aarne, antti: schwänke über schwerhörige menschen. eine vergleichende untersuchung
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5/13/2018 Aarne, Antti: Schwänke über schwerhörige Menschen. Eine vergleichende Untersuchung. - slidepdf.com
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fF COMMUNICATIONS N:o 20
SCHwANKE
rHER
SCHWERHORIOE MENSCHEN
fiNE VERGlEICHENDE UNTERSUCHUNG
\'OS
ANTTI AARNE
HAM I N A I 9 I 4;
SUOMALAISEN TIEl )EAKATEMIAN KUST ANTAMA
Original from
I ND IA N A U N IV E R S IT Y
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H A ~{[ N / I i . I 9U,
H.UnNAN SUmIALAIX[X s.\XOM.U.EHTI- J.\ KIRJAPA.lNO-O.·Y.
Coogle O r ic in a l f rom
IN D IA N A U N IV E R S IT Y
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SchwerhOrige Menschen versuchen im allgemeinen ihre
Taubheitzu verbergen und sich far besser hOrend auszu-
geben, als sie in Wirklichkeit sind. Sie scheinen eineihnen gestellte Frage vollstandig zu verstehen, aueh wenn
sie sie nur teilweise oder Oberhaupt nicht verstanden haben,
Was unverstanden bleibt, wird durch Erraten vervollstln-
digt, Bisweilen wird ein undeutlich gebortes Wort mit
einem ihm lautlich ahniichen, aber der Bedeutung nach
ganz anderen Worte verwechselt, und die Antwort wird
auf Grund desselben abgefasst. Es ist natnrlich, dass in
sole hen Fallen unter den Gesprlchfohrenden spasshafte Miss~
verstandnisse entstehen kl»nnen. Die Antwort kann cine
ganz andere werden, als man mit der Frage erwartet hat.
Schwerlich Iindet man einen dankbareren Stoff f O r
das Verfassen komischer Geschichten. Auch gibt es viel
Schwanke und Wortspiele dieser Art und sie sind sehr
beliebt, Das Grundmotiv einiger ist vielleicht eine wirkliche
Begebenheit gewesen, obgleich die Phantasie den Inhalt
umgeformt und entwicke1t hat, andere sind ganz uno gar
tier Phantasie entsprungen.Wenn ich eine vergleichende Untersuchung ubel' die
Schwanke aber Schwerhorige anCange, will ich im voraus
bemerken, dass die sehr beschrankte Menge des Materials
meiner Arbeit storend gewesen ist. Dies betrifft vor allem
die volkstumlichen Aufzeichnungen. Die Sammler der
Volkspoesie haben neben den langeren Erzahlungen nieht
genngende Aulmerksamkeit auf solche kleinen Geschichten
verwendet, und deswegen bieten einige Linder dern Forscher
Coogle O r ic in a l f rom
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.\ vrrr .\ A RNF:. FFC 20
ryur sehr wenig, andere ga.r kein Material. Die volkstOm-
lichen Aufzeichnungen stammen melstcns aus gedruckten
Quellen, aber teilweise auch aus handschriftlichen Samm-
lungen. Von dem handschriltlichen Material erwahne ich
besonders das mecklenburgische von der Manuskriptsamm-
lung des Prof. R. Wossidlo, das finnische der Finnischen
Literaturgesellschaft und das estnische aus der Sammlung
des Pastor M. I. Eisen. 1 'Venn ich im Foigenden das in
del" Untersuchung gebrauchte volkstumliche Material aufzahle,
(fihre ieh die aus handschriftlichen Quellen stammendenVarianten unverkurzt an, auf die gedruckten dagegen weise
ich nur hin.
Das volkstiimliche Material.
FE. Estell 1. (Eisen, M. I., Eestl rahvanali [9 I 0,
I1f. 363).- - 2. (Ders, nr. 364). - ~. (Ders, nr. 365). --
4. (Handsch, Eisen, S. 40303).l! Ber Mann aus dem Laden
mit einem Hering in der Hand, der andere entgegen. Guten
Morgen! - Ich kaufte einen Hering. - Ich sagte Guten
Morgen. - Er kostete drei Kopeken, - Du Narr verstehst
nichts; - - _.- (Var.: du verdientest Prugel). _ Aber
das ist doch etwas salzig. -- 5. (Ders, S. 2(387). Der
Herr geht auf das Feld, Das Pflugen ist schlecht. - (Der
Mann nimmt die MOtze vom Kopf', sieht gegen den Him-
mel auf.) Der Himmel ist bewolkt, vielleicht Hingt es an zu
regnen. - Das PrlGgen ist seh leeht. . - Vielleicht bitter der
Herr aln Abend einen Schnaps zu nehmen, ~ Du Schlingel!
. 6. (DeI'S. S 40304.). Del' Mann mit dem Pferde an das
Haus. Der Hausherr entgegen. Guten Tag! - Ich kaufte
I Ich benutze die Gelegenheit, den Herren Wossidlo, Eisen,K. Krohn, H. F. Feilberg und anderen, die mir bei meiner Arbeit
behilflich gewesen sind,an dieser Stelle meinen besten Dank aus-
zusprechen, - - ~.FE 4-7 aus M. 1 . Eisen's Privatsammlung in
I)I' I>.\{.
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FFC 20. Schwanke uber schwerhorige Menschen, 5
es neulich, - Wie viel bezahltest du daftir ? -- Es ist noeh
nicht alt. _. Was bezahltest du? _ Ich kaufte es voneinem Manne von Ark na, -. Wie vie I Geld gabst du? --
Ich kaufte eine Stute, die Wallache werden bald alt. ~
(Laut) Was fehlt deinem GehOr? -- Beim Schrnieden wur-
den meine Ohren beschadigt, - ~ 7. (Ders, S. 35945).
Lumpenhandler in das Halls. Uas\Veib: Kamst du von
Hause?~· Ieh brachte es von Pott und tauschte es in
Merjamaa aus. _. lch fragte : Kamst du von Hause? ~ Ich
gab 3 Rubel dazu, jctzt babe ich 7 Rubel. - Komm doch in
das Haus! - _- _ FF=F. Fhmen. (Alle handsch.) Fb 1.
(Ruruna, H. E. nr, 8). JOel' alte Mann, zwei Herren. Guten
Tag! --- Einen Axtstiel, ._- Volo i st deine Frau? .- Es (Boot)
ist entzwci und leekt sehr stark. -. Wo ist deine Toehter? _
Die Herren haben es (Pferd) zu Schanden gefahren. - Hist
du ton'! .- Nicht weir (zu dem anderen Hausj. -. 2. (Kivi,
Artturi nr. 50). Ein alter Mann Fische zu verkaufen, ein
Herr. Guten Tag, wie viel kosten die Fische '! -- 6 Mark.
- Prugel verdientest du, da du so sprichst. _ Es ist mir
aueh anderswo angeboten worden.-· Fe 3. (Andersson,A. G. IS). Der alte Mann stellt sich harthorig. Kommt ins
Pfarrhaus, Der Pfarrer: Bist du hungrig? - Ich verkaufe
Kurzwaren. -- Hat der Alte Hunger'! - Die jungen Boeke
springen langs der Leiter .._. -- ~ Ein Splitter flog in mein
Auge, so dass ieh nur mit dem einen einwenig sehen
kann. - - - Ja, Herr Pfarrer, Essen braucht man immer.
~ 4. (Kajander, E. nr, 3 [ ). Der taube Hettler kommt in einHaus, \\'0 das Erntelest gefeiert wird. Die Hausfrau. Guten
Tag! _. Guten Tag! - Ich will nicht an den Tisch geheo.
~ Ich frage, woher der AHe ist, - lch werde doch nicht
zuerst nehmen. -- Die I Iausfrau schrcit dern Alten noch-
mals dasselbe ins Ohr. - IJa Ihr eo durchaus so wollt, so
gehe ich .. - (Der l Iausherr konnnt aus der Kammer mit deru
, Die Iinnischen Varianten sind aus del" Handschriftsamm-
lung del' Finnischen Literaturgesellschaft in Helsingfors,
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ANTII AARNE.-__. ~ -_-_ ---- ----=- - -~
FFC30
Zigarrenkastehen in der Hand). - Eine Zigarre ist nicht
nOtig (nimmt eine, geht zufrieden aus dem Hause). -Fd 5. {Andersson, K. F. V nr .. 204). Der Herr auf der
Reise nach Turku (Abo). Der tavastlandische Alte' kommt
mit einer Fuhre Malz entgegen. Guten Tag!' - Malz. -
Wie viet kostet es ? - Aus Turku, - War der Weg gut?
Ich habe nicht getrunken. - War die Windmnhle dort
im Gange ~( - '0" Sie kam mir nicht entgegen. ~ Du sprichst
so, dass man dich prCigeln kl"mnte, - Ich hatte so viel auch
da bekommen, abel' glaubte hier mehr zu kriegen. -.
6. (Ders .. V nr. 49). Ein Junge am Wege. Der Konig.
Guten Tag! - Einen Axtstiel. - Bist du toll? - Trockne
Fische. -_ Ich sage Guten Tag. - 2 Mark das Pfund. -
Prngel verdienst duo - Zu Hause harte ich mehr bekom-
men, _. Fe 7. (Siren, S. nr. 101).. Ein Mann mit Barschen
zum Verkauf. Ein Herr kommt entgegen. Guten Tag! -
Trockne Barsche. - Bist du verruckt oder nicht ~t -
Anderthalb Kopek das Pfund. -.. Pragel verdienst duo -
Das wurde mir schon im anderen Hause angeboten, ichdachte, hier mehr zu bekornmen. - 8. (Nikulainen, J. 51).
Das Mldchen holt Arznei Hlr den Fuss ihres Vaters. Ein
Bauer am Wege. Woher kommst du o f - - Arznei, - \Vas
hast du im Sack? -. Far den Fuss des Vaters. - (Der
Mann merkt, dass das Gesprlch unmoglich ist) Ach so! --
Er schlug .sich mit del' Axt. - Ff 9. (Siren, S. nr. 104).
Der Herr fAhrt auf dem Wege. Der M ann. Gu ten Tag! -
Einen Axtstiel. - Hast du eine Zigarre (sikaria)? - Nein,Heber Herr, ich habekeine Schwester (sisaria). - Bist du
verrtiekt (houkka), Alter? - Ja, schlank (hoikka) bin ich,
Fisehsuppe habe ich gegessen. - Bist du verruckt (hullu)?
- Ja, ich bin vor kurzem gekommen (tuUut). - (Der Herr
verdriesslicb) Willst du eine Tracht (Pregel) haben, Alter'?
-. Auch Hosen, mein Herr. -- 10•. (Kemppi, A. nr. 44)·
Der Mann verkauft Hafer. Der Kaufer, Was hast du :im
Sack? - Funf und eine halbe Mark. - Tolpel, ich werde
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FFC 20 Schwanke fiber scbwerhorige Mensehen. 7.=- == -=== -==- ... . . .. . . ,_ ~~ - =< --_ =-'-=-~. -= ~~-===-_.__ -=-~ ~= ,=.-.'""""-=~
dir Prugel geben. - Das wurde mir schon zu Hause ange-
boten. ~ Warum kamst du dann hierher? ~ Ich glaubte
mehr zu bekommen, - Sie streiten. ~- 1L (VAAtinen, A.
nr. 76). Der schwerhorige Gastwirt kutscht den Reisenden
und rudert ihn mit dem Boot fiber den See. Wo ist deine
Fr.au? -- Die Herren haben es zu Schanden gefahren. -
Wo ist deine Tochter? _. Es (Boot) ist entzwei und leckt
sehr stark. - Ph 12. (Paulaharju, S. nr. 93). Der Mann
und die schwerhorige Frau. Guten Tag! - len trageeine
Schafhaut. - Weib, du verstehst mich falsch. - Das ist
mir schon angeboten worden, aber ich habe sie dafur nichtabgegeben. -_ Fj 13. (Krohn, K. nr. 9014). Der Mann
sucht seine Pferde. Die Frau wAscht. einen Sack. Guten
Tag! ~ Ich wasche den Sack. --- Hast du hier Pferde ge-
sehen? - 5~6 Maasst wenner trocken ist. -. Bist du
verrOckt (hupsu)? - Ja, ich habe auch Grntze (huttu) geges-
sen. - - ~ Gott mit dir! ~ FJ 14. (Ders. nr. 2477). Der
Man n im Zimmer des Gouverneurs. - W 0 bist du her ' ? - _
Ich habe Graupen feil. ~ Wie viel kostet das Liespfund '!
- Es ist nieht weit his zu meinem Hejrn, - Was fO r
Graupen hast du? ,-- ja, konntest du mir sagen, wo der
Schutzrnann wohnt? ~ Du bi.st ein rechter Tolpel (moukka).
-~ Warum halt der Herr mich fO r einen Nan (houkka),
ich babe ein ordentliches Haus? - Na, du bist wahl schwer-
hOrig? ~ Jatich weiss, class der Herr ·schwatzen kann, -
Halt den Mund! - Sechs Mark, fur's Pud hatte ich schon
oft bekommen. - Bist du verrtickt (huBu)? - Gestern bin
ich hergekommen (tuUut). - .. Hast du einen Reisegelahr-
len [kumppani]? ~ Ja, ich habe eine Wage (puntari). ~
Du sollst Prugel kriegen. _. Zu Hause hatte ich es oft
bekommen, aber ich dachte hier mehr zu kriegen. ~ Heraus!
- Mein Gehor wurde schlecht, a1s ich als Kind draussen
herumlief. ~ Fm 15. (Engelberg, R. S. nr. ?). A ver-
kauft einen Barsch. H. Guten Tag! - Einen Barsch. -
Bist du gescheit? ~ 25 Pfennig das Pfund. ~ Ich gebe
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8 ANlTI AARNE. FFC30
dir eine Ohrfeige, Den Preis werde ich auch anderswo
bekommen. - Fx 16. (Mansikka, P ..nr. 5). Die Frau waschteinen Sack. DerHerr kornmt hinzu, Guten Tag! -. Da
gehen zehn Maass hinein. - 'Vie weit ist es bis zum Dorf?
- In diesen and ern gehen mehr,
00. Dane» 1. (Kristensen, E. T., Danske Skjaemte-
sagn I .11900, nr. 21, S. 47). - 2. (Ders, nr. 53, S. 49).
- 3. [Ders. nr. 54, S. 49). -- 4. (Ders. nr, 55, S. 51) .. -
5. (Ders. nr. 56, S. 5 J). - 6.. (Ders, or. 57, S. 52). - 7. (Ders.
nr. 58, S. 5 3,). - 8. (Ders. nr. 59, S. 53). -. ·9. [Ders. nr. 60,
S. 54). - 10. [Ders, nr. 6~1 S. 54.). J 1. (Ders. nr, 62,
S. 55). - 12. (Ders, nr. 630, S. 2.58). _-- 13. (Ders, nr. 631,
S. 258). - 14. (Kristensen, E. T., Gamle folksfortaellinger
om det [yske almueliv V 1893--9.h nr, 509, S. 2'05). -
15. (Ders., Tillaegsbind II nr. 25, S. 10). -- 16. {Ders.,
Tillaegsbind VI nr, 128, S. 46) .. - 17. (Kristensen, E. T.,
Skattegraveren III, 11885, or. 910, S. (68). - 18 . [Ders.
III 1885, Dr. 909, S. 168). - 19. [Ders. X 1888, or. 55 I,
S. 233).-· 20. (Ders, XI 1889, nr. 72, S. 44). -.. 21. (Ders,Xl 1889, nr. 73, S. 44). -- 22. (Kristensen, E. T., Efterslaet
til "Skattegraveren" 1890, nr. 62, S. 77). -. 23. (Hejmdal
41/10 1903), - 24. (Handschr, E. T. Kr. 2489) I [Vom Jahre
(812). Del' Mannfahrt in den \Vald nacb Holz. Zimmert
ein StOck Holz zu einem Axtstiel, Es kornmen zwei MAnner
hinzu, Guten Tag! _. Zu einem Axistielv--> (Erznrnt) - - - -.
Bis zum Knoten (die Lange des Axtstieles). - Ihr habt
wahl zwei schone Tochter? ~~ (Stuten) Alle beide sindtrachtig. .- Ihr habt auch eine schone Frau? -. [Der alte
Axtstiel) war an heiden Enden entzwei, - lhr soUt ge-
hangt werden. -_ Da oben zwischen den zwei Hugeln
(geht der W<:Kzum Dod). -. 25. (Handschr, DFS 87, 206).
- 26. (Handschr. 1 - : . T. Kr.2so4). Das BOQt Iiegt am
Meer, - Du sollst an einem Galgen autgehangt werden.
I GD :24-28au:-; Dansk Folkernindesamling in Kopenhagen,
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_" Da oben zwischen den zwei Hugeln_~· 27. (Ders. 2497).
Der Schwerhorige zimmert einen Axtstiel. Es kommen zweiMinner hinzu. Guten Tag! -.- Einen Axtstiel. - Sind
deine Tochter zu Hause ' ? ~ - AUe beide tragen ein Fullen.
- Ist deine Frau zu Hause? - Es (Schiff) liegt unten am
Ufer und ist an heiden Enden entzwei, - Er ist verrilckt,
er sollte gehangt werden, _. Oben zwischen den zwei
Gehoften [geht der Weg). - 28. (Dens. 2501). Der Mann
zjmmert sich im Wald seines Nachbarn einen AxtstieL Auf
dem Heimwege kommt der Nachbar entgegen. Guten Tag!
- Zu einem Axtstiel. -,_ 29. Fynen (Grundtvig, S., Garnle
danske Minder iFolkernunde I 1861, nr. 114, S. 107). ~
30.. Ebenda (Ders.l.11 1861," nr. 22, S. 45). - 31. (Grundt-
vig, 5., Danske folkeaeventyr 1884, S. 24). ~ 32. (Ders,
S. 26). ~ 33. Seeland [Grundtvig, S., Gamle danske Minder
iFolkemunde I 1'861, nr. 113, S. 106). ~ 00. Deutsche 1.Dithmarschen (Krauss, Fr. S., Ant Ur-QueiL Monatssehrift
fOr Volkskunde I 1890, S. 139). ~. 2. Marin, Meek!.
(Handschr. \Vossidlo}.1 junge, was tust du oben? ~~ Herr,
ich nehm die nester a.us. ~ ~ Junge, bist du Hkicht? ~ Die
[ungen seh ich, die allen hor ich, ~ Hadd ik de unner,
wo wull ik de drucken .. - Da hest eenen, den'n darfst
nieh plucken, -- 3. Crivitzer Gegend, Meek]. [Ders.]. jung,
wo geiht de wech na Vrenen ? .- Oh, herr, dit sund keen
spechten, dit sund sprehnen, ~- jung, du bust ja wol wisen
klook. - ]a, herr, ik haug' s' mit 'n biel herut, -. Jung,
wenn ik di hadd,wQ wull ik de drucken ! - Oaf, herr,dar hett be eenen, den 'n kann he noch nich pluckers,
1 GG 2- '2 7 sind aU5 Prof. R. Wossidlos Manuskriptsarnm-
lung in Waren. Die Aufzeic.hnungen sind wortlich kopiert ge-
worden. Leider habe ieh des Krieges wegen nicht Gelegenheit
gehabt, die Abschrift mit den Originalen zu vergleichcn, wess-
wegen im Text rnoglicherweisc einige orthographische Unrichtig-
keiten untergelaufen sind. Dieser Umstand kann jedoch keine
sachliche Bedeutung haben,
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10 . A : " I T T I A A R = " I L FFC 20
snitt eenen rut. dee IS noch naakt wast. - 4. Laager
Gegend, Meckl. (Ders.}. \Vo geiht hier de wech ut? --- Ikhaug' hier specht lit. - He is wol wind door. - Ik scheh,
as de all rutflooch, - Wo, ban 'k hier mit 'n narren
bcsatcn r -~ Se hebben rni ok al1 duchtig uppe Hngem
schaten. -_ 5. Wismar, Meckl, (Ders.), Gun dach, ohm!
-~ Ik sitt hier in 'n boom. - Ohm, \\'0 geiht. hier de wech
herut ? - lk haug' 'ne specht ut. -- Ohm, du bust jo \\"01
dul1. - ja, dat ganze nest sitt vull, _- Ohm, du bust jo
wol mit narren besaten. - ja, deuwelhaftig hebben s' rni
uppe fingern baton. - 6. \'0 are n, Meekl. (Ders.), Ta, hest
'n kahlen, den 'n bruuhst nich to plncken, - 7. Hallalit,
Mcckl. (Ders.). Coden dach! -- Axenhelft. ~- Hett he keen
Iru r _- D ee is raten. - Het he keen dochter? -_ Dee
hebben de hofknecht to nicht radcn. - 8. Alteheide, Meekt
(Ders.), Godcn dach ' - Axenhelm. - Denn stak he sik in
'n noors. - Bet an den knurren.- 9. Wismar, Meek].
(Dcrs.), Goden dach, gott help! - A.xenheHt. - \Vat maakt
sien [ru ? - Dee hebben de haw'knechts to nicht raden .. --\Vat maakt de dochter? _ Dee is lack. - Hee m6()t up-
hangt warden. _.- Baben in de widen.- 10. Gohr,en, Meekt
(Ders.). Dat is hunt abend so stiernkloor, _. Wat sechst
du, de keerls sOnd dor? _ De maand hen hOOt abend so 'n
groten hof. -·\Vat sechst du, se kamen all up nawers
hof? - Ach, vader, du bust wol duun! -~ 'Vat sechst du,
sc springen all oever'n tuun, _ 11. Triepkendorl, Meekl.
(Dcrs.), Ach, vadding, wo stiern kloor! - Wat, mudding,de Preussen sund dor ? - lh, vadding, kaek du man. -
\Vat, mudding, aehtsig man n? _ Ih, vadding, du bust .n
ollen duur, - Wat, mudding, se sund all vor 't duur, -~
12. I'oel Gollen, Meckl. (Ders.), Kack man ummer fuurt.
-.- Se snnd all vor de puurt. - 13. Gross-Helle, Meekl.
(Ders.), Kick, Hanning, dol' siu dat soebenstiern ... - Wat
st>elilst d u, sund 't socben kierl ? - 01 :1 na . kack man. _
Wat, achtzig mann r - Kick, dat mening hett '11 groteu hoff.
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FFCao
-.. Se sand all up unsern hof? - Morgen ward vllen wind.
- Se hebben all 'ne flint? - 14. Meekl. (Ders.). ~chteibnmann. -.. 15. Gielow" Meekl. (Ders.). Ach wat, dat bedud' t
uns jo man wind! -. Wat, se hebben all "ne flint? .-
16. Ribnitz, Meek!. (Ders.). Wat: is dat kelt? - Se sand
in 't holt? -... Kack du man. - Achtzig mann. - Hell
un kloor!- Se sund dar'! - 17. Gt')1lin, Meekl. (Ders.).
Ach, vadder, kack to. - Wat, slahn S' all to? ~ 18. Tor-
gel ow' (Ders.). Silt du man still un kack. - Wat, nu ka-
men s' all mit de hack? - 19. Parchim, Meek1. (Ders.).Olle hex ..- Mit de lx. ~ 20. Klockenhagen, Meckl. [Ders.).
En mann, dee is bannrg gruglig wast, hett eens kacken
miisst. Sien fru ml),l)t mit rutgahn, Oh wat schient de
maand hell. - Wat sechst dU 1 se lopen all so snell? -
21. (Ders.], Oh, wo schient de helle maan! _. Wat, kierls
kamen autogahn (?). - 22. Gielow, Meekl. [Ders.], Guten
morgen, frlulein! ~ Oh, hering. _. Ach, ich sage ja: guten
morgen. ~ Fief vlk 'n grOschen. - Dumme Thrin, ich
sa.g dir: gulen m.orgen. - Je wat saIl man wider aten, - 28.Meckt (Ders.). Wat is de kloek? - Hiring. _~ Ik fraach,
wat de klock is. - Dree vElr 'n groschen, - Lick mi in 'n
noors. -.. Je, wat sail 'n wider aten. - 24. Helpt, Meckl..
(Ders.). En fru pluckt peterzill, Dor kUmml 'n handwarks-
burss un Irocht. Wat is de kloek? -.... Is peterziH. -. . Ik
Iraach, wat de klock is .. - Dee sail an de supp tufften. -
Lick s' mi in'o noors. -_ ja, dat smeckt schon, - 25. Zid-
dorf.. Meekl. (DeI'S.). Miitterchen, wo geiht de wech naCrivitz'? - Ja, i~ bun to markt wast, -.. Ik fraach, wo de
wech ~a Crivitz geiht. ~ Ikhelf mi 'n hiring haalt, -
je, wat sall "0 dohn,man kann doch de tafften nich so
naakt a.ten.. - 26. Wesenberg, Meek!. [Ders.}, Goden
morgen, Klaas! - Von Crivitz. -.. Wo dtier de buck? -
Soeben johr. - Wisst uhrfigen hebben ? ~- Dat hebben s'
mi vOr 'n duur -all baden. -TJ. Ahrensberg, Meekl. (Ders ..).
Goden morgen, broder buer, wisst du denen buck nich ver-
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12 A~TTI -'ARNE. FFC 20
kopen ? Ja woll kann he stoten, ~ \Vo duer ? ~ Soeben
[ohr. ~ \Vo olt? - Soeben daler. - Buer, bust du dull?~ Is 'n buck un keenen Bull. - 28. Rugen (Krauss, Fr. S.,
Am Ur-Quell. Monatsschriit fnr Volkskunde IV 1893, S. 101
~ Merkens, Heinrich, Was sich das Volk crzahlt II, S. 150).
- 29. Garzigar (Kooop. O. & Haas, A" Blatter fUr pom-
rnersche Volkskunde X 1902, S. 22). - 30. Ermland
[Altpreussisehe Monatsschrift, neue Foige XXIX, nr. 338,
S. 350). - 31 . Memel (Ebenda nr. 339, S. 350). -
32.. Pommerellen [Frischbier, H.• Preussische Volksreirne
und Volksspiele 1867, nr. 918, S. 263)' - 33. Ebenda
(Ders. nr. 919" S. 264). -- 34. Donhoffstadt (Ders. nr. 917,
S. 263).· ~ 35. Ebenda [Ders, nr. 921, S. 264). ~
36. Ebcnda (Ders. nr. 923, S. 264). ~ 37~ [Ders. nr. 922,
S. 264). - 38. (DeI's. nr. 920, S. 264). ~39. Bergheim
(Da.hnhardt, Oskar, Volkstumliches aus dem Konigreich
Sachsen n 1898: Volksttrmliches aus dern Nachlasse von
Rudolf Hildebrand S. 98). - - 40. DGTen (Fischbach, P. . l -
& Van der Giese, ]., Dtsrener Volks tum, Eine Sarnmlung
von Redensarten, Sprichwortern, Ratseln, Spielen usw,
Hcrausgegeben von H. J. Werners 1880, nr, 44, S. 56).
