase über die Bauhöhe. Um eine geeignete Lösungsglühung zu definieren,
werden gemäß Tab. 3.8 Lösungsglühtemperatur und -dauer an CG- und EG-IN718
variiert und der δ-Phasenanteil nach Kap. 3.3.2 bestimmt.
3 Experimentelles Vorgehen 46
Die Lösungsglühungen werden an einem P330 Ofen (Nabertherm GmbH, Lilienthal,
D) durchgeführt. Das Probenmaterial wird in Wasser abgeschreckt, um eine
Beeinflussung der Mikrostruktur bei Probenabkühlung zu minimieren.
Tab. 3.8: Temperatur und Dauer der Lösungsglühexperimente für CG- und EG-Gefüge.
Parameter /
Temperatur [°C] Haltedauer [min] δ-Phasengehalt [Vol.-%] Gefüge
CG 1020 10, 30, 60, 120 2,2 und 4,3
1040 10, 30, 60, 120 2,2 und 4,3
1060 10, 30, 60, 120 2,2 und 4,3
EG 1020 120 0,9
1040 120 0,9
1060 120 0,9
3.5 Mechanische Eigenschaften
Die mechanischen Eigenschaften werden in Luft bei Raumtemperatur und bei
erhöhten Temperaturen bis 650 °C in Baurichtung (0°), in 45° und senkrecht zur
Baurichtung (90°) untersucht. Neben Proben mit stängelkristallinem Gefüge stehen
Proben mit gleichachsigem Gefüge in Baurichtung (0°-EG) zur Verfügung. Eine
schematische Darstellung der Beziehung zwischen Belastungsrichtung, Baurichtung
und Kornorientierung liefert Abb. 3.5.
Eine Auflistung der Probenanzahl für die jeweiligen mechanischen Prüfverfahren und
Probentypen findet sich in Tab. 3.9.
Abb. 3.5: Schematische Darstellung der
Belastungsfälle 0°, 45° und 90° und der CG-
und EG-Kornstruktur. Die Belastungsfälle
unterscheiden sich in der Orientierung der
Baurichtung gegenüber der
Belastungsrichtung. Für CG ist das
stängelkristalline Gefüge in Baurichtung
orientiert, so dass der Belastungsfall 0°-CG
einer Belastung entlang der [100]-Richtung
der Stängelkristalle entspricht.
90°-CG 0°-EG0°-CG 45°-CG
Kraft Baurichtung
3 Experimentelles Vorgehen 47
3.5.1 Additive Fertigung und Probenfertigung
Das Probenmaterial der mechanischen Prüfverfahren wird mit den in Tab. 3.10
definierten Parametern für CG- oder EG-Gefüge aufgebaut. Aus Gründen konstanter
thermischer Schmelzbedingungen (Wärmeleitungs- und Randeffekte) wird das
Probenmaterial durch entsprechende Konstruktion und Orientierung im Bauraum mit
einer konstanten Scanvektorlänge von 15 mm entsprechend der Probengeometrie in
der Prozessqualifizierung (vgl. Kap. 3.1.2) aufgebaut. Die damit rechteckigen
Rohlinge werden mittels Drahterosion in eine zylindrische Probengeometrie überführt
und im Anschluss an die in Tab. 3.11 definierte Wärmebehandlung auf die finale
Probengeometrie entsprechend der jeweiligen Norm bzw. Prüfvorschrift abgedreht.
In Abb. 3.6 sind technische Zeichnungen und Aufnahmen der Rohlinge für die Zug-
und Ermüdungsproben dargestellt. Der Aufbau erfolgt auf quadratischen Startplatten
(Teil 1) mit einer Kantenlänge von 105 mm. In den Rohlingen (Teil 2) sind die
Probenentnahmestellen und daraus resultierende Beziehung zwischen Baurichtung
(Z-Achse) und Belastungsrichtung anhand von Ermüdungsproben (Teil 3) kenntlich
gemacht.
Tab. 3.9: Auflistung des Probentyps und der Probenanzahl im jeweiligen mechanischen
Prüfverfahren.
Probentyp /
0°-CG 45°-CG 90°-CG 0°-EG Knetmaterial Prüfverfahren
Kaltzugversuch 3 3 3 6 -
Warmzugversuch 3 3 3 - -
Schwingversuch 14 12 12 - 13
Tab. 3.10: Prozessparameter für den Aufbau des Probenmaterials für die mechanische
Prüfung. Es werden Parameter mit der höchsten Ablenkgeschwindigkeit aus dem
Prozessfenster PIII in Abb. 5.1 c) mit stängelkristallinem Gefüge und Parameter mit
gleichachsigem Gefüge (vgl. Abb. 5.15) verwendet.
Parameter /
𝑣 [m/s] 𝐸𝐴 [J/mm²] ℎ𝑠 [µm] 𝑑𝑓 [µm] Strategie Gefüge
CG 4,5 1,8 100 300 BS
EG 8,8 1,9 37,5 300 BS
3 Experimentelles Vorgehen 48
a) b)
c) d)
e) f)
Abb. 3.6: Technische Zeichnungen und Aufnahmen der Rohlinge für die mechanischen
Versuchsproben der Belastungsfälle 0° in a-b), 45° in c-d) und 90° in e-f). Die Abmaße der
Startplatten (Teil 1) und Rohlinge (Teil 2) liefern die technischen Zeichnungen in a), c) und
e). Die Probenentnahmestellen sind anhand von eingezeichneten Ermüdungsproben (Teil
3) dargestellt.
3 Experimentelles Vorgehen 49
Die zweiteilige Wärmebehandlung in Tab. 3.11 umfasst eine zweistündige
Lösungsglühung bei einer Temperatur von 1020 °C und eine zweistufige
Auslagerung nach AMS 6552 (vgl. Kap. 5.3). Es kommt ein Glühofen des Typs ME
12/13 (Rohde KG, Röttenbach, D) zum Einsatz.
Tab. 3.11: Tabellarische und schematische Darstellung der Wärmebehandlungsstufen. Die
zweiteilige Wärmebehandlung umfasst eine experimentell bestimmte Lösungsglühung auf
Höhe der δ-Solvustemperatur und eine zweistufige Auslagerung nach AMS 6552.
Parameter / Temperatur
[°C]
Rate
[K/min]
Haltezeit
[h]
Stufen
Lösungsglühung 1020 10 2
Luftabkühlung 20 - -
Auslagerung 1 719 10 8
Ofenabkühlung 719 621 0,93 -
Auslagerung 2 621 - 8
Luftabkühlung 20 - -
3.5.2 Resonanzfrequenzdämpfungsanalyse (RFDA)
Der Elastizitätsmodul wird bei RT mittels Resonanzfrequenzdämpfungsanalyse
(RFDA) ermittelt. Dabei kommt eine RFDA-Apparatur des Typs MF (IMCE NV,
Diepenbeck, BE) zum Einsatz. Der Elastizitätsmodul wird in Abhängigkeit der
Belastungsfälle und Gefügetypen an zylindrischen Proben mit einem Durchmesser
von 8 mm nach ASTM 1876 bestimmt. Nach Impulsgabe wird durch Ermittlung der
Eigenfrequenz der E-Modul berechnet. Die zylindrischen Proben werden
anschließend zur finalen Zug- bzw. Ermüdungsprobengeometrie abgedreht.
3.5.3 Kalt- und Warmzugversuch
Im Zugversuch werden die mechanischen Kennwerte in Abhängigkeit der
Belastungsrichtungen für CG- und EG-Gefüge ermittelt. Es wird die Probengeometrie
der Form B nach DIN 50125 mit einem metrischen Gewinde M8 verwendet
[DIN50125]. Der uniaxiale Zugversuch wird bei RT und 650° C mit einer
Prüfgeschwindigkeit von 1 mm/min an einer Universalprüfmaschine Zwick Roell Z100
(Zwick GmbH & Co. KG, Ulm, D) unter Zuhilfenahme des Programms testXpert II®
(Zwick GmbH & Co. KG, Ulm, D) durchgeführt. Zur Aufnahme der Last wird eine
3 Experimentelles Vorgehen 50
100 kN Kraftmessdose und zur Aufnahme der Längenänderung ein Makro-
Feindehnungsaufnehmer verwendet. Die Warmzugversuche werden unter
Zuhilfenahme eines Konvektionsluftofens des Typs EC 76B-1-0-2-0 (Severn
Furnaces Ltd., Cam, Dursley, Gloucestershire, UK) durchgeführt. Nach Erreichen der
gewünschten Temperatur an dem oberen und unteren Probenthermoelement wird
die Temperatur vor Versuchsstart aus Gründen einer homogenen
Temperaturverteilung 15 min gehalten.
3.5.4 Hochzyklischer Ermüdungsversuch (HCF)
Die hochzyklische Schwellfestigkeit wird für stängelkristallines Probenmaterial in
Abhängigkeit des Belastungsfalls ermittelt.
Probenfertigung
Es liegt SEBM-Probenmaterial mit stängelkristallinem Gefüge in 0°, 45° und 90°
Orientierung zwischen Belastungs- und Baurichtung und Schmiedematerial mit einer
Korngröße von 18 µm als Referenz (wärmebehandelt nach AMS 6552:
Lösungsglühung bei 982 °C) vor. Die Ermüdungsproben werden aus vollständig
wärmebehandelten Rundproben mittels CNC-Drehen nach der technischen
Zeichnung in Abb. 3.7 gefertigt. Die Probengeometrie entspricht der Prüfvorschrift
des verwendeten Amsler Hochfrequenzpulsers des Typs 2 HFP 421 (Amsler
Prüfsysteme AG, Neftenbach, CH).
Die starke Abhängigkeit der Ermüdungsfestigkeit von der Oberflächenrauigkeit macht
eine Nachbearbeitung der Versuchslänge unumgänglich [Bargel2000]. Die
Ermüdungsproben werden bis auf einen arithmetischen Mittelrauheitswert 𝑅𝑎 von
kleiner 0,25 µm und einer Rauheitstiefe 𝑅𝑡 von kleiner 1 mm mit SiC-Papier der
Körnungen 2400 und 4000 geschliffen. Die Bestimmung der Rauigkeit erfolgt in
Belastungsrichtung mit Hilfe eines Konfokalmikroskops des Typs LEXT OLS4100
Abb. 3.7: Technische Zeichnung der
Ermüdungsprobengeometrie nach der
Prüfvorschrift des Amsler
Hochfrequenzpulsators des Typs 2 HFP
421.
3 Experimentelles Vorgehen 51
(Olympus Scientific Solutions Americas Inc., Waltham, MA, USA). Es werden für jede
Probe 4 Positionen mit einer 20-fachen Vergrößerung entlang der Messstrecke
aufgenommen und mit jeweils 4 Einzelspurmessungen pro Aufnahme untersucht.
Versuchsdurchführung
Die hochzyklischen Ermüdungsversuche werden in Luft im Zugschwellbereich bei
einer Temperatur von 450 °C mit einem Spannungsverhältnis von R = 0 bis zu einer
Lastwechselspielzahl 𝑁 von 107 Lastwechseln durchgeführt. Die Prüffrequenz beträgt
90 ± 5 Hz. Um eine hohe Anzahl an Datenpunkten im hochzyklischen Bereich des
Wöhlerdiagramms (105 - 107 Lastwechsel) zu generieren, wird nach dem
Treppenstufenverfahren (Staircase-Methode) nach Dixon und Mood mit einer
Grenzlastspielzahl von 106 Lastwechseln und einer Spannungsstufenhöhe ∆σ von
25 MPa vorgegangen [Dixon1948]. Hier wird nach jedem Wöhlerversuch geprüft, ob
die Grenzlastspielzahl erreicht oder unterschritten wird und entsprechend die
Spannungsamplitude im nächsten Versuch um die Stufenhöhe verringert oder
erhöht. Im Unterschied zum üblichen Vorgehen wird der Schwingversuch nicht nach
Erreichen der Grenzlastspielzahl des Treppenstufenverfahrens, sondern erst bei
Erreichen einer Lastspielzahl von 107 Lastwechseln angehalten. Hierdurch wird die
Anzahl an Durchläufern verringert und die Anzahl an fraktographisch analysierbaren
Proben erhöht. Der Ermüdungsversuch wird über das Programm testXpert® (Zwick
GmbH & Co. KG, Ulm, D) gesteuert. Neben dem Erreichen von 107 Lastwechseln
wird als zweites Abbruchkriterium ein Frequenzabfall von 10 Hz gesetzt, um bei
einem Ermüdungsbruch eine Beschädigung der Ermüdungsbruchflächen zu
vermeiden.
4 Numerisches Vorgehen 52
4 Numerisches Vorgehen
Die numerische Simulation auf Basis der Lattice Boltzmann Methode (LBM) wird
dazu genutzt, die Erstarrungsbedingungen in Abhängigkeit von der Scanstrategie zu
untersuchen. Das numerische Modell ermöglicht die Simulation pulverbettbasierter
additiver Fertigungsprozesse unter Berücksichtigung einer Vielzahl physikalischer
Effekte, wie z.B.: Strahlabsorption, Phasenübergänge, Wärmeleitung,
Benetzungsvorgänge und kapillare Kräfte. Der Schmelzprozess wird auf
Pulverebene simuliert und trägt so weiterhin der stochastischen Verteilung von
Pulverpartikeln innerhalb einer Schicht Rechnung.
Die Simulation des Schmelzprozesses erfordert die Berücksichtigung der hydro- und
thermodynamischen Vorgänge. Hierfür werden die Kontinuitätsgleichung in Gl. (4.1),
die inkompressible Navier-Stokes Gleichung in Gl. (4.2) und die Konvektions-
Diffusionsgleichung der spezifischen Enthalpie 𝐸 in Gl. (4.3) mit Hilfe der Lattice
Boltzmann Methode gelöst [Körner2011].
∇ ∙ �⃑� = 0 (4.1)
𝜕𝑡�⃑� + (�⃑� ⋅ ∇)�⃑� = −1
𝜌∇𝑝 + 𝜈∇2�⃑� + 𝐹 , (4.2)
𝜕𝑡𝐸 + ∇ ⋅ (�⃑� 𝐸) = ∇ ⋅ (𝑘∇E) + 𝜙, (4.3)
Die Gleichungen werden nach der Dichte 𝜌, der Geschwindigkeit der Schmelze �⃑�
und der spezifischen Enthalpie 𝐸 gelöst. Die Temperaturleitfähigkeit 𝑘 und die
kinematische Viskosität 𝜈 stellen Materialparameter dar, die bekannt sein müssen.
Die Dichte ist über die ideale Gasgleichung mit dem Druck 𝑝 verknüpft. Die
Energiequelle 𝜙 stellt die Energie dar, welche der Energiestrahl in das Material
einkoppelt. Mit Hilfe der externen Kraft 𝐹 können zusätzliche physikalische Effekte,
wie z.B. Gravitation, Benetzungs- und Verdampfungsvorgänge berücksichtigt werden
[Attar2009, Klassen2014a].
Die 2D-Simulationsebene weist eine Fläche von 2,5 x 15 mm² auf und wird in
quadratische Zellen mit einer Größe von 5 x 5 µm² unterteilt. Eine Zelle kann in
Abhängigkeit von der Temperatur und dem Füllgrad die feste, flüssige oder
gasförmige Phase annehmen. Der Übergang von der flüssigen Phase zur Gasphase
wird auf Grundlage der Volume-of-Fluid-Methode mit Hilfe von sogenannten
4 Numerisches Vorgehen 53
Interface-Zellen nachverfolgt. Die Abgrenzung zwischen Fest- und Flüssigphase wird
anhand eines Temperaturschwellwerts innerhalb einer Zelle bewerkstelligt. Liegt die
Temperatur einer Zelle unterhalb 0,45 ∆𝑇0, wird diese als erstarrt angenommen.
In der Simulation wird ein idealisierter Schmelzprozess auf einem ebenen IN718-
Substrat ohne Berücksichtigung des Pulverbetts genutzt, um die
Schmelzbadgeometrie in Abhängigkeit der Scanstrategien zu untersuchen. Im
Vergleich zu vorangegangenen Simulationsläufen hat das Pulverbett keine
signifikante Beeinflussung des Schmelzbades im untersuchten Parameterfeld
gezeigt. Der Strahl verläuft transversal zur 2D-Simulationsebene in Abb. 4.1. Es wird
eine Reihe von Parameterpaaren der Scanstrategieexperimente mit einer
Substrattemperatur von 950 °C und einer Strahlbreite von 400 µm (4𝜎) simuliert
[Helmer2016]. Im Zuge des Schmelzprozesses kommt es anfangs zu einer
zunehmenden Erwärmung des Substrats bis sich nach etwa 1 bis 1,5 mm eine
Gleichgewichtstemperatur einstellt. Es wird daher lediglich das Ende der
Simulationsdomäne (1,5 - 2,5 mm) für die Untersuchung der Schmelzbadgeometrie
und der Erstarrungsbedingungen berücksichtigt. Als Approximation der
Erstarrungsfrontgeschwindigkeit wird die 0,45 ∆𝑇0-Isothermengeschwindigkeit
herangezogen. Diese Annahme ist für den Gleichgewichtszustand unter konstanten
Erstarrungsbedingungen zulässig. Für die sich stark ändernden Bedingungen in der
Schmelzbaderstarrung stellt die Isothermengeschwindigkeit die Obergrenze der
Erstarrungsfrontgeschwindigkeit dar, ist aber insbesondere für den Beginn der
Erstarrung am Schmelzbadboden eine zulässige Größe.
Abb. 4.1: Aufnahme aus einem beliebigen
Zeitpunkt der numerischen Simulation. Das
Pulver (weiß) wird von dem Elektronenstrahl
(hellgrau) aufgeschmolzen. Der Strahl
verfährt transversal zur Bildebene. Im
Schmelzbad wird die gesamte Fluiddynamik
gelöst.
5 Ergebnisse und Diskussion 54
5 Ergebnisse und Diskussion
5.1 Prozessfenster für kolumnare Kornstrukturen (CG-IN718)
Die experimentell ermittelten Prozessfenster für eine dichte und maßhaltige
Verarbeitung von IN718 mit kolumnarer Kornstruktur mittels SEBM finden sich in
Abb. 5.1. Die Prozessfenster umschließen Prozessparameter, welche zu einer
relativen Dichte 𝜌𝑟𝑒𝑙 von größer als 99,5 % und einer ebenen Schmelzfläche mit
einer Profiltiefe 𝑃𝑡 von weniger als 200 µm führen. Die Prozessfenster PI, PII und PIII
gelten für eine Schichtdicke von 50 µm und eine Bautemperatur von ca. 950 °C. Sie
unterscheiden sich in der Strahlbreite 𝑑𝑓 (ca. 300 - 500 µm) und im Spurabstand ℎ𝑠
(100 - 200 µm).
Eine geringe relative Dichte, welche als untere Grenze des Prozessfensters fungiert,
lässt sich anhand von lichtmikroskopischen Aufnahmen des Längsschliffes durch das
Vorkommen großer Kavitäten verstehen. Diese sogenannte Makroporosität lässt sich
in Abb. 5.2 in Bindefehler mit einer meist parallelen Orientierung zur Schichtebene,
sphärische Gasporen und Konsolidierungsporosität mit einer beliebigen Form
unterteilen. Die Konsolidierungsporosität zeigt dabei den größten Einfluss auf die
relative Dichte und lässt sich durch eine Erhöhung der Flächenenergie bei
gleichbleibender Geschwindigkeit in den Prozessfenstern in Abb. 5.1 minimieren
bzw. vermeiden. Gasporen und Bindefehler verbleiben häufig auch bei hoher
relativer Dichte (𝜌𝑟𝑒𝑙 > 99,5 %) im Material und beeinflussen signifikant die
mechanischen Eigenschaften unter dynamischer Last (vgl. Kap. 5.5). Eine hohe
Oberflächenwelligkeit, welche die obere Grenze der Prozessfenster definiert, ist eine
Folge verstärkter Materialverfrachtung bei hohen Flächenenergien und stellt eine
signifikante Einschränkung der Oberflächenqualität und der Maßhaltigkeit dar. Die
Ursache wird in verdampfungsinduzierten Konvektionsströmen bei hohen
Oberflächentemperaturen gesehen. Abb. 5.1 d) gibt einen Überblick über die
Oberflächenqualität bei exemplarischen Proben mit geringer und hoher relativer
Dichte bzw. mit oberflächlicher Welligkeit.
5 Ergebnisse und Diskussion 55
a) b)
c) d)
Abb. 5.1: Prozessfenster für eine dichte und maßhaltige Verarbeitung von IN718 mittels
SEBM in Abhängigkeit von der Flächenenergie und der Ablenkgeschwindigkeit. Die
Prozessfenster (grau unterlegte Bereiche) gelten für eine Schichtdicke von 50 µm und eine
Bautemperatur von 950 °C und unterscheiden sich in der Strahlbreite 𝑑𝑓 (PI in a) mit 𝑑𝑓 ≅
500 µm, PII in b) mit 𝑑𝑓 ≅ 400 µm, PIII in c) mit 𝑑𝑓 ≅ 300 µm) und im Spurabstand ℎ𝑠 (PI
und PII mit ℎ𝑠 = 200 µm, PIII mit ℎ𝑠 = 100 µm). Dichte und maßhaltige Proben (schwarze
Quadrate) weisen eine Profiltiefe 𝑃𝑡 von kleiner als 200 µm und relative Dichten 𝜌𝑟𝑒𝑙 von
größer als 99,5 % auf. In d) sind exemplarische Schmelzflächen der würfelförmigen
Probenkörper dargestellt. Der Verlauf des Prozessfensters im Geschwindigkeitsbereich
von 0,2 - 1 m/s ist durch Wärmeleitungsverlust getrieben, so dass die Flächenenergie mit
zunehmender Geschwindigkeit abnimmt. Bei höheren Geschwindigkeiten wird ein Plateau
erreicht, dessen Lage von der Strahlbreite bzw. Energiedichte des Strahls abhängt. Für
geringe Strahlbreiten in PII und PIII findet sich in b) und c) ein Plateau bei deutlich
niedrigeren Flächenenergien im Vergleich zu PI in a).
Poröse Oberfläche
Ebene Oberfläche
(meist dicht)
Wellige Oberfläche15 mm
Qualität der Würfeloberseite
5 Ergebnisse und Diskussion 56
Der Verlauf des Prozessfensters ist stark von Wärmeleitungsverlusten im
Schmelzvorgang beeinflusst, die in Kap. 5.1.3 näher betrachtet werden. Mit
zunehmender Ablenkgeschwindigkeit ist ein steiler Abfall der für eine dichte und
maßhaltige Verarbeitung notwendigen Flächenenergie zu verzeichnen. Bei
Ablenkgeschwindigkeiten ab ca. 1 m/s flacht der Verlauf unter Bildung eines
Plateaus allmählich ab. Die Lage des Plateaus ist von der Strahlbreite abhängig, wie
im Vergleich zwischen PI und PII bzw. PIII deutlich wird. Die höhere Energiedichte
bei geringer Strahlbreite ermöglicht eine dichte Verarbeitung bei niedrigeren
Flächenenergien.
