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Schriften der Straßburger Wissenschaftlichen Gesellschaft in Heidclberg Neue Folge 8. Heft Der Kaiser als Mal'Oschall des Papstes Eine Untersuchung zur Geschichte der Beziehungen zwischen Kaiser und Papst im Mittelalter von Rollert Holtzmann 1928 WALTER DE GRUYTER & CO. VORMALS G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG - J. GUTTENTAG, VERLAGS- BUCHHANDLUNG - GEORG REIMER - KARL J. TRÜBNER - VEIT & COMP. BERLIN UND LEIPZIG

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Schriftender Straßburger Wissenschaftlichen Gesellschaft in Heidclberg

Neue Folge 8. Heft

Der Kaiserals Mal'Oschall des Papstes

Eine Untersuchung zur Geschichte der Beziehungenzwischen Kaiser und Papst im Mittelalter

von

Rollert Holtzmann

1928

WALTER DE GRUYTER & CO.VORMALS G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG - J. GUTTENTAG, VERLAGS-

BUCHHANDLUNG - GEORG REIMER - KARL J. TRÜBNER - VEIT & COMP.

BERLIN UND LEIPZIG

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Der Kaiser

als Marschall des Papstes

Eine Untersuchung zur Geschichte der Beziehungen

zwischen Kaiser und Papst im Mittelalter

von

Robert Holtzmann

1928

WALTER DE GRUYTER & CO.VORMALS G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG - .T. GUTTENTAG, VERLAGS-BUCHHANDLUNG - GEORG REIMER - KARL J. TRtJBNER - VEIT & COMP.

BERLIN UND LEIPZIG

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Alle Rechte vorbehalten

Druck: Hermann Böblaus Nachfolger, Hof-Buchdruckerei in Weimar.

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Meiner Frau

Lotte, gebt Schwalbe

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Vorwort.

Die vorliegende Abhandlung beruht auf dem Vortrag, den ich am 20. Sep-tember 1927 in Graz auf der 16. Versammlung Deutscher Historiker gehaltenhabe. Sie gibt diesen Vortrag in erweiterter Gestalt und mit dem kritischenApparat versehen wieder.

Es war eine ehrenvolle Freude für mich und eine Herzenssache voll innererBewegtheit, daß ich als Reichsdeutscher in Deutsch-Österreich über diesesThema aus unserer großen gemeinsamen Geschichte sprechen durfte. Volks-tum, Sprache und Geschichte weben das unlösliche Band, das die Brüder vondiesseits und jenseits der Grenze zusammenhäit. Was in einer tausendjährigenVergangenheit uns an Weltgeltung und nationalen Errungenschaften auf jeg-lichem. Gebiet menschlicher Kultur und Gesittung, an Frieden und Kampf, anSiegen und Verlusten, an Freude und Leid zuteil geworden ist, das wird seineKraft bewähren auch in der Zukunft.

Halle a. S.

Robert Holtzmann,

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In hal tsübe r sic ht.Seite

Vorwort VU

1. Die Begegnung bei Sutri im Juni 1155 1

2. Die nachweisbaren Fälle von Stratordienst und Marschalldienst derKönige vor 1155 3

8. Strator- und Marschalldienst nach 1155 9

4. Der Stratordienst vom Januar 754 . 20

5. Wurde der Dienst bis 1155 nur in den wenigen nachweisbarenFällen geleistet? 25

6. Der Marschalldienst vom März 1131 und seine Bedeutung 28

7. Das Verhalten Friedrich Barbarossas und sein Einfluß auf diespäteren Dienste. 35

8. Beziehungen zu Bräuchen des alten Orients und des RömischenKaiserreichs . 40

Exkurs. über die Begegnung bei Sutri 1155 . 44

Ver z e ich n is der besprochenen Zusammenkünfte und einigerStichworte . 50

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1.Das Thema dieses Büchleins bildet eine, im allgemeinen etwas im Ver-

borgenen blühende Episode in dem mittelalterlichen Kampf zwischen Imperiumund Sacerdotium; es scheint an der Zeit, sie etwas mehr ans Licht zu stellenund zuzusehen, ob man nicht doch vielleicht noch einiges daraus entnehmenkann. Unbeachtet ist sie ja auch bisher gewiß nicht geblieben, und selbst dieweiteren Kreise des gebildeten Publikums verbinden mit dem Satz: "DerKaiser als Marschall des Papstes" einen Begriff. Ihnen steigt vor den Augenauf die Gestalt unseres großen Kaisers Friedrich Barbarossa und die Szene aufseinem ersten Römerzug, als er am 8. Juni 1155 in der Gegend von Sutri, eineTagereise vor Rom, zum erstenmal persönlich mit dem Papst zusammentraf:Friedrich, zur Kaiserkrönung heranziehend, weigerte sich, als Papst Hadrian IV.ihm entgegengeritten kam, das päpstliche Pferd am Zügel zu führen und demPapst beim Absitzen den Steigbügel zu halten; das erregte einen großen Sturm,und erst nach zwei Tagen und langen Verhandlungen gab der König nach, daman ihm gesagt und belegt hatte, daß es sich um einen Dienst handle, der seitalters dem Papst zustehe. Diese Szene, in der ein welthistorischer Gegensatzplötzlich eine äußere, greifbare Gestalt gewann, darf ihrer Wirkung auf unbe-schwerte Gemüter immer sicher sein. Der Verfasser erinnert sich sehr wohl,wie sie in seiner Jugend im Geschichtsunterricht geschildert wurde und einengroßen Eindruck gemacht hat, und daß die Schüler es dem mächtigen Herrscherein klein wenig übel nahmen, sich dergestalt gedemütigt zu haben. Freilich,war es wirklich altes Recht, so mochte er sich wohl fügen müssen. Mit gutemGrund hat Rampe uns in der Schilderung Friedrichs den Wahrer, Schirmer undFörderer des Rechts, den Rex iustus des mittelalterlichen Idealbildes in denVordergrund gestellt.t)

Wir verweilen noch einen Augenblick bei dem Hergang von 1155.2) In denlangen Verhandlungen, über denen zwei Tage verstrichen, hat Friedrich sich

1) Karl Hampe, Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer (1909)S. 116 (5. Aufl. 1923); ders., Friedrich Barbarossa und seine Nachfolger, in: Meister der Politik.Bd. 3 (1923), S. 227f.; ders., Herrschergestalten des deutschen Mittelalters (1927) S. 186f. -Vgl. auch Wilhelm v. Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit, Bd. 5, 1.Abt. (1880).S. 4; Alfred Kühne, Das Herrscherideal des Mittelalters und Kaiser Friedrich I. (1898) S. 7ft,45, 49. Was Georg v. Below, Die italienische Kaiserpolitik des deutschen Mittelalters mit be-sonderem Hinblick auf die Politik Friedrich Barbarossas (1927) S. 124f. gegen Hampe vorbringt,trifft den Nagel neben den Kopf, wie er überhaupt das Bild von der Lage des Reichs zur ZeitFriedrichs durchaus verzeichnet hat; vgl. Deutsche Literaturzeitung 1928, Sp. 579ff.

2) über die drei Berichte darüber in Bosos "Vita Hadriani IV.", in den "Gesta" des Albinusund in Helmolds Slawenchronik, sowie über die Literatur, aus der namentlich Giesebrecht undSimonsfeld hervorzuheben sind, s, unten S. 44ff. den Exkurs.

Hol t zm ann, Der Kaiser als MarschaIJ des Pepstee. 1

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schließlich auf Grund von zwei Beweisstücken davon überzeugen lassen, daßder Dienst, den er verweigert hatte, wirklich auf einer althergebrachten Ge-wohnheit beruhe. Die beiden Beweisstücke werden uns genannt. Es waren:1. Ein Bericht der älteren deutschen Fürsten, die noch von der Zusammen-kunft König Lothars Ill. (von Supplinburg) mit Papst Innocenz II. wußten;diese Zusammenkunft hatte 24 Jahre früher stattgefunden, im März 1131 zuLüttich 1), wo danach also Lothar den gleichen Dienst dem Papst geleistet hat.2. "Alte Urkunden" (velera munimenta. = monumenta), die man Friedrich vor-wies, und aus denen mithin ebenfalls das Alter des Brauchs ersichtlich gewesensein muß. Darauf wurde dann noch einmal ein Zusammentreffen zwischenFriedrich und Hadrian in Szene gesetzt, ein richtiges Theater, wie wenn diebeiden sich zufällig begegneten und nun zum erstenmal sähen; denn nur beider erstmaligen Begegnung galt der Dienst damals als fällig. Der König, als erdes Papstes ansichtig wurde, stieg vom Pferde, "erwies ihm freundlich im An-gesicht des Heeres einen Steinwurf weit den Stratordienst (officium siraioris]und hielt ihm kräftig ~den Steigbügel". 2) Das erfahren wir durch einen, indoppelter Gestalt auf uns gekommenen römischen Bericht.

Er "erwies ihm den Stratordienst und hielt ihm den Steigbügel": das istkein ev btu övoiv, besagt nicht etwa dasselbe, sondern man verstand darunterzwei verschiedene Handlungen, wie wir aus den Schriften des Propstes Gerhohvon Reiehersberg") wie auch aus späteren Akten der Kurie 4) unzweideutig

1) Vgl. unten S. 8 mit Anm. 4.2) Bo so bei Louis Duchesne, Le Liber pontificalis (Bibliotheque des ecoles fran~aises

d'Athenes et de Rome, Serie n, nr. 3), Bd. 2 (1892), S. 391: rex Fredericus preceseü aliquantulumet, appropinquante domni pape tentoria, per aliam viam transiens descendit de equo et occurrens ei,quantum iactum est lapidis, in eonspecta exercitus officium etratorie cum iocunditate implevit etstreuquaan fortiter tenuit. - Die mittellateinischen Ausdrücke für Steigbügel sind strepo. (strera,strequa, streuqa}, stape« (stapedium, stapha, staffa} und scandile (scansile); von ihnen bedeutet dererste ursprünglich den Steigriemen, an dem der Steigbügel hängt (vgl. deutsch Strippe, wo deralte Sinn geblieben ist, gegen franz. eirier, span. estribo; auch unten S. 30 Anm, 3. Steigbügel undSteigriemen sind nach Georg Steinhausen, Geschichte der Deutschen Kultur, 2. Auß., Bd. 2(1913), S. 142 bei uns erst seit der fränkischen Zeit im Gebrauch, was mit den Araberkriegendes 8. Jahrhunderts zusammenhängen dürfte. Die Römer bedienten sich einer Reitdecke(ephippium, stratum), bis im 4. Jahrhundert n. Chr., von Nachbarvölkern stammend, der Sattel(sella equestris] eingeführt wurde. Dieser Sattel, in Gallien um Christi Geburt bekannt, hatteaber noch keinen Steigbügel und Steigriemen. Vgl, Pa uly-Wissowa, Real-Encyclopädie, Bd, S.2 (1905), Sp, 2853-57, und 2. Reihe, Bd. 2, 2 (1923), Sp. 131M.

3) Ger h o h von Rei ehe r s b erg, DC investigatione Antichristi c. 72, De quarta vigilianoctis c. 12 (Monumenta Germaniae historica, Libelli de lite Ill, S. 393, 511f.). Vgl. dazu untenS. 11 mit Anm. 2 den Bericht über den Hergang beim Frieden von Venedig.

4) Die Avignoneser Päpste reservierten sich 1.311 und 1355 die beiden Dienstleistungen;vgl. unten S. 16 mit Anm. 1. - Zuerst unterschied die beiden Dienste Wolfgang Michael,Die Formen des unmittelbaren Verkehrs zwischen den Deutschen Kaisern und souveränen Fürsten(1888) S. 45-48, den Gerhard Seeliger bei Georg Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte,2. Aufl., Bd. 6 (1896), S. 250 Anm. 4 zu Unrecht bekämpft. Auch von anderen werden die Dienstevielfach 7.lIsammengeworfen. Richtig Albert Werminghoff, Verfassungsgeschichte der deut-

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belegen können. Das erste war also der Stratordienst ; strator ist der Reit-knecht, und das officium straioris bestand darin, daß der König zu Fuß dasPferd, auf dem der Papst ritt, eine Strecke weit, einen Steinwurf weit in unse-rem Fall, am Zügel führte. Dann folgte das Bügelhalten ; der König half demPapst beim Absteigen, indem er ihm den Steigbügeloder "Stegreif" hielt.Dieses Bügelhalten nennt Gerhoh den Marschalldienst (officium marscalci},Stratordienst und Marschalldienst, be ides wurde 1155 verlangt und geleist<>t.

2.Man wird zunächst fragen, wann und wie oft denn derartige Dienste, wie

sie von seiten des Papstes 1155 unter Berufung auf alte Übung gefordert wordensind, also Stratordienst und Marschalldienst, oder auch nur einer von ihnen,schon früher vorgekommen sind. Die bisherige Forsehung t) hat hier bereitsvorgearbeitet und ist sich wenigstens darin einig, daß die Zahl der Fälle, indenen vorher so etwas festgestellt werden kann, recht gering ist. Es gibt in derTat deren nur vier, zwei aus der Karolingerzeit und zwei aus der deutschenKaiserzeit. nämlich: 1. 754 bei der Begegnung König Pippins mit Stephan n.zu Ponthion in der Champagne, wo Pippin dem Papst einen solchen Dienstgeleistet hat; ähnlich 2. 858 Kaiser Ludwig n. gegenüber dem Papst Nikolaus I.zu Quinto in der Nähe von Rom; 3. 1095 der junge König Konrad (Sohn Hein-richs IV.) bei seiner Begegnung mit Urban n. zu Cremona, und 4. 1131 dieschon erwähnte Zusammenkunft Lothars Ill. mit Innocenz n. zu Lüttich.

Manchmal werden allerdings noch drei weitere Fälle mit mehr oder wenigerZweifel angeführt. Das geschieht indes zu Unrecht. Im Jahr 742 begab sichPapst Zacharias zu dem Langobardenkönig Liutprand, der in Terni in Umbrienweilte, und mit dem er sich damals, als die Franken noch nicht für die päpstlicheHerrschaft in Rom gewonnen waren, verständigen zu können hoffte. Die Papst-vita im "Liber pontiflealis" berichtet von der Zusammenkunfb.t) Der Papst

sehen Kirche im Mittelalter, 2. Aufi. (1913), S. 47. Weniger genau Henry Simonsfeld, Jahr-bücher des Deutschen Reiches unter Friedrich 1. (in den Jahrbüchern der Deutschen Geschichte),Bd. 1 (1908), S. 685; doch vgl, ebd. S. 6S7f.

1) Charles Du Fresne sieur Du C ange in den Noten zu seiner Ausgabe des byzantinischenHistorikers Johannes Cinnamus (1670) S. 470-476, wieder abgedruckt in der Ausg. des CinnnmusvonAugustMeineke (1836, imCorpus scriptorum historiaeByzantinac) 8.366-375; Waitz,Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 6 (1875), S. 193f., 2. Aufl. S. 250f.; Paul Hinschius, DasKirchenrecht der Katholiken und Protestanten in Deutschland, Bd. 1 (1869), S. 211 mit Anm. 7;W. Michael S. 44-51; Anton Diem and, Das Ceremoniell der Kaiserkrönungen von Otto 1.bis Friedrich n. (1894) S. 96£.; Simonsfeld S. 683, 685; Ed uard Eichmann, Kirche und Staat(Quellensammlung zur kirchlichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht, hrsg. von Ed. Eich-mann, Bd. 1 u. 2, 1912 u. 1914), Bd. 2, S. lIOf. Anm. 1.

2) Vita Zachariae, bei Duchesne, Lib. pont., Bd. 1 (1886), S. 427, auch bei JohanncsHaller, Die Quellen zur Geschichte der Entstehung des Kirchenstaates (1907) S. 9: AntI? cuius

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wurde mit Ehrerbietung empfangen, der König erwartete ihn in Terni vor demPortal der Kirche des heiligen Valentinus, hier fand die Begrüßung statt, diebeiden besuchten zusammen die Kirche, dann kehrte Zacharias zu seinenZelten zurück, und dabei hat ihn der König ungefähr eine halbe Meile weit be-gleitet. Von einem Stratordienst oder ähnlichem ist hier in keiner Weise dieRede 1), obgleich doch gerade das Papstbuch, wie wir sehen werden, da, wo erwirklich geleistet wurde, Wert darauf legt, es hervorzuheben. Dieser angeblichälteste Fall eines Stratordienstes ist also ganz gewiß zu streichen. - Nichtanderssteht es mit einem Fall von 816. Papst Stephan IV., nach dem TodLeos In. im Juni 816 in Rom gewählt und geweiht, beschloß alsbald einen Zugüber die Alpen zu Ludwig dem Frommen und wurde im Oktober vor den Torenvon Reims vom Kaiser sehr ehrenvoll empfangen. Hierbei notiert der eineBiograph Ludwigs, daß der Kaiser dem Papst beim Absteigen behülfIich war "):

[ores basilicae [beati Valentini in Teramnensium urbeJ isdem rex [Liutprandus] cum reliquosoptimates et exercitu suo sanctum virum [papam] suscepit, factaque oratiune, mutua salutatione sibiet persolventes, dum divinis eum fuisset commonitus conloquiis, inpensaque carltate ab eadem ecclesiaeqressus, in eius obsequium dimidium [ere miliarium perrexit. Aus diesem Bericht hat man nachdem Vorgang von Ferdinand Gregorovius, Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter, Bd. 2(1859,3. Aufl., 1876, S. 246 Anm. 2), wo sogar vom Steigbügel des Papstes die Rede ist, mehrfachStratordienst herauslesen wollen. Vg!. namentlich Rudolf Baxmann, Die Politik der Päpstevon Gregor 1. bis auf Gregor VII., Bd. 1 (1868), S. 218; Ludwig Oelsner, Jahrbücher desfränkischen Reiches unter König Pippin (1871, in den Jahrbüchern der Deutschen Gesch.) S. 127Anm. 4; Wilhelm Martens, Die Römische Frage unter Pippin und Karl dem Großen (1881)S. 363; Hermann Grauert im Historischen Jahrbuch Bd.4 (1883), S. 82 (zweifelhaft); ErnstMayer in der Deutschen Zeitschrift für Kirchenrecht Bd. 14 (1904), S. 32 mit Anm. 1. Doch kanndavon gar keine Rede sein; vgl. die folgende Anm. - Auch bei dem Empfang des Kaisers Kon-stans n. durch den Papst VitaIian in Rom (663) hatte kein Stratordienst stattgefunden. Vgl.die Vita Vitaliani im Liber pontificalis, hrsg. von Th. Mommsen (Mon. Germ. hist., Gesta ponti-flcum Romanorum, Bd. 1) S. 186 (Duchesne 1,343); GregoroviuB rr, 147f.; Baxmann 1,179.

1) Der Versuch, aus dem Wort ob8equium das officium stratoris zu erpressen, scheitert schondaran, daß Liutprand dann ungefähr eine halbe Meile (d. h. über 700 Meter) weit das Pferd desPapstes geführt haben müßte, während der Stratordienst der folgenden Jahrhunderte nur wenigeSchritte dauerte. Das obsequium filiale (vgl. Werminghoff S. 47) ist die Gefälligkeit, Dienst-beflissenheit, die man dem Haupt der Christenheit schuldet, braucht aber mit Stratordienst gewißnicht verbunden gewesen zu sein und hat an sich nichts mit ihm zu tun. Anderes, wie die demPapst cntgegengesandte Gesandtschaft, entspricht dem 753/54 und bei späteren Gelegenheitengeübten Brauch.

2) Vita Hludowici des sog. Astronomen cap. 26, SS. (= Mon. Germ. hist., Scriptores) Tl,S. 620, Z1.41-43: Ad ultimum imperator miliario a monasierio proceseü sancti confessoris Remiqiiet tamquam beati Petri »icarium honesiissime suscepu, descendentem €qUO excepit et eccle.~iam in.trantem manu propria sustentarit, Der Kaiser half also dem Papst beim Absteigen. Das aber istkein Stratordienst; denn der Strator ging neben dem Pferd her und führte es am Zügel, wie unsdas 754, 858, 1131 und 1155 ausdrücklich beschrieben wird. Aftch Thegan cap. 16, der doch einenziemlich ausführlichen Bericht über dieZusammenkunft hat, weiß nur, daß Kaiser und Papst vomPferd stiegen (SS. n, 594, Zl. 7); vg!. die anderen Berichte bei Johann Friedrich Böhmer,Regesta imperii I, Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern, neu bearb. von Engel-bert Mühlbacher, 2. Aufl., Bd. 1 (1908), Reg. 633a. Irrig also L. Weiland in der Zeitschrift fürKirchenrecht Bd. 22 (1889), S. 309f. Ma x Buchner in den Mitteilungen des Instituts für öster-

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Ludwig "fing den vom Pferd absteigenden auf" {descendenteoi equo excepit).Dies weist auf ein Umfassen oder Stützen des Körpers, nicht dagegen auf einBügelhalten, das zu dieser Zeit, wie wir sehen werden, überhaupt noch nichtvorgekommen. ist, und noch weniger natürlich auf ein Zügelführen : wederMarschall- noch Stratordienst ist 816 geleistet worden. - Etwas anders liegtder Fall von HIl. Da hören wir wirklich von einem Stratordienst, aber ineinem Bericht, der selbst die Unmöglichkeit des Hergangs an die Hand gibt.Heinrich V. zog nach Rom, in der Absicht, sich zum Kaiser krönen zu lassen.Den festlichen Empfang, der ihm hier am 12. Februar bereitet wurde, be-schreibt ein Vierteljahrhundert später Petrus Diaconus in der Chronik vonMontecassino.') Er hält sich dabei zunächst an einen durchaus zuverlässigenpäpstlichen Bericht, nach dem er erzählt, wie der König feierlich inRom einzog,mit Jubel empfangen wurde, vom Pferde stieg, und zu Fuß vor St. Peter ge-

reichische Geschichtsforschung Bd. 34 (1913), S. 536, möchte mit diesem Besuch des Papstesim Frankenreich eine Erweiterung des ursprünglichen Kerns der Konstantinischen Schenkung inVerbindung bringen, veranlaßt durch den Bericht des Ermoldus Nigellus, der bei der damals (dreiTage nach der Begrüßung) erfolgten Krönung des Kaisers durch den Papst von einer KroneKonstantins spricht, sowie vielleicht auch durch diesen angeblichen Stratordienst. Vgl, Histo-risches Jahrbuch Bd. 42 (1922), S. 256f. Anm. 92 und Buchner, Das Vizepapsttum des Abtesvon St. Denis (1928) S. 88, dazu unten S. 21 über Stratordienst in der Konstantinischen Schen-kung. Aber die Fälschung ist zweifellos in ihrem ganzen Umfang älter als 816, und einenStratordienst kann man auch auf diesemWege nicht wahrscheinlichmachen. Nochwenigerdarfan ein Bügelhalten gedacht werden,das, wie sich zeigenwird, erst über drei Jahrhunderte späteraufkommt; auch hiUt ja der, welchereinenAbsitzendenmit den Armenauffängt, nicht den Steig-bügel. - Zur Sache: Bernhard Simson, Jahrbücher des Fränkischen Reichs unter Ludwigdem Frommen (in den Jahrbüchern der Deutschen Gesch.), Bd. 1(1874), S. 68, 72 Anm. 7;Eduard Eichmann in der Zeitschrift der Savigny- Stiftung für Rechtsgeschichte Bd. 33,Kanon. Abt. 2 (1912),S. 5-11; Artur Schönegger in der Zeitschrift für katholische Theo-logie Jg. 42 (1918),S. 549£.; Gerhard Laehr, Die Konstantinische Schenkung in der abend-ländischen Literatur des Mittelalters (Historische Studien, hrsg. von E. Ebering, Heft 166,1926) S. 12f.

1) Petrus Diaconus, Chronioamonasterii Casinensislib. IV, cap. 37 (SS. VII, S. 779, ZI.51his 57): /lUG [am Tor der Stadt Rom] omnis Bomanae urbis cleru« ex pontificis praecepto con-venerat, et eum ex equo desGendentem usque ad sancti Petri gradus cum laudibu» deduxerunt.Cum vero ad 8uperiora graduum ascendisset, iUiG domnu« papa cum episcopis pluribus, cum cardi-nalwus presbyteris et diaconibus, cum 81.Ibdiaconibus et caeteris scolae cantorum ministris affuit.(Quem imperator ut vidit, de equo descendens procidit ad pedes eius, demumque exurgens innomine Trinitatis in are et fronte et oculis ei pacem dedit ac stratoris officium exhibuit.) Moxquedexteram p<mtificis tenens, cum magna populorum gaudio et clamore ad portam pervenit arqenteam,Dieser Bericht wurde, mit Ausnahme des eingeklammerten Satzes, der Eigengut des PetrusDiaconus ist, wörtlich aus der "Relatio registri Paschalls n." entnommen: Const. (= Mon. Germ.hist. Legum sectio IV Constitutiones) Bd, 1, S. 147nr.99, Zl. 31-40; statt des eingeklammertenSatzes hat die Relatio: Ad cuius vestigia cum rex carruis8et, post pedum oscula ad oris 08C1tlaelevaiusest. Ter se invicem complexi, ter 8e invicem osculati sunt. Vg!. dazu Giesebrecht Bd. 3 (1868),S. 1154,5. AufI..(1890), 8.1211; W.Michael S. 45£.Anm. 6; Diemand S. 68; Gerold Meyervon Knonau, Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Heinrich IV. und Heinrich V. (in denJahrbüchern des Deutschen Gesch.) Bd. 6 (1907), S. 152 Anm. 26, 8. 373 Anm. 20. - PetrusDiaconus dürfte diesen Teil seiner Chronik bald nach 1137geschrieben haben; vg!. Heinz Zat-schek im Neuen Archiv Bd. 47 (1928), S. 174fI., besonders S. 183£., 186f!., 207, 212.

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führt wurde, wo der Papst ihn oben auf den Stufen erwartete, und daß Heinrichnun diese Treppe hinanstieg. Dann aber fährt Petrus Diaconus aus Eigenem,zum großen Erstaunen seiner Leser fort: sowie der König den Papst sah,stieg er vom Pferd, fiel ihm zu Füßen und leistete Stratordienst. Es bedarfkeiner Worte über die Unmöglichkeit dieser Darstellung, nach der man an-nehmen müßte, daß Heinrich, der ja längst vom Pferd abgestiegen war, plötz-lich wieder aufgesessen sei, um die Stufen zur Peterskirche hinaufzureiten, unddaß auch der Papst vor dem Portal der Kirche zu Pferd gesessen habe. Die Er-zählung ist nur insofern von Belang, als ihr Verfasser offenbar der Meinung war,daß zu einer erstmaligen Begegnung des deutschen Königs mit dem PapstStratordienst gehöre. Das ist nicht uninteressant, da Petrus Diaconus zwischenden beiden historischen Stratordiensten von 1131 und 1155 geschrieben hat.

Einen wirklich geleisteten Strator- oder Marschalldienst können wir vor1155 also nur viermal nachweisen. Es ist sogar immer nur je eine Quelle, dieuns davon erzählt. Was wir da hören, ist jedoch genug, um einen wesentlichenUnterschied zwischen den drei älteren Fällen von 754, 858 und 1095 und denbeiden folgenden von 1131 und 1155 festzustellen. In den älteren Fällen näm-lich wurde nur das Pferd des Papstes am Zügel geführt, nicht auch der Steig-bügel gehalten; es wurde also nach der Terminologie Gerhohs von Reichersbergnur Strator-, nicht auch Marschalldienst geleistet. Will man den Sinn derHandlungen erkennen, so ist es von Wichtigkeit, vorerst darüber volle Klarheitzu gewinnen und sich das, was wir über den Hergang im einzelnen wissen, ein-mal kurz vor Augen zu führen.