--- 41. Bischofswerda [Zeitschrift Inr den deutschen Unter-
richt II 1888, S. 295: Ein Scherzspruch aus Volksmund,
alt und nell von Rudolf Hildebrand). -- 42. Reichenbach
im Vogtlande (Zeitschrift Hir den deutschen Unterricht III
1889, S. 78). - 43. (Ebenda XXIII 1909~S. 524- 525). --
44. Haden (Baader, Bernhard, Volkssagen aus dem LandeRaden 18S r , S. 160). - 45. [Zeitschrift fii.r den deutsehen
Unterricht XXIII 1909, S. 52,4). -- 46. Schweiz (Rochholz,
Ernst Ludwig, Alernarmisches Kinderlied und Kinderspiel aus
der Schweiz 1857, nr. 86, S. +4). ~ 47. Basel (Brenner, A.,
Baslerische Kinder- und Volksreimc 1902" nr. 102, S. "H.)' -
48. Ebe-nda (Hers. nr, 1°3. S. 4 -4). - 4'9. Zurich [Schweize-
risches A rchiv fU r V olkskunrh- V I 1902, n r. 90, S, 292). --
SO . Kanton Bern {Ztlrirlx-r, Gertrud, Kind erlied und Kill-
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FFC 20 Schwanke uher ....hwerhorige Menschen. 1,3
derspielim Kanton Bern 1902, nr. 411, S. 54). -. 51. Ebenda
[Dieselbe nr. 412, S. 54). _. 52. Ebenda (Dieselbe nr. 413,S. s.d. -. 53. Schweiz [Dahnhardt, Oskar, Volkstnrnliches aus
dem KOnigreieh Sachsen II [898: Volksttlmliches aus dern
Nachlasse von Rudolf Hildebrand S. 98). - 54. Die Gegend
von Trautenau {Zeitschrift fOr den deutschen Unterricht II
1888, S. 470). ~~ 55. Karnten (Zeitschrift fur Volkskunde,
herausg. von Edmund Veekenstedt In 189[, S. 298). ~-
ON. . NDruH~gl!r 1 . [Asbjnrnsen, P. Chr., 'No1'ske Iolke-even-
tyro Ny Samling 1876, nr, 33, S. 168 = juletraet 1866.
Norske Iolke- og ·hOrne~cyentyr, fortalte af P. Chr, Asbjorn-
sen nr, 2, S. 6). -, 2. Hardanger (Haukenaes, Th. S ..
Natur, Iolkeliv og Iolketro iHardanger II J 885, S. 194). ,
3: Nordland (Olsen, O. '1'., Norske lolke-eventyr og sagn
samlet iNordland 1912, S. 2,0-+). -·4.. (Braset, 0ventyr,
Sago, Gamalt paas Sparbumaal 1910, S. 26). - as. Schwe-
den 1. Halland (Bondesou, August, Hallandska sagar
1880, nr. 31, S. 117). -- 2. Ebenda (DeI'S. 1880, nr, 3~~
S. 118). - 3. Smaland (Handschr, Hylten-Cavallius &
Stephens III 38).1 Del' schwerhorige Bauer. Einige Herren.
Guten Tag, Bauer! -. Einen Axtstie], lieber Herr. _.
Bist du nicht gescheit, Bauer? - Ja, hinter dem Knoten,
mein Herr (das Holzstnck wird abgeschnitten). -. Ist deine
Frau zu Hause? - Nein, meine Herren. es (Root) ist zu
alt und ausserdem entzwei, - Hast du eine Tochter zu
Hause? - Ach nein, meine Herren, die Reiter ritten ihr
(Stute) den Rucken 7 .U Schanden. - Bist du nicht gescheit,Bauer? - ja, es passiert oft, wenn das Wetter schbn ist..
-... 4. Ebenda (Svenska landsmalen ock svenskt folkIiv VII 8
1889 [Nordlander}, nr. 12, S. 8). -- 5. Nerike (Djurklou, G.,
Sagor och :lfventyr, berattade pa svenska landsrnal I8~3,
S. 1(9).- 6. S5dermanland(Handschr. Gust. Eriksson I 2)1,2"
IHandschrift in der Koniglichen Bibliothek zu Stockholm. ~
I Handschrilt irn Besitz der Akadernie tu r Schonliteratur, Ceschichte
und Antiquitat in Stockholm.
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ANTII AARNE.. FFC 30
Der Bauer und der Reiter. Gruss Gott! - Einen Axtstiel.
_ Bist du verruckt, Bauer? - Da sitzt ein Knoten vor [Erkann den Axtstiel nicht langer machen). - Hast du -deine
Frau zu Hause? -- Sie (Stute) steht im Stalle und hat
eben ein Fallen gekriegt. _ Hast du eine Tochter? - Er
(Kahn) ist auf's Land gezogen und an beiden Enden offen.
- Geh zum Teufel, Bauer! -_ Gleich hinter dem Hagel.
(Wie weit ist es bis zum nachsten Han). - 7. Jamtland
(Svenska landsmalen ock svenskt folkliv XIII I (Valtman),
S. 43). - 8. A.ngennan]and (F.benda vIla 1889 (Nord-
lander), S. 7}. - OSF. Schif'edefJ: i11 Finland. J. Helsinge,
Nyland (Nyland Il. Nylandska fo1ksagor ordnadeaf G., A.
Aberg 1887, nr .. 347r S. 429). - 2. Ebenda (Ebenda 1887,
or. 348, S. 430).
Rf. Fransosen 1. Ober-Bretagne (Revue des tradi-
tions populaires XI 1896, nr. XXXVIl, S. 520) ..- 2. Sarthe
(Ebenda VII 1892, S. 687) .. - 3. (Melusine, recueil de my-
thologie, litterature populaire, traditions et usages publie par
H. Gaidoz & E. Rolland [ 1878t S. 174.). - 4. Pacy-sur-Eure (Rolland, E., Rimes et jeux de l' enfance 1883, S. 26.
= Les litteratures populaires de toutes les nations XIV). _.
5. Ebenda [Ders, S. 261). - 6. Seine-et-Oise (Melusint'.
recueil de mythologie, litterature populaire, traditions et
usages publie par H. Gaidoz & E. Rolland I r878, S. 172).
_ 7. Ebenda (Ebenda S. 173). - 8. Niort (Bulletins de
la Societe .de seatistique, sciences, lettres et arts du
departement des Deux-Sevres IV 1879- 81t
n. 4, S. 587).- 9. Ebenda (Ebenda nr. 3, S. 586). _ .10. Ebenda
(Ebenda nr. 5, S. 587). _ 1 1 . Soulievre (Ebenda S. 44'0).
- 12. (Wallonia [ 1893, S. 34). -. R.I. Italirner 1 . Sicilieu
(Gonzenbacb, L.t Sicilianische M~rchen 11 1870, nr, 75,
S. 103).. _ 2. (Crane, Thomas Frederick, Italian popular
tales 1885, S. 288) .. -. 3. (Kaden, 'Vol demar, Unter den
Olivenbaumen, Suditalienische Volksiuarchen [880, S. 237).
- R R . RlImanell 1. (Schullerus, P., Rumanische Volks-
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FFC20 _?ch~~~~e __U~er ~c~vy~~hC}rige Menschen. ](~
marchen aus dem mittleren Harbachtale 1906, nr, 123.
S. 644 = Archiv d. Ver, lur siebenburg, Landeskunde,neue Fo1ge XXXIII). - 2. (Ders. 1906, nr, 110, S. 620).
SR. (Gross-)RII,~sell. Gouv. Astrachan (Handschr.
der Kais, Russ. Geogr. Ges. in Petersburg' n 42 fo1. 2
verso nr. 2). Ein Bruder kommt zum andern, Guten Tag,
Bruder! - (Dieser schweigt). - Ach, bist du taub? -- ja,
ich Hess die Stute auf del' Wiese los. -- Ach, du horst
nieht? _, Ja, du findest sie auf keine Weise. _ Leben
deine Kinder? _ Aher wohin sante ich sie denn bringen? --
SRW. Weissrussen 1 . Gouv. Minsk (5ejn, P. "r., MaTe -
piaau JVlSl H3Y1. feHiH 6b1T3 H H 3b1Ka pyccxa ro HaCeJIeH iS i
csaepoaananaaro xpaa II 1893~, nr, 155, 5.. 319). -
2. Ebenda (Ders. II 1893. nr. 163, S. 324). -.- SS. Serbrn,
Kroaten und S/:mII!UflJ. (Luka GrgjiC-Bjelekasict Stotina sal-
jivih prica iz zrpskog narodnog+ zivota u Herceg-Bosni
1902, s. 79). - SU . Ukrainrr Imil Rulhrnen 1. (Grinceuko,
B. D.~3T Horp a< pH lJeC K ie M 3"F ep ia JIb I II r897, S. 303). --
2. (Ders. n 1897, nr, 158, S. 215). - 3. (Jastrebov, ,Y o N~,
MaTepiaJ Ib l no 3THorpa( j> iH Hosopocciacxaro xpas 1894.
S. 18!). _ 4. {3 TH orp a.4> ilJ HJd i 3 0ip HHK VI 1899, nr. 336,
S. (43). _ 5. (Ebenda VI 1899, nr. 232, S. 84). -.
6. (Ebenda Dr. 233. S. 84). -- 7 .. (Ebenda nr. 234, S. 84).
~ 8. (Ebenda nr. 235, S. 8S). -.... 9. (Ebende nr; 236,
S. 85). - 10. [Ebenda XVI, 572). -- 11. (Kolberg, 0."
Pokucie IV 1889, nr. 53, S. 228=THorp ac fJ ilJ HH .R 3 6ip -
HHK VI nr. 238, S. 86).. Turk. Asiens TarkvOlker (RadloH, \V., Proben der
Volkslitteratur der nordlichen tCirkischen Stamme VI 1886.
S_ 229). _ Ind. Indirr 1. Sud ind ien (H oward Kingscote
& Pandit Natesa Sastrt, Tales of the sun" or Folklore of
Southern India 1890, S. I). - 2. (Grierson, G. A.• Spe-
cimens of the eastern Hindi language 1904, S. 77 =
Linguistic Surveyor India VI). _ 3. Ceylon (Parker, II.,
Village folk-tales of Ceylon I 1910, nr. J 4. S. 134). -
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16 A~TT1 AARNJ.:. FFC 00
Indon. (Bezemer, T. J., Volksdichtung aus Indonesien,
Sagen, Tierfabeln und Marehen ]904, S. 186, vgl, Revuedes traditions populaires XIII 1898, S .. 277, Pleyte, C.. M.,
Bataksche Vertel1ingen 1894, S. 259).
Sud. Sudan, Afrika (Mantei), C., Soudan francais,
Contes soudanais 1905, S. 18).
Die Untersuehung.
Bei Geschlchten von Schwerhorigen unterscheidenwir,
gemass den inihnen vorkommenden tauben Personen, zwei
I Iauptarten, In der einen kornrnen mehrere Personen VOI-,
die aile einander missverstehen. In der anderen filhren
eine taube und eine horende das Gesprach, Letztere kennt
das Gebrechen der andern nicht, sondern Iasst ihre eigen-
ttimlichen Antworten als beabsichtigte aut
I. Am meisten verbreitet von allen, hier der Untersu-
chung zu Grunde liegenden Schwanken ist die Geschichte von
mehreren Tauben, die in Beruhrung mit einander kommen.Die Missverstandnisse zwischen ihnen werden desto ver-
wickelter, je grOsser die Anzahl der Tauben ist, und endlich
wird die Sache einern Richter Obergeben, der jedoch selbst
auch schwerhorig ist,
Diese Geschichte ist in allen drei Erdteilen der aIten
Welt bekannt. Von dem angefuhrten Material gehOrt zu
ihr RR I, SU 10, 1I, As Tnrk., Ind. 11 Indon., A I Sud.
Ausserdem kenne ich noeh die arabische in der Fortsetzung
del" Tausend und einen Nacht (1001), I die irrdische in den
Handschriften von j. A. Dubois (Dub.)," die georgische in
I Bibliographie des ouvrages arabes, par Victor Chauvin VII
1903, S. 11i3 und Revue des traditions populaires XlII 1898, S ....p.
- ~ Revue des traditions populaires XIII 1898, S. 440 , Hindu
Manners. Customs and Ceremonies by the Abbe J. A. Dubois,
translated from the Author's later french Ms. by Henry K. Beau-
champ II I 8 c . n . VgL Indische Bibliothek. Eine Zeitschrift von
August Wilhelm von Schlegel II 1826, S. 259 und Tarklsche Bib-liothek IV 1906, S. 82.
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FFe3=»
der Sammlung S. S. Orbeliani's KHHra MyltPOCTH " JI)KH
(Orb.) I und die in der Serie "Tilrkische Bibliothek" vonGeorg jal'ob (Turk. JP befindliche tarkische Version.
Die Erzahlung fAngt mit dem Zusammentreffen zweier
Schwerhorigen an. Der eine von ihnen ist an einem be-
stimmten Platze beschaftigt und zu ihm kommt der andere;
der seine verirrten Tiere (Ziegen, Schafe, Ochsen) sucht,
Der Mann versteht nichts von der Rede des Hinzugekomme-
nen als dieser nach seinen Tieren fragt. Als er in anderer
Absicht eine Handbewegung macht, versteht der Suchende,dass er .ihm den Aufenthaltsplatz del' Tiere zeigen win, geht
in dieser Rich tung welter und f inder auch 7.ufllllig seine Tiere
wieder. Er kehrt dankbar zu dem anderen Schwerhnrigen
zuruck und bietet ihm eines von seinen Tieren, das auf
irgend eine Weise verstqmmelt ist (die Horner, der Fuss
ode r del' Schwanz Iehlen), zur Belohnung an. Aber der
Mann versteht auch [etz; nicht, was ihm gesagt wird. Er
glaubt, dass man ihn der Beschadigung des Tieres beschul-
digt und versucht sich 7 .U verteidigen, Das Resultat ist ein
lebhafter Streit. Derartig ist die Urform der Geschichte,. .
welche unsere Varianten voraussetzen. Die Art der Arbeit
des ersten Schwerherigen erscheint sehr wechselnd, Bald
pflagt er einen Acker (Tark., Sud., Turk, j.), macht einen
Zaun (RR I. SU 10), maht Heu (Dub.), verkauft eine Henne
(1001) oder Palmwein (Indon.) oder sitzt an der Kreuzung
dreier \Vege (Ind. I). Die Beschaftigung des anderen Schwer-
hnrigen, das Suchen nach den Tieren, ist dagegen allgemein
I Tsagareli's russlsche Ubersetzung nr. 18,S.25 und Centes
et legendes du Caucase traduits par J. Mourierr888, nr, VI, S. 18.
- t Tnrkische Bibliothek, herausgegeben von Georg Jacob IV
1906, S. 70 (Mehmed Tevfiq, Ein Jahr in Konstantinopel, zweiter
Monal. lum ersten Mal ins Deutsche nbertragen und durch Fuss-
noten erlautert von Th. Menzel). Denselben Inhalt hat die Ge-
schiehte tm ersten Tell der Serie S. fY ] (Vortrage tarkischer Med-
dAh's [rnimischer Erzah.lungskilnstler]).
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18 ANTTI AARNE. FFC20
(R R I, SLJ 10, II, T urk., Ind . I, Sud . , 1001, D ub., O rb.,
Tu rk , J . ) , In 100 I und Dub. hat dieser Zugin gewissemMasse eine andere Form. In erstgenannter wird erzahlt, wie
ein Kaufmann, als er um zu beten in eine Moschee gent, seinen
Esel wahrend der Zeit einem schwerhorigen Weibe uberlassc,
das an der Moschce ihre Henne Ieil bietet. Das Weib miss-
versteht [edoch die Meinung des Kaufmanns unci glaubt, class
er nach dem Preise der Henne fragt und lobt ihr Tier als
schon und fett. Nachdem der Kaufmann fortgegangen ist,
begibt sich der Esel auf eigne Hand auf die Wanderung,
Aus der Moschee gekornmen, frag-t der Kaufmann das Weib
nach seinem Tier. Sie lobt imrnerfort ihre Henne: er meint,
sie sagt, das Tier sei zur Verwahrung ihr in Haus gebracht
und will es von dort holen. Also auch hier wird das
verlorene Tier ~esucht. Und teilweise ahnlich ist die
Geschichte in Dub. Del' taube Schafer aberlasst seine
Herde dem schwerhorigen Flurschtitz, ohne class dieser seine
Meinung versteht, Selbst geht er nach Hause um sein
Fruhstack zu holen, das sein Weib Hun nieht zu gewohn-
Iicher Zeit gebracht hat. Zuruckgekommen, Iindet er die
Schafe an derselben Stelle und merkt, class sie aile beisam-
men sind. V011 unseren Varianten ist noch die indonesische
(Indon.) nicht erwahnt worden. In diesel" wird von ejnem
Palmweinzapfer erzahlt, del' den Ziegenhirten zu sich ruft
urn seinen \Ve'in zu probieren und ihm zugleich rlt seine
Ziegen in eine grasige Ebene zu treiben, Das Suchen nach
den Tieren kommt hier nicht vor, aber die Ziegeriherdeweist doch augenscheinlich auf dieselbe Geschichte hill.
Auch wird der Mann Hirt genannt, wie in iuehreren andere-n
Varianten (RR I, Ind. _ I I Sud., Dub., Turk. J.).Die Fortsetzung der Gesehichte: die zufallige Auffin-
dung del' -Tiere, das Anerbieten der Belohnung von dem
elnen Schwerhorigen und die von dem anderen missver-
standene Beschadigung des Tieres ist an verschiederren
()rtrll zir-mlich gut crhaltcn lRR I, SU II, Tnrk., Ind. 1.
Sud., Dub., Turk. j.), In del' indischcn Dub. will del" Hirt
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FFC :iO Schwanke _~?!!r sch~e~~~rige Mens~hen. 19
das Tier zur Belohnung dafur geben, class der Flurschutz,
wre er meint, seine Schafherde eine Zeit lang gehutet hat.Die Eigenttnnlichkeit der afrikanischen Sud. liegt darin, dass
der Bin das Tier als Ersatz far genossenes Nachtquartier
bietet, und der andere meint, class man ihn des Stehlens
beschuldige, Spuren von der Geschichte Iindet man auch in
Indon. und Orb. Wahrend in d.er ersteren der Alte dem
Hirten rat seine Herde in eine grasige Ebene zu treiben,
meint dieser, er wolle Yon ihm eine Ziege far den erbotenen
Palm.wein haben. In der letzteren bietet der eine Schwer-horige dem anderen den von ihm gefundenen Esel als
Finderlohn an. Also das Oberlassen des Tieres 'und der
Finderlohn, Das gesuchte Tier ist in Orb. ein Ochse,
Diese zwei Sehwerhorigen gehoren offenbar zu den
Grundelementen der Geschichte .. Aber ebenso wenig wie in
irgend einer von unseren Varianten, hat man in der Urforln
der Erzihlung sich auf ein Zusammentreffen dieser zwei
beschrankt, Als solehe erschiene die Geschichte zu unvoll-
st.a.ndig. Zu ihr muss noch etwas anderes gehOrt haben,
Beim Suchen nach ,der Fortsetzung wird un sere Auf-
merksamkeit zuerst auf die Episode von dem Richter gelenkt,
zu. dem die in Streit geraterren sich behufs Erledigung des
Streites wenden. Sie kommt fast in allen Varianten vor
(RR T, SU 10, t I I Turk., Ind. I, Indon., Sud., 1001, Orb.,
Turk. j.). Wegen seiner Schwerhorigkeit missversteht der
Richter vollslAndig, was die Streitenden sagen, und das
von ihm gefa.llte Urtei1 hat keinen Zusammenhang mit dereigentlichen Sache. Das Verhalten des Richters erscheint
Obrigens sehr verschieden, In den turkischen (Turk., TUrk. J . )
und in der georgischen Variante Orbeliani's (Orb.) meint er,
die Streitenclen seien gekommen urn zu melden, dass sie
den neuen Mondgesehen hatten, und nach turkischer Sitte
prok1amiert er daraufhin das Ende des Fastenmondes, I in
ITurkische Bibliothek, herausgegeben von Georg Jacob I
l~, S. 76.
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20 ANTI'[ AARNF.. FFC 20
den kleinrussischen AufzeichnungenSU 10 und II fasst er
die Gekommenen als Brautwerber auf,in. der afrikanischenSud .. versteht er, dass es sich wieder um eine Frauenangele-
genheit handelt und droht arger1ich das ganze Dorf 7.U ver-
lassen. Sehr verwovren ist die Episode in 1001 Nacht, die
sich auch in vielen anderen Beziehungen von den ubrigen
unterscheidet, Nachdem der Kaufmann und das Weib beide
ihre Angelegenheit vorgebracht haben, Ietzteres ersteren
beschuldigend, dass er die Henne fur einen zu niedri-
gen Preis gelordert habe, verurteilt der Richter den Kauf-
mann zu sechs Jahren Gefangnis: das Weib dagegen, das
<lie ganze Zeit mit dem Verkaufen seiner Henne beschaftigt
gewesen, uberlasst die Henne dem Kaufmann. Aber der in
die Sache verwickelte dritte Schwerhorige verlangt dieselbe
Henne als Vermittlerlohn, und der Richter befiehlt dem
Kaufmann sich mit dem Weihe zu versohnen, das er ftir
die Frau des Kaufmanns halt, D ie indonesische Variante
(Indon.) unterscheidet sich von den anderen dadurch, dass
der Richter, hier der Dorfhauptling, nicht taub ist, Nachdem
er die Sache angehOrt hat, warnt er die Beteiligten [emals
mit Schimpfen anzufangen und gibt Ihnen den Rat, die
Bewegungen del' Lippen 7 .U beobachren. In RR I nimmt der
Richter nieht aktiv an del' Handlung teil. Da wird nur
erwahnt, dass die Streitenden zum Richter gehen, aber derist
nieht zu Hause, statt dessen tritt nun in del' Erzahlung die
schwerhorige Tochter des Richters auf, die die Marmer far
Freier halt. In del' indischen Aufzeichnung Ind .. ] wird nichtausdrucklieh von dem Rishter gesprochen, abel" der dritte
Mann, der darin zufallig' zu dell Streitenden tritt, steht augen-
scheinlich an Stel1e des Richters. Es wird erzahlt, er be-
schliesst sich die Taubheit der anderen zu Nutzen zu machen
und daber fordert er zuerst den Hirten auf, das dem anderen
Tauben angeboteue Kalb ihrn zu 'uberlassen, er wolle den Mann
dazu bewegen, es anzunehmen. Danach aberredet er den
andi-ren ihru die ganze Sache zu uberlasseu, er werde dem
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FFC-20 Sehwankeuber schwerhorige Menschen. ar
Besitzer des Kalbes erklaren, dass der Mann unschuldig sei.
Auf diese Weise bleibt das Tier zum Schluss im Besitz desVermittlers,
Die Episode mit dem Richter steht regelmassig am
Schlusse del' Erzlhlung. Dem Richter liegt die schliessliche
Entscheidung der Streitfragen ob. Wenngleich er in dies em
Faile nicht versteht, was die Streitenden sagen, und seine
Entseheidung den Streit in Wirklichkeit nieht schlichtet,
so ist sein Wort doch das letzte. Man kann nicht ~a.ugnen,
class es sehr naturlich erscheint, wenn die Streitenden
sich an den Richter wenden, um Klarheit in der Sache
zu erhalten. Und UI11 die Erzahluug korniseh zu gestalten.
ist es notwendig gewesen, auch den Richter schwerherig
darzustellen,
Mit dem Richter seiner Art nach verwandt ist der in
einigen Varianten erwahnte zufa.llig vorbeigehende Reisende,
den die Schwerhorigen bitten Schlichter ihres Streites zu
sein, ein jeder seine Sache darstellend, die dieser, weil taub,
wieder auf seine v . . r eise missversteht (Turk., 100I, Dub.,Orb." Turk. j.). Del' Reisende ist ebenso wie der Richter
zum Vermittler in dem Streite bestirnmt, die anderen Schwer-
horigen verwickeln sich gewobnlieh auf andere Weise in die
Geschichte. In Bezug auf den Inhalt hat dieser Zug Ahn-
lichkeit mit dem Zusammentrelfen der heiden ersten Tauben:
der Re,jsendeglaubt. class man ihm das von ihm gefundene
Pferd oder Esel abfordert (Tnrk., Dub., TUrk, ].). Auch hier
handelt es sich also urn ein Tier und das Auffinden des-selben, Auch in tier georgischen Orb... eist der Mann mit
einem Plerde, aber die vermeintfiche Forderung betrifft nicht
dieses, sondern die Frau, die er mit sich hat und von der er
behauptet, dass sie die Dienerin seines verstorbenen Weibes
sei, Die Episode von dem Reisenden scheint eine Dupler-
tenform der Richterepisode zu sein,
Unter den Schwerhorigen kommen bisweilen auch Mit~
gliedcr del' Familie <1('5 Richters VOl': seine Tochter (RR I I
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Turk., Turk. J . ) lind seine Frau (Turk., Sud.), Die Tophter
meint, dass die Gekommenen ihre Freier seien und sa.gt,class sie gern heiraten wolle. Die Frau des Richters lJ1aubt
in der turkischen Auizeichnung, dass ihr Mann ihr einen
neuen Brokatrock anbietet und spricht ihre Freude daruber
aus und in del' sudanischen angstigt sie sic-ItdarOber, class
ihr ~ann immer von Scheidung spricht ; miteinem solchen
Manne konne sie nicht welter leben. Die Tochter und die
Frau des Richters sind gewiss spatere Zusatze, Esist ver-
loekend gewesen, so vie) als moglich schwerhorige Personen
mit einander zu verwickeln, Die Tochter des Riehters trafen
wir auch in heiden kleinrussischen Aufzeichnengen (SV ]0,
I I) .. obgleich sie da horend und an anderer Stellung vor-
komrnt. In ihnen halt der Richter selbst die Gekommenen
fur Freier seiner Tochter, Vielleicht hat der Richter frOher
von seiner Tochter gesprocheu lind daher ist sie auch tinter
die Sehwerhorigen geraten. Aufrnerksamkeit verdient auch
der Umstand, dass die Tochter nod die Frau des Richters
u, a. zu den tnrkischen Varianten gehoren, in denen manversucht hat, die Anzahl der Schwerhorigen so gross wie
mogfich zu machen. Der sibirisehe Erzahler (Turk.] hat
auch den Knecht des Richters mit hineingezogen, welcher
gJaubt, das Ma.dc 'hen melde ihm, er werde von seiner langen
Dieustzeit befreit.
