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Universität Augsburg Philologisch-Historische Fakultät Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft Sommersemester 2013 Hauptseminar: Christoph Martin Wieland: „Geschichte des Agathon“ Dozent: Dr. Friedmann Harzer „Die Geschichte des Agathon“ – Ein Projekt im Sog der Rezensionen? Vorgelegt von: Ludwig Helmut Johann Lenzgeiger

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Universität Augsburg Philologisch-Historische Fakultät Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft Sommersemester 2013 Hauptseminar: Christoph Martin Wieland: „Geschichte des Agathon“ Dozent: Dr. Friedmann Harzer

„Die Geschichte des Agathon“ – Ein Projekt

im Sog der Rezensionen?

Vorgelegt von: Ludwig Helmut Johann Lenzgeiger

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Inhaltsverzeichnis

1. (K)ein moderner Wieland: Ein Streit im Elfenbeinturm 3

2. Forschungsüberblick 5

3. „Schlag ihn tot den Hund, es ist ein Rezensent!” 8

4. Die erste Fassung 11

4.1 Entstehung und Biographie 11

4.2 Rezensionen 13

4.2.1 Göttingische Gelehrte Anzeigen 14

4.2.2 Deutsche Bibliothek der schönen Wissenschaften 15

4.2.3 Allgemeine deutsche Bibliothek 17

4.2.4 Hamburgische Neue Zeitung 18

5. Die zweite Fassung 19

5.1 Entstehung und Biographie 19

5.2 Rezension 22

5.2.1 Erfurtische gelehrte Zeitung 23

5.2.2 Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur 23

5.2.3 Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1774 24

5.2.4 Zugabe zu den Göttingischen Gelehrten Anzeigen 25

5.2.5 Allgemeine deutsche Bibliothek 26

5.2.6 Versuch über den Roman 27

5.3 Rezeption der Rezension 27

6. Die dritte Fassung: Entstehung, Biographie, Einordnung 29

7. Die Rezension als Einflussfaktor auf die Gestaltung des Werkes? 32

8. Literaturverzeichnis 34

8.1 Primärliteratur 34

8.2 Sekundärliteratur 35

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1. (K)ein moderner Wieland: Ein Streit im Elfenbeinturm

Die Antwort der Biberacher Lokalhistorikerin Andrea Riotte auf die Frage der Redakteurin

des Schwäbischen Tagblatts, ob es heute noch einen guten Grund gäbe, sich mit Wieland

zu befassen, fällt deutlich aus: „Auf jeden Fall. Weil Wieland das kritische Denken schult.

[…] Wieland hat ja praktisch über alles geschrieben, und vieles ist absolut modern.“1

Die Frage der Redakteurin ist ebenso wenig neu, wie die Antwort von Riotte. Seit der

Philosoph und Philologe Friedrich Nietzsche 1879 in Menschliches, Allzumenschliches den

Biberacher aburteilte und über Christoph Martin Wieland sagte, „seine Gedanken geben

uns nichts mehr zu denken“2, beschäftigt die Frage nach der Modernität Wielands die

Literaturwissenschaften.

Mit der Bejahung der Modernitätsthese reiht sich Riotte in eine Reihe prominenter

Verfechter derselben ein. Beispielsweise Friedrich Sengle3, Klaus Manger4 oder Johannes

Mahr5.

Erklärter Gegner der Modernitätsthese ist Walter Erhart, der diese als Fehlrezeption

bezeichnet6 und Wieland eine explizit antimodernistische, sich gegen die scheinbare

Zwangsläufigkeit und die teleologische Programmatik des Zeitgeists wendende Einstellung

bereits zu Lebzeiten bescheinigt.7

Dieser Gelehrtendiskurs zeigt, dass Wielands Werk noch heute polarisiert. Was allerdings

heute als Diskussion im kleinen Kreise stattfindet – das öffentliche Interesse an Wieland ist

leider verschwindend gering8 –, spielte sich zu den Lebzeiten des Biberachers vor einer

breiten bürgerlichen Öffentlichkeit auf journalistischer Bühne in Form von Rezensionen 1 Buck, Gerlinde: Christoph Martin Wieland. Was sollen wir denn heute mit diesem Dichter?, in: Schwäbisches Tagblatt. Tagblatt.de (18. Januar 2013) - URL: http://www.tagblatt.de/Home/nachrichten/ nachrichten-newsticker_artikel,-Was-sollen-wir-denn-heute-mit-diesem-Dichter-_arid,200798.html, eingesehen am 26. September 2013. 2 Nietzsche, Friedrich: Menschliches, Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister, Bd. 2, 2. Auflage, Leipzig 1894 [1879], S. 252. Oft wird bei der Zitation dieses Urteils ein wesentlicher Moment vergessen. Nietzsche sagt nämlich auch: „Wieland hat besser, als irgend Jemand deutsch geschrieben […].“ (Ebd.) 3 Vgl. Sengle, Friedrich: Wieland, Stuttgart 1949, S. 9. 4 Vgl. Manger, Klaus: Wielands moderner Klassizismus, in: Erhart, Walter/ van Laak, Lothar (Hrsg.): Wissen – Erzählen – Tradition. Wielands Spätwerk (Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte; Bd. 64), Berlin/ New York 2010, S. 205-222, hier: S. 222. 5 Vgl. Mahr, Johannes: Christoph Martin Wieland. Die Geschichte des Agathon, in: Klein, Dorothea (Hrsg.): Lektüren für das 21. Jahrhundert. Schlüsseltexte der deutschen Literatur von 1200 bis 1990, Würzburg 2000, S. 134-155, hier: S. 153. Der Titel der Vorlesungsreihe in der diese Vorlesung stattfand spricht außerdem für sich selbst. 6 Vgl. Erhart, Walter: Wieland ist nie modern gewesen, in: Wissen – Erzählen – Tradition, S. 15-35, hier: S. 16. und: Vgl. Erhart, Walter: Noch immer nicht? Die Zeit Wielands, in: literaturkritik.de (Nr. 2, Februar 2013) – URL: http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=17603, eingesehen am 26. August 2013. 7 Vgl. Ebd., S. 19. 8 Wielands Werk gilt leider als „für heutige Leser unlesbar“: Heinz, Jutta: Vorwort, in: Ders. (Hrsg.): Wieland-Handbuch. Leben, Werk, Wirkung, Stuttgart [u.a.] 2008, S. VII-IX, hier: S. VII. Das geringe öffentliche Interesse an Wieland zeigt sich deutlich in der Begehung des 200. Todestages des Autors in diesem Jahr. Von großem medialem Interesse kann keine Rede sein.

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ab. Wieland war schließlich der meistgelesene Autor am Ende des 18. Jahrhunderts.9 Hier

möchte diese Studie ansetzen.

Sie hat zum Ziel, festzustellen, inwiefern und ob der Roman „Die Geschichte des

Agathon“ von Christoph Martin Wieland durch die zeitgenössischen Rezensionen in seiner

Genese und Wandlung – der Roman sollte Wieland über 30 Jahre seines Lebens begleiten

und schließlich in drei Fassungen vorliegen, weshalb Erhart im Zuge seiner

bahnbrechenden Dissertation auch vom „Agathon“-Projekt sprach10 – beeinflusst wurde.

Fürderhin soll diese Untersuchung zugleich einen Einblick in die Literaturkritik des 18.

Jahrhunderts bieten, die Astrid Urban in Anlehnung an Ernst Robert Curtius als Blütezeit

derselben bezeichnete11, und außerdem dazu beitragen, eine oft vernachlässigte

Komponente der Literaturkritik – die Rückwirkung auf den Autor – wieder in den Fokus

zu rücken12.

Vorgegangen werden soll wie folgt: Nachdem ein Überblick zum Forschungsstand zur

Rezeptions- und Rezensionsgeschichte von Wielands Werk gegeben wurde, wird unter

Punkt drei die zeitgenössische Rezensionskultur skizziert, wodurch eine realistische

Einordnung der potentiellen Rückwirkung der Kritik überhaupt erst möglich wird, indem

die Perspektivität historischer Deutungsmuster anerkannt wird und indem das diskursive

Feld „Rezensionskultur des 18. Jahrhunderts“ als Ordnungssystem abgesteckt wird.13

Im hierauf folgenden Hauptteil werden alle drei Agathonfassungen nach derselben

Systematik behandelt. Zunächst wird die Entstehung der jeweiligen Fassung dargestellt.

Hierbei wird vor allem Wert auf Wielands biographischen Hintergrund gelegt. Dies

erscheint sinnvoll, um überhaupt abschätzen zu können, ob Änderungen im Agathon auf

Rezensionen, auf persönliche Ereignisse oder auf den Zeitgeist, welcher unter Punkt drei

als Megatrend14 des Strukturwandels der Öffentlichkeit identifiziert wird, zurückführbar

9 Vgl. Nowitzki, Hans-Peter: Rezeptions- und Forschungsgeschichte, in: Wieland-Handbuch, S. 36-52, hier: S. 39. 10 Vgl. Erhart, Walter: Entzweiung und Selbstaufklärung. Christoph Martin Wielands „Agathon“-Projekt, Tübingen 1991, besonders: S. 410f. 11 Vgl. Urban, Astrid: Kunst der Kritik. Die Gattungsgeschichte der Rezension von der Spätaufklärung bis zur Romantik (Jenaer germanistische Forschungen: Neue Folge; Bd. 18), Heidelberg 2004, S. 7. 12 Im einschlägigen Lexikonartikel erwähnt Rainer Moritz dieses Phänomen mit keinem Wort: Vgl. Moritz, Rainer: Literaturkritik, in: Brunner, Horst (Hrsg.): Literaturwissenschaftliches Lexikon. Grundbegriffe der Germanistik, Berlin 2006, S. 197f. 13 Zum Diskurs als Ordnungssystem ideengeschichtlicher Entwicklungen: Vgl. Foucault, Michel: Archäologie des Wissens, Frankfurt am Main 1973, besonders: S. 201-223. Einen knappen Überblick über die Diskursanalyse bietet Sarasin: Vgl. Sarasin, Philipp: Diskursanalyse, in: Goertz, Hans J. (Hrsg.): Geschichte. Ein Grundkurs, 3. Auflage, Reinbeck 2007, S. 199-217. Anzumerken ist noch, dass dieser Arbeit keine schlechthin diskursgeschichtliche Betrachtungsweise zugrunde liegt. Das Konzept wird hier lediglich zur Fassbarmachung des ideengeschichtlichen Kontextes genutzt. 14 Der Begriff der – ursprünglich in die Zukunft weisenden – „Megatrends“ stammt von Naisbitt: Vgl. Naisbitt, John: Megatrends. Ten new directions transforming our lives, New York 1982, S. 1-9. Hermann Rumschöttel machte dieses Konzept für die Vergangenheit nutzbar. Rückschauend bezeichnen sie „große

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sind oder, ob gar alle drei Momente sich wechselseitig katalysierten. Bei jeder Fassung –

mit Ausnahme der dritten15 – werden außerdem die Rezensionen, deren Auswirkungen ja

der zentrale Gegenstand der Untersuchung sind, gesondert untersucht und besprochen.

Betrachtet werden kann hier nur die aktive Rezension im Zuge des „bewertende[n],

theoriebildende[n] Empfangen[s] durch die Kritik“16 im Sinne des von Lieselotte Kurth-

Voigt verwendeten Paradigmas.17

Die Änderungen zur zweiten und dritten Fassung werden jeweils auf die Unterschiede hin

betrachtet, die in der Hinzufügung von Kapiteln und neuen Textteilen bestehen, welche

sich auf die Romanhandlung auswirken, um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen.18

Verwendet wird hierfür die Agathon-Ausgabe von Klaus Manger, der an den Grundstock

der ersten Fassung alle weiteren Ergänzungen hinzufügte und minutiös kommentierte.19

Das Ende schließlich bildet die Beantwortung der Frage, ob Wieland und mit ihm sein

Agathon-Projekt durch die zeitgenössische Literaturkritik beeinflusst worden ist.

2. Forschungsüberblick

Obwohl, wie bereits erwähnt, ursprünglich ungemein populär, verschwanden Wielands

Werke nach seinem Tod 1813 zunehmend aus dem Kanon der großen Literatur. Der

Weltbürger und Humanist Wieland eignete sich nicht als Autor für die aufkommende

Nationalliteratur- und Nationalgeschichtsschreibung und so wurde es still um ihn.20

Zu einem gewissen Erweckungsmoment führte erst Friedrich Sengles 1949 erschienene

gesellschaftliche, ökonomische, politische, mentale und technische Bewegungen, die sich langsam entfalten und fundamentalen, epochengestaltenden Charakter haben“. (Rümschöttel, Hermann: Ansbach. Montgelas und die Grundlegung des modernen Bayern, in: Schmid, Alois/ Weigand, Katharina (Hrsg.): Schauplätze der Geschichte in Bayern, München 2003, S. 276-290, hier: S. 289.) 15 Logischerweise ist die Betrachtung von Rezensionen, die nach der Beendigung des Werkes veröffentlicht wurden, nicht sinnvoll, wenn man Auswirkungen auf die Entstehung der Fassungen beobachten möchte. 16 Vgl. Kurth-Voigt, Lieselotte E.: Wielands Leser: Persönliche Perspektiven der Rezeption. Aus Herders Korrespondenz, in: MLN, Jg. 99 (Nr. 3, April 1984), S. 554-570, hier: S. 554. 17 Vgl. Ebd. 18 Wieland hat die Fassungen jeweils auch stilistisch und hinsichtlich der Anordnung der Kapitel überarbeitet. Einen Überblick über die jeweiligen Änderungen bietet Miller: Vgl. Miller, Edmund E.: Zur Textgeschichte von Wielands Agathon, S.l. 1933. Die Publikation ist bis heute wertvoll, da er die Problematik der Doppeldrucke beachtete. (Vgl. Ebd., S. 5f.) Auf diese Problematik hingewiesen wurde er wohl von seinem Hochschullehrer Kurrelmeyer, der sie erstmals erkannte.. (Vgl. Kurrelmeyer, William: Die Doppeldrucke in ihrer Bedeutung für die Textgeschichte von Wielands Werken (Abhandlungen der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Classe; Bd, 7), Berlin 1913.) 19 Vgl. Wieland, Christoph M.: Geschichte des Agathon, hrsg. von Klaus Manger, Berlin 2010. Im Folgenden wird dieses Werk schlicht als Agathon (A) bezeichnet. Die ursprüngliche Fassung, worin sich der jeweils besprochene Abschnitt befindet, wird mit I, II oder III bezeichnet. Genaueres zur Edition: Manger, Klaus: Zur Textgestalt und Kommentarlage, in: A, S. 957-966. 20 Vgl. Nowitzki, Rezeptions- und Forschungsgeschichte, S. 41f.