Zunächst die Begegnung von 754. Es handelt sich urn die berühmte ReiseStephans H. ins Frankenreich, das erstemal, daß ein Papst die Alpen über-stiegen hat. Im Spätherbst 753 war er über den Großen St. Bernhard gezogen;am 6. Januar 754 fand das viel besprochene.'}, verheißungsvolle Zusammen-

1) Aus der Literatur seien genannt: Oelsner S. 127f.; Leop. v. Ranke, Weltgeschichte,Bd. 5, 2 (1884), S. 29; Gustav Richter, Annalen der Deutschen Geschichte im Mittelalter,Bd.2, 1 (1885), S. 3f.; W. Michael S. 45; Albert Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands,Bd. 2 (1890),S. 19f., 3./4. Aufl. (1912),S. 20; Wilhelm Sickel in der Deutschen Zeitschrift fürGeschichtswissenschaft Bd. II (1894), S. 319f., 331ff.; WiIhelm Gundlach, Die Entstehungdes Kirchenstaates (1899) S. 36f., 74ff.; J oh. Haller in der Historischen Zeitschrift, Bd. 108(1912),S. 44f., 63ff.; Erich Caspar, Pippin und die RömischeKirche (1914)S. 12ft.; HeinrichGünter in: Forschungen Und Versuche zur Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit, Fest.schrift Dietrich Schäfer dargebracht (1915) S. 8f.; E. Eichmann in d. Ztschr. d. Sav..Stiftg.Bd. 37, KA. 6 (1916),S. 143ff., und im Hist. Jahrbuch, Bd. 37 (1916), S.426£.; Peter Rassowin der Zeitschrift für Kirchengeschichte Bd, 36 (1916), S. 499£.; A. Brackmann in den Göt-tingischen gelehrten Anzeigen, Jg. 180 (1918),S. 402ff.; Kar! Heldmann in den Mitt. d. Inst.f. österr. Geschichtsf. Bd. 38 (1920), S. 541ff.; Wilhelm Levison in der Historischen Viertel.jahrschrift Bd. 20 (1920/21), S. 330ft und in Gebhardts Handbuch der Deutschen Geschichte,6. Aufl., Bd. 1 (1922), S. 215f.; Karl Rodenberg, Pippin, Karlmann und Papst Stephan 11.(Hist. Studien, hrsg. von Ebering, H. 152, 1923),S. 5ff., 26f. - Die Quellenüber die Zusammen.kunft stellt Böhmer-Mühlbacher Reg. 73f. zusammen.

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treffen mit König Pippin zu Ponthion bei Vitry-en-Perthois statt. Die Papst-vita im "Liber pontificalis" berichtet darüber.") Pippin, der den Papst bis da-hin noch nie gesehen hatte, ist ihm entgegengezogen und stieg, als Stephanherangeritten kam, vom Pferd, warf sich in großer Demut zu Boden und gingdann als Strator (vice etratoris) eine Strecke weit neben dem Zelter des Papstesher, d. h. er führte das Pferd am Zügel. - Erst ein Jahrhundert später, 858,hören wir wieder etwas derartiges. Kaiser Ludwig n., der Sohn Lothars I. undUrenkel Karls des Großen, war schon vorher mehrfach mit Päpsten zusammen-gekommen; aber von Stratordienst verlautet dabei nichts, so wenig wie beiKarl dem Großen, seinen Söhnen und Enkeln. Im April 858 ist in Rom, inAnwesenheit Kaiser Ludwigs n., Nikolaus I. zum Papst gewählt worden.")Darauf begab sich Ludwig in die Umgebung, nach Quinto an der alten ViaFlaminia (nördlich von Rom), hier suchte ihn der Papst nochmals auf, und beidieser Gelegenheit, so erzählt wiederum die Papstbiographie im "Liber ponti-ficalis" 3), eilte der Kaiser ihm entgegen und führte zu Fuß das Pferd desPapstes einen Pfeilschuß weit am Zügel; ja später beim Abschied hat er dasgleiche noch einmal getan. Also ein zweimaliger Stratordienst bei der gleichenZusammenkunft, was durchaus singulär ist. Im übrigen wird man jedochfeststellen dürfen, daß die beiden sich zwar damals nicht zum erstenmal ge-sehen haben, daß es aber doch der erste Besuch des einen beim anderen gewesenist, das erstemal, daß sie von verschiedenen Orten aus zusammenkamen, wohldas erstemal, daß auch der Papst zu Pferde war, und somit die erste Gelegenheit

1) Vita Stephani n., bei Duchesne, Lib. pont. I, 447; Haller, Quellen 8.19; HeinrichGünter, Die römischen Krönungseide der Deutschen Kaiser (Kleine Texte für Vorlesungen undÜbungen, hrsg, von H. Lietzmann, Heft 132, 1915), 8. 3 nr. la: Ipeeque [Pippinus rex] inpalatio suo in loco, qui vocatur Pontioone, ad fere trium milium spatium descendens de equo suo, cum'T1Iß{/'1W humilitate terrae prostratus, una cum sua coniuge, filiis et optimatibus, eundem sanctissimumpapam 8U8cepit, cui et vice 8tratoriB usque in aliquantum locum iuxta eiue sellarem properavit. -Man darf wohl annehmen, daß die 8elf4riB (ein mit einem Reitsattel versehenes Pferd) des Papstesein Paßgäuger (Zelter) gewesen ist. Daß es ein weißes Pferd war, wird in späteren Fällen ver-schiedentlich hervorgehoben; mehrfach dürfte unter equus ein Maultier zu verstehen sein.

2) Philipp Jaff e, Regesta pontifieum Romanorum, 2. Aufl. von 8. Löwenfeld, F. Kal-tenbrunner, P. Ewald (2. Bde. 1885/88), Bd.l, S. 342; Gregorovius, 3. Auß. (wie im folgendenimmer), Bd. 3 (1876), S. 122f.; Ernst Dümmler, Geschichte des Ostfränkischen Reiches (in denJahrbüchern der Deutschen Gesch.), 2. Aufl., Bd. 2 (1887), S. 52£.; Hauck, 3./4. Aufl., Bd. 2,8. 549; Ernst Pereis, Papst Nikolaus 1. und Anastasius Bibliothecarius (1920) S. 24ff.

3) Vita Nicolai 1., bei Duchesne, Lib. pont. n, 152: J;;xcellentiBsimus quem (papam) cumvidisset augustus, obvius in adventum eius occurrit, frenumque cesar equi pontificis suis mamibu«apprehendens, pedestri 7TWre,quantum saqiuae wctus extenditur, tTaxit . . . [Der Kaiser begleitetden Papst, als dieser nach dem Gottesdienst zurückreitet.] Ad quendam quidem cum peroenissesuspaciosi8simum itineris locum, imperator equo descendit equumque pontificis itcrum, ut supra memi-nimus, tTaxil. Vgl. Gregorovius Ill, 123; Baxmann, Bd. 2 (1869), S. 2; Dümmler n, 53;PereIs S. 26. - Quinto, wo sich die Kirche des hlg. Leucius befand, und wo noch heute die RuineTorre di Quinto steht, lag beim 5. Meilenstein, auf der Via Flaminia, etwas rechts vom Tiber,2 km nordöstlich vom Ponte Molle, 6 km von der Peterskirche.

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zu einem Stratordienst, den Ludwig H. dem neuen Papst leisten konnte.Und nun der dritte Fall: weit über zwei Jahrhunderte später, 1095. Konrad, derälteste Sohn Kaiser Heinrichs IV, 1087 zum König gekrönt und nach Italiengesandt, hier 1093 durch die päpstliche Partei zum Abfall vom Vater gebracht,traf im April 1095 zu Cremona zum erstenmal mit dem Papst - es war Ur-ban n. - zusammen. Darüber lesen wir in einem Bericht, den eine, der päpst-lichen Kurie entstammende Feder aufgezeichnet hat, die kurze Notiz "), daß derKönig dem Papst entgegengegangen ist und ihm Stratordienst (stratorisofficium) geleistet hat. Meyer von Knonau in den "Jahrbüchern der DeutschenGeschichte" sagt2): "Er ging dem Papst bei der Ankunft entgegen und hieltihm den Steigbügel." Das ist aber unrichtig. Der Ausdruck stratoris officiumist zweifellos im strengen Sinn zu verstehen: Konrad führte das Pferd desPapstes am Zügel, etwas anderes ist bis dahin überhaupt noch nicht vor-gekommen.

Damit schließt die erste Periode des Stratordienstes. 36 Jahre später fandder Lütticher Tag statt. Lothar von Supplinburg war bis dahin noch nie miteinem Papst zusammengetroffen. Die römische Doppelwahl von U30 stelltedie Christenheit vor eine verantwortungsvolle Entscheidung. Innocenz H., dereine der beiden Erwählten, aus Italien vertrieben, bat selbst den deutschenKönig um die Zusammenkunft"}, und es war ein Aufsehen erregendes Ereignis,als er dann am Sonntag Oculi, dem 22. März ll3l, wirklich in Lüttich, wo Lotharweilte, seinen Einzug hielt. Über den Empfang, der ihm hier bereitet wurde,berichtet ziemlich ausführlich Suger in seiner Lebensbeschreibung KönigLudwigs VI. von Frankreich i), und es ist sehr wahrscheinlich, daß der berühmte

1) Kurialer Bericht, Const. I, 564 nr. 394: Anno dom, inc. 1095, indictione tertia, 4. IdusAprilis, veniente dommo papa Urbano Cremonam, rex Chuonradus II. obviam pro cedens stratorisofficio usus est. Danach Bernold in seiner Chronik (SS. V, 463, Zl. 10£.): Ohonradus rex, filiusHeinrici, domno papae Urbane Cremonam venienti obviam progreditur eique stratoria officiumexhibuit 4. Id. Apr. Vg!. über die Quellen Giesebrecht Ill, ll36 (5. Aufl., S. 1189); RichterBd. 3, 2 (1898), S. 435f. mit Note d.

2) Meyer vonKnonau, Bd.4 (1903), S. 449; ähnlich auch Heinrich Gerdes, Geschichtedes Deutschen Volkes und seiner Kultur im Mittelalter Bd.2 (1898), S. 298.

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Richtig Giese-brecht Ill, 642 (5. Autl., S. 665): "ergriff die Zügel des Zelters". 0

3) Philipp Jaffe, Geschichte des Deutschen Reiches unter Lothar dem Sachsen (1843)S. 95f.; Giesebrecht, Bd. 4 (1875, 2. Aufl. 1877), S. 61; Wilhelm Bernhardi, Lothar vonSupplinburg (1879, in den Jahrbüchern der Deutschen Gesch.) S. 343.

4) Suger, Gesta Ludovici regis eognomento Grossi cap. 31, brag. von A. Molinier in SS.XXVI, 58, Zl. 5-11, von dems. in der Collection de textes (Vie de Louis le Gros par Suger, 1887)S. 119: Cui [papae] cum imperator Loherius civitate Leodii, cum magno archiepi8coporum et epi-scoporwm. et Theuthonici regni optimatum collegio, celeberrime oceurrieset, in plaiea ante epi8copalemecclesiam humillime seipsum siratorem. oijerens, pedes per medium sancte proceesionis ad eum festinat,alia manu virgam ad defendendum, alia frenum albi equi accipiens, tanquam dominum dedw;ebat.Descendente vera iota stacione, eum suppodiando deportans, celsitudinem. paternitatis eius noiis etignotia clarifiawit. Die Gerte wird auch 1177 erwähnt: vg!. unten S. II Anm. 2. KarI Josephv. Hefele, Conciliengescruchie 2. AufI., Bd. 5 (1886), S. 412, sieht in ihr zu Unrecht ein "Symbol

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Abt von St. Denis sich selbst im Gefolge des Papstes befunden hat.') Lotharerwartete den Papst an der Spitze einer stattlichen Versammlung auf demPlatz vor der Kathedrale. Hier "stellte er sich ihm (mich den Worten Sugers)demütigst als Strator zur Verfügung, eilte zu Fuß mitten durch den heiligenZug zu ihm, ergriff mit der einen Hand eine Gerte, um die Menschen abzuwehren,mit der anderen den Zügel des weißen Pferdes und geleitete den Papst wie seinenHerrn". D. h. also, er leistete Stratordienst; und bis hierher bietet die Schilde-rung nichts besonders Neues. Doch nun folgt noch ein Satz: "Als aber der ganzeZug von den Pferden abstieg, da hob der König den Papst, unten am Fußtrittstützend, herunter (eum suppodiando deportans) und machte so aller Welt dieHoheit seiner Vaterschaft bekannt" (d. h. er machte dadurch bekannt, daß diesder wirkliche Heilige Vater sei). Das Verbum suppodiare kommt von podium =

Tritt, Standort des Fußes, womit in unsrem Fall nur der Steigbügel gemeintsein kann. Es ist mithin kein Zweifel, daß damals, 1131, nach dem Strator-dienst tatsächlich auch der Marschalldienst, das Steigbügelhalten, geleistetworden ist2); und jene "älteren Fürsten" von 1155 hatten sonaoh recht, als sieihrem König Friedrich Barbarossa versicherten, daß Lothar dem Papst denStratordienst und das Steigbügelhalten geieistet habe. Über 1131 hätte manfür den zweiten Teil dieser Dienstverrichtung freilich nicht hinaufgehen können.

3.Ehe wir uns der tieferen Bedeutung der beiden in Rede stehenden Dienst-

leistungen zuwenden, müssen wir noch eins fragen: wie verhält es sich dennnach dem Jahr 1155 mit ihnen ~ Die Antwort lautet, daß die Dinge nach1155 ein völlig anderes Aussehen zeigen. Hat vor 1155 der König nur sehrselten den Stratordienst (zuletzt mit Marschalldienst) verrichtet, nachweisbarin den vier Jahrhunderten seit 754 nur gerade viermal. so wird das nach 1155eine häufige und in keiner Weise mehr in die Augen fallende Sache. Gleich

der Verteidigung der Kirche"; ebenso ders., Ristoire des eonciles, übers. von R. Lec lerc q, Bd. 5,1(1912), S. 690. Vg!. auch die Stäbe von 1417, unten S. 18.

1) Otto Cartellieri, Abt Suger von Saint-Denls (Hist. Studien, brsg. von Ebering,H. 11, 1898) S. 29.

2) Richtig Giesebrecht IV, 64 (2. Aufl., S. 63£.); auch Gerdes, Bd.3 (1908), S.591, undRampe, Kaisergesch. S. 97 ("Marschalldienste"). J affe S. 97 und Bernhardi S. 356 geben dassuppodiare nur allgemein durch Hilfe beim Absteigen wieder. Andere reden überhaupt nur vomZügeHühren und lassen das suppodiare ganz unter den Tisch fallen. So v. Hefele a. a. 0.; Rauck3./4. Aufl., Bd. 4 (1913), S. 147; I. Jastrow und Gg. Winter, Deutsche Geschichte im Zeitalterder Rohenstaufen, Bd. 1 (1897), S. 334; Richter, Annalen In, 2, 670f. Note a. -Unglüeklich isthier W. Michaet S. 46, 48, der für Lüttich 1131 nur Zügelführen anerkennen will, das Bügel.halten Lothars aber, das er wegen der Aussage der älteren Fürsten von 1155 nicht leugnet, auf dieZusammenkunft von Calcinaja 1133 (vor Lotbars Kaiserkrönungj verweist. Unklar SimonsfeldS. 683f., 6S5 Anm. 27.

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Friedrich Barbarossa hat 1160 zu Pavia bei der feierlichen AnerkennungViktorsIV. diesem ohne jedes Bedenken Strator- und Marschalldienst geleistet 1),recht ostentativ sogar; galt es doch wiederum, der Welt zu zeigen, welches derwirkliche Heilige Vater sei. Umgekehrt haben die Könige von Frankreich undEngland (Ludwig VII. und Heinrich lI.), die Alexander Ill. anerkannten, zweiJahre darauf diesem an der Loire bei Chouzy gemeinsam als Stratoren gedient,indem der eine zur Rechten, der andere zur Linken den Zügel des päpstlichenPferdes führte 2); und das, obgleich beide den Papst schon vorher gesehenhatten. Und einige Monate später, im Februar 1163, hielt der französischeKönig dem Papst auch den Bügel, als Alexander nach Paris kam, um ihm eineProzessionsrose zu überreichen.") Schon begann man sogar, anderen hohen

1) Rundschreiben der Synode von Pavia (Febr. 1160),hrsg. von L. Weiland in Const. I,268£.;vonM.Doeberl, MonumentaGermaniae Selecta, Bd. 4 (1890),8.175; auch bei Ra hew inlib. IV, cap. 80 (Ottonis et Rahewini Gesta Friderici I. imperatoris, hrsg. von G.Waitz und B. vonSimson in den Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarumex Mon.Germ.hist., 3. Aufl.,1912, S.334): Ibi [an der Kathedrale von Pavia] religio8i88imu8 imperator ante ianuas aecclesiaeeum suscepi: et descendenti de equostrepamhumilitertenuit. Dazu Rahewin lib. IV, cap. 78 (a. a. 0.,S. 328): Dious quoque imperator coneuetam: ci reverentiam et stratoris officium sicut C01!8tantinusbeato Silvestro humiliter pro foribus aecclesiae exhibuit. Der Verweisauf Konstantin (vgl, untenS. 21) zeigt, daß Rahewirrkeineswegsnur das Rundschreiben der Synode kannte, sodaß dasBügelhalten (das niemals auf Konstantin zurückgeführt wordenist) durch das Rundschreiben, dasZügelführendurch Rahewin belegt wird. - Vg!.Hermann Reuter, GeschichteAlexandersIll.und der Kirche seiner Zeit, 2. AuH., Bd. I (1860), S. 121; Hefele V, 587= Hefele-LeclercqV, 2 (1913),S. 938; Giesebrecht V, 1 (1880), 8.251; W. Michael S. 48; Jastrow-WinterI, 509.

2) Ro bertus de Mon te, Cronica (SS.VI, 512Zl. 51-54): Exinde parvo spacio interiectotemporis Ludovicus rex Franeorum et Henricus rex Anglorum super Ligerim apud Cociacum con-venientes Alesandrum papam Romanum honore congruo susceperun: et usi officio stratorie, peditesdextra levaque frenum equi ipsius tenentes eum usque ad preparatum papilionem perduxerunt. -Vgl.R. Pauli, Geschichtevon England, Bd. 3 (1853),S. 29; Reuter I,227; Giesebrecht V, 1,S. 344; Hugo Reichel, Die Ereignisse an der Saone im August und September des Jahres 1162(1908) S. 93. Die Szene fand Ende Sept. 1162 statt; gelegentliche Zweifel an der Nachrichtberuhen auf einer falschen Deutung des Ortsnamens. Daß nicht nur der Kaiser, sondern auchFürsten und geringere Personen dem Papst damals Strator- und Marschalldienst leisteten, istunten 8. 28f. noch zu erörtern.

3) Boso bei Duchesne, Lib. pont. Il, 408 (auch bei I. M. Watterich, Pontificum Roma-norum vitae, 2 Bde. 1862,H, 393): Adveniente autem quadragesima, papa colloquium ha~itu~ adParisiensem. civitatem acceseit. Set antequam. civitatem ipsam intraret, rex tamquam V~T ~'U8 etmitis cum baronibu« et militibus suis per duas leugas ei occurrit. Quo viso stati-n: deBcen~tt et adstreugam ipsius festinanter C01!currens humiliter deosculatus est pedes ipsius et stattm ad ortS osculacum aUectione fuit receptu8. Vgl. Reuter I, 283. - Die geweihte goldene Rose, später auchTugendrose genannt, wurde vom Papst alljährlich am "Rosensonntag" (Laetare) vergeben; daswar 1163am 3. März. Vgl. den OrdoRomanus XI § 36bei J 0 h. Mabi 110 n, MuseumItalicumBd. 2 (1689), S. 135; dazu auch andere Ordines, so XII § 17 (ebd. S. 176)und XV § 48 (cbd.S.470-72). Der Ordo XI ist vor 1143verlaßt (ebd. S. 118), der Ordo XII stammt,von demKämmerer Cencius, dem späteren Papst Honorius Ill. (1216-27), der Ordo XV von Petrll~Amelii de Brenaco, Bischof und Präfekt der vatikanischen Bibliothek im letzten Viertel des14. Jahrhunderts. Doch Q.indauch in den späteren Ordinesältere Vorlagenbenützt. Vgl. Bern,hardi, Lothar 8.357; Joseph Kösters, Studien zu MabillonsRömischen Ordines (Diss.der

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Kirchenfürsten die gleiche Ehre zu erweisen. Als Heinrich n. von England imJuli ll70 bei Freteval in der Gegend von Vendöme eine trügerische Aus-söhnung mit Thomas Becket, dem flüchtigen Erzbischof von Canterbury, voll-zog, diente er diesem in ähnlicher Weise, indem er ihm beim Aufsteigen denBügel hielt.!) Und ebenso wurde 1177 der Friedensschluß Friedrfch Barbarossasmit Alexander Ill. zu Venedig symbolisiert. Nach beendotem Gottesdiensthalf der Kaiser dem Papst beim Aufsteigen aufs Pferd, indem er ihm den Bügelhielt; dann wollte er den Stratordienst anschließen und das Pferdeine Streckeweit am Zügel führen, aber der Papst war nun auch freundlich und nahm denWillen für die Tat.") Man erkennt aus all dem, wie der Brauch rasch zu einerziemlich häufig und ohne Bedenken geleisteten Ehrenerweisung geworden ist;

Univ. Freiburg ,i. B., Münster i. W. 1905) S.49, 54ft.,77ft. Urban V. gab 1368 die Rose an Jo-hanna 1. von Neapel; Etienne Baluze, Vitae paparum Avenionensium, n. Aufl. von G. Mollat,Bd. 1 (1914), S. 366. Später erhielt zweimal (1418 und 1452) auch der Deutsche König dieLaetare-Rose; s. unten S. 19 Anm. I und 5. Vgl. Neudecker-Zöckler in der Realencyklo-pädie für protestantische Theologie und Kirche, 3. Aufl., Bd. 17 (1906), S. 143f.

l) Thomas Becket in einem Brief an Alexander Ill.; Materials for the history of ThomasBecket, hrsg. von J. C. Robertson (Rerum Britannicarum medii.aevi scriptores Nr. 67), Bd, 7(1885), S. 332: Cum ergo equo desilien.s me humiliarem ad pedes eius [Heinrici regis], ille arreptoscansili me coegit aseendete. Dazu Wilhelm v. Canterbury, Vita S. Thomae lib. I, cap. 77(Materials Bd. 1, 1875, S. 84): Dumque diu sermonem conserereni, archiepiscopus subito equo de.scendens pedem regis osculaturus apprehendit. IUe pariter humilitate exhibita festinan.s desiliit interram, apprehensoque stapho arehiepiscopum equo imponens: Decet, ait, maiori minus dignum [amu-lari. Auch Wilhelm Fitzstephen, Vita S. Thomae cap. 107 (Materials Bd. 3, 1877, S. Ill):Ascensuro praehu it obsequium, orbem tenens, quo pes eius dexter teneretur. Rad u If von Die e t 0 inseinen Ymagines historiarum, die wieder von anderen ausgeschrieben wurden, hat den Vorgangsogar verdoppelt; Opera hrsg. von WiIliam Stu b bs (Rer. Brit. SS. Nr. 68), Bd. 1 (1876), S. 339:Cum autem rex et archiepiscopus seceseissetü in partem bisque descendissent et bis aecendiesent, bisstapham rex tenuit arehiepiscopo. - Vgl. Pauli Ill, 82; F. I.Buß, Der heili~e Thomas (1856),S. 606; Reuter, Bd. 2 (1860), S. 512. Freteval liegt am Loir, oberh. von Vendöme.

2) Boso bei Duchesne, Lib. pont, U, 440: Decantata itaque misea, eius [papae] dextramapprehendit imperator et extra ecclesiam usque ad album eaballum elm conduxit, et streuguam sibifortiter tenuit. Cum autem frenum aeciperet et stratoris officium vellet implere, pontifex, quia iterusque ad mare nimis videbatur prolixum, pro facto habuit, quod aUeetuose voluit exhibere. Manbeachte, wie deutlich hier die beiden Dienste unterschieden sind! Schon vorher, beim Eintrittin die Markuskirche, hatte übrigens der Kaiser dem Papst mit einer Gerte den Weg gebahnt,ähnlich wie Lothar 1131, und auch das war ein Teil des Stratordienstes. So berichtet ein Augen-zeuge, der Erzbischof Romuald von Salerno (SS. XIX, 453, Zl. 3-18): Imperator autem, uthumilitatem, quam corde eoneeperat, opere demon.straret, sumto stratoris officio, pallium deposuit,manu virgam accepit, laicos de choro expulit et papae ad altare solemn iter et processionaliter venientiviam tamquam ostiarius preparavit ... [Dann nach Verlassen der Kirche:] Cumque equum 8uumalbum [papa] de more vellet ascendere, imperator ex alia parte accedens, stremm eius tenuit, et post-quam equum a.scendit, ipsum aliquantulum stratoris more per freni lora deduxit, quem papa bene-dicen.s ad Mspitium redire permisit. Offenbar nahm also Romuald den Versuch Friedrichs, daspäpstliche Pferd zu führen, für ausgeführt. - Vgl Reuter, Bd. 3 (1864), S. 307; W. MichaelS. 49; Giesebrecht, Bd. V, 2 (1888), S. 838£.; J astrow·Winter I, 56lf. Die "Relatio de paceVeneta" (SS. XIX, 463, Zl. 7, auch Bullettino dell' Istituto storico Italiano No. 10, 1891, S. 15:imperator V€1Cstreviam illius tenuit) bringt den Hergang zu einem falschen Tag; vg!. G iese brecht.Bd. 6 (1895), S. 543f.

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und auch die mannigfachen Veränderungen in der äußeren Form, der Strator-dienst bei Begegnungen, die keineswegs die erstmaligen sind, das Bügelhaltenbeim Aufsitzen und gegenüber anderen geistlichen Herrn, zeugen von derschwindenden Bedeutung und beginnenden Auflösung des alten Brauchs.