Die Werbung um die Tochter des Richters hat in den
kleinrussischen Varianten den Pfarrer mit hinein verwickelt, -
denn auf die \Verbung fo1gt die Trauung. In SU10
gehendie belden Schwerhorigen uno del' Richter zu dern Pfarrer ;
diesel' meint, der Sohn des einen der Minner habe mit
del' Tochter des anderen ein Kind gehabt, erklArt, das
Madchen sei an allem Schuld, und traut sie jnit dem Bur-
schen, In SU rI begegnen die Schwerhorigen schon auf dem
Wege ZUnI Schulzen dem Plarrer, de r sie missversteht und
darauf mit Ihnen ZUlU Schulzen geht, lind weil der Schulze
die Gekommenen H i I ' Brautwerber halt, sagt er seiner Tochter,
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sfe solle sich aussuchen, wen sie haben wane, der Pfarrer
werde sie segnen.
In der indisehen Dub. wird auch von einem alten
Brahmanen erzahlt; dieser istwegen seiner bosen Frau aus
seinem Hause geflohen, glaubt, dass die Schwerhorigen seine
Abreise zu verhindern suchen, und sagt, er begebe sich auf
eine Pilgerfahrt nach Kasi, urn sieh von seinen Sunden zu
reinigen uno wolle nicht nach Hause zuruckkehren, In der
Hauptsache AhnIiches wird in Turk. J . von einer alten
.Frau erzahlt, die das Haus nicht betreten kann, so lange
ihre Schwiegertochtcr darin 1St.
Ihrer Art nach zufa .mg sind die anderen schwer-
horigen Personen. In Turk, 1 . befindet sich unter den
Tauben auch noeh ein alter Bauer, der sagt: "Mein Sohn,
wenn unser einer danach einen Napf warmer Suppe be-
k~me, so ware das genug", In der indonesischen Variante
(Indon.) finden wir zwei Iremde Episoden. Als der Alte
mit dem Ziegenhirten, dem er Palmwein angeboten hal, in
Streit geraten ist, flieht er in den nachsten Hof. Hierunlersagt ibm ein HOhner fOtterndes taubes Weib, die
HOhner zu verscheuchen, der Alte aber meint, sie bate ihn
um \V ein und bietet ihr einen Trunk am . Das Weib trinkt
und sagt, class sie dem A lten gern als Belohnung eine
Henne gAbe, wenn die Huhner nicht fOr das Opfer bestirnmt
waren. Hier ist also wieder der bekannte Zug von dem
als Lohn angebotenen Tiere, Nach der Heimkehr gerat der
Weinzapfer noch in Streit mit seiner tauben Frau. Er
erzahlt seiner Frau) warulIler so wenig Wein mit sich
bringt, und die Frau beschuldigt ihn der l Intreue.
Nachdem wir Iestgestcllt haben, dass die letztgenann-
ten Tauben aile spatere .Zusatze sind, kehren wir zu der
Richterepisode und zu dem zufAllig nach dem Streitplatz
angelangten schwerhorigen Vermittler zuruck.
Da will ieh zuerst darauf aufmerksam machen, dass :
Geschichten, in dencn zwei in Streit geratene Tauben ihre
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ANTTI AARNE. FFC 20
Ange1egenheit einern schwerhorigen Richter O:bergeben, im
Occident schon rrnhzeitig bekannt gewesen sind.
Ich luhre hier ein griechisches Epigramm von Nicarchus
naeh Epigrammatum anthologia palatina ins Lateinische
tlhersetza an: ~
",A surdo surdus in judicium vocabatur ; et multo magis
erat judex illis duobus surdior, Quorum unus contendebat
mansionis mercedem ilium mensium quinque: alter vero
dicebat se nocte moluisse. Acriter inspiciens illis judex
dicit: "Quid litigatis? mater est vestra, ambo nutrite":
Der ei.ne Taube verlangt also vorn anderen den unbe-zahlten fOnfmonatlichen Hauszins, und der andere behaup-
tet, er habe die ganze Nacht in der MOhie gemahllen. ncr
Richter, der noch schwerhoriger ist, versteht nichts von
ihren Reden und antwortet: ,,'Vas zankt Ihr euch ? wenn
sic Eure Mutter ist, so unterhaltet sie gemeinsam" ..
Dasselbe Epigramm citiert Ottomarus Lusciuius. in sei-
nem Werke,.,Ioci ac sales mire Iestivi" (1524).1 Von Lusci-
nius hat wahrscheinlich jull. Somme« es in seine Sammlung
,.,Emplastru01 Cornelianum" vorn Jahre 1609 aufgenommen.:I
Auch seine Geschichte ist der griechischen his auf Einzelhei-
ten gleich. Von der der L:ntersuchung 7.U Grunde liegenden
Geschichte untersrheidet sich dieses Epigramm dadurch, class
das Zusammentreffen zweier Taubert daringar nicht ge-
schildert wird, sondern man kommt gleich in die Behand-
lung der Sache VOl' dem Richter, und dabei werden natur-
lich auch die Behauptungcn der beiden Schwerhorigen
bekannt.
Eine Mmliche Geschichte von emem schwerhorigen
Stadtrichter und von Leuten, die zu ihm kommen urn ihr
Recht zu suchen, erzahlt del" Italiener Franco Sacch~ft;,"
I Ed. Dnbner II lB88, Cal>. XI, nr. 251, S.]28. ~ :e Nto CXLI.
.Vgl. Euphorion X\, 19Q8~S, 9. - S N:o XXXI._1 Le Novelle di
Franco Sacchetti 18,,,, nr. CXLI, S. 2l3.
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_F_F_C_·20 Schwanke Qber s_c_~werhOrige .M ensche~ . _ _ ~ 5
del" in der zweiten HAUte des 14. Jahrhunderts lebte, Die
Erzahlung bei ihm ist weitlaufiger .als erstere und weicht
auch sonst in Einzelheiten davon abo
Aus der spateren Zeit ist Peiisson'« Epigramm "Les
trois sourds", Inach welch em der russische Poet A.Puschkjn
sein Gedicht fJlyxoA rayxosa 3SaJI'b Kb c Y J l . Y CYAhH ray-
XOB3 (1830) geschrieben hatte. Ieh kenne nur den Inhalt
des letzteren, Der erste Schwerhorige sagt, der andere
habe seine Kuhgestohleo, der zweite antwortet, dass sein
Grossvater dieses Land besessen habe und der dritte, der
Richter, erklart, dass ein Mldchen di.e Schuld trage.lt
Bei naherer Betrachtung der Richterepisode bemerken
wir, class diese nach dem \Vesten zu eine viel Ieststehenderc
SteHung in der Erzlhlung hat als inlndien. Sie kommt
in jeder Variante vor, und die Streitenden wenden sich
ausdrilcklich nberall an den Richter, der auch schwerhorig
ist, Anders verhalt es sich in den indischen Varianten.
Der Richter. wird nur :in der indonesischen Aufzeichnung
ausdrticklich erwAhnt und auch da ist er nicht taub, unddie Streitenden wenden sich nicht selbst an ihn, sondern
er hort ihr Schreien, Nicht taub ist aueh in Ind. I der
Stellvertreter des Richters, von dem ausserdem gesagt
wird, dass er zuHUlig an Ort und Stene anlangt. Die
Beschaffenheit der Richterepisode beweist, class diese von
\Vesten nach Osten gewamdert ist, 'Venn die Episode
ursprunglich zur Geschichte gehort, ist wahrscheinlich die
ganze Geschichte im Westen entstanden und ostwarts nach
Indien gewandert.
Die von UDS hier untersuchte Geschichte ist fOr eine
indische ausgegeben worden und man hat als Urtypus der-
selben die von Schlegel veroffentlichte indische Version
1 Euphorion XV 1908, S. 9 (B. L. M. Nouveau recueil des
epigrammatistes francais 1 '7 20, I, S.272). - ~Revue des trad.
PQPulaires X l8gS, S. 254.
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ANITI AARNE. FFCao
gehaJten. J Mir ist nicht bekannt, class man versucht batte
diese Behauptung zu .beweisen, vielleicht Ieitet sie sich
von der benfeyschen Auffassung ab, nach welcher die
MArchen im allgemeinen aus lndien stammen. Ein Kerin-
zeichen fOr die erwahnte indische Variante ist, dass die
Riehterepisode darin Iehlt, aber dafur kommen sogar zwei
als Verrnittler hinzugezogene, zufallig an O,·t und Stelle
vorubergehende Personen vor: ein Reiter, welcher glaubt,
man beschuldige ihn des Pferdediebstahls und ein rnit.
seiner Frau unzufriedener Brahmane. Die Va.riante endet
damit, dass der Reiter in der Ferne Leute erblickt, die mit
starken Schritten herankommen, glaubt, es seien die Besitzer
des Pferdes, und entfernt sich : dasgleiche tun einer nach
dem anderen ebenfalls die ubrigen Streitenden. Wa.re es
moglich, dass die alteste Fassung der Gesch.ichte die indische
sei, in del.' sich keine Richterepisode lindet, sondern worin
ein zlUJallig zur Stelle angeJangter Vermittler vorkommt,
del' dell Streit UI11 die verlorenen Tiere schlichten soli?
In diesem Falle ware die Richterepisode erst im W estendurch den Einfluss der da bekannten Ahnlichen Geschichten
hinzu gefugt worden, und die Erzahlung in der neuen Form
wieder nach Osten gewandert,
Indern C. Jacoh die turkische Iiterarische Fassung
(Turk, j..) mit der iudischen, von Schlegel dargeste11ten
(Dub.) vergleicht, sagt er:" "lJem tOrkischen Erzahler genGgt
die Vierzahl noch nicht, er erhoht sie auf sieben, Streben
nach Breite ist [a ein turkischer Charakterzug". Mir ist
nicht bekannt, welche Quelle der ttrrkische Schriftsteller
benutzt hat und. ich kann deshalb nicht entscheiden, ob dC.1"
Verfasser von der Vierzahl der Schwerhorigen ausgegangen
ist, jedenlalls abel' kann man nicht 1a.ugnen, dass Turk . J.und Dub. sieh einander nahern, Die vier erstgenannten
I Tnrki-chr Hihliuthck IV !Cj06. S. 82 (G. Ja(·oh).·- :I Ebenda
1\' 1 9 ' J 6 , S. 88.
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FFC 3D Schwan ke nber schwerhorige Meuse hen.
Tauben der ersteren Fassung entsprechen den Tauben der
indischen F:rzAhlung: der Bauer und der Hirt, von denen
Ersterer meint, Letzterer beschuldige ihn der Beschadi-
gung des Schaies, und die angebotene Belohnung nieht
empfangen will, der zufAl1ig zur Stene hinzugekommene
Mann, welcher glaubt, man klage ibn des Diebstahls des
von ihm gefundenen Pferdes oder Esels an und in der
ejnen del" Brahman, der nieht zu seiner bosen Frau zuruck-
kehren will, in del" anderen die alte Frau, die das Haus
nicht betreten win, so lange die Schwiegertochter darin
.weilt. In der Uirkischen Version ist ausserdem noch ein
schwerhoriger Bauer, der Schulze des Dorfes und dessen
Tochter, Uns ist schon bekannt, class deren Richterepisode
mit der georgischen Variante (Orb.), die etwa aus dem Jahre
1700 stammt, vollkornmen ubereinstimmt: der Richter rneint,
die Schwerhorigen sprechen vom neuen Monde und prokla-
miert das Ende des .Fastenmondes. Sollte die georgi.sche
Variante aus dem Volksruunde stammen, wie es mit den
Mlrchell Orbeliani's oft der FaH ist, so wAre cine solehe Fas-su ng schon lange im Volke bekannt gewesen. Sie kommt
aueh in del' sibirischen Turk. vor. Letzterwahnte Variante
erinnert iibrigens an die Uirk.ische literarische Version,
[edoch ist sic anderseits so selbstandig gebildet, class man
sie nicht fur etwas aus dem Buche Gelerntes halten kann.
In der sibirischen Variante will ich die Aufmerksamkeit
besonders auf das Auffinden del: verlorenen Ziegen lenken.
Der PflUger meint, de r Mann frage i h n v wie weit sein Feld
reiche und weist auf einen Graben hin, in welchem der
Mann seine Tiere findet. Dieser Zug ist kein zufAlliger,
denn er istauch im inneren Afrika bekannt, In der suda-
nischen Aufzeichnung sagt del' PrlOg-er: "Mein Feld beginnt
vor mir und endet hinter mir".
Was das gegenseitige Verhaltnis zwischen dem Gegen-
stand unserer Untersuchung und den im Occident bekann-
tell ahnlichen Geschichten betriflt, so ist allerdings wahr,
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ANTTI AAR:-iE. FFC 20
<lass die Ahnliehkeit sich darauf beschrankt, class es sich in
beiden um Verhorungen handelt, der Vertuittler ein Richter
ist, und class sowohl die Streitenden als auch del' Richter
schwerhorig sind; die Einzelheiten der Geschlchten sind
dagegen von einander gao? verschieden, Die Ahnlichkeit
ist unzweifelhaft von so allgemeiner Art, dass ein selb-
stlndiges Entstehen der Geschichten nicht unmoglich ist,
Es erscheint mir [edoch wahrscheinlicher, dass die Geschich-
ten auf irgend eine Weise VOIl einander abhangen. Der
Einfluss von Seite der westlichen Geschichten kommt dabei
ebensowohl in Betracht, sei es class der Gegenstand der
Forschung seinem Ursprung nach occidentalisch ware oder
dass er aus dem Orient gekommen, im Westen eine neue
Form bekommen harte.
Um die Ursprungsschicksale der Geschichte nA,her zu
erklaren, dazu ist unser Material leider nichtgenugend
gross. So kennt man z. B. von indischen Varianten, die
diese Geschichte betreHend besondere Bedeutung haben, ein-
schlieslich der indonesischen nur drei. Sie sind nicht imStande ein deutliches Bild des Zustandes der Erzahlung in
Indien zu geben. Hoffentlich wird man durch Auffinden von
neuern Material grossere Klarheit in dieser Sache erhalten
konnen.
It In Indien babe ieh norh zwei volkstumliche Auf-
zeichnungen eines anderen Schwankes angetroffen, in wel-
chem aile MitgHeder der Farnilie als schwerhorig beschrie-
ben werden (Ind. 2, 3)' In del' einen gehoren xu der Familie
der Sohn. die Schwiegermutter, die Schwiegertochter und der
Vater. \V:thrend dcr Sohn eines Tages auf dem Acker
pfl.Ggt. kommen lwei vorbeigehende Reisende zu ihm, urn sich
nach d em \~te~nach Ramnagar 7 .U erkundigen. Er me-into sie
wollen seinen Ochsen kaufen lind sagt, dass er nicht Ieil
sei. Als die Reisendeu von neuem nach dem Wege fragen,
versteht er, sie boten fOr den Ochsen 100 Rupien und
all twortet, er gabc ihn selbst fill' 200 nicht abo Da konnnt
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FFC20 Schwanke Oller schwerhorige Menschen.
die Mutter mit clem Mittagscssen hinzu. Der Sohn erzlhlt
von den vermeintlichen Kaufern des Ochsen, die Mutterwiederum glaubt, er tadele das Essen als zu salzig. Heimge-
kommen schilt die Mutter die Schwiegertochter. dass sie
das Essen versalzen hatte, aber diese erwiedert, dass siekein
Zuckerwerk fUr Kochtopfe ausgetauscht hatte, Sie Kehen
zusammen ZUlU Schwiegervater, und das M a.< .Icnen fragt ;
,,\Vann habt Ihr gesehen, dass ich Zuckerwerk fa r Koch-
topfe ausgetauscht ha.tte'!U und bekommt zur Antwort: "F.s
ist deine Sache die Rinder zu hlUen, warum fragst du
mich naeh dem Stock".
In der anderen, i n . Ceylon aufgezeichneten Variante
w ird von einem Manne~ einer Frau, deren Tochter und
deren Manne erzahlt, Auch in dieser kommeri ein Pfluger
und ein sich nach dem Wege erkundigender Mann vor,
dem der Pfluger antwortet : J,Der eine Stier ist aus dem
Dorfe, derandere aus del" Herde meines Schwiegervaters U .;
desgleichen die Frau, die das Essen bringt und die sich
mit der Zubereitung desselben verspatet hat, Der Schluss
weicht mehr von der ersten Varianteab. Als die Frau 7 .U
Hause ihrer Mutter erzahlt, was auf dem Acker vorgefallen
ist, antwortet diese : ,,\Vas geht es dich an, ob meine Arbeit
gut .oder schlecht ist ?" Zuletzt missverstehen auch die Mutter
und del' Vater einander, und der Vater prtigelt seine Frau
und treibt sie aus dem Hause,
Hier haben wir, neben der schon behandelten Geschichte,
cine andere, die nach ihrem Vorkommen sowohl auf demKontinent Indiens als auch in Ceylon zu schliessen, eini-
gerri1assen Verbreitung gelunden hat. Del' Umstand, dass
der Hlrt in Dub., als seine Frau das Frnhstuck nicht zu
gewohnter Zeit K,ebracht, dieses holen geht, scheint einen
Zusammenhang mit diesel" Geschichte zu haben.
III. Zwei Schwerhorige oder eigentlicheinander H i I '
schwerhorig haltende Personen, treffen wir in einer Ge-
schichte an, die schon geg-~n das Ende des Mittelalters in del'
r ,O ri gi na l f rom
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ANTII AARNE. FFC 30
Literatur bekannt gewesen und auch von Volksmunde einige
Maleaufgezekhnet ist. Darin fOhrt eine dritte Person heim-lich im voraus die heiden Personen, die sich treffen sollen,
damit ant dass sie sie beide fOr schwerhorig ausgibt und
sie darum auffordert, laut zu sprechen, Beide leisten dfeser
Aufforderung Folge, und das komische Zusammentreffen
endet meist mit herzlichem Lachen des Ratgebers, welches
die Gesprachfnhrenden nber den wirklichen Sachverhalt
aufklart.
Diese Geschichte unterscheidet sich also ihrer Art nach
von den anderen vorliegenden, Del' lnhalt des Gesprachs
bleibt bier Nebensache, und die Aufmerksamkeit richtet sich
hauptsAchlich auf den von der dritten Person angestelhen
Streich. der vollkommen gelingt. Jedoch in Bezug darauf,
dass auch hier die Schwerhorigkeit eine Rolle spielt, ist
auch dieser Schwank mit den anderen verwandt, weswegen
ich ihn hier auch mit in Betracht ziehe,
Der erwahnte Schwank kommt, soviel ich weiss, zum
ersten Ma.l in Italien vorl wo er zuerst J 506 von dem
jiingereu Gonnella erzA:hlt wird (Raynoldo da Mantua,
Facezie del Gonella). I Als Schwerhorige kommen der
Herzog und die Frau Gonnella vor. Gonnella erklart, man
mOsse mit seiner Frau sehr laut sprechen, weil sie taub
sei und fordert seine Frau gleichfalls auf zu schreientwenn
sie mit dem Herzog spricht. Der wirkliehe Sachverhalt wird
klar, als die Frau die Worte des Herzogs horr: "Diese Frau
ist , taub, man muss sie anschreien",Danach treffen wir die Geschichte u. a, in folgenden
Sammlungen an: Bandello, Novelle IV 1573, or. 26: II
Gonnella fa una burla a la ma.rchesa < I i Ferrara e insieme-
mente a la propria moglie ; e volendo essa marchesa di lui
I Thomas Murners Ulenspiegel, Herausgegeben von J . M.
Lappenberg IS54 (S,¢: Facecie del Gonella composte :per maestro
Francesco. dicto maestro Raynaldo da ~antua) S. 439. Vgl. Eupho-
rion XV H}o8, s, 9 .
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FFC20 Schwanke fiber schwerh6rige Mem..chen,,. - 31
vendicarsi, egli ron subito argomento si libera. Buffonerie
del Gonnella 1588, Str. 16-19 bei F. Gabotto, La epopeadel buffone (J 893); vgl. S. 76. Scelta di facetie 1609, BI.
48 h. t'Leuen en Hedryf van Clement Marot, Amsterdam 0. J(um 1730) S. lOS: "Acrdige trek van Marot tegens de konin-
ginne. Des Periers, Les nouvelles recreations 1558, nr. r o:
De Fouquet, qui fi t accroire au procureur en ChastelJet, son
maistre, que Ie bon homme estoit sourd, et au bon hornme
que Ie procureur l'estoit" =resor de recreations, Rouen
1611 p. 139; danach Loockmans, 7 I Justige historien, Ant-
werpen lS8c), nr. 31 =Tijdschr, voor nederl. taal- en
letterk, 13. II.l
In der deutschen Literaturkommt die Geschichte oft
vor. Der beruhmte SAnger des sechzehnten Jahrhunderts,
Hans Sachs, hat sie in semem Fastnachtsspiel JtDer Neid-
hart mit dem fey hel" vom 9 Februari 15057· behandelt."
Die Hauptpersonen in seiner Darstellung sind Neidhart"
dessen Frau und del" 1.U ihnen zu Besuch gekonunene FOrst.
Neidhart erzahlt seinem Gaste, class seine Frau
"In einer kranckhelt widerfarn,
Das sie ghort vbel vnd nil wol"
und ZlI semer Frau sagt er von dern Ftlrsten:
IIEr ist von aim pferd gefallen,
Darfon ist er vnghoret warn It.
Hans Sachs hat als Quelle ein llteres Werk namcns Neit-bart Fuchs verwendet. 3 Die Geschichte kommt also auch
InDeutschland schon lruh vor.
IZeit.schrift des Ver. f. Volkskunde VI 1896, S. 168 und
Euphorion XV 1908~ s. 9. - 'I Sammtliche Fastnachtsspiele VU,
75, V. 357 (Neudrucke deutscher Lijteraturwerke des XVI und
xvn jahrhunderts), - 3 Deutsche National-Litteratur, Historisch
kritische Ausgabe Bd. XI':Narrenbuch. Herausg, und erlautert von
Felix Boberiag 1:884t S, 2;10, V. 2212.
"
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. 32 Axrrr AARNE• FFC20
Ausserdem sind mir noch vier deutsche literarische
Versionen bekannt, in denen der Hauptinhalt uberallderselbe ist, obwohl der Rahmen der Erzahlung und die
Einzelheiten wechseln, Im Jahre ISa7 fand. die Geschichte
in Bartholomau« Kruger's Geschiehtensammlung "Hans Cla-
werts Werckliche Historien" ihren Platz '. Der ih .. gegebene
Name t,Wie Hans Clawert zurn Handtwerck gebracht wardt,
vnnd seinen Meister mit einern Pauren zusamen hrachte" ,
gibt uns eine Vorstellung von ihrem Inhalt, Der Bursche
ist hinausgeschickt urn das Schlosserhandwerk zu erlernen,
Einmal als der Meister Gaste hat, k0111111t "ein starcker vier-
eckichter Paurenknecht vor das Haus und klopffet an die
Thnr", Hans Clawert lauft dem AnkommJing entgegen und
erfahrt, class er ein Schloss kaufen will. Er verspricht den
Meist'er zu helen um den Ka.uf zu erledigen und berichtet
dem Bauern von der Schwerhorlgkeit' des Meisters, des-
gleichen dem Meister von del' des Bauern und bittet sic
recht laut mit einander zu sprechen, Del' Bauer schreit laut
und der Meister noch toller, Aus dem Handel wire ein
Streit geworden, wenn "die nachparn von der gassen, vnd
des kleinschmids geste aus der Stuben nicht konuncn weren
und Iriede genommen hetten". Als den Vermittlern die
Sache erklart wurde, lachten sie herzlich.
Sehr ahnlich finden wir die Geschiehte aus der Mitte
des folgenden Jahrhunderts (1656) in J. P. de M~rs
Sammlung "Lustigc Gesellschaft". 2 Aus Kruger's Fassung
geht nicht hervor, warum del' Bursehe seinem Meister sok ....
eineu unangenehmeu Streich spielen wollte, aber MemeJ
erwahnt die Ursache dazu : ."de.- Kleinschmidt harte seinen
Jungen eins vmb vnrecht gestriegelt". Der Streich des
Burschen bezweckt also, sich an den Meister zu rachen.
Mentel hat die Geschichte offenbar von Kruger entlehnt,
I Abdruck der ersten Ausuabe 1882, nr, I. S. 7. - ~N:o 309.
S. J50'
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Seine DarsteHung ist gedrangter. Die Gaste und die' Nach-
baren sind weggelassen, und die Erzahlung endet damit,dass ",cler Junge stund mit den Gesellen vors Fenster vnd
lachten weidlich 14 . ,
Ein jahrzehnt frOher (1644) erscheint diesel be Geschichte
in lui. Wilhelm Zillkgrdfen's "Teutsche Apophthegmata" ,I
aber in so abweichender Form, dass Memel Zinkgrlfen nicht
als seine _Quelle hat brauchen kOnnen. Der Rahmen der
Handlung ist hier ein anderer, "Einem befahl sein Weib,
das er bey eyteler Nacht jhr ein Wascherin solte vnd auch
mOste bestellen." Der Mann tut es auch und bildet ihr
ein, sein Weib sei schwerhorig, und umgekehrt eben falls.
"Des andern tags ruff ten die l.WO ein ander am "Vasser zu, .
als wolten sie sich todt ruffen. U Aus dem Gespradle ent-
spinnt sich ein Streit, und "forth]n bestelt die Fraw jhr
selbsten ein Wascherin".
In al1en diesen Fassungen ist die Begebenheit aus
den h6heren Kreisen def Gesellschaft linter Kleinhand-
werker oder andere Memwhen niederen Stan des verlegt. In
die hOheren Kreise kehrt man in der vierten deutschen
Variante zurtick, die im Jahre t 703 in der Samrnlung
"Taubmaniana Oder Des Sinnreichen Poetens Friederich
Taubmanns Nachdenckliches ' Leben" vorkommt. ! Die am
Gesprach beteiligten Personen darin sind "Hedwig, die
ChurfOrstin zu Sachsen Christiani II Gemahlin 4 1 lind Frau
Professor Taubmann lind der Ansteller des Streiches xler
Mann der Letztgenannten, Die Churfurstin JI verlangt desHerro Taubmanni seine Liebste 7 .U sprechen " , und Frau
Taubmann reist nach Dresden. A15 sie einander treHen,
"gieng es an ein Schreyen, dass man auff dem Schlosse
dachte, es ware eine grosse Feuers-Noth in dem Churfurstl.
Gemache". Del' Possen gefie1 den); Churftirsten sehr, lind
die Churftlrstin amnsierte sich so daruber, ",class sie fur
I Ill, S. 302. - I S. 215.
O ri gi na l f rom
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34 ANTn AARNE.