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Biographie.21 Wie er richtig feststellte „macht[e] die bisherige Wieland-Forschung den

Eindruck eines Trümmerfeldes“22.

Dieser Wendepunkt war der Ausgang eines zunehmend regen – auch internationalen –

Forschungsinteresses. So bildeten vor allem die 1980er Jahre eine fruchtbare

Schaffensphase. Anlässlich des 250. Geburtstages des am 5. September 1733 in einen

protestantischen Pfarrhaushalt geborenen Schriftstellers23 fand das erste Internationale

Symposium zur Wielandforschung in Biberach statt24. Außerdem erschien ein Band, der

die nordamerikanischen Forschungsbeiträge der vergangenen Jahre zusammenfasste25.

Eine der dringendsten Forderungen der Wielandforschung, „dass man die Persönlichkeit

Wielands neu darstellen muß, dass man ihr nicht mit den Bildern vom Rokokomann,

Aufklärer, Philosophen oder Mann im Schneckenhaus gerecht wird“26 erfüllte Thomas C.

Starnes am ehesten. Dies gelang ihm mit seiner innovativen und durch ihren

unkonventionellen Charakter überzeugenden Wieland-Biographie, die den Autor im

Spiegel zeitgenössischer Quellen darstellt.27

Dank einer steten Verbesserung der Zugänglichkeit und Edition von Wielands Briefen

sowie Werken intensivierte und systematisierte sich die Forschung weiterhin und so sind

die Wieland-Studien, die derweil in sieben Bänden – der achte ist bereits im Druck –

vorliegen, exemplarisch für das ungebrochene Interesse der Literaturwissenschaftler.28

Was die Rezeptions- und Rezensionsgeschichte des Autors respektive des Romans betrifft,

so findet sich der erste Ansatz in einer Arbeit von Erich Groß in einer

Entstehungsgeschichte der „Geschichte des Agathon“ von 1930.

Groß geht knapp auf die „Aufnahme des Romans bei den Zeitgenossen“ ein, wobei ihm

dennoch eine gute Überblicksdarstellung gelingt.29 Georg Raederscheidts Dissertation aus

21 Vgl. Ebd., S. 46. 22 Sengle, Friedrich: Wieland, Stuttgart 1949, S. 9. Die Senglesche Biographie überzeugt bis heute durch ihre akkurate Recherche und das umfassende Bild, das sie von Wieland vermittelt. Leider legt sie, was die Beurteilung seines Werkes angeht, einige Schwächen an den Tag. 23 Vgl. Sengle, Wieland, S. 13; 16. 24 Vgl. Martini, Fritz: Zum Christoph Martin Wieland-Symposion, 1. bis 3. September 1983 in Biberach an der Riss, in: MLN, Jg. 99 (Nr. 3, April 1984), S. 421-424. In dieser Ausgabe finden sich zahlreiche Arbeiten des Wieland-Symposions. 25 Vgl. Schelle, Hansjörg (Hrsg.): Christoph Martin Wieland. Nordamerikanische Forschungsbeiträge zur 250. Wiederkehr seines Geburtstages 1983, Tübingen 1984. 26 Seiffert, Hans Werner: Zu einigen Fragen der Wieland-Rezeption und Wieland-Forschung, in MLN, Jg. 99 (Nr. 3, April 1984), S. 425-436, hier: S. 434. 27 Vgl. Starnes, Thomas C.: Christoph Martin Wieland, Bd. 1-3, Sigmaringen 1987. 28 Die Inhaltsangaben der verschiedenen Exemplare lassen sich hier einsehen: Arbeitsstelle Wieland-Edition. Friedrich-Schiller-Universität Jena – URL: http://www.wieland-edition.uni-jena.de/Wieland_ Studien.html, eingesehen am 26. September 2013. Diese Forschungsstelle betreut auch die Neuauflage Wielands sämtlicher Werke in der Oßmannstedter Ausgabe. 29 Vgl. Groß, Erich: C. M. Wielands „Geschichte des Agathon“. Entstehungsgeschichte (Germanische Studien; Bd. 85), Berlin 1930, hier: S. 159-179. Oft wird auch Wielands erster Biograph Gruber als erster Rezensionsforscher genannt, allerdings sind seine Bemerkungen rein biographische Notizen: Vgl. Gruber,

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demselben Jahr ermangelt leider einer globalen Einordnung der Rezeption und spekuliert

nur knapp über die Auswirkung auf einige Schriftsteller,30

Starnes hat in seiner Dissertation aus dem Jahre 1964 hinsichtlich der zeitgenössischen

Beurteilung der dritten Agathon Fassung Pionierarbeit geleistet und die Beurteilung

Wielands für die Jahre 1795-1805 aus Sicht des Lesepublikums und der Kritiker

dargestellt.31

1980 schließlich startete Harry Ruppel den Versuch, eine umfassende

Rezeptionsgeschichte Wielands vorzulegen und wenngleich diese Studie dem Anspruch

nicht völlig gerecht werden konnte – er wertet lediglich Literaturgeschichten aus und er

ordnet Wieland weder in einen nationalen oder internationalen Wirkungskontext ein – war

sein Werk doch ein Schritt in die richtige Richtung.32

Hans-Jürgen Gayckens zwei Jahre später veröffentlichte Arbeit vermochte den

Erkenntnissen Ruppels leider nichts Neues hinzuzufügen, da sie hinsichtlich der

zeitgenössischen Rezeption lediglich die Allgemeine Deutsche Bibliothek heranzieht und

sich für das 19. Jahrhundert nur auf eine Literaturgeschichte bezieht.33

Die journalistische, zeitgenössische Rezeption hat Lieselotte Kurth-Voigt in einem Aufsatz

1991 aufgearbeitet, in dem sie zwar einen guten Überblick vermittelt, allerdings leider der

Darstellung von Groß nur wenig Neues hinzufügen kann.34

Von überraschend großem Wert ist ein 1994 erschienenes Studienbuch, das vor allem

durch die Einführung einer Rezeptionstypologie überzeugt.35 Hier gelingt es den

Verfassern mehrere zeitgenössische, aber fortwirkende, Kritikpunkte an Wielands Schaffen

auszumachen, die für die Geringschätzung seiner Arbeit verantwortlich gemacht werden

können und teilweise bis weit in das 20. Jahrhundert nachwirkten. Diese sind der Vorwurf

der Nachahmung36, also der mangelnden Originalität, der Vorwurf der Verbreitung

Johann G.: C. M. Wielands Leben, 3 Bde., Hamburg 1984 [1827], Bd. 1: S. 416-434; S. 463-522; Bd. 2: S. 93-118; Bd. 3: S. 251-269. Von einer wissenschaftlichen Beschäftigung kann meiner Ansicht nach nicht die Rede sein. Der erste Band seiner Wielandbiographie erschien bereits 1815. 30 Vgl. Raederscheidt, Georg: Entstehungsgeschichte, Analyse und Nachwirkungen von Wielands „Agathon“, Köln 1930, S.54-59. 31 Starnes, Thomas C.: Christoph Martin Wieland and German Literary Life. 1795-1805, Diss., Illinois 1964. 32 Vgl. Ruppel, Harry: Wieland in der Kritik. Die Rezeptionsgeschichte eines klassischen Autors in Deutschland, Diss., Frankfurt am Main 1980, hier: S. 11f. Die Darstellung literarischer Fehden um Wieland hat meiner Ansicht nach Jaumann zu seiner Typologie inspiriert. 33 Vgl. Gaycken, Hans-Jürgen: Christoph Martin Wieland. Kritik seiner Werke in Aufklärung, Romantik und Moderne, Bern 1982. 34 Vgl. Kurth-Voigt, Lieselotte: Wielands „Geschichte des Agathon“: Zur journalistischen Rezeption des Romans, in: Radspieler, Hans/ Wieland-Archiv Biberach (Hrsg.): Wieland-Studien, Bd. 1, Sigmaringen 1991, S. 9-42. 35 Vgl. Jørgensen, Sven-Aage/ Jaumann, Herbert/ Mc. Carthy, John/ Thomé, Horst: Wieland. Epoche-Werk-Wirkung, München 1994, S. 185-207. 36 Vgl. Ebd., S. 191-194.

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schlechter Sitten zusammen mit einer unmoralischen Einstellung37 sowie der Vorwurf der

Romantiker ein „negativer Classiker“38, also unernst, unheroisch und undeutsch, zu sein.

Abschließend kommt diese Arbeit richtigerweise zur Feststellung, dass eine umfassende

Rezeptionsgeschichte noch geschrieben werden müsse.39

In diese Bresche springt allerdings Sascha Ferber, der zumindest für die Jahre 1839 bis

1911 eine sowohl analytisch reliable als auch ausführliche Rezeptionsgeschichte verfasst,

indem er zirka 100 Literaturgeschichten gesichtet hat und 70 davon gründlich bearbeitete.40

Ebenfalls überzeugt die Darstellung durch die minutiös heraus-gearbeiteten, verschiedenen

Typologien hinsichtlich einer Auswahl von Wielands Werken und weiteren

Themenbereichen, etwa Wielands Verhältnis zur Deutschen Sprache.

Im Allgemeinen lässt sich sagen: Wenn Ferber schreibt, dass sich seine Arbeit

„gegebenenfalls durchaus als Teil einer noch zu schreibenden umfassenden

Rezeptionsgeschichte“41 versteht, dies keine demonstrative Zurschaustellung von

Bescheidenheit ist, sondern eine ehrliche Anregung, die – zweifelsohne noch klaffenden –

Lücken der Rezeptions- und Rezensionsforschung zu schließen.

3. „Schlag ihn tot den Hund, es ist ein Rezensent!”

„Schlag ihn tot den Hund, es ist ein Rezensent!“42, heißt es bei Wielands Zeitgenossen

Goethe. Dieser reagiert hiermit geradezu unschicklich auf die Kritik seines jüngst

erschienen Goetz von Berlichingen im Musen-Almanach 1775.

Die Gegenreaktion lässt ihrerseits nicht lange auf sich warten und Heinrich Leopold

Wagner schrieb im Almanach der deutschen Musen 1775: „Schmeißt ihn todt den Hund!

Es ist ein Autor, der nicht kritisirt will seyn.“43

Dieser Disput macht im Kleinen deutlich, wie lebhaft und reaktiv sich der literaturkritische

Diskurs des 18. Jahrhunderts verhielt. Ein reger Austausch zwischen Autoren, Rezensenten

und Publikum beginnt sich in dieser Zeit zu formen, dessen Fundament die „schon mit

Einrichtungen des Publikums und Plattformen der Diskussion ausgestattete literarische

37 Vgl. Ebd., S. 194-196. 38 Vgl. Ebd., S. 196-201. 39 Vgl. Ebd., S. 205. 40 Vgl. Ferber, Sascha: Die Geschichte der Vorurteile: Wieland-Rezeption im 19. Jahrhundert. Wieland in der Literaturgeschichtsschreibung von 1839-1911 (Beiträge zur Text-, Überlieferungs- und Bildungsgeschichte; Bd. 3), Frankfurt am Main 2013. 41 Ebd., S. 12. 42 Goethe, Johann Wolfgang: Rezensent, in: Ders.: Gedichte. 1756-1799, hrsg. von Karl Eibl, Frankfurt am Main 1987 (= Johann Wolfgang Goethe, Sämtliche Werke. Briefe, Tagebücher und Gespräche, 40 Bde., hrsg. von Hendrik Birus [u.a.], Bd. 1/1), S. 183. 43 Wagner, Heinrich L.: Der Sudelkoch, als Pedant zum unverschämten Gast, in: Almanach der deutschen Musen, Leipzig 1775, S. 229f, hier: S. 230.

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Öffentlichkeit“44 darstellt. Kennzeichnend für diese ist, wie Habermas in seiner

epochemachenden Untersuchung feststellen konnte, dass ihr Diskurs sich unter

Abwendung von sozialen Rangordnungen – paradoxerweise garantiert durch ein

systemsimmanentes Regelsystem – dem Ziel der richtigen, wahren und gleichzeitig

angemessenen Begründung verschrieben hat.45 Konstituierende Kategorien sind die aus der

Sphäre der bürgerlichen Kleinfamilie stammenden Werte Liebe, Freiheit und Bildung.46

Ein Blick auf die im 18. Jahrhundert einsetzenden Entwicklungen, welche die Entstehung

der literarischen Öffentlichkeit erst ermöglichten, verdeutlicht diesen Terminus.

Der Beruf des „freien“ Schriftstellers, unabhängig von Mäzenatentum oder Patronage,

entstand, der sich durch eine relative geistige Eigenständigkeit auszeichnete.47

Des Weiteren entwickelte sich das Verlagswesen dahingehend, dass es sich in einem

zunehmend wachsenden Buchmarkt nicht mehr auf Subskriptionen beschränken konnte,

sondern aktiv um Leser zu werben hatte. Das Buch wird zur Ware, deren Wert durch den

Preis bestimmt wird.48 Ebenso in den Komplex der Markterweiterung einzuordnen ist die

Veränderung des Leseverhaltens, das sich von einer ursprünglich repetitiven – oft

spirituellen – Wiederholungslektüre hin zu einem vielseitigen Lesen zunehmend aktuellen

und informationsvermittelnden Stoffes wandelte.49

Die Attraktivität des Marktes entstand durch ein bisher ungekanntes Potential an Lesern.