Die weitere Entwicklung behielt die eingeschlagene Richtung bei. Vorallem wurde der Marschalldienst (fürs erste ohne den Stratordienst) jetzt ein-fach ein Teil des bei der Kaiserkrönung angewandten Zeremoniells. Er fandAufnahme in den sogenannten 2. Ordo des Cencius (eine genaue Ordnung desHergangs bei der Kaiserkrönung) ; und die alte, von Pertz begründete Ansicht,wonach dieser Ordo zu derKaiserkrönung Heinrichs VI. von 1191 gehört unddas damals zur Anwendung gekommene Zeremoniell enthält, dürfte trotzneuerer Hypothesen durchaus zu Recht bestehen.') Nach diesem Ordo verlassen

1) G. H. Pertz in Mon. Germ. hist., Leges II S. 187ff. (die Stellen über den Marschall-dienst S. 192, Zl. 4Of., 47£.). Ältere Drucke nennt Diemand S. 148 Nr. 10. Neuer: Le Liberoensuum de I'eglise Romaine, hrsg. von Paul Fabre und L. Duchesne (Bibliotheque des ecolesfrancaises d'Athenes et de Rome, Serie n, nr. 6) Bd, 1 (1910), S. 6*; Eichmann, Kirche undStaat I, 87£. Hier heißt es, nach Beendigung der kirchlichen Feier: Cum dominu« papa veneritad equum, imperator teneai stapham, et coronetur et intret in processionem • . . Quibus linitis im.perator descendit et tenet stapham, domino papa deecendenie, deposita prim corona. Derjenige, demdie Krone hier auf- und abgesetzt wird, ist der Papst (was mehrfach verkannt wurde). Der Kaiserhatte bei der Dienstleistung die Krone auf dem Haupt. - Aus der reichen Literatür über denOrdo und seine zeitliche Ansetzung nenne ich: Giesebrecht, 5. Auti., Bd. 2 (1885), S. 665f.,688f.; Theodor Toeche, Kaiser Heinrich VI. (1867, in den Jahrbüchern der Deutschen Gesch.)S. 186f. Anm. 3; G. Waitz, Die Formeln der Deutschen Königs. und der Römischen Kaiser.Krönung (1872, aus den Abhandlungen der GeselIsch. d. W. zu Göttingen) S. 54; Ernst Stein-dorff, Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Heinrich Ill. (inden Jahrbüchern der DeutschenGesoh.), Bd. I (1874), S.315f. Anm. I; J 0 s, Schwarzer in den Forschungen zur deutschen Ge-schichte Bd. 22 (1882), S. 172-193; Diemand S. 13-18, 35-38; Seeliger bei Waitz VG.2. Aufi. VI, 233f. Anm. 4; Joseph Braun, Die liturgische Gewandung im Occident und Orient(1907) S. 457 Anm. 4; Eichmann in Ztschr. d. Sav.·Stiftg. Bd. 33, KA. 2, S. 13-30, ebd. Bd. 37,KA.6(1916), 8.152, 175f., 179f., imHist. JahrbuchBd.39 (1919), S. 715-23; ders. in: Festschrift,Sebastian Merkle gewidmet (1922)S. 84f., 9lf. Anm. 18; der S.,Der Kaiserkrönungsordo CenciusH.,in: Miscellanea Franeesco Ehrle Bd. 2 (Studi e testi Bd. 38, 1924); Heinrich Günter, DieKrönungseide der deutschen Kaiser, in der Schäfer-Festschrift (oben S. 6 Anm. 1) S. 10-20;Eva Sperling, Studien zur Geschichte der Kaiserkrönung und .Weihe (Diss. Freiburg i.B. 1918)S. 16-19, 44f.; Gerda Bäseler, Die Kaiserkrönungen in Rom und die Römer (1919) S. 109.Die Ansetzung des Ordo zu 962, für die Diemand und namentlich Eichmann einget~ten sind,ist völlig unmöglich und beweist einen erstaunlichen Mangel an dem, was man FingerspItzengefühlin der Forschung nennen kann. Schon Waitz bemerkte mit Recht, daß der Tenor der Formel inkeiner Weise der Zeit der Fränkischen Kaiser entspreche. Und nun gar dem 10. Jahrhundert!Der Ordo gehört in eine Zeit, wo das Bügelhalten nicht mehr bei der ersten Begegnung zwischenKönig und Papst üblich war, also nach 1155; der damalige Konflikt wäre ja undenkbar, wenn dasBügelhalten nachher bei der Krönung doch zu leisten gewesen wäre. Dagegen stimmt alles auf!!beste zu H91, der Ausdruck electm imperator, der zuerst 1187 gebraucht worden ist (HermannBloch, Die staufischen Kaiserwahlen und die Entstehung des Kurfürstentums, 1911, S. 18), dieGemahlin, der Papst C. und anderes. Der Ordo stellt eine Art Programm der Kurie dar; ob ergenau so ausgeführt wurde, kann man mit Günter, Eva Sperling u. 8. bezweifeln (vgl. auchWerminghoff 45 Anm. 2) und dazu auf den angegebenen Tag (die dominico] verweisen; denndie Kaiserkrönung Heinrichs VI. fand am Ostermontag statt.

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13Kaiser und Papst nach der Kaiserkrönung die Peterskirche, begeben sich zu denbereitstehenden Pferden, und hier steigt zunächst der Papst auf, wobei derKaiser ihm den Bügel hält; dann geht es in langer Prozession zum Lateran, undda dient der Kaiser dem Papst beim Absteigen abermals am Bügel. Also einzweimaliger Marschalldienst, auf den man damals bei dieser Gelegenheitoffenbar mehr Wert legte als auf das Zügelführen.') Es ist nicht mehr die ersteBegegnung zwischen König und Papst, an die der Dienst geknüpft wird, wohlaber die erste Gelegenheit, bei der der gekrönte Kaiser ihn dem Papst erweisenkann. So war der Hergang also 119l; so wahrscheinlich wieder 1209 bei derKaiserkrönung Ottos IV., wo wenigstens das Bügelhalten beim Aufsteigendurch Arnold von Lübeck ausdrücklich verbürgt ist2); so vermutlich auchbei der Kaiserkrönung Friedrichs n. 1220, über die uns freilich alle näherenBerichte fehlen.s) Und so konnte um die gleiche Zeit Eike von Repgow im erstenArtikel des Sachsenspiegels den Brauch, wonach der Kaiser dem Papst zu be-stimmter Zeit den Stegreif zu halten hat, als eine Satzung buchen '); er siehtin ihm ein äußeres Zeichen dafür, daß die beiden Häupter der Christenheit sichim Bedarfsfalle gegenseitig ihre Hilfe zukommen lassen sollen. Und in denBilderhandschriften des großen Rechtsbuchs ist die Szene auch bildlich wieder-gegeben.")

1) Wohl weil es der auffälligere und der sachlich notwendigere der beiden Dienste war; derPapst brauchte zum Reiten keinen Zügelführer, wohl aber beim Auf- und Absteigen einen Bügel-halter. Jedenfalls paßt es sehr gut zum Ordo Cencius n., daßArnold von Lübeck zu 1209 nur vonBügelhalten spricht (s, die folgende Anm.).

2) Amold von Lübeek, Chronic a Slavorum lib. VII, cap. 19 (SS. XXI, 249, Zl. 25-27):Cum igieur ventum fuiaset ad equos, imyerator non immemor apostolice rererentie, que exhibenda estipsorum vicario fideli et reverendo pape Innocentio, strepam ipsius devote apprekendit. - Vgl.Eduard Winkelmann, Philipp von Schwaben und Otto IV. von Braunschweig (in den Jahr-büchern der Deutschen Gesch.), Bd. 2 (1878), S. 201; W. Michael S. 49; Diemand S. 32f.;Achille Luchaire, Innocent IIl., Bd 3: La papaute et l'empire (1906) S. 240; Eichmannin KA. Il, 32-34.

3) Eduard Winkelmann, Kaiser Friedlich n. (in den Jahrbüchern der Deutschen Gesch.)Bd. I (1889), S. BI; vg!. auch W. Michael S. 50. Zu Unrecht nehmen Winkelmann S. 109 undDiemand S. Ilf., 22 an, daß ein Ordo von 1220 bei der Krönung Heinrichs VII. 1312 als Vorlagegedient habe; vg!. dagegen unten S. 14f. Anm. 3.. Daß bei der Krönung von 1220 wieder der OrdoCencius Il. zugrunde gelegt wurde, ist um so wahrscheinlicher, als Ja eben Cencius damals Papst(Honorius IlL) war.

4) Eike von Repgow, Sachsenspiegel, Landrecht Buch I, Art. 1 (Des Sachsenspiegelserster Teil oder das Sächsische Landrecht, hrsg von K. G. Homeyer, 3. Ausg., 1861, S. 153;KarI Zeumer, Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung, 2. Aufl., 1913,S. 59): Deme pavese is ok gesat, to ridene to bescedener tiet up eneme blanken perde, unde de keieerBai ime den stelJerep holden; dur dae de sade! nicht ne winde. Vg!. Hans Fehr in der Ztschr. d.Sav.-Stiftg. Bd. 37 (1916), Germ, Abt. S. 29; E. Eichmann im Hist. Jahrbuch Bd. 38 (1917),S. 721-24. - Der Satz des Sachsenspiegels ging dann auch in den Deutschenspiegel Art. 1 undin. den Schwabenspiegel Landrecht Vorw. über. Der Spiegel deutscher Leute, hrsg. von J uliusFlcker (1859) S. 35; Der Schwabenspiegel, brag. von F. L. A. Frhr. v. Laßberg (1840) S. 5.

5) Die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, hrsg. von Ka r l v. Amira, Bd. 1(1902), Tafel 7 und Beilage; vgl. Bd. 2, Teill (1925), S. 137f. Auch an anderen Orten finden sich

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Nach dem Jahr 1220 ist es bekanntlich über zwei Jahrhunderte lang zukeiner, durch den Papst persönlich vollzogenen Kaiserkrönung mehr gekommen.Doch sind die Dienste, von denen hier die Rede ist, deswegen durchaus nicht inVergessenheit geraten, und man besann sich jetzt auch wieder darauf, daß derHerrscher des "römischen" Reichs nicht nur den Bügel zu halten, sondern auchden Zügel zu führen habe. Wilhelm von Holland, der deutsche König vonPapstes Gnaden, hat im April 1251 seinen mächtigen Schirmherrn Innocenz IV.zu Lyon besucht. Nicht bei der ersten Begegnung, aber bei einem großen Volks-fest vor der Stadt, am Gründonnerstag, wo der Papst im Freien predigte, hatWiIhelm ihm damals "nach Sitte der Könige" beim Aufsteigen den Bügel ge-halten und das Pferd am Zügel geführt, was offenbar der Schluß- und Höhe-punkt der Veranstaltungen sein sollte.") Freilieh hat man durchaus den Ein-druck, daß bei diesem Akt der armselige Pfaffenkönig, der am gleichen Tag eineBestätigung seiner Würde aus der Hand des Papstes entgegengenommen hatte,mehr geehrt war als der mächtige Herr der Christenheit, der sich die Huldigungseines Geschöpfes gefallen ließ! Der Dienst am Bügel ist außerhalb der Krö-nungszerernonie seitdem nicht mehr verrichtet worden (soweit wir erkennenkönnen).

Erst ein Vierteljahrhundert später kam es wieder zu einer Begegnung desPapstes mit einem deutschen König: Gregor X. und Rudolf von Habsburgtrafen sich im Oktober 1275 zu Lausanne und nahmen hier fürs nächste Jahrdie Kaiserkrönung in Auseicht.t) Ein Strator- oder Marschalldienst scheintdamals weder gefordert noch geleistet worden zu sein. Dagegen wurde für dieKaiserkrönung ein genaues Programm ausgearbeitet und hierbei, unter aller-hand Änderungen der zuletzt üblichen Ordnung, nun auch ein MarschaU- undStratordienst vorgesehen, die Wiederholung des Marschalldienstes dagegenfallen gelassen.3) Aus der Kaiserkrönung Rudolfs ist bekanntlich nichts ge-

Reproduktionen des Bildes, z. B. bei Hans Fehr, Aus deutschen Rechtsbüchern (VoigtländersQuellenbücher,Bd. 33, 1912)S. 5, 34.

1) NicolausvonCurbio,VitaInnocentii IV., cap. 30, bei Etienne Baluze, Miscellanea,n.Aufl.v. I. D. Mansi Bd. 1 (1761),S.201 (auch bei L. A. Muratori, Rerum Italicarum ~c.riptoresnI, 1S.592t): Rex Alamaniae christianissimus Guillelmus ... , ut moris est requm, tenuü staUam eiu«[papae] et ipsum pariter adextravit. DasVerbum addextrare (von dexter, also: zur rechten Seitenebenhergehen)wird sehr häufig im Sinnevon Zügelführengebraucht. Zur Sache: J. F. Böhmf'r,Regesta imperii V., Die Regesten des Kaiserreichs 1I98-1272, neu hrsg. von Juli us Fickerund Eduard Winkelmann (3 Bde 1881-1901), Reg. 5033d; Otto Hintze, Das KönigtumWilhelms von Holland (1885) S. 44; Johann Loserth, Geschichte des späteren Mittelalters(1903)S. 125; Hauek, Bd. 5, 1 (l911), S. 5.

2) J. F. Böhmer, Regesta imperii VI., Die Regesten des Kaiserreichs 1273-1313, neuhrsg. von Oswald Redlich, 1. Abt. (1898),Reg. 438b-442. Vg!. J. E. Kopp, GeschichtedereidgenössischenBünde, Bd. 1 (1845), S. 119ff.; Ottokar Lorenz, Deutsche Geschichte im 13.und 14. Jahrhundert, Bd. 2 (1867),S. 58ff.; O. Redlich, Rudolf von Habsburg (1903)S. 192ff.

3) Hierher gehört nämlich ohne Zweifel der Ordo, auf den ClemensV. 1311 zurückgriff,gedruckt u. a. von Pertz in Mon. Germ. hist., Legesn, 531, Zl. 36, -533, Zl. 32; Weiland in

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15worden. Aber derOrdo von 1275 blieb in Zukunft für die feierliche Handlungder Krönung des Kaisers maßgebend. Danach hat der gekrönte Kaiser nachdem Verlassen der Petcrskirche dem Papst beim Aufsteigen den Bügel zu haltenund sein Pferd eine kleine Strecke weit am Zügel zu führen; dann besteigt erdas eigene Pferd, und nun geht der Zug nicht mehr den weiten (und bei derAufsässigkeit der Römer gefährlichen) Weg zum Lateran, sondern nur bis zurKirche S. Maria in Traspontina, die noch innerhalb der Leostadt, nahe derEngelsburg gelegen war.") Hier gaben sich Kaiser und Papst den Abschiedskußund trennten sich, "nach demKörper, nicht nach dem Herzen", wie uns der Ordoversichert. Die beiden nächsten im Einvernehmen mit dem Papst veranstal-teten Kaiserkrönungen (Heinrich VII. 1312, Kar! IV. 1355 - diejenige Lud-wigs des Bayern 1328 scheidet hier selbstverständlich aus -) sind von Kardi-nälen vollzogen worden, da der Papst in Avignon weilte; und hierbei hatzuerst

Const:IV, 1 (1906). S. 609-11; Eichmann, Kirche und Staat Il, 79-82. Ganz ähnlich lautendie drei, von Diemand S. 126-134 und S. 134-142 und von Eichmann in Ztschr. d. Sav .. Stiftg.33, KA. H. 37-42 gedruckten Ordines, die freilich zu jenem wie untereinander einige Variantenaufweisen. Alle diese Ordines bringen am Eingang den charakteristischen Titel rex in [Roma-norum] imperatorem. electus, der einen bemerkenswerten Unterschied gegenüber dem OrdoCencius H. aufweist (oben 8.12 Anm. 1) und frühestens der Zeit Innocenz' Ill. angehören kann;vgl. Bloch S. 38. Man hat sich verschiedentlich Mühe gegeben, die Ordines zu den Krönungenvon 1209 und 1220 aufzuteilen, und einige von ihnen, da es doch mehr als zwei sind, als "Privat.arbeiten" bezeichnet; vgl. Diemand S. 22-34, Eichmann in KA. n, 32ft. Auch Emil Michael,Geschichte des deutschen Volkes, Bd. 1 (1897), S. 283, Bd. 6 (1915), S. 139 stellt einen entsprechen.den Ordo zu 1209 und läßt Bd. 6, S. 266 denselben Ritus 1220 wiederholen. In Wahrheit dürftennur verschiedene Formen oder Entwürfe des Ordo von 1275 vorliegen; denn die Ordines sindVorschläge oder Programme und geben keine Gewißheit für wirkliche und genaue Ausführung(vgI. oben S. 12 Anm. 1). Als sicher darf angenommen werden, daß 1275 bei den Verhandlungenüber die Einzelheiten der Kaiserkrönung auch über einen zugrunde zu legenden Ordo gesprochenwurde, und daß Clemens V., als er 1311 die alte Krönungsordnung hervorsuchte, sich an einenOrdo von 1275 und nicht an einen älteren hielt. Drei der in Rede stehenden Ordines ziehen dieMöglichkeit, daß auch die Königin gekrönt werden soll, in Betracht, ohne Gewißheit darüber zuhaben, was gut zu 1275 stimmt. Daß der vierte (Eichmann in KA. Il, 37ft.) den Passus über dieKönigin nicht hat, könnte für ihn mit Eichmann an 1209 denken lassen, ist aber ebensogut ausden Arbeiten und Möglichkeiten von 1275 zu erklären, und man wird angesichts des mehr zuCencius H. stimmenden Berichtes bei Arnold von Lübeck von 1209 besser absehen. Daß derOrdo bei Diemand S. 134ff. aus einer Abschrift von 1276 stammt (ebd. S. 29). paßt gleichfallszur Zuweisung zu 1275. - Die Stelle über die Dienste des Kaisers lautet in allen vier Ordinesfast gleich: Missa finita pontificalem benedictionem recerenter accipiat et statim procedat tpreeedatDiemand S. 132) ad locum, ubi debet 8ummU8 pontifex equitare, ut cum ipse pontifex (summu.qpont: Eichmann. KA. H, 42) equum ascenderit, teneat stapedium seile eius et. arrepto [reno, ali-quantulum ipsu'ln adextret (arr. Jr. ipsum adeatret usque ad principium riae sacrae, ebd. vielleichtein Forderung, die auf Wunsch des Königs fallen gelassen wurde).

1) Die Kirche S. Maria in Traspontina oder Transpadina (Crespedim bei Eichmannin KA. H, 42 ist nur eine verderbte Form) lag nach Ausweis des Ordo Cencius n. neben dem sog."Terebinthus Neronis", einem Bauwerk in der Nähe der Engelsburg und der Porta Collina(Posterula eastelli S. Angeli). Vgl. Carl Bunsen bei Ernst Platner, C. Bunsen, Ed. Gerbard undWilh. Röstell, Beschreibungder Stadt Rom, Bd.2, 1. Abt. (1832), S. 32f., 40; Gregorovi UB IV,56, 607f.; Diemand S. 53. 95f.; Köstcrs S. 49; Eichmann im Hist .• Jahrbuch Bd. 4fi (1925),S.28-34.

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Clemens V. vor der Krönung Heinrichs VII. entschieden, daß das Bügelhaltenund Zügelführen nur dem Papst persönlich, nicht seinem Stellvertreter zu ver-richten sei 1), und dem hat sich Innocenz VI. 1355 angeschlossen, so daß beidiesen beiden Krönungen also Marschall- und Stratordienst in Wegfall kamen.Der volle Ordo konnte erst zur Anwendung gebracht werden, wenn wi~der ein-mal ein Papst persönlich den Kaiser krönte. Das aber hat erst im 15. Jahr-hundert wieder stattgefunden.

Außerhalb der Krönung ist freilich schon Karl IV. mehrmals mit demPapst zusammengetroffen. Er hat im April 1346 Clemens VI. und im Mai-Juni1365 Urban V. in Avignon besucht"), ohne daß wir dabei von einem Strator-oder Marschalldienst etwas hören. Das erstemal war Karl allerdings noch nichtDeutscher König; es handelte sich bei der Zusammenkunft von 1346 ja geradeum die Vorbereitungen seiner Wahl. Aber das zweitemal wäre so gut wie 1251zu Lyon Gelegenheit gewesen. Man erkennt eben auch hier, wie die festenRegeln bei dem ganzen, zu einer bedeutungslosen Zeremonie herabsinkendenBrauch im Schwinden waren. Denn zum mindesten vom Zügelführen kann manandererseits auch nicht sagen, daß es jetzt bereits auf das Zeremoniell derKaiserkrönung beschränkt war. Nicht nur daß der Papst sich von allerhandanderen Personen damals gelegentlich Stratordienst leisten ließ.3) Auch

1) Leges Il, 534 = Const. IV, 613: Processus autem eiusdem imperatoris ad locum, ubisummus pontifex equitare deberet, et detentio stapedii seile eius et, arrepto freno, equi, cui Romanuspontifex insideret, adextratio officiique stratoris exhibitio, quia soli Romano pontifici Competuntetpresenciam ipsius exigunt corporalem, omictantur omnino. Vgl. W. Michael S. 50. Der Papstbezieht sich hier auf die, oben S. 15(14 Anm.3) zitierte Stelledes Ordovon 1275und erläutert dieadextratio durch officium stratoris; beides bezeichnet den gleichen Dienst. Ganz dieselbe Anord-nung traf dann 1355 Innocenz VI. J. F. Böhmer, Regesta imperii VIII., Die Regesten des ,Kaiserreichs unter Kaiser Karl IV., brag. von Alfons Huber (1877) S. 508 Reg. 46; IohannesPorta de Annoniaco, Liber de coronatione Karoll IV. imperatoris, cap. 14, hrsg. von R. Salomon(1913,in den Scriptores rer. Germ. in usum sohol.)S. 32. Vg!.Emil Werunsky, Der erste Römer-zug Kaiser Karl IV. (1878) S. 109 Anm. 2. - Bei der unter besonderenUmständen vollzogenenKaiserkrönung Ludwigs des Bayern 1328sind derartige Dienste gar nicht in Betracht gekommen.

2) Böhmer-Huber S. 2lf. Reg. 227a-232, S. 338f!. Reg. 4170a-4176. Vg!. E. We-ru nsky , GeschichteKaiser Karls IV. und seiner Zeit, Bd. 1 (1880),S. 407ft., Bd. 3 (1892),S. 322ft.

3) Stratordienst (Zügelführen, ohne Bügelhalten) wurde dem Papst in den Jahren von 1254bis 1305 in vier Fällen geleistet. 1.) Okt. 1254 durch Manfred, Fürsten von Tarent, währendInnocenz IV. über die Gariglianobrücke bei Ceperano ins Königreich Sizilien einritt. Nicolausvon Curbio cap. 41, bei Bu.luze-Mans i I, 205, bei Muratori Ill, 1 S. 592; Nicolaus von Jamsillabei Muratori VIII, 512D, auch in Cronisti e scrittori sinoroni Napoletani, brag. v. Giuseppe DelRe, Bd. 2 (1868), S. 124. Vg!. Karl Rodenberg, Innocenz IV. und das Königreich Sizilien(1892) S. 195; August Karst, Geschichte Manfreds vom Tode Friedrichs n. bis zu seiner Krö-nung (1897)S. 26; Loserth S. 141. - 2.) Aug. 1294durch König Kar! II. von Neapel und seinenSohn Kar! Martell, Titularkönig von Ungarn, als Coelestin V. auf einem Esel seinen Einzug inAquila hielt, wobeiKarI zur Rechten, Karl MarteHzur Linken des Papstes schritt. Opusmetricumdes Kard. Jacobus Gaietani Stefaneschi, in den Monumenta CoeIestiniana, hrsg. von FranzXaver Seppelt (1921)S. 58 v. 55. VgL Theodor Lindner, Deutsche Geschichte unter denHabsburgern und Luxemburgern, Bd. 1 (1890), S. 109; Hans Schulz in d. Ztschr. f. Kirchen-geschichte, Bd. 17 (1897),S. 372. Ein angeblicher nochmaliger Stratordienst der Könige nach der

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Karl IV. hat diesen einen Teil der Ergebenheitsbezeugungen bald darauf in spantanem Impuls verrichtet. Urban V. war 1367, dem Wunsch des Kaisers folgend,nach Rom zurückgekehrt; im folgenden Jahr trat Karl seinen zweiten Römer-zug an, Urban ging ihm bis Viterbo entgegen, dann eilte der Kaiser vorausnach Rom, und hier hat er am 21. Oktober 1368 dem Papst einen feierlichenEmpfang bereitet: er erwartete ihn an der Engelsburg, bei der alten PortaCollina, stieg bei seiner Ankunft vom Pferd und leistete ihm ohne vorherigeVerabredung, nach eigenster Eingebung, Stratordienst, indem er den ZelterUrbans bis zur Peterskirche, also diesmal keineswegs nur eine ganz kleineStrecke weit, am Zügel führte.') Ein großer Teil der Römer hat darüber ge-

Krönung Coelestins(29.Aug.),wobeider Papst auf einemweißen Pferd geritten sei, ist unhistorisch(nachdemfolgendenkonstruiert). Ihn erwähnt 1619LeliusMarinus deMaleo,Acta Sanctorum Maii,Bd. 4 (1685), S. 518. Ebenso dann W. Drumann, Geschichte Bonifacius VIII. (2 Bde. 1852)I, 10; Schulz S.378. - 3.) Jan. 1295durch dieselben beiden Könige nach der Krönung Bonifaz'VIII. in Rom. Jacobus Gaietani S. 101v. 213-218. Vgl, Drumann I, 20; Loser t h S. 208. _4.) Nov. 1305durch die Grafen Karl von Valois (Bruder König Philipps des Schönen von Frank-reich) und Johann n. von der Bretagne, jener zur Rechten, dieser zur Linken des Papstes Cle-mens V., als er nach seiner Krönung zu Lyon auf einem weißen Maultier von der Kirche nachseinem Palast zog, wobei der Graf der Bretagne und mehrere andere Personen durch eine ein-

. stürzende Mauer ums Leben kamen. Fortsetzung des Wilhelm von Nangis, im Recueil deshistoriens des Gaules et de la France, Bd. 20 (1840), S. 592 DIE; Flores historiarum, hrsg, vonHenry Richards Luard [Rer. Brit. med. aevi scriptores 95], Bd 3 (1890), S. 126f. (auchSS. 28, S. 502); Chronographia regum Francorum, hrag. von H. Mor anv il le, Bd. 1 (1891),S. 176. Vg!. Georges Lizerand, Clement V. et Philippe IV. le Bel (These Paris 1910)S. 48.Neben dem Papst schritt damals auch ein 8cutifer, sodaß wir also kein Recht haben, in einemähnlichen 8cutifer von 1383 (Theoderici de Nyem De scismate libri tres, hrsg. von Georg Erler1890, S. 58) einen Strator zu sehen. - Manfred und die Könige von Sizilien und Ungarn warenLehnsleute des Papstes, und JacObU8Gaietani S.102 v. 219-222 will den Stratordienst von 1295ausdrücklich mit der päpstlichen Lehnshoheit über das Königreich Sizilien begründen. Es istaber kein Zweüel, daß das Zügelführen oft auch in Fällen, wo von einem vassalitischenVerhältniskeine Rede war, verrichtet wurde. So 1305. So auch im oströmischen Reich. In Nicaea hat1258 Michael Palaeologus, der spätere Kaiser und Restaurator der griechischen Herrschaft inKonstantinopel, als "Großherzog", Regent und Vormund des unmündigen Kaisers Johannes IV.Laskaris dem orthodoxen Patriarchen Arseniosvon Konstantinopel Stratordienst geleistet, indemer sein Maultier am Zügel führte. Ge 0 r g ius Pa ch y mer es, De Michaeie et AndronicoPalaeologis lib. I, cap. 26, hrsg. von I. Bekker im Corp. script. hist. Byz., Bd. 1 (1835), S. 72.- Worauf beruht das GedichtArchibald Douglas von Th. Fon tan e? "Graf Douglas faßte denZügel vorn und hielt mit dem Könige Schritt", wobei er sich dann erbietet, nicht mehr ReinSene-schall, sondern nur noch sein Stallknecht (Strator) zu sein.