Lachen sich zu Bette- hat legen lind Ihrer Ruhe pflegen
mussen" ,
Die Variante in Taubmaniana schliesst sich also na.her
an die italienischen und a.lteren deutschen Fassungen und
nicht an die spateren deutschen. Dasselbe gilt von den
volksttuulichen italienischen Aufzeichnungen, von denen
mir drei bekannt sind (RI [~3). In einer jeden von ihnen
wird von einer Konigin berichtet, die die Bekanntschaft
der Frau des spassemachenden Kamrnerdieners des KOnigs,
Firrazzanu, machen will. Als schwerborig erscheinen die
Kouigin nne] die Frau Firrazzanu '5, und ihr Zusammentreffen
geht bei der ersteren vor, Das Verhaltnis ist also dasgleiche
wie in Taubmaniana und in der alten italienischen Version
(Gonnella). LInd ebenso wie der Churfurst il l Taubmaniana,
so mischt sich in RI 1 auch der KOnig in die Geschichte, Als
er das Geschr:ei hort, kommt er zu der Konigin und Iragt,
was los sci. Die Kr>nigin antwortct ihm mit ihrer RewOhn-
lichen Stimrne, und dadurch wird del' wirkliche Sachverhalt
den Gesprachfuhrenden aufgekHlrt.Ausserhalb Italien gibt es nul' eine volksunnliche Auf-
zeichnung unserer Geschichte, namlich aus Bosnien (55).
Darin macht der Diener seinern Herrn, dem Bischof Josif.
weiss, dass del' Pfarrer, bei dem sie einkehren sollen, taub,
aber sonst ein guter Mensch sei, Dem Pfarrer erzahlr-er
dasgleiche vom Bischof. Beide schreieu sich also einander
an, his sic schliesslich dahinter kontmen, class sie ganz
gut horen und class der Diener sie angefOhrt hat. Die
Handlung isf hier also in den Kreis den- Geistlichkeit verlegt,
Die Variante erinnert nicht welter an die italienischen Auf-
zeichnu ngen, ebenso wenig v..ie an die alteren literarischerr
Fassungen, Aher wenn man in Betracht zieht, dass die
Gesehi('hte volksttunlich sonst nur in Italien vorkommt, so
ist wohl auch diese Variante von dort auf die andere Seite
des Adriatischen Meeres geraten,
Dk \"ol'lil'g'cnde Geschichtc ist wahrscheinlich ein lite-
r ,O ri gi na l f rom
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FFC 20 Schwanke nber schwerhcrige Menschen. 35
rarisches Produkt und aus der Literatur auch in den Volks-
mund llbe:rgegangen. Der fnrstliche Hintergrund del' Bege-benheit, der u. a. in den altesten literarischen Fassungen
vorkornmt, gibt del' Geschichte d en Anstrich eines HoF -
narrenstreiches, und ohne Zweifel ist sie das auch ihrem
Ursprung nach gewesen.
Haufiger als das Zusammentreffen mehrerer Schwer-
hl'>rigen erscheint d asjen ige einer schwerhorigen und einer
horenden Person als Motiv fur Schwanke,
Da wir nun zu Schwanken diesel" Art iibergehen, so
wollen wir zuerst einige nul' in del' Literatur vorkommende
Geschichten betrachten.
IV . Im Anhang 26 zu Johantles Pauli's Sammlung
"SchimpF und Ernst" (aus del" Ausgabe VOIl 1538) win]
folgendes erzahlt:
"Ein bawl' gebOrt nit wol dem begegnet sein Juncker
eynest, da war del' bawr zu marckt gewesen, inn einem
statlin heiszt Bingen, vnd het :7.\\'0 saw kaufft, dann der walt
bald hochzeyt haben". Zwischen dem Bauer und dem Edd-
mann bi1det sich das folgende Gesprach : "Go-U grOsz ditch
Peter. - Juncker ich kumm von Bingcn.-- Was han die
saw golten ? ~~ Risz sontag tiber XIV tag (ob Gott wil),
Wann wiltu hochzeit haben? ~- Eins 0115 weniger dann vier
guldin. -- Gatt geb dir die bewl, du horst n it wol. -_. juncker
euch iaueh souil, wir dtirffen bede wojglilcks. II
Dieselbe Geschichte konnnt bei Hans Sachs in seinem
den 10 Mai 1553 datierten Meistergesang "Der vngchorentpauer" vor, Eiu schwerhoriger Bauer iauft nach "Pingen"
urn ein Schwein fUr die Herrichtung seiner Hochzcit 7 .U kau-
fen. Auf dem Heimweg begegnet ihm sein Edelmann, del"
sich in ein Gesprach mit ihrn einlasst:
(Der Edelmann grOsst). -~ "Junckher, von Pingen here.
~ Was gilt die-sawe ? - jOnckhel\ sie ist versprochen Von
hewt Ueber drey wochen, Wils got, so well wir alle Danczen
mit reichem schalle, -- Mu~ ich auft hochzeit ktunen ? --
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ANTI) AARNE. FFC 20
Drey gulden vnd eiu orte, - Hab dir drues in tappen!
Dw ghl)rst nit als, dildappen. _. Got geb euch noch so. vile(Gluck), jnnckher. ich wunschenwile; Wan glaecks durff
wir wol paide, .Schwer ich pey meinem aide! - Ja, mein
dreck auf dein mawle! -- jiinckher, gar vermessen, Freilich
muest if mit essen; Euch ich nit ausen lase." Der Edelmann
f4hrt seines \\regs und lacht, .,das er must hossen, Der
vngereimpten possen", I
Einige Jahre sparer, am Biten Oktober 1555, veroffent-
lichte Hans Sachs dieselbe Geschichte im Spruchgedichte,"
nieht nur ihrem Inhalt, sondern ZUlU grossen Teil auch dem
Wortlaut nach del" ersteren ahnlich. Sie verdient deshalb
kaum besondere Aufmerksamkeit.
Die offenbare Ubereinstimmung der Varianten beweist
unzweifelhaft, dass Hans Sachsals seine QueUe den Anhang
zu Pauli's Sammlung benutzt hat." Die von ihm gemachten
Veranderungen sind: Anfuhrung eines Schweines anstatt
zweier, Festsetzung der Hochzeit nach drei Wochen, Verande-
rung der dritten Frage »Wanll wiltu hochzeit haben '!" zudel' Frage "Mfls ich auft hochzeit kiinten ? 'i Letzterwahnte
Veranderung kornmt wahrscheinlich daher, dass Sachs die
Erkundigung nach dern Termin fO r die Hochzeit nicht l 1 1 e l 1 1 "
fOr lIlotig hAlt, nachdem derselbe in del' vorbergehenden
Antwort schon festgesetzt wurde, Besonders hat Sachs'
Hinweis auf das "Danczen mit reichem scballc" 7.U1I1 Ver-
standnis del" Sache beigetragen. Das Gesprach ist um eine
Frage und eine Antwort verlangert, und auch sonst stelltHans Sachs die Einzelheiten ausfuhrlicher dar. Aus Pauli's
I Samtliche Fabeln und Schwanke "on Jlans Sachs, hrsg, von
Edm.. Goetze lind Karl Drescher VI 1913. nr, 854 S. 38 (t\ell·
drucke deutseher Lirteraturwerke des XVI und XVII jahrhunderts
nr. 23[--235 ). - t Ebenda I )893, nr, 156 , S. -1.30(Neudrucke nr.
ILO-I '7). - - :l Stiefel, Quellen Sachsischer Faheln und Schwanke
I ill Studien zur ve rgleichenden Litteraturgeschiehte, \'011 .!'tin
Koch 11 1goo, ~ . 1 7 7 .
r I
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FFC 20 Schwanke nber sehwerhorige Men-chen.~~. . - - . . - - 3 7
ea. 10 Zeilen umfassender Anekdote hat er einen Meister-
gesang von 60 Versengebaut. Die Darstellung is t imSpruchgedicht noch etwas mehrin die Breite gezogeu: die
Anzahl der Verse steigt hicr auf 70. Die meisten hinzuge-
kommenen Verse stehen am Ende des Gedichtes.
Die in den .\nha.ngcn der Pauli'schen Sannnlung
"Schimpf lind Ernst" befindliche Variante ist <las alteste Be-
weisstuck von del' Existenz der Geschichte. Bei Erforschung
ihres Ursprungs kann man nicht mit Sichcrkeit welter zuruck
gehen, Aber woher ist nun die Geschichte in die erwahnten
Anhange gekouunen '! Es ist durchaus nicht anzuneh men,
class sie eigens zu diesem Zweck verlasst worden wa.re,
(lie Geschichte hat eine volkstumliche I'r:lguDK. Die nachstlie-
gcnde M6glkhkeit ist, <lass sie im Volke entstanden lind von
da in die Literatur ubergegangen ist. Es ist allerdings wahr,
dass die Erzahluug, so viel ich weiss, nicht im Volksmunde
angetroffen worden ist, dies ist [edoch frtr die Sache nicht
cntscheidend, Sie ist vielleicht sparer in Vergessenheit
geraten und Oberhaupt wah] niemals im Volke sehr verbreitetgcwesen. Der Name Bingen, del" in beiden Varianten vor-
ko 111111 t, verknuplt die Geschichte mit der Rhein-Gegcnd in
\Vestdeutsch land.
Auch in spatereu Zeiten ist die Geschichte bei Heraus-
gebern von Schwanken beliebt gewesen. Ich habe sic in vier
Sammlungen angetroffen : in einer Iateinischen lind in drei
deutschen. Der Zeit Pauli's und Hans Sachs' am. nachsten
steht loannes HIIIs/Jusrh's im Jahre J 568 erschienene Sarnm-lung "Sylva sermonum iucundissimorum ". I Darnach Iolgen
der Zeit nach Eucharius E,yrillg's "Copia Proverbiorum" "
vom' Jahre .601 ,die Geschichte ist trotz ties lateinischen
Namens des \Verkes cleutsch geschrieben . - , .,Lieblicher
Sommer-Ktee lind Anllluthigt:s Winter-Grun" " 167'0 uno
Casparll~r; Blollrkardlls' . "Neuer Historischer Lust-Garten"
vom Jahre I70 I.:
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ASTII AARXE. FFC:zo
Rei ei nem Vergleich diesel' Varianten mit den wei tel' oben
angefuhrten bemerkt man leicht, class keine von ihnen ausHans Sachs' Gedichten stammt, Die von Hans Sachs vorge-
nommenen Anderungen fehlen in ihnen, Dagegen stehen
sie alle in nahem Verhaltnls zu Pauli's Anhang. Es sei
nul' erwahnt, dass in jeder von "ihnen von lwei Schweinen
gesprochcn wird und dass del' Verlauf des Gesprachs genau
derselbe ist wie dort. Del' dritte TeH des Gesprachs lautet
in allen vieren: ..\Vann wirst du llochzeit haben?" und
nicht wie bei Hans Sachs ilMllSS ich auf die Hochzeit korn-
men < t ' " In dreien von ihnenist auch der Name des Bauers
derselbe wie }n Pauli's Anhang, Peter (in ItCopia Prover-
biorurn 10 wird kein Name erwahnt] unci in zweien lautet seine
zweite Antwort "Bis Sonntag uber vierzehn Tage". Die
Varianten starnrnen offenbar teilsdirekt aus Pauli's Anhang,
tcils wahrscheinlich von einander her, Die von den Heraus-
gebern gemachten Veranderungen sind von verschiedenern
Umlang. Am meisten in die Lange gezogen und auch
sonst am meisten umgeformt ist die Erzahlung in ",CopiaProverbiorum ", Die Variante in "Sommer~Klee" dagegen
gleicht Satz far Satz und i':UITl grossen Teil Wort fOr\Vort
Pauli's Version, und mit Hulsbusch' und Blanckardus'
Varianten verhalt es sich beinah ebenso. Den Namen Bingen
hat Hulsbusch zu Tubingen verandert, die anderen haben
ihn beibehalten,
V. Eine andere} lediglich in der Literatur vorkorn-
mende (;cschichte,. schildert ejn Zusarumentreffen des auf
einer Bruckearbeitenden schwerhorjgen Caspar's mit einem
vorubergehenden Ilerrn. Man begegnet ihr wenigstens in
zwei Alteren deutschen Geschichtensammlungen, in Iohann
L. Tasits' ,.Kurtz\\'e~·liger Revssgespahu" Iunci Haleeius Eyer-
Plutz' "Der in allen \Vi~s('nschafften erfahrne unci wohlstu-
dirte Pickelhering", £ Erstere wunle im Jahre 1645 und
·1 lI." Cl'IX S•.:0 • , .. 210. :r Nio 100, S. J 75 .
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FFe 20 Schwanke nber schwerhorige Menschen.
letztere 1720 veroffentlicht. Die Erzahlung ist in beiden
beinah wortlieh dieselbe. Ich Hihre sie hier del' letzteren
gemlss an, die ihrer neueren Sprachform wegen leichter
zu verstehen ist:
"An einem Ort war ein alter ManIll, der hiess Caspar,
sass lange Zeit auf einer Bracken und arbeitete. Ein guter
Herr gienge einmahl fO rOoer uno sprach zu ihm : Gott
gebe euch eiuen gutcn Tag, Caspar. Der antwortete ihm :
Herr, ich mache einen Haspel: der Herr replicirte es: Gutcn
Tag, Caspar .. Da sprach del" Alte : " : 5 ~ilt mir einer ...
Batzen, AI8 abel" der Herr zum dritten mahl mit starcker
Stimme sagt: Guten Tag, Caspar, sprach er: Ja, [a, mein
I lerr, wann ihr wolt."
Der einzige saehliche Unterschied z....ischen den Varian-
ten liegt darin, dass bei Tasitz 5 Matzen anstatt 4 - steht,
Eyer-Platz hat die Geschichte oflenbar von Tasitz geliehen,
Ihrem a.ltesten Ursprung nach ist wahrscheinlich auch dieses
eine volkstilmliche Geschichte. Sie unterscheidet sich we-
nigstens in ihrem Charakter nicht "on den entsprechenclenvolksturnlichen.
V I . . Einzig in seiner Art bleibt der in Georg Ch,.isloplt
RlIckaras Sammlung "Die laehende Schule" \'001 Jahre 1725
befindliche Schwank, I Die lauptpersonen darin sind "ein
hoffartig-stoltzer Edelmann." uad ein schwerhoriger Mann.
Erstgenannter ist mit seinen Gefabrten spazieren gegangen
und um diese zu amusiereu, knupft er mit einem entgegen-
kommenden Mann ein Gesprach an;
Hat man deines gleichen Schelm schon aIle gehenckf! ~
Nein, mein He IT , ihr kounnet just noch recht (das ist zum
Hencken. Dcr Mann glaubte, er Iragte, ob die anderen
Edelleute, welche an Hun vorubergcgangen waren, noch
anzutrelfen uno einzuholen sind). - Wie viel hat dir dein
Weib wohl H-kinder gebohren'? - Mein Herr, ihr habt mehr
I r-;:o ·CXX vin.
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40 ANTJ1 A AR!oiE. FFC 20
bey euch, del' euren seynd weit mehr (das ist H-kinder.
Der schwerhorige verrneinte, er fragte ihn, wie vie I in der
adeligen Gesellschaft gewesen waren]. - Ich wunsche dir
viel tausend Squadronen Galgen und Strick an den Hals.
_. Mein Herr, ich wunsche euch doppelt ~o viel (er glaubte,
der Edelmann wimschte ihm einen guten Abend). Der
Schwerhorige ging seines Wegs, und der Hoffartige wurde
weit mehr als er verlacht.
In dieser Geschichte tritt die durch sie bezweckte Moral
deutlich hervor, Man will dell stolzen Edelmann strafen.
Sein gegen einen Anderen gerichteter Hohn wendel sichgegen ihn selbst, In dieser Hinsicht unterscheidet sich
diese Geschichte yon den vorhergehenden, und, man kann
sagen, auch von allen anderen dieser Untersuchung zu
Grunde liegenden Erzahlungen, i\uch in anderen Fallen
sind die Antworten des Schwerhorigen derart, dass sie den
Frager beschamen uno ihn zornig machen, aber keine dcut-
lich beabsichtigte Moral ist in ihnen bemerkbar. Die vorlie-
geode Geschichte hat in dieser Beziehung ein literarisches
Geprage, welchen Ursprungs sie auch sein moge.
VII. Im Zusammenhang hiermit \ \ 'HI icb eine litera-
rische Geschichte anfuhren, in welcher zwar keine schwer-
horige Person vorkommt, in der jedoch in Folge eines
unrichtig gehorten \Vortes Ahnliche Missversw.ndnisse ent-
stehen, wie bisweilen in den besprochenen Geschichten,
Sie ist in der Sammlung ",Fa.~ciculus Facetiarum novissima-
rum" VOIn Jahre .16iO zu Iindcu: I
Ein vornehmer Herr, der Iortreisen muss, sender seine
Frau mit dem Wager» voraus. 1m Walde trifft er einen
Bauer und lragt, ob er nicht einen Wagen mit einem Frauen-
zinuner hatte voruber fahren schell. "lch· habe keine Zirn-
ruerleute gesehen", al.ltwortete der Bauer. "lch fragte nach
Frawenvulck uud nieht nach Zimmerleuten. j. -~ "Jat das ist
i L':.~. 130.
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FFC 20 Schwanke uber ~('hwerh~rige _Mel~"che!1 . .p
ei n anders; es ist nicht lang, so seynd welche vorbey
gefahren .." Der Herr sagte: "Du bist zimlich grob", und der
Bauer verstand "gross~ und antwortete: ,Ja, Herr, mein
Bruder ist noch grosser". "Qen mocht ich sehen", sagte
der Herr. Del' Bauer rid sehr laut nach seinem Bruder:
" ,Ey komm doch h.ier, der Juncker will mit dir reden". Del'
Rruder antwortete: "I-:y, lecke - - _", lind der Herr sagte :
"Lass ihn ligen, ich hore schon, er ist grOber als du",
Die verwechselten \\'Orter sind "r~r.auenzimmerll lind
..grob". Es ist ein eigenturnlicher Zufall, class das Gesprachsowohl hier als in der von Ruckard erzahlten Geschichte
von vornbergehenden Menschen ge~Ohrt wird.
V I I I . Sowohlin der Literatur, aber vor allcrn im
Volksmunde finder man das Gesprach zwischen dem auf
einem Baume sitzenden Schwerhorigen lind dern unter dem
Baume befindliehen Reisenden. Letzterwahnter kennt den
\Veg nicht lind fl'agt um Rat, darnit er seine Reise fortsetzen
kann. Der Schwerhorige nimmt [unge Voge] aus dem
Neste auf dern Baum aus und cia er annimrnt, der Mann
frage, was er vorhabe, fallen seine Antworten demge-
mass aus.
Von dieser Geschichte kennt man zwei altere litera-
rische Version en, die beide aus der ersten Halfte des
16. jahrhonderts stammeu, Die eine von .ihnen ist ent-
halten in der vom grossen Reformator Marlill Luther irn
Jahre 153 veroffentlichten Schrift "Verantwortung des auf-
gelegten Aufruhrs, von Herzog Georg, sammt einem Trost-brief an die Christen, von ihm aus Leipzig unschuldig ver-
jagt" I und hat folgenden Wortlaut:
- - "Gerade als Iragte man hie,'t\·ie viel oder wenig
in einer oder udder Gestalt ware; und ist ihr Antwort gleich
IMartin Luther- ~amI111Iit·hl' \\:erkc Bd. XXXI, Erlangen_
1842, S. 254, lind Zeitschrift fUr den dt'lIt~rhen L'nterricht II 1888,
S.3I).I..
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.-\N1TI AARNE. FFC 2Q
wie [enes, der gefraget ward: 'Vo gehet der rechte '\~,eg
hinaus? lind er sprach : Ich haue junge Speicht aus. Wievie I sind dahin Meile ? Sie haben, sprach er, Schnabel wie
die Pfeile, Ich meme, du .seiest toll; das Nest ist eben
\'0Ii i usw. "
Die zweite Version f i nden WIr fimfzehn Jahre spater
t r 548) in I. Agriro/a's Sarnmlung ~Fnnfhundert Gemainer
Newer Tctitscher Sprichworter". lhres hohen Alters wegen
verdient auch sie bier vollstandig angefOhrt zu werden: I
,,\Vie man sagt, Das airier auH aim baum steht, vnd del'
ander fOrGber geht, [ragt den auff clem Baum. \"'0 geht
der \,\'eg- hinauss? Der antwort : lch nerne [u nge Specht
auss .. - 'Vie viI seind es mcvle? - Sv haben schnabel- .. . .. .
wie die pfeyle. ~ Ich maine du seiest toll. Das nest ist
aile voll."
Im volkstmnlichen Material wird diese Geschichte von
(i(; 2·~·6, 29, 351 41 ~45, 54. 55 vertreten. Wie die bei-
den literarischen sind also auch die volkstumlichen Varian-
ten deutsch,
In dieser Geschichte wird die Auhnerksamkeit darauf
gclenkt, dass Fragen und Antworten sich reimen. Beirn
Untersuchen derselben muss man auch diesen Umstand in
Hetracht ziehen, Die gereimtcn Geschichten, von denen
uns noch mehrere begegnen werden, haben zweifelsohne
eine grOssere Ml)'g!lichkeit als die reimfreien gehabt. ihre
ursprungliche Form zu bewahreu.
Vas Gesprach hebt ganz allgemein mit clerFrage an:."".0geht del' \\' eg: hinaus 'f" Das 1St der Fall in den heiden
alteren litcrarischen Versionen unci weun wir nicht Bruch-
stuck CG 6 mitrechnen, biklen unter den vnlkstnmlichen
IHI. 29 a, nr. 25. Studien zur vergleichenden Litteraturge-
sehichtc, \'011 Max Koch 11 l902. S, I-n, und Georg Wickrams
'Yerke (Ed. J Bolte) Ill, S. 366 iH)03) =Bibliothek des Litterarisehen
\'l'rei ns ill Stullg-art Hd. 22C).
r I
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FFC 20 Schwanke fiber schwerhorige Menschen. 43
Varianten nur GG 2. 5. 45 und 55 Ausnahmen. Die
e ntstellte Form der letztgenannren ist jedoch leicht 7 .U be-merken, In (~G 2 und 45 lautet die erste Frage '" \Vas tust
du l!t und die Erkundigung nach dem Wege ist fortgeJassen.
Die Frage ist also der ihr folgenden Antwort gema:ss gebildet,
in welcher del.' Mann sagt, dass er VOgel aus dem Neste
nimmt. Dass dies eine spater entstandene Bi~dung ist,
merkt man .schon an der Ubereinstinunung der Antwort
mit der Frage, oder mit anderen Worsen: del' Schwerhorige
versteht also, wonach manihn frag-t.In GG 5 und 55
f:lngt das Gesprach rnit einem. Grusse an, wie es auch in
vielen anderen dergleichen Srhwanken der Fan ist, Die
Erkundigung nach dem Wege kommt in Ihnen erst welter
hin vor, Zweimal (GG 3., 35) hat del" Erzahler die Geschichte
lokalisiert, indem er den Ort neunt, wohin sich der Rei-
sende begibt, Die Antwort des Schwerhorigen ist ihrem
Hauptinhalt nach heinah immer die gleiche : "Ieh nehme die
Vogel oder das Nest aus", Mitunter wird auch die Art
des Vogels bestimmt: Spechte (Luth., Agric., GG 4 '1 5},
Stare (GG 29, .P. 42, 5-1-). In der meckleuburgischen Auf-
zeichnung GG 3 kommen diese heiden Vogelarten zusammen
vor ; der Schwerhorige antwortet = .. Das si nd keine Spechte,
es sind Stare" (Sprehnen).
Die zweite ursprOnglich zu der Geschichte gehorende
Frage ist nBist du toll?", die fast in jeder Variante anzutref-
fen ist, zuweilen verdoppelt (GG 5. 41 t 43, 4 - 1 - , 5-1-),einmal
sogar verdreifacht ((jG 29). DCI" \\" ortlaut der Frage jedochist wechselnd. Schon der Umstand, dass die Frage sich
wiederholt, hat die Versuchung nahegelegt, sie verschieden
zu bilden und besonders das letzte Wort 7.U verandern, mit
welchem sich die Antwort reimen soil. Die mit dem Wort
."toll~ endigende Form kommtin den heiden literarischen
und in einigen volkstumlichen Varianten vor (CrG 51 29t
35, 4I 54-). Von anderen Bildungen ~ ich Hihre hier
nur die letzten Worte an ,-- jst, die gewOhnlichste "Narr"
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ANTfl AARNI~. FFC 20
(GG -+2-44, 55), \VOZU ieh aueh (flu bust \\'01 nit) "narren
hesateu' rechne ((jG 4, 5). Seltener sind: n lOricht4i
((,G 2.
29), (seid ihr denn bei Gott) .berathen" (GG 41), Mnicht
geschelt" (GG 43; 44), ",\'Olll Teufel besassa It (GG Sol).
Als Reim auf <las Wort "toUU ist f.{c\\'Ohnlich (Luth., Agric.,
(,(. 5, 29) "voll" ~ebraueht: ;;Das Nest ist \'011 den Jungen
gam: voll ", zweimal (GG 4 1~ 54).,. \\' olle" : ..Die jungen
haben Federn lind keine Wolle" (der Reim ist misslungen)
und einmal (GG 35) aus einer andercn Geschichtc (davon
sparer XI) geliehen ..Boll": ..Unsere Kuh ist kein Boll",
Die spatere Entstehung des Wortes "Narr" (e) beweisen die
l.ufa.lligcn Antwortcu : "Nee. se sci net mei, se sein n Pfarre"
I.GG 42), . , J a . . wans lang, liag'n, wern's moar (murbe) (GG
55)" namlich die Apfel, von denen in der Variante die
Rede ist, in (j(i 43 und o J 4 - wiederum Ichlt der Reim: "Es
konnen drin sein siehcn oder acht". In den anderen Fallen
sind die Antworten offenhar durch Reimspiele entstanden,
1 . • . B . . als Reim auf das \Vort "toricht" steht "hOr id1. t :
",Die Jungcn seh ich, diealten hor ich II. "beraten" "gebra-then II: :"Morgen werden sje in Butter gebrate-n II, "gest'heit"
, ,1 . iemlich weit? : "Das Loch is t z iem lich weit" usw , D el-
ursprtmgliche \\' ortlaut der Fragen und Antworten ist natur-
lich schwer 1 . : U b...stimmcn, abel' so weit man aus dem zur
Verfngung stehendcn Material schliessen kann, hat man auf
die Frage "Hist clu toll?" offenbar "Das Nest ist \ ·011"
geantwortet. Eine solche Antwort ist sowohl ihrem Inhalt
als ihrer Formnachg-elullgen
und ist siedie
einzige,furderen £r(ilwre Existenz man historische Beweise hat.
Die Fruge ..Bist du toIf'~!Oerscheint g-ewi;hnlich (Luth ..