5.1.1 Aufschmelztiefe
Die Aufschmelztiefe 𝑙𝐴 ist für zwei Ablenkgeschwindigkeiten (aus PIII) in Abb. 5.3 a)
in Abhängigkeit von der Flächenenergie dargestellt. Mit zunehmender
Flächenenergie nimmt die Aufschmelztiefe für beide Ablenkgeschwindigkeiten linear
zu. Für eine Ablenkgeschwindigkeit von 4,5 m/s ist die Aufschmelztiefe bei gleicher
Flächenenergie tiefer als für 3,0 m/s. Dieser Versatz wird in Abb. 5.3 b) ebenfalls
anhand der Volumenenergie 𝐸𝑉 aus Gl. (5.1) deutlich.
𝐸𝑉 ∶= 𝐸𝐴
𝑙𝐴=
𝑃
𝑣 ∗ ℎ𝑠 ∗ 𝑙𝐴 (5.1)
Die Volumenenergie - der Quotient aus Flächenenergie und Aufschmelztiefe - zeigt
für die Ablenkgeschwindigkeiten von 3,0 m/s und 4,5 m/s keine Abhängigkeit von der
Flächenenergie, wird jedoch signifikant von der Ablenkgeschwindigkeit beeinflusst.
Für hohe Ablenkgeschwindigkeiten sind für eine dichte Verarbeitung geringere
Volumenenergien aufzuwenden. Ursächlich ist wiederum eine Verringerung von
Abb. 5.2: Darstellung der verschiedenen
Arten von Makroporosität an einer
lichtmikroskopischen Aufnahme. Es lassen
sich sphärische Gasporen, großflächige
Konsolidierungsporen und zur Schichtebene
ausgerichtete Bindefehler detektieren.
5 Ergebnisse und Diskussion 57
Wärmeleitungsverlusten bei zunehmenden Ablenkgeschwindigkeiten (vgl. Kap.
5.1.3).
Weiterhin ist bei einer Ablenkgeschwindigkeit von 4,5 m/s das 3½-fache der
minimalen Volumenenergie 𝐸𝑉,𝑚𝑖𝑛 aufzuwenden, die eine energetische Betrachtung
auf Basis des Wärmeinhalts und der Schmelzenthalpie darstellt (vgl. Anhang C).
Dieser Unterschied resultiert aus den bereits genannten Wärmeleitungsverlusten,
aber auch aus Wärmestrahlungs- und Verdampfungsverlusten. Weiterhin wird ein
Teil der Elektronen des Strahls zurückgestreut, so dass lediglich 81 % der
Strahlleistung für den Aufschmelzvorgang zur Verfügung stehen [Klassen2012].
5.1.2 Globale chemische Zusammensetzung
Die chemische Zusammensetzung kann sich im SEBM-Prozess durch das selektive
Verdampfen einzelner Elemente mit hohem Verdampfungsdruck, wie z.B. Chrom und
Aluminium verändern [Juechter2014]. In SEBM-IN718 lässt sich für
Ablenkgeschwindigkeiten von 3,0 - 4,5 m/s (vgl. Abb. 5.1 c) innerhalb des
a) b)
Abb. 5.3: Aufschmelztiefe in Abhängigkeit von der Flächenenergie bei konstanter
Ablenkgeschwindigkeit in a) [Rothammer2015] und entsprechende Volumenenergie 𝐸𝑉 in
Abhängigkeit von der Flächenenergie in b) für die Ablenkgeschwindigkeiten 3,0 m/s und
4,5 m/s aus PIII (vgl. Abb. 5.1 c)). Aus der linearen Beziehung zwischen Aufschmelztiefe
und Flächenenergie resultiert eine konstante Volumenenergie 𝐸𝑉 bei konstanter
Ablenkgeschwindigkeit innerhalb des Prozessfensters. Der Abstand zwischen der
Volumenenergie und der minimalen Volumenenergie 𝐸𝑉,𝑚𝑖𝑛, welche einer energetischen
Betrachtung auf Basis des Wärmeinhalts und der Schmelzenthalpie entspricht, erhöht sich
mit abnehmender Ablenkgeschwindigkeit aus Gründen erhöhter Wärmeleitungsverluste.
5 Ergebnisse und Diskussion 58
Prozessfensters PIII eine homogene chemische Zusammensetzung detektieren. Der
Chromgehalt, der als Maß für das Verdampfungsverhalten herangezogen wird,
verbleibt dabei im Mittel bei 17,2 ± 0,1 Gew.-%. Demnach kommt es bei der
Verarbeitung zu einem Chromverlust von etwa 0,3 Gew.-% im Verhältnis zum
nominellen Anteil von 17,5 Gew.-% (vgl. Tab. 3.1). In Abb. 5.4 ist der Chromgehalt in
Abhängigkeit von der Flächenenergie aus Gründen der Übersichtlichkeit lediglich für
eine Ablenkgeschwindigkeit von 4,5 m/s aufgetragen. Es zeigt sich ein
weitestgehend konstanter Chromgehalt innerhalb des Prozessfensters. Der
Chromgehalt verbleibt dabei oberhalb der nach AMS 6552 spezifizierten
Untergrenze. Für Prozessparameter außerhalb des Prozessfensters (𝐸𝐴 = 2,1 J/mm²)
ist ein leicht erhöhter Chromverlust zu beobachten. Die Zunahme der selektiven
Verdampfung ist eine Folge erhöhter Oberflächentemperaturen bzw.
Verdampfungsdrücke, die ihren Ausdruck auch in der Welligkeit der Würfeloberfläche
finden.
5.1.3 Einfluss der thermischen Diffusion auf die Konsolidierung
Der Scanprozess erfolgt im SEBM-Prozess meist mit einem bidirektionalen
Scanmuster entsprechend Abb. 5.5. Der Spurabstand ist dabei so gewählt, dass die
einzelnen Schmelzbäder zu einem gewissen Teil überlappen. Jedes Schmelzbad
wird von seinem Nachfolgenden partiell zurückgeschmolzen (vgl. Abb. 5.30). Das
Schmelzbad ist in der Folge von der Restwärme in Umgebung des vorherigen
Schmelzbades stark beeinflusst. Je nach Ablenkgeschwindigkeit verstreicht mehr
oder weniger Zeit zwischen zwei benachbarten Schmelzbädern bzw. Scanvektoren.
In dieser Zeit diffundiert Wärme in das Substrat und steht damit für den
Abb. 5.4: Chromgehalt in Abhängigkeit von
der Flächenenergie für eine
Ablenkgeschwindigkeit von 4,5 m/s in PIII.
Innerhalb des Prozessfensters findet sich
ein Chromverlust von 0,3 Gew.-%
gegenüber dem nominellen Cr-Anteil.
Parameter außerhalb des Prozessfensters
zeigen einen erhöhten Verlust.
5 Ergebnisse und Diskussion 59
Schmelzprozess nicht mehr zur Verfügung. Diese sogenannte mittlere Rückkehrzeit
tr, in welcher oben beschriebener Wärmeverlust auftritt, berechnet sich aus dem
Quotienten der Rückkehrstrecke l (weiß in Abb. 5.5) und der Ablenkgeschwindigkeit
𝑣. Die mittlere Rückkehrzeit stellt die Zeit dar, die der Strahl von der Mitte eines
Scanvektors zur nächsten benötigt.
Das beschriebene Wärmeleitungsproblem wird näherungsweise mit der thermischen
Diffusionslänge 𝑙𝑡ℎ für eine Punktquelle in Gl. (5.2) und Gl. (5.3) beschrieben
[Carslaw1959].
𝑙𝑡ℎ = 2 ∗ (𝑎 ∗ 𝑙/𝑣)1/2 (5.2)
𝑙𝑡ℎ = 2 ∗ (𝑎 ∗ 𝑡𝑟)1/2 (5.3)
Die thermische Diffusivität a wird mit 5,0 * 10-6 m2 s-1 angesetzt. Dies entspricht dem
Mittelwert von a zwischen der Solidus- und der Liquidustemperatur von IN718
[Pottlacher2002b].
Abb. 5.5: Schema des bidirektionalen
Scanmusters im SEBM-Prozess. Das
Pulverbett wird von links nach rechts und
umgekehrt abgefahren, bis die gesamte
Schicht konsolidiert ist. Die aufzuwendende
Energie ist dabei vom Wärmeverlust
während der Rückkehrzeit abhängig. Zur
Berechnung der Rückkehrzeit wird jeweils
die Mitte eines Scanvektors betrachtet
(gestrichelte Mittellinie).
Schmelzbad
Bauteil
Konsolidiertes Material
Belichtungsvektor
Rückkehrstrecke
Pulverschicht
Schmelzfläche
5 Ergebnisse und Diskussion 60
In Abb. 5.6 ist das Prozessfenster PII aus Abb. 5.1 b) in Abhängigkeit von der
thermischen Diffusionslänge erneut aufgetragen. In dieser Auftragung ist für die
untersuchten Ablenkgeschwindigkeiten eine lineare Beziehung zwischen der
thermischen Diffusionslänge und der für eine dichte und maßhaltige Verarbeitung
notwendigen Flächenenergie zu beobachten [Helmer2014b].
Der lineare Verlauf in Abb. 5.6 ermöglicht weiterhin eine Abschätzung der
notwendigen Flächenenergie für Schmelzflächen unterschiedlicher Größe. Mit Hilfe
einer linearen Regression lassen sich aus Abb. 5.6 die in Gl. (5.4) und Gl. (5.5)
dargestellten Abschätzungen ermitteln.
𝐸𝐴 = 4,54 ∗ 𝑙𝑡ℎ − 0,52 (5.4)
𝐸𝐴 = 4,54 ∗ 2 ∗ (𝑎 ∗ 𝑙/𝑣)1/2 − 0,52 (5.5)
Bei hohen Geschwindigkeiten bzw. geringen Diffusionslängen, nähert sich das
Prozessfenster im Zuge geringerer Wärmeleitungsverluste der minimalen
Flächenenergie 𝐸𝐴,𝑚𝑖𝑛 an, welche die Summe aus Wärmeinhalt und
Schmelzenthalpie darstellt, um eine 150 µm dicke Schicht mit einer
Substrattemperatur von 900 °C zu heizen und zu schmelzen (vgl. Anhang C). Die
Höhe des sich hierbei ausbildenden Plateaus ist, wie aus Abb. 5.7 ersichtlich,
weiterhin von der Strahlbreite abhängig. Im Prozessfenster PI ist aufgrund eines
Abb. 5.6: Flächenenergie in Abhängigkeit
von der thermischen Diffusionslänge für das
Prozessfenster PII aus Abb. 5.1 b). Die
Flächenenergie für dichte und maßhaltige
Bauteile (schwarze Symbole) nimmt mit
zunehmender 𝑙𝑡ℎ bzw. abnehmender 𝑣
aufgrund höherer Wärmeverluste zu. Bei
geringen 𝑙𝑡ℎ wird das theoretische Minimum
𝐸𝐴,𝑚𝑖𝑛 angenähert. 𝐸𝐴,𝑚𝑖𝑛 entspricht der
notwendigen Energie um eine 150 µm dicke
Schicht zu heizen und zu schmelzen
[Helmer2014b].
5 Ergebnisse und Diskussion 61
breiten Strahls für den Bereich geringer thermischer Diffusionslängen bzw. hoher
Ablenkgeschwindigkeiten mehr Energie aufzuwenden im Vergleich zu
Prozessfenster PII mit einem feinen Strahl.
Abb. 5.7: Flächenenergie in Abhängigkeit
von der thermischen Diffusionslänge für die
Prozessfenster PI und PII. Für PI ist im
Zuge einer größeren Strahlbreite 𝑑𝑓 für den
Bereich geringer thermischer Diffusions-
längen (bzw. hoher Ablenk-
geschwindigkeiten) eine höhere
Flächenenergie aufzuwenden.
5 Ergebnisse und Diskussion 62
5.2 Schmelzbadgeometrie und Kornstruktur
Die Kornstruktur in SEBM-IN718 ist meist stark stängelkristallin. Das
stängelkristalline Gefüge in Abb. 5.8 ist das Resultat eines Kornselektionsprozesses,
in welchem zum Wärmestrom günstig orientierte Körner epitaktisch über mehrere
Schichten wachsen und ungünstig orientierte Körner überwachsen (vgl. Kap. 5.2.5).
Ausgehend von einer polykristallinen IN718-Startplatte mit einer mittleren Korngröße
von 17 µm kommt es durch kompetitives Wachstum zu einer Zunahme der mittleren
Kornbreite der Stängelkristalle in Abb. 5.9. Das regellose Gefüge der Startplatte führt
in Startplattennähe zu wenigen günstig orientierten Körnern, die fehlorientierte
Körner überwachsen. Mit zunehmender Bauhöhe bzw. Dauer der Kornselektion
nimmt die Fehlorientierung der Stängelkristalle zur Baurichtung bzw. zum
Wärmestrom immer weiter ab, so dass ab einer Bauhöhe von 9 mm keine
signifikante Kornverbreiterung mehr zu beobachten ist. Die finale Kornbreite ist bei
ausschließlich epitaktischem Wachstum eine Folge der Korngröße und Textur des
Startplattenmaterials bzw. des Substrats [Helmer2014b].
In Strahlschmelzprozessen ist die Richtung des Wärmestroms während der
Erstarrung von der Schmelzbadgeometrie bestimmt [Rappaz1989]. Der thermische
Gradient 𝐺 steht senkrecht auf dem Schmelzbadrand und besitzt in Abhängigkeit von
der Schmelzbadgeometrie und -position einen Neigungswinkel 𝜑 zur Baurichtung
(BR). Folglich beeinflusst die Schmelzbadgeometrie maßgeblich die
Erstarrungsbedingungen und damit die Kornstrukturentwicklung. Im Folgenden
werden der Einfluss der Strahlbreite und von Scanstrategien auf die
Schmelzbadgeometrie und Kornstruktur dargestellt.
Abb. 5.8: Lichtmikroskopische Aufnahme
des stark stängelkristallinen Gefüges in CG-
IN718. Ausgehend von einer IN718-
Startplatte mit globulitischer Kornstruktur
wachsen zum Wärmestrom günstig
orientierte Körner epitaktisch über mehrere
Schichten und überwachsen ungünstig
orientierte Körner sukzessive. 500 µmIN718 Startplatte
SEBM-IN718
5 Ergebnisse und Diskussion 63
5.2.1 Einfluss der Strahlbreite
Anhand ausgewählter Prozessparameter der Prozessfenster PI und PII wird im
Folgenden der Einfluss der Strahlbreite auf die Schmelzbadgeometrie und die
Kornstruktur dargestellt.
Schmelzbadgeometrie
Für langsame Ablenkgeschwindigkeiten von 0,2 - 1 m/s lassen sich in Abb. 5.10 die
für Strahlschmelzverfahren üblichen sphärischen Schmelzbäder in den
Längsschliffen der letzten Schicht beobachten. Aufgrund identischer
Ablenkgeschwindigkeiten und Strahlleistungen ist in Abb. 5.10 a) und b) der Einfluss
der Strahlbreite 𝑑𝑓 auf die Schmelzbadgeometrie zu beobachten. Für eine hohe
Strahlbreite CGHS1 (𝑑𝑓 ≅ 500 µm) findet sich ein breites und ebenes Schmelzbad in
Abb. 5.10 a). Die höhere Energiedichte bei einer niedrigen Strahlbreite CGLS1 (𝑑𝑓 ≅
400 µm) führt in Abb. 5.10 b) zu einem schmäleren Schmelzbad mit steileren
Schmelzbadflanken. Die im Fall der niedrigen Strahlbreite vorzufindenden höheren
Aufschmelztiefen und steileren Schmelzbadflanken sind die Folge der im Zuge der
Strahlfokussierung stärkeren Konvektionsströme, die in höheren
Oberflächentemperaturen bzw. Verdampfungsdrücken ihren Ursprung haben
[Klassen2014b].
1 CGHS und CGLS stehen für eine kolumnare Kornstruktur (CG, eng. columnar grain) bei einer hohen
Strahlbreite (HS, eng. high spot size) und einer niedrigen Strahlbreite (LS, eng. low spot size)
Abb. 5.9: Entwicklung der Kornbreite in
Abhängigkeit von der Bauhöhe ausgehend
von einer polykristallinen IN718-Startplatte.
Basierend auf der Auswahl von zum
thermischen Gradienten günstig orientierten
Körnern nimmt die Kornbreite der
Stängelkristalle sukzessive zu, bis sich
allmählich ein Plateau ausbildet
[Helmer2014b].
5 Ergebnisse und Diskussion 64
Sichtbarkeit der Schmelzbadgeometrie
Die Sichtbarkeit der linienartigen Schmelzbadränder in Abb. 5.8 liegt in der
Veränderung der Erstarrungsbedingungen im Verlauf der Erstarrung eines
Schmelzbades begründet. Ist der thermische Gradient zu Beginn der Erstarrung steil
und die Erstarrungsgeschwindigkeit gering, so kehren sich diese Größen mit
fortschreitender Erstarrung um (vgl. Abb. 5.26). Das Rückschmelzen zuvor
aufgebauter Schichten und nebenliegender, bereits erstarrter Schmelzbäder bringt
nun Bereiche unterschiedlicher Erstarrungsbedingungen in direkten Kontakt. Die
Sichtbarkeit resultiert folglich aus dem Aufeinandertreffen unterschiedlicher
Erstarrungsmorphologien bzw. Konzentrationsprofile.
Kornstruktur
Die Kornstrukturen für CGHS und CGLS sind in den IPF-Z-Orientierungskarten in Abb.
5.11 stark stängelkristallin mit einer parallelen Orientierung entlang der Baurichtung.
Für CGHS in Abb. 5.11 a) finden sich ausschließlich Stängelkristalle, wohingegen für
CGLS in Abb. 5.11 b) einzelne Neukörner vorzufinden sind, die durch ihre von der
[100]-Richtung abweichende Einfärbung hervortreten. Neben einzelnen Neukörnern
zeigen sich feinere Stängelkristalle in CGLS. Die mittleren Kornbreiten in CGHS und
a) b)
Abb. 5.10: Lichtmikroskopische Aufnahmen der Schmelzbadgeometrie für einen breiten
Strahl in a) (𝑑𝑓 ≅ 500 µm, 𝑣 = 0,2 m/s, 𝐸𝐴 = 5 J/mm²) und einen feinen Strahl in b)
(𝑑𝑓 ≅ 400 µm, 𝑣 = 0,2 m/s, 𝐸𝐴 = 5 J/mm²). In Umgebung des Schmelzbadbodens findet
sich für den breiten Strahl eine weitestgehend parallele Orientierung des thermischen
Gradienten zur Baurichtung. Das Schmelzbad des fokussierten Strahls weist eine deutlich
stärkere Krümmung am Schmelzbadboden auf, welche auf einen höheren
Verdampfungsdruck schließen lässt und mit einer größeren Neigung des thermischen
Gradienten einhergeht.
100 µm
Elektronenstrahlh
s
100 µm
Elektronenstrahlh
s
5 Ergebnisse und Diskussion 65
CGLS ergeben sich zu 39,3 µm bzw. zu 20,5 µm für eine Ablenkgeschwindigkeit von
0,2 m/s.
Die unterschiedlichen mittleren Kornbreiten lassen sich auch für höhere
Ablenkgeschwindigkeiten in Abb. 5.12 bestätigen. Für eine Strahlbreite von ca.
500 µm lässt sich bei Ablenkgeschwindigkeiten bis 0,8 m/s eine höhere mittlere
Kornbreite detektieren. Aus Gründen der Vergleichbarkeit weisen Datenpunkte mit
a) b)
Abb. 5.11: IPF-Z-Orientierungskarten für einen breiten Strahl CGHS und einen feinen Strahl
CGLS. Die mittlere Kornbreite ist für CGHS etwa doppelt so groß wie für CGLS. Für CGLS
zeigen sich vereinzelt Neukörner, die durch ihre von Rot abweichende Einfärbung von den
umliegenden Stängelkristallen unterscheidbar sind. Das Probenkoordinatensystem und
eine inverse Polfigur mit einer Einfärbung nach Kristallorientierungen finden sich unten
links und werden im Folgenden beibehalten.
Abb. 5.12: Mittlere Kornbreite für die
Prozessfenster PI (𝑑𝑓 ≅ 500 µm) und PII
(𝑑𝑓 ≅ 400 µm) in Abhängigkeit von der
Ablenkgeschwindigkeit. Die mittlere
Kornbreite ist bei einer Strahlbreite von
500 µm größer als bei 400 µm. Die Leistung
ist aus Gründen der Vergleichbarkeit für
Parameter gleicher Ablenkgeschwindigkeit
konstant.
100 µm 100 µm
Z
Y X
100
111
110
5 Ergebnisse und Diskussion 66
gleicher Ablenkgeschwindigkeit einen identischen Strahlstrom bzw. eine identische
Leistung auf.
Kristallographische Textur
Das stark stängelkristalline Gefüge in CGHS und CGLS verdeutlicht sich in den (100)-
Polfiguren mit Orientierungsdichtefunktion in Abb. 5.13 a) bzw. b) durch klare MUD-
Maxima (multiples of uniform distribution) entlang der Baurichtung (Mittelpunkt der
betrachteten XY-Ebene). Demnach liegt für beide Gefüge eine stark ausgeprägte
(100)-Fasertextur vor. Die Textur von CGHS ist gegenüber CGLS etwas ausgeprägter,
was sowohl an den MUD-Maxima der (100)-Polfiguren von CGHS und CGLS in Höhe
von 41 zu 36, als auch an einem Texturindex von 29 zu 22 auszumachen ist.
a)
b)
Abb. 5.13: Polfiguren der YX-Ebene für CGHS in a) und CGLS in b) der
Orientierungskarten in Abb. 5.11. Der breite Strahl führt zu einem höheren MUD-
Maximum, welches einer geringeren Abweichung der Stängelkristalle zur
Baurichtung entspricht. Für beide Gefüge ist eine geringe sekundäre Anisotropie
hinsichtlich der bevorzugten Wachstumsrichtung der Sekundärarme zu
beobachten. Diese wachsen bevorzugt entlang der X- und Y-Scanvektorachsen.