Die literarische Öffentlichkeit war im Gegensatz zur repräsentativen Öffentlichkeit nur

bedingt Zugangsbeschränkungen unterworfen. Lediglich die Alphabetisierung stellte eine

Beschränkung dar und so konnten bisher unerschlossene Personenkreise aller

gesellschaftlichen Schichten zumindest theoretisch teilhaben.50 Dieser Trend der

Erschließung breiter Bevölkerungsschichten für die Literatur wurde vor allem durch die

44 Habermas, Jürgen: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, 4. Aufl., Neuwied/ Berlin 1969 [1962], S. 63. Freilich muss erwähnt werden, dass Habermas’ „bürgerliche Öffentlichkeit“ (!) als normative Leitidee einer demokratietheoretischen Argumentation fungierte. Trotzdem skizzierte er die „literarische Öffentlichkeit“ als Erster mit einer Weitsicht, die bis heute anerkannte Kategorien hervorbrachte. Zur Kritik: Schiewe, Jürgen: Öffentlichkeit. Entstehung und Wandel in Deutschland (UTB; Bd. 2440), Paderborn/ München [u.a.] 2004, S. 257-265. 45 Vgl. Ebd., S. 66. 46 Vgl. Ebd., S. 67. Aus Gründen des Umfanges der Arbeit und den oben angeführten Kritikpunkten wird hier nicht weiter auf die Verschränkung der literarischen und bürgerlichen Öffentlichkeit eingegangen. 47 Vgl. Guthke, Karl S.: Literarisches Leben im achtzehnten Jahrhundert in Deutschland und in der Schweiz, Bern/ München 1975, S. 11. 48 Vgl. Ebd. 49 Vgl. D’Aprile, Iwan-Michelangelo/ Siebers, Winfried: Das 18. Jahrhundert. Zeitalter der Aufklärung, Berlin 2008, S. 29. 50 Vgl. Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 67. Quantitative Einschätzungen sind natürlich stets mit Vorsicht zu genießen, aber aufgrund der Vorstellbarkeit seien hier einige Zahlen genannt: 1776, 4600 Autoren; 1795, 8000 Autoren; Leserschaft in Deutschland ca. 250000 Personen, was 1% der Gesamtbevölkerung entspricht. (Vgl. D’Aprile/ Siebers: Das 18. Jahr-hundert, S. 27.) Zentral ist aber vor allem der Anstieg von weit unter 0,1 %.

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Periodika des 18. Jahrhunderts befeuert, die das zeitgenössische Wissen leserfreundlich

erschlossen und Literatur popularisierten.51

Größtenteils in diesen Periodika – vereinzelt auch in Monographien im Zuge der

Intertextualität – spielte sich der für diese Arbeit zentralste Entwicklungsfaktor ab: Die

Entstehung des kritischen Literaturdiskurses im 18. Jahrhundert, der zu einer ungekannten

Vermehrung und Kanonisierung von Literaturkritiken führte.52 Als Leitkategorien dieser

Literaturbewertung finden sich die bereits oben erwähnten bürgerlichen Ideale, übersetzt in

die Kategorien Unparteilichkeit, Freimütigkeit und ein pädagogischer Anspruch.53

Die zahlreichen verschiedenen Rezensionsorgane des 18. Jahrhunderts – ob Journale,

Zeitungen oder sonst wie geartete Periodika – können als die Plattformen angesehen

werden, wo Neuerscheinungen oder sogar ältere Werke des Buchmarktes von bewusst

anonym gehaltenen Autoren rezensiert wurden und wo wiederum Gegendarstellungen oder

gar Rezensionen einer Rezension publiziert wurden. 54

Die Ansprüche der darin veröffentlichten Rezensionen waren einerseits die ästhetische

Literaturkritik auf der Basis vernunftgemäßer Bewertungsmaßstäbe, andererseits eine

didaktische Instrumentalisierung der Kritik zur Verbesserung der Allgemeinbildung sowie

die Platzierung einer literaturtheoretischen Diskussion in der Öffentlichkeit.55

Christoph Martin Wieland selbst erweiterte im Jahr 1772 durch die Herausgabe des

Teutschen Merkur (1773-1789) respektive des Der neue Teutsche Merkur (ab 1790-1810),

welcher mit einer Auflage von 2500 Exemplaren eine der meistgelesenen Zeitschriften

seiner Zeit war, die Landschaft der Rezensionsorgane.56 Im Merkur verweist Wieland

bereits in der Vorrede auf die Wichtigkeit, die die Rezensionen einnehmen werden57 und

51 Vgl. Böning, Holger: Aufklärung und Presse im 18. Jahrhundert, in: Jäger, Hans-Wolf (Hrsg.): „Öffentlichkeit“ im 18. Jahrhundert (Das achtzehnte Jahrhundert. Supplementa; Bd. 4), Göttingen 1997, S.151-165, hier: S. 152. 52 Vgl. Martus, Steffen: Zeit und Wissen: Christoph Martin Wieland im Kontext der kritischen Kommunikation des 18. Jahrhunderts, in: Wissen-Erzählen-Tradition, S. 53-68, hier: S. 54;56. 53 Vgl. Ebd., S. 58. Herbert Jaumann hat sicherlich Recht, wenn er darauf hinweist, dass das Genre nicht erst um 1700 entstand, allerdings kann ich seine kulturpessimistische Sicht auf die Einführung des Genres „Rezension“ nicht teilen. Es mag die Vielfalt der Bewertungsarten verloren gegangen sein, man sollte allerdings nicht vergessen, dass die damit einsetzende Kanonisierung eine Popularisierung, eine Vermehrung der Bewertungen und eine wertvolle, regelmäßige Begleitung des Buchmarkes mit sich zog. (Vgl. Jaumann, Herbert: Critica. Untersuchungen zur Geschichte der Literaturkritik zwischen Quintilian und Thomasius, Leiden/ New York/ Köln 1995, S.298. 54 Das Standardwerk zu den Rezensionszeitschriften des 18. Jahrhunderts stammt von Thomas Habel: Vgl. Habel, Thomas: Gelehrte Journale und Zeitungen der Aufklärung. Zur Entstehung, Entwicklung und Erschließung deutschsprachiger Rezensionszeitschriften des 18. Jahrhunderts (Presse und Geschichte – Neue Beiträge; Bd. 17), Bremen 2007. Zur Anonymität (Vgl. Ebd., 126-125). Zur Verbreitung dieser Gattung (Vgl., S. 110-113). Martus beschreibt diese Rezensionswut: „Die kritische Kommunikation tendiert zur Selbstpotenzierung […]“ (Martus: Zeit und Wissen, S. 56.) 55 Vgl. D’Aprile / Siebers: Das 18. Jahr-hundert, S. 200. 56 Vgl. Heinz, Andrea: „Der Teutsche Merkur“ und „Der neue Teutsche Merkur“, in: Wieland-Handbuch, S. 374-390, hier: S. 374. 57 Vgl. Wieland, Christoph M.: Vorrede, in: Der Teutsche Merkur, Bd. 1/1 (1773), S.III-XXII, hier: VIII.

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reiht sich auch durch die Bestätigung der oben erläuterten Grundsätze in das Muster des

typischen Rezensenten ein.58 Was die Ausübung von Kritik angeht, war Wieland also

durchaus – um den Begriff nochmals zu bemühen – aktiver Gestalter und Teilhaber am

Megatrend des Strukturwandels der Öffentlichkeit.

4. Die erste Fassung

Im ersten Punkt wird die Entstehung und Veröffentlichung der ersten Romanfassung im

Spiegel der Wielandschen Biographie besprochen, woraufhin unter Punkt zwei die

einzelnen Rezensionen in chronologischer Reihenfolge dargestellt und analysiert werden.

4.1 Entstehung und Biographie

28 Jahre alt, Senator und Kanzleiverwalter in Biberach, der Stadt, in die er im Alter von

etwa drei Jahren mit seiner Familie aus dem nahegelegenen Oberholzheim übersiedelte59,

schreibt Wieland an seinen Freund Johann Georg Zimmermann im Januar 1762: „[M]eine

Arbeiten gehen nicht von statten, und gemeinigl. muß ich den folgenden Tag wieder

ausstreichen was ich den vorigen Abend geschrieben hatte.“60 Im selben Atemzug teilt er

jedoch mit, dass er vor wenigen Monaten einen Roman namens „Geschichte des Agathon“

begonnen hat, von dem er sagt: „Ich schildere darin mich selbst, wie ich in den Umständen

des Agathon gewesen zu seyn mir einbilde, und mache ihn am Ende so glücklich als ich zu

seyn wünschte.“61

Wieland hat nicht sein ganzes Leben nur in seiner Heimatstadt verbracht, in der er so

bedrückende Enge verspürte, wie hier deutlich wurde und wo er – aufgrund der

ungeliebten Verwaltungsstelle – so wenig Zeit hatte, seinem künstlerischen Schaffen

nachzukommen.62

Kaum vierzehnjährig, wurde der junge Wieland auf die pietistische Internatsschule nach

Klosterberg bei Magdeburg geschickt. Dort konnte er die Lateinkenntnisse, die ihm durch

seinen Vater und die Biberacher Lateinschule bereits mit auf den Weg gegeben wurden,

ausbauen und um das Griechische und das Hebräische erweitern.63 Auch lernte er dort die

Klassiker der Antike kennen, die ihn ein Leben lang beschäftigen sollten.

58 Vgl. Ebd., S. XI-XX. Eine kurze aber dennoch übersichtliche Darstellung von Wielands publizistischer Tätigkeit findet sich bei Jørgensen/ Jaumann/ Mc. Carthy/ Thomé: Epoche-Werk-Wirkung, S. 159-184. 59 Vgl. Starnes: Wieland, Bd. 1, S. 1. 60 Wieland an Zimmermann; 5. Januar 1762 (Wieland, Christoph M: Briefwechsel, hrsg. von Renate Petermann (= Christoph Martin Wieland, Wielands Briefwechsel, 20 Bde., hrsg. von Hans Werner Seiffert [u.a.], Bd. 3), S. 61. Im Folgenden werden die gesammelten Briefwechsel durch „WBr“ und eine römische Ziffer für den Band abgekürzt. 61 Ebd. 62 Vgl. Manger, Klaus: Wielands Leben und Wirken, in: Wieland-Handbuch, S. 1-25, hier: S. 4. 63 Vgl. Jørgensen/ Jaumann/ Mc. Carthy/ Thomé: Epoche-Werk-Wirkung, S. 22.

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Nach einem einjährigen Zwischenstopp auf der Heimreise vom Internat in Erfurt, wo er

Philosophieunterricht bekam, kehrte er nach Biberach zurück, um kurz darauf ein

Jurastudium in Tübingen zu beginnen, das er aber nach kurzer Zeit abbrach.64

Im Anschluss an erste kleinere Dichtungsversuche entschloss er sich, sich dem Schweizer

Philologen Johann Jakob Bodmer zu empfehlen, woraufhin dieser ihn nach Zürich

einlud.65

Als Wieland und Bodmer aufgrund eines Disputs getrennte Wege gingen, verbrachte

Wieland einige Zeit in Zürich und Bern, wo erste Dramen auf Basis der Antikenadaption

entstanden und der Einfluss Shaftesburys erstmals zu wirken begann66. Er schien allerdings

die Freiheit der Schweizer Republik nicht so sehr zu schätzen, als dass sie ihn an der

Heimkehr ins reichsstädtische Biberach gehindert hätte.67

Nachdem sich Wieland Ende Mai 1760 freiwillig wieder in die Provinz begeben hatte,

muss also schon bald seine Arbeit am Agathon begonnen haben.68

Sie erzählt die Lebensgeschichte des fiktiven Romanhelden Agathon in der

nachklassischen Zeit des vierten Jahrhunderts vor Christus. Er wächst in Delphi auf, ohne

von seiner Herkunft Genaueres zu wissen und entwickelt dort für sich einen

schwärmerischen Glauben an Übersinnliches. Er verliebt sich dort außerdem in die

Tempeldienerin Psyche. Die eifersüchtige Oberpriesterin Pythia allerdings trennt die

beiden, woraufhin Agathon flüchtet und seinen Vater Stratonicus, einen angesehenen und

wohlhabenden Athener, kennenlernt. Er erfährt von seiner Abstammung aus einer

unstandesgemäßen, aber von Liebe erfüllten Beziehung seines Vaters zu Musarion, die bei

der Geburt einer Tochter, die daraufhin ebenfalls nach Delphi gegeben wurde, starb.

Dem heimgekehrten Agathon stehen alle Möglichkeiten in der Stadt Athen offen, er

verkehrt mit Philosophen und aufgrund seiner Begabung für die Rhetorik macht er bald

eine steile Karriere und wird Strategos der Athener. Seinen Neidern jedoch gelingt es, ihn

mittels Intrigen aus Griechenland verbannen zu lassen.

Im Zuge der anschließenden Wanderschaft wird er von Piraten gefangen genommen. Auf

deren Schiff er Psyche, seine Jugendliebe, wieder trifft. Er wird aber bald darauf auf dem

Sklavenmarkt in Smyrna an den Sophisten Hippias verkauft. Der noch immer vom

64 Vgl. Manger: Wielands Leben und Wirken, S. 2. 65 Vgl. Ebd., S. 2f. Von Selbstaufgabe unter dem Einfluss Bodmers – wie Sengle es zu erkennen meinte – kann heute nicht mehr die Rede sein. (Vgl. Sengle: Wieland, S. 46) 66 Vgl. Jørgensen/ Jaumann/ Mc. Carthy/ Thomé: Epoche-Werk-Wirkung, S. 44. 67 Hier bekam er Anfang 1760 des Amt des Senators angetragen (Vgl. Starnes: Wieland, S. 165) und kam Ende Mai dort an (Vgl. Ebd., S. 171). Seine Verlobte lies er nichts ahnend in Zürich zurück. 68 Die Behauptung Wielands, er habe bereits 1758 in der Schweiz zu arbeiten begonnen, kann uns nicht allzu sehr überzeugen, wurde sie von ihm doch erst im Jahr 1796 aufgestellt. (Vgl. Erhart, Walter: Die Geschichte des Agathon, in: Wieland-Handbuch, S. 259-274, hier: S. 259.)