Agric.. GG o J , 5. 29, ..,!, 44, 5·h 55) in der Reihe der
Fragen an dritter Stelle. J Iicrhrr gehl)rell allen zwei Aufzeieh-
uungen «;C 4 :.2, 43 ), in denen d ie spakr hinzugekonunenen
\\. orte "leh glauhe. till bist tauh! it die Frage an die vierte
Stelle g-erHckt haben. AI:-i zweite in der Reihe konnte diese
Frage, Ulll berechtigt 7 .U sein, nicht dastehen. Man hat
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keinen Grund zu erwarten, class der Reisende srhon gleich
in Folge del" ersten nicht stimmenden Antwort den Mannfur toll ausgebcn will, denn es k6nnte ja auch von einem
zufalligen MissversUl.ndnissc die Rede sein. Ausgehendvon
dern, was naturlich erseheint, konnen wi r uns eine Auffas-
sung, auch von dern ursprunglichen Inhalt del' zweiten Frage
bilden. Weil die erste Fragc missverstanden worden ist
und die gewunschte Auskunft also nicht erfolgt, wiederholt
der Reisende sci ne F rage und zwar stellt er sic, um die
Moglichkdt cines wiederholten Missverstandnisses ZlI vermei-
den, in anderer Form. I lies ist in heiden literarischen und
in einigen mtmdlichen Varianten (Luth., Agric., G(; 41 _. -l3)
tier Fall. Hierhin kann man eigentlich auell GG 54 rechnen,
\\'0 del" Reisende sagt: ,.lhr hot mr ubelA"erotha". Mit Aus-
nahme von zwei FAllen (GG 4, ........, in denen der Reisende
behauptet, der Mann sei taub, gibt es keine andere Fassung
als die Frage "Hist du toll '~li (CG 2, 3, 5!, 29, 35), libel'
deren Platz in der Erzahlung wir schon gesprochen haben.
In Bezug auf Ietztere sci noch bemerkt, class die Frage
"Bist du toll?" in (i(i 5 zweifach und in Ger 29 dreilach
gestellt wird und dass sie in G(~ 2 gam: unberechtigt ist,
denn auf die-erste ,,\Vas tust du ohen 'i" ist darin eine gam::
vernanltige Antwort IIIch nehme die Nester aus" gegeben.
In GG 35 besteht das Gesprach nur aus zwei Teilen,
Da die Frage so variierend vorkommt, ist es natnrlich
ebenso mit der darauf folgenden Antwort, In der Urform
der Geschichte ist wahrscheinlich etwas\'01.1
den jungenVoge!n erwahnt, Bei Luther unci Agricola reimen die Worter
.,Meile" und "preile": IIWi« viel sind dahin Meile?" - "Sie
haben Srhnabel wie die Pfeile " I in GG .... un.d ....2 t,ginge"
und Hgeringe': "Ieh Ira dich wo tier \Ve'g naus ginge'!" ._
"Se sei net gar zu g'erin~e." Es ist sehr gut mr..,glirh, dass
Luther uno Agricola aueh hier die ursprurrgliche Form repra-
sentieren. Del' Gedankengang in del' zweiteu uml dritten
Aurwort bei ihueu ist wahrschejnlich: es ist ilbd, class die
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FFe 20--------~
VOgel rneine Finger picken, ather gut, class es ihrer so
viele sind,
\\Tie viele Teile. hat nun aber die Geschichtc ursprtmg-
lich gehabt'~ Diese Frage steht im Zusaunuenhang mit de r
Frage nach dem geg-ens~itigcn Verhaltnisse der !lItefen
literarischen zu den volksttunlichen Varianten, deshalb sei
daruber hier zuerst ein Wort vorausgeschickt, In der a.lte~ten,
von Luther bewahrten Fassung, beweisen die Worte "ihr
Antwort ist gleich wie jenes, der gefraget ward" usw., dass
Luther die Geschichte von anderen gehert harte und dass
sie zu seiner Zeit allgemein bekannt war. Luther hal also aus
mundlicher Quelle geschopft, Von Agricola wiederum kt'tnnte
man der grossen .Ubereinstimmung der Varianten wegen
annehmen, dass er die Geschichte von Luther geliehen
hat, abel" auch bei ihm scheinen die Worte ,,\Vie man
sagt" auf mundliche Tradition hinzuweisen, MOglich ist,
class Agricola die Geschichte auch hat erzahlen horen,
obwohl ihm vielleicht ausserdem Luther's Variante bekannt
war. Was die Form der Darstellung betrifft, so ist seineVariante insofern vollstandiger, class in ihr ausdrOckHch
gesagt wird, der Taube sei aul dem Baum, aber diesem
Umstand kann man keine allzu grosse Bedeutung beimessen,
da derselbe Gedankeauch in Luther's Worten enthalten ist,
Die von Luther am Ende seiner Darstellung hinzuge-
fugten Worte "usw." lassen uns voraussetzen, dass das
Gesprach noch Iortgesetzt wurde, R., Hildebrand sagt in
seiner Schrift " Ein Scherzspruch aus Volksmund, all und
neu: I ~Luthel' sagt nUs\\'.". "weH er das Weitere bei seinen
Leser" als bekannt voraussetzen konnte ", Abel" welches
ware nun wohl die Fortsetzung der VOl! Luther gehorteu
Geschichte gewesen r
\\. enn wir einen solchen zufalligen Zusatz wie der in
GG 4[ vorkornmeude "Guten Tag, Mann!" - "Ich lege
I Zeitschrift fur den deut-chen I 'nterricht II .1.888,S. 295.
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FFC 20 Schwanke fiher schwerhorige MensC'hen. ·n
meine Leiter an 1 4 nicht m it in Betraeht nehmen, so triHt
man in den volkstumlicheu Aufzeichnungen nur eine einzjgeBildung, die eiuigennasseu verbreitet ist, In zwei mecklen-
burgischen und badenischeu Varianteu (G(i 2, 3, 43, 44)
---. also in verschiedenen Gegenden von Deutschland ~~
wunscht der Mann in seincm Argcr, dass der Taube unten
auf der Erde w:1rc,nwie wollte ich dich d rucken (klopk-n )"
und bekommt die Antwort : "Da hast du eincn, den darfst
du nicht pflucken" oder IIWenn ieh sie heraus hatte, wollte
ich sie ropfen". In GG 6 hesehrankt ~kh die ganze Vari-
ante auf die \\'orte: 1'1Ta, hcst 'n kahlen, den 'u bruuhst
nich to placken". Ein derartiger Schluss ware auch sonst
im Einklang mit der Entwicklung der Sache. Als der Rei-
sende auch auf die wiederholte Frage nach deru Wege nur
eine Antwort bekommt, die Hun Anlass gibt anzunehmen,
clef Mann spotte a.ber ihn, sagt er zuerst, class dieser toll
sei, da aber auch dies nichts hilft, will er den Mann strafen
-, wenn desxen erhohte Stellung oben jrn Haurne ibn nicht
davor schatzte, Wenn Luther eine derartige Fortsetzungkannte, sokCmnte man aunehmeu. er habe sic mit Absicht
weggelassen, weil sic ihm zu schlingelhaft erschien und
nicht mehr n6tig ",var mil die Sache ZlI beleuchten, fur welche
die Geschichte von _ihm gebraucht wurde, Die l 'rform der Ge-
schichte hat kaum diesen Zusatz gehabt, der wohl auch spater
hat entstehen konneu (er erscheint ebenfalls in einigen ande-
ren hier behandelten Sch wanken, Xl, XII), ebenso wenig wie
die Dublettenfonn des drittcn Teils des Gesprachs "Bist du
tol1'!I4I1Mensch, seid ihr dean bei Gott herathcn ?" _.. "Mor-
gen werdeu sie in Butter gebrateu", von welcher R. Hildebrand
meint, indem er von del' sarhsischcn Variante GG {. spricht,
sie hatte sich mogHcherweise in Luthers Quelle befunden. 1
Was die "on Luther hinzugefugten \\' orte "lISW. n
betrifft, so will ich hemerken, dass meiner Meinung nach
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ANTII AARNE. FFC 20
auch noch eine andere Erklarung mogiich ware. Vielleicht
wollte Luther damit garnicht sagen, dass er das Gesprach
wirklich welter gehOrt habe, sondern our, class man auf
dieselbe \\"eise Iortsetzen konnte, wenn man so wollte, Die
Geschichte harte auf ihn den Eindruck gemacht, class sje
hier nicht enden durfe,
Das Gesprach zwischen dem auf dern Baume sitzen-
den Tauben und dem vorbeigehenden Reisenden ist also
ursprUnglich wahrsehein lich Iolgenden Inhalts gewesen:
\Vo geht der '!Veg hinaus? _._ Ich nehme die VOge l aus.
- Jch frage dicb, wie viel sind dahin Meile (?).. _. ja, sic
haben Schnabel wie die Pfeile (!). - - Mensch, bist du toll'!
- J a . , das Nest i.stvan den jungen ganz voll,
Die Fassung von Luther und Agricola reprasentiert
also ihrem Inhalt nach die ursprOngliche Form der Ge-
schichte,
In Haden hal sich die Geschichte von dem auf dem
Baume sitzenden Mann an die Sage vom nToten~Mann-
stein" geknupft, der sich in del' Nahe der SchollbronnerMOhle, Gemarkung Ettlingen. befindet. Auf dem Steine ist
ein Gerippe mit einer Sanduhr uno die Iolgendcu Worten
allsgehauen:
"Von Alters her zum todten Mann
Wcrd' ich von del' Stadt Ettlingen genannt, ...
Aul del' Kehrseite des Steines ist die Jahreszalh I 1570. Einer
Ortsage nach ist der Stein zum Andenken an folgendesBegebnis errichtet worden: An einem Pfingstsonntage,
wahrend des Hochamts (Var, an dem Dreifaltigkeitssonntagt
stieg ein junger Ettlinger auf eine hohe Eiche um das
Nest [unger Stare auszuheben, Bever er auf den Baum
stieg, versprach er den schonsten del' VOgel Gott zu Ehren
Ioszulassen, abel' nachdem er sich der jungei: bemachtigt
hatte, gefielen diese ihm dermassen, class er sein Versprechen
nicht hielt, soudern alle behalten ",.ollte. Da brachein Ast,
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FFC20 Schwanke nber schwerhorige Menschcn. 49
und der Mann Iiel tot zur Erde oder _. nach anderen
in die hohle Riche hinein, wo man sein Gerippe sparergefunden hat. Weiter wird erzahlt, dass von jener Zeit
an der Geist des Toten daselbst nachts umgehe. Ein Wan-
derer, del" den Sachverhalt nicht kannte, sah ihn einst auf
dem Baume sitzen und fing ein Gesprach mit ihm an, das
so verlief, wie die Geschichte von dem Schwerhorigen und
dem Reisenden lautet. I An die Ortsage schliessen sich die
Varianten GG 43- -45. I lass die Sage vom toten Manne
und unsere Geschichte einander ursprunglich ganz fremd
sind, das geht schon aus ihrem verschiedenen Charakter
hervor, Eine Sage so ernsten Inhalts vertragt sich nicht
mit dem scherzhaften Schwank _ in GG 43 und 44 :lussert
der Wanderer u. a. den\Vunsch: "Wenn ich diem unten
hatte, wotlte ich dich' kloplen".
Obgleich die Geschichte von dem auf dem Baume sitzen-
den Tauben ursprunglich eine deutsche Geschichte ist, scheint
sie, aus zwei kleinrussischen Aufzeichnungen (SU 2, 4) 7.U
schliessen, aus deutschem Gebiete auch -auf das slavische
ubergegangen zu sein. Nach der einen von diesen (SU 2)
fa.hrt ei n Bauer l~ngs des \¥' eges und hinter ihm komrnt
ein HeH, der mit ihm ein Gesprach ankniipft. Dies ent-
spinnt sich wie fo1gt:
"Aus dem Wege !
Herr, ich habe Krahen,
Aus welchem Dorfe bist dill denn?
Nein, Herr, nicht alle : die alten flogen weg, iehnahm nur die kleinen mit.
~--. Bist du denn tol1!
~ Nein, Herr, ich schalte sie nicht ab, sie waren selbst
110ch nackt". Hauptsachlich desselben Inhalts ist auch die
1 Zeitschrift fftr den deutschen Unterricht XXIII I 9 09 . s.52+-525 und Hader, H" Volkssagen aus dem Lande Baden 1 8 5 1 ,
S. 160 .
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50 ANTr[ AARNF.. FFC 20
andere Variante. Obwohl diese Aufzeichnungen sich von
der deutscheu Erzahlung stark uuterscheiden, u, a. fehltihnen der charakteristischste Zug der letzterwahnten, der
Taube "auf dem Baume", so macht doch der Umstand, dass
der Mann immerfort uher die yon ihm ausgenommenen Vogel,
ja sogar tiber junge Vogel spricht, sehr wahrscheinlich, dass
die deutsche Geschichte den slavischen Aufzeichnungen
zu Grunde liegt, Aufmerksamkeit verdient auch, class in den
heiden Aufzeichnungen nur in einem Teil des Gesprachs
zwischen dern Herro und dem schwerhorigen Bauern von
den Vogeln die Rede ist,
IX . In einer Geschichte ist ein Krankenbesuch zum
Rahmen des Gesprachs gernacht. 1m Jahre 1851 hielt Freih.
,Hammer-Ptlygslall in der pbilosophisch-historischen Klasse
der Akademie der Wissenschaften in Wien einen Vortrag
"Bericht fiber den 7 .U Kairo im j, 125J (1835) in sechs Folio-
banden erschienenen turkischen Cornmentar des Mesnewi
Dschelaleddin Rumi's" ~ ein persisches Werk aus dem 13.
jahrhundert - und Iuhrte u. a. das Stuck eVIl "EinTauber macht einen Krankenbesuch" an.l Darin geht ein
Schwerhoriger zu seinem kranken Nachbarn zu Hesuch und
tiberlegt sich im voraus, welche Fragen er ihm stelIen werde.
Er will fragen, wie es dem Kranken gpht, was seine Nahrung
ist und wer ihn kurirt, und erwartet auf seine Fragen fol-
gende Antworten: viel besser geht es mir, Scherbet ·und
Lirisenrnus und der Arzt N. N. Der Kranke jedoch ant-
wortet ganz anders als sein Besucher es sich vorgestellt
hat, und das Gesprach bekommt dadurch Iolgende Form:
"Wie geht es?
Ich bin tot.
Dank sel Gatt! Was hast dugenossen?
Gift, ich glaube.
l Sitzungsberichte der philosophisch-historischen Klasse der
Kais, Akademie del" Wssenschaften (Weu) VU 1851, S..654.
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FFC 20 ,SchwAnke fiber schwerhorige Mcnschen.
MOg ' es w ohl bekom men! Welchen d er D oktoren
hast ZUlU Arzte dir erkorcn?.- (Zornig) Den Todesengel.
- Ach, das ist ein Arzt, der ohne Ma.ngel.Ii
Darauf geht der Taube ganz getrost von hinnen.
Dieselbe Geschichte erzahlt W. A. Clousto« in seinem
\Verke "A group of eastern romances and stories from the
persian, tamil and urdu ". 1 Seine Darstellung unterschei-
det sich in einigen Einzelheiten von der vorhergehenden ;
z . B. is t d ie Erkund igung nach d em Arzte darin schon die
zweite in der Reihe und! auf die Frage "Was hast du ge-.. ..~, d i hi J • W . lh E· . d .hnossen r ", ie .ier autet. " as 1St .r sssen un 1 re
Arznei?", antwortet der Kranke: "Schmerz und Betrubnis".
Eine allgemeinere Verbreitung scheint die Geschichte nieht
xu haben,
x . Die folgende Geschichte versetzt uns nach Nord-
Als kleiner Knabe horte ich in meiner Heimaturopa.
von einern tauben Manne, del auf den an ihn gerichteten
Gruss "Guten Tag!" antwortete "Einen Axtstiel". Diese
Geschichte ist ausser in Finland auch in allen skandina-
vischen Landern und teilweise .auch in Norddeutschland
verbreitet. Unter unseren Aufzeichnungen sind davon
Varianten : Fb J, Fd 6t Ff 9, TI, GO 1-·9, 13,20,24-31,
33, GG 7-9. 28, 39, GN 1-3, GS I, 3, 5-8, GSF 2.
Untersucht man die Erzahlung, so wird die Aufrnerk-
samkeit;merst auf die Personlichkeit der Sprechenden
gelenkt. Der Horende von ihnen ist ein Reisender, deruder Taube unbekannt ist, Eine spatere Bearbeitung ist
offenbar, wenn von einem tauben Manne und seinem
Nachbarn (GD 28) oder von einern WaldhUter und seinem
Verwalter (GD 6) die Rede ist, In letzterwahnter ist die
Unbekanntheit der betreffenden Personen jedocb dadurch
bewahrt worden, class del' Verwalter als eben angekommen
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, ? 2 ANTTI AARNE. FFC 20
dargestellt wird. Es ware nicht leicht gewesen die Ve'ry]eJ·
f4ltigllng, die die vdlksttunlichen Erzahlungen sehr lieben ,auf den Schwerhorigen anzuwend en : man ha.U,e die Erzah-
lung zu sehr verandern mussen. So ist auch in allen
Varianten die Rede nul' yon einem Schwerhorigen, Aber
del' Reisende ist bisweilen, besonders in Danemark, verdop-
pelt (Fb u, GO 2, 8, 9, 20, 24, 27, 29, 31, 33), ja sogar
verdreilacht worden (GD I, 3, 4). Ein Trupp franzosischer
Reiter ist in die mecklenburgische GG28 aus einem in
derselben Gegend bekannten anderen Schwank gekomrneu,in welchem die Rede des Schwerhorigen sich auf die. sich
dem Haus nahernden Solda.ten bezieht (XVII). Nul' sehr
selten wird der Stand oder Rend des Schwerhorigen ange-
geben. Die Aulmerksamkeit wird in der Erzahlung' vor
allem auf die Schwerhorigkeit des Mannes ge~enkt, dagegen
bleibt die Erwahnung des Berufes Nebensache, Der Gastwirt
(Ff I I) komrnt dadurch mit hinein, dass es sich urn einen
Reisenden handelt, der Fahrmarm (GO 4, 20, GN I) stein
mit der Oberfahrt fiber den Fluss im Zusammenhang und
del' Waldhuter (GD 6) mit dem aus dem Walde genomme-
nen Holzs tnck , welches tier Schwerhorige schnitzt. Dent
Gesprachsgenossen des Schwerhorigen dagegen haben die
Erzahler l'Ifter einen Rang zuertellt: ein Herr (Fb II Ff 9.
Gf> 5, 33, GS 3, 7), ein KOnig (Fd 6" ein Verwalter tGD
6), ein ttLAnsman" (GN 1, 31 GS 1), ein Pfarrer (GS 8},
ein Landmesser (GS 5). obwohl keiner von diesen allge-
meiner in Gebrauch gekommen ist, In Bezug auf densparer hiuzueekomrnenen Stand f a . 1 t es auf, dass er regel-
ma.ssig hoher ist als derjenige des Schwerhorigen. Die-
ser I Jrnstand h:tngt mit del' in den Schwanken allge-
meinen Erscheinung zusammen, dass die Person hohc-
ren Stan des gern als Gegenstand des Spottes derjeni-
gen niedrigeren Standes hingestellt wird (vgl, z. H. die
Geschichten von dem Pfarrer und dem Kusrer). Die Ge-
schichte "Guten Tag!" - - .,Einen Axtstiel" hat namlich oft
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FFC20 Schwanke fiber schwerhorige Menschen. 53
den Grundton, class der Sehwerhorige aber den Reisenden
spotter.Die Geschichte hat in ihrer Urform so angehoben, dass
der Reisende 7.U dem sich einen Axtstiel scbnitzenden schwer-
horigen Manne kommt und ein Gesprach mit ihm einleitet.
Ais spa.tere Entwicklungen erweisen sich die in einigen
Aufzeichnungen vorkommenden ausfuhrlicheren Erklarungen
zu Anfang del' ":rz~hllung~ z, B. der "La.nsman14 kommt um
das Eigentum des Schwerhorigen zu pfanden (GN I, GS I J ,der Schwerhorige schleppt mit seinen Tochtern und seinem
Pferde Holz aus dem \VaJde I(GO I, 2, 24), er pflugt (GD 3)
oder er ist auf einen Baum gestiegen (GD 29-31, GG 39).
Durch Hineinverwickeln des nLa.nsman's" in die Handlung
hat man versucht die Geschichte kornischer zu machen, seine
Verrichtung bleibt namlich dank der Schwerhorigkeit des
Mannes ohne Erfolg, im zweiten Falle werden die Tochter
und das Pferd des Mannes, die sparer im GesprAche VOf-
kommen, schon am Anfang hinzugezogen und der letzter-
wahnte Zusatz ist aus del" deutschen Geschichte von dem
auf clem Baume sitzenden Sehwerhorigen und dem auf der
Erde stehenden Reisenden entlehnt (VllI).
'Vas nun die Fragen und Antworten selbst anbelangt,
so haben wir zuerst das schon genannte "Guten Tag!" -
nEinen Axtstiel": Del' Sehwerhorige vergisst, dass der sich
nahernde Reisende allgemeiner Sitte gemass zuerst. grasseD
werde und bildet sich ein, er frage ihn nacb seiner Arbeit.
"Guten Tag!" - "Einen Axtstiel" ist nur in zwei Auf-zeichnungen (Ff 1I, GD 33) lortgelasseu worden und hat
im allgemeinen auch (H e gleiche Form bewahrt. Die Aus-
nahmen sind nul' ganz zufallig, Ein danischer Erzahler (GD 3)
spricht anstatt vom Axtstiel voiu "plovkjaeppen j f , Ieiu anderer(GD20) lfis:-;t den Schwcrhorigen dankend auf den Gruss
antworten und "Einen Axtstiel" (eigentlich "Zum Axtstiel ",
1 : Ein Stud.:., womit man die Erde \"11[1 dern Pflug abklopft.
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~i_ _ ANT Il AARNE. FFC20
namlich wende ich das Holz an) ist hie)' die Antwort auf
die zweite Frage: "Kannst du mich fiber den Fluss Iuhren?"Wenn ich noch erwahne, class in GG 28 anstatt "Guten
Tag!" die Frage. "Hast du etwas xu essen?" steht, so bleibt
keine andere abweichende Fassung ubrig als die in del" sehr
entsteHten GD 13 vorkommende "Guten Tag!" -.. "len
grabe Thon II, Darin spricht der Schwerhorige in einem
fort vom Ausgraben des Thones,
Nachdem der Reisende auf seinen Gruss eine so eigen-
tumliche Antwort erhalten hat, erkundigt er sich nach der
Frau des Mannes, aber trifft es auch diesmal schlecht, Der
Schwerhorige bildet sich ein, dass er nun sein Boot von ihm
leihen will, urn uber den Fluss oder nbe r den See zu kom-
men und sagt, dass es in Stucken sei. Auch dieser Teil des
Gesprachs ist in verschiedeneu Gegenden ziernlich allgemein
bewahrt worden (Fb II Ff I I, GD 1-..9, 20, 24,26, 27.
31, 33, GG 7, 9, GN l~···3~ GS I, 3, 5-~8, GSF 2). Urn
die Komik zu erhOhen sind solche Erklarungen erfunden wie :
der SchwerhOrige sagt, er habe es (das Boot - das Weib)auf's Ufer gezogen urn es zu trocknen, habe es geteert usw,
Einen ebeuso Ieststehenden Platz in del' Erzahluug hat
der foJgende Teil des Gesp rachs, \\'0 der Reisende sich
nach der Tocbter ode r den Tochtern des Mannes erkundigt
(Fb I, Ff II, GO 1-9,20, 24, 27, 29-31, 33. GG 7,9,
28, GN [-3, GS I I 3, 5-8, GSF 2). Der Schwerhorige
glaubr, class er anstatt des Bootes urn ein Pferd bittet, urn
seine Reise Iortzusetzen und weigert sieh, es herzugeben,wei} es (in Fin land, Deutschland und ZUIll Teil in Schweden:
Fb I, Ff [1 ,~~G 7, 9, GS I, 3, 5) xu Schanden gefahren•
worden sei, ode r weil es (in Danemark, Norwegen lind in
einigen schwcdischen Aufzeichnungen aus Schweden und
Fi nland: G1> 1-··9. 20, 24·, 27, 29- 3 I, 33, GN 1·-3, GS
6~-8, GSF 2 .1 eben cin Fullen geworfen hat oder werfen
soll, Mituuter (Fr 11, GG 9, 28. GS 6, 7, GSF 21 haben
die Frau und die Tochter die Rollen getauscht, wodurch
r - I C U ( " I g ! 1 . :O ri gi na l f rom
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FFC 20
die Frau das GegenstOck des Pferdes und die Tochter das-
jenige des Bootes geworden ist,Nachdem der Reisende zum dritten Mal eine ebenso
verkehrte, ja sogar beleidigende Antwort erhalten hat, nimmt
seine Geduld ein Ende und. in den danischen und deut-
schen Varianten fa.hrt er den Mann erzurnt an: "Du soli test
gehangt werden ", in den norwegischen und schwedischen
wunscht er den Mann zum Teufe1. Der Schwerhorige bildet
sich diesmal ein, dass der Reisende ihn nach dem Wege
Irage und weist ihm denselben an (Fb i, GD I -9, 13, 20. 24~
26, 27, 29-3 I I 33, GG 9, GN I I 3, GS I l 6---8, GSF 2).
Wenn die Rede vorn Hangen ist, antwortet er gewOhnlich.:
"Dort zwischen zwei Hugeln" (GD ,- 5, 7-9, 20, 241 26,
oder zwischen zwei Baumen (GD 29-3,33, GG 9). WeH
es sich auch in den norwegischen und schwedischen Auf~
zeichnungen bisweilen (GN I, GS I I 6, 7, GSF 2) urn
Hugel handelt, so konnen wir diese als die Iheste Form
betrachten,
Wenn der Schwerhorige sich im voraus fur das kom-mende Gesprach vorbereitet hat, so hat er den Plan dazu
naturlich folgerichtig entworfen und ebenso muss man auch
in den Fragen und dem Handeln des Reisenden Folgerich-
tigkeit voraussetzen. Zu Anfang des Gesprachs erkundigt
sich der Frernde danaeh, was ich tue und nachdem ich es
ihm gesagt habe, bittet er zuerst um ein Boot und darauf um
ein Pferd, um seine Reise weiter fortsetzen zu kennen, Da
er keines yon heiden erhalten kann,frAgt
er nach demWeg, urn seine Reise zu Fuss Iortzusetzen. Der Gedanken-
gang des Reisenden wiederuni entwickelt sich in folgender
Weise : Die Antwort des Schwerhorigen nEinen Axtstiel"
bringt ihm die Auffassung bei, mit dem Mann sei kein
vernunftiges Gesprach xu fuhren, daher erkundigt er sich
nach der Frau und der Toehter des Mannes. urn dies en
sein Anliegen vorzutragenv Weil die Antworten sich immer
gIeich bleiben, g-c:riit del' Reisende schlicsslich in Zorn.
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FFC20
Diese VIer Teile gehOren mit Sicherheit zu der Urform
der Geschichte. Aber hat sich das Gesprach ursprunglich
hierauf begrenzt oder haben noch mehrere Teile dazu gehort?