(100)
Max:
41.25
Min:
0
X
Y
(110)
Max:
9.69
Min:
0
X
Y
(111)
Max:
12.37
Min:
0
MUD
X
Y
5
10
15
20
25
30
35
40
(100)
Max:
36.01
Min:
0
X
Y
(110)
Max:
8.24
Min:
0.01
X
Y
(111)
Max:
11.61
Min:
0
MUD
X
Y
5
10
15
20
25
30
35
40
5 Ergebnisse und Diskussion 67
Neben der primären Anisotropie findet sich eine schwache sekundäre Anisotropie,
die insbesondere in den (110)-Polfiguren anhand klarer Maxima auf den X- und Y-
Achsen deutlich wird. Die sekundäre Anisotropie betrifft nicht die Abweichung der
kristallographischen [100]-Richtung (Primärarme) von der Baurichtung, sondern die
Orientierung der [010]- und [001]-Richtungen eines Stängelkristalls bzw. die
Orientierung der Sekundärarme des dendritischen Netzwerks innerhalb eines
Stängelkristalls. Die bevorzugte primäre und sekundäre Orientierung ist für einen
Dendriten in der (100)-Polfigur in Abb. 5.14 schematisch eingetragen. Für das
vorliegende stängelkristalline Gefüge sind die Sekundärarme demnach bevorzugt in
Richtung der X- und Y-Achse des Probenkoordinatensystems orientiert. Diese
Achsen entsprechen gemäß der Betrachtungsebene nach Abb. 3.2 den Richtungen
der Scanvektoren und werden im Folgenden als Scanvektorachsen bezeichnet. Die
Primärarme innerhalb der Stängelkristalle sind folglich bevorzugt parallel zur
Baurichtung und die Sekundärarme bevorzugt parallel bzw. senkrecht zu den
Scanvektorachsen orientiert (vgl. Kap. 5.2.5).
5.2.2 Einfluss der Scanstrategie
Die Scanstrategie zeigt einen signifikanten Einfluss auf die Schmelzbadgeometrie
und Kornstruktur. Es wird zuerst auf den Einfluss der Ablenkgeschwindigkeit auf die
Schmelzbadgeometrie eingegangen um ein grundlegendes Verständnis für den
Einfluss von Scanstrategien mit hohen Ablenkgeschwindigkeiten aufzubauen.
Einfluss der Ablenkgeschwindigkeit auf die Schmelzbadgeometrie
Der Einfluss der Ablenkgeschwindigkeit auf die Schmelzbadgeometrie wird anhand
exemplarischer Proben aus Prozessfenster PI und PII aus Abb. 5.1 dargestellt. In
Abb. 5.15 ist das Tiefenbreitenverhältnis (TBV) der Schmelzbadgeometrie in
Abhängigkeit von der Ablenkgeschwindigkeit dargestellt. Bei jeder
Abb. 5.14: (100)-Polfigur mit
Schemazeichnung der bevorzugten
dendritischen Orientierung. Die Primärarme
sind bevorzugt parallel zur Baurichtung und
die Sekundärarme bevorzugt parallel bzw.
senkrecht zu den Richtungen der
Scanvektoren (X- und Y-Achse) orientiert.
(100)
X
Y
[010]
[001]
5 Ergebnisse und Diskussion 68
Ablenkgeschwindigkeit wird der Datenpunkt mit der niedrigsten Flächenenergie
innerhalb der Prozessfenster in Abb. 5.1 untersucht. Das TBV nimmt mit
zunehmender Ablenkgeschwindigkeit ab. Die für geringe Ablenkgeschwindigkeiten
charakteristischen sphärischen Schmelzbäder (hohes TBV) in Abb. 5.10 und 5.13 b)
(TBV1) dehnen sich bei hohen Ablenkgeschwindigkeiten auf Bereiche
nebenliegender Scanvektoren (niedriges TBV) in Abb. 5.17 a) und 5.13 b) (TBV2)
aus. Die Schmelzbadflanken sind in diesen Fall im Mittel stärker von der Baurichtung
geneigt. Dies ist wiederum auf geringere Wärmeleitungsverluste bei hohen
Ablenkgeschwindigkeiten zurückzuführen (vgl. Kap. 5.1.3).
Schmelzbadgeometrie und Scanstrategie
Die im Folgenden untersuchte Scanstrategie umfasst die Veränderung der
Ablenkgeschwindigkeit und des Spurabstands im Schmelzvorgang. Mit einer
Reduzierung des Spurabstands erhöht sich die Anzahl vom Strahl abzufahrender
Scanvektoren, so dass die Schmelzfläche sowohl lokal, als auch global häufiger vom
Strahl passiert wird. Die Scanstrategie wird so verändert, dass der Spurabstand
sukzessive erniedrigt und die Ablenkgeschwindigkeit in gleichem Maße erhöht wird,
so dass die globale Scanzeit bzw. die transversale Fortschrittgeschwindigkeit 𝑣𝑡 in
allen Experimenten konstant bleibt. Ein großer Spurabstand entspricht einer geringen
a) b)
Abb. 5.15: Entwicklung des Tiefenbreitenverhältnisses (TBV) der Schmelzbadgeometrie in
Abhängigkeit von der Ablenkgeschwindigkeit für die Prozessfenster PI und PII in a) und
schematische Darstellung des TBV für niedrige und hohe Ablenkgeschwindigkeiten in b).
Mit zunehmender Ablenkgeschwindigkeit ist eine Verbreiterung des Schmelzbades
senkrecht zu den Scanvektoren zu beobachten.
Elektronenstrahl
TBV bei v1 1
v < v & TBV > TBV1 2 1 2
TBV bei v2 2
5 Ergebnisse und Diskussion 69
Ablenkgeschwindigkeit und umgekehrt. Die Scanstrategie nimmt Einfluss auf die Art
der Energieeinbringung und beeinflusst damit die Schmelzbadgeometrie, wie in den
schematischen Zeichnungen in Abb. 5.16 deutlich wird.
Für die geringste Ablenkgeschwindigkeit innerhalb der Scanstrategieexperimente
von 2,2 m/s (bei ℎ𝑠 = 150 µm) - im Folgenden als CGHL (HL, eng. high line offset)
bezeichnet - lassen sich in Abb. 5.17 a) transversal zu den Scanvektoren
ausgedehnte Schmelzbäder beobachten, die analog zu Ergebnissen in Abb. 5.15 ein
geringes Tiefenbreitenverhältnis aufweisen.
Für die höchste Ablenkgeschwindigkeit von 8,8 m/s (bei ℎ𝑠 = 37,5 µm) - im
Folgenden als EG (EG, eng. equiaxed grains) bezeichnet - lässt sich in Abb. 5.17 b)
der Schmelzbadboden, aber nicht die gesamte Schmelzbadgeometrie detektieren.
Der Schmelzbadboden weist im Gegenzug zu CGHL einen ebenen und keinen
welligen Verlauf auf. Nach den numerischen Ergebnissen (vgl. Kap. 5.2.4) ist für EG
anstatt eines Schmelzbades, welches bis zum Abfahren des nachfolgenden
a) b)
Abb. 5.16: Schematische Darstellung des Einflusses der Scanstrategie auf die
Schmelzbadgeometrie. Für hohe Spurabstände und geringe Ablenkgeschwindigkeiten in
a) folgt der Strahlquelle ein Schmelzbad, welches innerhalb eines Scanvektors erstarrt. In
b) wird aufgrund des häufigen Passierens (geringe Spurabstände) mit hohen
Ablenkgeschwindigkeiten eine Schmelzlinie erzeugt, die transversal über mehrere
Vektoren ausgedehnt ist und sich mit der transversalen Fortschrittgeschwindigkeit 𝑣𝑡
fortbewegt.
Schmelzbad
Bauteil
Konsolidiertes Material
Scanvektor
Pulverschicht
Schmelzfläche
Schmelzlinie
Bauteil
Pulverschicht
vt
Schmelzfläche
5 Ergebnisse und Diskussion 70
Scanvektors erstarrt ist, eine permanente Schmelzlinie über mehrere Scanvektoren
entsprechend Abb. 5.16 b) zu beobachten [Helmer2014a, Körner2014, Helmer2016].
Für diese Scanstrategie ist innerhalb einer Schicht keine signifikante
Rückschmelzung von bereits erstarrten Bereichen vorzufinden, so dass ein
Aufeinandertreffen von stark unterschiedlichen Erstarrungsbedingungen
bzw. -morphologien als Voraussetzung der Schmelzbadsichtbarkeit nicht gewahrt
bleibt. Lediglich am Schmelzbadboden kommen weiterhin stark unterschiedliche
Erstarrungsbedingungen bzw. -morphologien in direkten Kontakt, so dass dieser
weiterhin sichtbar bleibt. Da die Schmelzbadgeometrie in EG über metallographische
Methoden nicht mehr zugänglich ist, wird in Kap. 5.2.4 und 5.2.5 mit Hilfe der
numerischen Simulation Einsicht in die Gestalt des Schmelzbades und die
Orientierung des Wärmestroms gewonnen.
Kornstruktur
Die IPF-Z-Orientierungskarten in Abb. 5.18 zeigen eine stängelkristalline
Kornstruktur für CGHL in a) und eine feinkörnige, globulitische Kornstruktur für EG in
b). Für CGHL zeigt sich neben Stängelkristallen, auch ein geringer Anteil an
Neukörnern. Dieser Anteil nimmt für EG stark zu. Trotz der Vielzahl an
Kornorientierungen ist für EG weiterhin eine bevorzugte Wachstumsrichtung parallel
zur Baurichtung anhand der roteingefärbten Körner festzustellen. Die mittlere
Kornbreite von CGHL liegt bei 54,7 µm und damit auf einem ähnlichen Niveau wie
a) b)
Abb. 5.17: Lichtmikroskopische Aufnahmen der Schmelzbadgeometrie für CGHL und EG.
Für CGHL sind senkrecht zu den Scanvektoren ausgedehnte Schmelzbäder zu
beobachten. In EG ist aufgrund einer permanenten Schmelzlinie nur der
Schmelzbadboden erkennbar. Einzelne Schmelzbadränder sind mit gestrichelten Linien
zur besseren Sichtbarkeit gekennzeichnet.
100 µm
hs
Elektronenstrahl
100 µm
hsElektronenstrahl
5 Ergebnisse und Diskussion 71
CGHS in Abb. 5.12. Für EG findet sich aufgrund der hohen Anzahl an Neukörnern
eine geringere mittlere Kornbreite von 19,5 µm. Neukornbildung und -wachstum
verhindern die Ausprägung einer scharfen Fasertextur und führen zu globulitischen
Kornstrukturen.
Das mittlere Kornaspektverhältnis (KAV) wird als Maß für den Anteil an Neukörnern
in Abb. 5.19 in Abhängigkeit von der Ablenkgeschwindigkeit bzw. dem Spurabstand
für die Bauteilmitte dargestellt. Es ist entsprechend der Orientierungskarten ein
hohes KAV für CGHL von 6,5 und eines niedriges KAV für EG von 1,1 festzustellen.
Das KAV reduziert sich sukzessive von geringen Ablenkgeschwindigkeiten bzw.
hohen Spurabständen zu hohen Ablenkgeschwindigkeiten bzw. geringen
Spurabständen. Der höchste Gehalt an Neukörnern (kleines KAV) lässt sich zudem
a) b)
Abb. 5.18: IPF-Z-Orientierungskarten von CGHL in a) und EG in b). In CGHL findet sich ein
stängelkristallines Gefüge mit einzelnen Neukörnern. In EG ist der Flächenanteil an
Neukörnern stark erhöht. Die Neukörner scheinen parallel zu den Schichten zu entstehen.
Abb. 5.19: Mittleres Kornaspektverhältnis
(KAV) in Abhängigkeit von der Ablenk-
geschwindigkeit bzw. vom Spurabstand und
der Flächenenergie. Es lassen sich bei
hohen Ablenkgeschwindigkeiten
(𝑣 = 8,8 m/s) bzw. geringen Spurabständen
( ℎ𝑠 = 37,5 µm) und niedrigen
Flächenenergien (𝐸𝐴 = 1,9 J/mm²) nahezu
globulitische Gefüge (KAV ~ 1,1)
beobachten.
200 µm 200 µm
5 Ergebnisse und Diskussion 72
für die höchste Ablenkgeschwindigkeit (bzw. den geringsten Spurabstand) und einer
Flächenenergie von 1,9 J/mm² finden. Bei weiterer Erhöhung der Flächenenergie von
1,9 J/mm² zu 2,1 J/mm² kommt es wiederum zu einer Erhöhung des KAV bis auf
etwa 6,2.
Kristallographische Textur
Die großen mikrostrukturellen Unterschiede zwischen CGHL und EG spiegeln sich in
den (100)-Polfiguren in Abb. 5.20 a) und b) durch stark unterschiedliche MUD-
Maxima entlang der Baurichtung wieder. Das weitestgehend gleichachsige EG-
Gefüge weist einen Texturindex von lediglich 4 im Verhältnis zu 21 für CGHL auf.
Für beide Kornstrukturarten lässt sich wiederum eine gewisse sekundäre Anisotropie
feststellen (vgl. Abb. 5.13).
a)
b)
Abb. 5.20: Polfiguren der XY-Ebene für CGHL in a) und für EG in b). Neben der starken
(100)-Fasertextur zeigt sich für CGHL eine leichte sekundäre Anisotropie hinsichtlich der
Drehung der Stängelkristalle um deren kristallographische [100]-Richtung. Die
dendritischen Sekundärarme zeigen bevorzugt entlang der Scanvektoren auf der X- und
Y-Achse (vgl. Kap. 5.2.5). In EG liegt eine deutlich geringere Fasertextur vor. Noch
vorhandene Stängelkristalle weisen eine vergleichsweise starke sekundäre Anisotropie
auf.
(100)
Max:
34.6
Min:
0
X
Y
(110)
Max:
7.71
Min:
0.02
X
Y
(111)
Max:
10.08
Min:
0
MUD
X
Y
5
10
15
20
25
30
35
40
(100)
Max:
9.85
Min:
0.21
X
Y
(110)
Max:
4.17
Min:
0.37
X
Y
(111)
Max:
6.05
Min:
0.23
MUD
X
Y
5
10
15
20
25
30
35
40
5 Ergebnisse und Diskussion 73
5.2.3 Einfluss der Scanmustertiefe
In der Strategie BS10 wird das Scanmuster erst nach 10 Schichten (ℎ𝑑 = 500 µm) um
90° rotiert. Trotz der Verwendung von zu EG identischen Verfahrensparametern zeigt
sich in Abb. 5.21 ein stark stängelkristallines Gefüge. Der Gehalt an Neukörnern hat
im Vergleich zu EG merklich abgenommen. Neukörner treten in BS10 sporadisch auf
und werden meist innerhalb von einer Schicht von Stängelkristallen überwachsen.
Weiterhin ist in Abb. 5.21 eine Neigung der Stängelkristalle aus der Baurichtung zu
beobachten. Die Stängelkristalle sind für den Bereich gleichbleibender Orientierung
des Scanmusters im Mittel einheitlich gegenüber der Baurichtung geneigt. Wird das
Scanmuster nach 10 Schichten um 90° rotiert, ändert sich die Neigungsrichtung der
Stängelkristalle ebenfalls, so dass der Verlauf der Stängelkristalle entlang der
Baurichtung in Abb. 5.21 einem Zickzack-Muster gleicht.
Das Zickzack-Muster ist nicht die Folge einer Änderung der bevorzugten
dendritischen Wachstumsrichtung eines Stängelkristalls, beispielsweise von der
kristallographischen [100]- zur [010]-Richtung, sondern wird durch die Bildung von
Neukörnern ermöglicht. Neukörner können in der IPF-Z-Orientierungskarte in Abb.
5.22 sowohl bei einer konstanten Orientierung der Scanvektoren, als auch bei einer
Drehung der Scanvektoren beobachtet werden. Bei konstanter Orientierung der
Scanvektoren treffen Neukörner auf ein bereits gegenüber dem thermischen
Gradienten günstig orientiertes stängelkristallines Gefüge, so dass diese meist
innerhalb einer Schicht überwachsen werden. Nach der Drehung der Scanvektoren
und damit des thermischen Gradienten ist die angeschmolzene stängelkristalline
Abb. 5.21: REM-Aufnahme der Scan-
strategie BS10 mit identischen Verfahrens-
parametern zu EG. Es lassen sich von der
Baurichtung geneigte Stängelkristalle
beobachten. Die Stängelkristalle wachsen
nach jeder Drehung der Scanvektoren
entsprechend der neuen Orientierung des
Schmelzbades, so dass ein Zickzack-
Muster zu beobachten ist. Zur besseren
Orientierung sind drei Scanmusterdrehung
exemplarisch anhand der weißen Linien
auszumachen.
400 µm
90°-Drehung der
Scanvektoren
5 Ergebnisse und Diskussion 74
Kornstruktur gegenüber dem neu orientierten thermischen Gradienten ungünstig
orientiert. Neukörner können dadurch bei günstiger Orientierung die nun ungünstig
orientierten Stängelkristalle leicht überwachsen. In der Folge kommt es durch
kompetitives Wachstum nach mehreren Schichten wiederum zu einem
stängelkristallinen Gefüge, welches gegenüber dem neuen thermischen Gradienten
ausgerichtet ist. Der sich nach jeweils 10 Schichten wiederholende
Richtungswechsel der Scanvektoren bzw. thermischen Gradienten führt zur
Herausbildung des beschriebenen Zickzack-Musters in Abb. 5.21.
Die Abweichung der Stängelkristalle von der Baurichtung lässt sich ebenfalls in den
Polfiguren in Abb. 5.23 beobachten. Das MUD-Maximum der (100)-Polfigur ist nicht
mehr kreisförmig, sondern entlang der Scanvektorachsen ausgedehnt. Die
Ausdehnung ist nicht symmetrisch, da in der Orientierungskarte in Abb. 5.22 das
Abb. 5.22: IPF-Z-Orientierungskarte für die
Scanstrategie BS10 mit identischen
Verfahrensparametern zu EG. Es treten
Neukörner auf, die meist innerhalb einer
Schicht überwachsen werden. Nach
erfolgter 90°-Drehung des Scanmusters
(gestrichelte Linie) wachsen Neukörner
entsprechend der neuen Neigungsrichtung
des Wärmestroms unter Ausbildung von zur
Baurichtung geneigten Stängelkristallen.
Abb. 5.23: Polfiguren der Scanstrategie BS10 entsprechend der Orientierungskarte in Abb.
5.22. Die Neigung der Stängelkristalle ist in der (100)-Polfigur anhand der Ausdehnung
des MUD-Maximums entlang der Scanvektorachsen X und Y nachzuvollziehen.
200 µm
(100)
Max:
20.56
Min:
0.01
X
Y
(110)
Max:
8.14
Min:
0.04
X
Y
(111)
Max:
11.67
Min:
0.01
MUD
X
Y
5
10
15
20
25
30
35
40
5 Ergebnisse und Diskussion 75
Scanmuster nur einmal um 90° rotiert wird. Die Polfiguren bestätigen demnach eine
Neigung des stängelkristallinen Gefüges gegenüber der Baurichtung und senkrecht
zu den Scanvektoren.
5.2.4 Mechanismen der Neukornbildung
Ausgehend von den Ergebnissen der Scanstrategieexperimenten und ihrer
numerischen Pendants werden Mechanismen der Neukornbildung diskutiert.
Columnar-to-equiaxed transition (CET)
Die Blockierung der kolumnaren Erstarrungsfront durch Neukornbildung im
konstitutionell unterkühlten Bereich vor der Erstarrungsfront ist die Basis der
Prozesskarten für einkristallines Wachstum im Laserauftragsschweißen [Kurz2001,
Gäumann2001, Mokadem2004b]. Neukornbildung ist hier vermehrt am Ende der
Schmelzbaderstarrung zu beobachten, da sich die Erstarrungsbedingungen im
Verlauf der Erstarrung tendenziell in Richtung des CET-Übergangs bewegen
[Gäumann2001].
Im SEBM-Prozess ist für EG eine vermehrte Neukornbildung am Schmelzbadboden
in den IPF-Z-Orientierungskarten der letzten drei Schichten in Abb. 5.24
festzustellen. Im weiteren Verlauf der Schmelzbaderstarrung ist kompetitives
Wachstum unter Ausbildung von Stängelkristallen zu beobachten. Dieses Verhalten
lässt sich in Abb. 5.25 anhand der mittleren Kornbreite in Abhängigkeit vom Abstand
zur Probenoberseite bestätigen. Jeweils am Schmelzbadboden ist eine Reduzierung
Abb. 5.24: IPF-Z-Kornorientierungskarte der letzten Schichten von EG. Es ist jeweils am
Schmelzbadboden eine Nukleation von Neukörnern zu beobachten, die die kolumnare
Front teilweise blockiert. Insbesondere in der letzten Schicht ist der weitere Verlauf von
kompetitivem Kornwachstum geprägt. Neukörner treten hier nur noch sporadisch in
Erscheinung. Kleinere Unterschiede in der Schmelzbadtiefe resultieren aus lokal
variierenden Pulverschichtdicken.
Letzte Schicht
100 µm
Schmelzbadboden
5 Ergebnisse und Diskussion 76
der mittleren Kornbreite festzustellen, was der Nukleation von Neukörnern
geschuldet ist. Anschließend ist eine Zunahme der mittleren Kornbreite zu
beobachten, bis wiederum Neukornbildung am Schmelzbadboden einer neuen
Schicht die mittlere Kornbreite abermals reduziert. Lediglich in der letzten Schicht ist
keine erneute Reduzierung der mittleren Kornbreite zu detektieren, was den
Schmelzbadboden als Bereich vermehrter Neukornbildung identifiziert.
Analog zum Laserstrahlschmelzen entwickeln sich die Erstarrungsbedingungen im
SEBM-Prozess im Verlauf der Schmelzbaderstarrung in Richtung des CET-
Übergangs. In Abb. 5.26 sind die Erstarrungsbedingungen aus der numerischen
Simulation in einer 𝐺-𝑣𝑠-Auftragung für EG und CGHL dargestellt [Bauereiß2015,
Helmer2016]. Es ist eine Zunahme der Erstarrungsfrontgeschwindigkeit und eine
Abnahme des thermischen Gradienten im Verlauf der Erstarrung zu beobachten2.
2 Der gezackte Verlauf der Erstarrungsbedingungen in Abb. 5.26 resultiert aus der
Betrachtung mehrerer Schmelzbäder im Verlauf der Erstarrung ausgehend vom
Schmelzbadboden bis zum Schmelzbadende. Der große Spurabstand in CGHL führt zu
einem kleineren Überlapp zwischen einzelnen Schmelzbädern, so dass ausgehend vom
Boden für den vorliegenden Fall nur ein weiteres Schmelzbad geschnitten wird. In EG sind
die Erstarrungsbedingungen im Zuge des kleinen Spurabstands durch die sich mehrmals
wiederholende Strahleinkopplung in die Schmelzlinie bestimmt, so dass es bei jeder
Strahleinkopplung zu einer kurzzeitigen Verlangsamung der Erstarrungsfrontgeschwindigkeit
kommt.