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Schwärmerei und Glaube an Wahrheit und Schönheit beseelte Agathon fordert durch

seinen Idealismus den materialistischen Sophisten Hippias heraus, weshalb dieser ihn

durch die Hetäre Danae verführen lassen möchte. Zwar erliegt Agathon der Frau,

allerdings scheitert das Vorhaben des Hippias trotz allem, indem sich Agathon und Danae

verlieben. Gekränkt eröffnet Hippias nun Agathon die Vergangenheit der Danae.

Agathon entschließt sich hierauf zur Flucht aus Smyrna und gelangt nach Syrakus, wo er

den Tyrannen Dionysios – Plato scheiterte vor ihm an dieser Aufgabe – zu einem guten

Herrscher machen möchte.

Sein Unterfangen beginnt zunächst erfolgreich, allerdings gelingt es den Schmeichlern und

Günstlingen am Hofe bald wieder, ihn zu Fall zu bringen. Lediglich eine alte

Bekanntschaft seines Vaters, Archytas, ermöglicht ihm aus dem Gefängnis freizukommen.

Er begibt sich daraufhin nach Tarent – dort herrscht Archytas seit langer Zeit erfolgreich –,

wo er Psyche wieder trifft. Diese ist mit Archytas’ Sohn Critolaus verheiratet und entpuppt

sich als seine verlorene Schwester. Die Liebe Agathons zu Psyche wiederum wird als

platonische Liebe entlarvt. Außerdem trifft er auf Danae, die in einem Landhaus in Tarent

abgeschottet lebt.

Trotz der scheinbar einengenden Verhältnisse und der wenigen Zeit, die Wieland zum

Schreiben blieb, gelang es ihm bis 1763 den ersten Teil des Agathon an seinen Schweizer

Verleger Geßner zu schicken. Der erste Teil, er umfasst die ersten sieben Bücher, erschien

nach der Überarbeitung im Jahre 1766. Der Zweite Teil, er beinhaltet Buch acht bis elf,

bereits 1767.69

Nachdem nun kurz Wielands biographische Umstände aufgezeigt wurden und eine kurze

Inhaltsangabe der Ur-Fassung gegeben wurde, auf die die beiden weiteren Fassungen

prinzipiell aufbauen, sollen im folgenden Punkt die Rezensionen besprochen werden, die

sich mit Wielands Roman auseinandersetzten.

4.2 Rezensionen

Die erste Fassung des Werkes wurde rege in der zeitgenössischen Kritik aufgenommen.

Lessings Äußerung zum Roman im Dezember 1767 sei hier der Vollständigkeit halber

aufgeführt, er erwähnt den Roman kurz in seiner Hamburgischen Dramaturgie im Zuge

einer Literaturbewertung und stellt fest: „Es ist der erste und einzige Roman für den

denkenden Kopf […].“70 Wieland als glühender Verehrer Lessings71 dürfte hiervon

69 Vgl. Erhart: Geschichte des Agathon, S. 259. 70 Lessing, Gotthold E.: Hamburgische Dramaturgie, Bd. 2, 69. Stück (29. Dezember 1767), S. 129-136, hier: S. 136.

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geschmeichelt gewesen sein. Da Lessing den Roman aber lediglich als Vergleichs-

gegenstand heranzieht und ihn nicht analysiert, ist diese Aussage ebenso wie das Lob von

Wielands ehemaligem Gönner Bodmer wenig hilfreich hinsichtlich der Genese des

Romans.72

4.2.1 Göttingische Gelehrte Anzeigen

Bereits am 16. Juni – der Agathon erschien Ende März anonym zur Ostermesse73 – lässt

sich die erste Rezension ausmachen.74 Die ebenfalls anonym verfasste Rezension – nach

Kurth-Voigt stammt sie von Albrecht von Haller75 - regt bereits Wieland, der in eine Reihe

mit Marivaux und Crébillons gestellt wird, als Verfasser an.76 Wenn es dort heißt, den

Agathon greift „ein Epicurischer Weltweiser, mit allerley wieder die Religion und die

Sittlichkeit angebrachten Gründen“77 an, „die der Hr. W. ein andermahl zu beantworten

verspricht“78, so wird deutlich, dass der Rezensent einen tieferen Einblick in die

Beweggründe und die Philosophie des Hippias fordert. Zwar wird Wielands Witz und

Kreativität bestätigt, aber die langen Gedanken, Scherze und Schlüsse des im Text

reflektierenden Schriftstellers geben Anlass zur Kritik. Die schönen Stellen würden

deshalb vom Leser übersprungen. Der philosophische Wieland solle nach Homers Beispiel

zum Ziel eilen.79

Diese Rezension dürfte Wieland erst nach ihrer Erweiterung am 23. November 176780

bekannt geworden sein, schreibt er doch noch im Dezember 1767 an seinen Verleger

Geßner: „Apropos de cela, ist Ihnen noch nichts von öffentlichen Urtheilen über unsern

Agathon bekannt? Ich gestehe, dass ich ein wenig neugierig bin, was für Sottisen unsere

jungen Kunstrichterleins darüber zu sagen sich anstrengen werden.“81 Auswirkungen

dieser Rezension auf die Abfassung des zweiten Teiles der ersten Fassung sind somit

auszuschließen.

71 Im Brief an Riedel vom 2. Januar 1768 schreibt er: „Ich schätze Ramlern und Lessingen so hoch, dass es kaum möglich ist, dass diese Herren sich selbst sollten noch mehr hochachten können.“ (Vgl. WBr, III, S. 493.) 72 Vgl. Groß: Geschichte des Agathon, S. 160. 73 Vgl. Starnes: Wieland, Bd. 1, S. 289. 74 Vgl. Haller, Albrecht von: Frankfurt und Leipzig, in: Göttingische Gelehrte Anzeigen, 72. Stück (16. Juni 1766), S. 575f. 75 Kurth-Voigt: Zur journalistischen Rezeption, S. 10. 76 Vgl. Haller: Frankfurt und Leipzig, S. 575. 77 Ebd. 78 Ebd. 79 Vgl. Ebd., S. 576. 80 Vgl. Haller, Albrecht von: Leipzig, in: Göttingische Gelehrte Anzeigen, 141. Stück (23. November 1767), S. 1127f. 81 WBr, III, S. 487f. Geßners Antwort vom 27. Mai 1768 strotzt dann nur so von Tiraden gegen die Kunstrichter. (Vgl. WBr, III, S. 516.)

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In ihrer Erweiterung begrüßt die Rezension aus den Göttingischen Gelehrte Anzeigen dann

die Reduzierung der Wollust und der falschen Weisheiten im Werk. Kritisiert wird die

Person des Aristipps, der trotz seines schlechten Charakters zu günstig gemalt ist. Die

versprochene Darstellung der inneren Beweggründe des tugendhaften Archytas wird

begrüßt, einige anstößige lateinische Sprichwörter werden kritisiert und erneut bereitet

dem Rezensenten die ausschweifende Einmischung des Verfassers Probleme.82 Ansonsten

schließt die Rezension positiv und stellt fest: „Agathon [ist] der witzigste Roman, den die

Deutschen aufweisen können.“83

4.2.2 Deutsche Bibliothek der schönen Wissenschaften

Die erste umfassende Rezension – Lessing hatte bereits das geringe Interesse der Kritiker

bemängelt84 – erschien in der Deutschen Bibliothek der schönen Wissenschaften, die

Christian Adolf Klotz herausgab.85

Diese Rezension beleuchtet sowohl die Vorteile als auch die Nachteile der Schrift. So lobt

der Rezensent Wieland als Dichter, Philosoph, Redner und Altertumskenner, der es

vortrefflich verstand, eine Philosophie in den Roman mit einzubauen.86 Ebenso bescheinigt

er, „dass Herr Wieland vortrefliche Charaktere gezeichnet und ihren Anstand durch seinen

ganzen Roman glücklich habe behaupten lassen“87, aber wie Haller ist er mit der Figur des

Aristipps unzufrieden.88 Erstmals hebt aber dieser Rezensent die besonderen

philosophischen Qualitäten Wielands hervor, stellt ihn mit zahlreichen zeitgenössischen

Philosophen auf eine Stufe und bezeichnet ihn – besonders mit Blick auf die kunstvoll

entworfenen Dialoge – als „deutsche[n] Plato“.89

Einen großen Nachteil des Buches sieht der Rezensent darin, dass Wieland weder einen

reinen deutschen Nationalroman verfasste, noch die gesamte Geschichte im „Griechischen

Geschmack geschrieben“90 habe. Konkret kritisiert er die Vorrede, in welcher er den Leser

82 Vgl. Haller: Leipzig, S. 1128. 83 Ebd. „witzig“ hier noch in der älteren Bedeutung von „klug“ oder „kundig“. 84 Vgl. Lessing: Hamburgische Dramaturgie, S. 136. 85 Vgl. Anonym: Geschichte des Agathon, in: Deutsche Bibliothek der schönen Wissenschaften, Bd. 1, 3. Stück (1768), S. 11-55. Die Stückzahl, die Reaktion Wielands und die Gegendarstellung Riedels lassen vermuten, dass die Rezension aus dem Januar oder spätestens Februar stammt. Kurth-Voigt meint – allerdings ohne Begründung – Johann Georg Meusel als Verfasser ausmachen zu können (Vgl. Kurth-Voigt: Zur journalistischen Rezeption, S. 13.). Groß ist der Verfasser nicht bekannt. Nicht zu Verwechseln ist dieses Periodikum mit dem Journal Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste beziehungsweise später Neue Bibliothek der Wissenschaften und der freyen Künste, die von Chrsitian Felix Weiße herausgegeben wurde und es zu dessen Unmut verpasste den Agathon zu rezensieren. Wieland war über das Fehlen einer Rezension selbst auch verärgert. (Vgl. Starnes: Wieland, Bd. 1, S. 488f.) 86 Vgl. Ebd., S. 13. 87 Ebd., S. 19. 88 Vgl. Ebd. 89 Vgl. Ebd., S. 27. 90 Ebd., S. 34.

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besser „eine zeitlang in einem angenehmen Betrug gelassen hätte“91, anstatt ihm zu

eröffnen, dass die griechische Handschrift, die dem Buch vermeintlich zugrunde lag, eine

Verfasserfiktion darstellt. Nicht nur die Unterbrechungen der pseudo-griechischen

Geschichte durch das Vorwort, sondern durch die Einmischungen des Autors im

Allgemeinen stoßen auf den Unmut des Kritikers.92 Diese „Ausschweifungen und

Digressionen“ 93 sieht der Rezensent auch für die Figurengestaltung als nicht zuträglich an.

Weitere Kritik übt er an der teilweise ausschweifenden Erzählweise94 und der – vor allem

für Frauen – oft zu komplexen Philosophie.95 Besonders der zweite Band strotzt laut dieser

Rezension von solchen problematischen Stellen und es wird gar behauptet, Wieland hätte

den zweiten Band lediglich um des Honorars willen verfasst.96 Für die Genauigkeit dieser

Kritik bezeichnend ist, dass der Verfasser sogar eine Liste von unpassenden und zu

verbessernden Wörtern beifügt.97

Das abschließende Urteil, der Agathon käme einer „Statue von Raphael“98 gleich, die „hier

und da noch Meiselschläge erwartet, um ganz von dem Harten und kantigen [sic!] gereinigt

zu werden“99, zeugt von einer durchaus positiven Bewertung und spricht sich im selben

Atemzug für eine Überarbeitung des Werkes aus.

Die Reaktion Wielands auf diese Rezension können wir einem Brief von ihm an Riedel

entnehmen:

„Die Recension des Agathon in der deutschen Bibliothek ist eine Probe davon [des flüchtigen Urteils der Rezensenten; Anm. L.L.], die so viel als tausend gilt. Ein armer, magerer Geschichtsauszug mit eingemischtem albernem Lob und schülerhaftem Tadel. […] Die Herren dieser Art blend oft zu vieles Licht, Sie sehn den Wald vor lauter Bäumen nicht.“100

Die Gegendarstellung, die Riedel zu der in der Klotzenschen Bibliothek erschienenen in

der hallischen Zeitung101 veröffentlichte, wurde selbst von Wieland als „allzugünstig“

91 Ebd., S. 35. 92 Vgl. Ebd., S. S. 14; 36f.; 44. 93 Vgl. Ebd., S. 39. 94 Vgl. Ebd., S. 40. 95 Vgl. Ebd., S. 42f. 96 Vgl. Ebd., S. 45. 97 Vgl. Ebd., S. 50-54. 98 Ebd., S. 55. 99 Ebd. 100 WBr, III, S. 521. Dass Wieland ein großer Stilist und Former des Deutschen war, lässt sich hier im Übrigen auch nachvollziehen. Die geläufige Redewendung am Ende des Zitates stammt von Wieland, der den Gedanken wohl von Ovid hat: „Tristitiae causam siquis cofnoscere quaerit, ostendi solem postulat ille sibi, nec frondem in silvis nec aperto mollia prato gramina nec pleno flumine cernit aquas“ (Ov., trist., V, 4, 7-10) 101 Vgl. Riedel, Friedrich Justus: Die Geschichte des Agathon, in: Hallische Neue Gelehrten Zeitungen, 21. Stück (14. März 1768), S. 163-166. Als Kritikpunkte werden lediglich die der Klotzschen Bibliothek übernommen und entweder unkommentiert belassen oder zu widerlegen versucht. Eine gesonderte Behandlung scheint mir hier nicht sinnvoll.