Wiederholt finden wir in den Varianten die \Vorte
des Schwerhorigen : "His zum Knoten" (GD ]-4. 6, 8, 9,
20, 24, 3', GG 8, 28, 39, GN I, 3, GS'" 3.6, 7, GSF 2),
mit denen er auf die vermeintliche Frage: ,,\Vie lang schnitzt
du das Holz·~uantwortet. Diese Antwort hangt naturlich
mit dem Axtstiel zusammen uno stehtauch beinahe immer
gleich hinter den Worten IIGuten Tag!" ~ "Einen. ..\xlstiel"
oder als zweiter Teil des Gesprachs. Aber der ziemlich
grossen Verbreitung dieser Fassung ungeaehtet, kann ich
sie aus Iolgenden Grunden nicht fur die ursprtmgliche
Form der Geschichte halten : a) Die entsprechenden \\~orte
des Reisenden sind ihrer Form nach sehr wechselnd. Bald
a.U!oiserter erztirnt tiber die erste Antwort des Mannes etwas,
was sei ner Grobheit wegen hier nieht angefuhrt werden
kann (GD r , 2, 4. 8, 24, GG B, 28), ruft "Bist du toll'!"
(GO 3, 9, GN 3, GS 3. 6, 7, GSF 2), "Man mochte dirden Kopf abhauen !" (GJ> 6), "M~ge dir das Holz in der
Kehle sitzen bleiben !" lGD 31). "Weisst du warum ich gc-
kommen bin '! " (der Vogt will das Eigentum des Mannes
pfAnden) (GS 1 ) oder IIHis zurn Knoten" schliesst sich als
Antwort an die Erkundigung nach dem Wege (GG 39, GNI ~.
h) Wenn wir die zwei letztgenaunten, entschieden spate-
rcn Falle nicht mi; in Betracht nehmen, so beweisen die
Worte des Reisenden, class er sehr beleidigt ist ; es scheint
[edoch unnaturlich, dass er schon gleich nach der ersten
Antwort des Mannes in Zorn geraten ist, besonders da
er noch ruhig die folgende, die Frau betreHende Antwort
anhort. Es ist uuzweifelhalt ein yon einem Erzahler erfunde-
ner Zusatz, der seine ziemlich grosse Verbreitung seiner
Spasshaftigkeit zu verdanken hat.
Ebenfalls ein spaterer Zusatz ist die Frage IJBist du
LoJr~u (Fb J I Fd 6, Ff 9, (;1> 2, 3, 6, 8, 9, 20, 271 fiN 1-3:.
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GS 3,1 6, 7 1 GSF 2). Auch ihre Stellung in der Geschichte
ist schwankend. 'Vie wir schon gesehen haben, folgt ihr
manchmal die Antwort )1 Bis zum Knotchen It, manchmal auch
cine andere: ~,Nicht weit!" (his zu dem anderen Haus) (Fb I),
"Die VOgel des Himmels Irassen sie" (den Verstand; der
Schwerhorige bildet slch ein, dass man Iragt, wie die Saat
ausgefallen sei) (GN 2), "Im hohen Baume" (der Verstand;
er g1aubt danach gefrag't zu sein, wo er das HolzstGck her
hat (GO 6) oder auch knupft sich als Fortsetzung der Erzah-
lung die Geschichte vom Kaule der Fische an, wovon spa-
ter die Rede sein wird (XI) (Fd 6). ManchmaI folgt "Bist du
toll?" als Zusatz zu den\\'orten: "Du solltest gehangt
werderi!" (GD 2, 8. 20, 27) und "Geh nun Teufel!"( GN I);
dan u hat jedoch dieser Ausruf keine selbststandige Stellung
im Gesprache, Die letzterwahnten Falle beweisen am besten,
wie leicht ein Ausruf dieser Art in die Gesehichte hat korn-
men konnen ..
In einer schwedischen Aufzeichnung (GS 8) erkundigt
sich ocr Reisende auch nach dem Knechte des tauben Man-nes: cin narh der Frau und der Tochter g-ebildeter Zusatz,
Als Antwort sind die das Pferd betreffenden Worte so umge-
formt hinzugefiigt worden, dass das Pferd am Tage vorher auf
dern Felde gearbeitet hat, weswegen der Schwerhorige es
selbst nichtbenutzen, noch we niger dem anderen leihen kann.
Die <ieschichte "Guten Tag!" ---, "Einen Axtstiel" sent
also eine Urform Iolgeuder Art voraus:
Ein schwerhoriger Mann schnitzt sich einen Axtstiel,
Er sieht einen Reisenden auf sich zu kommen und stellt
sich im vnraus vorl was fiir Fragen diesel' an ihn richten
wird und wie er in [edem Faile antworten soil. \Vahr-
scheinlich wird der Reisende zuerst danach fragen, was ich
tue und ich antworte darauf : "Einen Axtstiel", Darauf
bitter er urn die Erlaubnis, mein Hoot zu leihen, urn fiber
den Fluss zu korumeu und als ich ihm sage, dass es bescha-
digt ist, hittet er um mein I'Ierd. Nachdem er erfahreu,
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58----;. -- .-- ---~-
ANTII AARNE. FFC.20
dass auch das Pferd in unbrauchbarem Zustandeist, srkundigt
er sich nach demo Wege, urn mit eigenen Kraften vorwartszu kommen. Nun fangt del' Reisende das Gesprach an:
Guten Tag!
Einen Axtstiel.
Wo ist dein W eib?
Es (Boot) ist zerbrochen, ich kann es nicht her-
geben.
Hast du eine Tochter?
Sie (Stute) ist in einem solchcn Zustand, dass ich
auch sic nicht ausleihen kann.
- [)U, Mann, solltest gehangt werden (oder: Geh ZUnI
Teufel : ! ) .
- Dort zwischen den heiden Hugeln,
Beim Forschen nach dem Herkunftsort der Geschichte
muss man sich naturlich auf das Erscheinungsgebiet der-
selben beschranken, Wie wir schon im Anfang der Unter-
suchung sahen, umfasst dieses die skaudinavischen Lander,
Danemark miteinberechnet, Finland und Norddeutschland.Aus triftigen Grunden kann man also die Geschichte nord-
europaisch nennen. Von den deutschen Varianten, deren
Anzah I f U n f betragt, sind vier aus Mecklenburg und der
Insel ROgen, also aus Deutschlands nordlichster Gegend
und eine stammt aus dem Kreise Bergheim bei Koln, NUll
konuen wir uris denken, dass die Geschichte entweder auf
deutschern Boden entstanden und spaterhin nordwarts nach
den skandinavischen Landern und Finland gewandert ist odersie stamrnt im Gegcnteil aus Nordeuropa und ist von dort
nach Deutschland hinubergewandert. In erstgenannter Rich-
tung sind die Erz:thlungen oft gcwandert, ill letzterwalmter
nul' selten. Die Geschichte "Guten Tag! It~. "Einen Axtstiel"
ist in den skandinavischen Landern sehr heimiseh, in
Deutschland dagegen abcr weuiger. Um die xweite Behaup-
tung zu heweiseu, hemerkc ich erstens, <lass, wenn mir auch
Schwanke von dell Schwerhorigvn aus deutschcm C;l'bietc
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mehr a1s anderswoher zur Verfugung stehen, zusammen
genommen 55 Aufzeichnungen, doch nur eine sehr geringeAnzahl von :ihnen Varianten der Gesehiehte I'IGuten Tag!"
- I'IEinen Axtstiel" sind und zweitens, dass auch diese
wenigen Varianten sehr entstellt sind. GG 7 und 8 sind
nur Bruehstiicke. Die siidlichste Variante GG 39 wiederum
1St so durcheinander geworfen, dass ieh nieht umhin kann
sie hier unverknrzt anzufuhren :
"Fremder: Guten Tag, Mann!
Bauer: (auf einem Baume im Walde sitzend) Ieh muss
einen Ast han.
Fremder : \" '10 geht hier der ,"reg nach X?
Bauer: Den schneid' ich bis zu dem Knotchen abo
Fremder : Wie weit ist 's denn noeh zu gehen?
Bauer: Das soll einen Axtstiel geben II.
Der Fremde entfernt sich mit einem Wunsche, den
man nicht wiedergeben kann.
In dieser Variante sind von unserer Geschichte die cha-
rakteristisehsteu Teile I'IGuten Tag!" - "Einen Axtstiel"uhrig, jedoch so weit von einander getrennt, dass der eine zu
Anfang des Gesprachs, der andere am Ende desselben steht
und ausserdern die Antwort: "Bi.s zum Knotchen" _ In diese
Variante sind Anklange aus clef Geschichte, in der der
Schwerhorige [unge VOgel aus dern Nest im Baurne aus-
nimmt (VIII) und wahrscheinlich auch aus dem Schildburger-
schwanke "Del' auf dem Aste Sitzende hackt den Ast ab"
(Mt. nr. J2....0) gemischt worden. Verbindungsglied ist dasSitzen auf dem Baume und das Schnitzen am Holzstuck gewe-
sen. Man konnte sich natarlich auch denken, dass die Ge-
schichte fruher in Deutschland alllgemeiner bekannt gewesen
ten, spaterhin verschwunden sci, aber dann konnte man erwar-
und sie in der reichen deutschen Schwankliteratur anzutreffen,
was jedoch nicht der Fall ist. So viel man aus dem von
mir benutzten Material schliessen kann, weist rneines Erach-
tens ant's darauf hi 11, class die (~csl'hil'hte ,,( ~l1ten Tag !I I
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60 ;\:,;,.,.1 AAR:"O'E, FFC 20----_._---- ~---
J!Einen Axtstiel" welter nordlich herstarnmt und nach
Norddeutschland eingewandert ist, Ihre Heimat waren dann
also tile skandjnavischen l . . . .a.nder, denn nach Finland ist
die Geschichte wie viele andere Erzahlungen aus Skandi-
navien gelkommen.
Um die vorliegende Frage zu beleuchten, ware es Yon
Bedeutung zu wissen, wann die Geschichte "Guten Tag!" --
J! Einen Axtstiel II zum ersten Mal irn Druck erschien. In Fin-
land wird sie, so weit ich weiss, erst bei Jaakko Jute ;" ., ', welcher
in del' ersten I Ialfte des 19. jahrhunderts lebte (Bd. IX S. 25)
ang;etroffen. Juteini's Variante entha1 t die drei ersten Teile
des Gesprachs : "Guten Tag! II - "Einen Axtstiel u, die Frau
- das Boot und die Tochter - das Pferd, Eine danische
Variante (GD 24) ist aus dem Jahre 1812. Sie zeigt, class
diese Geschichte schon vor 100 Jahren in Danemark in
sehr ahnlicher Form wie heutzutage bekannt war. Leider
ist es mir nicht gelungeu, Aufschluss daruber zu erhalten,
in welch em Masse die Gesehichte mOglicherwe~se in den
alteren skandinavischen Werken vorkommt. Auf ihre Ver-breitung und Verallgemeinerung hat naturlich auch die Lite-
ratur Einfluss haben konnen.
Einen sehr daukbaren Stoff fur komische Gesprache
hat del' Handel zwischen einem schwerhorigen Verkaufer
und einem horenden Kaufer geboten. So sind mir mehrere
volkstumliche Geschichten bekannt, in denen handelnde
Personen vorkommen, Die l Iaupthandlung in ihnen ist die
J.{ewl)hnliche: nachdem der Kaufer einig:e verkehrte Ant-
worten erhalten hat, argert er sich und behauptet, del' Ver-
kaufer sei verruckt oder droht ihm mit Strafe.
Xl. Eine solche Geschichte ist in Finland, Skandina-
den, Norddeutschland und Estland, also beinahe in den-
selben Gegenden wit ' ),Gulen Tag! Ii -- "Einen Axtstiel"
verbreitet. Ihr rharakteristisr-hstes Kennzeichen bildet del-
Schluss des Gcsprarhs. Der Kaufer sagt, del' Mann ver-
dieuc rflr sein Betragen tuchtige PrOgel, lind dcr Schwer-
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FFC20 Schwanke uher sehwerhorige Menschen, 61
horigc, der die ganze Zeit treulich \'011 dent Kauf und seinen
Waren gesprochen hat, antwortet: "nas hat man mir auchschon anderswo angeboten, aber ich bin nicht darauf ein-
gegangenu• Diese Geschichte komrnt in folgenden Auf-
zeichnungen vor ; FE I, 3, - 4 - , Fb 2, Fd 5, Fe 7, Ff 10.
Fh 12, F[ 14, Fmrs, (;D 10" 12,21,23,32, fiG I, 22~ 27.
30', 32-34. 38, GS 2, - 4 - , GSF' I.
Die auftretenden Personen der El7:dhlung sind zwei
Ma.nner. Spatere Bildungen sind: cine Frau als Verkauferin
(Fh 12, GD 12, 32, riG I, 22, 2{, 25, 38), ebenso wie die
Verdopplung (GD 10) und Verdreifachung (GD 32) des
Ka.ufers. Im letzterwahnten Faile verteilen sieh die Fragen
so, dass auf jeden Kaufer eine Frage kommt. Del' Gouver-
neur in del' Iinnischen Variante FI 14 ist aus einem
anderen Schwanke herubergekorumen, in dem der Haller
Vortritt bei dem Gouverneur hat. Mitu.nter haben die
Erzahler dem dargestellten Vorfal'le eine lokale .F'lrhung
verliehen, In GG r triu als Kaufer ein ditmarscher Rauer
und als Verkauferin eine Biisumerin auf, in GD 23, C;(; 26,
32 hat man dem Schwerhorigen einen Namen: Ole Danielsen,
Klaus, Meister Johann gegehen, in GI> 10 ist del' Schwer-
horige auf dem Wege nach Aarhus" in Fd 5 reist der KAufer
nach Turku und in fiG 2S und 26 spricht man von Crivitz ..
Den Charakter des Handelns hat das Gesprach im all-
gemeinen bewahrt. In zwei Aufzeichnungen (FE 4, GG 25)
erscheint del' (oder die] Schwerhorige nirht als Verkaufer,
sondern er hat Waren eingekauft und gera.t auf der Heins-reise in ein Gesprach mit einem 7.ufAllig ihm begegnenden .
Man ne, In FE I hat er die \Varen schon verkauft. GG 24-
ist die einzige Aufzeichnung, in del' nichts auf einen Handel
deutet. Hier fi1hrt ein Handwerksbursch ein Gesprach mit
einer Petersilie pfluckenden, schwerhorigen Frau; wahrend
er sie nach allerhand anderen Sachen Iragt, spricht sit"
imrner nur VOIl ihrer Petersilie, In Bezug auf die Beschaf-
fenheit der\Vare bietet sich grosse Abwechslung. Bald
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FFC20
verkauft dcr Schwerhorig'e Fische (FE 4, Fb 2, Fe 7. Fill 15,
GG I, 22, 23, 25, 33, 38), einen Ochscn (FE, I, 3, GD 21 ~
GG 30) odcr einen Bock (GG 26, 27, 32, 3-t), bald Korn
oder Getreidcprooukte (Ro~gen, l laler, Malz usw.) (Fd 5.
Ff Io,F'1 r4, GD 23, GS 2, 4)" Leinwand (GD 12,32) u. a..
Was die einzclnen Teile des Gesprachs anbelangt, so
findet sich der schon erwahnte "Ilu solltest Prflgel kriegen "
und die dazu gehorcnde Antwort IIIlas hat man mir auch
schon anderswo angeboten" haufig in verschiedencn Teilen
des Erscheinungsgebietes des Schwankes' wieder ,(FE 3, 4,
Fb 2, Fd 5. Fe 7, Ff 10, Fh T2, FI 14, Fm 15, GDro, 12,
21, 23, 32, GG 26, 32, 34, (is 2, 4, GSF I). Ausnahmen
bilden nur einige deutsche und eine estnische Aufzeichnug,
in denen der Schluss des Gcsprachs seiner Form nach
wecbselt. Hier hesteht die Frage mandunal aus dem Ausruf :
"Bist du .toll ?", aus Worten, die sich ihrer Grobheit wegen
nicht wiederholen lassen, u. a'l und die Antwort bertrhrt
meist das Essen der Kost, die feil ist: "Man muss ja doch
etwas essen II u. a.Ebenso gut wie der letzte Teil des Gesprachs, hat sich
auch der erste erhalten, Wie in einigen anderen Geschich-
teo, so fa.ngt <las Gesprach auch hier allgemein mit dem
Gruss (Guten Tag!, Guten Morgen!) an (FE 4. Fb 2, Fd 5t
Fe 7, Fh 12, Fm 15, GO 1.0,. 12, 23, 32, GG II :=l2, 26,
271 30t 32- -34, 38, GS 2, 4, GSF I) worauf der Schwer-
horige mit der Angabe der Art seiner Ware antwortet:
Fische usw, (FE 4. Fd 5, Fe 7, Fh 12, FI 14 ("!), Fm 15,
GD 10, J2, 23, 32, GG I, 22, 23 (?), 24 (t), 33, 38, GS 2, 4.
GSF J). Beim Betrachten der Gbrigen Varianten ruerkt man
leicht, dass sie in diesel" Hinsicht entstellt sind. Die erste
Frage leitet sich bisweilen von der ersten Antwort her (" 'Vas
hast du Ieil ?" : FE 3, Ff 10)~oder von der zweiten Antwort,
in der del' Preis del' Ware angegeben wird ("Wie viel kostet
es?": GD 21), oder als Frage ist aus ~er Geschichte, in
welcher del' Schwcrhorige Junge V()gei ausnimmt (VHI)1 die
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FFC20 Schwanke fiber schwerhurige Mensehen.
Erkundigung nach dem Wege hernbergekom men (,,\\'o gebt
del' \Veg nach Crivitz ?": GG 25) ode r eine sparer gebi1deteErkundigung uach der Zeit ( n Wie viel ist die Uhr?": GG 23,
24-) . ,,\:Vas hast du fein!~ und ,,\Vie viel kosten die Fischer"
kommen zweiiual (F b 2, GG 27) in' Verbindung mit dem
Grusse VOl". Mit der Entstellung der ersten Frage geht
diejenige der ersten Antwort Hand in Hand. Dagegen
linden wir, wenn "Guten Tag!" sich erhalten hat, die Ant-
wort des Schwerhorigen seltcn anders lautend: "Von Cri-
vitz" (GG 26), "Ich setze gerade die Leiter an den Baum"
(GG 34); beide aus clef oben erwahnten deutschen Ge-
schichte hergeleitet (VIII).
Auch in dieser Geschichte ist clef mittlere Teil des
Gesprachs schwerer zu erklaren als der AnCang und das\
Ende. Die zweite Frage kommt in sehr verschiedenartiger
Form vor. Zuweilen besteht sie aus dem Ausruf "Bist du
toll?", bisweilen aus del' \Viederholung des Grusses, oder
aus de r Erkundigung nach der Ware, die der Mann Ceil
hat usw. Wenigstens d •.e letzterwahnte kann nicht dieursprungliche Form sein, denn sie ist unangebracht, nachdem
die erste Antwort schon 'Antwori auf diese Frage gegeben
hat. Aus der zweiten Antwort dagegen konnen wir mit
Bestimmtheit einen Schluss ziehen. Als der Taube ZUlU
ersten Mal gesagt hat, was er feil hat, bildet er sich ein,
der Kaufer wolle darauf den Preis der Ware wissen und
gibt ihn kund (5 Taler u. a.). So verhalt es sich ziemlich
allgemein in verschiedenen Gegenden (FE4.1:00
2,
Fe 7,Fm IS, GD [0, 12, 21, 23, 32, GG I, 22, 23, 33, 38,
GS 2, 4, GSF I) und man kennt keine andere Ieststehende
Bildung daneben,
Wir kommen nunzu der Frage von del" Anzahl der
Gesprachteile. Deren hat es anfangs offenbar drei gege-
ben, wie es in mehreren Aufzeichnungen del' Fall ist
(FE 3,-1 -, Fe 7 , Ff ro, Fm 15, GD 10, 12, 21, 23, 32,
GG 1, 22-26, 38, GS 2, ..h GSF 1.). Selten h i t die Ge-
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schichte zusammengezogen. In Fb 2 sind der erste und der
zweite Tell zu einem einzigen verbundeu : ,,\Vie viel kostendie Fische?" ist 7 .U dCI11 Grusse gefl~gt und als Antwort steht
die Angabe des Preises, Ircr diesen Geschichten eigen-
tumliche Widerspruch zwischen Frage und Antwort existiert
hier also nicht mehr, und die von dem Manne illl folgen-
den angedrohte Prugelstrafe bleibt unmotiviert, In Fh ) 2
ist del' zweite Teil g-an7. Iortgelassen geworden. Haufiger,
besonders in dem deutschen Gebiete, ist die Erweiterung
des Gesprachs durch hinzugefugte Fragen und Antworten,
Die Anzah l der Teile helauft sich hisweilen auf vier (FE I.
GG 27. 33). funf (Fd 5, GG 30), sieben (GG 32, 34), ja
in einem Faile so gar auf zehn (Fl 14). 1m letztgenannten
hat man das Gesprach offenbar absichtlich in die Lange
zu ziehen versucht. Der zulallige Charakter der Zusatze
tritt deutlich hervor, Oft sind es vereinzelte FAile, die hier
zu beruhren nicht nOtig ist, Mitunter ist die durch Erwei-
terung entstandene Fassung einigermassen verbreitet, So z.
B. die in einigen deutschen Varianten (GG 26 (t), 27. 30, 32,34-) vorkommende Erkundigung nach d em A lter des zu ver-
kaufenden Tieres und die Angabe desselben: ,,\Vieviel kostet
es? - Sieben jahre!" und ,,"Vie alt? - Sieben Mark".
Es handelt sich um den Kauf eines Bockes oder Ochsen.
Die Angabe des Preises erscheint also eben falls in diesen
Varianten, obgleich nicht wie in den oben aufgezahlten
als zweiter Teil des Gesprachs. In beinahe denselben Auf-
zeichnungen befindet sich ausserdem auch nocb cine wei-
tere zu del' Frage: ,,[st er zu verkaufen 'i" gehorige Ant-
wort: "Freilich kann er stossen !" (GG 27, 30, 321 34).
Bier sind also die erste und die zweite Antwort der Ge-
schichte zu Fragen geworden, indem sie Raum 7 .U weiteren
Antworten bieten; daneben ist die zweite Antwort, die
Angabe des Preises, beibehalten auf die hinzugekommene
Frage ,,'Vie alt?" Bas Bestreben in del' Antwortll Freilich
kan n cr stossen" einen, allerdings misslungenen, Reim zu
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bilden, tritt auch in der zur Frage "Hist du toll P" gebo-
renden Antwort "Es ist kein Bull" (FE 1, 3, GG 27, 30,32, 34) zu Tage. Eiu eben falls spaterer Zusatz ist die in
einigen danischen und deutschen Aufzeichnungen (GD 12~
32, GG I, 23, 24) befindliche Erkundigung nach der Zeit
(" Wieviel ist die Uhf?"). Es sei [edoch bemerkt, dass die
Neubildungen nicht immer als Zusatze der ursprunglichen
Teile vorkommen, sondern mitunter auch mit diesen ver-
mengt sind. So wurde schon erwahnt, class das Gesprach
zuweiJen mit der Frage "Wieviel ist die Uhr?" anfangt"
worauf als Antwort die Preisangabe der Ware folgt,
Die Entwicklung des Gesprachs ist von den Antworten
des Schwerhorigen abhangig, die dieser so bildet, wie es
beim Feilschen gewohnlich hergeht. Der Verkaufer stelJt
sich VOf, dass der Kaufer zuerst fragt, was fO r Waren er
zu :verkaufen habe, darnach sich nach dem Preise derselben
erkundigt und zuletzt den Preis als zu boch bezeichnet.
Die Geschichte hat also etwa folgende Urfonn gehabt :
Guten Tag!
- Fisehe,
Ich sagte guten Tag (?).
Ftinf Taler.
Du, Mann, solltest Prilgel haben!
Das bat man mir auch schon anderswo angeboten,
abel" ich habe es dafiir nicht abgelassen.
Beim Vergleichen der in verschiedenen Landern vor-
komrnenden Varianten machen wir betreffs dieser Geschichtedie gleiche Beobachtung wie in clef Geschiichte "Guten Tag!"
- "Einen Axtstiel U J narnlich, class die skandinavischen
Variaoten die am besten beibehaltenen sind, wohingegen die
Geschichte nach SOden und teilweise nach Osten hin entstellt
wird. Die Aufzeichnungen, in welchen der Zug vom Han-
deln verschwunden oder entstellt ist, sind aus Deutsch-
land oder Finland. Der letzte Puakt des Gesprachs, worin
von den Prugeln die Rede ist, worauf der Schwerhorige
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antwortet: dies sei ihm auch anderswo angeboten, hat nur
in einigen deutschen und estnischen Varianten ihre gewll-hn-liche Form verloren, Bisweilen ist in Deutschland und
Estland auch der Anfang des Gesprachs entstellt, mitunter
ebenfalls in Finland und einmal in Danemark. Am deut-
Iichsten zeigt sich die Entstellung del' Geschichte in den
erwahnten Gegenden an der darin erscheinenden Neigung,
sich durch neue Gesprachteile zu erweitern. Die nahere Ver-
wandtschaft der deutschen und estnischen Varianten tritt in
der zur Frage "Bist du toll?" gehorenden Anlwort"Es ist
kein Bull" zu Tage, welche nicht in anderen Landern anzu-
treffen ist, ebenso wie in der Art der zu verkaufenden
Fische : Heriug (FE 4, GG J[t 22, 23, 25, 38).
In Bezug auf den Zustand der Uberlieferung in den ver-
schiedenen Landern scheint auch die vorliegende Geschichte
ihrem Ursprung nach skandinavisch zu sein. Einige Urn -
stAnde jedoch macben diese Annahme unsicher, Erstens
ist zu bemerken, dass die Geschichte, so vie] man aus dem
zu Verfugung stehenden Material schliessen kann, in denskandinavischen Landern nicht ebenso allgemein zu Hause
ist wie "Guten Tag! U - "Einen Axtstiel "• Schwedische
Aufzeichnungen gibt es nur lwei und norwegische nber-
haupt .gar keine.1 Der Mangel an norwegischen Varianten
kann [edoch auch darauf beruhen, dass man in Norwegen
vorlaufig Gberhaupt nicht viele Ml.rchen veroffentlicht hat.
Zweitens ist die Geschichte aus Deutschland naeh den
Ostseeprovinzen gewandert, was mit "Gulen Tag!" -"Einen Axtstiel" nicht der Fall war. Und drittens hat man
in Frankreich einige Aufzeichnungen angetroffen , die viel-
I Eine Verrnlschung von dieser und der Geschichte qGuten
Tag!" - ~jEinen Axtstiel" ist die norwegische GN 4. Darin ant-"
wortet die schwerhorige Frau auf den Gruss des Reisenden
"Gut'en Tag!" "lch webe ZeU!g",auf die Frage:"Wie weit ist es
his zum Gasthaus '? " "Ach.t Schilling fOr eine Elle", und auf die
Worte ; "Kus:,t" mich - - _~u ,..la, das ist der alte Preis."