Abb. 5.25: Mittlere Kornbreite in
Abhängigkeit des Abstands zur
Probenoberseite für die IPF-Z-
Kornorientierungskarte in Abb. 5.24. An den
Schmelzbadböden lässt sich eine geringere
mittlere Kornbreite detektieren, die aus der
Neukornbildung erwächst. Anschließend ist
eine Kornverbreiterung zu beobachten, die
dem stängelkristallinen Wachstum im
weiteren Verlauf der Erstarrung Rechnung
trägt.
5 Ergebnisse und Diskussion 77
Das stängelkristalline CGHL entwickelt sich tendenziell stärker in Richtung eines CET-
Übergangs, wohingegen das gleichachsige EG, insbesondere für den Bereich
vermehrter Neukornbildung am Schmelzbadboden den größten Abstand zum CET-
Übergang aufweist. Die Annahme einer konstanten Nukleationskeimdichte im Modell
nach Hunt und Gäumann ermöglicht demnach keine Beschreibung der
mikrostrukturellen Unterschiede zwischen EG und CGHL anhand des klassischen
CET-Modells [Hunt1984, Gäumann2001].
In einem erweiterten CET-Modell nach Mokadem wird neben der
Erstarrungsfrontgeschwindigkeit und dem thermischen Gradienten, die Orientierung
der Erstarrungsfront gegenüber dem thermischen Gradienten miteinbezogen. In der
sog. off-axis Konfiguration, also einer Neigung der bevorzugten Wachstumsrichtung
der Erstarrungsfront gegenüber dem thermischen Gradienten, verschiebt sich die
CET-Linie in Bereiche niedrigerer Erstarrungsgeschwindigkeiten bzw. höherer
thermischer Gradienten [Mokadem2004b]. Auch nach Verschiebung der CET-Linie
können die hier beobachtete vermehrte Ausbildung von Neukörnern am
Schmelzbadboden und die verringerte Ausbildung zum Ende der Erstarrung nicht
erklärt werden.
In neueren Arbeiten wird nicht mehr von einer materialspezifischen
Nukleationskeimdichte ausgegangen, sondern eine Abhängigkeit von den
Prozessparametern und den geometrischen Aspekten des dendritischen Netzwerkes
gesehen [Liu2002, Mokadem2004b, Mathiesen2006]. In EG muss es demnach zu
Abb. 5.26: 𝐺-𝑣𝑠-Diagramm für die
Scanstrategien EG und CGHL. Zu Beginn
der Erstarrung herrschen ein hoher
thermischer Gradient und eine geringe
Erstarrungsgeschwindigkeit. Im weiteren
Verlauf nimmt 𝐺 ab und 𝑣𝑠 zu. Der Bereich
vermehrter Neukornbildung liegt am Beginn
der Erstarrung und weist den größten
Abstand zum CET-Übergang auf. Die
dargestellte exemplarische CET-Linie
(𝐺 ∗ 𝑣𝑠) dient dem Vergleich zwischen EG
und CGHL.
5 Ergebnisse und Diskussion 78
einer lokalen Erhöhung der Nukleationskeimdichte in Umgebung des
Schmelzbadbodens kommen, um die beobachtete Neukornbildung zu erklären.
Dendritische Fragmentierungsmechanismen werden im Folgenden als potentielle
Ursache für einen CET-Übergang diskutiert.
Dendritische Fragmentierung durch transiente Wärmestromrichtungen
Die unterschiedlichen Ablenkgeschwindigkeiten und Spurabstände in CGHL und EG
führen in Abb. 5.27 zu einer Veränderung der Schmelzbadgeometrie. Der
Neigungswinkel zwischen Wärmestrom- und Baurichtung 𝜑 ist für das globulitische
EG in Abb. 5.27 b) deutlich gegenüber dem des stängelkristallinen CGHL in a) erhöht.
Die schematischen Darstellungen basieren auf den Mikrostrukturaufnahmen in Abb.
5.17 und den numerischen Ergebnissen in Abb. 5.28 [Bauereiß2015, Helmer2016].
a) b)
Abb. 5.27: Schematische Darstellung der Schmelzbadgeometrie für CGHL in a) und EG in
b). Für EG ist eine starke Neigung der Wärmestromrichtung gegenüber der Baurichtung zu
beobachten. Die schematischen Darstellungen basieren auf den Mikrostrukturaufnahmen
in Abb. 5.17 und den numerischen Ergebnissen in Abb. 5.28.
Abb. 5.28: Winkel 𝜑 zwischen Wärmestrom-
und Baurichtung in Abhängigkeit von der
Schmelzbadhöhe aus der Simulation. Am
Schmelzbadboden (Höhe = 0 µm) liegt 𝜑 für
CGHL und EG bei 0°. Bis zum
Schmelzbadboden der nächsten Schicht
(Höhe = 50 µm) nimmt 𝜑 im Mittel für EG
bis auf 35° und für CGHL bis auf 20° zu.
Schmelzbad
Elektronenstrahl
vs
G
φ
Neue Schicht
hs
Vorherige Schichten
Schmelz-bad
Vorherige Schichten
Elektronenstrahl hs
vs
G
φ
Neue Schicht
5 Ergebnisse und Diskussion 79
In Abb. 5.28 ist der Verlauf von 𝜑 aus der numerischen Simulation in Abhängigkeit
von der Schmelzbadhöhe für CGHL und EG dargestellt. Ausgehend vom
Schmelzbadboden (Höhe entspricht 0 µm) bis zum Schmelzbadboden der nächsten
Schicht (Höhe entspricht der Schichtdicke) nimmt der Neigungswinkel 𝜑 mit
zunehmender Schmelzbadhöhe stark zu. In CGHL ist eine geringere Zunahme von 𝜑
im Vergleich zu EG zu beobachten.
In Abb. 5.29 ist das mittlere Kornaspektverhältnis aus Abb. 5.19 neu in Abhängigkeit
von dem maximalen Neigungswinkel des thermischen Gradienten 𝜑50µ𝑚
aufgetragen. Im betrachteten Schmelzbadbereich vom Schmelzbadboden bis zum
Schmelzbadboden einer darauffolgenden Schicht findet sich 𝜑50µ𝑚 nach Abb. 5.28
bei einer Schmelzbadhöhe von 50 µm. Neben den bereits diskutierten Datenpunkten
CGHL und EG zeigt sich auch für die anderen Parameterpaare eine Abnahme des
mittleren Kornaspektverhältnisses mit zunehmender Neigung des thermischen
Gradienten. In Abb. 5.29 a) ist das Augenmerk auf Datenpunkte mit einer konstanten
Flächenenergie von 1,8 J/mm² (schwarze Symbole), aber variierenden
a) b)
Abb. 5.29: Mittleres Kornaspektverhältnis (KAV) in Abhängigkeit vom maximalen
Neigungswinkel 𝜑50µ𝑚 zwischen Baurichtung und thermischem Gradienten bei einer
Schmelzbadhöhe von 50 µm. Nimmt 𝜑50µ𝑚 zu, ist eine Abnahme des Aspektverhältnisses
bzw. eine Zunahme von Neukornbildung und -wachstum zu beobachten. In a) und b) sind
jeweils Datenpunkte ausgegraut um das Augenmerk zum einen auf die Abhängigkeit des
KAV von dem Spurabstand bzw. von der Ablenkgeschwindigkeit bei einer konstanten
Flächenenergie von 1,8 J/mm² in a) und zum anderen auf die Abhängigkeit des KAV von
der Flächenenergie bei einem konstanten Spurabstand von 37,5 µm in b) zu richten.
5 Ergebnisse und Diskussion 80
Ablenkgeschwindigkeiten bzw. Spurabständen gerichtet. Hier ist eine Zunahme von
𝜑50µ𝑚 mit zunehmender Ablenkgeschwindigkeit bzw. abnehmendem Spurabstand zu
beobachten. Mit zunehmenden 𝜑50µ𝑚 nimmt das mittlere Kornaspektverhältnis von
6,7 auf 1,3 ab. Die Veränderung der Scanstrategie zu kleineren Spurabständen und
höheren Ablenkgeschwindigkeiten bei einer konstanten Flächenenergie von
1,8 J/mm² ermöglicht demnach das mittlere Kornaspektverhältnis durch Veränderung
der Schmelzbadgeometrie zu reduzieren. Für den kleinsten Spurabstand von
37,5 µm ist in Abb. 5.29 b) der Einfluss der Flächenenergie (schwarze Symbole) auf
das mittlere Kornaspektverhältnis zu beobachten. Mit zunehmender Flächenenergie
von 1,9 zu 2,1 J/mm² kommt es ebenfalls zu einer Abnahme von 𝜑50µ𝑚 und damit zu
einer Erhöhung des mittleren Kornaspektverhältnisses von 1,1 zu 6,5. Eine alleinige
Reduzierung des Spurabstands bzw. Erhöhung der Ablenkgeschwindigkeit ist
demnach nicht ausreichend um globulitische Gefüge und damit Neukornbildung zu
provozieren. Vielmehr sind Neukornbildung und -wachstum maßgeblich durch eine
Veränderung der Schmelzbadgeometrie und damit der Wärmestromorientierung
beeinflussbar.
Die von Schicht zu Schicht und innerhalb einer Schicht stark wechselnden
Wärmestromrichtungen für die Parameterpaare mit hohem 𝜑50µ𝑚 werden als
ursächlich für das reduzierte mittlere Kornaspektverhältnis bzw. die vermehrte
Neukornbildung gesehen. Diese wechselnde Neigung des Wärmestroms führt zu
einer Veränderung des Konzentrationsprofils im dendritischen Netzwerk im Verlauf
der Erstarrung. Stängelkristalle mit einer parallelen Orientierung zur Baurichtung sind
am Schmelzbadboden (𝜑0µ𝑚 ~ 0°) günstig orientiert. Für diesen Bereich wachsen
[100]-Primärarme parallel zum Wärmestrom und Sekundärarme symmetrisch in den
<100>-Richtungen senkrecht zum Wärmestrom. Mit zunehmender Schmelzbadhöhe
führt der von der Baurichtung immer deutlicher abweichende Wärmestrom zu einer
Veränderung der dendritischen Wachstumsbedingungen. Sekundärarme mit geringer
Abweichung zum Wärmestrom sind im Wachstum gegenüber fehlorientierten
bevorzugt. Es kommt zu einem vermehrten Wachstum günstig orientierter
Sekundärarme und damit zu einer Veränderung des dendritischen
Konzentrationsprofils (vgl. Abb. 2.7). Bei der Rückschmelzung einer zuvor
aufgebauten Schicht durch eine neu applizierte Schicht treffen die
Erstarrungsbedingungen des Schmelzbadbodens (𝜑0µ𝑚 ~ 0°) auf eine dendritische
Struktur, welche bei einem geneigten Wärmestrom (in EG: 𝜑50µ𝑚 ~ 37°) erstarrt ist.
5 Ergebnisse und Diskussion 81
Diese von einer gerichteten Erstarrung stark abweichenden Bedingungen
erschweren epitaktisches Wachstum und werden als ursächlich für eine
Neukornbildung auf Basis einer konstitutionellen Fragmentierung gesehen. Liu und
Mathiesen konnten für wechselnde Konzentrationsprofile eine konstitutionelle
Fragmentierung feststellen, die die Nukleationskeimdichte in Umgebung der
Erstarrungsfront erhöhen kann [Liu2002, Mathiesen2006]. Dendritische Fragmente
können in der konstitutionell unterkühlten Schmelze vor der Erstarrungsfront
wachsen, die kolumnare Front blockieren und führen so zu einem CET-Übergang.
Die hier für eine Auswahl an Scanstrategien gefundenen transienten
Erstarrungsbedingungen werden als ursächlich für eine Neukornbildung auf Basis
einer konstitutionellen Fragmentierung gesehen.
Maßgeblich für die Ausbildung eines gleichachsigen Gefüges ist weiterhin das
kompetitive Wachstum zwischen Neukörnern und der stängelkristallinen
dendritischen Erstarrungsfront innerhalb einer Schicht und über mehrere Schichten
hinweg. Im Strategieexperiment BS10 ist trotz der Verwendung von zu EG
identischen Prozessparametern ein geringerer Flächenanteil an Neukörnern zu
beobachten (vgl. Kap. 5.2.3). Dieser Sachverhalt wird im folgendem Kap. 5.2.5
behandelt.
5.2.5 Entwicklung der Kornstruktur
Die Entwicklung der Kornstruktur ist maßgeblich von der Orientierung des
Wärmestroms und der Häufigkeit von Neukornbildung und -wachstum beeinflusst.
Hierbei hat lediglich ein Teilbereich des Schmelzbades Relevanz für die Entwicklung
der Kornstruktur des Bauteils. Dieser Schmelzbadbereich erstreckt sich zum einen
entlang der Baurichtung vom Schmelzbadboden bis zu einer -höhe entsprechend der
Schichtdicke (= 50 µm) und zum anderen senkrecht zur Baurichtung vom Rand eines
Schmelzbades bis zum Rand des darauffolgenden. Die hier vorgenommene
Abgrenzung des im Bauteil verbleibenden Schmelzbadbereichs resultiert aus der mit
dem Schmelzvorgang einer neuen Schicht einhergehenden partiellen
Rückschmelzung der zuvor aufgebauten Schicht. Weiterhin wird ein Teil des
Schmelzbades von dem darauffolgenden Schmelzbad innerhalb einer Schicht
ebenfalls zurückgeschmolzen, so dass der verbleibende Schmelzbadbereich
zusätzlich eine Funktion der Überlapprate aus Schmelzbadbreite und Spurabstand
ist. Die genannten Zusammenhänge führen für eine schichtweise 90°-Drehung des
5 Ergebnisse und Diskussion 82
Scanmusters zu der schematischen Darstellung in Abb. 5.30, welche den
Mikrostrukturaufnahmen in Abb. 5.31 nachempfunden ist [Helmer2014b].
Kolumnare Kornstrukturen
In SEBM-IN718 zeigt sich meist eine stängelkristalline Kornstruktur mit einer
parallelen Orientierung zur Baurichtung, wie aus den Orientierungskarten für CG-
IN718 in Abb. 5.11 und in Abb. 5.18 a) und den entsprechenden Polfiguren in Abb.
5.13 und in Abb. 5.20 a) ersichtlich wird. Derartige Gefüge sind aus Gussprozessen
mit gerichteter Erstarrung (z.B. HRS-Prozess) bekannt. Der Wärmestrom ist hier
parallel zur Abzugsrichtung orientiert, wodurch im Zuge kompetitiven Wachstums die
Ausbildung von Stängelkristallen mit paralleler Orientierung zur Abzugs- bzw.
Wärmestromrichtung zu beobachten ist. In SEBM ist im relevanten
Schmelzbadbereich in Abb. 5.30 im Mittel eine Neigung des Wärmestroms von der
Baurichtung zu beobachten. Die Ursache der dennoch parallel zur Baurichtung
orientierten Stängelkristalle ist in der schichtweisen 90°-Drehung des Scanmusters
zu sehen. Der Wärmestrom weicht zwar innerhalb einer Schicht von der Baurichtung
ab, da sich aber in den darauffolgenden Schichten die Neigungsrichtung stets ändert,
stellt die Baurichtung über mehrere Schichten hinweg die bevorzugte
Wachstumsrichtung dar (vgl. Abb. 2.9 a). Unterbleibt die schichtweise Drehung des
Scanmusters, wie in der Scanstrategie BS10, weicht das stängelkristalline Gefüge
entsprechend der konstanten Neigungsrichtung des Wärmestroms ebenfalls von der
Baurichtung ab. Die Drehung des Scanmusters nach 10 Schichten führt zu einer
Kornselektion auf Basis der neuen Wärmestromrichtung und demnach zur
Ausbildung des in Abb. 5.21 dargestellten Zickzack-Verlaufs des stängelkristallinen
Gefüges.
Abb. 5.30: Schematische Darstellung des
im Bauteil verbleibenden und damit
relevanten Schmelzbadbereichs. Dieser ist
von der Rückschmelzung innerhalb einer
Schicht und der jeweiligen vorherigen
Schicht geprägt [Helmer2014b].
LinienabstandSchmelzbadbreite
RelevanterSchmelzbad-bereich
KonsolidierteSchichtdicke
5 Ergebnisse und Diskussion 83
Die schichtweise Drehung führt, wie oben beschrieben, trotz des in einer Schicht
geneigten Wärmestroms zu einer parallelen Orientierung der Stängelkristalle zur
Baurichtung. Der Neigungswinkel 𝜑 zwischen Wärmestrom- und Baurichtung
beeinflusst aber dennoch die Kornstrukturentwicklung wie sich anhand der Versuche
mit unterschiedlichen Strahlbreiten zeigt. Der relevante Schmelzbadbereich ist für
den breiten Strahl in Abb. 5.10 a) und in Abb. 5.31 a) ebener und flacher im
Vergleich zum feinen Strahl in Abb. 5.10 b) und in Abb. 5.31 b). Dies führt zu einem
geringen Neigungswinkel 𝜑 zwischen Wärmestrom- und Baurichtung. Die
epitaktische Erstarrung verläuft weitestgehend gerichtet und hat die Ausbildung einer
starken Fasertextur in den Polfiguren in Abb. 5.13 zur Folge. Für den feineren Strahl
lassen sich eine geringere Korngröße und Neukörner beobachten. Dies ist das
Resultat der größeren Abweichung des Wärmestroms zur Baurichtung für die in Abb.
5.10 b) und in Abb. 5.31 b) dargestellten steileren Schmelzbadflanken bei einem
feinen Strahl. Neukörner können durch den stärker geneigten Wärmestrom häufiger
eine günstigere Orientierung bzw. günstigere Wachstumsbedingungen vorfinden als
die kolumnare Erstarrungsfront und überwachsen diese somit. Das kompetitive
Wachstum beginnt im Falle der Blockierung der kolumnaren Erstarrungsfront von
neuem, so dass die mittlere Kornbreite im Verhältnis zum Gefüge des breiten Strahls
reduziert ist und in den Polfiguren in Abb. 5.13 eine größere Abweichung von einer
(100)-Fasertextur zu beobachten ist.
a) b)
Abb. 5.31: Lichtmikroskopische Aufnahmen der Kornstruktur und Schmelzbadgeometrie
für einen breiten Strahl in a) und einen feinen Strahl in b). Der relevante
Schmelzbadbereich ist für den breiten Strahl ebener und flacher im Gegensatz zu den
steileren Schmelzbadflanken bei einem feinen Strahl. Exemplarisch sind einzelne
Schmelzbadbereiche nachgezeichnet.
200 µm 200 µm
5 Ergebnisse und Diskussion 84
Gleichachsige Kornstrukturen
In EG gehen Neukörner meist vom Schmelzbadboden aus (vgl. Abb. 5.24). Die
starke Neigung des Wärmestroms für EG in Abb. 5.28 ermöglicht zum Wärmestrom
günstiger orientierten Neukörnern die kolumnare Front zu überwachsen. Das
Neukornwachstum ist maßgeblich vom Winkel zwischen der kolumnaren Front und
dem Wärmestrom abhängig. Wird das Scanmuster wie in der Strategie BS10 über 10
Schichten nicht gedreht, kommt es in Abb. 5.22 über kompetitives Wachstum zur
Ausprägung eines zur Baurichtung geneigten stängelkristallinen Gefüges. Die
Stängelkristalle sind hierbei entsprechend der Orientierung des Scanmusters bzw.
des Wärmestroms geneigt. Trotz der Verwendung von zu EG identischen
Prozessparametern ist in BS10 ein reduzierter Flächenanteil an Neukörnern zu
beobachten. Es lassen sich weiterhin eine Reihe von Neukörnern an den
Schmelzbadböden beobachten, die aber meist innerhalb einer Schicht überwachsen
werden. Dieser Vorgang resultiert aus der Ausprägung eines gegenüber dem
Wärmestrom ausgerichteten, stängelkristallinen Gefüges. Die beobachteten
Neukörner sind folglich meist ungünstiger gegenüber dem Wärmestrom orientiert als
die kolumnare Front, wodurch diese leichter überwachsen werden können. Das
Neukornwachstum ist demnach bei gleichbleibender Orientierung der Scanvektoren
bzw. des Wärmestroms eingeschränkt.
Werden die Scanvektoren wie in EG nach jeder Schicht um 90° gedreht, kommt es
dabei ebenfalls zu einer Drehung der Wärmestromrichtung. Der Richtungswechsel
führt nun, wie oben beschrieben, zu einer parallelen Orientierung der verbleibenden
Stängelkristalle zur Baurichtung. Dieses Verhalten ist in der Fehlorientierungskarte
für EG in Abb. 5.32 b) anhand der elongierten und in blau bzw. in dunkelgrün
eingefärbten Stängelkristalle zu erkennen. Diese weisen nur eine geringe
Fehlorientierung gegenüber einer (100)-Fasertextur mit paralleler Orientierung zur
Baurichtung auf. Weiterhin hat der Anteil an Stängelkristallen im Vergleich zur
Strategie BS10 merklich abgenommen. Vielmehr lässt sich ein hoher Flächenanteil
an Neukörnern beobachten, die stark von einer (100)-Fasertextur abweichen und in
der Fehlorientierungskarte in Abb. 5.32 eine grüne bis rote Einfärbung aufweisen.
Die mangelnde Anpassung der Stängelkristalle ermöglicht in jeder Schicht einer
großen Bandbreite von Neukörnern bezüglich des Wärmestroms günstiger orientiert
zu sein als die kolumnare Front. Weiterhin wachsen Neukörner mit einer gewissen
Fehlorientierung meist nur über ein bis zwei Schichten. Da in jeder Schicht die
5 Ergebnisse und Diskussion 85
Neigungsrichtung des Wärmestroms im Zuge der Drehung der Scanvektoren stets
wechselt, sind zuvor günstig orientierte Körner nicht mehr bevorzugt und werden im
Weiteren schnell überwachsen. Dies ist insbesondere für Körner mit großer
Fehlorientierung gegenüber einer (100)-Fasertextur zu detektieren, die in der
Fehlorientierungskarte in Abb. 5.32 rot eingefärbt sind. In der Folge nimmt der
Flächenanteil mit zunehmender Fehlorientierung in Abb. 5.33 ab.
Im Vergleich zur Fehlorientierungskarte des stark stängelkristallinen Gefüges in Abb.