1) ColuccioSalutati an Boccaccio, 8. April 1369; Epistolario di Coluccio Salutati, hrsg. vonFrancesco Novati, Bd. 1 (1891, in den Fonti per la storia d'Italia [Nr. 15], Epistolari seeoloXIV.), S. 86f.: Urbanus pontificali apparatu candido equo impo8ituIJ, frenum cesare baiulante,urbem invectus est . . . Salutati, der über das Schauspiel der Einmütigkeit von Kaiser und Papstsehr erfreut ist, betont den Jubel der Römer, vergißt aber doch nicht der Spötter. Dazu UlmanStromer'e Püchel Kap. 3, brag. von Karl Hegel in den Chroniken der deutschen Städte, Bd. 1(1862),S. 31: do 8tUnd der kaY8er unter dem tor zu Rom ab von 8eym pferd und ging neben dem POb8tund uwmt den (d. h. zeumte ihn, führte sein Pferd am Zaum) durch die suü zu Rom unez für da:munster zu sant Peter und Pawl; daz beten. dieRomer fur ein groß smochhei; dem reych. Ferner dieerste Vita Urbani V. papae, bei Baluze, Vitae pap. Aven., n. Aufl. von Mollat 1,369: Der

Hol t z m a n n , Der Kaiser als Marschall des Papstes. 2

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spottet, während andere sich an dem sichtbaren Zeichen der Eintracht zwischenden beiden höchsten Gewalten der Christenheit begeisterten. Karl selbstmochte glauben, einen alten Brauch zu beleben, wie das auch sonst seine Artwar. In Wahrheit zeigt doch auch dieser außergewöhnliche und in keinenfesten Zusammenhang mit den früheren Diensten der Kaiser zu stellende Her-gang ') den Zerfall des ganzen Brauchs.

Wieder etwas anders gestalteten sich die Dinge ein halbes Jahrhundertspäter unter König Siegmund. dem zweiten Sohn Karls IV. Er ist mehrmalsmit Johann XXIII. zusammengekommen, 1413 in Lodi, 1414-15 in Konstanzauf dem Konzil, ohne daß dabei jemals ein Strator- oder Marschalldienst inFrage gekommen wäre. Anders im November 1417 nach der Wahl Martins V.durch das vom Konzil bestellte Konklave. Diesem Papst, den er verehrte, hatSiegmund zweimal, nach der Wahl und nach der Krönung, Stratordienst ver-richtet. Das erstemal (11. November) geschah es in plötzlichem Entschluß aufdem Weg des feierlichen Zugs, der den Gewählten vom Ort des Konklaves nachdem Dom führte: Siegmund schritt rechts, Herzog Ludwig der Bärtige vonBayern-Ingoistadt links neben dem Schimmel des Papstes, beide den Zügel inder Hand.s) Es war die Freude über den Ausgang der Wahl und der Wunsch,dem Konzilspapst eine augenfällige Ehre zu erweisen, die den König zu dieserHandlung bewog. Zehn Tage darauf, am Tag der feierlichen Krönung Martins(21. November), wiederholte sich diese Szene vor dem Dom im Rahmen desvereinbarten Krönungszeremoniells. Nach Beendigung der Krönung bestiegder Papst abermals sein weißes, mit purpurner Decke geschmücktes Pferd, derKönig führte es rechts, der Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg links amZaum, während beide in der anderen Hand einen Stab hielten, um das Volk ab-zuwehren, ähnlich wie einst König Lotbar zu Lüttich. So schritten sie "in

Kaiser erwartete denPapst in Rom ibique, scilicet in porta, que est iuxta castrum S. Angeli, de 8U()

equo deecendens etraioris vicem gessit ac usque ad basilicam beati Petri, pedester equi pape frenumtenens, ipsum adextravit. Ähnlich auch die zweite Vita, ebd. S.389f. - Vgl. Böhmer-HuberS. 387Reg. 4696£,Additamentum (1889)S. 757Reg. 7274g; Gregorovius Bd. 6 (3. Aufl., 1878),S. 423; Lindner Bd. 2 (1893), S. 75; Loserth S. 323.

1) Er sollte natürlich lediglich eine Ehrenerweisung bedeuten, wie etwa bei den voran-gegangenen,oben S. 16f.Anm. 3 erwähnten Fällen von 1254(Manfred) und 1258(MichaelPalaeo-logus). Der Sinn für alte Formen, auch woihr Inhalt geschwundenwar, tritt bei Karl IV. nament-lich in den Beziehungen zu Italien und Burgund (Krönung zu ArIes 1365)hervor.

2) Ulrich von Richental, Chronik des Konstanzer Konzils, hrsg, von Michael RichardBuck (Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart, Bd. 158, 1882) S. 124; GebhardDacher beiHermann von der Hardt, MagnumConstantiense Concilium,Bd.4 (1699),S.1485.Vgl. Joseph Aschbach, Geschichte Kaiser Sigmunds, Bd. 2 (1839),S. 301; Hefele, Concilien-gesch., Bd. 7, 1 (1869), S. 329 = Hefele-Leclercq, Bd. 7, I (1916),S. 480; Lindner Il, 302.Daß es sich dabei um einen plötzlichen Entschluß handelte, ergibt sich daraus, daß der Strator-dienst erst mitten auf dem Wegbegann, und daß damals, am H. Nov., die Büttel des Papstes diesilbernen "Trömel" (Stäbe) führten, um der Mengezu wehren, während zehn Tage darauf, wo derDienst vorgesehenwar, die beiden Stratoren Siegmund und Friedrich auch die dazu bestimmtenStäbe hatten.

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großem Schmutz" neben dem Papst einher.') Den gleichen Dienst hatten auchsonst schon Könige, Prinzen und andere hohe Herren bei der Krönung desPapstes versehen 2), und gewiß meinte damals niemand, daraus eine, demdeutschen Königtum abträgliche Folgerung ziehen zu dürfen.

Und nun ist es auch wirklich noch dreimal zu einer, durch den Papst per-sönlich vollzogenen Kaiserkrönung gekommen. Man hielt sich dabei an dieOrdnung, wie sie 1275 in Aussicht genommen und auch von den AvignoneserPäpsten des 14. Jahrhunderts in der Theorie festgehalten warS), so daß alsoMarschall- und Stratordienst in alter Weise wiederbelebt wurden. Siegmund1433 in Rom'), Friedrich Ill. 1452 in Rom und Karl V. 1530 in Bologna habendem Papst beim Aufsitzen den Steigbügel gehalten und dann den Dienst amZügel seines Pferdes angeschlossen, eine Zeremonie, bei der sich niemand etwasanderes als eine bedeutungslose Ehrenerweisung denken konnte. Ein paar leiseAbwandlungen, die sich dabei noch einstellten, sind dafür charakteristisch.Papst Nikolaus V. ließ sich 1452 nach der Krönung zwar den Bügel halten,lehnte aber dann das Zügelführen mehrmals ab und erklärte schließlich, diesenzweiten Dienst nur in seiner Eigenschaft als Stellvertreter Christi empfangen zuwollen, "indem er mit einigen guten Worten die Ehre nicht für seine Person,sondern für den, dessen Statthalter er war, annahm".") Noch einen Schritt

11)Ulrich von Richental S. 128; Odericus Raynald, Annales ecclesiastici 1417,Martini V. annus 1., § 2; H. v. d. Hardt IV, 1490f.; Aschbach II, 304; Hefele VII, 1 S. 330= Hefele-Leclercq VII, 1 S. 481; Lindner a. a. O. - Am Sonntag Laetare (6. März) 1418sollte Siegmund die geweihte Rose erhalten; da er erkrankt war, schickte der Papst sie ihm tagsdrauf in die Wohnung (vgl. oben S. 10£. Anm. ~).

2) Man denke an die Krönungen von 1295und 1305 (oben S.16f. Anm.3). Zwei Könige hattenschon 1162 die Zügel des Papstes geführt (S. 10), dann auch 1294. Freilich ist es immerhin be-zeichnend, daß König Philipp der Schöne von Frankreich, der bei der Zeremonie von 1305 an-wesend war, nicht zu den Stratoren gehörte, sondern hinter dem Papst im Zug einherschritt.

3) Vgl. oben S. 14-16.4) über die Krönung Siegmunds durch Eugen IV. berichtet Gian Francesco Poggio

Bracciolini, Deutsche Reichstagsakten Bd.lO (1906), S.841. Doch vgl. dazu R aynald 1433§ 14; Aschbach, Bd. 4 (1845), S. 118 mit Anm. 28. Siegmund führte das Pferd des Papstesetwa drei Schritte weit; die Behauptung Poggios, daß das nur wegen Podagras geschehen sei, unddaß die früheren Kaiser den Zügeldienst bis zur Hadriansbrücke (dem Ponte S. Angele) geleistethätten, ist irrig. - Wie W. Michael in seiner sorgsamen Untersuchung S. 50 sagen konnte, beiden späteren Kaiserkrönungen (nach 1220) scheine von der Pflicht des Bügelhaltens (und Zügel-führens) gar nicht mehr die Rede gewesen zu sein, ist unverständlich. Vgl. auch Lindner II, 370;Eichmann im Hist. Jahrbuch. Bd. 45, S. 49 (und zu der Behauptung voneinem früheren Strator-dienst bis zum Anfang der Via sacra oben S. 15 am Ende der Anm. 3 von S. 14).

S) Berichte über die Krönung von 1452 bei Raynald 1452 §2; J oseph Chmel, GeschichteKaiser Friedricbs IV. undseines Sohnes Maximilian 1., Bd. 2 (1843), S.725 mit Anm. 1 (hiersagt Goswinus Mandoctes, daß der Kaiser den Stratordienst verrichtete, lieet papa 8epius renuit).VgI. Ludwig Pastor, Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters, Bd. 1 (2. Aufl.1891), S. 412; J ohannes Martens, Die letzte Kaiserkrönung in Rom (Leipziger Diss. 1900) S. 68;Viktor v. Kraus, Deutsche Geschichte im Ausgange des Mittelalters, Bd. 1 (1905), S. 294. -Die Kaiserkronung fand am Sonntag Laetare (19. März) statt, und Friedrich erhielt dabei diegeweihte Rose. Daß die Päpste mit den Worten freundlicher Bescheidenheit sich der Haltung

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weiter ging man bei Gelegenheit der zweiten Romfahrt Friedrichs Ill. (1468/69),wo der Kaiser abermals der beiden Dienste gedachte, obgleich es sich damalsweder um eine Kaiserkrönung. noch um eine erste Begegnung zwischen Kaiserund Papst gehandelt hat. Es war am Neujahrstag 1469 zu Rom, als Friedrichbei einer feierlichen Prozession die Dienste dem Papst anbot; aber Paul 11.lehnte beide so entschieden ab, daß es diesmal nicht zum wirklichen Vollzuggekommen ist.") Es scheint, daß eine feste Abmachung damals nicht vorhervereinbart war, und man sieht auch hieraus wieder, wie wahllos, nach jeweiligemGutdünken, die Dienstleistung in diesen Zeiten geübt wurde. Bei der letztenKaiserkrönung schließlich, derjenigen KarIs V. zu Bologna 1530, wählte manein Verfahren, das so etwa die Mitte zwischen dem Hergang von 1452 und demvon 1469 darstellte.P) Als Clemens VII. nach dem Verlassen der Kirche seinPferd bestieg, hielt Kar! den Bügel, obgleich der Papst das wieder bescheidenablehnte. Dann ergriff der Kaiser den Zügel des Pferdes, um den eigentlichenStratordienst anzuschließen; aber nun erklärte der Papst ernstlich, daß ermehr unter keinen Umständen dulden könne, und so blieb es bei dieser An-deutung des Zügelführens.

Damit schließt die Geschichte unseres Brauchs. Nach 1530 ist es nichtmehr vorgekommen, daß ein Deutscher Kaiser dem Papst als Strator oder alsMarschall gedient hat. Die beiden Verrichtungen sind zugleich mit der Kaiser-krönung verschwunden.

4.Vergegenwärtigt man sich diese äußeren Daten, so drängen sich ver-

schiedene Fragen auf. Wir können sie in vier zusammenfassen. l.Wie kamPippin im Jahre 754 dazu, dem Papst Stratordienst zu leisten, und was be-deutete damals diese Handlung? 2. Ist der Dienst in den vier Jahrhundertenvon 754-1155 wirklich nur in den wenigen Fällen verrichtet worden, in denenwir ausdrücklich von ihm hören, und wenn ja, warum gerade in diesen? 3. Wasbedeutet der Marschalldienst. das Bügelhalten, das 1131 zu dem ZügeHühren

näherten, die vor drei Jahrhunderten Gerhoh von Reichersberg gewünscht und FriE'drich Bar-barossa gefordert hatte, wird sich unten (S. 36, 37) ergeben; man erinnere sich auch des Her-gangs von 1177 (S.lI).

I) Augustinus Patrizi, bei Mllratori, Rer. Ital. Scriptores, Bd. 23 (1733), Sp. 213. Vgl.Raynald 1469 § 3; Gregorovius Bd. 7 (3. Aufl. 1880), R. 223 (irrig: bei der Weihnachtspro_zession}; Pastor Bd. 2 (2. Aufl. 1894), S. 401.

2) Jean de Vandenesse, Journal des voyages de Charles-Quint, hrsg. von Gachard in derCollection des voyages des souverains des Pays-bas, Bd.2 (1874), S. 93; Henricu s Corneli usAgrippa, De duplici coronatione Caroli V., bei Simon Schard, Historicum opus, Bd.2 (1574),S. 1266f. = Sohardius redivivus, Rerum Germanicarum Scriptores (1673) n, 272; I Diarii diMarino Sanuto, Bd. 52 (1898), S.674 (wo arrepto statt accepto zu lesen ist); Raynald1530 § 38f.; Gregorovius Bd. 8 (3. Auß. 1881), S. 620; Pastor Bd. 4, 2 (1907), S. 386.

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21hinzugekommen ist 1 Und 4. Wie erklärt sich der große Wandel nach 1155,weshalb werden von da an die Dienste so häufig und so bedeutungslos 1 Fragen,die man sich bisher kaum vorgelegt hat, auf die wir aber wohl in der Lage sind,Rede zu stehen. Wir beginnen mit der ersten von ihnen.

Der älteste Stratordienst eines fränkischen Königs, derjenige, den Pippinam 6. Januar 754 zu Ponthion dem Papst Stephan n. geleistet hat, steht inengem Zusammenhang mit den Vereinbarungen, die damals zwischen König undPapst getroffen worden sind, und mit dem sog. "Constitutum Constantiniimperatoris", der Konstantinischen Schenkung, die gleichfalls hierher gehört.Auch in dieser berühmten Fälschung ist nämlich von einem Stratordienst dieRede: Kaiser Konstantin der Große soll ihn, aus Ehrerbietung gegen denheiligen Petrus, dem Papst Silvester geleistet haben.') Über die chronologischeAnsetzung des Constitutum besteht noch immer kein volles Einvernehmen.Großen Eindruck machte, besonders auf die deutschen Forscher, eine Unter-suchung von Scheffer-Boichorst, der die Fälschung wegen ihrer Formeln undDenkweise erst der Kanzlei Pauls 1. (757-767), des Bruders und Nachfolgersvon Stephan n., zuweisen wollte.P) Demgegenüber sind jedoch andere, sehrerhebliche Gründe, schon seit langem und immer wieder, insonderheit vonDöllinger, Hauck, H. Böhmer und Kampers"), dafür geltend gemacht worden,

1) Den besten Text des Constitutum Constantini gab Karl Zeumer in der Festgabe fürRudolf von Gneist zum Doctor-Jubiläum (1888)S. 47ft. Danach Haller, Quellen S. 24111.undKarl Mirbt, Quellenzur Geschichtedes Papsttums, 4.Aufl. (1924),S.I07ff. nr. 228;Teildruck beiEichmann, Kirche und Staat I, 113ft. Die Stelle über den Stratordienst des Kaisers in § 16der ZeumerschenEinteilung (Haller S.248 Zl. 4Of.); vgl. unten S.24 Anm. 3. Der ganze Passusist Eigengut des Fälschers und nicht etwa aus den älteren Actus Silvestri entnommen; vg!. überdas gegenseitigeVerhältnis die lichtvolle Untersuchung von Wilhelm Levison, KonstantinischeSchenkung und Silvester-Legende, in den Miscellanea Francesco Ehrie, Bd. 2 (1924), S. 159ft.

I) Paul Scheffer-Boichorst, Neuere Forschungen über die konstantinische Schenkung,inden Mitt. d. Inst. f. österr. Geschichtsf.Bd, 10 (1889)u. 11 (1890),auch in seinen GesammeltenSchriften, Bd. 1 (Hist. Studien, hrsg. von Ebering, H. 42, 1903). Danach u. a. Ludo MoritzHartmann, Geschichte Italiens imMittelalter, Bd. 2,2 (1903),S. 226f.; Caspar S. 185Anm. 2;Schönegger, Die kirchenpolitische Bedeutung des "Constitutum Constantini" im frühemMittelalter, Ztschr. f. kath. Thool., Jg. 42 (1918), S. 336f.; Laehr (oben S. 5 Anm.) S.l Anm. 1.- Die Versuche, das Constitutum dem 9. Jahrhundert zuzuweisen, sind von Scheffer-Boi-chorst schlagend widerlegt worden, und Buchner, der sie modifiziert erneuern möchte (vgl.oben S. 4f. Anm. 2), hat keine Aussicht auf Erfolg. Ebensowenig sollte an dem römischen Ur-sprung der Fälschung noch gezweifelt werden. Vgl. auch Levison inMiscelI. Ehrle n, 160.

3) Joh. Jos. Ign. v. Döllinger, zuerst in: Janus, Der Papst und das Konzil (1869),S. 142ft, danach bei Döllinger,Die Papst-Fabeln des Mittelalters, 2. AuH.hrsg. von J. Friedrich(1890)S. 122ft. (während die 1. Autl. 1863für 750-74, aber eher nach 754, eingetreten war) undbei Döllinger,Das Papsttum (1892,Neubearb. des Janus von Friedrich) S. 27ft. Ähnlich ThomasHodgkin, Italy and her invaders, Bd, 7 (1899), S. 15H.; Heinrich Böhmer in der Real-encyklopädie f. protest. Thool.u. Kirche, 3. Auß., Bd. 11 (1902),S. 6f.; Ha uck n, 24mit Anm. 1,3./4. Aufl., S. 26 mit Anm. 1; Franz Kampers im Hist. Jahrbuch Bd. 44 (1924), S. 245ft.Auch auf die letzte Arbeit von A. Gaudenzi darf hier verwiesen werden. Denn so gewiß dieserForscher inder Beurteilung der Texte und in dem Ansatz der Urfälschung zu Gregorn. (715-31)

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22daß das Constitutum eben für die Reise Stephans 11. ins Frankenreich, also zurZeit der Vorbereitung dazu 753 in Rom, angefertigt worden ist. Und in der Tat:bei der engen Verwandtschaft der Bräuche und Anschauungen in der KanzleiStephans n. mit denjenigen unter Paul 1., bei der verhältnismäßig geringenKunde, die wir im übrigen von der Kanzlei Stephans haben, bei der Möglichkeit,ja Wahrscheinlichkeit, daß Diktatoren Pauls schon in der Kanzlei Stephanstätig gewesen sind, bei den diplomatischen Diensten, die Paul bereits seinemBruder und Vorgänger geleistet hat, darf gegen die sonst in jeder Hinsicht wahr-scheinlichste Ansetzung der Fälschung zu 753 aus den Erwägungen Scheffer-Boichorsts kein Einwand erhoben werden. Die Anfertigung der Konstantini-sehen Schenkung gehört zur Reise Stephans n. ins Frankenreich. Einer ihrerHauptzwecke war, dem fränkischen König den Anspruch des Papstes auf dieRechtsnachfolge der römischen Kaiserherrschaft in Italien und der westlichenHälfte des alten Imperiums zu begründen, den Anspruch also auf die päpst-liche Herrschaft im Exarchat (mit Rom), und darüber hinaus - sagen wir ein-mal vorsichtig: den Anspruch auf eine Einwilligung des Papstes in das Bestehendes Langobardenreichs und des Frankenreichs.

Daß es sich wirklich darum handelte beweist eben der Stratordienst zu,Ponthion. Denn Pippin leistete den Stratordienst, um unsere Frage gleich zubeantworten, als der neue Patrizius der Römer; er hat eben damals diesenTitel angenommen. Er leistete den Stratordienst gegenüber dem Papst als dem-jenigen, von dem wenigstens in der Theorie die oberste Gewalt im Westen floß.

Um den Stratordienst und seinen Zusammenhang mit dem Patriziat zuverstehen, muß man seinen Blick nach Byzanz richten. Der Stratordienststammt aus Byzanz. Hier hatte, wenn der Kaiser ausritt und wenn er zurück-kehrte, der newrooTearwe, also der oberste der Reitknechte, das Pferd desKaisers eine StreckJ:lweit am Zaum zu führen.') Bei festlichen Anlässen aber,

geirrt hat (vgl. Levison in Miscell. Ehrle Il, 160ff.), so war doch die Beziehung auf Stephan II.und seine Reise ins Frankenreich 753 richtig erkannt. Vg!. die Voranzeige im Rendiconto dellesessioni delIa accademia delle scienze dell' Istituto di Bologna, Classe di scienze morali, Serie I,Bd. 6 (1913), S. 59-61; Schmeidler im Neuen Archiv 39 (1914), S. 227 nr. 57. Das aus demNachlaß gedruckte Stück der unvollendet hinterlassenen Arbeit: 11 costituto di Costantino,Bullettino dell' Istituto storico Italiano Nr. 39 (1919), enthält leider den Teil über Stephan n.nicht. - Unglücklich E. Mayer in Dt. Ztschr. f. Kirchenr. XIV, 6ff. (Entstehung nach der Kon.stantinopolitaner Synode von 754, vgl. H. Böhmer a. a. O. 7 Zl. 34ff.); auch Hans v. Schubert,Geschichte der christlichen Kirche im Frühmittelalter (1921) S. 320f. (um 756).

1) Cod in us, De officialibus palatii Constantinopolitani cap. 5, hrsg. von I mma nueIBek k er(1839, im Corpus scriptorum hist. Byzantinae) S.29; Paul Kluckhohn, Die Ministerialitätin Südostdeutschland (1910) S. 152f. Vgl. über die Stratoren und den Protostrator: Charles DuFresnesire Du Cange, Glossarium medii et infimae Graecitatis (2 Bde. 1688)I1, Sp.1463f., Gloss.med. et inf, Latinitatis sub voc. Protostrater und Strator; A. V. Domaszewski in den BonnerJahrbüchern, H. 117 (1908), S. 35, 39,55,64. Über die Rolle eines Strators bei der ErmordungCaracallas 217 berichten die Scriptores historiae Augustae, n. Ausg. von Herm. Peter, Bd. 1(1884), S. 186, 201 (Aelii Spartiani Caracallus 7 § 2, Iuli Capitolini Macrinus 4 § 8). Auch die

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23und das ist für uns das Entscheidende, ließ der Kaiser diesen Dienst durch an-gesehene Patrizier versehen. Der byzantinische Chronogra ph TheophanesConfessor beschreibt uns eine Osterprozession der Kaiserin Irene von 798: "DieKaiserin kam auf einem goldenen Wagen, der von vier weißen Pferden gezogenwar und von vier Patriziern geleitet wurde" 1); auch die Namen der vier hohen,mit dem Ehrentitel patricius geschmückten Beamten, die diesen Dienst ver-sahen, werden uns genannt: Bardanes, Sisinnios, Niketas, Konstantinos Boilas.Offenbar führte jeder von ihnen eines der vier weißen Rosse am Zügel. -Pippin ist 754 Patrizius der Römer geworden, und zwar nicht erst im Sommer,wo er zusammen mit seinen Söhnen durch den Papst zu St. Denis zum rex etpatricius gesalbt worden ist.2) Denn diese Weihehandlung bedeutete nicht dieÜbernahme des Patriziats, so wenig wie diejenige des Königtums. Den Patri-ziat muß Pippin schon vorher aus der Hand des Papstes entgegengenommenhaben; er war die Voraussetzung für' die ganze Zusammenkunft und Schutz-zusage, und als Patrizius hat Pippin dem Papst den Stratordienst zu Ponthiongeleistet.

Franken kannten Stratoren als Stall- oder Reitknechte. Lex Salica X § 4, XXXV § 6 (hrsg. vonHeinrich Geffcken, 1898,S. 10,34); Felix Dahn, Die Könige der Germanen, Bd. 7, 2 (1894),S. 238; Ludwig Schmidt, Geschichte der deutschen Stämme, Bd. I (1918), S. 590.

1) Theophanes Confessor, Chronographia, hrsg. von Joh. Classen im Corpus script.hist. Byzantinae, Bd. I (1839), S.735, hrsg. von Karl de Boor, Bd. I (1883)S.474: :r(}ofj).{}ev7j ßao{).u1Oa .•. f:ri öx~p.aTo, xevoou broxovp.ivrJ TEooaeOlV L:rnO!, lllwwi. ov(!op.evov "ai -UnoTIlOC1l1eWV :raTe,,,lwv "earovp.ivov. Da Verbum "eauiv vertritt auch in der griechischen Über-setzung des Constitutum Constantini das Zügelführenbeim Stratordienst; Gau den zi, II oostitutoS. 104: "ai ,,(}ar~C1avr6' rOO XaÄlVov TOU fnlfOV aVTOV (= et tenentes frenum equi ipsius). -Des Ehrendienstes der Patrizier gedenkt Ernst A. Stüc'kelberg, Der Constantinische Patriciat(Züricher Dias. 1891)S. 37.

I) Böhmer-Mühlbacher Reg. 760.. Vgl. Oelsner S. 155f1'.; G. Richter, Annalen11, 1 S. 4 mit Note b; Hauck, 3./4. AuH. 11, 21 Anm. 2; Eichmann, Kirche und Staat I, If.m. 1 u. 2; ders. in KA. VI, 149f.; Caspar S. 13£.; Levison in Gebhardts Handb. I, 214, 216;Rodenberg, Pippin S. 27 Anm. 1; Max Buchner, Die Clausula de unctione Pippini (1926)S. 14ft., Vizepapsttum S. 9ft. (wobei aber die These von einer Fälschung und anderes abzu-lehnen ist). Über den Patriziat im allgemeinenvgl. J oh. Jak. Reiske bei Constantinus Porphyre-genitus, De cerimoniis (Ausg. im Corpus script. hist. Byzantinae, 2 Bde., 1829/30)11, 38, 68-72,402; Th. Mommsen im Neuen Archiv Bd. 14 (1889), S. 483£. und Stückelberg a. a. O. (eineneue Untersuchung wäre wünschenswert). über Pippin als Patrizius der Römer u. a. W. Sickelin d. Deutschen Ztschr. f. Geschichtswissensch.XI, 34011'.(gut); E. Mayer S. 17£.Anm. 4 (mitder sicher unrichtigen Behauptung, daß Pippin den Patriziat vom byzantinischen Kaiser erhaltenhabe); Caspar S. 181-83; Ernst Schoenian, Die Idee der Volkssouveränität im mittelalter-lichen Rom (1919)S. 27. Die Rechtsgrundlage für die Ernennung eines Patrizius durch den Papstwar selbstverständlich das Constitutum, d. h. die Verleihung der Herrschaft im Westen. Speziellan den § 15 (Haller S. 248),wo den Klerikern der römischen Kirche die Fähigkeit, Patrizier undKonsuln zu werden, zugesprochenwird, dürfte dabei aber nicht zu denken sein, obgleichman nachP. E. Schramm in d. Hist. Ztschr. Bd, 135 (1927), S. 462f. dazu versucht sein könnte. Es istnicht richtig, daß der Papst nach diesem Passus selbständig Patrizier und Konsuln ernennen kann(wie E. Mayer S. 15-17 glaubt, der ebd. die ebenso irrige Ansicht vertritt, daß der Papst imConstitutum nur Ita.lien und die Inseln, nicht auch die anderen Länder des Westens erhalte).Vgl. auch Döllinger, Papst-Fabeln 2. Auß. S. 86.