O ri gi na l f rom
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5/13/2018 Aarne, Antti: Schwänke über schwerhörige Menschen. Eine vergleichende Untersuchung. - slidepdf.com
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FFC~ Schwanke fiber schwerhorige Menschen.
leicht in Zusammenhang mit dieser Geschichte zu stellen
sind,xu . Ich f(ihrc hier die in Sarthe gemachte Aufzeich-
nung RF 2 an:
"Guter Mann!
He IT', es sind Apfel.
Zeige mir den Weg nach Touraine!
Herr, ich habe deren 5 Dutzend.
Gurer Mann, ich glaube, Du bist verrOckt.
Hen, ich verkaufe sie fnr 5 Sous.
Guter Mann, wenn icb zu dir komme, werde ich
dir Schlage geben.
- Herr, wenn ich sie nicht alle verkaufe, bringe ich
sje zurack. U
Man kann nieht leugnen, dass diese Aufzeichnung viel
Ahnlichkeit mit clef eben. behandelten Geschichte hat. Die
Obereinstimmung beschrankt sich nichtailein darauf, dass
beide einen Handel darstellen, und dass der Schwerhorige
die ganze Zeit von seiner Ware spricht, sondern sie ist
auchaneinigen Eiuzelheiten deutlich nachzuweisen: beide
beginnen mit einer Anrede, worauf der Schwerhorige als
Antwort seine ZlI verkaufende Ware nennt, in beiden
erwAhnt er den Preis derselben und in beiden endigt das
GesprAch von Seite des Kaufers mit der Androhung von
Prngeln. Desgleichen kommen die Erkundigung des Kau-
fers nach .dern Weg und der Ausrul "Du bist verruckt!"
hier vor.Dieselbe Geschichte ist auch in Westfrankreich bekannt
(RF 8):
"Guten Tag!
Herr, ich pflucke hier Apfel.
Wo geht der Weg nach Nantes?
Herr, ich will sie verkaufen.
Wenn ich von der anderen Sei.te komme, werde ich
Euch hauen.
Cough:O ri gi na l f rom
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68 ANTII AARNE. FFC 20'
Herr, wenn ich sie nicht verkaufe, bringe ich sie
zurnck."Sie unterscheidet sich also von der vorstehenden
Variante aus Sarthe lediglich dadurch, class der dritte Teil
des Gespraehs JlDu bist verrnekt" und die Angabe des
Preises fehlen. Der am meisten in die Augen fallcnde
Unterschied zwischen den Iranzosischen Aufzeichnungen
und der nordeuropaischen Geschichte besteht darin, dass
in den Iranzosischen die letzte Antwort des Schwerhorigen
fehlt: "nas ist mir auch schon anderswo angeboten, aberich
habe sie dafur nicht ablassen wollen",
Mit den vorhergehenden verwandt ist wohl die nord-
Iranzosische RF 3:
"Herr, \\'0 geht del' Weg nach Paris?
Hier sind Limmer.
Danach frageich Euch niche.
Herr, ich will sie verkaufen.
Ich glaube, Ihr seid verruekt,
Ich verkaufe sie far 50 Sous. u
Stehen nun diese Aufzeichnungen auf irgendeine\Veise
mit der vorhergehenden Geschichte in Verbindung ode .. sind
sie selbsta.ndig gebildel worden? Die Obereinstimmungen
sind ohne Zweifel so al1gemeiner Art, dass letztere Annahme
moglich ist. Das Audrohen von Prugeln trafen wir in der
Geschichte von dem Manne, der junge VOgel aus dem Baurne
ausnimmt (VUI),. Wennein Zusammenhang existiert hat,
so ist der Einfluss entweder aus Norddeutschland nachFrankreich gekommen, oder es gab i n . Mitteleuropa irgend-
eine altere einen Handel darstellende Ersahlung, deren
Version die nordeuropaische Gesehichte ware. Die Worte
"Das ist mir auch schon anderswo angehoten worden, aber
ich habe sie dafur nicht ablasseuwollen" waren in diesern
Faile spater hinzuerfunden, Ich will nur noch darauf auf-
merksarn machen, dass die altere mitteleuropaische Schwank-
literatur, so del ich "'('ISS" keine solche Geschichte kennt.
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FFC 30 Schwanke fiber schwerhorlge Menschen. 6g- ~ ~-- ~.---, --~~- ----~~--~--~-~ --~-
X I I I . In Frankreich kennt man auch noch andere
Geschichten, dievon Kaufen handeln, Eine solche, in
welcher die Kauferin nach dem Mann und den Kindem
clef schwerhorigen Frau fragt und als Antwort Bescheid
fiber die verkaufliche Ware (Eier) erhalt, ist dreimal (RF 5,
7, 110) aufgezeichnet 'Worden. In RF 5 und 7 encligt das
Gesprach von seiten der Kauferin mit dem Ausrufe "Sie
sind verruckt", In RF 10, steht dies sehon als dritter Teil
und als vierter stehen die Worte: "Ich spreche von einer
Sache und Ihr von einer anderen". Die Antwort der
Schwerhorigen ist in jeder Variante verschieden,
XIV. Die schweizerischen Aufzeichnungen bilden ihre
eigene Version, [edoch ist auch in ihnen mitunter die Rede
von Handel. Ich lasse sie hier durch die aus dem Kanton
Bern erhaltene GG 50 reprasentieren:
",Froueli, \\'0 chunsch de hAr?
Vo Wimmis (Zan) ebe-n-abe.
Was hesch feB?
Schoni ParadysOpfeli.Wi mlngs git's ffir De Batze?
Vieri oder fOfi .
Nid sachs oder sibni?
Neil my Ma watt's nid tue.
Heit er o-n-e Hushaltig ?
ja, es Chueli und es Geissli,
Ga si vi] Milch?
Mir chome nid vo Meichilche.
I gloube, das Froueli gh~rt nid wohl.
Wowohl, e ganze Chnbel \ '011. a
Sehr Ahn1ich sind GG 48, 49, 51 und 52.
In der Geschichte springt sofort in die Augen, dass
die Antworten der Frau meistens in Ubereinstimrnung
mit den Fragen sind und die Ge:fragte nieht schwerhorig
darstellen, Die Schwerhorigkeit macht sich erst am Ende
des Gesprachs geltend, als das Gespraeh auf die Geiss
•
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7° . _ FFC 20'
ubergeht. Aueh noeb ein anderer Unterschied ist zwischen
Anfang und Schluss zu bemerken. Die letzten Fragen und
Antworten reirnen, was "im Anfang del" Geschichte, wenig-
stens nicht deutHch, der Fan ist. Diese Umstande lassen
den Zweifel in uns aufkommen, ob die TeiJe des Gesprachs
ursprOnglich iiberbaupt zusammengehort haben, oder ob es
nieht eher aus verschiedenartigen Elementen zusammen-
gesetzt worden ist, In dieser Auffassung bestArkt uns der
Umstand, class der Schluss des Gesprachs d. h. eben gerade
der Teil, der von der Schwerhorigen handelt, auch selbstlndig
vorkomrnt, So lautet die baseler Aufzeichnung GG 47:
"Zireli, Zireli! Wie tyr die Gaiss?
He [o, si isch faiss.
Wie vyl Milch git si?
Fir sibe GuIde.
I glaub, de hersch nit wohl?
Jo, e ganze Kibei VOH.1f
Desgleichen heisst es in GG 53:
"Woher die Geiss?Sc hneeweiss. .
Git si viI Milch?
Vo Niichi1ch (Neunkirch),
I mein, ir g'hored au nit wol!
lm Tag zwee Chnbel voll!"
Da der Anfang der Geschichte also ausserhalb des
Gebietes unserer Untersuchung niUt , so wollen wir nur
das Gesprach von der Geiss naher betrachteu, Die Geiss
kommt injeder Variante vor, Eine spAtere Umformung ist
der neben del' Geiss erschienene Bock (GG 51, 52) und
die Kuh (GG 50), ebenso wie die von dem Reime verur-
sachten ,,7.w:ti Rinder" {GG 49, als Reim zu den Wortern
"Au Chinder"], Das Gesprach besteht aus drei Teilen.
Eine Ausnahme bildet nur GG 52, in welcher der mittlere
Teil Iortgelasscn ist, Der zweite und dritte Teil haben eine
Ieststehende Form. In dem zweiten fragt der Mann "Gibt
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die Geiss vieIMi1ch?" und bekommt zur Antwort die
Angabe von dem Heimatorte der scbwerhOrigen Frau, Mit
dem Worte ,;Milch " reimt der Name des Heimatorts, der
wechselt, doch immer mit "chilch" endigt (Chilche =Kirche:
Oberchilch: GG 49. 5 I, Altkirch: GG 48. Meichilche: GG 50,
NOchiIch: GG 53). Anders verhalt es sich mit GG 47, in
welcher die Sehwerhorige auf die Frage uber den Preis der
Geiss Bescheid gibt. Dass diese Form spater entstanden
list, bemerkt man an dem misslungenen Reim. In dem
letzten Teile des Gesprachs sind die Abweichungen der Form
nur unbedeutend: cler Hauptinhalt der Frage ist uberall
derselbe : "Ich glaube, die Frau hort nicht wohl!" und
ebenso die Antwort: )JWohl, wahl, den ganzen KObel voll" ..
Der Anfang des Gesprachs erscheint mehr entstellt. Es
wird einem nicht klar, ob in der Urform der Geschichte von
dem Verkaufen der Geiss die Rede gewesen iist wie in GG 47
oder ob sie auf irgendeine andere Weise angefangen hat.
Ich meinerseits bin der Meinung, dass es sich auch in die-
ser ursprunglich U11 l einen Kauf gehandelt hat. Ieb bemerkenur, class im Anfang der zuerst aufgezahlten Iingeren Auf-
zeichnungen die Rede Yom Verkauf der Apfel oder einmal
·,.GG 52) "Monetsroseli" ist, und class der nbrige Inhalt der
Geschichte mit dieser Auffassung gut irn Zusammenhang
steht, Der feiIschende Mann will u. a. wissen, wieviel Milch
das Tier gibt.
XV . Bevor wir die vom Feilschen handelnden Geschich-
ten bei Seite legen, erwahne ich noeh einige an ganz ver-
schiedenen Orten vorkommende Beispiele, G. jacoh's ins
Deutsche nbersetzte t)Vortrage turkischer MeddAh's" ent-
halten u. a. folgende Erza.hlung.1
Der Luledschi (Pfeifenkopfverfertiger) Ahmed musste aus
seinem Laden ausziehen und il l den geraumten Laden zog
em harthoriger Seifenverkaufer ein, Irgend ein Diener
I Tnrkische Bibliothek, herausgegeben von Georg Jacob I
19041 s. ror.
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72 ANIT[ AARNE. FFC:ao
kommt einmal in den Laden und da er sieht, (lass das
Gewerbe sich verlodert hat, fragt er, wo Laledschi Ahmed
ist. Der Kaufmann glaubt, er win Seife kaufen und zeigt
ver:schiedene Sorten. "Nein, ich frage nach Ahmed", sagt
der Mann. Der Verkaufer zeigt wieder mit dem Finger auf
Seifen und sagt: ,,30 Para, 50 Para". "Bevor du in diesen
Laden kamst, war hier ein andrer Mann", erklart der Diener.
"ja, das ist's ja wonach ich Irage," "Aha~ jetzt verstehe
ich. 1ch kann keinen Para ablassen, magst du kaufen oder
nieht. ,. "Aber d I U verstehst [a nicht, was man sagt, he!"
"Ich soli, was man sagt, nieht verstehen, he!" Das Gesprach
endet so, class del' Diener sagt "Danke!" und seines Weges
gebt. Die Fortsetzung der Gesehichte hat keine Bedeutung
fur uns und kann fortgelassen werden.
Eine andere Geschichte stammt noch von weiter her,
namlich aus Indien. 'Vir haben sie schon fruher besprochen,
als die Rede von solchen Geschiehten war, in denen rneh-
rere SehwerhOrige (11)vorkommen, weshalb ich hier nur kurz
auf sie hinweise. Ich meine die Aufzeichnung Ind. 2. DerSchwerhorige glaubt, class zwei nach dem Wege sich erkun-
digende Manner seinen Ochsen kaufen wollen und versichert
ihn auf keinen Fall zu verkaulen, wenn sie ihm. auch noch--
mal so viel bezahlen wollten, als sie ihm seiner Mdnung
nach anbieten.
Diese Geschichte unterscheidet sich von den anderen
ihrer Art dadurch, dass in ihr nieht von einem wirklichen,
sondern von einern vermeintlichen Handel die Rede 1St .
XVI. In der folgenden Geschichte sind die auftreten-
den -Personen ein Herr und eine einen Sack waschende
Frau. Die Frau glaubt, de r Mann frage nach ihrem Sack
und gibt dem entsprechende Antworten, Die Anzahl der
mir bekannten Varianten belauft sich auf nul' 6, jedoch
• sind sie an sehr verschiedenen Orten aufgezeichnet : In
Finland,Estland, Preussen und Schweiz (FE 2, Fj 13, Fx 16,
GG 31, 37 , -J .6).
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FFC~ Schwanke fiber schwerhorige Menschen. 73
Das Gesprach fa.ngt mit einem Grusse an, wie auch
sonst oft geschieht, Ein Herr .kommt zu einer taubenWlscherin und grnsst, die Antwort erhaltend ~ .,Ieh wasche
einen Sack" I also Angabe der Arbeit, wie i l l ! einigen ande-
ren Geschichten. In dieser Hinsicht abweichend ist nur die
finnische Aufzeichnung Fx 16, in welcher die Frau angibt,
wievie1 in den Sack hinein gebt. Diese Antwort stammt
aus dem zweiten Teile des Gespraehs, in dem sie regelmas-
sig steht. Die drum gehorende Frage ist verschiedenartiger
Art: in den deutschen Aufzeichnungen eine Erkundigung
nach der Zeit, in der estnischen und in einer finnischen
(Fj 13) die Frage nach dem verlaufenen Pferde. Variierend
i.st auch das Ende des Gesprachs, Bisweilen treffen wir
darin den bekannten Ausruf "Du bist ein Narr" oder andere
beleidigende Worte, fur welche die Schwerhorige Ireundlich
dankt usw, Ebenso wie "Du bist ein Narr" kann aueh die
Frage "Wo geht der \Veg hin '!" (Fx 16, GG 37) aus ande-
ren Geschichten herObergenommen worden sein.
Die Feststellung der Urform, der Heimat und der Ver-breitung der Geschichte wird durch den geringen Umfang
des Materials erschwert. Da die Geschichte in Skandina-
vien nieht bekannt ist, erregt ihr Vorkommen in Finland
und in Deutschland besonderes Interesse. Durchgangsge-
biet sind hier die Ostseeprovinzen gewesen. Estland und
Finland haben sicher Beriihrung mit einander gehabt, das
beweist das Suchen nach dern Pferd in FE :< I und Fj 13.
Was wiederum Deutschland und Estland anbelangt, so hatman oft, auch schon in den oben behandelten Geschichten,
eine nahere Verbindung zwischen ihnen bemerkt. So stammt
auch die Ostlichste deutsche Aufzeichnung (GG 31) aus
Preussens ostlichster Ecke. Wahrscheinlich ist dieses Ge-
sprach irgendwo im SOden entstanden und durch die Ostsee-
provinzen nach Finland hinnbergehracht worden ..
XVII . Vie) mehr lokalisiert ist der Schwank, in wel-
chem ein Schwerhoriger von den, sich seinem Hause nahern-
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74 ANTII AARNE. FFC :a o
den Soldaten spricht und sein Gesprachsgenosse vom Monde
und VOIl den Sternen. Er beschrankt sich auf Mecklenbutg.Die Aufzeichnungen (GG 10-1820, 21)sind aUe aus der
Handschriftsarmnlung des ProfessorR. Wossidlo,
Die meisten der Varianten dieser Geschichte sind
Bruchstncke, nul' einen TeH des Dialogs enthaltend. Zu
der Urfonn haben auch bier offenbar drei Fragen und
Antworten geh6rt. Der Urheber des Gesprachs lenkt die
A ufm erksam keit au f d ie K larheit d es Himmels, und der
Schwerhorige antworter: ,,\Vas sagst du, sind die Kerle da?"
(GG 10, I I, I3, 16). Als Reime - die Fragen und Antwor-
ten reimen regclmassig - sind meistens die Worter "kloor"
(klar) und "dar" (da) gebraucht. In GG 16 steht diesel" Teil
des Gesprachs [edoch an letzter Stelle, und im Anfang ist
eine zufallige Bildung ,,\Vat is dat kolt?" - "Se sand in't
holt" In dem zweiten Teile des Gesprachs treffen wir zwei
neben einander laufende Fassungen: "Der Mond hat einen
grossen Hof", - "Sind sie aile auf dem Hal?" {GG 10., 13,
20 (?), 21 (t)) und "Ach, sieh einmal an", - "Sie sindachtzehn Mann" {GG I I, 13, q., ]6, 17 (7)).. Wie wir aus
den Variantenverzeichnissen ersehen, haben die beiden
Fassungen in GG 13 Platz gefunden, und das Gesprach ist
dadurch vierteilig geworden, Variierend ist auch das Ende
der Geschichte in verschiedenen Varianten, Mebrmals
erscheinende Formen sind: "Du bist ein alter Thor". -
"Sind sie aile VOl" dem Thor?" (GG 10-(2) und "Morgen
wird es Wind". - "Haben sic aile eine Flinte?" (GG J3,
IS). leh mache darauf aufmerksam, dass, wenn aus dem
zweiten Teile des Gesprachs hervorgeht, dass die Manner
auf dem Hof sind, es sich wahrscheinlich im dritten Teile
nieht meh r urn das Thor gchandelt hat, denn das ware ein
Beweis dafur, dass die M~nner sich vom Hause entfernt batten,
wahrend gemeint ist, dass sie sich dem Hause nahern.
I>it' Geschichte, die in Betreff ihrer Form ziemlich ver-
iinderlich erschcint, ist wahrscheinlich erst spat entstanden.
O r ig in a l f rom
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. .XVIII. Bei Betrachtung der franzosischen Erzahlung,
In welcher die Fragen der Kauferin den Mann und dieKinder der schwerhorigen Frau betreffen (XIII), bemerkten
wir in einer Aufzeichnung (RF 10) die Worte : "Ieh spreche
von einer Saehe und Ihr von einer anderen", Sie gehoren
eigentlieh zu einer anderen Geschiehte, die ausser in Frank-
reich (RF + , 61 9) auch noeh in Belgien bei den Wallonen
angetroffen worden ist (RF r s], Der schwerhorige Mann
ist darin wahrend des Gesprachs mit MAh~n beschAftigt.
Eine Aufzeichmmg (RF 4) lautet:
"Guten Tag, Claude!
ja, Herr, ieh mahe,
Warum mahst du?
Ieh verdiene dabei einen Taler.
Ach, zum Teufel, wenn man zu ihm in einem Sinn
spricht, antwortet er in einem anderen.
Gut! Wenn ich nieht fOr euch mahe, so rnahe ich
fO r einen anderen. tI
Die in Frankreich aufgeschriebenen Varianten sindeinander aile sehr ahnlich. In Bezug auf den ersten und
dritten Teil des Gesprachs ist in ihnen keine bedeutendere
Verschiedenheit zu bemerken, Der zweite Teil in RF 6
lautet: nEs geht gut" _. "ja, ich mahe gut."
Die wallonische Variante unterscheidet sich jedoch
bedeutend:
"Seid Ihr der MAher'! Es ist warm!
Ich weiss es sehr gut, class ich es zu hoeh schneide,Ihr versteht rnich nicht '
Ieh weiss sehr gut, classsie (die Sense) nieht schneidet,
Ihr sprechet von einer Sache und ich von emer
anderen.
Ja, man musste eine andere (Sense) kaufen.
,_ Zurn Teufel, Maher!
- Auf Wiedersehen, mein Freund !I.
Das M;a.hen und die Worte: "Ihr sprechet von. emer
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76---" ------ ~-~""--- ..---"NTTI AARNE. FFC 30
"--- _-Sache und ich yon einer anderen" zeigen, dass diese Auf-
zeichnung eine Variante der vorhergehenden Geschichte Ist,Der Dialog ist darin vierteilig geworden.
X I X . . In \J" lestfrankreich ist zweimal (RF I, I J) ein
Gesprach zwjschen einem Manne und einer schwerhorigen
Frau aufgezeichnet worden, das ich wegen der Art der
Worte des Mannes hier nur oberflachlich bernhren kann,
Der Mann wiederholt mehrere Male die von ihm zuerst
gesagten Worte um sie der Frau vcrstandlich zu machen,
und diese spricht immerfort von ihren verlorenen Scha-
fen, von denen sie rneint, der Herr babe sie gesehen. Ihre
Worte sind in beiden Varianten desselbeu Inhalts: "Ja.Herr, ich suche meine Schafe". - "Herr, Ihr s~gt, Ihr
habt sie gesehenjj• - "Ja, sie sind schwarz und weiss",
-- "Ich Hlrchte" sie sind ganz verloren." Das Gesprach
endigt wie gewohnlich damit, dass die horende Person in
Zorn gerat,
XX . Meine Kenntnis von folgendem danischen Sehwank
besehrankt sich ebenfalls auf zwei Varianten (GD J 7, 22).Ein Mann kehrt in einem Haus ein, urn Feuer (fyr_)
fur seine PfeHe zu suchen und bitter eine harthOrige Frau
darum.. Wir haben keinen Stier (tyr), antwortet die Frau,
aber in dem Pfarrhaus gibt es einen, Ich bat urn Feuer
(ild], wiederholt der Malln. Ja, das ist wohl sch1imm (in),
denn es ist weit von hier, und der \Veg ist schlecht, war
die Antwort, Bist du verruckt (gal)? Findest du, ,dass icb
sehon (dAJ) angezogen bin, du solltest mich in meiuemSonntagsgewand sehen ? Ad jO . Was, willst du mich kussen
(tjas), mein Mann wird bose, wenn er nach Hause zu-
ruckkommt.
Die Wiedergabe des Inhalts ist nach GD 1 7 gemacht,
GD 22 unterscheidet sich in einzelrien Punk ten do wenig
davon. ZUn1 Verstandnis des Gesprachs ist es notwendig die
zwischen den Klammem befindlichen danischen Worte zu
kennen. Hier namlich, wie in vjelen anderen von unseren
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FFC 20 Schwanke aber schwerhorige Menschen,
Geschichten, verwechseh die Schwerhorige ahnlich klingende
Worter mit einander und versieht sich dadurch in ihrenAntworteu.
XXI. Von den slavjschen Aufzeichnungen sind schon
einige behandelt worden, als von mehreren Schwerhorigen (I),
von zwei einander flir taub haltenden (Ill) unci von dem
auf dem Baume sitzenden Taubert (VIIl) die Rede war.
Sonst unterscheiden sich die slavischen Aufzeichoungen,
von denen elnige sehr lang sind, von den anderen, Minm-
ter werden in Ihnen Stellen angetroffen die einigermas-
sen A..hnlichkeit mit :anderswo vorkommenden Fassungen
haben, So spric~t man in der langen, weissrussischen
Aufzeichnung SR\V 2 von Prugeln, in SU T erkundigt man
sich nach dem Weibe und den Kindem des Schwerhorigen,
bisweilen wird der Taube ton genannt usw. Die Ahn1iclh~
keit ist jedoch so allgemeiner Art und die Aufzeichnungen
auch dem Inhalt nach im Obrigen so versehiedenartig, dass
sie deswegen nieht in Zusammenhang mit den westlicheren
Fassungen gestellt werden konnen. Die slavischen Auf-zeichnungen sind gewOhn1ich auch unter einander verschie-
den,einiger Punkte ungeachtet, an denen man merkt,
class manche Bildungen einigerrnassen verbreitet sind. Wahr-
scheinlich ist ursprunglich die Rede von ein und derselben
Geschichte, wenn ein Bauer in SRW I eine Grube grAbt und
in SU .J . in Lelun gPAb t und zu ihrn ein Herr kommt, ein
Gesprlch einleitend oder wenn der Herr in SRW 2 und
SU 2 dem Bauer befiehlt, aus dem Wege zu gehen, auf
dem sic beide wandern, obwohl der Inhalt des Gesprachs
aueh in diesen Fallen sonst nicht derselbe ist, Reichlicheres
Material' macht es hoffentlich zukiinftig mOglich zu bestim-
men, in welchem Masse dieselben Fassungen auf dem sla-
vischen Gebietc verhreitet sind. Das Gesprach fiihren hier
oft ein schwerhoriger Bauer und ein Herr (SR\\r r , 2,
SU2, 4, 6, 8) und Ort des Geschehnisses ist bisweile n
cine Kirche (SC 5, 7, 9)·
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,~--------- -----------
Von den volkstilmlichen Varianten' sind noch eine Menge
nicht der Betrachtung unterzogen (FE 5-7, Fe 3, 4. Fe 8.GD II, 14--16, [8, 19, GG 36,40, RR 2). Es sind alles
solche Geschichten, die nur einmal vorkom men. Einige
von ihnen sind moglicherweise etwas weiter bekannt ge-
worden, andere sind ganz zufallige Erfindungen. Lokal sind
sie unzweifelhalt aile. Dadurch class ein Teil von Ihnen
im Material wiedergegeben ist, hat der Leser Gelegenheit,
sich eine Auffassung von ihrer Art zu bilden. Besondere
Bedeutung haben einzelne FAile in del' Forschung nicht.
leh beschranke mich deshalb darauf, ausser den schon
bekannten, hier nur noch einige zu beruhren.
Die Geschichten schildern verschiedene Gelegenheiten,
Eiu Handel zwischen einem Schwerhorigen und einem Ho-
renden kommt auch in diesen eiinige Male (FE 6, 7) vor.
XXII . Eine danische Aufzeichnung (GD 11) erzahlt
von einer tauben Frau, die Milch aus der Stadt bringt und
auf dem Heimwege einem fremden Manne begegnet. Sie
meint, der Mann Irage, wo sie gewesen ist. Das Gesprach,das die Schwerhorige anfangt, entwickelt sieh in folgender
Weise:
"Guten Tag!
_" Guten Tag! Was habt Ihrin dem Kruge?
Per Ingemand."
Wie man in Gesebichten dieser -Art oft eine Lokalisie-
rung bemerkt, so wird auch bier sowohl der Name als auch
der Wohnort der Frau erwahnt, Vielleicht liegt der Ge-schiehte ein wirkliches Begebnis zu Grunde.
XXIII. Ich kann nicht umhin, ihrer Komik wegen, auch
noeh eine andere danische Anekdote anzuftlhren (GD 19).