5.32 a) ist in Abb. 5.33 ein stark erhöhter Flächenanteil an fehlorientierten Körnern
festzustellen, welcher sich insbesondere auch in der Erhöhung des E-Moduls in 0°-
EG niederschlägt. Der E-Modul des stark stängelkristallinen CG-Gefüges mit
121 GPa kann durch Neukornbildung und -wachstum um 34 GPa auf 155 GPa
erhöht werden (vgl. Kap. 5.4.2). Der weiterhin erhöhte Anteil an Körnern mit geringer
Fehlorientierung führt zu der in Abb. 5.20 b) beobachteten schwachen (100)-
Fasertextur und verhindert eine weitere Annäherung an einen isotropen E-Modul von
ca. 200 GPa.
a) b)
Abb. 5.32: Fehlorientierungskarten für die Abweichung von einer (100)-Fasertextur parallel
zur Baurichtung für CGHL in a) und EG in b). Das stängelkristalline CGHL in a) weist eine
stark ausgeprägte Fasertextur auf. Das globulitische Gefüge EG zeigt in b) eine Vielzahl
von der Baurichtung abweichender Kornorientierungen. Die Einfärbung gibt entsprechend
dem Farbbalken die Abweichung des jeweiligen Korns wieder. Stark abweichende Körner
(grün bis rot) werden meist nach wenigen Schichten überwachsen. Einzelne
Stängelkristalle sind meist für geringe Abweichungen zu beobachten (blau).
200 µm 200 µm
5 Ergebnisse und Diskussion 86
Sekundäre Anisotropie
Stängelkristalle sind, wie in Kap. 5.2.5 beschrieben, aufgrund der schichtweisen 90°-
Drehung des Scanmusters weitestgehend parallel zur Baurichtung orientiert. Neben
dieser primären Anisotropie der dendritischen Primärarme findet sich weiterhin eine
bevorzugte Ausrichtung der Sekundärarme entlang der Scanvektoren, die erstmals
von Antonysamy an 𝛽-Körnern in SEBM-TiAl6V4 beobachtet wird [Antonysamy2013].
Diese sekundäre Anisotropie ist insbesondere in den (110)-Polfiguren für kolumnare
Kornstrukturen in Abb. 5.13 und Abb. 5.20 a), als auch für gleichachsige
Kornstrukturen in Abb. 5.20 b) durch ausgeprägte MUD-Maxima auf den
Scanvektorachsen X und Y zu detektieren. Eine Erklärung liefert Abb. 5.34.
Die Primärarme von Korn 1 und 2 sind parallel zur Baurichtung orientiert. Beide
Körner weisen für die bevorzugte kristallographische <100>-Wachstumsrichtung
([100]-Primärarm) eine identische Unterkühlung und damit identische dendritische
Erstarrungsgeschwindigkeiten 𝑣ℎ𝑘𝑙 auf. Dennoch liegt Korn 2 per se oberhalb von
Korn 1. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass der Wärmestrom für die im linken
Teil von Abb. 5.34 vorliegende Schmelzbadgeometrie größtenteils in der Ebene
parallel zur Baurichtung (Z-Achse) und senkrecht zu den Scanvektoren (Y-Achse)
geneigt ist. Die vorgelagerte Position ermöglicht nun Korn 2 unter Ausbildung von
Sekundärarmen das Wachstum des benachbarten Primärarms von Korn 1 zu
blockieren und damit die Korngrenze zu seinen Gunsten zu verschieben. Weiterhin
finden sich für die Sekundärarme in Korn 1 und 2 in Abhängigkeit von der
Fehlorientierung zum Wärmestrom unterschiedliche Wachstumsbedingungen, da der
Wärmestrom zur [100]-Wachstumsrichtung der Primärarme geneigt ist. Für eine
Abb. 5.33: Abweichung von einer (100)-
Fasertextur parallel zur Baurichtung für EG
und CGHL. Für EG zeigt sich eine deutlich
stärkere Abweichung von der Baurichtung
als für CGHL. Es zeigt sich weiterhin eine
Abnahme des Flächenanteils mit
zunehmender Abweichung von der
Baurichtung.
5 Ergebnisse und Diskussion 87
geringe Fehlorientierung können Sekundärarme der Erstarrungsfront bei einer
geringeren Unterkühlung mit einer geringeren dendritischen
Erstarrungsgeschwindigkeit 𝑣ℎ𝑘𝑙 folgen und sind daher näher an 𝑇𝐿(𝑐0) lokalisiert. In
Korn 2 ist der [010]-Sekundärarm analog zum Wärmestrom in der XZ-Ebene
orientiert. Unter der Annahme von ausschließlich parallel zur Baurichtung
ausgerichteten Stängelkristallen ([100]-Richtung // BR) liegt in Korn 2 die geringste
Fehlorientierung zwischen dem Wärmestrom und der bevorzugten
Sekundärarmwachstumsrichtung vor. Neben der vorgelagerten Position von Korn 2
erleichtert die günstige Orientierung des [010]-Sekundärarms die Blockade des
Primärarms von Korn 1 an der Korngrenze. Für den Fall, dass Korn 1 in Abb. 5.34
oberhalb von Korn 2 liegt, ist dieser Vorgang erschwert. In Korn 1 sind die
Primärarme analog zu Korn 2 parallel zur Baurichtung ausgerichtet. Korn 1 ist aber
weiterhin um 45° auf der Z-Achse (= BR) rotiert. Die bevorzugten Sekundärarme in
Korn 1 weisen damit eine starke Fehlorientierung zum Wärmestrom auf und müssen
bei höheren dendritischen Erstarrungsgeschwindigkeiten wachsen um der
Erstarrungsfront zu folgen. Die hierfür benötigte höhere Unterkühlung führt zu einem
größeren Abstand zu 𝑇𝐿(𝑐0) und erschwert das Überwachsen von Korn 2.
Abb. 5.34: Kompetitives Wachstum zwischen Stängelkristallen mit unterschiedlicher
Orientierung der Sekundärarme bezogen auf die Orientierung der Scanvektoren bzw. des
geneigten Wärmestroms. Korn 2 liegt im Zuge des geneigten Wärmestroms per se
oberhalb von Korn 1 und kann dieses überwachsen. Dies erfolgt umso effektiver je
geringer die Fehlorientierung der Sekundärarme gegenüber dem Wärmestrom bzw. je
höher die Wachstumsgeschwindigkeit der Sekundärarme ist. Die Orientierung von Korn 1
und 2 kann anhand der kristallographischen Richtungen und Projektion unterhalb der
Körner nachvollzogen werden.
∆T
Q.
[010]
[100
]
∆T
[001]
Schmelz-bad
Vorherige Schichten
Elektronenstrahl hs
vs
G
φNeue Schicht
[1
00]
[010] [001]
Te
mp
era
tur
T
T (c )L 0
φ
Korn 1 Korn 2
X
Z
Y
5 Ergebnisse und Diskussion 88
Das Sekundärarmwachstum von Korn 2 ist weiterhin nicht nur in einer Schicht,
sondern im Zuge der schichtweisen 90°-Drehung der Scanvektoren in jeder Schicht
gegenüber Korn 1 bevorzugt. Bei einer 90°-Drehung um die kristallographischen
<100>-Richtungen handelt es sich um eine der Rotationssymmetrien kubischer
Kristallgitter. Demnach kommt es bei einer 90°-Drehung der Scanvektoren unter der
Annahme von entlang der Baurichtung ausgerichteten Stängelkristallen ([100] // Z-
Achse) zu keiner Veränderung der Kornorientierung bezogen auf das
Koordinatensystem bzw. auf die Ausrichtung des Wärmestroms. Das
Sekundärarmwachstum in Stängelkristallen mit einer parallelen bzw. senkrechten
Orientierung der Sekundärarme gegenüber den Scanvektoren ist für die dargestellte
Schmelzbadgeometrie in jeder Schicht gegenüber Stängelkristallen mit anders
orientierten Sekundärarmen bevorzugt. Die ausgeprägte sekundäre Anisotropie ist
folglich dem Zusammentreffen einer kubischen Kristallstruktur und der schichtweisen
90°-Drehung der Scanvektoren bei einem von der Baurichtung geneigten
Wärmestrom geschuldet.
Kunze et al. beobachten in SLM-IN738LC ebenfalls eine sekundäre Anisotropie mit
paralleler bzw. senkrechter Orientierung zu den Scanvektoren [Kunze2015]. Die
sekundäre Anisotropie ist hier im Zuge der zellularen Erstarrung nicht auf das
Sekundärarmwachstum, sondern auf eine Änderung der kristallographischen
Wachstumsrichtung der Zellen während der Schmelzbaderstarrung zurückzuführen.
5 Ergebnisse und Diskussion 89
5.3 Mikrostruktur und Wärmebehandlung
In diesem Kapitel wird die wie gebaut Mikrostruktur und die Wärmebehandelbarkeit
von kolumnaren (CG-IN718) und gleichachsigen Kornstrukturen (EG-IN718)
dargestellt.
5.3.1 Mikrostruktur und thermische Historie
Der SEBM-Prozess teilt sich, wie aus dem charakteristischen Verlauf der
Startplattentemperatur in Abb. 5.35 ersichtlich, in die Prozessschritte Vorheizen der
Startplatte, Materialaufbau und Abkühlung auf.
Nach Erreichen einer definierten Startplattentemperatur (hier 950 °C) beginnt der
schichtweise Materialaufbau direkt auf der Startplatte. Die Bauteiltemperatur kann
dabei in erster Näherung mit der Startplattentemperatur gleichgesetzt werden, da auf
der Bauteiloberfläche eingebrachte Energie durch die direkte Anbindung zwischen
Bauteil und Startplatte homogenisiert wird. Das schlecht leitende Pulverbett trägt
weiterhin zu einer thermischen Isolierung des Startplatten-Bauteil-Verbunds bei. In-
situ Pyrometermessungen der Bauteiloberfläche bestätigen Temperaturunterschiede
von wenigen Grad Kelvin zwischen Bauteiloberfläche und Startplattentemperatur
[Eichler2014]. Die Bauteiltemperatur verbleibt demnach über die Dauer des
Materialaufbaus innerhalb eines Temperaturbereichs von etwa 900 - 950 °C. Nach
Beendigung des Materialaufbaus erfolgt unter Helium-Flutung der Prozesskammer
eine Abkühlung auf Raumtemperatur.
Im SEBM-Prozess generierte Bauteile sind im Zuge der dauerhaft hohen
Bauteiltemperaturen einer hohen prozessseitigen thermischen Belastung ausgesetzt.
Der schichtweise Aufbau führt weiterhin zu einer inhomogenen thermischen
Abb. 5.35: Verlauf der
Startplattentemperatur in Abhängigkeit von
der Bauzeit mit den Prozessschritten
Vorheizen, Materialaufbau und Abkühlung.
Die Startplattentemperatur verbleibt für die
Dauer des Materialaufbaus bei ca.
900 - 950 °C.
5 Ergebnisse und Diskussion 90
Belastung in Abhängigkeit von der Bauhöhe. Material, welches zum Prozessstart
aufgebaut wird, ist der Bautemperatur über die gesamte Dauer des Materialaufbaus
ausgesetzt und demnach thermisch stark belastet. Mit zunehmender Bauhöhe
reduziert sich die Dauer der thermischen Belastung bzw. die Auslagerungszeit
sukzessive, so dass die Mikrostruktur der letzten Schicht ausschließlich eine Folge
der Erstarrung und der Abkühlung in Prozessschritt III ist. Hier lässt sich
entsprechend der Ausscheidungssequenz nach Knorovsky et al. Lavesphase im
interdendritischen Bereich in Abb. 5.36 feststellen [Knorovsky1989]. Weiterhin
kommt es bei der Abkühlung zur Ausscheidung von δ-, γ‘- und γ‘‘-Phasen, die sich
ausgehend von hohen Nb-Gehalten vermehrt im interdendritischen Bereich
lokalisieren.
In Abb. 5.37 ist die Zunahme des δ-Phasenanteils anhand von zwei exemplarischen
rasterelektronenmikroskopischen Aufnahmen dargestellt. Die obere Aufnahme stellt
das Gefüge bei einer Auslagerungszeit von ca. 4 h dar. Die δ-Phase liegt hier
größtenteils intragranular im interdendritischen Bereich vor. Im Zuge der
dendritischen Erstarrung findet sich im interdendritischen Bereich ein erhöhter Nb-
Gehalt (vgl. Kap. 5.3.4) [Carlson1989]. Die Ausscheidung der Nb-reichen δ-Phase ist
demnach in diesem Bereich erleichtert. Die Mikrostruktur der unteren Aufnahme
entspricht einer Auslagerungszeit von ca. 12 h. Die δ-Phase liegt hier mit einem
deutlich erhöhten Anteil intragranular vor und ist über die interdendritischen Bereiche
hinausgewachsen.
Mit abnehmender Bauhöhe bzw. zunehmender Dauer der prozessseitigen
thermischen Belastung ist eine Zunahme des δ-Phasenanteils in Abb. 5.38 zu
beobachten. Demnach liegt in startplattennähe (Bauteilboden) der höchste und in
Abb. 5.36: Rasterelektronenmikroskopische
Aufnahme der Phasen in der letzten
Schicht. Es zeigen sich die Laves-, 𝛿-, γ‘-
und γ‘‘-Phasen. Eine Unterscheidung
ermöglichen die morphologischen und
chemischen Unterschiede.
2 µm
𝛿
Laves
𝛾′′
5 Ergebnisse und Diskussion 91
Umgebung der letzten Schicht (Bauteilkopf) der geringste δ-Phasenanteil vor. Für
den vorliegenden Bauprozess findet sich in Abb. 5.38 ein maximaler δ-Phasenanteil
von 5,8 Vol.-% bei einer prozessseitigen Auslagerungszeit von ca. 12 h.
Der Ausscheidungsanteil 𝑊 lässt sich in Abhängigkeit von der Auslagerungszeit 𝑡
näherungsweise mit der JMA-Gleichung (Johnson-Mehl-Avrami) in Gl. (5.6)
beschreiben [Ilschner2010].
𝑊 = {1 − exp [−(𝑡 𝜏⁄ )
𝑛]} ∗ 𝑊0
(5.6)
Der Avrami-Exponent 𝑛 wird mit 3 und die Zeitkonstante 𝜏 mit 14 h angesetzt. Zum
Zeitpunkt 𝜏 liegt ein Ausscheidungsgrad 𝑊/𝑊0 von 1 − 𝑒−1 und damit von etwa 63 %
vor. Der Equilibriumsausscheidungsanteil W0 liegt bei einer Temperatur von 900 °C
bei ca. 14,2 Vol.-% [Azadian2004]. Die JMA-Kurve in Abb. 5.38 zeigt eine gute
Übereinstimmung mit den experimentellen Messpunkten. Es zeigen sich kleinere
Abweichungen im Bereich niedriger bzw. hoher δ-Phasenanteile, die auf
Messungenauigkeiten bzw. Temperaturschwankungen während des Bauprozesses
zurückzuführen sind.
Abb. 5.37: Rasterelektronenmikroskopische
Aufnahmen der 𝛿-Phase in Abhängigkeit
von der Bauhöhe für prozessinhärente
Auslagerungszeiten von ca. 4 h und 12 h.
Die 𝛿-Phase liegt bei einer Auslagerungs-
zeit von 4 h meist im interdendritischen
Bereich vor. Im Zuge der Mikroseigerung
finden sich hier erhöhte Nb-Gehalte,
wodurch sich die Triebkraft zur Bildung der
𝛿-Phase erhöht. Bei einer Auslagerungszeit
von 12 h nimmt der 𝛿-Phasenanteil zu. Die
𝛿-Phase liegt nun intragranular vor.
4 h
12 h
20 µm
Längsschnitt
5 Ergebnisse und Diskussion 92
Die Auslagerung folgt dem ZTU-Diagramm für Knet-IN718 in Abb. 5.39, in welchem
die Prozesstemperatur und -dauer schematisch eingetragen sind. Im Gegensatz zu
Knet-IN718 zeigt sich in SEBM-IN718 die δ-Phasenausscheidung nicht an
Korngrenzen (KG), sondern bevorzugt im interdendritischen Bereich. Dieses
Verhalten wurde an Guss-IN718 von Carlson et al. ebenfalls bestätigt und ist dem
erhöhten Nb-Gehalt in diesem Bereich geschuldet [Carlson1989].
Sames et al. finden in SEBM-IN718 ebenfalls eine bauhöhenabhängige
Mikrostruktur. Es werden grobe δ-Ausscheidungen am Ende des Materialaufbaus
(Bauteilkopf) und feine δ-Ausscheidungen am Anfang des Materialaufbaus
(Bauteilboden) beobachtet. Diese Ergebnisse stehen im Kontrast zu der hier
beobachteten Vergröberung in Umgebung des Bauteilbodens und werden von
Sames et al. auf stark schwankende Bauteiltemperaturen zurückgeführt
[Sames2014].
Abb. 5.38: 𝛿-Phasenanteil in Abhängigkeit
von der prozessseitigen Auslagerungszeit
[Waigand2013]. Die hohe Bauteiltemperatur
von ca. 900 °C führt zur γ‘/γ‘‘-Ausscheidung
und anschließend zu einer γ‘‘-Vergröberung
zur δ-Phase. Einer geringen Bauhöhe
entspricht eine lange prozessseitige
thermische Belastung. Der Verlauf
entspricht näherungsweise der JMA-
Gleichung und ist mit einem Wert von
Azadian et al. ergänzt [Azadian2004].
Abb. 5.39: ZTU-Diagramm für Knet-IN718
nach [Xie2005b]. Die Prozessdauer und -
temperatur ist für den untersuchten
Bauprozess schematisch eingezeichnet und
erklärt die prozessseitige Ausscheidung der
𝛿-Phase.
5 Ergebnisse und Diskussion 93
5.3.2 Thermophysikalische Eigenschaften
Zur Auswahl einer geeigneten Lösungsglühtemperatur ist die Kenntnis der δ-
Solvustemperatur erforderlich. In der Literatur findet sich für IN718 meist eine δ-
Solvustemperatur von 1020 °C [Radavich1989, Carlson1989, Cai2007]. In wie
gebaut SEBM-IN718 mit einem δ-Ausscheidungsanteil Wδ von 4,3 Vol.-% ist in der
DSC-Kurve in Abb. 5.40 eine δ-Solvustemperatur von ca. 1030 °C festzustellen.
Kleinere Unterschiede in der δ-Solvustemperatur sind die Folge unterschiedlicher
Nb-Gehalte, die sowohl global aus Gründen einer breiten Spezifikation (Nb-Gehalt:
4,7 - 5,5 Gew.-%) [DIN17744], als auch lokal durch Mikroseigerungen erwachsen
können [Radavich1989, Carlson1989]. Der Verlauf der DSC-Kurve ist weiterhin von
der Ausscheidung und Auflösung der Härtungsphasen γ‘ und γ‘‘ geprägt. Die
Härtungsphasen bilden sich in geringen Phasenanteilen lediglich bei der Abkühlung
von Bau- auf Raumtemperatur (vgl. Abb. 5.35), da die Bautemperatur während des
Materialaufbaus oberhalb der γ‘/γ‘‘-Solvustemperatur liegt (vgl. Abb. 5.39). Daher
lassen sich sowohl hohe Ausscheidungs-, als auch Auflösungsanteile detektieren.
Für die δ-Phase ist nur eine geringfügige Ausscheidung zu beobachten. Die
anschließende Auflösung zeigt einen größeren δ-Phasenanteil an, welcher auf den
bereits vorhandenen δ-Ausscheidungsanteil Wδ von 4,3 Vol.-% im Zuge der
prozessseitigen thermischen Belastung zurückzuführen ist.
5.3.3 Auflösung der 𝜹-Phase
Das Ziel der Lösungsglühung ist die Auflösung der Härtungs- und Sprödphasen um
eine gezielte Einstellung des Gehalts und der Ausscheidungsgröße der
Härtungsphasen in der Auslagerung zu ermöglichen. Aus dem im wie gebaut
Abb. 5.40: DSC von wie gebaut Material mit
einem 𝛿-Ausscheidungsanteil 𝑊𝛿 von
4,3 Vol.-%. Es lassen sich γ‘, γ‘‘ und δ
Ausscheidungs- und Auflösungstemperatur
herausarbeiten. Die δ-Phase löst sich bei
einer Temperatur von ca. 1030 °C
vollständig auf.
5 Ergebnisse und Diskussion 94
Zustand bauhöhenabhängigen δ-Phasenanteil ergibt sich die Notwendigkeit einer
Homogenisierung des δ-Phasenanteils.
In Abb. 5.41 ist die Auflösung der δ-Phase für zwei Bauhöhen bzw.
δ-Ausscheidungsanteile Wδ für Lösungsglühtemperaturen von 1020 °C in a) und
1040 °C in b) in Abhängigkeit von der Lösungsglühdauer dargestellt. Nach einer
Dauer von 2 h bei einer Temperatur von 1020 °C findet sich für beide Bauhöhen ein
einheitlicher δ-Phasenanteil von ca. 0,2 Vol.-%. Bei einer Temperatur von 1040 °C
wird bereits nach einer einstündigen Lösungsglühung eine vollständige Auflösung
erzielt.
In Abb. 5.42 sind die Datenpunkte aus Abb. 5.41 a) und b) gegenüber dem
Auflösungsanteil ∆𝑊 aufgetragen. ∆𝑊 berechnet sich aus der Differenz des
ursprünglichen δ-Ausscheidungsanteils Wδ und des momentanen Phasenanteils in
Abhängigkeit von der Lösungsglühdauer Wδ(𝑡). Für die untersuchten
δ-Ausscheidungsanteile von 4,3 Vol.-% und 2,2 Vol.-% lässt sich für die
Lösungsglühtemperatur von 1040 °C eine schnellere Auflösungskinetik als bei
1020 °C detektieren. Die Auflösungskinetik der 𝛿-Phase ist aufgrund der zur 𝛾-Matrix
inkohärenten Phasengrenze nicht vom kurzreichweitigen Übergang von Nb-Atomen
a) b)
Abb. 5.41: Auflösung der 𝛿-Phase bei einer Lösungsglühtemperatur T von 1020 °C in a)
und 1040 °C in b) für einen 𝛿-Ausscheidungsanteil 𝑊𝛿 von 2,2 Vol.-% und 4,3 Vol.-% in
Abhängigkeit von der Lösungsglühdauer [Waigand2013]. Bei einer Temperatur von
1020 °C stellt sich in a) ein homogener 𝛿-Phasenanteil von 0,2 Vol.-% nach einer
Lösungsglühdauer von 2 h ein. Für 1040 °C erfolgt eine vollständige Auflösung der 𝛿-
Phase bereits nach 1 h.
5 Ergebnisse und Diskussion 95
von der 𝛿-Phase in die 𝛿 / 𝛾-Phasengrenze abhängig, sondern von der
langreichweitigen Nb-Diffusion von der 𝛿 / 𝛾-Phasengrenze in die 𝛾-Matrix [Cai2003,
Cai2007]. Die erhöhte Auflösungskinetik bei geringen Lösungsglühdauern bei einer
Temperatur von 1040 °C lässt sich auf einen höheren Diffusionskoeffizienten bzw.
Diffusionsstrom zurückführen. Im weiteren Verlauf kommt es zu einem Abflachen der
Kinetik, da mit abnehmendem δ-Phasenanteil der Nb-Konzentrationsgradient flacher
und folglich der Diffusionsstrom verlangsamt wird.