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Nun erhebt sich allerdings ein Bedenken. Wenn der Patrizius der Römerdem Papst 'als dem Nachfolger der römischen Kaiser diente, wozu dann dieErzählung des Constitutum, daß Konstantin der Große den Stratordienst demPapst Silvester verrichtet habe? Konstantin war doch kein Patrizius, sondernKaiser! Wie konnte man dieses gar nicht passende Vorbild dem PatriziusPippin vorhalten 1 Der betreffende Satz in dem Constitutum paßt in der Tatnicht, aber das gilt auch noch in anderer Hinsicht; es ist nämlich schon mehr-fach bemerkt worden 1), daß er den Zusammenhang des Textes peinlich unter-bricht und sich als ein nachträgliches Einschiebsel zu erkennen gibt. Darankann kein Zweifel sein; denn vorher und nachher ist von etwas ganz anderemin eng zusammengehöriger Weise die Rede, nämlich von dem Phrygium, derpäpstlichen Mitra 2), die sich Silvester an Stelle der kaiserlichen Krone aufsHaupt setzen ließ. Man höre die Worte, die das Constitutum dem Kaiser in denMund legt."): "Wir setzten mit eigener'Hand seinem geheiligtaten Haupt dasPhrygium auf, das mit seinem weißen Schimmer auf die glanzvolle Auferstehungdes Herrn hinweist, und indem wir den Zügel seines Pferdes ergriffen, leistetenwir ihm aus Ehrerbietung gegen den heiligen Petrus den Stratordienst, indemwir festsetzten, daß dieses Phrygium alle seine Nachfolger bei feierlichen Auf-zügen zum Abbild der Kaiserherrschaft tragen sollen." Der Einschub mit demStratordienst ist offenbar. Aber man darf nach der handschriftlichen über-lieferung des Constitutum am Alter des eingeschobenen Satzteils nicht zweifeln:es handelt sich um einen Nachtrag, der nach einer ersten Fertigstellung desTextes hinzugefügt worden ist. Weshalb und auf wessen Veranlassung 1 Hierwird man über eine Hypothese nicht hinauskommen. Indes es sieht doch wirk-lich so aus, als wenn die Kurie durch diesen Zusatz gewisse Bedenken Pippinsverscheuchen wollte. Pippin übernahm das Amt eines "patricius Romanorum",ein Amt, das ja eigentlich nur der byzantinische Kaiser vergeben konnte, dembis dahin Rom gehört hat, das nun jedoch der Papst vergab, der unter Berufungauf die Konstantinische Schenkung als Rechtsnachfolger der Kaiser imWesten

1) So von H. Böhmer S. 7, Zl. 1fT.; Kampers S. 248 Anm. 30.2) Zu Phrygium und Mitra vgl. Br a un (oben S. 12, Anm. 1) S. 496f.; Robert Eisler,

Weltenmantel und Himmelszelt (2 Bde. 1910) I, 64f.; Ko n r a d Burdach, Vom Mittelalterzur Reformation, Bd.2, 1. Teil, 1.Hälfte (1913), S.215, 234f.; Karl Sachsse, Tiara und Mitrader Päpste, in der Ztschr. f. Kirchengesch. Bd. 35 (1914); E. Eichmann, Die Mitra des abend-ländischen Kaisers, in: Festschrift, Sebastian Merkle gewidmet (1922), mit Bedenken gegen eineAbleitung der Mitra aus dem Phrygium, die nicht überzeugen; Kampers im Hist. Jahrb. Bd. 39,S.482f., Bd.44, S.247 Anm.29. Das Phrygium, das nach dem Constitutum Constantini § 14(Haller S. 247, ZI. 41) auch vom Kaiser getragen wurde, ist ein altes kosmisches Symbol.

3) Ipse vero sanctissimus papa ewper coronam clericatus, quam gerit ad gloriam beati Petri,ommino ipsa ex auro non est paesus uti corona, frygium uero, candida nitore eplendidam reseurrec-tionem dominicam designans, eius sacratiseimo oeriici manibus nostri« poeuimus, et tenentes frenumequi ipsius pro reverentia beati Petri stratoris ojficium illi exhibuimu8, statuente«, eundem frygiumomnes eius 8UCOesSore8ponti{ice8 singulariter uti in proces8ionibus ad imitationem imperii 7W8tr'.

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auftrat. Pippin war bereit, diesen Anspruch anzuerkennen und durch denStratordienst bei Übernahme des Patriziats sich augenfällig auf ihn zu stützen.Aber eine gewisse Gefahr, die darin lag, wird ihm nicht entgangen sein: einpäpstlicher Beamter wollte er denn doch nicht werden.') Da beruhigte man ihnmit der Erfindung, daß auch Konstantin der Große seinerzeit dem PapstStratordienst geleistet habe, und nahm zu diesemZweckjenen kleinen Zwischen-satz in das Constitutum auf. Ist dies richtig, so hat Pippin durch sein Bedenkenden Amtsdienst in einen Ehrendienst verwandelt und so dem Königtum zueinem Erfolg verholfen, wie einen ganz ähnlichen vier Jahrhunderte später- wir werdenweiter unten davon zu sprechen haben (S.37£.)- auch die klugeDiplomatie Friedrich Barbarossas davongetragen hat.

Vorerst aber wenden wir uns unserer zweiten Frage zu.

5.Wie steht es mit dem Stratordienst in den vier Jahrhunderten nach 754?

Haben die Könige ihn da wirklich nur in den wenigen Fällen geleistet, die wirnachweisen können, 858, 1095und 1131? Die Antwort darauf lautet: vermut-lich ja! Die Geschichte des Stratordienstes in diesen Jahrhunderten wird näm-lich wiederum erhellt durch die Geschichte der Konstantiniachen Schenkung,wie sie uns, nach dem Vorgang von Döllinger und Schönegget. kürzlich am aus-führlichsten durch Laehr dargelegt worden ist.2) Es wechseln da Zeiten, indenen das Constitutum nur wenigbekannt und kaum beachtet war, mit solchen,wo es im kirchlichen Interesse in den Vordergrund geschoben wurde; und ebendie Augenblicke einer erhöhten Aufmerksamkeit und Berufung auf das Con-stitutum sind es, in denen auch der Stratordienst wieder in dieErscheinung tritt.

Die Konstantinische Schenkung hat zunächst etwa ein Jahrhundert lang,bis zur Mitte des 9. Jahrhunderts, ein äußerst bescheidenes Dasein geführt, istnur in dürftigen Spuren nachweisbar s), bis sie ums Jahr 850Aufnahme in dieberühmte. Sammlung der Pseudoisidorischen Dekretale fand'), in diese zweiteder großen kirchlichen Fälschungen. Der erste Papst, der sich ihrer bedient hat,war Papst Nikolaus V) Sollte es wirklich Zufall sein, daß eben jetzt, nach der

1) Es paßt dazu die Beobachtung, daß Pippin selbst den Patrizius-Titel nicht geführt zuhaben scheint. Vgl. zuletzt Buchner S. 17 mit Anm. 62.

2) Döllinger, Papst-Fabeln (2. Aufl.) S.88ff.; Burdach S.217ff.; SchöneggerS. 352ft.; Laehr S. 6ff. Eine Königsberger Diss. von Johanna Simanowski, Die konstan-tinische Schenkung in der Politik und Publizistik des Mittelalters (1925)ist nur im Auszug er-schienen.

3) Döllinger S. 89; Schönegger S. 541-50; Laehr S. 6-14.4) Decretales Pseudo-Isidorianae, hrsg. v.P.Hinschius (1863) S.249ft. Vgl.Döllinger

S. 73, 82; Schönegger S. 352-57; Laehr S. 14f., 27.5) Hauck 11 (3./4. Aufl.), 557f.; A. V. Müller im Neuen Archiv Bd. 25 (1900), S. 652ft.;

.Ferd ina.nd Lot, Etudes sur le regne de Hugues Capet (1903)S. 142£.;E. Pereis, Papst Nikol.u. Anast. Bibi. S. 112f., 134, 220£., 273f. Vgi. auch Schönegger S. 55lf.; ~aeh!' S. 18.

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Wahl Nikolaus' I. 858, uns in den Quellen zum erstenmal wieder ein Strator-dienst entgegentritt, erwiesen eben diesem Papst Nikolaus I. durch KaiserLudwig n.? Man wird schwerlich an eine solche Zufälligkeit glauben wollen,sondern in dem Akt lieber einen programmatischen Vorgang erkennen, durchden der energische Papst von vornherein seine Stellung gegenüber dem folg-samen, wenig bedeutenden Kaiser im Sinn des Constitutums betont hat.

Das Interesse an der Konstantinisohen Schenkung, das sich auch in einigenschriftstellerischen Werken aus der Mitte des 9. Jahrhunderts bekundetl), hatnicht lange angehalten. Schon in den Jahren der späteren Karolinger ebbte eswieder ab. ZurZeit der sächsischen Kaiser wurde dem Constitutum nur eineaußerordentlich geringe Beachtung geschenkt.P) Und als Gerbert von Aurillacim Jahr 999, zum Papst erhoben, den Namen Silvester n. angenommen hat,da beugte Kaiser Otto Ill. jeder staatsgefährlichen Ausnützung der Silvester-legende vor, indem er in einer berühmten, durch den Leiter der italienischenPolitik dieser Jahre, Bischof Leo von Vercelli, verfaßten Urkunde die Kon-stantinische Schenkung ausdrücklich als Lügenwerk und Fälschung erklärte.s)Kein Wunder, daß damals und noch lange darüber hinaus, in den Zeiten derStärke des deutschen Kaisertums von Otto dem Großen bis Heinrich Hf., vonStratordienst keine Rede war.

Das wurde anders im Zeichen der Reformkirche und des Investiturstreits.Erst jetzt bricht, wie Laehr sagt, "die große Zeit" der KonstantinischenSchenkung an.") Und wenn die Kirche dabei auch eine gewisse Vorsicht waltenließ und die Tatsache, daß nach dieser Urkunde die ganze Weltstellung desPapsttums auf der Schenkung eines weltlichen Kaisers beruhte, zu verwischenoder umzudeuten suchte, so hat sie im übrigen doch reichlichen Gebrauch vonihr gemacht und keine Folgerungen gescheut, die aus ihr gezogen werdenkonnten. Papst Leo IX. (1048-54) hat sich zuerst wieder auf das Constitutumberufen''), Nikolaus n. erschien auf der berühmten Lateransynode von 1059

1) Döllinger S. 89£.; Schönegger S. 362-68; Laehr S. 15-18.2) Laehr S. 19: "Zur Zeit der sächsischen Kaiser findet die Schenkung auffällig geringe

Beachtung." Zu Laehr S. 19-21 vgI. P. E. Schramm in d. Hist. Ztschr. Bd. 135, S. 463 (zuJohann XIII. auch A. Brackmann ebd. Bd. 134, S. 250).

3) DO. Ill. 389 (auch bei Eichmann, Kirche u. Staat I, 1I8f.). VgI. Giesebrecht I(5. Aufl.), S. 727, 863f.; Schönegger S. 555f.; Schramm in d. Hist. Ztschr. Bd. 129 (1924),S. 469f.; Laehr S. 22, 183f. DieVerfasserschaft Loosvon Vercelliwurde erwiesendurch H. Blochim Neuen Archiv Bd. 22 (1897),S. 61f1.,92fl. Über den in der Urkunde als Fälscher genanntenIohannes diaconus coqnomento Digitorum mutilus vgl. (außer den Werken des 17. Jahrhundertsvon Jean Morin, Petrus de Marca und P. J. Cantel, die SchöneggerS. 342, vg!. ebd. S. 333, 336,zitiert) Döllinger S. 82; Ernst Dümmler, Kaiser Otto der Große (1876, in den Jahrbüchernder Deutschen Geschichte) S. 358; Bloch S. 93: Schönegger S. 342; Gaudenzi, Il costitutoS. 22; Fedor Schneider, Rom und Romgedanke im Mittelalter (1926)S. 131.

4) Laehr S. 24. Zum folgenden ebd. 25f., 36ft.;;) Döllinger S. 90; Schönegger S. 557-59; Ga udenzi S. 43ft.; Laehr S. 24-26.

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mit einer Tiara, über die eine kaiserliche Krone gelegt war '), und Gregor VII.hat die Lehre, daß der Papst die kaiserlichen Abzeichen anlegen dürfe, in dieehernen Sätze des "Dictatus papae", seines kirchenpolitischen Bekenntnissesund Programms, aufgenommen.s) Auch ging das Constitutum in die zahl-reichen Canonessammlungen, die großen kirchlichen Rechtsbücher der Zeit,ein,") Und so ist denn schließlich kein Zweifel, daß die gewaltige Territorial-politik, mit der die Kurie damals ganze Königreiche ihrer weltlichen Hoheitunterwarf, die Rechtsgrundlage in der Konstantinischen Schenkung hatte.')

Es war selbstverständlich, daß Heinrich IV., der beharrliche GegnerGregors und seiner Nachfolger, alle diese aus dem Constitutum abgeleiteten An-sprüche des Papsttums nicht berücksichtigt hat. Aber schon dem ersten Gegen-könig, Rudolf von Schwaben, hat Gregor bei der Wahl von 1077 einen Eid ab-verlangt, der die Anerkennung der Konstantinischen Schenkung einschloß; und1081 bei der Wahl des zweiten Gegenkönigs, Hermanns von Salm, meldete ersich alsbald mit derselben Forderung.") - Gregor VII. ist mit keinem derGegenkönige zusammengetroffen. Wohl aber sein zweiter Nachfolger, der nichtminder herrschgewaltige Papst Urban n., der 1095 die Cremoneser Zusammen-kunft mit dem jungen, zum Abfall vom Vater verleiteten König Konrad hatte.

1) Benzo von Alba, Ad Heinricum IV. imperatorem, lib. VII, cap. 2 (SS. XI, 672 ZI. 5-8).Man hat, wegen Benzos antipäpstlicher Einstellung, den Vorgang gelegentlich in Zweifel gezogen;so Meyer von Knonau, Jahrb. I (1890), S. 680£. Aber gewiß zu Unrecht. Vgl. Giesebrecht,Bd.3 (5. Aufl. S. 45f., 1093f.); Sachsse S. 493ft.; Ad. Hofmeister in d. Hist. Ztschr. Bd. 114(1915), S. 67lf.; Schönegger S. 559 Anm. 2; Laehr S. 30f.

2) Der Dictatus papae steht im Registrum Gregorii papae VII., Buch 11,Nr. 55a, hrsg. vonE. Caspar in Mon. Germ. hist., Epistolae selectae Bd. 2, 1 (1920), S..201ft. (auch bei Mirbt,4. Aufl., S. 146 nr. 278, Auszug bei Eichmann, Kirche u. Staat I, 113). Satz 8: Quod solue(RomanuspontiJex] po88it'U# imperialilYua inBignii8. Vgl. Döllinger S. 97; Schönegger S. 56lf.;Laehr S. 29£. Gregor VII. hat den Dictatue papae selbst verlaßt. Vgl. Wilhelm M. Peitzin den Sitzungsberichten der kais, Akademie der Wissenschaften zu Wien, Philos.chist. Klasse,Bd. 165 (1911), 5. Abhandl. S. 265-86; Otto Blaul, Studien zum Register Gregors VII.(Straßburger Diss. 1911) S.29-84; Augustin Fliche, La reforme Gregorienne, Bd.2(1925), S. 189ft.

3) Döllinger S. 96; Schönegger S. 357-62; Laehr S. 28f. Es kann daher auffallen,daß das Dekret Gratians die Urkunde erst als Palea, d. h. unter den Nachträgen, bringt: Di. 96,c. 14; Corpus iuris canonici, hrsg. von Emil Fried berg, Bd. I (1879), Sp. 342ft. Vgl. DöllingerS. 101f.; Schönegger S. 590; Laehr S. 29.

4) Laehr S.31-35 .. 5) Von Zusagen Rudolfs wissen wir durch das Protokoll der römischen Fastensynode von

1080, Registrum Gregorii VII., Buch VII, Nr. 14a, hrsg. von Caspar a. a. O. Bd. 2, 2 (1923),8.484f., sowie durch den Brief Gregors anAltmann von Passau vom März 1081, Registrum IX, 3(ebd. S. 575), der auch den Wortlaut des von dem neuen Gegenkönig zu verlangenden Eidesenthält (ebd. S. 575£.); dieser erwähnt ausdrücklich die Schenkungen Konstantins d. Gr. undKarls d. Gr. (von 774). Vgl. Giesebrecht (5. Aufl.) Ill, 434f., 1155 u. 530, 1166; Meyer vonKnonau, Bd. 3 (1900), S. 8 mit Anm. 6, S. 366f. mit Anm. 33; Hugo Jungnitz, Der Kampfzwischen Regnum und Sacerdotium um die maßgebende Stellung auf den Reichsversammlungenvon 1077 bis 1122 (Greifswalder Diss. 1913) 8. 36 mit Anm. 2, S. 69; Schönegger 8. 560f.;Cas par a. a. 0., S. 575 Anm. 2; Laehr S. 35f. F lie he 11, 21ft. hält den Eid für interpoliert;ihm folgt zu Unrecht E. V 00 s e n , Papaune et pouvoir civil a l'epoque de Gregoire VII. (1927).

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2SUnd abermals werden wir feststellen: es ist ganz gewiß kein Zufall, daß eben beidieser Gelegenheit, zum erstenmal seit langer Zeit, wieder ein Stratordienstnachweisbar ist. Erst damals ist er wieder verlangt und geleistet worden.

Die ganzen, mit der Konstantinischen Schenkung zusammenhängendenFragen gingen ein in den großen Kampf zwischen Staat und Kirche, Kaisertumund Papsttum. Daß dabei ein kräftiger, brutaler, rücksichtsloser Herrscher wieHeinrich V., der sich nicht scheute, den Papst und die Kardinäle gefangen zunehmen und recht unglimpflich zu behandeln, der das Mathildische Gut gegendie Wünsche der Kurie an sich zu bringen verstand, und der im Wormser Kon-kordat die Lebensnotwendigkeiten des Reichs durchaus gewahrt hat, die Kon-stantinische Schenkung unbeachtet ließ und auch keinen Stratordienst leistete 1),wird nicht wunder nehmen. Ebensowenig freilich, daß sein Nachfolger, Lo-thar Ill., der seine Regierung damit begonnen hat, daß er den Papst um Be-stätigung seiner Wahl bat, und der auch sonst in seiner Kirchenpolitik Schwächean Schwäche gereiht hat, sich in diesen Punkten umgekehrt verhielt. Ja mehrals das. Wir wissen schon: bei dem Einzug des Papstes Innocenz 11. in Lüttich1131 wurde nicht nur Stratordienst, sondern zum erstenmal auch Marschall-dienst geleistet. Lotbar ist der erste König, der nicht nur das päpstliche Pferdam Zügel geführt, sondern auch dem Papst den Steigbügel gehalten hat. Undso kommen wir zu unserer dritten Frage: was bedeutet dieses Novum?

6.Die Einführung des Marschalldienstes am Bügel des päpstlichen Pferdes

im Jahre 1131 war, um es gleich zu sagen, eine höchst bedenkliche Neuerung.Ein Novum war dieser, vom Papst geforderte Marschalldienst überhaupt nur,was die Beteiligung des Deutschen Königs anlangt. Denn von anderer Seite istdem Papst schon elf Jahre vorher der Bügel gehalten worden.

Es versteht sich, daß der Papst unter seiner Dienerschaft auch wirklicheStratoren hatte, Reitknechte, die den Dienst bei den Pferden versahen. Aberauch andere, höhere päpstliche Beamte wurden seit dem 12. Jahrhundert ge-legentlich bei feierlicheren Anlässen, mehr ehrenhalber, zu ähnlichen Verrich-tungen herangezogen. Eine Ordnung päpstlichen Zeremoniells aus der erstenHälfte des 12. Jahrhunderts schreibt vor, daß der Stadtpräfekt in Rom bei deram Sonntag Laetare üblichen Prozession zum Schluß als Zügelführer neben demPferd des Papstes einherschreiten soll.s) Der Stadtpräfekt war ein päpstlicher

1) VgI.oben S. 5f. Zu den Charakteristiken Heinrichs V. bei Giesebrecht Ill, 984f., beiMeyer von Knonau, Bd. 7 (1909),S. 34211.,usw. vgl. auch Heinrich Banniza von Bazan,Die Persönlichkeit Heinrichs V. im Urteil der zeitgenössischen Quellen (Berliner Diss. 1927\.

2) OrdoRomanus XI § 36 (oben S. 10Anm. 3); daß der Präfekt dem Papst auch beim Ab.steigen behülflich war, wie Bernhardi, Lothar S. 357 sagt, steht nicht im Text, und das Bügel.halten scheint erst später dazugekommenzu sein (Ordo XV § 48 S. 471). Nach Beendigung der

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29Beamter, wie ja auch die Stratoren päpstliche Beamte waren. In anderen Fällenähnlicher Art aber stellte sich nun zu diesem Stratordienst auch das Bügel-halten ein. Wir können es zuerst im Jahre ll20 nachweisen.

Im August ll20 begab sich Papst Calixt n. nach Benevent, um diese,durch äußere Feinde und innere Wirren bedrohte Stadt wieder enger an diepäpstliche Herrschaft zu binden. Zwei Meilen weit zog das Volk von Beneventihm damals entgegen, und als er ankam, versahen Bürger und Richter derStadt einen Dienst an den Zügeln und Bügeln des Pferdes: "Die Fuße desPapstes und die Zügel des Pferdes führten vier Bürger vom Ponte Leproso biszur Porta S. Lorenzo, dann vier andere bis zur Bischofskirche, von da ab vierRichter bis zum ehrwürdigen beneventanischen Palast." 1) Es ist also nochnicht ganz die spätere Art, nach welcher der Dienst am Bügel erst beim Ab-steigen verrichtet wurde; sondern der Hergang war offenbar der, daß rechts undlinks vom päpstlichen Pferd je ein Mann den Zügel führte und je ein andererden Fuß des Papstes im Bügel hielt. Aber die Wurzel für die spätere Form istganz deutlich, und man darf zudem annehmen, daß der eine von den beidenRichtern, die an den Füßen des Papstes dienten, ihm dann auch beim Ab-steigen den Bügel gehalten hat. Päpstliche Untertanen und päpstliche Beamtewaren es also, die zum erstenmal dem Papst neben dem Dienst des Stratorsauch den des Marschalls versehen haben.

Vom Amt zum Lehen aber war in diesen Jahrhunderten des Mittel-alters nur ein kleiner Schritt. Und so ist es nicht verwunderlich, daß solcherDienst bald ganz besonders von den Vassallen gefordert wurde. Das geschahschon zwei Monate nach der eben geschilderten Szene dem Normannenherzog

prozession erhielt der Präfekt die Laetare-Roae. über das Amt der Stratoren vgl, oben S.22f.Awn. 1; Mabillon. Museum Ital. Tl, 4; L. A. Muratori. Antiquitates Italicae medii aevi, Bd. 1(1738), Sp. 116f.; Grauert im Hist. Jahrb. IV, 82. - Der römische Stadtpräfekt, ursprünglichein kaiserlicher Beamter, dann lange Zeit hindurch ein Streitobjekt zwischen der kaiserlichen undder päpstlichen Gewalt, war in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts zweifellos ein päpstlicherBeamter. Vgl, über ihn u. a. Giesebrecht, Bd. 1 (1855), S. 8IO£. = 5.Aufl. S. 875f.; Gregor o-v ius Bd. 4 (3. Aufl.1877), S. 148f., 344f., 463; ebd. Bd. 5 (1878), S. 17ff.; W. Bernhardi, Kon-rad Ill.(1883, in den Jahrbüchern der Deutschen Geschichte) S. 457, 462f.; Meyer von Kno na uVII, 6f.; Louis Halphen, Etudes sur l'administration de Rome au moyen age (1907) S. 16ff.;Theodor Hirschfeld im Archiv für Urkundenforschung Bd. 4 (1912), S. 473ft und in denQuellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken Bd. 16 (1914), S. 93ff.Aus Rahewin lib. IV, cap.34/35 (a. a. O. S. 276, Zl. 23f., S. 278 Zl., 14-20) ist bekannt, daß indem letzten Konflikt Friedrich Barbarossas mit Hadrian IV. (1l59) die Frage, ob die römischeMagistratur kaiserlich oder pä.pstlich sei, eine große Rolle spielte. Während seiner kurzen Herr-schaft in Rom 1167 setzte Friedrich denn auch alsbald einen kaiserlichen Präfekten ein; Giesf.-brecht V, 549f.

1) Falco von Benevent, bei Muratori, Rer. Ital, SS. Bd. 5 (1,724) S. 96 = Oronisti e scrittorisincroni Napoletani, hrsg. von Giuseppe Del Re, Bd. 1 (1845), S. 181: Pedes vera aposwlici ethabena« equi cives qIUltucr a Ponte Leproeo usque ad portam S. Laurentii ducebant, deinde quatuoralii WJque ad episcopium, ab episcopio autem quatuor iudices ... 'Usque ad sacrum Beneventamlmpalatium detuleruni. Vg1. Meyer von Knona Il VII, 161.

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Wilhelm von Apulien gegenüber. Im Oktober H20 kam Herzog Wilhelm nachBenevent und ließ sich hier mit seinem Herzogtum als einem ligischen Lehenvom Papst durch eine Fahne belehnen.I) Noch im gleichen Monat besuchtedann Calixt seinen Vassallen in der apulischen Grenzstadt Troja. Wilhelmging mit seinen Großen dem Papst vor die Stadt entgegen und "geleitete ihnals Strator zu Fuß neben dem Sattel bis zur Kathedrale aufs Ehrenvollste.vs)Daß es sich hier um keinen einfachen Stratordienst (Zügelführen) gehandelthat, legt schon die Hervorhebung des Sattels nahe. Und in der Tat, wie diesesEinherschreiten neben dem Sattel zu verstehen ist, zeigt mit aller Klarheit einentsprechender Vorgang, der sich 1153 an ganz .anderem Ort, nämlich in Anti-ochia, abspielte. Hier hat der Fürst Rainald von Antiochia dem dortigenPatriarchen Aimerich einen ähnlichen Dienst erwiesen: er führte ihn durch dieStadt, "indem er selbst zu Fuß ging und den vom Sattel hangenden Riemen inder Hand hielt".3) Nicht den Zügel des Pferdes, sondern den Steigriemen, andem der Steigbügel hängt, haben Wilhelm und Rainald also gehalten. Es istein Bügeldienst, und man darf auch hier wieder annehmen, daß er beim Ab-steigen zu einem Steigbügelhalten geworden ist.

Wilhelm von Apulien war ein päpstlicher Vassall. Was aber bedeutete derDienst RainaIds von Antiochia l Der Hergang von 1153 ist sehr lehrreich,namentlich wegen der außerordentlich seltsamen Begleiterscheinungen, dieihm vorausgegangen sind. Rainald hatte seinenPatriarchen nämlich vorheraufs gröblichste mißhandelt, um ihm seine reichen Schätze und damit dieGrundlage seiner Machtstellung abzupressen. Er ließ dem angesehenen Hauptder Antiochener Kirche die Kleider ausziehen, ihn geißeln, in die Wunden ihmHonig streichen, und setzte ihn so der Sonne aus, so daß sich die Wespen,Bienen, Fliegen und andere blutsaugende Insekten auf den unglücklichenPatriarchen stürzten, bis er die Qual nicht mehr ertragen konnte und allemzustimmte, was man von ihm verlangte. ') Dann aber, als er dergestalt zur

1) Romuald von Salerno, Annales ll20 (SS. XIX, 417, ZI.1l-14); vgI. Pandulf,Vita Calixti n., bei Duchesne, Lib. pont. n, 322 (Watterich n, 115f.); Jaffe-Loewen-feld Reg. 6877, 6892.