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empfunden und er bat seinen Freund nach wiederholtem Lesen, den Agathon erneut zu

rezensieren.102

4.2.3 Allgemeine deutsche Bibliothek

Eine weitere Kritik wurde in der Allgemeinen deutschen Bibliothek von Friedrich Nicolai

gedruckt. Diese Zeitschrift erschien vierteljährlich, weshalb die hier vorliegende

Romanrezension – sie befindet sich in dem ersten Stück des ersten Bandes 1768 – auf etwa

Ende März oder Anfang April des Jahres zu verorten ist.103 Der Kritiker war der Schweizer

Historiker und Publizist Isaak Iselin.104

Eingangs verliert Iselin hinsichtlich der dichterischen Qualität Wielands nur beste Worte,

gibt allerdings zu, dass er gerade deshalb Probleme bei der Beurteilung des Agathon

habe.105 Diese Rezension ist eine der wenigen, die den Inhalt des Romans kurz

wiedergibt.106

Besondere Sorgen bereitet Iselin die „Schlüpfrigkeit der Ausdrücke und der Gemälde“107

sowie die zahlreichen – aus seiner Sicht – anstößigen Stellen.

Wie vielen seiner Vorkritiker bereitet ihm zuweilen auch die Wortwahl Probleme und er

rät Wieland, seine ansonsten so hervorragende Sprache nicht durch „undeutsche und

fremde Worte“108 zu entstellen. Er kritisiert außerdem im Gegensatz zu den anderen

Rezensenten das Griechenlandbild, das Wieland vermittelt.109

Besonders anstößig sei die als Platonismus getarnte Philosophie des Agathon in Delphi und

Smyrna, die nichts weiter als „feurige Begierde“ lehrt und ein Kind der Zeit Wielands,

nicht etwa der Griechen sei.110

Besonderes Lob erhält Wieland für den Charakter des Archytas, „welcher das Ende des

Werks zieret, [dieser] würde bey jedem denkenden Leser alles Andenken weit grösserer

Fehler vertilgen“111.

Aus einem Brief Wielands an Johann Georg Zimmermann, der sich genau mit dieser

Rezension beschäftigt, wird fürderhin deutlich, dass Wieland sich – wenngleich er seinen

Kritikern zuweilen nur mit Unverständnis entgegenkam – ihre Beurteilungen interessiert

102 Vgl. WBr, III, S. 520. 103 Vgl. Iselin, Isaak: Geschichte des Agathon, in: Allgemeine deutsche Bibliothek, Bd. 6, 1. Stück (1768), S. 190-211. 104 Vgl. Kurth-Voigt: Zur journalistischen Rezeption, S. 21. 105 Vgl. Iselin: Geschichte des Agathon, S. 190. 106 Vgl. Ebd., S. 192-201. 107 Ebd., S. 201. 108 Ebd. S. 202. 109 Vgl. Ebd. S. 205. 110 Vgl. Ebd., S. 205f. 111 Ebd., S. 207.

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zur Kenntnis nahm und sogar schon 1768 eine neue Fassung seines Buches, mit

Hinzufügungen zu den Philosophien des Archytas und des Agathon, andachte.112

4.2.4 Hamburgische Neue Zeitung

Die letzte Rezension der ersten Fassung erschien am 18. April 1768. Die Hamburgische

Neue Zeitung veröffentlichte eine Kritik des Schriftstellers Heinrich Wilhelm von

Gerstenberg.113

Das Lob für Wielands Werk fällt deutlich aus, wenn er schreibt: „Die Geschichte des

Agathon macht eine neue Classe von Romanen, die vielleicht gutentheils schon da

gewesen ist, aber itzt erst einen Rang und einen Namen erhält, da der Verfasser sich durch

das, was er aus seinem Eignen hineinzulegen gewußt, in derselben obenan setzt.“114

Weiter vergleicht er den Agathon mit den Werken englischer Meister wie Richardson und

Fielding.115

Besonders wertvoll sind laut Gerstenberg der kreative Platonismus, die Anregungen der

Einbildungskraft, die Weltkenntnis und die genaue Kenntnis der Griechen.116

Kritisiert wird, dass Wieland oft ein Nachahmer von Fielding, Cervantes oder Rosseau sei

und dass seine Charaktere in ihrer Nachahmung oft die Wahrheit verfehlten.117

Erstmals taucht auch der Vorwurf einer anstößigen Schlüpfrigkeit auf, die der Kritiker aber

durch den Verweis auf die Abhängigkeit derselben vom Publikum relativiert.118

Am Anschluss an eine kleine Liste mit verbesserungswürdigen Formulierungen schließt

Gerstenberg seine größtenteils wohlwollende Kritik mit dem Verweis auf die

Versprechungen Wielands – Beiträgen zur Geschichte der Danae und zum System des

Hippias – und der Prognose der Zustimmung des Publikums.119

Wielands Reaktion auf seine Kritiker im Mai 1768 ist wiederum exemplarisch für seine

Einstellung zu diesen. Er schreibt an Geßner in Zürich:

„Inzwischen urtheilen die deutschen Kunstrichter von meinen Schriften, als ob ich, wie die mehresten unter ihnen, sonst nichts zu thun hätte, als die Presse seufzen zu machen. Insonderheit wird der arme Agathon so abscheulich gelobt, und so dumm getadelt, dass man nicht weiß, ob man lachen, weinen, oder nach dem spanischen Rohre greifen soll. Die Wirkung, die alles das auf mich gethan hat, ist, mich zu dem seltsamen Entschluß zu bringen, sobald ich Zeit habe, in der Klotzischen Bibliothek persönlich aufzutreten, und den einfältigen Schelmen von Bewunderern und

112 Vgl. WBr, III, S. 518. 113 Vgl. Gerstenberg, Heinrich Wilhelm von: Geschichte des Agathon, in: Hamburgische Neue Zeitung, 62. Stück (18. April 1768), in: Ders.: Rezensionen in der Hamburgischen Neuen Zeitung- 1767-1771, hrsg. von O. Fischer (Deutsche Literaturdenkmale des 18. und 19. Jahrhunderts; Bd. 128, dritte Folge, Nr. 8), Nendeln 1968, S. 46-49. 114 Ebd., S. 46. 115 Vgl. Ebd. 116 Vgl. Ebd., S. 47. 117 Vgl. Ebd., S. 47f. 118 Vgl. Ebd., S. 48. 119 Vgl. Ebd., S. 48f.

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Tadlern selbst zu sagen, was ich von ihnen und meinem Buche halte. Das Lustigste ist, dass keiner, auch nicht ein einziger, die Absicht und den Zusammenhang des Ganzen ausfindig gemacht hat.“120

5. Die zweite Fassung

Wie unter Punkt 4.2.3. bereits erwähnt, spielte Wieland schon 1768 mit dem Gedanken

einer zweiten Fassung seines Agathon-Romanes. Dies ist nicht nur angesichts der

Anregungen durch die Rezensionen wenig verwunderlich, sondern liegt vor allem im

Hinblick auf die am Ende der ersten Fassung ergangenen Ankündigungen auf der Hand. In

der Abdankung verspricht Wieland, dass das „griechische Manuskript, welches er [der

Autor; Anm. L.L.] in der Hand hat, [ihn] in den Stand setzt, noch einige Nachträge und

Zugaben zu der Geschichte des Agathon zu liefern, welche ihrer Neugier vielleicht nicht

unwürdig sein möchten“121. So verspricht er eine Darstellung des philosophischen Systems

des Archytas sowie des Agathon und eine Geschichte der Danae.122 Im Folgenden sollen

nun wiederum die Entstehung der zweiten Fassung im Spiegel der Wielandschen

Biographie dargestellt werden, die Erweiterungen im Vergleich zum ersten Agathon

aufgezeigt werden und wiederum die zeitgenössische Kritik zu Wort kommen.

5.1 Entstehung und Biographie

Im Dezember 1771 nimmt das Vorhaben einer neuen Fassung des Agathon erstmals

konkrete Gestalt an. In einem Brief an seinen Verleger Geßner zeigt sich Wieland äußerst

unzufrieden mit der Zusammenarbeit mit seinem Schweizer Verlagshaus und fühlt sich vor

allem im Bezug auf seinen Agathon zu wenig unterstützt.123

Der Autor entschließt sich also zum Plan einer Ausgabe auf Subskription und erhofft sich

davon durchaus auch materielle Vorteile, hatte er doch bisher stets nur „die besten Kräfte

[s]eines Geistes und Körpers der Bemühung, das deutsche Publikum zu unterhalten und

vielleicht auch zu bessern, aufgeopfert […]“124.

Obwohl laut Angaben des Verlagshauses von den 1500 Exemplaren der ersten Fassung des

Agathon seit der Veröffentlichung lediglich 1100 Exemplare verkauft wurden, scheint ihm

eine Neuauflage sinnvoll, denn „Agathons Schuld kann es nicht seyn“125.

Zumal gedenkt Wieland solcher Verbesserungen und Zusätze, dass der Agathon durchaus

als neues Werk anzusehen wäre.126

120 WBr, III, S. 512. 121 A, I. S. 554. 122 Vgl. Ebd., S. 554f. 123 Vgl. WBr, IV, S. 430. Der Originalbrief, den Wieland dem Verlagshaus schrieb und das laut seiner Aussage „unleidlich stylisierte Schreiben“, das er hinsichtlich des Agathons erhielt, sind leider nicht erhalten. Die Rekonstruktion ist nur über den Brief vom 13. Dezember 1771 möglich. 124 Ebd., S. 431. 125 Ebd., S. 432. Angaben über die Verkaufszahlen: Vgl. Ebd.

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Nur kurze Zeit darauf, am 30. Dezember, erhielt Wieland die Antwort von Geßner und

bekommt durch diesen die Übertragung der Rechte am Agathon mitgeteilt.127 Bereits im

Frühjahr 1772 kann der Autor mit der Werbung für die Subskription beginnen und wird

sowohl hierbei als auch bei der Überarbeitung der Fassung von seinem Freund Friedrich

Heinrich Jacobi tatkräftig unterstützt.128

Der Verlag, der sich der zweiten Fassung des Agathon annimmt, ist das Verlagshaus

Weidmann Erben und Reich aus Leipzig, wo Wieland bereits zuvor andere Werke

veröffentlicht hatte und zur Ostermesse 1773 erscheint die zweite Fassung des Agathon.129

Als Wieland mit der Arbeit an der neuen Fassung begann, hatten sich auch seine

Lebensumstände verändert.

Am 30. März 1769 reichte Wieland das Entlassungsgesuch an den Magistrat in Biberach

ein, nachdem er im Februar eine Berufung als Regierungsrat und Professor an die

Universität nach Erfurt erhalten hatte.130

Die Gründe, die den Schriftsteller zum Verlassen der Heimatstadt bewogen, waren

sicherlich die Aussicht auf eine Stelle, die ihm sowohl ein gesichertes Einkommen als auch

ausreichend Zeit für eigene Projekte garantierte.131 Über die bedrückende Enge Biberachs

hatte er sich schon 1763 beschwert.132

Die akademische Karriere Wielands dauerte aber nicht lange an, denn, obwohl er unter den

Studenten regen Zuspruch fand133, erreichte am 25. Juli 1772 sein Entlassungsgesuch den

Kurfürsten von Mainz.134

Wieland hatte vom Weimarer Hof ein äußerst lukratives Angebot bekommen, das ihn dazu

bewegen konnte, dort bis zur Volljährigkeit des Erbprinzen Carl August am 3. September

1775 als Erzieher desselben tätig zu sein.135

Die Zusätze und Verbesserungen, die Wieland also ab Ende 1771 durchführt – er dachte

einige wie erörtert bereits 1668 an – fielen also vor allem in die Endzeit seiner Erfurter

126 Vgl. Ebd., S. 431. 127 Vgl. Ebd., S. 443. 128 Vgl. Manger, Klaus: Die zweite Auflage, in: A, S. 872-915, hier: 876. auch: Vgl. Erhart: Entzweiung und Selbstaufklärung, S. 244. 129 Vgl. Erhart: Geschichte des Agathon, S. 260f. 130 Vgl. Starnes: Wieland, Bd. 1, S. 338f. 131 Im Brief an Geßner im Jahr 1769 schreibt Wieland: „Man hat mir zu erkennen gegeben, dass man mich nur um meines Namens willen haben wolle, und dass man zufrieden sey, wenn ich komme, sollte ich auch gleich nichts anders thun als daseyn und machen, was mir selbst gefalle.“ (WBr, III, S. 582) Wieland übernahm dennoch Lehrverpflichtungen. (Vgl Manger: Wielands Leben, S. 7.) 132 Vgl. WBr, III, S. 153. 133 Vgl. Starnes: Wieland, Bd. 1, S. 347. 134 Vgl. Ebd., S. 436. 135 Vgl. Manger: Wielands-Leben, S. 10. Ihm standen 1000 Taler jährliches Gehalt, nach dreieinhalbjähriger Tätigkeit eine Rente von 600 Talern sowie eine Ernennung zum Hofrat auf Lebenszeit in Aussicht. (Vgl. Starnes: Wieland, Bd. 1, S. 435.)

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Professur, die durch zahlreiche Besuche in Weimar gekennzeichnet ist136 und in den

Beginn seiner Tätigkeit als Prinzenerzieher ab September 1772137 sowie als Herausgeber

des Teutschen Merkur .

Der engagiert um Pränumerationen werbende Freund Wielands, Friedrich Heinrich Jacobi,

kündigt diese Zusätze und Verbesserungen in einer Anzeige in den Erfurtische gelehrte

Zeitungen für das Jahr 1772 an, die als 25. Stück am 26. März 1772 erschien, an:

„Herr Wieland hat dem Zufolge mir versprochen, seinen Agathon mit Strenge und Genauigkeit durchaus zu verbessern; die schöne Danae ihre Geschichte erzählen zu lassen; und eine Reihe von Unterredungen hinzuzuthun, worinn Archytas dem Agathon seine Philosophie beybringet, und wodurch dieses bisher unvollendete Werk, dessen Endigung das Publikum so lang und so sehnlich

erwartet, erst ein Ganzes wird.“138

Tatsächlich fügte Wieland dem Werk die Abhandlung „Über das historische im

Agathon“139 und die „geheime Geschichte der Danae“140 inklusive eines Beschlusses, der

Agathon – wie in der dritten Fassung – abschließend eine Weltreise antreten lässt, hinzu.141

Die Philosophie des Archytas wird entgegen der Ankündigung nicht erläutert.