Kornwachstum und Rekristallisation
Azadian et al. beobachten nach vollständiger Auflösung der δ-Phase einen
sprunghaften Anstieg der Korngröße in geschmiedeten IN718 [Azadian2004]. Nach
Muzyka et al. wird die Korngrenzenbewegung durch ausgeschiedene intragranulare
𝛿-Ausscheidungen behindert. In Schmiedeprozessen wird die 𝛿-Phase daher zur
Kontrolle der Korngröße eingesetzt [Muzyka1971]. Für das stängelkristalline Gefüge
CG-IN718 ist keine Veränderung der Kornstruktur als Folge der durchgeführten
Lösungsglühungen festzustellen. Die mittlere Kornbreite der Stängelkristalle verbleibt
vor und nach einer zweistündigen Lösungsglühung bei einer Temperatur von
1060 °C bei ca. 22 µm.
Das gleichachsige Gefüge EG-IN718 bleibt bis zu einer Temperatur von 1040 °C
ebenfalls unverändert. Für eine zweistündige Lösungsglühung bei 1060 °C ist eine
Rekristallisation der Probenmitte anhand der deutlich gröberen Kornstruktur und
anhand von Rekristallisationszwillingen in Abb. 5.43 zu erkennen. Das Bestreben zur
Rekristallisation wird maßgeblich durch das feinere Korn und die damit verbundene
größere Korngrenzenfläche in EG-IN718 erleichtert.
Abb. 5.42: Auflösungsanteil der 𝛿-Phase in
Abhängigkeit von der Lösungsglühdauer.
Bei einer Temperatur von 1040 °C findet
sich eine erhöhte Auflösungskinetik im
Vergleich zu 1020 °C. Diese ist maßgeblich
von der langreichweitigen Diffusion von Nb-
Atomen in die Matrix bestimmt. Mit
zunehmender Temperatur finden Platz-
wechselvorgänge durch einen erhöhten
Diffusionskoeffizienten schneller statt.
5 Ergebnisse und Diskussion 96
5.3.4 Homogenisierung von Mikroseigerungen
Im Zuge der dendritischen Erstarrung bildet sich in SEBM-IN718 eine zu Guss-IN718
vergleichbare Mikrosegregation zwischen Dendritenkern (DK) und interdendritischen
Bereich (ID). Das stärkste Seigerungsverhalten ist für Nb zu beobachten. Es finden
sich für Nb sowohl in Guss- [Carlson1989], als auch in SEBM-IN718 stark erhöhte
Gehalte im ID. In den Mikrosondenelementkarten von Nb und Ti des wie gebaut
Zustands (WG) in Abb. 5.44 spiegelt das Segregationsverhalten die feine
dendritische Struktur wieder. Infolge einer zweistündigen Lösungsglühung bei einer
Temperatur von 1020 °C ist für den wärmebehandelten Zustand (WB) in Abb. 5.44
eine nahezu vollständige Auflösung der Mikrosegregation zu beobachten. Lediglich
einzelne Bereiche im interdendritischen Bereich zeigen weiterhin erhöhte Nb- und Ti-
Gehalte. Hierbei handelt es sich um NbC und Ti(CN), die sich gemäß der
Erstarrungssequenz in IN718 im ID ausscheiden und aufgrund hoher
Solvustemperaturen (NbCSolvus > 𝑇𝑆, Ti(CN)Solvus > 𝑇𝐿 [Cockcroft1992]) nicht während
der Lösungsglühung aufgelöst werden. Im Zuge des stängelkristallinen Gefüges ist
eine zeilige Anordnung des NbC, die sogenannte Carbidzeiligkeit, im WB-Zustand zu
beobachten.
a) b)
Abb. 5.43: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen der Probenmitte von EG-IN718 im
wie gebaut Zustand (WG) in a) und im wärmebehandelten Zustand (WB) nach einer
Lösungsglühung von 2 h bei 1060 °C in b). Es lässt sich anhand der deutlich gröberen
Kornstruktur und anhand von Rekristallisationszwillingen ein hoher Anteil an
rekristallisierten Bereichen erkennen.
2 mm
WG
2 mm
WB
5 Ergebnisse und Diskussion 97
Im Sinne einer quantitativen Analyse des Seigerungs- und Homogenisierungs-
verhaltens wird jedem Messpunkt der Mikrosondenelementkarten ein
Festphasengehalt 𝑓𝑠 zugeteilt um die mittlere chemische Zusammensetzung im ID
(𝑓𝑠 = 1) und DK (𝑓𝑠 = 0) über die gesamte Mikrosondenelementkarte hinweg zu
bestimmen. Diese Sortierung wurde von Gungor erstmalig für binäre und von
Karunaratne et al. weiterhin für Multikomponentenlegierungen angewandt
[Gungor1989, Karunaratne2000] und erfolgt unter Berechnung der
Konzentrationsdifferenz von stark seigernden Elementen für den jeweiligen
Messpunkt. In IN718 finden sich mit Nb und Ti in den ID und mit Cr und Fe in den DK
seigernde Elemente. Die Konzentrationsdifferenz der genannten
Legierungselemente ermöglicht in Gl. (5.7) für jeden Messpunkt eine Sortierung nach
dem Festphasengehalt.
𝑐𝑓𝑠 = 𝑐𝑁𝑏+𝑇𝑖 − 𝑐𝐶𝑟+𝐹𝑒
(5.7)
In Abb. 5.45 ist die Konzentration in Abhängigkeit des Festphasengehalts der
wichtigsten Legierungselemente in IN718 für den WG- in (a) und WB-Zustand in (b)
dargestellt. Die teilweise erheblichen Mikroseigerungen, insbesondere von Nb,
können nahezu vollständig abgebaut werden.
a) b)
Abb. 5.44: Mikrosondenelementkarten für Nb in a) und Ti in b) im wie gebaut (WG) und
wärmebehandelten Zustand (WB). Die erheblichen Nb-Seigerungen können in Folge der
Wärmebehandlung nahezu vollständig abgebaut werden. Es verbleiben lediglich NbC und
Ti(CN) im ID, die aus Gründen hoher Solvustemperaturen nicht in der Lösungsglühung
aufgelöst werden können.
20 µm
Nb WG
WB
20 µm
Ti WG
WB
5 Ergebnisse und Diskussion 98
Das beobachtete Segregationsverhalten lässt sich mit Hilfe der Scheil-Gleichung in
Gl. (2.11) beschreiben. Die Gleichung wird dem jeweiligem Konzentrationsprofil in
Abb. 5.45 angefittet. Die Scheil-Gleichung liefert nun die Konzentration im ID 𝑐𝐼𝐷
(𝑓𝑠 = 0,95) und im DK 𝑐𝐷𝐾 (𝑓𝑠 = 0) für das jeweilige Element. Es wird ein 𝑓𝑠 von 95 %
für die Berechnung von 𝑐𝐼𝐷 verwendet, um die Konzentrationserhöhung im ID wegen
der während der Lösungsglühung unlöslichen NbC unberücksichtigt zu lassen. Der
Grad der Homogenisierung wird anhand des Restsegregationsindex 𝛿 aus Gl. (5.8)
beurteilt. Dieser berechnet sich aus den Differenzen der maximalen und minimalen
Elementkonzentrationen vor (𝑐𝑚𝑎𝑥0 − 𝑐𝑚𝑖𝑛
0 ) und nach der Wärmebehandlung (𝑐𝑚𝑎𝑥𝑡 −
𝑐𝑚𝑖𝑛𝑡 ).
𝛿 =𝑐𝑚𝑎𝑥𝑡 − 𝑐𝑚𝑖𝑛
𝑡
𝑐𝑚𝑎𝑥0 − 𝑐𝑚𝑖𝑛
0 (5.8)
Für Nb berechnet sich mit 0,11 der höchste Restsegregationsindex aller
Legierungselemente, welcher eine nahezu vollständige Homogenisierung der
Mikroseigerungen anzeigt. Die in wärmebehandelten Guss-IN718 starke
Restsegregation [Carlson1989] ist für SEBM-IN718 in Folge des feinen Gefüges und
der damit verbundenen geringen Diffusionslängen nicht zu beobachten.
a) b)
Abb. 5.45: Konzentrationsprofile in Abhängigkeit von dem Festphasengehalt im wie gebaut
in a) und wärmebehandelten Zustand in b). Im WG-Zustand wird insbesondere die starke
Anreicherung von Nb in den interdendritischen Bereichen - entspricht hohem
Festphasengehalt - deutlich. Die Segregation anderer Elemente ist deutlich weniger
ausgeprägt. Im WB-Zustand lassen sich nahezu keine Mikroseigerungen mehr detektieren.
5 Ergebnisse und Diskussion 99
Im Zuge des feinen SEBM-Gefüges (𝜆1 < 10 µm) erfolgt die Analyse an der
Auflösungsgrenze der verwendeten Mikrosonde. Dies führt zum einen zu der
beobachteten Streuung der Messwerte und zum anderen zu einer Unterschätzung
der Minimal- und Maximalwerte in Abb. 5.45.
5.3.5 Definition der Lösungsglühung
Für die Lösungsglühung wird eine Temperatur von 1020 °C und eine Haltedauer von
2 h als tauglich erachtet. Es lässt sich hierbei ein geringer δ-Phasenanteil mit einer
homogenen Verteilung im Bauteil einstellen. Weiterhin ist bei einer vollständigen
Auflösung der δ-Phase mit Kornvergröberung und Rekristallisation zu rechnen (vgl.
Abb. 5.43). Mikroseigerungen in Abb. 5.44 können durch die geringen
Primärarmabstände (λ1 < 10 µm) bzw. geringen Diffusionslängen nahezu vollständig
abgebaut werden.
5 Ergebnisse und Diskussion 100
5.4 Mechanische Eigenschaften und Textur
Im Folgenden werden der Einfluss eines stängelkristallinen (CG) und eines
gleichachsigen Gefüges (EG) auf die mechanischen Eigenschaften dargestellt.
5.4.1 Kornstruktur von Zug- und Ermüdungsproben
Die Kornstruktur in EG-IN718 ist in der IPF-Z-Orientierungskarte in Abb. 5.18 b) und
den entsprechenden Polfiguren in Abb. 5.20 b) bereits beschrieben. Die Kornstruktur
in CG-IN718 ist stark stängelkristallin. Vereinzelt treten Streukörner in den IPF-Z-
Orientierungskarten in Abb. 5.46 durch ihre von Rot (entspricht (100) // BR)
abweichende Einfärbung hervor. Die stängelkristalline Kornstruktur verbleibt über die
gesamte Bauhöhe bei einer konstanten mittleren Kornbreite von ca. 22 ± 14 µm. In
den Polfiguren in Abb. 5.47 zeigt sich eine ausgeprägte (100)-Fasertextur. Der
Texturindex ist mit 13 etwas geringer im Vergleich zu CGHL mit 21. Es lässt sich
ebenfalls eine geringe sekundäre Anisotropie detektieren (vgl. Kap. 5.2.5).
Abb. 5.46: IPF-Z-Orientierungskarte von 0°-
CG Zug- und Ermüdungsprobenmaterial mit
Farbkodierung entsprechend der IPF
parallel zur Baurichtung. Es zeigt sich ein
stark stängelkristallines Gefüge mit
vereinzelten Streukörnern.
Abb. 5.47: Polfiguren zur Orientierungskarte in Abb. 5.46 für CG-IN718 (Zug- und
Ermüdungsproben). Neben der starken (100)-Fasertextur zeigt sich in CG-IN718 eine
leichte sekundäre Anisotropie bezüglich der Orientierung der kristallographischen [010]
und [001]-Richtungen der Stängelkristalle.
(100)
Max:
25.07
Min:
0.01
X
Y
(110)
Max:
5.97
Min:
0.03
X
Y
(111)
Max:
8.34
Min:
0.02
MUD
X
Y
5
10
15
20
25
30
35
40
5 Ergebnisse und Diskussion 101
5.4.2 Elastizitätsmodul
In Abb. 5.48 ist der E-Modul aus RFDA-Messungen bei Raumtemperatur (RT) und
aus den Warmzugversuchen bei 650 °C in Abhängigkeit von der Temperatur für die
Belastungsfälle 0°, 45° und 90° und für die CG- und EG-Kornstruktur aufgetragen.
Für die stängelkristalline Kornstruktur findet sich bei RT in Baurichtung (0°-CG) ein
E-Modul von 121 GPa. Dies entspricht weitestgehend dem E-Modul von Nickel für
die kristallographische <100>-Richtung von 125 GPa [Reed2006] und ist der starken
(100)-Fasertextur entsprechend den Polfiguren in Abb. 5.47 geschuldet. Senkrecht
zur Baurichtung (90°-CG) ist ein E-Modul von 156 GPa bei RT zu beobachten.
Dieser resultiert aus der sekundären Ausrichtung der Stängelkristalle, also aus der
Drehung um deren Primärachse bzw. Primärarme. Die Stängelkristalle werden
folglich in <100>, <110> oder dazwischen beansprucht. Der E-Modul von 90°-CG
E90°-CG liegt damit in erster Näherung zwischen dem E-Modul der <100>- und <110>-
Richtungen von Nickel mit 125 GPa und 220 GPa. Für 45°-CG ist der höchste E-
Modul von 237 GPa für die drei untersuchten Belastungsfälle festzustellen, welcher
aus einer Belastung in den <110> oder höher indizierten Richtungen resultiert.
Die globulitische Kornstruktur weist in 0°-EG einen E-Modul von 155 GPa auf. Im
Vergleich zu 0°-CG ist eine Erhöhung des E-Moduls um 34 GPa bzw. ca. 28 % zu
beobachten, die auf die Vielzahl an Neukörnern in der Orientierungskarte in Abb.
5.18 b) und auf die deutlich schwächere primäre Anisotropie in den Polfiguren in
Abb. 5.20 b) zurückzuführen sind.
In SLM-IN738LC beobachten Kunze et al. für eine 0°-Belastung einen E-Modul von
158 ± 3 GPa [Kunze2015]. Dieser ist um 27 % gegenüber E0°-CG erhöht und liegt auf
Abb. 5.48: E-Modul aus RFDA (20 °C) und
Zugversuch (650 °C) in Abhängigkeit von
der Temperatur für 0°-, 45°- und 90°-CG
und für 0°-EG [Hartmann2013,
Wiedemann2015]. Der E-Modul für 0°- und
90°-CG und für 0°-EG liegt unterhalb dem
von isotropen IN718 (gestrichelte Linie nach
AMS 6552). Für 45°-CG findet sich ein
höherer E-Modul.
5 Ergebnisse und Diskussion 102
gleichem Niveau wie E0°-EG. Der erhöhte E-Modul in SLM-IN738LC ist das Resultat
der üblicherweise geringeren Ausprägung einer (100)-Fasertextur im SLM-Prozess.
In Tab. 5.1 sind die E-Moduln aus RFDA- und Zugversuchsmessungen aufgelistet.
Es zeigt sich ein weitestgehend übereinstimmendes Bild.
5.4.3 Statische Festigkeit
Die Kalt- und Warmfestigkeit von CG-IN718 und EG-IN718 liegt in Abb. 5.49
innerhalb bzw. teilweise oberhalb der Normgrenzen nach AMS6552. Sowohl für die
Streckgrenze Rp,0,2%, als auch für die Zugfestigkeit Rm lässt sich ein Maximum für
45°-CG finden. Rp,0,2% und Rm nehmen in der Reihenfolge von 90°- über 0°- bis 45°-
CG zu. Anders als für den E-Modul lässt sich für 90°-CG keine höhere Festigkeit im
Vergleich zu 0°-CG beobachten. Die Festigkeiten resultieren im Gegensatz zu der
elastischen Anisotropie ausschließlich aus der kristallographischen Anisotropie des
Gefüges. Die 0°-, 45°- und 90°-Belastungsfälle führen nun zu einer unterschiedlichen
Orientierung der Körner zur angelegten Spannung. Hieraus ergeben sich günstig und
ungünstig orientierte Körner hinsichtlich der angelegten Normalspannung und der
daraus resultierenden Schubspannung für das jeweilige Korn. In erster Näherung
lässt sich der Einfluss der kristallographischen Textur auf das Verformungsverhalten
mit Hilfe des mittleren Schmidfaktors 𝑚𝑠̅̅ ̅̅ abschätzen. Für 90°-CG finden sich sowohl
die geringste Streckgrenze und Zugfestigkeit, als auch mit 0,46 der höchste mittlere
Schmidfaktor. Folglich stehen im Mittel 46 % der angelegten Normalspannung als
Schubspannung zur Verfügung. Der Schmidfaktor verringert sich weiterhin von 0,44
bei 0°-CG zu 0,42 bei 45°-CG und gibt somit wiederum die beobachtete Tendenz in
Tab. 5.1: Elastizitätsmoduln aus RFDA-Messungen und Zugversuchen in GPa
[Hartmann2013, Wiedemann2015]. Der E-Modul in CG-IN718 zeigt eine starke
Anisotropie, welche anhand einer Spanne von ca. 120 - 240 GPa deutlich wird. In 0°-EG
lässt sich ein gegenüber 0°-CG erhöhter E-Modul feststellen, welcher auf den Wechsel von
einem stark stängelkristallinen zu einem gleichachsigen Gefüge zurückzuführen ist.
Gefüge und Belastungsart /
0°-CG 45°-CG 90°-CG 0°-EG IN718 (geschmiedet)*) Versuchsart
RFDA RT 121 ± 1 237 ± 1 156 ± 2 155 ± 3 -
Zugversuch RT 127 ± 2 238 ± 14 150 ± 1 148 ± 1 200
Zugversuch 650 °C 98 ± 3 186 ± 4 117 ± 4 - -
*)Daten aus [Special Metals Corporation2007].
5 Ergebnisse und Diskussion 103
der Streckgrenze und der Zugfestigkeit wieder. Die Festigkeitsunterschiede in
Abhängigkeit der Belastungsfälle können demnach qualitativ anhand von 𝑚𝑠̅̅ ̅̅
vorhergesagt werden. Eine quantitative Vorhersage wird mit den Modellen der
Kristallplastizität erreicht, die neben der Orientierung der Gleitsysteme zur
Belastungsrichtung, auch Härtungseffekte, die aus der Kornstruktur und aus
Ausscheidungsgehalten erwachsen, berücksichtigen [Kalidindi2004, Helm2011,
Baiker2014].
Für 0°-EG liegt der mittlere Schmidfaktor bei 0,45 und damit zwischen 0°- und 90°-
CG. Durch das feinere Gefüge ist von einem zusätzlichen Härtungseffekt
entsprechend der Hall-Petch-Beziehung auszugehen, der die zu 0°-CG vergleichbare
Streckgrenze erklärt.
Die Zugfestigkeit Rm und Streckgrenze Rp,0,2% von SEBM-IN718 sind auf einem
vergleichbaren oder höheren Niveau im Verhältnis zu SLM-IN718 [Blackwell2005,
Zhao2008, Amato2012, Wang2012b, Strößner2015].
Die Bruchdehnungen in Abb. 5.50 liegen für CG-IN718 meist innerhalb der
minimalen und maximalen Grenzen nach AMS6552. Lediglich für den
Warmzugversuch von 45°-CG lässt sich eine geringere Bruchdehnung von ca. 4 %
beobachten. An den Bruchflächen lassen sich oberflächliche Spaltbrüche erkennen,
a) b)
Abb. 5.49: Zugfestigkeit und Streckgrenze von CG- und EG-IN718 in Abhängigkeit von der
Temperatur [Hartmann2013, Wiedemann2015]. Die Streckgrenze und Zugfestigkeit nimmt
von 90°- über 0°- bis 45°-CG zu. 0°-EG besitzt eine identische Streckgrenze wie 0°-CG,
fällt aber in der Zugfestigkeit auf das Niveau von 90°-CG zurück.
5 Ergebnisse und Diskussion 104
die wegen der damit verbundenen vorzeitigen Querschnittsverringerung eine
Erklärung für die geringen Bruchdehnungen liefern.
Strondl et al. beobachten für SEBM-IN718 bei RT in einem 0°-Belastungsfall
Bruchdehnungen von lediglich 1,1 % [Strondl2009]. Es wird ein Bruch an
Mikroporennestern mit einer parallelen Ausbreitung zu den Schichten bzw. senkrecht
zur Belastungsrichtung festgestellt. Für 0°-CG werden in dieser Arbeit
Bruchdehnungen von 17 % beobachtet. Mikroporennester in Zug- und
Ermüdungsprobenmaterial werden nicht festgestellt (vgl. Kap. 5.5.1).
Die Bruchdehnung von 0°-EG findet sich bei 6 % mit einer großen Streuung. In
fraktographischen Aufnahmen zeigen sich Bindefehler mit Defektradien von 50 -
500 µm [Wiedemann2015]. Die hieraus resultierende Querschnittsverringerung führt
letztlich zu einem vorzeitigen Bruch. Die hohe Streuung der Zugfestigkeit für 0°-EG
ist ebenfalls auf Bindefehler zurückzuführen.
Abb. 5.50: Bruchdehnungen von CG- und
EG-IN718 in Abhängigkeit von der
Temperatur [Hartmann2013,
Wiedemann2015]. Für CG-IN718 liegen die
Bruchdehnungen innerhalb und oberhalb
der Norm AMS6552. Die Bruchdehnung von
EG-IN718 findet sich unterhalb der Norm.
5 Ergebnisse und Diskussion 105
5.5 HCF-Schwellfestigkeit
Die hochzyklische Ermüdungsfestigkeit wird für stängelkristallines Gefüge in
Abhängigkeit der Belastungsfälle dargestellt und mikrostrukturelle Defektarten und
tatsächliche Bruchinitiierungsdefektarten werden aufgeführt.
5.5.1 Mikrostrukturelle Defektarten
Es werden mikrostrukturelle Defektarten zwischen geschmiedetem und in CG-IN718
verglichen und hinsichtlich ihrer potentiellen bruchinitiierenden Wirkung bewertet.
Mikro- und Makroporosität
In Abb. 5.51 lassen sich Poren an Korngrenzen und im interdendritischen Bereich
beobachten, die meist eine Größenordnung kleiner sind im Vergleich zu der in Abb.
5.2 dargestellten Makroporosität. Diese sogenannte Mikroporosität lässt sich in
Erstarrungs- und Anschmelzporosität unterteilen. Während Erstarrungsporen aus
Rückflussproblemen im Verlauf der dendritischen Erstarrung erwachsen, sind
Anschmelzporen erst bei einer Rückschmelzung von bereits aufgebauten Schichten
zu beobachten.