Ein schwerhoriger Mann ist beirn Pfarrer, um die Geburt
eines Kindes anzumelden. An demselben Tage hatte ein
Schiff in der Nahe Schiffbruch gelitten, was natnrlich aHge-
meiner Gesprachsstoff war. Nachdern er seine Sache VOT-
gebracht hat, Iragt der Plarrer, wclchen Geschlechts das
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Kind sei. Der Mann meint, er fragt, wo das Schiff her
sei und antwortet: "Ich glaube, es ist ein Englander, dennes hat ein so rundes Hinterteil",
XXIV . In einigen Fallen stellt sich der Mann schwer-
hOng an, um einen Vorteil zu gewinnen. So verhalt es sich
in Fe 3, \\'0 er sich durch seine Schlauheit Essen verschafft.
Zu derselben Art ge,hOrt Fe 4, jedoch mit dem Unterschied,
dass der Mann darin wirklich schwerhorig ist. In del" d:l·
nisehen Variante GO 15 schafft sich die Frau durch ihre
Schwerhorigkeit eine Fuhre Ho1z. Zwischen del" tauben
Ane und Rugard's Besitzer, Kammerrat Sket, eutspinnt sich
das Iolgende Gesprach :
(Die Frau bittet urn eine Fuhre Holz.)
"Nein, nicht dieses Mal,
Vielen Dank, Herr Oberrat!
Ich sage "nein 14 •
Danke Euch! Ihr seid so gut gegen anne Leute.
Aber du bekommst nicht Holz,
Danke Euch! Jens Povlsen wird es wohl nach
Hause fahren.
- Zum Teufel mit dir!
- Danke dafur, ich will mich darein fllgen. Auf Wie-
dersehen ! ' j,
Auch hier werden sowohl die vorkommenden Personen
als der Ort des Begebnisses genau angegeben.
Und nun zuletzt noch folgende persische Geschichte,
die Iraher nicht erwahnt worden ist: 1
XXV . Ein tauber Perser Ist mit einem Mass Weizen
auf dem Wege nach Hause. Als er uber eioen Fluss gehen
will, nahert sich ibm ein Reiter. Der Mann stellt sich nun
vor, class der Reiter zuerst gri.issen und dann danach fra-
I Clouston, Vl. A .I A group of eastern romances and storie-s
1889, s.. 6 2 =Derselbe, Flowers from a persian Garden and other
papers 1890, S. 75.
•
O ri gi na l f rom
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. .
80
gen werde, wie tief der Flusssei undwieviel "mans'" \\'eizell
er mit sich habe. Aber seine Berechnungen schlagen nicht 'em. und das Gesprach n immt einen ganz anderen Verlauf':
,,\Vie tief ist del' FIUS8't
Friede mit dif. und Allah's Gnade und Segen! .
(Lachend) Sie mOgen dir den Bart abschneiden l
His zu jneinem Hals berauf.
Staub sei auf deinem Mund!
80 "mansll davon."
Das Charakteristische der dieser Untersuchung zu
Grunde liegenden Schwanke ist, dass die tauben Personen
in ihnen Antworten geben, die mit den gestellten Fragen
nicht jrbereinstimrnen und die durch ihre Verkehrtheit einen
kornischen Eindruck machen. Es ist angebracht zu bemer-
ken, class es auch andere ahnliche Geschichtchen gibt, in
denen die Verkehrtheit der Antworten nicht auf Schwer~horigkeit, sondern auf irgend einer anderen Ursache beruht.
Obgleich sie nicht in das Bereich dieser Untersuchung gehO-
Ten, so will ich doch einige Beispiele anfnhren. Das
Motiv grimdet sich bisweilen auf Unkenntnis del' Sprache,
So verhalt es sich in Nummer 1697 meines Verzeiehnisses
der MArcbentypen I (vg1. nr, 36o~. Drei MAnner verstehen
von der Sprache cines Iremden Landes nur drei Sitze:
,,\Vir drei", "Urns Geld" und "Das war recht", Sie werdeneines Mords bezichtigt, und auf die Frage ,,\Ver hat ihn
ausgeftihrt?" antwortet der erste "WiT drei" Iauf die Frage
"Warum7" antwortet der zweite "lhus Geld" und der dritte
setzt hinzu "nas war recht". ·In der spanischen Zeitschrift
El folklore Andaluz ~ wird folgende historische Anekdote
erzahlt: Der Kon. ig von Preusscn, Friedrich II, wunschte fnr
I FF' Communications Ill, S. 58. -- .~1882-83, S. 132.
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FFC ao Schwanke aber schwerhorige Menschen.- - - ~ - ." .~ - - - - -
sein Beer mOgHchsf grossgewachsene MAnner. Der KOnig
von Spanien Carlos III schickt ihm einen grossen spanischenSoldaten und diesen lehrt man drei deutsche Sitze. damit
er auf die Fragen des fremden Konigs antworten konne:
,,\¥ie lange bist du Soldat gewesen ? j " "Wie all bist du?"
und "Bist du mit der Kost und - - - (?) zufrieden ?" Die
Fragen werden jedoch anders gestellt, und der Inhalt des
Gesprlchs wird folgender:
"Wie alt bist du?
Zwei UDd einen halhen Monat.
Wie lange bist du Soldat gewesen?
Fanfundzwandg Jahre.
Lachen die Umstehenden nber mich oder dich?
M · be id ~_it beicen.
Einige Schlussbemerkungen.
Indem ich die spezielle .LJntersucbung der einzelnen
Geschichten hierrnit abschliesse, will ieh noch zwei Fragen
allgemeinener Art behandeln, zu denen meine Untersuchung
besonderen Anlass gibt. Die erste betrifft dasgegenseitige
Verhlltnis· der Geschichten, insbesondere in Bezug auf
ihren Ursprung, die zweite <las Verhaltnis der literarischen
und volkstOmlichen Fassungen zu einander, Obgleich diese
Umstande im Laure der Untersuchung schon berOhrt wurden,
so halte ich es dennoch flir notig, die Aufrnerksamkejt noeh-mals auf sle zu lenken.
Es ist eine bekannte Tatsache, class es in der MArchen~
forschu.ng eine Richtung gibt, welche behauptet, indent sie
sich auf die Glelchartigkeit der ursprunglicben Denkart und
der Phantasie bei a1Jen Volkern grnndet, dass einander
a.hnliche Marchen selbstandig in verschiedenen Landeru ent-
standen sind. Das Vorkommen mit einander Gbereinstim-
mender Ma.rchell bei verschiedenen Volkern wAr!? also dem-
6
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82 ANlTl AARNE. FFC 30
zulolge durch mehrrualiges Entstehen der Ma.rchen zu erkla-
ren und nicht durch gegenseitige Beeinf1ussung oder Ent-lehnung.
Obwohl diese Auffassung durchaus unrichtig ist, wenn
man sie so weit ausstreekt dass man die \Vanderung der
MI.-chen ableugnet oder jedenfalls nur auf das kleinsnnog-
liche Mass beschrankt, 50 muss man ihr doch in einzelnen
Fallen, unter gewissen Bedingungen, eine gewisse Bedeu-
tung zuerkennen. Beim Lesen von Schwanken uber Schwer-
horige entstand bei mil" der Gedanke, dass sie einen solchen
Fall darstellten, Und meine lJntersuchung hat diese Annahme
als richt.ig erwiesen, Die A h n lie h k e ien de r \' e r-
s chi e den e 11 G esc hie h ten sin doh II e Zw e ie I z U III
T e i s e I b s t s tan di g e n t s tan den.
Zuerst mussen wir uns klar machen, was man in diesem
Fane unter Bedingungen versteht, Im Anfange der Unter-
suchung ist schon daraul hingewiesen, wie es fur schwer-
horige Menschen charakteristisch ist, sich so anzustellen, als
ob sie- die an sie gestellten Fragen begreifen, auch wenn
diese in Wirklichkeit. unverstanden bleiben. Die Geschichten
~ber Schwerhorige haben also einen wirklichen Boden und
konnen sich mitunter auf wirkliche Begebenheiten granden.
Ihre Entstehung ist eine 50 naturliche Sache, <lass sie aber-
all gebildet werden konnen, und Geschichten diesel' Art
haben gewiss ebenso lange existiert, als es schwerhorige
Menschen gegeben hat. Einige von Ihnen sind vereinzelte
FaUe gebJieben,. andere sind allgemeiner hekannt geworden,haben ihre Zeit gelebt und sind in Vergessenheitgeraten,
anderen ahnlichen Geschichten Platz machend. Aber ebenso
wie die wirklichen Hegebenheiten, so bilden sich aueh die
Geschichten ihrer Haupthandlung nach in abereinsdmmen-
der Weise. Ist die Rede von mehreren SchwerhOrigen, so
versteht ein jeder <len Andern falsch, und das Ende ist ein
Streit. Handelt es sich dagegen urn das Gesprlch eines
Sch\\"~rhOrigen mit· einem HOrenden, so erznmen die ver-
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FFC 20 Schw!\n.ke fiber schwe~h()rige Menschen .. _
kehrten Antwort.en des ersteren den letzteren, und dieser
stl)sst. zornig Drohungen oder beleidigende \\'ortealls. Mitun-ter kann das Gesprach zu Ende seln, noch ehe der Zorn des
Horenden ausbricht. Dieses kommt daher, dass die Haupt-
aufrnerksamkeit auf die Antworten des Schwerhorigen ge~
richtet ist: wodurch die Teilnahme des anderen Sprechen-
den an dem Gesprach Nebensache bleibt, und sein Zorn
wird vergessen oder wenigstens nicht besonders erwahnt,
So verhalt es sich in del' Geschichte VOID tauben Caspar,
der auf der Brucke einen Haspel macht (V), desglei-chen in der schweizer Geschiehte von dern Weibe und
ihrer Geiss (XIV) und in den am Schlusse unserer Unter-
suchung angefOhrten danischen Geschichten Von del' Milch
bringenden Frau (XXII) und von dem Manne, -der dem
Pfarrer die Geburt seines Kindes anzeigt (XXIII,. \Vie wir
uns erinnern, kennt man von den beiden letzterwahnten
nur eine Variante.
Die Ahnlich.keit in den von einander unabhangigen
Geschichten braucht sich jedoch nieht auf die Haupthand-
lung zu beschranken. Das Begebnis ist in jedem Faile an
eine bestimmte Gelegenheit gebunden, die den Rahmen zur
!-:nlhlung liefert, Dieselbe Gelegenheit kann in' verschie-
denen Geschichten selbstandig vorkommen. So verhalt es
sich z. B. beim Handel zwischen zwei Schwerhorigen oder
zwischen dem schwerhorigen Verkaufer und dem horenden
Kaufer, Die ihre Henne verkaufende Frau in der in 1001
Nacht befindlichen Variante de r von lI11S zuerst untersuch-ten Geschichte (I) nod del" in der indischen Gesehichte von
der schwerhorigen Familie (Il) vorkommende Mann, der
meint, die vorbeigehenden Reisenden wollten seinen Ochsen
kaufen, sind von einander unabhangig, Ebenso verhalt es
sich wahl zum Teil mit den europaischen, einen Kauf dar-
stellenden Geschichten (XI-- XIV und XXI: FE 6,. 7)~ unci
mit diesen kann man keineswegs das in den "Vortrlgt"n
tOrki')chf"r Mt"ddah'~u vorkornmende Gel'lprfirh zwischen dem
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FFC 20
tauben Seifenverkaufer und dem in seinen Laden hineintre-
tenden Diener in Verbindung stollen (XV). Die turkischeGeschiehte unterseheidet sich schon ihrem Inhalt nach be-
deutend von den erwahnten europaischen, Auch ist es nicht
unmoglich, class Geschichten vom Streite zwischen Schwer-
hOdgen vor einem tauben Richter selbstandig gebildet WOf-
den sind. Da die erstgenannten im Laufe ihres Gesprachs
in Streit mit einandcr geraten sind, so ist es nur naturlich,
dass sie sich behuls Sch1icbtung desselben an einen Richter
wenden, der nach Art der Geschichte auch als schwer-
hOrig geschildert wird. Die in Asien und Europa bekannte
Gesehichte von schwerhorigen Streitenden und dem schwer-
horigen Richter (1) hraucht betreffs ihres L'rsprungs nieht
notwendig im Zusammenhang mit gleichal·tigen europaischen
Geschichten zu stehen (I), Naturlich ist, class der gemein-
same Rahmen die Ahnlichkeit zwischen den Geschichten
steigert, 'Venn mall z. B. einen Handel schildert, so stellt
man den schwerhorigen Verkluferan verschiedenen Orten
gewiss so dar, dass er yon seinen Waren spricht, sie lobt,ihren Preis bestimmt usw.
Aber die aus dem gemeinsamen Rahmen sich herlei-
teude Ubereinstimmung ist auch von allgemeiner Art. In
den selbstandig enu..tandenen Geschichten konnen bisweilen
auch einzelne eng-ere Ztige sehr viel m it einander gemein
haoeu, von gleichem Inhalt sein. lusere Untersuchung
bietet mehrere solche Beispiele dar.
(~f'hell wir v: B. zu dem Anfang des Gesprachs in
den versrhiedeneu Geschichten zuruck, Viele von ihnen
fang-en mit einern Grusse an: der Junker UDd der Mann,
der von Bingen kommt (lVI, der auf der Brucke arbei-
u-ncle Caspar (V), nGuten Tag !" _. "Einen Axtstiel" (X),
der Fischhandler, del' sagt, man habe ihrn denselben Preis
(Prugel) schon anderswo angeboten tX1), die Iranzosisehe
l;eschichte von dem MAher. (XVIII), die einen Sack
waschende Frau und der Herr (XVI), die Milch br.ingende
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FFCoo Schwanke uber schv..erhorige Men5'lchen. 85
Frau (XXII) und die persisehe Geschichte vom Manne und
dem Reiter am Fluss {XXV). Ebenso in einigen slavischen
Aufzeiehnungen (SR, Sf{ \V I, SLJ 1, 3) und in del" fin-
nischen Fe - 1 - . Den Gruss a.ussert beinah immer der das
GesprAch einleitende, horeude Mann. In der persischen
Geschichte ist 'lias Verhaltnis umgekehrt, der Gruss ist bier
ejne Folge der Ialschen Vorstellung des Tauben. Als der
Reiter zuerst die Frage stellt n \Vie tie! ist lief Fluss'!II, ant-
wortet dcr Schwerhorige mit einem Grusse. \V en n zwei
Personen einander trelfen, so ist lias Grtissen eine so natur-
liche Sache, dass nicmand die MOglichkeit ableugm-n kann,
die verschiedenen Geschichten k6nnten unabhangig von
einander auf ein und dieselbe \Veise angefangen haben und
die Ahnlichkeit in diesem Punkte konnte ganz zufa.llig sein.
Ebenso verhalt es sich mit dem Ausruf IiDu bist ver-
rOckt.lI• dem wir auch in zahlreichen Geschichten, entweder
als ursprnnglichem Teil, oder als spaterem Zusatz begegnet
sind: in der Geschichte von dem Schwerhorigen, der junge
Vogel aus dem Baume ausnimmt (VIII), "Guten Tag!" ._-.~ "Ehlen Axtstiel" (X), von dem Fischhandler, der sagt,
man habe ibm denselben Preis schon anderswo angeboten
(XI). vom Apfelhandler (XU), in del" franzosischen Geschichtc,
\0,"0 die Kauferin sich nach dem Manne und den Kindem
der tau ben Frau erkundigt (XIII)., in del' Geschichte von
del' einen Sack waschenden Frau (XVI), "Was sagst du,
sind die Kerle da ?" (XVII) lind in der danischen Geschichte
von dem Manne, der Feuer flir seine Pfeife begehrt (XX}.
"Du bist verrackt" wird mitunter auch in den slavischen
Aufzeirhnungen angetroffen (XXI). Nichts ist naturlicher,
als dass die Antworten des Schwerhorigen dern Frager
unvernunftig erscheinen und ihn dazu veranlassen, den
anderen fUr verruckt zu halten.
Ein ahn licher Zug ist die Drohung mit Pruuelu. die
ausser in del' Geschichte "denselben Preis hat man mir
schon andcrswo angcboten" tXI), aueh in der [ranzosischen
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86 ANTIl AARN"E. FFC20
Geschichte vom Apfelhandler (XII), in einigen Aufzeieh-
nuogen der Geschichte von clem Schwerhorigen, der JUDge
Vr.gel aus dem Neste ausnimmt (VIII) und in der russischen
Varian.te SRV\r 2 vorkommt, 'Venn ein Mensch auf einen
anderen bose wird, mochte er seinen Zorn gern an diesem
auslassen.
In die hier zusammengefasste Gruppe ist auch noch
die Erkundigung nach dern \Vege zu reehnen, Aueh diese
steht in einigen Geschichten, mitunter nur in einzelnen
Aufzeichnungen von ihnen: in der Geschichte vom Schwer-
hOrigen, der [unge Vogel aus dem Neste ausnimmt (VIII).,
",Guten Tag!" ~... "Einen Axtstiel" (X);. vorn Fischhandler,
der sagt, denselben Preis babe man ihm auch schon an-
derswo angeboten (XI), in del' Geschichte von dem Apfel-
handler (XII) und von del" einen Sack waschenden Frau
(XVI). Da der Harthorige an einer bestimmten Stelle seine
Arbeit ausfilhrt and ein anderer zu ihm tritt und ein Ge-
sprach mit ihm anknupft, so ist es nicht unmoglich, dass zum
Inhalt des Gesprachs an verschiedenen Orten die Erkundi-gung nach demW ege gemacht wurde, Del" Hinzugekorn-
mene ist ein Reisender, del' den Weg nicht kennt, Dass
dies wirklich n1l5glich ist, beweist uns am besten die indische
Geschichte von der tauben Familie (II), die auf keine Weise
in Zusammenhang mit den europaischen Geschichten gestellt
werden kann. Wie wir uns erinnern, kommen in derselben
zwei Reisende zu dem Pfluger und erkundigen sich naeh
dem Wege nach Rimnagar.
Und von Ahnlichkeiten dieser Art sei noch die zwei- oder
mehrmalige Wiederholung ein und derselben Frage erwahnt.
\Venn der Fragende merkt, dass er das erste Mal nicht
verstanden worden ist, so wiederholt er seine Frage. In der
Geschichte vom schwerborigen Caspar (V) wird der Gruss
dreimal wiederholt, <las letzte Mal mit erhobener Stimme
und an den Fischhandler, der sagt, dass ihm derselbe Preis
schon anderswo angeboten wurde (XI), wird cr bisweilen
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zweimal gerichtet. In den Geschichten von der tauben Fa-
milie (II), und vom Schwerhorigen, der [unge Vr.gel aus
dem Neste ausnimrnt (VIII) wird die Erkundigung nachdem Wege wiederholt, UDd in der Iranzosischen Geschichte
von der ihre Schafe suchenden Frau (XIX) wiederholt der
Mann mehrmals seine Worte, In der danischen Geschichte
von dem Manne, del' Feuer fUr seine Pfeife begehrt (XX),
wiederholt sich die Bitte um Feuer. Auch in den nur einmal
aufgezeichneten Geschichten kommt die Wiederholung der-
selben Frage zuweilen vor, In FE 5 sino die Worte wie-
derholt "Das Pflugen ist schlecht", in FE 6 "Wie viel be-zahltest du Itlr das Pferd?", in FE 7 "Kamst du von Hause ? U _ ,
in Fe 3 "Bist du hungrig ?" in Fe 4 "Wo ist der AIle her?"
und in SR nBis t du taub 1"
Eine Angabe del' Beschaftigungsart finden wir in der
Geschichte vom schwerhorigen Caspar (V,,,Ich mache einen
Haspel") und von deru Schwerhorigen, der junge Vogel
aus dem Neste ausnimmt (VIII, "Ich nehme die V6gel aus"),
in ~Guten Tag!" - 7,i<:inen Axtstiel" (X, "Einen Axtstiel"),
in der Geschichte von der einen Sack waschenden Frau
(XVI" "Ich wasche einen Sack"), von. dem MAher (XVIII,
"Ja, Herr, ich mahe"), und in einigen slavischen Aufzeich-
nungen (SR'V 1 und SU 4: Der Bauer grAbt e~ne Grube
oder Lehm.).
In einigen Fallen muss die Ahnlichkeit als ganz zufillig
betrachtet werden. Dass der Man n sich in "Gulen Tag l"
- "Einen Axtstiel" (X) nach del' Frau und der Tochter
des Harthorigen und "in einet+ Iranzosisehen, einen Kaufbehandelnden Geschichte (XIII) (die Frau) nach dem Manne
und den Kindem del' tauben Frau erkundigt, hat kaum etwas
mit einander zu schaffen. Eine zufallige Ahnlichkeit findet
man auch zwischen dem zu tier Geschichte "Guten Tag!" -'
"Einen Axtstiel" (X) gehorenden "His zum Knoten", das
in einer danischen Aufzeichnung (GO 6) mit den Worten
"Man sollte dir den Kopf abschneiden 10 angekunpft wird lind
•
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88 AN1'Tl AARNE. FFC~
dern in cler persischen Geschichte (XXV) vorkommenden
,,5ie mogen dir den Bart abschneiden!" ~ "Bis zu meinem
Hals herauf".Ich habe mich bemuht zu zeigen, wie weit die Ober-
einstinunung in den hier behandelten Geschichten sich
erstrecken kann ohue class man deshalb anzunehmen braucht,
dass sie Einfluss auf einander ausgenbt haben. Dass ich
damit jedochkeineswegs habe sagen wollen, aile Geschichten
seien einander Irernd und die iibereinstinuuenden Stellen
in [edem Faile selbstandig entstanden, ist natiirlich. Die
Geschichten haben uuzweilelhaft auch gegenseitigen Einflussauf einander gehabt,
Der gegenseitige Einfluss ruacht sich vor aHem in den aus
denselben Gegenden stammenden Geschichten geltend, und
er kannvon verschiedener Art sein, Erstens lockt das Vor-
handensein einer Ceschichte leicht eine andere hervor. Die
Komik del" Geschichten reizt einen spassliebenden Eraahler
andere ahnliche Geschichten zu verfassen, Auf diese Weise
sind gewiss viele von den Geschichten entstanden, die nur
einmal angetroffen und aufgezeichnet sind. Zweitens haben
die schon vorhandenen Geschichten Einfluss auf die Form
emer neuen, Ein Teil del" oben aufgezAh1ten Ahnlich-
keiten hat ohne Zweifel diesem Umstand seinen Ursprung
zu verdanken. Drittens konnen die Geschichten splterhin
Einfluss auf einander gehabt haben. VOIl einer Geschiehte
sind Zuge in eine andere ubergegangen, bald lHtet", bald
seltener darin vorkommend, Del' das Gesprach beginnende
Gruss, nDu bist verruckt" u, a. haben sich in Geschichtenverirren konnen, zu denen sie ursprunglich nicht gehort
haben. Von einigen Fallen solcher Art ist in der Unter-
suchung schon die Recle gewesen, Der zu der indischen
Variante Dub. (I) gehorende heimkehrende Schafer, der
sein Fruhstnck helen will, das sei 1 1 Weib nicht zu be-
stimmter Zeit g"ehracht hat und die in del' indischen Ge-
schichte von der schwerhorigen Familie (II) vorkommeude
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Frau, die sich mit dem Bringen des Essens verspltet hat,
hangen offenbar von einander abo Die W orte "Ich setzegerade die Leiter an den Baum" I die einmal (GG 34) in
der Geschichte vom Fischhandler stehen (Xl), sind von dem
junge VOgel aus dem Neste ausnehmenden Harthorigen
hergeleitet worden (VIII). Umgekehrt ist das Verhaltnis in
Betreff cler in der Fischhandlergeschichte bisweilen vorkom-
menden Worte ",Es ist kein Bull". Diese sind einmal
(GG 35) in die Geschichte vom [unge Vogelausnehmenden
Mann ubergegangen und lauten da "U nsere Kuh ist kein
Boll 1 .1 . , Aus derselben Geschichte stammt auch das in einigen
Aufzeichnungen von "Guten Tag!" - "EiDen Axtstiel"
vorkommende Versetzen des Schwerhorigen auf den Baum.
Was nun noch die Frage vom gegenseitigen V e r-
h a ltni d e r l j t e r a r i c h e n u n d m u nd lic h e n Va-
Tian ten anbelangt, so zeigt UIlSCTe Untersuchung, dass
die Geschichten von. Schwerhorigen hauptsachlieh volks-
tumlich sind, also zur mtmdlichen Oberlieferung gehoren,
Die meisten yon ihnen sind nur im Volksmunde bekannt,und wenn (" '1"5t das Sammeln derartiger Geschichten in .
ausgestreckterern Masse betriebeu sein wird, so wird
sich deren Anzahl unzweifelhaft als sehr bedeutend erwei-
sen. Darauf weist schon der Umstand hin, dass· viele
von ihnen lokal, nul' einmal oder selten aulgezeichnet sind.
Selbst einige von den Gesehichten, die in der Alteren Lite-
ratur vorkommen, stammen sicher aus einer volkstOm1ichen
Que-lie. So 7.. B. die zum ersten Mal von Luther aufge-
zeichnete Geschichte von dem auf dem Baume sitzenden
Schwerhorigen und den jungen Vogeln (VIII). Auch so1che
Geschichten, die heutzutage nur aus der Literatur bekannt
sind, konnen ihrem Ursprung nach volkstumlich sein, Der
Junker und der Mann, del' von Bingen kmnmt (IV) und
der auf der Brucke arbeitende Caspar (V), stammen aller
\\' ahrscheinlichke-it nach ursprunglich aus dem Volksmunde,
obwohl sit.' spaterhin jill Volke vergesscn worden sind. Ein-
,.
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90-- - _ . --- _..--_. _ . --- --. _ . - - - _ . -.~~NTIl AARNE. .FFC 20
mal in die Literatur aufgenommen, sind die Geschichten, sich
mehr oder weniger verandernd, von einer Sammlung in die
andere gewandert.
Ihrem Ursprung nach literarisch ist mit ziemlicher
Sicherheit die Hofnarrgeschichte von zwei einander fUr hart-
h()rig haltenden Personen (JU),jedoch unterscheidet diese
sich auch -ihrer Art nach so sehr von den anderen hier
behande1ten Geschichten, dlass man sje nicht durchaus mit
diesen zusammen 7 .U rechnen braucht. Ein literarisches
Gepr4ge hat gleichfalls die in Ruckard's Sammlung befind-
liche Geschichte vom stolzen Edelmann, der seine Gesell-
schaft auf Kosten des schwerhorigen Bauersamusieren will,
skit jedorh nur se lhst Hichcrlkh macht (Vf).
r I
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l n h a l t,
Vonvort . . . . . . . . . .
Das volkstumliche Material. . .
Die Untersuchung (N~o 1--XXV) .
Einige Schlussbemerkungen
3- 4
4-.16
16--81
8J-9O
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