Die Tarent-Handlung des Romanes wurde somit nicht unerheblich erweitert und wo sie

zuvor lediglich ein Zwölftel des Romanes einnahm, so beanspruchte sie nun ein Sechstel

und gewinnt dementsprechend an Bedeutung hinzu.142

Die nicht angekündigte Abhandlung „Über des historische im Agathon“ unternimmt den

Versuch einer Einordnung der Historizität – diese Fragestellung beschäftigte wie bereits

gezeigt die Rezensenten – des Werkes. Wieland erläutert, dass der Agathon „in die Klasse

der Cyropädie des Xenophon zu gehören scheint, – mit dem Unterschiede jedoch, dass in

dieser das Erdichtete in die historische Wahrheit. In jenem hingegen das Historisch-wahre

in die Erdichtung eingewebt ist“143. Er behandelt im Zuge dieses Teiles die zentralsten

Personen, erläutert jeweils deren historische Vorbilder sowie die Verhältnisse derselben

zueinander und bespricht sowohl die Handlungsorte als auch die Quellen aus

geschichtlicher Perspektive.144

Die „Geheime Geschichte der Danae“ wird in großen Teilen von einem Vortrag der Danae

bestimmt, in dem sie Agathon retrospektiv ihre Lebensgeschichte eröffnet. Sie wuchs als

136 Vgl. Starnes: Wieland, Bd. 1, S. 421-435. 137 Vgl. Ebd., S. 444. 138 Zitiert bei Manger: Die zweite Ausgabe, S. 876-878, hier: S.876f. 139 Vgl. A, II, S. 573-585. 140 Vgl. A, II, S. 667-736. 141 Vgl. Manger: Geschichte des Agathon, S. 261; Vgl. Manger: Die zweite Auflage, S. 891. hier erwähnt Manger komischerweise den Beschluss nicht; ebenso: Vgl. Miller: Textgeschichte, S. 12.; richtig bei Erhart: Vgl. Erhart: Entzweiung und Selbstaufklärung, S. 244; 267f. 142 Vgl. Erhart: Entzweiung und Selbstaufklärung, S. 247. 143 A, II, S. 573 144 Agathon (Vgl. A, II, S. 577-579), Danae (Vgl. Ebd., S. 579f), Hippias (Vgl. Ebd., S. 580-583), Aspasia und Alkibiades (Vgl. Ebd., S. 583f.), Aristipp (Vgl. Ebd., S. 584f), Archytas (Vgl. Ebd., S, 585.)

22

Tochter einer Flötenspielerin in Athen auf, wo sie von ihrer Pflegemutter bereits früh zur

Koketterie erzogen wurde.145 Schließlich entdeckte Alcibiades sie und Danae verfiel dem

weltgewandten Mann, durch den sie die Bekanntschaft mit Aspasia machte, welche sich

bald ihrer Erziehung annahm und vor den Annäherungsversuchen des Alcibiades

schützte.146 Nach dem Tod der Aspasia verfiel Danae zunehmend Alcibiades und nachdem

dessen wankelmütige Liebe zu ihr abnahm und sich zunehmend Buhler um sie scharten,

entschloss Danae sich nach Asien zu gehen. Dort wurde sie von Seeräubern entführt und in

den Harem des Cyrus’ als Sklavin verkauft, wo sie bald den Platz als seine Favoritin

einnahm.147 Nach dem Tod ihres Liebhabers gelangte sie schließlich nach Smyrna, wo Sie

Agathon kennenlernte und die Handlung wie in der ersten Fassung ihren Lauf nimmt.

Besonders herausragend in diesem Zusatz ist, dass Danae der Aussicht auf eine

gemeinsame Zukunft mit Agathon abschwört.148 Diese freiwillige Askese, in die sich

Danae hierdurch begibt, potenziert – nach Meinung des Verfassers – eindeutig die

moralphilosophischen Ansprüche des Werkes.

Paradigmatisch für die Veränderung des Romanes von der ersten auf die zweite Fassung

kann die Titelveränderung von „quid virtus et quid sapientia possit, / utile proposuit nobis

exemplar Ulixen“ hin zu „quid virtus et quid sapientia possit, / utile proposuit nobis

exemplum Ulixen“ angesehen werden.149 Indem die Geschichte nun durch Wieland nicht

mehr als konkret nachzuahmendes Verhaltensmuster deklariert wurde, sondern zu einer

Geschichte, mittels welcher sich die Leser – kritisch reflektierend – Empfehlungen für

moralisches Handeln in Einzelfällen aneignen können.150

Die Erweiterungen der zweiten Fassung verstärken außerdem „den Eindruck eines zwar

erfundenen, doch weitgehend historischen Romans, mit plausibler Handlung und streng

moralphilosophischer Zielsetzung“151 und relativieren den konstruierten und durch

Wieland einem griechischen Autor angelasteten, offenen Romanschluss im Form eines

„Happy Ends“.152

5.2 Rezension

Auch die zweite Fassung des Wielandschen Romans wurde in der literarischen

Öffentlichkeit rege diskutiert, wenngleich sie mit 763 Subskribenten – bei allerdings 926

145 Vgl. A, II, S. 673. 146 Vgl. A, II, S. 676; 682; 697; 700. 147 Vgl. A, II, S. 715; 718; 721; 725 148 Vgl. A, II, S. 734. 149 Vgl. Erhart: Geschichte des Agathon, S. 266. 150 Vgl. Ebd., S. 266f. 151 Ebd., S. 267. 152 Vgl. A, I, S. 512-517.

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gedruckten Exemplaren – eine noch geringere Verbreitung als die erste Fassung fand153

und als einzige Fassung nicht nachgedruckt wurde154.

5.2.1 Erfurtische gelehrte Zeitung

Im Juli 1773 veröffentlichte die Erfurtische gelehrte Zeitung wohl als erste eine Rezension

der zur Ostermesse desselben Jahres in Leipzig erschienenen Fassung.155

In dieser knapp gehaltenen Rezension wird Wielands Dichtung – besonders aber dem

Agathon – großes Lob zuteil.156

Besonders zufrieden zeigt sich der Rezensent mit der „geheimen Geschichte der Danae“,

aufgrund deren umfassender Apologetik er ein zukünftiges Zusammenleben Danaes und

Agathons als nicht weiter problematisch einstuft.157 Dieser Gedankengang ist allerdings

angesichts der recht eindeutigen Textlage kaum nachvollziehbar.

Lob bekommt Wieland außerdem für die Abhandlung „Über das historische im Agathon“

und stellt den Roman wie Wieland bereits in der Abhandlung selbst an die Seite der

Kyrupädie Xenophons.158

Dass der zweiten Fassung die versprochene Erläuterung der Philosophie des Archytas

fehlt, findet der Kritiker nicht weiter problematisch, hatte Wieland doch versprochen, diese

im Teutschen Merkur zu veröffentlichen.159

5.2.2 Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur

Auch im Jahr 1773, aber ohne genauere Datumsangabe, erschien die Kritik der zweiten

Fassung im Journal Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur.160

Eingangs bewundert der Rezensent „Hrn. W. großes und ausgearbeitetes Genie“161, lobt

den Roman rundum und setzt Agathon dem Tom Jones gleich.162

Als besonders erfreulich sieht der Kritiker es an, dass Wieland nichts an der Abfolge der

153 Vgl. Manger: Die zweite Ausgabe, S. 887. Die Meinung Mangers, dass die Kritiken der zweiten Fassung kaum ins Gewicht fallen, kann ich nicht teilen. (Vgl. Ebd., S. 910) 154 Vgl. Erhart: Geschichte des Agathon, S. 261. 155 Vgl. Anonym: Geschichte des Agathon. 1773, in: Erfurtische gelehrte Zeitung, 56. Stück (Juli 1773), S. 465-467. 156 Vgl. Ebd., S. 465. 157 Vgl. Ebd., S. 465f. 158 Vgl. Ebd., S. 466. 159 Vgl. Ebd., S. 466. Zu Wielands Versprechen: Vgl. A, II, S.587f. Dem kam er nicht nach. 160 Vgl. Anonym: Agathon, in: Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur, Bd. 4 (1773), S. 625-644. 161 Ebd., S. 626. 162 Vgl. Ebd., S. 627.

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Begebenheiten und dem Lauf der Geschichte, sonder nur an unvollkommenen

Formulierungen und „undeutschen Construktionen“163 geändert hat.164

Er fügt eine kleine Liste von aus seiner Sicht noch zu erledigenden Verbesserungen an und

erörtert außerdem bereits getane Verbesserungen.165

Er verteidigt Wieland außerdem gegen diejenigen Kritiker, die ihm mangelnde Ambitionen

zur moralischen Belehrung und dem Buch gar anstößige Züge zuteil werden lassen. Er

schreibt: „Das Hauptsächlichste bei einem Schriftsteller ist, in unsern Augen, dass er die

Sphäre der Ideen durch Hinzuthuung wahrer und richtiger erweitere. Dadurch bessert er

am gewissesten […] Und dies hat Hr. W. im gegenwärtigen Werke im höchsten Grade

geleistest […].“166

Im Zuge einer Nacherzählung des Zusatzes der „geheimen Geschichte der Danae“ – über

die Abhandlung „Über des Historische im Agathon“ schreibt er nicht – sieht er ebenso wie

der erste Rezensent, indem sie die Hintergründe der Danae eröffnet, einen für den Leser

wichtigen Faktor für ihre Bewertung.167 Die Inspiration für diesen Zusatz meint dieser

Kritiker in den endlosen Klagen der Kunstrichter gegenüber Wieland zu erkennen, „dass er

[Wieland; Anm. L.L.] immer die Vergnügungen eines ganz ruhigen Lebens mit einer

Person, die man zärtlich liebt, als den Gipfel menschlicher Glückseligkeit schildere, und

dass diese Vorstellungen doch falsch seyen“168.

Gegen Ende stellt der Kritiker noch fest, dass „viele Interessenten [an der zweiten Fassung;

Anm. L.L.] nicht ohne Recht klagen, man habe die ihnen gethane Versprechungen gar

nicht erfült“169. Er beratschlagt Wieland noch, wie er sich denn – angesichts des Fehlens

bereits angekündigter Hinzufügungen – vor den Subskribenten rechtfertigen könne.170

Wie auch in der vorhergegangenen Rezension überwiegt hier eindeutig das Lob für

Wielands Werk. Zu bemängeln hat der Verfasser vor allem Kleinigkeiten, wie einzelne

Formulierungen oder Worte und er spricht sich geradezu tadelnd aus, wenn es um die

Frage der falschen Versprechungen für die Subskribenten geht.

5.2.3 Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1774

Eine wiederum sehr knapp gehaltene Rezension lässt sich im Almanach der deutschen

Musen auf das Jahr 1774 finden.

163 Ebd., S. 628. 164 Vgl. Ebd. 165 Vgl. Ebd., S. 629-632. 166 Ebd., S. 633. 167 Vgl. Ebd., S. 634-636. 168 Ebd., S. 636f. 169 Ebd., S. 643. 170 Vgl. Ebd.

25

Diese ist lediglich auf das Jahr 1774 datierbar und der Verfasser bleibt anonym.171

Der Rezensent zeigt sich erfreut, dass Wieland – dem er für seinen Agathon großes Lob

ausspricht – nun endlich dieses Werk vollenden konnte.172

Besonders lobt er den „Aufsatz über das Historische im Agathon und Anmerkungen für

ungriechische Leser“173.

Das Auslassen der versprochenen philosophischen Erläuterungen rechtfertigt er damit, dass

diese eine Unstimmigkeit im ganzen Werk verursacht hätten.174

Im Zuge weiteren überschwänglichen Lobes zieht er noch die Subskribentenliste heran, die

durch die zahlreichen ausländischen Namen dem Werk zusätzlichen Glanz verleiht.175

5.2.4 Zugabe zu den Göttingischen Gelehrten Anzeigen

Eine weitere Rezension der zweiten Fassung findet sich in der Zugabe zu den

Göttingischen Gelehrten Anzeigen für das Jahr 1774, genauer aus dem 13. Stück vom 9.

April.176

Auf eine kurze Inhaltsangabe folgt in dieser Rezension die Bemerkung, dass die

Wandlung, die Agathon machte – ihn verließ laut Kritiker die Liebe zur Tugend –, deshalb

so gut von Wieland beschrieben werden konnte, da dieser bei der Verfassung seines

Werkes Komische Erzählungen eben dieselben Veränderung durchlebte.177

Fast ironisch äußert sich der Kritiker über die „geheime Geschichte der Danae“. Er

beschreibt die Wendung dergleichen: „Er [Agathon; Anm. L.L.] vergaß, dass er sie

[Danae; Anm. L.L.] verachtete, dass er aufs härteste sie verlassen, dass Hippias ihre

Unwürdigkeit ihm entdeckt hatte, er fiel zu ihren Füssen, als wann sie rein und seiner

Liebe werth wäre.“178

Dieser Kritiker erkennt außerdem, dass Danae Agathon entsagt und mit ihm anstelle eines

Liebesverhältnisses eine Freundschaft zu unterhalten pflegt.179

Diese Rezension verhält sich im Allgemeinen – bis auf die ironische Einlassung zur

Wende der Handlung – kaum wertend und beschränkt sich vor allem auf die Wiedergabe 171 Anonym: Agathon. Vier Theile, in: Almanach der deutschen Musen auf das Jahr 1774, Leipzig 1774, S. 82f. Dieser, zwar lediglich einmal jährlich, aber regelmäßig erscheinende Almanach soll in dieser Arbeit zu den Periodika gezählt werden. Da dieser Almanach zumeist am Jahresanfang erschien, wird er hier vor der im April erscheinenden Rezension erwähnt sein. 172 Vgl. Ebd., S. 82. 173 Ebd., S. 83. 174 Vgl. Ebd. 175 Vgl. Ebd. 176 Vgl. Anonym: Leipzig, in: Zugabe zu den Göttingischen Gelehrten Anzeigen, 13. Stück (9. April 1774), S. CX-CXII. Kurth-Voigt meint diese Rezension erneut Albrecht von Haller zuschreiben zu können. Sein Name findet sich zwar im Autorenverzeichnis, aber nicht für diesen, sondern für zwei andere Artikel. 177 Vgl. Ebd., S. CXf. 178 Ebd., S. CXI. 179 Vgl. Ebd., S. CXII.