2) Rom u a Ida. a. O. ZI. 20-22: Audiens itaqueGuillelmus dux eiusdem pontificis adventum,obvius festi'TULnter extra civitatem advenit cum primatibus eui«; cui vice stratoris ipse pedes iuxta,sellam usque ad ecclesiam episcopaius eiusdem civitatis ingenti cum honore deduxit. Vg!. Meyervon Knonau a. a. O.

3) J ohannes Cinnamus, HistorienIV, cap.18 (hrsg. v.Meineke S.182): atiro~[Rainald]be 3fO~O~ re {JQ,~l~wv "ai To" be Tij~ irpe(JTellio. ~en1!J,ivQy €v Xe1ei "arEXwv lp.avra. VgI. DuCange (ebd. S. 372); Friedrich Wilken, Geschichte der Kreuzzüge, Bd. 3, 2 (1819), S. 34Anm. 43; Gustave Schlumberger, Renaud de Chätillon (1898) S. 51-54. Man beachte, daßauch in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels (oben S. 13 Anm. 5) die Szene des Marschall-dienstes so dargestellt wird, daß der Kaiser mit der rechten Hand den Zügel, mit der linken denSteigriemen oberhalb des Bügels hält.

4) Johannes Cinnamus a. a. O. (S.18lf.).

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bedingungslosen Unterwerfung unter den Willen des Fürsten gebracht war, hatRainald ihm sein Patriarchengewand angezogen, ihn auf ein Pferd gesetzt undihn nun in der vorhin beschriebenen Weise durch die Stadt geführt. Um dieseSzene zu verstehen, muß mail sich erinnern, daß im christlichen Orient eindauernder Streit herrschte, ob das Fürstentum Antiochia und andere Grün-dungen der Kreuzfahrer vom griechischen Kaiser zu Lehen gingen oder nicht.Die Fürsten von Antiochia sind mehrmals zur Anerkennung der byzantinischenLehnshoheit gezwungen worden. So hat schon Boemund I. im Vertrag vonDewol 1108 Antiochia von Alexios I. Komnenos zu Lehen nehmen müssen.l]Und als des Alexios Sohn und Nachfolger, Kaiser Johannes Komnenos, 1138siegreich in Antiochia einzog, da mußten der Fürst Raimund von Antiochia undder Graf Joscelin n.von Edessa als Stratoren neben seinem Pferd einhergehen.s)Man kann zweifeln, ob darunter ein Zügelführen oder, wie H20 und 1153, einSteigriemenhalten zu verstehen ist; ein Zeichen der Untertänigkeit sollte esjedenfalls sein. Nach dem Tod Raimunds, der 1149 im Kampf gegen den EmirNureddin gefallen ist, hielt seine Witwe Konstanze, durch den PatriarchenAimerich unterstützt, die Zügel der Herrschaft in der Hand. Aber als sie 1153den französischen Ritter Rainald von Chatillon heiratete und ihm das Fürsten-tum Antiochia in die Ehe brachte, da wurde es dessen eifrigstes Bemühen, einunbeschränktes Selbstregiment zu führen. Und aus dieser Politik erklärt sichnoch im gleichen Jahr das seltsame Vorgehen gegen den Patriarchen, das wirkennengelernt haben. Durch die brutalsten Mittel beugte er ihn seiner Gewalt,um ihm dann ehrerbietig den Steigriemen zu halten und dadurch vor allerÖffentlichkeit zu dokumentieren, daß der Kreuzfahrerstaat zu Antiochia nichtsmit dem griechischen Kaisertum zu tun habe, sondern, wenn auch nur in derTheorie, einer geistlichen Herrschaft unterstehe. Insofern bildet der Hergangeine gute Parallele zu dem Dienst, den sich Innocenz 11. 1131 hatte leistenlassen.

Das Steigbügelhalten galt zur Stauferzeit ohne jeden Zweifel als ein Dienst,den der Vassall seinem Lehnsherrn schuldete. Im Nibelungenlied 3), das um1200 seine heutige Gestalt erhalten hat, erklärt Siegfried, als er mit KönigGunther nach Island zu Brünhilt fährt, den König zu seinem Lehnsherrn undsich selbst als Eigenmann (Vassallen), und als solcher hielt er dem König beim

1) Heinrich Gelzer bei Karl Krumbacher, Geschichte der byzantinischen Literatur,2. Aufl. (1897), S. 1019.

2) Wilhelm von Tyrus lib. XV, cap. 3, im Recueil des historiens des eroisades,Historjens occidentaux, Bd. 1 (1844), S. 658f.: domirw principe dominoque comite stratorisofficium exequentibus. Vgl. Du Cange bei Meineke (Ausg. des Johannes Cinnamus) S. 372;Wilken, Bd. 2 (1813), S. 675. '

3) Nibelungenlied,VII. av, (Str. 406/07 = 383, v. 9-16). Vg!. Jakob Grimm, DeutscheRechtsaltertümer, 4. Ausg. (2 Bde., 1899)I, 238. Der Hinweis auf Landgraf Philipp und Kar}V.muß auf Irrtum beruhen.

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32Aufsitzen den Stegreif (Steigbügel). Und einen ausdrücklichen Hinweis aufdie vassallitische Pflicht des Bügelhaltens enthält das Lehnrecht des Sachsen-spiegels (um 1225), wo das Stegreifhalten unter einigen besonderen Dienst-leistungen der Vassallen aufgeführt wird;') Auch der Schwabenspiegel hat dasnach der Mitte des 13. Jahrhunderts übernommen 2), und noch der Verfasserder sogenannten Stendaler Glosse des Sachsenspiegels (2. Hälfte-des 14. Jahr-hunderts) hat die Meinung Eikes von Repgow ganz richtig verstanden, indemer das Stegreifhalten mit den Pflichten des Richters im Lehngericht in Ver-bindung brachte.") Bei anderen stellt sich seit der Mitte des 13. Jahrhundertseine weniger prägnante Auffassung des Brauchs ein. Im Eckenlied will derüberwundene Fasold dem Sieger Dietrich von Bern den Stegreif halten, wodurcher sich so erniedrigt, daß das umstehende Gefolge ihn gar keiner weiteren Be-achtung mehr für wert hält. ') Bei Konrad von Würzburg dagegen (um 127G)wird daraus umgekehrt ein Höflichkeitsakt., den der Held und Sieger (Partono-

1) Eike von Repgow, Sachsenspiegel, Lehnrecht Art. 66 § 5 (Des Sachsenspiegels zweiterTeil, hrsg. von K. G. Homeyer, Bd. 1, 1842, S. 266): Soelkee daqee die man den sieqerep halt simeherren, oder ordel vint, oder ime dienet mit gift oder mit anderen dingen, des daqes n'i8 he nicht plichtichsime herren to lenrechte to stande. Das heißt: "An welchem Tage der Lehnsmann den Stegreifhält seinem Herrn oder Urteil findet oder ihm dient mit Gabe oder mit anderen Dingen, an demTage ist er nicht verpflichtet, seinem Herrn zu Lehnrecht zu stehen" (sich vor dem Lehnsgeriohtals Partei zu stellen). Vg!. Du Cange a. a. 0.; Homeyer in: Des Sachsenspiegels zweiter Teil,Bd.2 (1844), S. 382f.; Richard Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, 6. Aufl.(1922) S. 440 Anm. 49; Gerdes Ill, 591 (wo freilich die Angabe, daß Lothar als erster dem Papstden Steigbügel gehalten habe, der Darstellung n, 298 widerspricht); Simonsfeld S. 688 (woDu Cange zu Unrecht korrigiert wird); Die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenspiegels,hrsg, von K. v. Amira, Bd. 2, 1 (1925), S. 137£.

2) Schwabenspiegel, Lehenrecht Art. 116 (hrsg. von Laßberg S. 208).

3) Es handelt sich um die 1516 zu Augsburg gedruckte Glosse, über welche Emil SteHen-hagen in den Sitzungsberichten der kais. Akademie der Wissenschaften zu Wien, Philos.-hist.Klasse, Bd. 100 (1882), S. 887ff., und Bd. 114 (1887), S. 363f. nr. 5 nähere Angaben macht. Zudem hier in Rede stehenden Satz des Lehnrechts 66 § 5 bemerkt die Glosse: Wen wur umme einY8slick richter schal heMen an sick '1:iersunderlike stucke. He schal nymande tho liggen dorch fruchtewille; dat bewiset he hir by den stichledder. Ock seal he nymande tho liggen dorch gyricheit wille; datmeint he hir dar he sprickt "Edder ordel vindt". Ock schal he nymande tho liggen dorcn gavewille, ock nicht darch hates wille. Der Glossator sieht also in der, oben Anm. 1wiedergegebenen,Bestimmung des Sachsenspiegels einen Hinweis auf die vier Eigenschaften, die der Lehnsherrals Richter im Lehnsgericht haben soll. "Er soll niemandem zuliegen (zufallen, Recht geben) umder Furcht willen (d. h. wegen Furchterregung, ausMachtgefühl des Herrn gegenüber dem Vas-sallen); darauf weist er (der Spiegier) hier hin durch das Steigleder. Auch soll er (der Richter)niemandem zuliegen um der Begehrlichkeit willen; das meint er (der Spiegier) hier, wo er spricht"oder Urteil findet" (indem nämlich der Richter sich in seinem Spruch über den Vassallen da-durch beeinflussen lassen könnte, daß er in einer anderen Sache eine ihm genehme Urteilsfindungvom Vassallen zu erhalten begehrte). Auch soll er niemandem zuliegen um einer Gabe willen(daher also dasj.oder ihm dient mit Gabe", der dritte Ausnahmefall im Spiegel), auch nichtum Hasses willen (daher der letzte Fall, wobei die hier unterstellte Beziehung freilich ziemlichkünstlich sein dürfte)."

4) Eckenlied, Str. 202 v. 8-13, hrsg. von Julius Zupitza im Deutschen Heldenbuch,Bd. 5 (1870), S. 256.

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pier) dem vornehmen Besiegten (es ist der Sultan) zu erweisen bereit ist, um sichritterlich gegen ihn zu verhalten.') Das sind Abschwächungen vom alten,strengen Sinn, der zu einer Ehrenbezeugung wird, genau so, wie wir das schonoben (S. 9ff.) bei den späteren Marschalldiensten der Kaiser feststellen konnten.

Wir sehen also in dem Bügelhalten Lothars von 1131 einen Versuch desPapstes, das Kaisertum zu einem päpstlichen Lehen zu machen. Und das paßtja aufs beste zu manchem anderen, was wir aus damaliger Zeit hören. Dieersten Fühler nach dieser Richtung hatte schon Gregor VII. ausgestreckt. Erverlangte und erhielt nach der Wahl Rudolfs von Schwaben 1077 ein Gehor-samsgelöbnis-), und er wiederholte dieselbe Forderung 1081 vor der WahlHermanns von Salm, des zweiten Gegenkönigs, wobei er zum mindesten dies-mal mit klaren Worten hinzufügte, daß der neue König sich verpflichten müsse,an dem Tage, an welchem er zum erstenmal den Papst sehen werde, in Treuedurch Handreichung der Vassall des heiligen Petrus und des Papstes werdenzu wollen.P) Dieses letzte Ziel, den Deutschen König zu einem päpstlichenVassallen zu machen, ist damals freilich noch nicht erreicht worden. Wir wissennicht einmal, ob Hermann den Eid wirklich geleistet hat; zu der in Aussichtgenommenen vassallitischen Kommendation aber ist es keinesfalls gekommen,da er den Papst ja nie von Angesicht zu Angesicht gesehen hat. Und demjungen König Konrad gegenüber ist Urban n. 1095 nichtganz so weit gegangen;

1) Konra<! von Würz~urg, Partonopier und Meliur v. 14 276f., hrsg. von Karl Bartsch(1871) S. 207. Über die Abfassungszeit vgl, Edward Schröder in den Nachrichten von derGesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, Phil-hist, Klasse 1917, S.104-108. - Auch an dasBügelhalten des römischen Stadtpräfekten oben S. 28 Anm. 2 darf erinnert werden. Ferner als1291 der Kardinal Gerard von Parma, Bischof von Sabina, nach Parma kam, leisteten ihm an-gesehene Bürger in Waffen "am Zügel und über den Bügeln" Stratordienst bis zur Kathedrale(Annales Parmenses, SS.xvm, 709, Zl. 16-18: maiores milites civitatis Parme pedester adestrabanteum per frenum et ewper 8taDaa honorifice, et 8ic duct'U8et a8ociat'U8fuit 'U8quead ecclesiam maiorem);man hielt also offenbar auch die Steigriemen über den Bügeln in der uns schon bekannten Weise.Das sollte ein Zeichen der Unterwürfigkeit unter die Kirche sein. Wenig anders ist auch die Szenezu beurteilen, die sich am 25. März 1355 in Siena abspielte, wo die gegen den Magistrat revol-tierenden Bürger den König Kar! IV. zum Ritt nach dem Stadthaus zwingen wollten, indem sieu. a. die Zügel seines Pferdes.ergriffen und mit den Fäusten in die Steigbügel fuhren (JohannesPorta de Annoniaco cap. 35, hrsg, von Salomon S. 73), um ihn am Absteigen zu verhindern(Werunsky, Der erste Römerzug Karl IV. S. 154, Gesch. KarIs IV., Bd. 2, 2, S. 567), aber dochwohl auch zugleich als Zeichen der Unterwürfigkeit. Ein ähnlicher Vorgang spielte sich am 5. April1355 nach der Kaiserkrönung Karls IV. in Rom ab (Joh. Porta cap. 49 S. 88, Werunsky S. 184bzw. 574). Diese Unterwürfigkeits-Szenen bedeuteten schließlich nicht viel anderes als die obenS. 16£. Anm. 3 erwähnten Stratordienste.

2) Vgl. oben S. 27 mit Anm. 5.S) Die EidesformelRegist. Greg. IX, 3, hrsg. von Caspar S. 575£. (auchConst. 1,559 nr, 392

= Eichmann. Kirche u. Staat I, 120f., und Günter, Krönungseide S. 12) schließt mit denWorten: Et eo die, quando ilium [papam] primit'U8 videro, fideliter per man'U8 meas miles 8anctiPetri et ilUU8 elficiar. - Vgl. Joh. Haller in den Meistern der Politik, Bd. 1 (1922), S. 354.Man darf wohl vermuten, daß der Eid nicht geleistet worden ist, da die Kurie sich später nie aufihn beruft. .

Hol t z m ann. Der Kaiser als Marschall des Papstes. 3

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er mußte bei seiner Zusammenkunft mit dem Papst diesem zwar einen sehrstarken Sicherheitseid, aber keinen Lehnseid ablegen 1), wie ja auch nur Strator-dienst, nicht Marschalldienst, von ihm gefordert worden ist. Jetzt aber, zurZeit Lothars, hielt man die Lage zu weiteren Schritten für reif. Lothar hat denPapst zu Lüttich "wie seinen Herrn" empfangen und mußte ihm den Steig-bügel halten. Das war der Anfang. Zwei Jahre später, nach der Kaiserkrönungzu Rom, ließ er sich sagen, daß der Papst ihn zur kaiserlichen Würde erhobenhabe, was eine sehr dubiöse Wendung war.J) Und im Lateran ließ Innocenznach dem Tod Lothars jenes viel genannte Bild anbringen, das den Papst imPontifikalgewand auf dem Thron zeigte, vor ihm "mit gefalteten Händen"(complicati8 manibus, dem Terminus des Lehnsrechts entsprechend) Lothar,die Kaiserkrone entgegennehmend 3); und damit man das ja nicht mißverstehe,darüber eine Inschrift, zwei Hexameter, in denen es ausdrücklich hieß, daßLothar der Lehnsmann des Papstes geworden sei, wobei zum mindesten da-mals, als das Gemälde angefertigt wurde, keineswegs nur an das MathildischeGut gedacht war. Das Bild machteEindruck in Rom und belebte die Agitationder kurialen Kreise. Es wurde wahrscheinlich an verschiedenen Orten so oderähnlich wiederholt; und auch ein Bild, das den Kaiser Lothar als Marschall

1) Const. I, 564 nr. 394: [Ohuonradus rex] fecit sacramenta securitatem ei [papae] de »ita, demembris, de captione, de papatu Romano et regalibus sancti Petri tam intra Romam quam extraRomam acquirendis, tenendis et dejendendis contra omnes homines bona fide, sine fraude et maloingenio. Bernold (SS. V, 463, Zl. 12: fecit ei fidelitatem iuramento de vita etc.) macht daraus einenFidelitätseid, will damit aber nichts anderes und insonderheit nichts von einem Lehnseid sagen;vg!. P. Scheffer-Boichorst im Neuen Archiv Bd. 18 (1893), S. 173 = Ges. Schriften I, 240,und unten S. 40 Anm. 1. Über den Stratordienst Konrads oben S. 8.

2) Erlaß Innocenz' H. vom 8. Juni 1133, Ja ffe-Löwenfeld Reg. 7632, Const. I, 168nr. 116: te ... ad imperiijastigia ... sublimaoimus, Vg!. Giesebrecht IV, 85; Bernhardi,Lothar S. 478f.; J. Haller in der Historischen Vierteljahrschrift Bd. 20 (1922), S. 28. DieWendung erinnert an die Worte Hadrians IV.: imperiali« insigne coronae libenti88ime conferens,die bei dem Konflikt von 1157 eine so große Rolle spielten; vgl. unten S. 3S.

3) Rahewin lib. Ill, cap. 10 (a. a. O. S. 177); Chronica regia Coloniensis, hrsg. von G. Waitz(1880, in den Script. rer. Germ. in usum scholarum) S. 93f. Vg!. auch Günter, KrönungseideS. 17; Eichmann, Kirche u. Staat n, 96f. (wo aber die Kölner Königschronik nicht nach deralten Ausgabe der "Annales Colonienses maximi" hätte zitiert werden dürfen). Die Kölner Königs-chronik beschreibt das Bild, Rahewin zitiert die beiden Verse, die keinen Zweifellassen, daß dasLehnsverhältnis auf das Kaisertum bezogen war. Die alte Dissertation von Johann Friedrichv. Be u Iwiz, Pontificem Innocentium 11. perperam credi, imperatoris Lotharii H. auctoritatemclientelae specie violasse (Halle 1742) hat also Unrecht, indem sie auf die Investitur Lotharsmit dem Mathildischen Gut hinweist. Ähnlich u. a. Jaffe S. 134; Bernhardi S. 483 mit Anm. 59;Eichmann in KA. VI, 191; Laehr S. 55. Richtig auch hier wieder Giesebrecht IV, 84, 436:"Daß diese Verse eine Beziehung haben sollen auf das Verhältnis, welches Lothar zum Papstwegen der Erbschaft Mathildens einging, ist eine oft ausgesprochene, aber ganz grundlose Ansicht."Gerhoh von Reichersberg nennt das Gemälde vielmehr ausdrücklich eine Folge des Marschall-dienstes (s. die nächste Anm.). Neutral Döllinger S. 98; Simonsfeld S. 330f. Urheber desBildes war nach der Königschronik Innocenz II. Es muß also den Jahren 1133-43 angehören.Gewöhnlich nimmt man an, daß es erst nach dem Tod Lothars und Anaklets 11. (t 25. Jan. 1138)angefertigt worden ist (Bernhardi, Simonsfeld).

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zeigte, d. h. die Szene des Bügelhaltens wiedergab, scheint mit derselbenAb-sicht hinzugekommenzu sein.') Gerhoh von Reichersberg, der diese Bilder sehrmißbilligt, setzt den Marschalldienst und den Versuch, den Kaiser als päpst-lichen Vassallen darzustellen, in engen Zusammenhang; und es ist auch garkein Zweifelmöglich,daß beides der gleichenWurzel entsprungen war und demgleichen Zweck diente. Wahrlich, es war weit gekommen mit dem deutschenKaisertum in den sechs Jahrzehnten von 1077-1137!

Aber die Blütenträume der Kurie, zu denen die kirchenpolitisch kläglicheHaltung Lotbars Anlaß geboten hat, sollten trotzdem keine Früchte tragen.Auf die, für unsere Frage ereignisloseRegierung Konrads IlL, der den Papstnie von Angesicht zu Angesicht gesehen hat, folgte eine entscheidende Wen-dung unter und durch Friedrich Barbarossa.

7.Daß die staufische Reichsidee, wie Friedrich Barbarossa sie belebt und in

festen und stolzen Worten mehr als einmal vertreten hat2), den päpstlichenGedanken an eine Lehnshoheit über das Kaisertum auf das schärfste wider-sprach, bedarf keines Hinweises. Zu einer Auseinandersetzung mußte es daherohne Zweüel kommen. Wie sie sich aber gestalten und mit welchemErgebnissie enden werde, dem mochte man bei der geistigen Lage der Zeit und derhandelnden Personen mit einiger Spannung entgegensehen.

Es gab mancherlei Kreise, denen die neuen Ansprüche des Papstes, diesesstarke Übergreifen ins weltliche Gebiet und die damit verbundene Verwelt-lichung in Rom, zuwider waren, und diese Kreise fanden sich keineswegs nurunter den erklärten Gegnernder Kurie. Gerade der Propst Gerhoh von Reichers-berg, der hervorragendste Vertreter der streng kirchlichen Richtung, machte

1) Schon Rahewin a. a. o. redet, was meistens übersehen wird, ausdrücklich von mehrerenGemälden: die Auffassung der Kurie werde non solum dictis. sed et scriptis atque picturis ver-treten, die Verse stehen super eiusmodi picturam. Ganz ebenso sagt Friedrich Barbarossa 1158in seinem Brief an die deutschen Bischöfe (Rahewin Ill, c. 17, S. 188f.) zunächst zwar A pieturacepit (womit also das erste, durch Innocenz 11. veranlaßte Gemälde gemeint ist), dann aberPicturae deleantur. Und entsprechend auch Gerhoh von Reichersberg, De investigatione Anti-christi cap. 72 (Lib. de lite Ill, 393): Romani occasione talis obsequii reges vel imperatores homines8U08 in cameris sive in publico pingunt, locuntur et 8cribunt (vg!.ebd. S. 392, Z!. 19). Das obsequiumbezieht sich hier auf den kurz zuvor erwähnten Strator- und Marschalldienst, namentlich aufletzteren, den Gerhoh vorher als eine verwerfliche Neuerung gegeißelt hatte, und dessen Be-ziehungen zum Lehnswesen wir kennen. - Es gab also eine ganze Anzahl von Bildern an ver-schiedenen Orten, zum Teil gewiß einfach Wiederholungen des ersten. Aber in der Schrift "Dequarta vigilia noctis" gedenkt Gerhoh einer nova pictura, qua Romanorum imperator pingiturmarescalchua (ebd, S. 512, Zl.lOf.). Hier muß also eine andere Szene gemalt gewesen sein, nämlichdas Bügelhalten. VgI. Simonsfeld S. 687.

I) Vg!. z. B. Rampe, Herrschergestalten S. 187f., 197f. Man denkt namentlich an dieÄußerungen in dem Streit mit Hadrian IV. 1157-59.

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sich ein wesentlich anderes Bild von dem richtigen Verhältnis der weltlichenzur geistlichen Gewalt, als das des heischenden Papstes und des gehorchendenKönigs.') Und auch er belegt es mit der Konstantinisohen Schenkung. PapstSilvester, so meint er, hat den Stratordienst nicht als ein ihm zustehendesRecht gefordert, sondern er hat, als Konstantirr in Demut sich freiwillig alsStrator ihm stellte, das als ein Zeichen der Ehrerbietung und des guten Einver-nehmens der beiden obersten Gewalten zugelassen, niemals aber sich in welt-liches Gebiet eingemischt. Und so solle es auch in Wahrheit im christlichenStaat sein. Jetzt aber scheine ihm der Strator- und Marschalldienst nur Hoch-mut auf der einen Seite, Ärgernis und Haß auf der anderen zu erwecken .

• Nicht alle nahmen diesen edlen, am mittelalterlichen Ideal des Gottes-staates gemessenen Standpunkt ein. Andere gingen weiter, wollten von derganzen Konstantinisohen Schenkung und allen ihren Konsequenzen nichtsmehr wissen. Namentlich die römischen Revolutionäre, die kommunale Partei,die den Papst bereits mehrfach aus der Stadt gejagt hatte 2), und die mit ihraufs engste verbundene religiös-radikale, spiritualistische Richtung, derenHaupt Arnold von Brescia war, vertraten diese Forderung. Da gab es Juristen,die die Ungültigkeit der Schenkung deduzierten, weil Konstantin Arianer ge-wesen sei.") Andere aber, und das war die Mehrheit, erklärten das Constitutumfür eine ganz einfache plumpe Fälschung: es ist das zweitemal, daß diese An-sicht uns im Mittelalter begegnet, und vermutlich war es Arnold von Bresciaselbst, der sie diesmal gefunden und begründet hat; wir hören sie aus dem Mundeines seiner Schüler. Friedrich Barbarossa hat bald nach seiner 'Wahl zumDeutschen König 1152 den Brief eines römischen Arnoldisten namens Wezelempfangen. Wezel, der zu den Verkündigern der Souveränität des römischenVolks gehört und ihm die Verfügung über das Kaisertum zuspricht, äußert.sich,den Lehren seines Meisters entsprechend, sehr bitter über alle weltlichen Ge-schäfte und Ansprüche der Geistlichkeit, und in diesem Zusammenhang erklärt

1) Gerhoh von Reichersberg, hrsg. von Ernst Sackur in den Libelli de lite Bd. 3 (1897),besonders S. 283,336,393, 51If. Vgl. Döllinger S. 99; Heinrich F. A. Nobbe, Gerhoh vonReichersberg (1881) S. 109ff.; WaIter Ribbeck, Gerhoh von Reichersberg und seine Ideen überdas Verhältnis zwischen Staat und Kirche, in den Forschungen-zur deutschen Geschichte Bd.24(1884), dazu ebd. Bd. 25 (1885). S. 556ff_; Bernhard v. Simson, Analekten zur Geschichteder deutschen Königswahlen, Programm der Univ. Freiburg i. Br, (1895), S. lOff.; Jastrow-Winter I, 512f.; Simonsfeld S. 686f.; Schönegger S. 578-84; Laehr S. 51ff., 67f. AuchJohannes Cinnamus V, 7 (hrsg. von Meineke S. 219f.) hielt den Steigbügeldienst für ungerecht,da der Papst seine Würde von Konstantin d. Gr. erhalten habe (Schramm in d. Hist. Ztschr.Bd, 135, S. (61). über Bedenken, die man schon seit der Zeit Gregors VII. sogar an der Kuriegegen eine allzu ungescheute Verwertung der Konstantinischen Schenkung hatte und habenmußte, vg!. Laehr S. 36ff. (auch oben S. 26).

2) Gregorovius (3. Aufl.) IV, 461, 467, 480; Giesebreeht IV, 225, 226, 342; Bernhardi,Konrad S. 453, 464, 821.

3) Gerhoh von Reichersberg im Psalmenkommentar (Lib. de lite rn, 447). Vgl. LaehrS.67.

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37er die Konstantinische Schenkung für eine Lüge und häretische Fabel, die alssolche in Rom so klärlich aufgedeckt sei, daß sogar Tagelöhnerund Weiberdarüber den gelehrtestenKöpfen Rede stehen könnten.')