Dies wird in Abb. 5.51 insbesondere in der letzten Schicht deutlich, in welcher
sporadisch feine interdendritische Erstarrungsporen, aber keine Anschmelzporen zu
detektieren sind. In den darunter liegenden Schichten, die aufgrund der partiellen
Rückschmelzung durch die jeweils nachfolgende Schicht als Wärmeeinflusszone
Abb. 5.51: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen der letzten Schichten mit
Auftreten von Erstarrungsporen und Anschmelzporen. In der letzten Schicht treten
ausschließlich einzelne feine Erstarrungsporen auf. In bereits rückgeschmolzenen
Schichten lassen sich intergranulare und interdendritische Poren mit deutlich höherer
Porengröße detektieren.
100 µm 50 µm
Oberste
Schicht
Anschmelzporen im
interdendritischen Bereich
Schmelzbadboden
Anschmelzpore
an Korngrenze
5 Ergebnisse und Diskussion 106
(WEZ) betrachtet werden können, zeigen sich nun sowohl interdendritische, als
intergranulare Anschmelzporen, die im Vergleich zu Erstarrungsporen eine deutlich
höhere Porengröße aufweisen.
Intergranulare Anschmelzporen (microfissuring) sind beim autogenen Schweißen von
IN718 häufig in der WEZ zu beobachten und werden auf die Bildung eines
eutektischen Korngrenzenschmelzfilms durch Auflösung von intergranularen NbC in
der 𝛾-Matrix zurückgeführt [Thompson1991, Huang1994, Agilan2012]. In SEBM-
IN718 liegen NbC-Ausscheidungen aufgrund der dendritischen Erstarrung nicht nur
intergranular, sondern auch interdendritisch vor [Knorovsky1989]. Im
stängelkristallinen SEBM-IN718 sind NbC-Ausscheidungen parallel zur Baurichtung
orientiert (vgl. Abb. 5.44) und können während der Rückschmelzung zu
Anschmelzungen im ID führen. Dabei kommt es häufig zu einer Aneinanderreihung
oder Verschmelzung einzelner Poren, so dass im Histogramm in Abb. 5.52 maximale
Feret-Durchmesser3 von bis zu 14 µm beobachtet werden. Nachdem
Anschmelzporen an Korngrenzen oder in interdendritischen Bereichen vorliegen und
damit für das stängelkristalline Gefüge parallel zur Baurichtung elongiert sind, tritt für
den 90°-Belastungsfall die größte Spannungsüberhöhung auf. Für die vorliegenden
Defektgrößen der Anschmelzporosität ist dennoch keine Beeinflussung der 90°-CG-
3 Der Feret-Durchmesser stellt im zweidimensionalen Raum den Abstand zwischen zwei parallelen
Linien dar, die ein Objekt begrenzen (Schieblehrenprinzip). Für alle nicht kreisförmigen Objekte
variiert der Feret-Durchmesser je nach Anordnung der parallelen Linien am Objekt. Der maximale
Feret-Durchmesser beschreibt den maximalen Abstand zwischen den parallelen Linien für ein Objekt
unter Berücksichtigung aller Anordnungsmöglichkeiten.
Abb. 5.52: Histogramm des maximalen
Feret-Durchmessers der Mikro- und
Makroporosität. Bei der dargestellten
Mikroporosität handelt es sich vornehmlich
um Anschmelzporen im ID. Diese sind
kleiner als die detektierte Gasporosität
(Makroporosität) und damit nicht
bruchinitiierend.
5 Ergebnisse und Diskussion 107
Schwellfestigkeit auszumachen, da andere Defektarten mit größeren Durchmessern
(wie z.B. Gasporen) im Wöhlerversuch bruchinitiierend wirken.
Die Makroporosität lässt sich in Gasporosität und Konsolidierungsporosität (nicht
konsolidierte Pulverpartikel, Mikrolunker) unterteilen (vgl. Abb. 5.2). Für
Bauparameter innerhalb der Prozessfenster in Abb. 5.1 und damit auch für die hier
verwendeten, ist in der mikroskopischen Defektanalyse keine
Konsolidierungsporosität zu beobachten und wird daher nicht weiter beleuchtet. Die
Gasporosität ist durch eine sphärische Morphologie (vgl. Abb. 5.2) gekennzeichnet
und stellt eine der beobachteten Bruchinitiierungsdefektarten dar. Ursprung der
Gasporosität sind bereits im Pulver eingefrorene Gasporen, welche bei der
Schutzgasverdüsung eingebracht werden [Qi2009]. Der Durchmesser der Gasporen
im Bauteil wird zum einen durch das in den Pulverpartikeln eingeschlossene
Gasvolumen und zum anderen durch die Druckverhältnisse in der Schmelze beim
Verdüsungs- und additiven Fertigungsprozess bestimmt. Trotz einer
Partikelgrößenverteilung von 45 - 105 µm lässt sich in Abb. 5.52 lediglich ein
Defektdurchmesser von 23 µm ausmachen, der auf einen Anteil an Gasporen im
verwendeten Pulver von lediglich 0,2 Vol.-% und auf eine statistische Verteilung im
Bauteil zurückzuführen ist.
Nitride und Carbide
Titannitride stellen spröde Ausscheidungen dar, welche bei 𝑇𝐿 keine vollständige
Löslichkeit aufweisen [Cockcroft1992, Mitchell1994a]. Für den im Ausgangspulver
vorliegenden Stickstoffgehalt von 70 Gew.-ppm (vgl. Tab. 3.1) lässt sich mit Hilfe
einer thermodynamischen Simulation eine TiN-Solvustemperatur von 1543 °C
berechnen (vgl. Anhang D). Im Zuge hoher Schmelzbadtemperaturen und -
konvektion ist von einer vollständigen Lösung von TiN in der Schmelze auszugehen4.
Die TiN-Defektgröße ist im SEBM-Prozess demnach durch Keimbildung,
Keimwachstum und Agglomeration während des Erkaltens des Schmelzbades
bestimmt. In Abb. 5.53 können für SEBM-IN718 TiN-Ausscheidungen mit einem
maximale Feret-Durchmesser von bis zu 16 µm beobachtet werden. Abikchi et al.
4 Im SEBM-Prozess herrschen in der Wechselwirkungszone zwischen dem Elektronenstrahl und der
Metallschmelze Schmelzbadtemperaturen von etwa 3000 °C. Im Zuge hoher Verdampfungsdrücke
führen starke Konvektionsströme zu einer Durchmischung der Schmelze [Klassen2014b].
5 Ergebnisse und Diskussion 108
stellen in geschmiedetem IN718 einen maximale Feret-Durchmesser von 25 µm und
damit eine gegenüber SEBM-IN718 erhöhte TiN-Ausscheidungsgröße fest
[Abikchi2013]. Eine Bruchinitiierung im Wöhlerversuch ist für CG-IN718 lediglich für
den 45°-CG-Belastungsfall zu beobachten. Nach fraktrographischer Untersuchung
der Bruchfläche wird eine oberflächennahen Lokalisierung der TiN-Ausscheidung
und die daraus resultierende Spannungsüberhöhung als ursächlich für das
einmalige Versagen betrachtet.
Weiterhin bilden sich gemäß der Erstarrungssequenz Niobcarbide und -carbonitride
(NbC bzw. Nb(CN)) im interdendritischen Bereich [Knorovsky1989, Strondl2008].
Ono et al. konnten in geschmiedetem IN718 an NbC-Nestern eine Bruchinitiierung im
HCF-Versuch feststellen [Ono2004]. In geschmiedetem IN718 lässt sich nach
Abikchi et al. eine maximale NbC-Ausscheidungsgröße von 20 µm finden
[Abikchi2013]. Im Gegensatz dazu weisen NbC in SEBM-IN718 aufgrund der deutlich
feineren dendritischen Mikrostruktur (λ1 < 10 µm) geringere Durchmesser auf und
haben daher keine Relevanz hinsichtlich der Ermüdungsfestigkeit.
5.5.2 Hochzyklische Schwellfestigkeit
Die HCF-Schwellfestigkeit liegt für SEBM-IN718 je nach Belastungsfall auf einem
vergleichbaren bzw. niedrigeren Niveau im Verhältnis zu geschmiedetem IN718 mit
einer Korngröße von 18 ± 1 µm. In Abb. 5.54 sind die Schwellfestigkeiten für die
Belastungsfälle 0°-, 45°- und 90°-CG und für geschmiedetes IN718 in einer
doppellogarithmischen Auftragung der Spannungsamplitude 𝜎𝑎 gegenüber der
Lastwechselspielzahl 𝑁 dargestellt. In dieser sogenannten Wöhlerauftragung weist
die 45°-Orientierung mit einer Dauerfestigkeit 𝜎𝐷 (107) von ca. 275 MPa bei einer
Abb. 5.53: Histogramm des maximale Feret-
Durchmessers der TiN und TiCN. Es lässt
sich ein maximaler Feret-Durchmesser von
bis zu 16 µm in der lichtmikroskopischen
Analyse detektieren. Nitride zeigen sich
lediglich für den Belastungsfall 45°-CG
bruchinitiierend.
5 Ergebnisse und Diskussion 109
Lastwechselspielzahl von 107 eine zu geschmiedetem IN718 vergleichbare
Schwellfestigkeit auf. Die Schwellfestigkeiten von 0°- und 90°-CG liegen mit
Spannungsamplituden von ca. 225 MPa bzw. 250 MPa unterhalb der
Schwellfestigkeit von 45°-CG und von geschmiedetem IN718. Die Wöhlerauftragung
gilt für ein Spannungsverhältnis von R = 0 bei einer Frequenz von ca. 95 Hz und
einer Temperatur von 450 °C.
5.5.3 Bruchinitiierungsdefektarten
Die Bruchinitiierung stellt im hochzyklischen Bereich den
geschwindigkeitsbestimmenden Schritt des Ermüdungsbruches dar und ist daher von
besonderer Bedeutung. Im Histogramm in Abb. 5.55 sind die häufigsten
Bruchinitiierungsarten in CG-IN718 für die Belastungsfälle 0°, 45° und 90°
dargestellt. Es wirken meist Einschlüsse und Gasporen bruchinitiierend. Weniger
häufige bruchinitiierende Defektarten, wie Risse, TiN-Partikel und Bindefehler, finden
sich unter Diverse in Abb. 5.55. Eine Bruchinitiierung ausgehend von einem
Einschluss ist in Abb. 5.56 a) dargestellt. Die Einschlüsse weisen einen ebenen
Charakter mit einer parallelen Orientierung zur Schichtebene (senkrecht zur
Baurichtung) auf und zeigen in EDX-Punktanalysen hohe Gehalte an Aluminium und
Sauerstoff (vgl. Kap. 5.5.5). In Abb. 5.56 b) wirkt eine Gaspore bruchinitiierend.
Augenscheinlich ist die sphärische Form dieser Defektart.
Einschlüsse stellen die häufigste Defektart dar. Lediglich für den Belastungsfall 90°-
CG gehen ebenso viele Ermüdungsbrüche von Gasporen aus. Einschlüsse führen
aufgrund ihrer parallelen Orientierung zur Schichtebene zu einer geringeren
projizierten Defektgröße bzw. Spannungsüberhöhung für eine Belastung parallel zur
Abb. 5.54: Wöhlerauftragung der
Zugschwellfestigkeit in Abhängigkeit von
der Belastungsorientierung
[Rothammer2015]. Für den Belastungsfall
45°-CG lässt sich eine zu geschmiedetem
IN718 vergleichbare Schwellfestigkeit
𝜎𝐷 (107) von 275 MPa feststellen. Die
Schwellfestigkeit von 0°- und 90°-CG liegt
mit 225 MPa bzw. 250 MPa etwa 50 MPa
unterhalb der von 45°-CG.
5 Ergebnisse und Diskussion 110
Schichtebene (90°-CG). Die sphärischen Gasporen zeigen dagegen eine isotrope
Spannungsüberhöhung, so dass diese in Ermangelung größerer Defekte in 90°-CG
deutlich häufiger bruchinitiierend wirken.
Die Bruchinitiierungsarten in SEBM-IN718 entsprechen den üblicherweise
beobachteten Defektarten in additiv gefertigten Bauteilen [Brandl2012, Qi2012,
Wang2012a, Leuders2013, Edwards2014, Wycisk2014]. Lediglich die Häufigkeit der
Defektart Einschluss steht im Kontrast zur Literatur und wird in Kap. 5.5.5 näher
erläutert.
Abb. 5.55: Histogramm der Bruchinitiie-
rungsarten für die Belastungsfälle. Der
Bruch geht meist von Einschlüssen und
Gasporen aus. In 90°-CG wirken Gasporen
häufiger bruchinitiierend als in 0°- oder 45°-
CG. Die sphärischen Gasporen führen zu
einer isotropen Spannungsüberhöhung.
Einschlüsse weisen dagegen aufgrund ihrer
parallelen Anordnung zur Schicht eine
starke Anisotropie auf.
a) b)
Abb. 5.56: Rasterelektronenmikroskopische Fraktographie der Bruchinitiierungs-
defektarten Einschluss in a) und Gasporosität in b) für den Belastungsfall 0°-CG. In
Umgebung der Defekte findet sich ein kristallographisches Bruchverhalten mit ebenen
Bruchflächen und Spaltlinien.
25 µm
0°-CG
25 µm
0°-CG
5 Ergebnisse und Diskussion 111
5.5.4 Rissverlauf
Der Rissverlauf in CG-IN718 lässt sich grundsätzlich in vier Bereiche unterteilen, die
in Abb. 5.57 anhand einer Bruchfläche einer 0°-CG-Probe dargestellt sind. Der
Bruchinitiierung schließt sich ein kristallographischer Bruchbereich mit ebenen
Bruchflächen an, der in einen Bruch senkrecht zur Belastungsrichtung mit der
Ausbildung charakteristischer Schwingstreifen übergeht. Der Rissverlauf endet mit
einem Restbruch im Randbereich.
Die Bruchinitiierung an inneren Defekten ist auf die Spannungsüberhöhung in ihrer
Umgebung zurückzuführen. Die Defekte können dabei als Risse angenommen
werden. Der Bruchinitiierung folgt ein kristallographischer Rissbereich entlang von
{111}/⟨110⟩-Gleitsystemen, der in der Literatur als Stufe I der Rissausbreitung
bezeichnet wird und über ein ebenes Bruchbild mit charakteristischen
Gleitlinienspuren in Abb. 5.56 gekennzeichnet ist [Forsyth1961, Telesman1996].
Dieses Verhalten ist in einkristallinen Ni-Basissuperlegierungen bei niedrigen
Temperaturen und hohen Belastungsfrequenzen stark ausgeprägt und verläuft
üblicherweise entlang des Gleitsystems mit der größten aufgelösten Schubspannung
[Leverant1975, Telesman1996, Lange2014]. In CG-IN718 wird im jeweiligen Korn
ebenfalls meist ein Gleitsystem aktiviert. Der Riss verläuft kristallographisch jeweils
unter Auswahl des günstigsten Gleitsystems. Im Belastungsfall 0°-CG kommt es in
Abb. 5.57 zur Bildung eines Bruchkegels, an dessen Spitze der bruchinitiierende
Defekt lokalisiert ist. In 45°- und 90°-CG ist in der Stufe I der Rissausbreitung ein
Abb. 5.57: Fraktographische Aufnahme einer 0°-CG-Bruchfläche. Der Riss geht von einer
Einschluss aus und breitet sich an kristallographischen Ebenen in ca. 45° zur
Belastungsrichtung als Stufe I Riss aus. Mit zunehmender Rissausbreitung kommt es zu
einem Übergang zu Stufe II senkrecht zur Belastungsrichtung unter Ausprägung der
üblichen Schwingstreifen bis zum Restbruch.
500 µm
Bruchinitiierung
Stufe II der
Rissausbreitung
0°-CG
Stufe I der
Rissausbreitung
200 µm
Restbruch
5 Ergebnisse und Diskussion 112
ähnliches Verhalten nicht zu beobachten. Der Bruch verläuft hier weitestgehend
eben. Mit zunehmender Risslänge wird die Spannungsüberhöhung in Umgebung des
Risses größer, so dass sich der Riss nun senkrecht zur angelegten Normalspannung
ausbreitet und damit in die Stufe II der Rissausbreitung mit den hierfür
charakteristischen Schwingstreifen übergeht.
5.5.5 Verarbeitungseinflüsse auf die HCF-Bruchinitiierung
Die häufigste Bruchinitiierungsart in SEBM-IN718 stellen nach Abb. 5.55 Einschlüsse
dar, die meist parallel zur Schichtebene vorliegen (vgl. Abb. 5.56 a). In der
Fraktographie einer 0°-Ermüdungsprobe in Abb. 5.58 wirkt ebenfalls ein Einschluss
bruchinitiierend. Dieser weist hohe Al- und O-Gehalte auf, wie aus den REM-EDX-
Elementkarten in Abb. 5.58 und -Punktmessungen in Tab. 5.2 ersichtlich ist.
Abb. 5.58: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer 0°-Ermüdungsbruchfläche mit
einem bruchinitiierenden Einschluss in der Bildmitte und entsprechende energiedispersive
Elementkarten der Elemente Ni, Al und O. Die Bruchinitiierungsstelle weist hohe Al- und
O-Gehalte auf. In der Umgebung der Bruchinitiierung erscheinen glatte, kristallographische
Bruchflächen mit Ermüdungsgleitbändern, die sich mit sprödgebrochenen Bereichen
abwechseln. Die erhöhten Sauerstoffgehalte der sprödgebrochenen Bereiche werden auf
eine Oxidation nach Versuchsende zurückgeführt. Schwarze Bereiche der Elementkarten
resultieren aus Verschattungseffekten aufgrund der Unebenheit der Bruchfläche. Die
100 µm
100 µm
Bruchinitiierung
O
Ni
100 µm
100 µm
Al
B
A
5 Ergebnisse und Diskussion 113
Neben dem Vorkommen als Bruchinitiierung lassen sich auf den Schmelzflächen der
wie gebaut Rohlinge ebenfalls agglomerierte Einschlüsse beobachten, die in EDX-
Elementkarten und -Punktmessungen einer exemplarischen Schmelzfläche in Abb.
5.59 bzw. in Tab. 5.2 wiederum erhöhte Al- und O-Gehalte aufweisen. Sowohl der
bruchinitiierende Einschluss (Punkt A), als auch die agglomerierten Einschlüsse auf
den Schmelzflächen (Punkt C) weisen ein Al-O-Gewichtsverhältnis von ca. 1:1 auf.
Dieses lässt, aufgrund der unterschiedlichen Molmassen von Al und O, auf die
Stöchiometrie Al2O3 schließen. Weiterhin ist gegenüber der nominellen
Zusammensetzung (vgl. Tab. 3.1) bzw. der chemischen Zusammensetzung in
Umgebung der Einschlüsse (Punkte B und D) ein erhöhter Ti-Anteil festzustellen.
Alle weiteren Legierungselemente sind stark reduziert. Den Hauptbestandteil stellt in
beiden Fällen demnach Al2O3 dar.
Baurichtung steht senkrecht zur Bildebene und ist anhand des Symbols im unteren linken
Bildrand der REM-Aufnahme angegeben.
Abb. 5.59: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer exemplarischen
Schmelzfläche eines 0°-Rohlings mit EDX-Elementkarten der Element Ni, Al und O. Es
lassen sich auf der Schmelzfläche inhomogen verteilte keramische Agglomerationen mit
hohen Al- und O-Anteilen beobachten.
Al O
50 µm 50 µm
Ni
50 µm50 µm
C
D
5 Ergebnisse und Diskussion 114
Der hohe Al2O3-Anteil und der Mangel an Cr2O3 in den Einschlüssen stehen im
Kontrast zu den üblicherweise beobachteten oxidischen Deckschichten in IN718.
Obgleich thermodynamisch nicht bevorzugt, bilden sich bei der Oxidation von IN718
aus kinetischen Gründen größtenteils NiO- und Cr2O3-Deckschichten und zu einem
kleinen Teil Al2O3-reiche Bereiche [Molins1993, Bürgel2011]. Unter zusätzlicher
Berücksichtigung der inhomogenen Verteilung der Einschlüsse auf der
Schmelzfläche in Abb. 5.59 sind diese nicht auf eine Oxidation der Schmelzfläche
nach dem Prozessende zurückzuführen, sondern stehen im Zusammenhang mit dem
Schmelzprozess.
Etwaige Oxide und Nitride in und auf den Pulverpartikeln können im Schmelzbad
aufgrund von hohen Schmelztemperaturen5 gelöst werden. Beim Erkalten des
Schmelzbades wird die Sauerstoff- und Stickstofflöslichkeit der Schmelze wiederum
unterschritten, so dass sich Al2O3 und TiN - das thermodynamisch stabilste Oxid
bzw. Nitrid - ausscheiden [Cockcroft1992]. Für den Sauerstoff- und Stickstoffgehalt
im verwendeten Legierungspulver von 50 Gew.-ppm und 70 Gew.-ppm kommt es
nach thermodynamischen Berechnungen bei einer Temperatur von ca. 1874 °C bzw.
1543 °C zur Ausscheidung von Al2O3 bzw. TiN in der Schmelze (vgl. Anhang D).
Bei nicht vollständiger Auflösung der Oxide im Schmelzprozess werden weiterhin die
thermodynamisch weniger stabilen Oxide NiO und Cr2O3 zu dem thermodynamisch
stabileren Oxid Al2O3 umgesetzt.
5 Im SEBM von TiAl6V4 finden sich nach Klassen et al. Schmelzbadtemperaturen von bis zu
ca. 3000 °C [Klassen2014b]. In IN718 stellt Cr2O3 mit einem Schmelzpunkt von 2435 °C das
höchstschmelzende Oxid dar [Bürgel2011]. Unter der Annahme identischer Schmelzbadtemperaturen
in TiAl6V4 und IN718 werden die Schmelzpunkte aller in IN718 relevanten Oxide erreicht.
Tab. 5.2: Chemische Zusammensetzung in Gew.-% aus EDX-Punktanalyse in den
Punkten A-D (vgl. Abb. 5.58 und 6.16).
Element /
O Al Ti Cr Ni Fe Nb Mo Messpunkt
A 25,3 28,6 3,7 9,2 21,6 8,4 2,1 1,3
B - 2,4 1 18,5 52,2 18,5 5 3,3
C 42,1 41,2 10 4,4 1,4 0,9 0,1 0
D 7,8 7,2 1,1 15,2 45,4 15,9 4,9 2,5
5 Ergebnisse und Diskussion 115
Aus dem EBCHR-Prozess (electron beam cold hearth refining) ist bekannt, dass in
der Schmelze vorliegende Oxide und Nitride durch Konvektionsströme und Auftrieb
an die Schmelzbadoberfläche gelangen können und dort aufgrund geringerer Dichte
und schlechter Benetzung zur Schmelze verbleiben [Mitchell1994b, Vassileva2005].