26

des Inhaltes, vergisst allerdings ebenfalls die Abhandlung „Über des Historische im

Agathon“ zu besprechen.

5.2.5 Allgemeine deutsche Bibliothek

Wie bereits die erste Fassung, so wurde auch die zweite Fassung des Romans durch die

Allgemeine deutsche Bibliothek besprochen. Verfasser der Rezension war Johann Karl

August Musäus und sie findet sich im 1. Stück, des 23. Bandes vom Jahr 1774.180

Der Rezensent ist von dieser „splendide[n] Ausgabe, an der nichts fehlet, was sowohl zum

äußerlichen des Drucks, Papiers und der bey jedem Theile befindlichen befindlichen

Kupfer und Vignetten, als auch zur innern Vervollkommung des ganzen Werks gehört“181

vollauf überzeugt.

Der Kritiker stellt außerdem fest, wie erfreulich es doch ist, dass Wieland früher, als man

erwarten hätte können, den Roman vollendet hat.182

Musäus sieht diese Fassung als Dank Wielands an alle seine Unterstützer an, die die

Subskription wagten und zeigt sich ebenfalls beeindruckt von der Subskribentenliste aus

der er auch zitiert.183

Entgegen der bereits zitierten Äußerung Wielands behauptet Musäus, „[e]r hat nie die

Absicht gehabt aus dem Agathon ein ganz neues Werk zu machen“184.

Auch dieser Kritiker nimmt Wieland hinsichtlich der fehlenden Archytas-Passagen in

Schutz und verweist auf den Merkur.185

Die „geheime Geschichte der Danae“ und die Abhandlung „Über das Historische im

Agathon“ lobt Musäus und bezeichnet letztere sogar als Lehrbuch für junge Künstler, wie

mit den Charakteren des Altertums umzugehen sei.186

Diese letzte Rezension der zweiten Fassung fasst abschließend zusammen: „Agathon soll

nicht lehren was Weisheit und Tugend an sich selbst, sondern wie weit es ein Sterblicher

durch die bloßen Kräfte der Natur in beyden bringen könne.“187

180 Musäus, Johann K. A.: Agathon, in: Allgemeine deutsche Bibliothek, Bd. 23, 1. Stück (1774), S. 253-255. Das erste Stück des 23. Bandes ist die im Jahr 1774 als letztes erscheinende Ausgabe der AdB. Sie erschien also etwa im Oktober 1774. 181 Ebd., S. 253. 182 Vgl. Ebd., S. 254. 183 Vgl. Ebd. 184 Ebd. 185 Vgl. Ebd., S. 255. 186 Vgl. Ebd. 187 Ebd., S. 255.

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5.2.6 Versuch über den Roman

Eine weitere Bewertung des Romanes, die zwar nicht im Zuge einer konzertierten

Kritikübung getätigt wird, aber einerseits aufgrund ihrer Popularität und andererseits im

Sinne eines möglichst umfassenden Blicks auf die Werksbewertung erwähnt werden sollte,

ist die – in einer Monographie, nicht in einem Periodikum stattfindenden – Besprechung

von Friedrich von Blankenburg in seinem bekannten literaturtheoretischen Werk Versuch

über den Roman.188

Blankenburg lobt dass Buch umfassend, hofft, dass alle Romane so werden wie der

Agathon und unterstreicht die Virtuosität des Dichters: „Es ist nicht etwa sein besondrer

Innhalt, deswegen ich ihm diese Vorzüge zuerkennen muß; es ist die Art und Weise, wie

der Dichter desselben, den Stoff, Begebenheiten und Charaktere, behandelt hat, die dies

Werk so sehr über die andern Werke dieser Art erhebt.“189

Er vergleicht den Roman Wielands mit aristotelischer Dichtung, um so einen Teil seiner

Romantheorie zu erarbeiten und indem er das tut, lässt er dem Biberacher die Ehre zuteil

werden, zumindest aus seiner Sicht einen Platz im literaturtheoretischen Olymp neben dem

großen Griechen einzunehmen.190

Angesichts einer derartigen Perspektive wäre jede Wieland-Kritik ein contradictio in eo

ipso. Blankenburg reiht sich also in die Reihen der Wielandbewunderer ein.

Wieland scheint derart geschmeichelt, dass er dem Versuch über den Roman ein generöses

Urteil zugesteht und nicht einmal – wie bei vorigen Rezensionen – das überschwängliche

Lob tadelt. An den Staatsrat von Gebler in Wien schreibt Wieland am 19. Mai 1774:

„Unter den Neuigkeiten, die uns die [Leipziger; Anm. L.L.] Messe gebracht hat, nimmt sich ein Versuch über die Romane aus, der uns einen deutschen Home in dem Verfasser entdeckt. Das Seltsamste an der Sache ist, dass dieser Lieutenant mehr Kenntnisse, Geschmack und Kritik hat, als irgend einer von unsern Professoren, Kunstrichtern und Recensenten.“191

5.3 Rezeption der Rezension

Anders als unter Punkt vier muss hier die Wielandsche Rezeption der Rezensionen, also

die Kenntnisnahme und Reaktion, in einem Sonderpunkt geschehen. Der Grund ist

schlicht, dass Wieland in der Folge dieser Ausgabe, anders als bei der ersten Fassung, so

gut wie nicht auf die Kritiken reagierte oder diese überhaupt wahrnahm.192

188 Vgl. Blankenburg, Friedrich von: Versuch über den Roman, Leipzig/ Liegnitz 1774. 189 Ebd., S. 9. 190 Vgl. Ebd., S. 10-19. 191 WBr, V, S. 263. 192 Betrachtet man Wielands Korrespondenz für die Jahre 1772-1777, so zeichnet sich ein Bild, das von Wielands Desinteresse am Agathon-Projekt zeugt. Nach der Veröffentlichung der zweiten Fassung handeln die Briefwechsel zumeist nur von Lieferungs- und Kostenfragen (Vgl. Brief an Auguste von Keller, 23. Juni 1773, in: WBr, V, S. 129; Vgl Brief an Rin, 23. Juni 1773, in: Ebd., S. 130; Brief von Andrea, 4. Juli 1773,

28

Ein Grund hierfür könnte sein, dass Wieland sich der Kritikpunkte durchaus bewusst war.

Betrachtet man die Rezensionen der zweiten Fassung, so fällt vor allem auf, dass alle, mit

Ausnahme der im Journal Auserlesene Bibliothek der neuesten deutschen Litteratur

erschienen, äußert knapp sind.

Fasst man weiter die Kritikpunkte der Rezensionen zusammen, so lässt sich summa

summarum feststellen, dass nicht etwa die Gestaltung, die Bearbeitung des Stoffes oder der

Inhalt des Romanes beanstandet werden, sondern vor allem die fehlenden aber

versprochenen Zusätze, nebst einzelner sprachlicher Korrekturvorschläge.

Dass der Agathon – anders als einige oben erwähnte Kritiker oder Jacobis

Pränumerationsanzeige behaupten – mit der Herausgabe der zweiten Fassung noch

fragmentarisch bleiben sollte, bestätigt Wieland im Vorbericht zur dritten Fassung.

Wo er im Vorbericht zur zweiten Fassung die Leser noch auf vermeintliche Zusätze im

Merkur verwies193, da fallen im „Vorbericht zu dieser neuen Ausgabe“ aus dem Jahr 1794

seine Worte deutlicher aus:

„Dies [die Mängel zu beseitigen und das Werk fertig zu stellen; Anm. L.L.] würde denn auch bei der zweiten Ausgabe von 1773 schon geschehen sein, wenn nicht eine abermalige große Veränderung der Lage und Umstände des Verfassers ihn daran gehindert hätte. Die geheime Geschichte der Danae, welche bei dieser Ausgabe hinzu kam, war also […] alles was der Verfasser damals für seinen Liebling tun konnte, und Agathon blieb, wider seinen Willen, über 20 Jahre lang noch immer unvollendet.194

Ohne nun hierdurch für die wohl durch Groß angeregte Abwertung der zweiten Fassung195

und für das spätestens seit Sengle lange fokussierte Primat der ersten Fassung196 eine

Lanze zu brechen, so muss auf den unvollendeten Charakter der Fassung hingewiesen

werden.197

Wieland hat also wohl aus mehreren Gründen nicht direkt auf die Rezensionen reagiert.

Erstens war das Echo der Kritiken größtenteils positiv. Zweitens waren sie zumeist nur

sehr kurz und wenig präzise, weshalb sich darin oft lediglich Allgemeinplätze finden.

Drittens könnte seine hohe Belastung durch die Herausgabe des Merkur, die Arbeit an der

in: Ebd., S. 139). Die darauffolgenden 30 Erwähnungen bis zum Dezember 1777 sind rein nebensächlich und betreffen das Werk weder hinsichtlich dessen Rezension noch der Konzeption. 193 Vgl. A, II, S. 587. 194 A, III, S. 590. 195 Groß schreibt: „Künstlerisch scheint mir nun diese [zweite; Anm. L.L.] Fassung mit ihrer widerspruchsvollen Ungeklärtheit und Uneinheitlichkeit am tiefsten zu stehen.“ (Groß: Entstehungsgeschichte, S. 139.) 196 Sengle postuliert: „Nicht nur für den historischen, sondern auch für den rein künstlerischen Betrachter ist der erste Agathon reizvoller [als die erste und zweite Fassung; Anm. L.L.], denn er ist im Stil einheitlicher und überhaupt als Dichtung wahrer.“ (Sengle: Wieland, S. 202.) 197 Eine reine Bereicherungsabsicht bei der Herausgabe, wie Friedrich Nicolai 1780 Wieland unterstellte, kann hier nicht diskutiert werden. (Vgl. Kurth-Voigt: Zur journalistischen Rezeption, S. 35.) Angemerkt sei hier nur Wielands Brief an Geßner vom 13. Dezember. Er schreibt im Bezug auf die Ausgabe der zweiten Fassung, dass er „endlich wohl auch einmal berechtigt zu seyn, glauben dürfe, mit einem [s]einer Werke einen Versuch zu [s]einem eigenen Vortheile zu machen.“ (WBr, IV, S. 431.)

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Geschichte der Abderiten und seine Tätigkeit als Prinzenerzieher ihm nicht die Zeit

gelassen haben zu reagieren oder die Rezensionen gar zur Kenntnis zu nehmen. Viertens

waren ihm die Kritikpunkte durchaus selbst bewusst und er gedachte ohnehin sich dieser

anzunehmen.

6. Die dritte Fassung: Entstehung, Biographie, Einordnung

„Der Verfasser kann sich selbst mit reinem Bewusstseyn das Zeugnis geben, dass er bey dieser letzten Durchsicht, Verbesserung und Auswahl seiner Schriften mit unverdrossnem Fleiss und strenger Gewissenhaftigkeit zu Werke gegangen ist; und da er also beynahe gewiss ist sie von allen Makeln, quas incuria fudit, befreyt zu haben, so darf er um so eher für diejenigen, quas humana parum cavit

natura, Nachsicht hoffen.“198

Deutlich wird, dass Wieland hier in seinem Vorwort zur ersten Gesamtausgabe seiner

Werke die Abgeschlossenheit unterstreicht. Er hat sich seiner Schriften angenommen,

diese ein letztes Mal korrigiert und bemüht Horaz199 als Entschuldigung für die letzten

Mängel, die er übersehen haben könnte.

Dass die Sämmtlichen Werke mit der dritten und letzten Fassung des Agathon beginnen,

kann nicht verwundern, beachtet man den hervorgehobenen Stellenwert, den der Roman

auch aus Wielands eigener Sicht einnahm. In einem Gespräch mit Friedrich von Matthison

bezeichnet der Biberacher die „Geschichte des Agathon“ als „Archetypon alles dessen was

er je gedacht und geschrieben [hat]“200.

Mit der Umarbeitung des Romans begann Wieland spätestens Ende August 1793 und er

konnte bereits wenige Zeit später am 23. September seinem Leipziger Verleger Göschen

die Vollendung der Revision des Agathon mitteilen, wobei er den Ausbau des Romans

durch die Hinzufügung weiterer Teile ankündigt.201

Am 15. Mai 1794 übersandte Wieland schließlich das letzte Manuskript zu einer neuen

Vorrede für den Agathon an Göschen202 und bereits am zweiten Juli kam der Verlag in

Lieferschwierigkeiten, da sich die Sämmtlichen Werke äußerst gut verkauften.203

Im „Vorbericht zu dieser neuen Ausgabe“ eröffnet der Autor den Lesern, dass „es immer

sein Vorsatz [war], so bald er die dazu nötige Muße und innere Ruhe finden würde, jenen

Mängeln abzuhelfen, und den Agathon demjenigen, was er nach dem ursprünglichen Plane

hätte werden sollen, so nahe zu bringen als ihm möglich wäre“204. Er lässt aber keinen

198 Wieland, Christoph M.: Vorbericht, in: Ders.: C. M. Wielands Sämmtliche Werke, 39 Bde. und 6 Supplement-Bde., Bd. 1, Leipzig 1794–1811, S. III-VIII, hier: S. VIIf. 199 Das Originalzitat lautet: „Verum ubi plura nitent in carmine, non ego paucis offendar maculis, quas aut incuria fudit aut humana parum cavit natura.“ (Hor., ars, Z. 351-353.) 200 Starnes, II, S. 354. 201 Vgl. Ebd., S. 319. 202 Vgl. Ebd., S. 351. 203 Vgl. Ebd., S. 360. 204 A, III, S. 590.