Die Ideen der revolutionären Römer widersprachen nun freilich der Auf-fassung, die Friedrich Barbarossa von Staat und Kirche, Kaisertum undPriestertum hatte, ebensosehr wie die Forderungen des Papstes. So ging derKönig seinen eigenen Weg, der sich am ehesten noch mit den Gedanken desGerhoh von Reichersberg berührte. Er lehnte bei seiner ersten Zusammen-kunft mit dem Papst 1155 den Strator- und Marschalldienst anfangs ab, da erihn für gefährlich hielt, und da er eine bindende Verpflichtung dazu nicht an-erkannte. Dann überzeugte er sich, daß es sich um einen älteren Brauchhandelte; der Bericht der Fürsten, die zu Lüttich 1131 dabei gewesen waren,und "alte Urkunden", wobei man natürlich in erster Linie an das Constitutumzu denken hat2), bewiesen es ihm. Und nun beschloß er, sich in der Form denWünschen des Papstes zu fügen. In der Form. Denn in den zweitägigenVerhandlungen mußte auch die Gegenseite ganz bestimmte Bedingungen ein-gehen. Schon Simonsfeld hat aus Rahewin den Nachweis geführt, daß Friedricheben damals von Hadrian die Zusage erhielt, daß jenes bedenkliche Lateran-bild mit der eindeutigen Überschrift entfernt würde.") Das zeigt, worum es sichbei den Verhandlungen gedreht hat: um einen Kampf Friedrichs gegen dieVersuche, das Kaisertum zu einem päpstlichen Lehen- zu machen. Daherlautete der Beschluß des Fürstenrats auch ausdrücklich dahin, daß der König

1) Wezel an Friedrich Barbarossa, bei Ph. Jaf£e, Bibliotheca rerum Germanicarum, Bd. 1(1864), S. 542, auch bei Eichmann, Kirche u. Staat I, 125. Vg!. Döllinger S. 95; AdolfRausrath, Arnold von Bresoia (1891) S. 123; Hauck 3./4. Aufl. IV, 216.:Schönegger S. 556f.;Rampe in der Hist. Ztschr., Bd. 130 (1924), S. 59-61; Laehr S. 67. über das VerhältnisFriedrichs zu den Römern: Gregorovius IV, 483ff.; Giesebrecht V, 19f., 24f., 61£.; MaxPomtow, über den Einfluß der altrömischen Vorstellungen vom Staat auf die Politik KaiserFriedrichs I.und die Anschauungen seiner Zeit (Diss, Halle 1885) S. 35-38; Simonsfeld S. 103,131£., 158ff., 326f., 332f.; Gerda Bäseler S. 95ff.; Ernst Schoenian S. 63ff.

2) Simonsfeld S. 684f. Sehr zu Unrecht vermutet Hauck IV, 217 Anm. 3 unter Berufungauf den Brief Wezels, daß Friedrich an der Echtheit der Konstantinischen Schenkung gezweifelthabe. Sie stand für ihn so fest, daß er sich bei dem Strator- und Marschalldienst, den er 1160dem Papst Viktor IV.leistete, ausdrücklich auf das Vorbild Konstantins d. Gr. berief; Rahewin,lib. IV, cap. 78 (a. a. 0., S. 328, vgl. oben S. 10 Anm. I, auch Laehr S. 58). Wie Gerhoh vonReichersberg, war ja auch Otto von Freising von der Echtheit der Schenkung überzeugt: Chroniklib. IV, cap. 3, hrsg. von Ad. Hofmeister (1912, in d. SS. rer. Germ. in usum schol.) S. 187;auch Eichmann, Kirche u. Staat I, 125f. Vg!. Döllinger S. 96; Schönegger S. 587; LaehrS. 62-64. - Die anderen vetera rrwnumenta sucht Simonsfeld wohl mit Recht im Liber ponti-ficalis. Doch darf man daraus nicht schließen, daß die päpstliche Kanzlei diese Quellen immer beisich herumgeführt habe; das geschah wohl nur in dem vorliegenden besonderen Fall, wegen derWichtigkeit des Zusammentreffens mit dem König und der Ungeklärtheit seiner Haltung in allenFragen, die dabei für die Kurie in Betracht kamen.

3) Simonsfeld S. 330£., 684 (unter zutreffender Berufung auf Rahewin Ill, 10, S.177,Zl. 13-19); danach so auch Eva Sperling S. 43.

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die Dienste "aus Ehrerbietung gegen die seligen Apostel" (Petrus und Paulus)leisten solle.") Und wir werden über Simonsfeld hinaus die Hypothese aus-sprechen dürfen, daß Friedrich vom Papst noch etwas anderes erlangt hat:eine authentische Interpretation oder bindende Zusage, wonach das Bügel-halten nur eine Ehrenerweisung in frommer Demut sei und mit jenem vassalli-tischen Brauch nichts zu tun habe. In der Tat, wenn bei diesen Verhandlungenüber Strator- und Marschalldienst das Ärgernis des Lateranbildes beseitigtwurde, um den Kaiser nicht als Vassallen des Papstes erscheinen zu lassen, somuß um so mehr auch das Bügelhalten selbst vor gleicher Mißdeutung sicher-gestellt worden sein.

Dazu aber stimmt und hiermit löst sich aufs beste unsere vierte und letzteFrage, woher denn der große Wandel in der Entwicklung des Strator- und Mar-schalldienstes nach 1155 komme. Die Dienste waren zu einer Zeremonie, einerharmlosen Ehrenbezeugung geworden, die man dem Nachfolger Petri bei Ge-legenheit gerne erwies, die aber keiner staatsgefährlichen Ausdeutung mehrfähig war. Die Tradition war im Mittelalter ein starker Faktor. Hatte einHadrian IV., ein Alexander Ill. den Marschalldienst entgegengenommen, ohnelehnsrechtliche Folgen daran zu knüpfen, so blieben solche Folgerungen auchfür die Zukunft verschlossen.

Hadrian IV. mußte daher auch einen anderen Weg einschlagen, als er nocheinmal versuchte, sein Ziel zu erreichen. Es geschah das durch jenes berühmteSchreiben, das auf dem Reichstag zu Besancon 1157 verlesen wurde, und das,ganz nebenbei, zwei höchst verfängliche Bemerkungen enthielt, nämlich daßder Papst dem König die Kaiserkrone "übertragen" habe, daß er sich aberfreuen würde, wenn er ihm sogar noch größere beneficia zukommen lassenkönnte.s) Es ist kein Zweifel, daß hier nicht nur die, der kaiserlichen Anschau-

1) BoBOin der Vita Hadriani IV. papae, bei Duchesne, Lib. pont. 11, 39lf. (Watterich11, 328): iudicio principum decretum e8t et communi favore totius regalia curie roboratum, quod idemrex pro beatorum apoatolorum reverentia predicto pape Adria1W exkiberet BtratoriB officium et eiusstreuguam teneret. Die Fürsten nahmen damit die Worte auf, mit denen der Papst selbst sich beimKönig wegen der Unterlassung der Dienste beklagt hatte (ebd.: ... illum CO'n8Uttumac debitumhonorem, quem predecessores tui orthodoxi imperaWre8 pro apostolorum Petri et PauU reverentiapredece8soribU8 meis Romanis pontificibu8 exkibere . . . C01t8'Ueverum); sie wollten den Papstalso darauf festlegen, ganz im Sinne Friedriohs. Falsch ist auch hier die tendenziöse Entstellung,die Albinus später denWorten BoBOsgegeben hat (vgl. den Exkurs S.48 f.), und man darf natürlichnicht, wie Simonsfeld S. 680 möchte, bei BOBOhinter apoatolorum ein principis (aus Albinus)einschalten. Petrus und Paulus sind bekanntlich die Schutzheiligen der römischen Kirche. -Es ist also sehr irrig, wenn Hauck IV, 217 von einer Niederlage Friedrichs redet. Unbegründetist auch, daß Eichmann (in KA. VI, 191) sich darüber wundert, daß Friedrich, als er dem Papstvor der Kaiserkrönung in der üblichen Weise den Sicherheitseid leistete, dabei niederkniete undseine Hände in die des Papstes legte (vgl, Simonsfeld S. 336).

2) Rahewin Ill, cap. 9 (a. a. O. S. 175, Zl.2lf., 26). Jaffe-Löwenfe ld Reg. 10 304;Const. I, 229f. nr, 164; Eichmann, Kirche und Staat 11, 95 § 3; Günter, Krönungseide S. 20.Den Nachweis, daß der Papst das Wort benefWium ursprünglich wirklich im Sinn von "Lehen"gemeint hat, erbrachte Heinrich Schrörs, Untersuchungen zu dem Streite Kaiser Friedrichs I.

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39ung aufs schärfste widersprechende kuriale Theorie von einem päpstlichenVerfügungsrecht über das Kaisertum zum Ausdruck gebracht werden sollte,sondern daß auch der Versuch, das Kaisertum zu einem päpstlichen Lehen zustempeln, wiederholt worden ist. Wir dürfen aber nach dem Vorangegangenensagen, daß diese Aktion von 1157 von vornherein zum Fehlschlagen verurteiltwar. Und es ist ja bekannt, daß der Papst auf die energischen Proteste desKaisers alsbald einlenken mußte und sich hinter die Behauptung zurückzog, erhabe das Wort beneficium nur in seinem eigentlichsten Sinn von "Wohltat"gebraucht, und er habe mit der Übertragung des Kaisertums nur an die Krö-nung durch die Hand des Papstes gedacht.l) Damit waren diese Versuche zuEnde. Weder Alexander Ill., obgleich er selbst damals 1157 das Schreibenseines Vorgängers überreicht hatte, ja nicht einmal Irmocenz IlL, so starkeRechte er sich über das Kaisertum anmaßte, hat die Theorie, daß das Kaisertumein päpstliches Lehen sei, wieder aufzunehmen gewagt.2) Und wenn später,

mit Papst Hadrian IV., Programm der Univ. Bonn (1915),S. 64ff. Vgl. auch Dötlf nger S. 98f.;Giesebrecht V, 123ff.; Walter Ribbeck, Kaiser Friedrich I. und die römische Curie in denJahren 1157-1159 (Diss. Leipzig 1881) S. 21ff.; Hauck IV, 224£.; Simonsfeld S. 568ff.;Bloch, Kaiserwahlen S. 11f.; Karl Scham bach in der Hist. Vierteljahrschrift Bd. 14 (1911),S. 414ff.; Eichmann in KA.n, 188; Eva Sperling S. 43f.; Laehr S. 58f. über paria liuera-rum zuletzt Nikolaus Hilling in den Abhandlungen aus dem Gebiete der mittleren und neuerenGeschichte, Festgabe H. Finke gewidmet (1925).

1) Rahewin m, cap. 23 (a. a. O. S. 196); Jaffe-Löwenfeld Reg. 10386; Const. I, 234f.nr. 168; Eichmann, Kirche und Staat 11, 100. Dazu die in der vorigen Anm. zitierte Literatur.

~) über Alexander Ill. vgl. die Bestimmungen des Friedens von Venedig (Const. 1,360-73;Giesebrecht V, 844ff.; Eichmann, Kirche u. Staat n, 1OIff.). - Innocenz Ill. sagt in der"Deliberatio super facto imperii" (Ende 1200), daß der Kaiser (bei der Krönung) vom Papst"geweiht, gekrönt und mit dem Kaisertum investiert" wird, und fügt hinzu, daß Heinrich VI.einst nach der Krönung den Papst Coelestin Ill. gebeten habe, ihn durch einen goldenen Apfelmit dem Kaisertum zu investieren. Epistolae Innooentii Hl., hrsg. von Baluze, Bd. 1 (1682),S. 697 Sp. 2 nr. 29; Eichmann, Kirche u. Staat 11, 124 nr. 39a; Das Register Innocenz' Ill.über die Reichsfrage, übers. von Georgine Tangl (Die Geschichtschreiber der deutschenVorzeit, Bd. 95, 1923)S, 62£. über den Vorgang nach der Krönung Heinrichs VI., der zu einerKontroverse zwischenJoh. Haller und MichaelTangl geführt hat, vgl. jetzt E. Jordan, Henri VI.a-toiloffert a.CelestinIll. de lui faire hommagepour l'empire?, in denMelangesd'histoire de moyenage offerts it Ferdinand Lot (1925) S. 285ff.; Volkert Pfaff, Kaiser Heinrichs VI. höchstesAngebot an die römische Kurie (1927, Heidelberger Abhandlungen Heft 55) S. 17-26; ErnstPere.ls, Der Erbreichsplan Heinrichs VI. (1927)S. 96-100. Für uns ist festzustellen: Innocenzsteht auf dem Standpunkt, daß der Papst mit dem Kaisertum investiert. Aber investieren undbelehnen ist keineswegsdasselbe. Vgl. Julius Ficker, VomHeerschilde (l862) S. 34; Scheffer-Boichorst in d. Hist. Ztschr., Bd. 33 (1875),S. 156. Investitur ist die Einsetzung in die Gewere(R. Schröder S. 301, 304f.), und es gibt natürlich auch im Lehnsrecht eine Investitur, aberebenso im Sachenrecht des Landrechts. Innocenz vertritt die Ansicht, daß erst die Kaiserkrönungden Kaiser in die Gewer«,d. h. in die volle Herrschaft über das Kaisertum, setze. Niemals hater jedoch einWort wie 'lJa88U8 oder hominium mit Bezug auf das Kaisertum gebraucht. Vgl. auchErich W. Meyer, Staatstheorien Papst Innocenz' Ill. (1919). Die von Bloch S. 34 Anm. 1zitierten Worte der Deliberatio (cum ei coronae beneficium contulis8et, Ep. Inn. I, 699 Sp. 2, beiG. Tangl S. 72) werden bei Erwähnung des Streits von 1157 angeführt als die Stelle in demBrief Hadrians IV., durch welcheder Kaiser in Zorn geraten sei; sie haben also keine theoretischeBedeutung, da ja Hadrian selbst sie später als harmlos interpretiert hatte.

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40zur Zeit von Innooenz IV., Bonifaz. VIII. und Clemens V., sich ähnliche Aspi-rationen an der Kurie noch einmal geregt haben 1), so war ihnen kein bessererErfolg beschieden als vordem auf dem Reichstag zu Besancon, Das war derbleibende Gewinn der in der Form entgegenkommenden, in der Sache festenund klaren staatsmännischen Haltung Friedrichs I. 1155 bei Sutri.

8.Wir sind zu Ende. Aber vielleicht ist es doch geboten, zum Schluß noch

einmal den Blick nach dem Anfang zu richten, wo noch eine letzte Frage offensteht. Wir sahen, der Stratordienst, das Zügelführen, erheblich älter als derMarschalldienst, stammt aus Byzanz, wo er bei festlichen Gelegenheiten demKaiser durch Patrizier geleistet worden ist2.) Wie aber kam dieser Ehrendienstnach Byzanz, und was bedeutete die Sitte des Zügelführens ursprünglich 1

1) Vgl. darüber Karl Gottfried Hugelmann, Die deutsche Königswahl im corpus iuriscanoniei (1909) S. 115ft., 134; Wilhelm Renken, Hat König Albrecht I.dem Papste BonifazVIII. einenLehnseid geleistet? (Diss.Halle 1909): Albert Hauck, Deutschland und die päpst-liche Weltherrschaft, Programm der Univ. Leipzig (1910): ders., Kirchengesch, Bd 5, 1.Hälfte(l9Il), S. 465, 468, 476: A. Hessel im NeuenArchiv Bd. 37 (1912), S. 292ft.: Bloch S. 156-159;Richard MoeHer, Ludwig der Bayer und die Kurie im Kampf um das Reich (Hist. Studien,hrsg. von Ebering, H. 116, 1914) S. 157-179: Günter in d. Schäfer-Festschr. S. 6ff., 33ft.;Hofmeister ebd. S. 109f. Anm. 3; Eichmann in KA. VI, 180-194;·Eva Sperling S. 45;Jordan S. 290; Friedrich Baethgen, Der Anspruch des Papsttums auf das Reichsvikariat,Ztschr. d. Sav.-Stiftg. Bd. 41, KA. 10 (1920), S. 178ft.; ders., Die Promissio Albrechts 1. fürBonifaz. VIII., in: Aus Politik und Geschichte, Gedächtnisschrift für Georg v. Below (1928).Es ist unverkennbar, daß die Theorie von der Oberlehnshoheit des Papstes über das Kaisertummehr von der unverantwortlichen Umgebung des Papstes als von diesem selbst betont wurde,und daß die Päpste es vorzogen, ihre Gewalt über das Kaisertum auf andere Theorien zu gründen(Approbation, Vikariat u. dgl.). Man beachte, wie sogar Clemens V. in dem Dekretale "Romaniprineipes" (14. März 1314), wo er aufs schärfste betonte, daß Heinrich VII. (was von diesem ge-leugnet war) ihm einen Fidelitätseid geleistet hatte, zwar den König Robert von Neapel ausdrück-lich als seinen homo ligius et vassallus bezeichnet (Const. IV, 2, 8.1212, Zl. 42), gegenüber demverstorbenen Kaiser aber keine derartige Wendung gebraucht. In der Tat ist nicht jeder Fideli-tätseid ein Vassalleneid. Vgl. P. Scheffer-Boichorst im Neuen Archiv Bd. 18 (1893) S. 172ft.= Ges. Schriften I, 239ft.; Seeliger bei Waitz VG. 2. Aufl. VI, 235; Ferdinand Lot, Fidelesou vassaux ? (1904): Eichmann in KA. 11, 25, Kirche u, Staat n, 105-109, KA. VI, 156-163,MisceIl. Ehrle II, 326; Günter, Krönungseide S. 36-42 u. in d. ScMfer-Festschr. a. a. 0.;Jacques Flach, Les orgines de l'ancienne France, Bd.4. (1917), und dazu AugusteDumas in der NouveIle revuehistorique de droit franeais et etranger Bd.44 (1920). Diedeutschen Könige und Kaiser haben den Gedanken, daß das Kaisertum ein päpstliches Lehen sei,immer und entschieden zurückgewiesen. Der deutsche Kaiser war ein miles S. Petri, nicht aberein Vassall des Papstes; vgl. Eichmann in KA. IT, 32 und VI, 148£. Gregor VII. hatte aller-dings vor der Wahl des zweiten Gegenkönigs einen Eid gewünscht, durch den der ErwählteVassall des hlg. Petrus und des Papstes geworden wäre; aber vermutlich ist dieser Eid nicht ein-mal damals geleistet worden (oben S. 33 mit Anm. 3).

2) Oben S. 22 f. - Es versteht sich, daß für die Beziehungen zum alten Orient nur dasZügelführen in Betracht kommt, nicht das erst erheblich später damit verbundene Bügelhalten.Denn die Griechen und die Römer hatten wohl Reitdecken, auch diese aus dem Orient über-

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41Eine intensive Forschung 1) hat uns in den letzten Jahrzehnten gelehrt,

wie viel von den byzantinischen Bräuchen und Einrichtungen durch eine zähe,die Jahrhunderte und Jahrtausende überdauernde Tradition den alten Welt-reichen des Orients entstammt, wie viel auf diesem Weg ins Frankenreich undnach Westeuropa gekommen ist, wie viel heidnisches Gut, z. T. umgebogenund umgedeutet, in die christliche Kirche und Staatenwelt übergegangen ist.Auch der Stratordienst gehört zu diesem orientalisehen Erbgut. Er hat sichentwickelt aus dem Dienst, den man bei feierlichen Gelegenheiten einem Gottverrichtete, und den ursprünglich nur einer versehen konnte, der selbst mehrals Mensch war, z. B. der orientalische Großkönig. Wir können hier nur einigeAndeutungen über diese, tief in die orientalische Mystik und Kosmologie desAltertums führenden Zusammenhänge geben.

Auszugehen haben wir dabei von der, dem alten Orient außerordentlichgeläufigen Vorstellung der durch Zügel geleiteten Sonne.") Die lebenspendendeSonne, die Verkörperung der Allmacht und Weltherrschltft, wird gelegentlichabgebildet auf einer Unterlage, einem Tisch, einem Altar, in einem Wagen u. dgl.mehr, durch Zügel bewegt und geleitet. Die die Zügel führen, das sind Wesen,die irgend die menschliche Sphäre übersteigen: Engel, Genien, Zwischen-gestalten zwischen Mensch und Gott. Auch die alttestamentlichen Cherubim

kommen, aber keine Steigbügel; vgl. Pauly-Wissowa, 2. Reihe, Bd. 1, 1 (1914), Sp. 552 undoben S. 2 Anm. 2. Eine Hilfe beim Aufsteigen war bei ihnen daher besonders notwendig. Undman kann in dieser Hinsicht in der Tat hinweisen auf den dvafJolelk (Hinaufwerfer] bei denPersern (Rolle des Satrapen Tiribazos bei Xenophon, Anabasis IV, 4) und bei Alexander d. Gr.(Helm ut Berve, Das Alexanderreich, Bd. 1, 1926, S 38), oder auf die aus dem "Tod des Carus"von Platen bekannte Erzählung, wonach der gefangene Kaiser Valerian dem Perserkönig Saporbeim Besteigen des Pferdes als Schemel dienenmußte (Pauly-Wissowa, Bd 13,1926, Sp. 492f.).Mit dem mittelalterlichen Strator- und Marschalldienst hat das aber nichts zu tun.

1) In vorderer Linie stehen hier seit mehreren Jahrzehnten Konrad Burdach, SamuelSinger, Franz Kampers, Robert Eisler. Dazu eine große Zahl kleinerer Arbeiten, wieWilliam Fischer, Eine Kaiserkrönung in Byzantion, Ztschr. f. Allgemeine Geschichte, Bd. 4(1887), Georg Wolfram, Der Einfluß des Orients auf die frühmittelalterliche Kultur und dieChristianisierung Lothringens, Jahrbuch der Gesellschaft für lothringische Gesch. u. Altertums-kunde Bd. 17 (1905), Aufsätze in der Byzantinischen Ztschr., der Revue de l'orient ehretien usw.- Freilich sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die kulturgeschichtlichen Zusammenhänge,um die es sich dabei handelt, vielfach einen hypothetischen Charakter haben. Und auch diehier angestrebte Verknüpfung des StratordiensteA mit ältesten Vorstellungen und Bräuchen willnur ein erster Versuch sein und mehr a~f Möglichkeiten hinweisen als Gewißheit geben.

D) Ein besonders schönes Relief ist abgebildet bei Joachim Menant, Recherches sur laglyptiquc orientale [Lea pierres gravees de la Haute-Asie], Bd. 1 (1883), Tafel V, dazu S. 244ff.,kleiner bei Alfred Jeremias, Das Alte Testament im Lichte des Alten Orients, 3. Aufl. (1916),S. 387, Abb. 165, und bei Hugo Prinz, Altorientalische Symbolik (1915), Tafel X, Abb. 5,dazu S. 75ft. Vgl. ferner Eisler 1,213 Anm. 2, II, 593 Anm. 1; Jeremias S. 556f. über dasFortbestehen der Vorstellung vom Sonnentisch im christlichen Mittelalter vg!.: Speculum humanaesalvation is, hrsg. von J. Lutz und P. Perdrizet, Bd. 1 (1907), S.I2, und die Abbildung einesKirchenfensters in Mülhausen im Elsaß, ebd. Bd, 2 (1909), Tafel 102; dazu Kampers in denMitteilungen d. schles. Gesellach. f. Volkskunde, Bd. 19 (1917), S. 78ft Ferner Kampers,Der Waise, Rist. Jahrbuch Bd. 39 (1919), S. 459-464.

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scheinen hierher zu gehören, wenn es nämlich richtig ist, daß der NamenCherub durch Metathese aus Rekub (Wagenlenker) entstanden ist.") Nunsteigt aber in den alten Weltreichen der König selbst zum Kosmokrator aufund damit zu einem Wesen, das Teil hat an göttlicher Kraft, und so kann erselbst zu der Sonne und ihrem Wagen in Beziehung treten. Wir haben eineKeilinschrift Assurbanipals, aus der zu ersehen ist, daß beim assyrischen Neu-jahrsfest, dem Akitu-Fest, der König die Zügel der Iätar ergriff, d. h. die Zügeleines Kriegswagens, auf dem sich eine Statue der Göttin Iätar befand.P) Indieser Zeremonie, die die Ergreifung des Kommandos im Krieg bedeutendürfte, tritt also der König'als Strator des Gottes auf. In anderen Fällen freilich,wo es sich nicht um eine Zeremonie, sondern um ernste Kriegsfahrten handelt,brauchte man wohl auch wirkliche Stratoren. Herodot beschreibt uns denAufbruch des Xerxes nach Griechenland, den Zug des gewaltigen Heeres.") Inder Mitte befanden sich der Gott und der König, beide ehrfurchtsvoll geleitet.Da kamen erst tausend auserlesene Reiter und tausend auserlesene Lanzen-träger und zehn heilige nisäische Pferde. Dann folgte der heilige Wagen desGottes (des Ahura-Mazda oder Ormuzd), von acht weißen Pferden gezogen,hinter ihnen der Zügelhalter (nv{oxo~, identisch mit dem lateinischen strator),der die Lenkseile in Händen hielt: "denn diesen Göttersitz", sagt Herodot,"besteigt kein Mensch". Hinter ihm kam König Xerxes auf einem Wagen mitnisäischen Pferden, und auch neben diesem Wagen schritt wieder ein Zügel-halter. Das Göttergespann, das also im Orient nicht einmal der König besteigt,ging dann in die klassischen Vorstellungen über und ist daraus 'ja allgemeinbekannt geblieben; es genüge in dieser Hinsicht an das berühmte Decken-gemälde des Guido Reni zu erinnern, wo Aurora dem Sonnenwagen als Leiterinvoranschwebt.

Aber anders als bei den Orientalen, bei denen noch zur Zeit des Xerxes denWagen des Gottes kein Mensch betrat, finden wir bei Griechen und Römerngelegentlich auch Menschen an dieser Stelle. Zuerst, wie es scheint, und daskennzeichnet den griechischen Geist, einen Dichter, den eleatischen Dichter-

1) Es gibt allerdings auch andere Etymologien. Zu den Cherubim bei Ezechiel vgl.Eisler 11, 428f.

2) Die Inschrift wurde zuerst veröffentlicht von Samuel AIden Smith, Die Keilschrift_texte Asurbanipals H.3 (1889); s. das. S.3, Zl. 71-76 mit Übersetzung S. 6. Verbesserte über-setzung bei Maximilian Streck, Zum Akitu-Feste, Orientalische Literatur-Zeitung, Jg. 8(1905), Sp.376 (dazu ebd. Anm. 3); Text und Übersetzung bei Streck, Assurbanipal und dieletzten assyrischen Könige (3 Bde. 1916 = Vorderasiatische Bibliothek [II 9]) 11, 320-323(dazu 321Anm. 1). VgI. auch Heinrich Zimmern in den Berichten über die Verhandlungen derkgl. Gesellschaftder Wissenschaftenzu Leipzig, Philol.-hist, Klasse, Bd. 58 (1906),S. 144Anm. 2;Christlie be Jeremias, Die Vergötterung der babylonisch-assyrischenKönige, Der Alte Orient,Jg. 19, H. 3/4 (1919), S. 12f.

2) Herodot, lib. VII, cap. 40. Etwas anders auch Xenophon, Kyropaedie lib. VIII, cap. 3,§ 12. - DagegenKriegswagenmit Strator und Wagenlenker bei A. J eremias S.509, 514.