Diese physikalische Separierung findet im SEBM-Prozess - mehr durch Konvektion,
als durch Auftrieb - in jeder Schicht statt und führt so zu einer allmählichen
Anreicherung und Agglomeration von Al2O3 und TiN im Bauteil und auf der
Probenoberseite im Verlauf des Materialaufbaus (vgl. Abb. 5.59). In einer Trägergas-
Heißextraktion von Probenmaterial in Umgebung der Probenoberseite finden sich
folglich gegenüber der chemischen Zusammensetzung des Pulvers erhöhte
Sauerstoff- und Stickstoffgehalte. Ist im Pulver noch ein Sauerstoffgehalt von
50 Gew.-ppm zu beobachten, so findet sich im konsolidierten Material ein Gehalt von
123 Gew.-ppm. Für den Stickstoffgehalt ist gleichermaßen eine Erhöhung von
70 Gew.-ppm im Pulver und zu 138 Gew.-ppm im Bauteil festzustellen.
Die in der Schmelze gelösten Oxide und Nitride stehen nach dem Henry-Gesetz in
Wechselwirkung mit der Prozessatmosphäre. In Vakuumumschmelzprozessen, wie
dem VAR und dem EBCHR, wird im Zuge von Prozessatmosphären mit niedrigen
Sauerstoff- bzw. Stickstoffpartialdrücken ein Ausdampfen von in der Schmelze
gelöstem Sauerstoff und Stickstoff realisiert, so dass hochreine Legierungen erzeugt
werden können [Mitchell1999, Vassileva2005, Zhang2014]. Im SEBM-Prozess findet
Abb. 5.60: Verlauf des Kammerdrucks und des Rakelstroms in einem exemplarischen
SEBM-Prozess. Infolge des Pulverauftrags (Rakelstrom ≠ 0 A) auf das sich bereits auf
Bautemperatur befindliche Bauteil erhöht sich der Kammerdruck. Es ist von einer
Desorption von an der Pulveroberfläche adsorbierter Gase auszugehen.
5 Ergebnisse und Diskussion 116
der Materialaufbau bei einem konstanten Druck von 2x10-3 mbar unter kontrollierter
Zuleitung von Heliumgas mit einer Reinheit von 5,0 (𝑝𝑂2< 2 At.-ppm) statt. Für den
SEBM-Prozess lassen sich folglich ebenfalls niedrige Sauerstoffpartialdrücke von
4x10-9 mbar berechnen. Dieser Partialdruck ist jedoch nur theoretischer Natur, wie
sich in Abb. 5.60 anhand des Verlaufs des Kammerdrucks für 5 Prozesszyklen, samt
Pulverauftrag, Vorheiz-, Schmelzschritt und Tischabsenkung zeigt. Jeweils infolge
des Pulverauftrags (Rakelstrom ≠ 0) ist eine Erhöhung des Kammerdrucks zu
beobachten. Das Pulver wird auf das sich auf Bautemperatur (ca. 950 °C) befindliche
Bauteil appliziert, so dass es im Zuge der einsetzenden Temperaturerhöhung im neu
applizierten Pulver zur Desorption adsorbierter Gase (Sauerstoff, Stickstoff, Wasser)
kommt. Aufgrund der Desorption sind in der Prozesskammer erhöhte Sauerstoff- und
Stickstoffpartialdrücke in der Größenordnung von 10-4 mbar zu erwarten, wodurch
eine effektive Entgasung der Schmelze behindert wird.
Mit zunehmender Bauhöhe bzw. Anreicherung werden die an der
Schmelzbadoberfläche agglomerierten Oxidfilme im Schmelzprozess teilweise nicht
mehr aufgelöst und verbleiben folglich als ebene Defekte mit paralleler Orientierung
zur Schichtebene im Bauteil (vgl. Abb. 5.56 a). Der Einschluss der Oxidfilme
resultiert aus der Behinderung des Rückschmelzprozesses durch eine gegenüber
IN718 um eine Größenordnung reduzierte Wärmeleitfähigkeit der Al2O3-reichen
Oxidfilme (vgl. Anhang E). Die dargestellte Anreicherung und Agglomeration von
Einschlüssen führt zu dem im Vergleich zur Literatur allgemein erhöhten
Bruchinitiierungsanteil und im Speziellen zur starken Richtungsabhängigkeit dieser
Defektart in Abb. 5.55.
5.5.6 Bruchmechanische Betrachtung der HCF-Schwellfestigkeit
Auf Basis der Ermüdungsfestigkeit des defektfreien Materials 𝜎𝐷 und des
Schwellwerts des zyklischen Spannungsintensitätsfaktors ∆𝐾𝑡ℎ lässt sich in Abb. 5.61
das sogenannte Kitagawa-Takahashi-Diagramm zeichnen. Es ermöglicht eine
Vorhersage der ertragbaren zyklischen Spannungsamplitude 𝑅 für ein konstantes
Spannungsverhältnis und eine konstante Lastwechselspielzahl. Der Schwellwert
∆𝐾𝑡ℎ für DA-IN718 wird von Lawless et al. aus Rissfortschrittsmessungen bei einem
Spannungsverhältnis von 𝑅 = 0 zu MPa m1/2 bestimmt (vgl. Anhang F)
[Lawless2001]. Die Ermüdungsfestigkeit von DA-IN718 wird der Wöhlerauftragung in
Abb. 5.54 für eine Lastwechselspielzahl 𝑁 von 106 entnommen. Um
5 Ergebnisse und Diskussion 117
Schwingversuche mit einer Lastwechselspielzahl von ungleich 106 ebenfalls in das
Diagramm eintragen zu können, wird für jeden Belastungsfall (0°-, 45°- oder 90°-CG)
eine lineare Regression in der Wöhlerauftragung in Abb. 5.54 auf Basis der Basquin-
Gleichung durchgeführt und mit Hilfe der Steigung der jeweiligen Basquin-Gerade die
Schwingversuche auf 106 Lastwechsel projiziert. Die Defektgröße wird aus
rasterelektronenmikroskopischen Aufnahmen der Bruchinitiierung anhand einer
elliptischen Projektion entlang der Belastungsrichtung bestimmt und unter Annahme
eines kreisrunden Defektes als äquivalenter Defektradius in das Kitagawa-
Takahashi-Diagramm eingetragen. Der Randabstand eines Defektes zeigt einen
signifikanten Einfluss auf die Ermüdungsfestigkeit [Murakami2002, Danninger2003,
Lamm2007]. Daher werden ausschließlich Defekte mit einem Randabstand von
größer 200 µm in Abb. 5.61 berücksichtigt.
Das Kitagawa-Takahashi-Diagramm beschreibt im Schnittpunkt der 𝜎𝐷- und ∆𝐾𝑡ℎ-
Geraden eine kritische Defektgröße, ab welcher eine Verringerung der zum Bruch
führenden Spannungsamplitude zu beobachten ist. Der kritische Defektradius liegt
für DA-IN718 und 𝑁 = 106 bei ca. 46 µm und ist damit größer als eine Vielzahl der
beobachteten Defekte in Abb. 5.61. Die Defekte führen demnach zu keiner
Reduzierung der Spannungsamplitude entsprechend ∆𝐾𝑡ℎ. Dennoch kommt es für
die Belastungsfälle 0° und 90° auch unterhalb der Ermüdungsfestigkeit des
defektfreien DA-IN718 Materials zum Bruch. Die unterschiedlichen
Schwellfestigkeiten der Belastungsfälle sind damit nicht das Resultat von
Unterschieden in den bruchinitiierenden Defektgrößen, sondern sind wiederum auf
die Beziehung zwischen kristallographischer Textur und Belastungsrichtung
zurückzuführen. Die Schwellfestigkeit der drei Belastungsfälle ist entsprechend dem
Verhalten in der uniaxialen Festigkeit ebenfalls richtungsabhängig. Durch eine
günstige Orientierung von Gleitsystemen gegenüber der Normalspannung in
Umgebung eines Defektes ist hier von einer frühzeitigen Bruchinitiierung
auszugehen. Für die Belastungsfälle 0° und 90° ist in Abb. 5.61 jeweils eine
Ermüdungsfestigkeit unterhalb der von DA-IN718 eingezeichnet. Lediglich für den
45°-Belastungsfall lässt sich eine korrekte Vorhersage ausgehend von den
Kennwerten für DA-IN718 beobachten. Im Gegensatz zu den uniaxialen Festigkeiten
ist für 0°-CG eine geringere Schwellfestigkeit als für 90°-CG zu beobachten. Die
Ursache für die verminderte 0°-Schwellfestigkeit ist in der zur Schichtebene
parallelen Orientierung der Defektart Einschluss zu sehen (vgl. Kap. 5.5.5). In 0°-CG
5 Ergebnisse und Diskussion 118
weist diese Defektart damit die größte Spannungsüberhöhung aus. Weiterhin kann in
Umgebung des bruchauslösenden Defekts eine Vielzahl weiterer Defekte zur
Verfügung stehen, die zu einer Überlagerung der Spannungsüberhöhungen während
der Bruchinitiierung führen und die verringerte Ermüdungsfestigkeit erklären. In den
Belastungsfällen 45°- und 90°-CG liegen Einschlüsse mit einer reduzierten
projizierten Defektfläche vor, so dass es hier zu geringeren
Spannungsüberhöhungen bzw. -überlagerungen kommt.
Abb. 5.61: Modifiziertes Kitagawa-Takahashi-Diagramm für die Belastungsfälle 0°-, 45°-
und 90°-CG. Es lässt sich entsprechend der statischen Festigkeiten eine anisotrope
Schwellfestigkeit beobachten. Die 0°- und 90°-Schwellfestigkeit liegt unterhalb der
Schwellfestigkeit des Knetmaterials, obgleich die bruchinitiierenden Defekte kleiner als der
kritische Defektradius sind. Die Ermüdungsfestigkeit ist folglich von der Orientierung der
Gleitsysteme in Umgebung der Bruchinitiierung beeinflusst.
6 Zusammenfassung und Ausblick 119
6 Zusammenfassung und Ausblick
Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Nickelbasis Superlegierung IN718 für das
Selektive Elektronenstrahlschmelzen (SEBM) qualifiziert und hinsichtlich der
Wärmebehandelbarkeit, der Kornstruktur und der mechanischen Eigenschaften
charakterisiert.
Prozessfenster für eine dichte und rissfreie Verarbeitung wurden anhand von
würfelförmigen Probengeometrien erstellt. Unter Berücksichtigung der thermischen
Bedingungen wurde ein einfaches analytisches Modell auf Basis der thermischen
Diffusionslänge dargestellt, welches eine Übertragung des Prozessfensters auf
komplexe Bauteilgeometrien ermöglichen kann.
Es wurde eine Wärmebehandlung entwickelt, welche unter Erhaltung der
Kornstruktur die prozessbedingt bauhöhenabhängige δ-Phasenverteilung
homogenisiert und Mikroseigerungen vollständig auflöst. Für diese wärmebehandelte
Mikrostruktur konnten zum Knetmaterial vergleichbare statische und dynamische
Festigkeiten beobachtet werden. Das stängelkristalline Gefüge zeigte eine starke
Anisotropie, die auf die unterschiedliche Orientierung zwischen Gleitsystemen und
Belastungsrichtung für die untersuchten Belastungsfälle zurückgeführt wurde. Im
hochzyklischen Ermüdungsversuch wirkten meist Gasporen und Einschlüsse
bruchinitiierend. Gasporen sind auf die Verwendung von schutzgasverdüsten Pulver
zurückzuführen. Andere Verdüsungsverfahren, wie das PREP-Verfahren (plasma
rotating electrode process), liefern Pulverpartikel ohne Gaseinschlüsse und
verbessern nach Qi et al. die hochzyklischen Ermüdungseigenschaften in AM-
Bauteilen [Qi2009, Qi2012]. Die bruchinitiierende Wirkung von Einschlüssen wird auf
eine allmähliche Anreicherung und Agglomeration durch den schichtweisen
Schweißprozess zurückgeführt.
Im SEBM von IN718 lassen sich durch eine gezielte Anpassung der
Prozessparameter stark stängelkristalline und nahezu globulitische Kornstrukturen
einstellen. Das stängelkristalline Gefüge resultiert aus einer weitestgehend
gerichteten Erstarrung mit einer zur Baurichtung parallelen Wärmestromorientierung.
Wird die Erstarrung durch starke Richtungswechsel des Wärmestroms gestört,
lassen sich globulitische Gefüge beobachten. Maßgeblich ist eine Änderung der
Wärmestromrichtung innerhalb einer Schicht und von einer zur nächsten Schicht.
Auf Basis experimenteller und numerischer Experimente wird eine dendritische
6 Zusammenfassung und Ausblick 120
Fragmentierung im Zuge transienter Wärmestromrichtungen als ursächlich für die
Neukornbildung erachtet.
Der gezielte Wechsel von stängelkristallinem zu globulitischem Gefüge eröffnet nach
Etter et al. die Möglichkeit, maßgeschneiderte Bauteile aufzubauen, die durch eine
lokale Anpassung der Mikrostruktur optimierte Bauteileigenschaften aufweisen
[Etter2015]. In Abb. 6.1 ist ein solcher Wechsel von einem stängelkristallinen zu
einem globulitischen Gefüge und wieder zurück für das Selektive
Elektronenstrahlschmelzen von IN718 dargestellt. Auf diese Weise könnten
beispielsweise Turbinenschaufeln im Schaftbereich mit einer feinkörnigen,
globulitischen Mikrostruktur aufgebaut werden, welche die für diesen Bereich
wichtige dynamische Festigkeit erhöht. Das Schaufelblatt kann anschließend mit
einer stängelkristallinen Kornstruktur versehen werden, die bei entsprechender
Ausrichtung zu einer Verbesserung der Kriecheigenschaften führt.
Neben der primären Ausrichtung der Stängelkristalle entlang der Baurichtung weist
das stängelkristalline Gefüge eine sekundäre Anisotropie in Richtung der
Scanvektoren auf. Der Kornselektionsmechanismus basiert auf einem bevorzugten
Wachstum von Primärarmen, als auch Sekundärarmen bei einem geneigten
Wärmestrom. Unter Ausschluss von Neukörnern ist eine genaue primäre und
sekundäre Ausrichtung des stängelkristallinen Gefüges einstellbar. Die Auswahl von
Stängelkristallen, die sowohl parallel zur Baurichtung, als auch parallel bzw.
senkrecht zu den Scanvektoren ausgerichtet sind, führt zu einer Reduzierung von
Großwinkelkorngrenzen und sollte unter präziser Ausnutzung des Mechanismus die
Ausbildung von technischen Einkristallen ermöglichen.
Abb. 6.1: Rasterelektronenmikroskopische
Aufnahme mit einem mikrostrukturellen
Wechsel zwischen stängelkristallinem und
globulitischem Gefüge und wieder zurück im
Selektiven Elektronenstrahlschmelzen der
Nickelbasis Superlegierung IN718.
500 µm
Literaturverzeichnis 121
Literaturverzeichnis
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Anhang A. Prozessparameter im Vorheizschritt 135
Anhang A. Prozessparameter im Vorheizschritt
Die Prozessparameter im Vorheizschritt verbleiben für den Materialaufbau im
Selektiven Elektronenstrahlschmelzen der Nickelbasis Superlegierung IN718
hinsichtlich der verwendeten Linienenergie konstant und können der Tab. A.1
entnommen werden.
Tab. A.1: Prozessparameter im Vorheizschritt für quadratische Flächen mit Kantenlängen
von 80 bzw. 100 mm.
Parameter /
𝑣 [m/s] 𝐼 [mA] 𝑈 [kV] 𝐸𝐿 [J/mm] ℎ𝑠 [mm] Vorheizfläche
80 x 80 mm² 14 17,5 60 0,075 0,5
100 x 100 mm² 18 22,5 60 0,075 0,5
Anhang B. Definition der Strahlbreite 136
Anhang B. Definition der Strahlbreite
Die Strahlbreite lässt sich im SEBM-Prozess durch einen Fokusstrom, welcher
zusätzlich auf die Fokussierungsspulen angelegt wird, beeinflussen. Die Strahlbreite
wird anhand der Schmelzbadbreite von Einzelspurversuchen abgeschätzt. Es
werden jeweils 3 Einzelspuren bei Fokusströmen von 0-20 mA in eine Startplatte aus
korrosionsbeständigem Stahl (X5CrNi18-10) bei RT aufgeschmolzen. Die
Einzelspurversuche werden mit einer Ablenkgeschwindigkeit von 1,2 m/s bei einer
Strahlleistung von 420 W durchgeführt. Die Schmelzbadbreite wird anhand von
lichtmikroskopischen Aufnahmen bestimmt und ist in Abb. B1 in Abhängigkeit des
Fokusstroms dargestellt. Mit zunehmendem Fokusstrom erhöht sich die
Schmelzbadbreite. Die Schmelzbad- bzw. Strahlbreite lässt sich zwischen 300 µm
und 500 µm variieren.
Abb. B.1: Schmelzbadbreite in Abhängigkeit
vom angelegten Fokusstrom. Mit Zunahme
des angelegten Fokusstroms erhöht sich die
Schmelzbadbreite ausgehend von ca.
300 µm bei 0 mA bis ca. 500 µm bei 20 mA.
Anhang C. Energetische Betrachtung des Aufschmelzprozesses 137
Anhang C. Energetische Betrachtung des Aufschmelzprozesses
In Strahlschmelzprozessen wird Material, d.h. das Substrat, bereits aufgebaute
Schichten oder Pulverpartikel, durch einen Energiestrahl aufgeschmolzen. Die hierfür
aufzuwendende Energiemenge setzt sich aus dem bis 𝑇𝑆 aufzubringenden
Wärmeinhalt, der Schmelzenthalpie und Wärmeleitungs-, Wärmestrahlungs- und
Verdampfungsverlusten zusammen. Im Falle des SEBM-Prozesses wird weiterhin
ein Teil der Energie des Elektronenstrahls durch Rückstreuung nicht im Material
eingekoppelt [Ito1992, Tabata1999]. Bei einer Beschleunigungsspannung von 60 kV
bemisst sich dieser Teil für Ni zu ca. 19 % [Klassen2012]. Die in Abb. 5.3 b)
dargestellte minimale Volumenenergie 𝐸𝑉,𝑚𝑖𝑛 berechnet sich nach Gl. (C.1) und stellt
die Summe des Wärmeinhalts und der Schmelzenthalpie dar.
𝐸𝑉,𝑚𝑖𝑛 = 𝜌𝑐𝑝(𝑇𝑆𝑢𝑏𝑠𝑡𝑟𝑎𝑡 − 𝑇𝐿) + 𝜌∆𝐻 (C.1)
Für die Berechnung wird eine Substrattemperatur 𝑇𝑆𝑢𝑏𝑠𝑡𝑟𝑎𝑡 von 1173,15 K und die
Dichte 𝜌 und spezifische Wärmekapazität 𝑐𝑝 bei 1373 K herangezogen. Die
verwendeten physikalischen Größen finden sich in Tab. C.1.
Die minimale Volumenenergie 𝐸𝑉,𝑚𝑖𝑛 berechnet sich zu 3,83 J/mm³ (vgl. Abb. 5.3).
Für eine Aufschmelztiefe von 150 µm lässt sich eine minimale Flächenenergie 𝐸𝐴,𝑚𝑖𝑛
von 0,57 J/mm² berechnen (vgl. Abb. 5.6).
Tab. C.1: Physikalische Größen der Nickelbasis Superlegierung IN718 aus
[Pottlacher2002a], die in der Berechnung von 𝐸𝑉,𝑚𝑖𝑛 Verwendung finden.
Physikalische Größe Wert
Dichte 𝝆 bei 1373 K [kg/m³] 7800
Schmelzenthalpie ∆𝑯 [J/kg] 227000
Spezifische Wärmekapazität 𝒄𝒑 bei 1373 K [J/kgK] 603
Liquidustemperatur 𝑻𝑳 [K] 1610
Substrattemperatur 𝑻𝑺𝒖𝒃𝒔𝒕𝒓𝒂𝒕 [K] 1173,15
Anhang D. Thermodynamische Simulation 138
Anhang D. Thermodynamische Simulation
In Abb. D.1 ist ein quasibinäres Phasendiagramm für die nominelle
Zusammensetzung von IN718 in Tab. 3.1 in Abhängigkeit vom Sauerstoffgehalt
dargestellt. Das Phasendiagramm basiert auf thermodynamischen Rechnungen mit
ThermoCalc 3.1 [Ritter2015]. Es wird die Datenbank TTNi8 verwendet. Der
Schmelzpunkt von Al2O3 nimmt mit zunehmendem Sauerstoffgehalt zu.
Abb. D.1: Quasibinärer Schnitt für IN718 mit der chemischen Zusammensetzung aus Tab.
3.1 in Abhängigkeit vom Sauerstoffgehalt in Gew.-ppm. Der Schmelzpunkt von Al2O3
nimmt mit zunehmendem Sauerstoffgehalt bis 100 Gew.-ppm stark zu.
Anhang E. Wärmeleitfähigkeit von IN718 und Al2O3 139
Anhang E. Wärmeleitfähigkeit von IN718 und Al2O3
In Abb. E.1 ist die Wärmeleitfähigkeit von IN718 aus [Pottlacher2002a] und von
reinem Aluminiumoxid Al2O3 aus [Touloukian1966] dargestellt. Bei 𝑇𝑆 von IN718 ist
die Wärmeleitfähigkeit von Al2O3 gegenüber IN718 um den Faktor 6 reduziert.
Aufgrund der hohen Verunreinigungsgrade in den Oxidfilmen - der Al2O3-Anteil liegt
bei ca. 82 Gew.-% - ist von einer reduzierten Wärmeleitfähigkeit im Vergleich zu
reinem Al2O3 auszugehen.
Abb. E.1: Wärmeleitfähigkeit in Abhängigkeit von der Temperatur für IN718
[Pottlacher2002a] und Al2O3 [Touloukian1966].
Anhang F. Schwellwert des Spannungsintensitätsfaktors 140
Anhang F. Schwellwert des Spannungsintensitätsfaktors
Der Schwellwert des zyklischen Spannungsintensitätsfaktors 𝑘𝑡ℎ wird anhand von
Rissfortschrittsmessungen an DA-IN718 von Lawless et al. bestimmt [Lawless2001].
In Abb. F.1 ist 𝑘𝑡ℎ in Abhängigkeit von der Temperatur dargestellt.
Eine lineare Regression liefert 𝑘𝑡ℎ(𝑇) in Gl. F.1.
𝑘𝑡ℎ(𝑇) = 1,6144 + 0,0126 𝑇 (F.1)
Für eine Prüftemperatur der Wöhlerversuche von 450 °C lässt sich 𝑘𝑡ℎ zu ca.
7,2 MPa m1/2 abschätzen.
Abb. F.1: Schwellwert des zyklischen
Spannungsintensitätsfaktors 𝑘𝑡ℎ für DA-
IN718 in Abhängigkeit von der Temperatur
aus [Lawless2001]. Für eine Prüftemperatur
von 450 °C lässt sich ein 𝑘𝑡ℎ
von ca. 7,2 MPa m1/2 abschätzen.