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Zweifel daran, dass „doch der Verfasser selbst am besten [wusste], was ihm fehlte und

warum es fehlte“205.

Die Hinzufügungen, die sich neben sprachlichen und stilistischen Änderungen finden, sind

neben der neuen Vorrede206 ein Besuch des Hippias bei Agathon im Gefängnis von

Syrakus207 und schließlich die lange erwartete Vervollständigung der Philosophie des

Archytas208.

Das Gefängnisgespräch der beiden Philosophen, die hierin nochmals ihre gegensätzlichen

Grundsätze erläutern, ihre Systeme rechtfertigen und Maximen vorschlagen, hinterlässt

den Leser ohne eine tatsächliche Auflösung dieser das Werk zu weiten Teilen

bestimmenden Aporie zu liefern. Weder das System des Hippias wird schlechthin

widerlegt, noch gelingt es dem Sophisten Agathon für sich einzunehmen. Die Szene endet

damit, dass Agathon in seinem Denken bestärkt mit leichtem Herzen zurückbleibt und

Hippias „eben so vergnügt und frohen Mutes als er gekommen war“209 ihm zum Abschied

die Hand reicht.

Die zweite wesentliche Neuerung ist das die Tarenthandlung ergänzende 16. Buch. Hier

erfährt der Leser Genaueres über Archytas und Agathon selbst. Dialogisch besprechen

beide eine von Agathon verfasste Biographie seiner selbst, woraufhin sich eine Darstellung

der Lebensweisheit des Archytas anschließt, im Zuge welcher der Leser nicht nur die

Philosophie des Tarentiners genauer kennenlernt, sondern auch dessen Lebensweg. Der

derart gestaltete Ausbau der Tarenthandlung zeichnet sich vor allem durch die

Rekonstruktion und die Reflexion der Vergangenheit aus, beantwortet bislang noch offene

Fragen und er versucht

„die Lücken, die den reinen Zusammenhang der Seelengeschichte Agathons bisher noch unterbrochen hatten, zu ergänzen, […] dem moralischen Plane des Werkes durch den neu hinzugekommenen Dialog zwischen Agathon und Archytas […] die Krone aufzusetzen, und vermittelst alles dieses das Ganze in die möglichste Übereinstimmung mit der ersten Idee desselben zu bringen“.210

Was waren nun aber die Begleitumstände, die Wieland in die Lage setzten, sein

mittlerweile über 25 Jahre dauerndes Projekt zur ihn zufriedenstellenden Vollendung zu

bringen?

Am 3. September 1775 hatte Herzog Carl August die Regierungsgeschäfte übernommen

und Wielands Tätigkeit als Prinzenerzieher nahm damit ein Ende.211 Durch die Erhöhung

205 Ebd. 206 Vgl, A, III, S. 589-591. 207 Vgl. Ebd., S. 600-621. 208 Vgl. Ebd., S. 736-778. 209 Vgl., Ebd., S. 621. 210 Ebd., S. 591. 1800 erweiterte Wieland das Buch noch um „Agathon und Hippias. Ein Gespräch im Elysium“. Auf diese in Wielands Attischem Museum erschienene Reflexion wird nicht näher eingegangen. 211 Vgl. Manger: Wielands Leben, S. 10.

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seiner Pension und unter der Bedingung in Weimar zu bleiben, konnte der Herzog

schließlich Wieland und mit ihm den Merkurs dort halten, wo der Biberacher in regem

Austausch mit verschiedenen Schriftstellerkollegen wie Goethe oder Herder stand. 212

Im Allgemeinen bleibt festzuhalten, dass die folgenden Jahre Wielands sehr arbeitsreich

waren, in denen er sich zwar vordergründig aus dem öffentlichen Leben zurückzog,

allerdings dank seiner regen Korrespondenz mit zentralen Figuren des europäischen Welt-

und Geistesgeschehens in Kontakt blieb.213

Wielands Arbeiten hier waren von mannigfaltiger Art. Neben der Herausgabe des Merkurs,

auf den er sich verstärkt konzentrieren konnte, Übersetzung lateinischer Autoren und der

Mitherausgabe der Allgemeinen Literatur-Zeitung, entstanden auch Romane wie „Die

Geschichte der Abderiten“ oder „Peregrinus Proteus“, die wiederum durch seine

Übersetzungstätigkeiten beeinflusst wurden und deutlich machen, wie eng verzahnt

Wielands verschiedene Tätigkeiten waren.214

Dieses im Idyll der heimischen Geborgenheit praktizierte Schaffen wurde erst durch ein

Geschehen von Weltbedeutung unterbrochen: die Französische Revolution. Ihre

Ausgangslage, ihr Verlauf und schließlich ihre Eskalation beschäftigten den Denker von

1788 an sehr.215 Wieland verurteilte in den im Merkur erschienenen Aufsätzen die

Revolution nicht schlechterdings, sondern gelangte im Zuge der Kombination seiner

anthropologischen und moralisch-ästhetischen Ansichten zur Überzeugung einer

geschichtlichen Notwendigkeit der vernünftigen, reflektierten und maßvollen

Revolution.216 Zur Bewertung des politischen Schriftstellers können hier nur die Worte

Fritz Martinis bemüht werden: „Wieland bewies mehr politischen Scharf- und Weitblick

als seine jüngeren Gefährten in der Weimarer Klassik.“217

Genau in diese publizistische Tätigkeit, die sicherlich nicht bei allen Zeitgenossen

Wielands mit Freude aufgenommen wurde und ihm Kritiker bescherte, aber wohl

gleichzeitig seine ohnehin schon große Bekanntheit weiter förderte, fiel der Plan einer

Ausgabe der Sämmtlichen Werke.218 Im Zuge dieser Unternehmung entstand die dritte

Fassung des Agathon.

212 Vgl. Ebd., S. 10f. 213 Vgl. Jørgensen/ Jaumann/ Mc. Carthy/ Thomé: Epoche-Werk-Wirkung, S. 96f. 214 Vgl. Manger: Wielands Leben, S. 12f. 215 Vgl. Jørgensen/ Jaumann/ Mc. Carthy/ Thomé: Epoche-Werk-Wirkung, S. 115. 216 Vgl. Wieland, Christoph M.: Meine Antworten. Aufsätze über die Französische Revolution 1789-1793, hrsg. von Fritz Martini, Marbach am Neckar 1983, S. 144. 217 Ebd. 218 Am 14. April 1792 erhält Wieland von Göschen den Vertragsentwurf. (Vgl. WBr, XI/1, S. 226.) Am gleichen Tag noch sendet Wieland den Vertrag unterschrieben zurück. Unter den aufgeführten Zeugen findet sich übrigens Friedrich Schiller. (Vgl. Ebd., S. 227) Die Einverständnis zur gemeinsamen Unternehmung gab Wieland bereits am 26. Dezember 1791. (Vgl. Ebd., S. 189).

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Dass sich mit dem Erscheinen derselben nichts an der Grundthematik der

epochengeschichtlichen Dilemmata, den aus der Unvereinbarkeit der Grundlagen der

zeitgenössischen Moral- und Gesellschaftsphilosophien geborenen Widersprüchen

zwischen zentralen Kategoriesystemen einer sich im Soge monumentaler

geistesgeschichtlicher Umbrüche befindlichen Öffentlichkeit, änderte, bestätigte Wieland

in einem Brief an seinen Schwiegersohn Karl Leonhard Reinhold vom 18. September

1793: „Mich beschäftigt seit 14 Tagen die Revision des Agathon; aus welchem ich mit //

angenehmer Surprise ersehe, daß ich schon vor 25 Jahren eine Art von Kantischer Filosofie

in herba im Schooß meiner Seele herum trug. An dem Inhalt dieses Werks kann und darf

ich nichts, oder doch nichts beträchtliches verändern […].“219

Der bestimmende Widerstreit eines Jahrhunderts, das sich aus gesellschafts-

philosophischen Diskursen einen Rahmen zu konstituieren versuchte, ist in Wielands

Roman durch die widersprüchlichen Ethoi des Agathon und des Hippias dargestellt. Die

dritte Fassung erweitert schließlich den Roman um das vermeintlich Auflösung

versprechende, bisherige tertium non datur der Lebensweisheiten des Archytas, wobei

diese wiederum keine Lösung des Konflikts bereitstellt.

Nach meiner Ansicht gilt somit für Wielands Roman – ohne ihn hiermit als Vorgänger

Wilhelm Meisters zu bezeichnen – die Feststellung Georg Lukács’, wenn dieser schreibt:

„Der Umfang der Welt [wird] durch den Umfang der möglichen Erlebnisse des Helden begrenzt und ihre Masse durch die Richtung, die sein Werdegang auf das Finden des Lebenssinnes in der Selbsterkenntnis nimmt, organisiert; […] die diskret-heterogene Masse von isolierten Menschen, sinnesfremden Gebilden und sinnlosen Begebenheiten [erhält] eine einheitliche Gliederung durch das Beziehen jedes einzelnen Elementes auf die Zentralgestalt und das von ihrem Lebenslauf versinnbildlichte Lebensproblem.“220

Der Agathon vermittelt durch seinen unauflösbaren, auf individuelle Leserreflexivität

weisenden Widerspruch das Scheitern einer „erträumte[n] Heimat“221 und fordert zugleich

zur selbsttätigen Überwindung der „transzendentalen Obdachlosigkeit“222 auf.

7. Die Rezension als Einflussfaktor auf die Gestaltung des Werkes?

Was lässt sich nun also angesichts der Ergebnisse dieser Untersuchung über die Genese

von Christoph Martin Wielands „Geschichte des Agathon“ sagen? Wurde sie in ihrer

Entstehung durch den zeitgenössischen Rezensionsdiskurs beeinflusst? Festzustellen gilt

vor allem, dass auf dem Gebiet – auf dem diese Studie ansetzte, also hinsichtlich der

inhaltlichen Erweiterungen – kein Einfluss der Rezensionen auf Wieland auszumachen ist.

219 WBr, XII/1, S. 54. 220 Lukács, Georg: Die Theorie des Romans. Ein geschichtsphilosophischer Versuch über die Formen der großen Epik (Sammlung Luchterhand; Bd. 36), Neuwied [u.a.] 1971 [1920], S. 70f. 221 Ebd., S. 49. 222 Ebd., S. 32.

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Eine tatsächliche Anregung für Hinzufügungen, die der Agathon erfuhr, ist keiner der

Kritiken zu entnehmen und ein Großteil der zusätzlichen Kapitel wurden von Wieland

zumeist bereits angekündigt oder selbst angedacht.

Worauf die „literarische Öffentlichkeit“ sicherlich einen Einfluss ausübte, waren der

Erzählton, die Sprache sowie der Stil und die Bereinigung kleinerer inhaltlicher

Ungereimtheiten. Wohl wird die durch die Kritiken erzeugte Stimmung, die oft nachhaltig

eine Vervollständigung im Sinne der Nachlieferung versprochener Kapitel forderte, auch

einen gewissen Ansporn für weitere Fassungen dargestellt haben.

Eine genauere Untersuchung der vorgeschlagenen kleinteiligen Änderungen, sowohl vom

Rezensent als auch aus der Korrespondenz Wielands, verspräche im Übrigen sicherlich

interessante Ergebnisse zu liefern.

Dass die Rezensionen offensichtlich keinen Einfluss auf die Metaebene der Formation des

Romans hatten, lässt aber durchaus weitere anregende Schlüsse ex negativo zu.

Erinnert man sich der eingangs angesprochene Frage zur Modernität Wielands, so lässt

sich die Aussage von Walter Erhart, Wieland sei nie modern gewesen, im Bezug auf den

Megatrend der „literarischen Öffentlichkeit“ überprüfen und präsentiert eine

zweischneidige Situation.

Wieland war zwar aktiver Teilnehmer dahingehend, dass er selbst Herausgeber und

Verfasser von Rezensionen war, allerdings scheint die Rückwirkung des Megatrends, also

eine Rezeption, wenngleich sie stattgefunden hat, keine Auswirkungen auf ihn gehabt zu

haben. Wieland war also als handelnder Zeitgenosse nicht schlechthin antimodernistisch.

Was Wielands eigene Einschätzung zur „Geschichte des Agathon“ und ihrem Fortwirken

betrifft, so lässt sein Brief an Karl Leonhard Reinhold vom 18. September 1793 Schlüsse

zu:

„Wie ich ihn [den Agathon; L.L.] nun der Nachwelt übergebe, schmeichle ich mir, ihr ein gutes, schönes und korrektes Werk zu hinterlassen, das, wofern es auch mein einziges wäre, mich doch mit dem Troste nicht unnützlich für die Menschen gelebt zu haben, aus der Welt gehen ließe. Wenn auch alle 25 Jahre nur ein junger Mensch den Agathon mit der gehörigen Empfänglichkeit u Disposizion ließt, so bin ich zufrieden und kann mir billiger Weise nichts mehrer wünschen; denn gewiß muß und wird er diesem Einzigen, und durch diesen Einzigen // seiner ganzen Generazion wohlthätig seyn.“223

Ob Wielands Agathon nun heute modern oder nicht ist, kann ob unseres schwer greifbaren

Zeitgeistes hier nicht entschieden werden. Was der Roman aber ungeachtet von Modernität

vermittelt, ist die überzeitliche Aufforderung an jeden Leser: Γνῶθι σεαυτόν224

223 WBr, XII/1, S. 54. 224 Dieses Motto, das ursprünglich als Inschrift auf dem Apollotempel in Delphoi prangerte, ist durch Cicero ins Lateinische überliefert. (Vgl. Cic., Tusc., I, XXII, 52.). Erstmals im Griechischen überliefert den Gedanken Heraklit (Vgl. Büchmann, Georg: Geflügelte Worte. Der Zitatenschatz des deutschen Volkes, 30. Auflage, Berlin 1961, S. 464.). Archytas bezieht sich im Agathon darauf (Vgl. A, III, S. 750.).

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