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Philosophen Parmenides (um 500 v. Chr.), Parmenides beginnt sein Lehr-gedicht mit der schönen Schilderung, wie er auf einem rossebespannten Wagenhimmelwärts fährt, zur Gottheit, die ihn beseelt: die Heliaden, Sonnenjung-frauen, Lichtelfen, geben ihm dabei das Geleite.") Der Dichter darf zuerst dieStelle des Gottes einnehmen. Andere erhabene Sterbliche folgen, von Parzenund ähnlichen Wesen geleitet.s) Insonderheit haben die römischen Kaisersolche Ehre beansprucht und genossen. So sehen wir in Rom auf dem Titus-bogen den Kaiser im Triumphalwagen, dessen Zügel von der Fortuna Romae,der Glücksgöttin Roms, geführt werden. Es gibt, dem ganz ähnlich, eineMünze Trajans, der Kaiser auf einem Löwengespann thronend, von der For-tuna Romae als Leiterin und Zügelhalterin umgeben. Und wie jenes Götter-gespann, so ist auch dieses Bild des römischen Kaisers, dem ein Zügelhalterdie Richtung weist, den Jahrhunderten geblieben. Bei Dante wird die Phönix-Erwartung der Zeit symbolisiert durch Trajan und die flehende Witwe Roma,die die Zügel seines Rosses ergreift, und bei Petrares findet sich das gleiche Bild.

Der römische Kaiser also hat den Wagen des Gottes betreten; ihm dienenals Zügelführer vornehme, aber seines Schutzes bedürftige, seine Unterstützungbegehrende Gestalten. Seine Erben sind die byzantinischen Kaiser mit denPatriziern am Zügel ihrer Pferde, mögen diese nun den Wagen gezogen oder denKaiser selbst getragen haben. Aus Byzanz schließlich kam Vorstellung undBrauch zu den Franken und zu der abendländischen Christenheit. Ex orientelux. Und so große Wandlungen das Bild des Strators gemacht hat von demgenienumschwebten Sonnenwagen des Orients bis zu dem Augenblick, wo mitKar! V. zum letztenmal ein Kaiser dem Papst am Zügel seines Zelters gedienthat: wir bestaunen doch auch hier eine gewaltige historische Einheit, in dersich die Jahrtausende die Hände reichen .

. 1) Parmenides, Lehrgedicht, griechisch und deutsch von Hermann Diels (1897), S. 28v. 1-20. VgI. ebd. S. 20 und Eisler 11, 497.

2) Allerhand Material zu diesem, noch durchaus unerforschten Gebiet findet sich auf römi-schen Sarkophagen. Der römische Triumphator erschien in Gestalt und Vertretung Juppiters,aber von Genienund Stratoren findet sich bei ihm nichts. Vgl. J oachim Marquardt, RömischeStaatsverwaltung, Bd. 2 (1876), S. 567; Georg Wissowa, Religion und Kultus der Römer,2. Auti. (1912),S. 126f. Dagegen zu Titus: Ch. Huelsen, Das Forum Romanum (1904) S. 201.Die Trajan-MÜDZe,bei der zum erstenmal der Wagen in Wegfall gekommen ist: F. Kampers,VomWerdegang der abendländischenKaisermystik (1924).Tafel I, Abb. 3. Vgl. den Wagen derFortuna bei Peter v. Eboli, Liber ad honorem Augusti, hrsg. von G. B. Siragusa (1906, inden Fonti per la storm d'Italia [Nr. 39], Scrittori sec. XII) S. 100;A. Doren, Fortuna im Mittel-alter und in der Renaissance, Vorträge der BibliothekWarburg 11,1922/23, 1. Teil (1924). Alanusvon Lille, Anticlaudianus cap. 7, erwähnt den Wagen der Prudentia; J. P. Migne, Patrologialatina, Bd. 210 (1855), Sp. 506. Trajan bei Dante, Purgat. 10, v. 76-93. Dazu Konrad Bur-dach, Vom Mittelalter zur Reformation, Bd. 2. 1. Teil,!. Hälfte (1913), S. 68-71. Vg!. auchdenWagen Beatrices im Purgat. 29-33; Franz Xaver Kraus, Dante (1897)S. 726ff.; F. Kam-pers im Deutschen Danre-Jahrbuch Bd. 6 (1921), S. 18ff. Wie Vorstellung und Bild einesleitenden Genius dieser Art bis in unsere Tage lebendig sind, beweist das Denkmal Kaiser Wil-helms I. von Reinhold Begas in Berlin.

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Exkurs.Über die Begegnung bei Sutri 1155.

Die Ereignisse, die sich bei der Zusammenkunft Friedrich Barbarossas mitdem Papst Hadrian IV. in der Gegend von Sutri im Juni 1155 abgespielt haben,werden uns in drei Quellen, die alle noch dem 12. Jahrhundert angehören, ge-schildert. Zwei von ihnen kommen aus Kreisen der Kurie und hängen eng, oftwörtlich miteinander zusammen, weisen daneben freilich auch eine Reihe be-merkenswerter Unterschiede auf. Die dritte stammt aus Deutschland, ist vonden beiden ersten unabhängig, bringt den Hergang aber so anekdotisch ent-stellt, daß sie für die Erkenntnis des wahren Sachverhalts kaum in Betrachtkommt. Die drei Verfasser und ihre Werke sind:

1. Der Kardinal Boso in seiner Vita Hadriani IV., die nicht lange nachHadrians Tod (t l. Sept. 1159), in der ersten Hälfte der 60er Jahre, geschriebensein dürfte.') Sie ist jetzt am besten gedruckt bei Duchesne, Lib. pont. Bd. 2(1892); hier S. 39lf. die Stelle über die Zusammenkunft (älterer Druck: Watte-rich I1, 327f.).

2. Der Kardinal Albinus in seinen "Gesta pauperis seholaris Albini", diein den hier in Betracht kommenden Teilen in den ersten Monaten des Jahres1189 verfaßt worden sind.") Albinus schöpfte laut eigener Angabe aus dem(verlorenen) Register Hadrians, cap. 83.3) Sein Werk ist noch nicht gedruckt.Aber die uns interessierende Stelle ging bald darauf in den berühmten "Libercensuum Romanae ecclesiae" des päpstlichen Kämmerers Cencius (späterenPapstes Honorius Ill.) über. Der Liber censuum (von 1192) ist hrsg. vonFabre und Duchesne, Bd. 1 (1910); die Stelle über die Zusammenkunft, incap. 142, überschrieben: De receptione pape Adriani a Frederico imperataretempore coronationis sue, ebd. S. 414f., wozu in den Noten zum erstenmal dieVarianten des Albinus-Textes angegeben werden (älterer Druck des Cencius:Watterich 1I, 342f.).

3. Der Pfarrer Helmold von Bosau in seiner Slawenchronik. lib. I, cap. 81(80), überschrieben Oonsecratio Frederici imperatoris. Diese Teile der Chronikdürften um 1167/68geschrieben sein.t) Der Bericht Helmolds lautet sehr eigen-

1) Louis Duchesne, Lib. pont., Bd. 2, Introduction S. XL.2) Paul Fabre, Etude sur le Liber Censuum de l'eglise Romaine (Bibliotheque des ecoles

fran9aises d'Athenes et de Rome, H. 62, 1892) S. ll.3) Buch I, wie mit Recht E. Stevenson vermutet, Archivio della R. Societä Romsna di

storm patria, Bd. 8 (1885), S. 371 Anm. 4; vgl. Simonsfeld S. 682 mit Anm. 8.4) Schmeidler in der unten S. 45 zitierten Ausgabe Helmolds, Praefatio S. X. über die

älteren Ausgaben ebd, S. XXVe.

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45artig, sofern es nach ihm darüber zum Konflikt gekommen ist, daß Friedrichdem Papst zuerst den linken statt den rechten Steigbügel gehalten habe. Daßhier der wirkliche Hergang entstellt ist, kann nicht zweifelhaft sein. Und manhat mit Grund darauf hingewiesen, daß die Darstellung den Streit ins Lächer-liche ziehe und darin eine antipäpstliche Tendenz erkennen lasse.') BesterDruck: Ausgabe Helmolds in den Scriptores rer. Germ. in usum scho1., 2. Aufl.von Joh. Lappenberg und Bernh. Schmeidler (1909), S. 152-154.

Von diesen drei Berichten ist in der neueren Zeit derjenige Helmolds, derim 15. Jahrhundert auch in die Weltchronik des Theoderich Engelhus (t 1434)überging, früher bekannt geworden als die beiden anderen, durch die Helmold-Ausgaben, deren erste 1556 erschienen und nicht lange die einzige geblieben ist.Daß freilich noch in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts FriedrichKortüm, der Biograph Friedrich Barbarossas, und Friedrich von Raumer, derGeschichtschreiber der Hohenstaufen, einfach nach Helmold erzählten 2), läßtsich dadurch nicht entschuldigen. Denn inzwischen waren nicht nur die beidenanderen Berichte längst gedruckt, sondern der eine von ihnen (Boso) auchbereits in der Literatur, bei Heinrich von Bünau und Voltaire3), benutzt worden.

Der Bericht Bosos ist zuerst Ende des 16. Jahrhunderts durch den KardinalCaesar Baronins in seiner großen, aus dem Vatikanischen Archiv geschöpftenKirchengeschichte bekannt gemacht worden.") Dann hat in der ersten. Hälftedes 18. Jahrhunderts der berühmte Modeneser Gelehrte Lodovico AntonioMuratori zunächst die gleiche Quelle noch einmal, einige Jahre darauf aber auchden verwandten Bericht (oben Nr. 2) aus dem "Liber censuum" des Cenciusveröffentlicht.P) Seitdem standen also die beiden, sich sehr ähnelnden und dochkeineswegs gleichenden kurialen Darstellungen der Forschung zur Verfügung.Und seit den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts hat niemand mehr darangezweifelt, daß ihnen der Vorzug gegenüber der anekdotischen ErzählungHelmolds gebühre. Doch die Verschiedenheiten der beiden Berichte und dieFrage, welchem von ihnen man folgen solle, sind lange gar nicht untersuchtworden. Man begnügte sich mit mehr oder weniger vollständigen Zitaten underzählte ohne weitere Überlegung nach Boso. Das gilt gleicherweise von Luden,

1) Hauck, Kirchengesch. 3./4. AuH. IV, 217 Anm. 2.2) F. Kortüm, Kaiser Friedrich der Erste (1818) S. 54f.; F. v. Raumer, Geschichte der

Hohenstaufen und ihrer Zeit, Bd. 2 (1829), S. 34f. Der Bericht Bosos wird nur in den Anm.(als "Vitae pontü.") kurz erwähnt.

3) H. v. Bünau , Probe einer Teutschen Kayser- und Reichs-Historie oder Leben undThaten Friedrichs I. (1722) S. 45f. (benutzt beide Berichte nacheinander); Voltaire, Essai surl'histoire universelle, Bd.2 (5.AuH. 1754),S. 25f. = Essai sur l'hist. generals et sur les moeurs etl'esprit des nations Bd. 1(1757), S.257 (nach Boso), Nach Voltaire. Karl Ludw. Ring,Kaiser Friederich I. im Kampfe gegen Papst Alexander Ill. (1835) S. 9£.

4) Bar 0 n ius, Annales ecclesiastici 1155 § 8.5) Muratori, Rerum Italicarum scriptores, Bd. 3 (1723),S. 443 (Boso), ders., Antiquitates

Italicae. Bd. I (1738), Sp. 117 (Cencius).

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Reuter, Papencordt, Hefele, Prutz und sogar von Gregorovius, obgleich dieserin der Anmerkung sich auf Cencius beruft ,")

Eine wirkliche Auseinandersetzung mit den Quellen versuchte zuerstGiesebrecht. Er war der Ansicht, daß Boso und Albinus-Cencius auf einegemeinsame Vorlage zurückgehen, auf "ein offizielles Aktenstück" der Kurie,das am besten bei Albinus erhalten sei, während Boso "mit einigen nicht un-erheblichen Zusätzen" erzähle. Und er legte seiner Darstellung daher den Be-richt bei Albinus-Cencius zugrunde.s) Anders Duchesne, der anfangs in Albinus-Cencius nur einen Allszug aus Boso sehen wollte und später an die Möglichkeitdachte, die Übereinstimmung dadurch zu erklären, daß die Vorlage des Albinusgleichfalls von Boso verfaßt gewesen sei.") Simonsfeld schließlich lehnte das ab,wies darauf hin, daß Albinus ja ausdrücklich seine Vorlage, das RegisterHadrians, nenne, und sah daher in einem Registereintrag die gemeinsame Quellebeider Berichte; da er aber Einzelheiten des Hergangs, wie sie uns bei Bosoerzählt werden, für unglaubwürdig hielt, kam er (wie Giesebrecht) zu der An-sicht, daß Albinus die verlorene Vorlage zuverlässiger wiedergebe, währendBoso an ihr willkürliche Veränderungen vorgenommen habe.')

Auch wir glauben, daß eine genaue Vergleichung der beiden Berichte (diein dafür zweckdienlicher Weise bei Simonsfeld S. 679f. nebeneinander gestelltsind) notwendig zu der Annahme einer gemeinsamen Quelle führen muß. Dennin jedem von ihnen finden sich Nachrichten, die im anderen fehlen. Zwar dasmeiste Plus hat Boso. Die Lagerung des Königs in campo GrM80, das Herab-kommen des Papstes von Civita Castellana, die Begrüßung cumplurimaclericorum et laycorum multitudine, das Niederlassen des Papstes auf einemFaltstuhl und sein Wortwechsel mit dem König, nachher die Art, wie Friedrichdie nochmalige Begegnung in Szene setzte, und die Steinwurfweite des Strator-dienstes, alles das findet sich nur bei Boso. Die Stellen dagegen, wo Albinus ein

1) Heinrich Luden, Geschichte des teutschen Volkes, Bd. 10 (1835), S. 368ff., 635;Hermann Reuter, GeschichteAlexanders 111.,Bd. 1 (1845), S. 88f., 2. Aufl. (1860),S. 9f.;Felix Papencordt, Geschichteder Stadt Rom imMittelalter (1857)S. 263; Karl Jos. v. He-feIe, Conciliengesch.,Bd. 5 (1863),S. 474f. = 2. Aufl. (1886)S. 541 = Hefele-Leclercq V, 2(1913),S. 874; Hans Prutz, Kaiser Friedrich I., Bd. 1 (1871),S. 70. - Gregorovius, Bd. 4(3. Aufl. 1877),S. 496mit Anm. 1, woCenciusnach Muratori, Ant. Ital. zitiert, dann aber eineStelle aus Boso, der nicht zitiert wird, wörtlich angeführt ist; auch die Darstellung beruht aufBoso. Andere erzählen so summarisch, daß die Unterschiede nicht berührt werden. So C. deCherrier, Histoire de la lutte des papas et des empereurs, Bd. 1, 2. Aufl. (1858),S. 113f., derCenciuszitiert, und Robert Dettloff, Der erste RömerzugKaiser Friedrichs 1. (Diss.Göttingen1877)S. 33.

2) Giesebrecht, Kaiserzeit, Bd. 5, 1 (1880),S. 6Of.,Bd. 6 (1895),S. 340f. Zu Unrechtliest Simonsfeld S. 681 hier eine Unklarheit heraus.

3) Duchesne, Lib. pont. H, 391 Anm. 1; ders. bei Fabre-Duchesne, Lib. cens, I. 414Anm.l.

4) Simonsfeld S.68lf., vgl. 680.

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Mehr aufweist, könnten meistens aus dem Bericht des Boso gefolgert sein 1), so-daß also der Annahme eines einfachen Auszugs aus Boso nichts im Wege stünde,wenn nicht zweimal doch auch Albinus gute Nachrichten hätte, die unmöglichaus Boso geschöpft sein können, nämlich das Datum der ersten Zusammen-kunft 2) und die Nennung des Erzbischofs Arnold von Köln unter den Fürsten,die dem Papst entgegengingen. Und da Albinus zudem ausdrücklich das Re-gister Hadrians als seine Quelle angibt, bleibt es dabei, daß wir in einem Re-gistereintrag die gemeinsame Vorlage beider Berichte zu sehen haben. Nur daßBoso diese Vorlage im allgemeinen besser und vollständiger wiedergeben dürfteals Albinus. Das aber gilt insonderheit für die großen sachlichen Unterschiedezwischen den beiden Quellen.

Am meisten in die Augen fallen in dieser Hinsicht die ganz verschiedenenAngaben über das Verhalten der Kardinäle, die den Papst ins Lager des Königsbegleitet haben. Sie haben sich nach Boso überaus schmählich benommen,indem sie nach der Verweigerung des Stratordienstes durch Friedrich sofortund alle in großem Schrecken nach Civita Castellana zurückflohen und denPapst also im königlichen Lager allein und in hoher Gefahr zurückließen.Anders bei Albinus. Nach ihm haben die Kardinäle noch am folgenden Tag beiden Verhandlungen sich für die Forderung des Papstes eingesetzt, und nureinige der Kardinäle haben dann (wohl weil sie ein Scheitern der Verhandlungenfürchteten) sich entfernt: quidam cordinales discesserumt, wie es recht farblosheißt. Simonsfeld S. 680 hält diesen Bericht des Albinus für besser und ver-wirft die Darstellung Bosos: "Das (was Boso erzählt) klingt doch ganz unglaub-lich und wäre ein höchst schimpfliches, ja fast verräterisches Verhalten (derKardinäle) gewesen"; auch meint er, daß bei den folgenden Verhandlungendie Kardinäle "doch kaum zu entbehren waren". Uns scheinen das Erwägungen,mit denen man an kritische Fragen dieser Art nicht herantreten sollte. Wenn

1) So die Hervorhebung, daß die von Friedrich bei der ersten Begegnung vernachlässigtePflicht nicht nur im Stratordienst, sondern auch in tenendo 8treugua bestanden habe, und daßeinige Fürsten die Verpflichtung des Königs gleichfallsgeleugnet hätten. Eine gewiß auf Albinuszurückgehende Änderung ist es, daß Lothar und dann auch Friedrich nicht rex (wie bei Boso),sondern imperator genannt wird, und daß die Art, wie Friedrich die zweite Begegnung in Szenesetzte, durch Streichung des precessii aliquantulum zwar geglättet, aber darum keineswegsge-bessert wird (wie Simonsfeld S. 681 glaubt).

2) Albinus:VI iduslunii, Cencius:f' idus Iunii, Da auch Albinusnicht im Original, sondernnur abschriftlich überliefert ist, bleibt die Frage, ob diese Abschrift oder die Wiedergabe beiCencius das richtige bietet. Aber der Versuch Simonsfelds S.682f., beiden durch ein harmo-nistisches Verfahren glauben zu wollenund die Angaben auf verschiedene Ereignisse zu beziehen,ist methodisch völlig unmöglich; denn auch er glaubt, daß beide überlieferungen auf das Originaldes Albinus zurückgehen. Da nach Ausweisder Varianten die Abschrift des Albinus auch sonstgegenüber Cencius die bessere Uberlieferung aufweist, wird man ihr auch im Datum glauben,zumal eine Auslassung der I bei Cencius wegen des folgenden i sich leicht erklärt. Die Ankunftdes Papstes im königlichen Lager und die Verweigerung des Strator- und Marschalldienstesfand also am 8. Juni, die Szene mit der Leistung der Dienste am 10. Juni 1155 statt.

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48die Kardinäle aus Furcht geflohen sind, so mußte eben der Papst, der mutig imLager des Königs zurückblieb, allein verhandeln. Und da wir wissen, welcheAngst man an der Kurie vor dem heranrückenden Friedrich hatte, dessen Ab-sichten man nicht kannte, und von dem man die Errichtung eines kaiserlichenRegiments in Rom und die Verbindung mit den aufsässigen Römern arg-wöhnte, erscheint die Flucht der Kardinäle nach der Verweigerung des Strator-dienstes, die als ein Zeichen feindseliger Gesinnung aufgefaßt wurde, durchausnicht so unglaublich. War doch der Papst selbst wenige Tage vorher, als er voneiner unerwarteten Gesandtschaft Friedrichs hörte, alsbald von Viterbo nachdem festen Civita Castellana geflohen: hier hoffte er, "wenn über seine Personder König etwas Schlechtes im Sinn habe, seinen Zorn in Sicherheit abwendenund seine schlimmen Gedanken leicht vereiteln zu können".") Und da soll esunmöglich sein, daß die Kardinäle, als sie von der üblen Gesinnung FriedrichsGewißheit zu haben glaubten, wiederum nach Civita Castellana zurückflohen ?Umgekehrt dagegen, hätte Albinus recht, so würde sich die Frage erheben,wie denn Boso dazu gekommen sein soll, den Kardinälen entgegen der Wahr-heit eine gewiß sehr unrühmliche Handlungsweise vorzuwerfen, Boso, der selbstein Kardinal war, und von dem wir durchaus nichts wissen, was auf einenGegensatz zu den anderen Kardinälen schließen ließe. Man denke nur einmal:wenige Jahre nach dem Tod Hadrians IV. schreibt Boso; die Kardinäle, die da-mals 1155 dabei gewesen sind, befinden sich, zum mindesten größtenteils, nocham Leben. Und da soll nun Boso durch eine faustdicke Lüge, unter Entstellungseiner Vorlage, eines Eintrags im Register Hadrians, ihr damaliges Verhaltenin der bedenklichsten Weise bloßgestellt haben? Das scheint uns unglaublich.Während es umgekehrt gar keine Schwierigkeit macht, anzunehmen, daßHadrian, der die Flucht der Kardinäle natürlich sehr schmerzlich empfundenhat, einen wahrheitsgetreuen Bericht darüber in die Registerbücher aufnehmenließ, daß aber später der Kardinal Albinus, als er bei der Abfassung seiner"Gesta" diesen Bericht verwertete, eben an der schmählichen Haltung derKardinäle Anstoß nahm und im Interesse der Kurie eine mildernde Retoucheanwenden zu sollen glaubte.

Eine zweite Beobachtung, auf die wir bereits oben (S. 38) hinzuweisen Ge-legenheit hatten, fällt in die gleiche Richtung. Bei Boso spricht der Papstbei seiner Forderung von dem Dienst, den die früheren Kaiser, ,aus Ehrerbietunggegen die Apostel Petrus und Paulus" (pro apostolorum Petri et Pauli reverentia)den Päpsten erwiesen hätten; und ebenso urteilen nachher die Fürsten, daß derKönig "aus Ehrerbietung gegen die seligenApostel" (pro beatorum apostolorumreverentia), also aus Ehrerbietung gegen Petrus und Paulus, die gefordertenDienste zu leisten habe. Petrus und PauIus sind die Schutzheiligen der römi-

1) Boso bei Duchesne, Lib. pont. II, 390 (Watterich II, 326). Vgl. GiesebrechtV, 59; Simonsfeld S. 327.

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49sehen Kirche. Aber Petrus ist als solcher bekannter und für den Papst, der sichals seinen Nachfolger bezeichnet, wichtiger. Daher fällt es nicht auf, daßAlbinus nicht von den Aposteln, sondern von dem Apostelfürsten, also nur vonPetrus spricht (ob apostolorum principis reverentiam), das zweitemal sogar aus-drücklich von der "Ehrerbietung gegen den Apostelfürsten und den apostoli-schen Stuhl" (pro apostolorum principis et sedis apostolice reverentia). Das isteine deutliche Zuspitzung auf den Papst, obwohl wir gerade Grund zu der An-nahme haben, daß Friedrich die Dienste nur aus Ehrerbietung gegen dieApostel, nicht aber als eine, der Person des Papstes schuldige Pflicht zu über-nehmen sich bereit hat finden lassen. Daß Albinus eine derartige Zuspitzungvorgenommen hat, ist viel wahrscheinlicher, als daß Boso eine auf den Papstdeutende Wendung herausgestrichen haben könnte.

So ergibt sich also, daß Boso und Albmus in der Tat auf eine gemeinsameVorlage, einen Eintrag in den Registern Hadrians IV., zurückgehen, daß Bosodiese Vorlage aber viel getreuer wiedergibt als Albinus, der sie überarbeitetund in einer Hinsicht arg entstellt hat. Dem Bericht des Albinus ist nur .dasDatum der Begegnung und die Nennung des Erzbischofs Arnold von Köln zuentnehmen. Sonst hat man sich bei einer Darstellung der Ereignisse bei derZusammenkunft von 1155, entgegen Giesebrecht und Simonsfeld, nur an dieSchilderung Bosos zu halten.

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Hol t Z III ann. Der Kaiser als llarschaJl des Papstes.

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Verzeichnis der besprochenen Zusammenkünfteund einiger Stichworte.

663: S. 4 Anm. (3 Anm. 2).742: S 3f.754: S.3, 4 Anm. 1, 6f., 20-25.816: S.4f.858: S.3, 6, 7 f., 25 f.962: S. 12 Anm. 1.109;): s, 3, 6, 8, 25, 27f., 3;)f~1111: S. 5 f.1120 (Aug.): S. 29.1120 (Okt.): S. 30.1131: S. 2, 3, 6, 8f., 11 Anm. 2, 25,28,34,37.1133: S. 9 Anm. 2, 84.1138: S.31.1158: S.30r.1155: S. 1-S, 6, 9, 12 Anm. 1, 37 r, 40, 41

bis 49.1160: S. 10,37 Anm. 2.1162: S. 10, 19 Anm.2.1163: S.10.1170: S.11.1177: S.8 Anm.4, 11, 20 Anm. (19 Anm. 5),

38 f.1191: S. 12 f.1'109: S. 13, ]5 Anm. (14 Allm. 3).1220: S. 13, 15 Anm, (14 Anm.3).1251: S.14.1254: S. 16 f. Anm. 3, 18 Anm. I.1258: S. 17 Anm. (Hi Anm. 3), 18 Anm. 1.1275: S. ur, 16 Anm. 1, 19.1291: S. 33 Anm. 1.1294: S.16f. Anm.3, 19 Anm.2.1295: S.17 Anm. (16 Anm.3), 19 Anm.2.1305: S. 17 Anm. (16 Anm.3), 19 Anm. 2.1311/12: S.2 Allm. 4, 13 Allm. 3, 1U Anm.3,

is r,

1328: S. 15, 16 Anm. 1.1346: S.16.13;il) (März): S. 33 Anm. 1.1355 (April): S. 2 Anm.4, 15f., 33 Anm. 1.1365: S. 16, 18 Allm. 1.1368 (März): S. 11 Anm. (10 Anm. 3).1368 (Okt.): S. 17 f.1383: S.17 Anm. (16 Anm. 3).1413: S.18.1414/15: S. 18.1417: S.9 Anm. (8 Anm.4), 18f.1418: S. 11 Anm. (10 Anm. 3). 19 Anm. I.1433: S.19.1452: S. 11 Anm. (10 Anm. 3), 19.1468/69: S. 20.1530: S. 19f.

* ••Die KonstR.ntinische Schenkung: S. 5 Anm.

(4 Anm.2), 10 Anm. I, 21-28, 36, 37.Gregor VII.: S.27, 33.Ordo Romanus XI: S.10 AnDl.3, 28, 33 Anm.l.Lateranbild: S.34f., 37£.Kirchenstreit 1157-59: S.29 Anm, (28Anm. 2),

34 Anm.2, 38f.Innocenz Ill.: S. 39.Nibelungenlied: S. 31 f.Sachsenspiegel: S. 13, 30 Anm. 3, 32.Innocenz IV. und spätere Päpste: S. 40.Eckenlied : S. 32.Konrad von Würzburg : S. 32 f.Stendaler Glosse: S. 32.Pbilipp der Großmütige: S.31 Anm.3.