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„Burnout“ -gibt‘s das überhaupt?

Albert Putzhammer

Kaufbeuren

Fachtag der Bezirkskliniken Schwaben am 21.06.2017

Burnout – was ist das?

3

„Jeder spricht von Burnout –

und jeder meint etwas anderes!“

Was macht Burnout als Begriff attraktiv?

1. Burnout ist das, was ich darunter verstehe.

2. „Wer ausgebrannt ist, muss einmal gebrannt haben“ (Freudenberger)

3. Burnout ist das Resultat schlechter Arbeitsbedingungen

4

Burnout-Forschung

• 1960er:

– erste Erwähnungen (z.B. H.B. Bradley)

• 1970er:

– Arbeits- und Organisationspsychologie in den USA

– Psychoanalytischer Fokus: Freudenberger (Ausbrennen bei Therapeuten im Drogenmilieu)

• 1980er:

– Sozialpsychologie: C. Maslach, S. Jackson (wissenschaftliche Operationalisierung des Begriffs)

• 1990er:

– zunehmende populärwissenschaftliche Verbreitung des Begriffs

– zunehmende wissenschaftliche Auseinandersetzung

5

Maslach und Jackson (1986): Burnout als Triplett

6

1. Emotionale Erschöpfung: Gefühl ausgelaugt, überfordert zu sein

2. Dehumanisierung/Depersonalisierung: zynisches, distanziertes und herzloses Verhalten gegenüber Klienten; es entsteht oft eine gefühllose oder erniedrigende Wahrnehmung der Klienten

3. Gefühl der reduzierten persönlichen Leistungsfähigkeit:Betroffene beginnen sich selbst negativ zu bewerten, sind unzufrieden mit ihrer Leistung, fühlen sich nicht mehr kompetent in ihrem Beruf

Das Maslach Burnout Inventory (MBI)(Maslach & Jackson, 1986)

7

Die Beantwortung der 22 Items erfolgt auf einer 7-stufigen Likertskala, von 0 (= nie) bis 6 (= täglich)

Erfassung der Einzeldimensionen:

Emotionale Erschöpfung (9 Items):

Ich fühle mich von meiner Arbeit ausgelaugt.

Meine Arbeit frustriert mich.

Dehumanisierung (5 Items):

Seit ich diese Arbeit mache bin ich gleichgültiger gegenüber Leuten geworden.

Bei manchen meiner Klienten interessiert es mich nicht, was aus ihnen wird.

Reduzierte, persönliche Leistungsfähigkeit (8 Items):

Den Umgang mit Problemen meiner Klientel habe ich gut im Griff.

Ich habe viele wertvolle Dinge in meiner derzeitigen Arbeit erreicht.ms)

Burnout – was trägt dazu bei?

Burnout in Psychiatrischen KlinikenMeßenzehl, Lukesch, Putzhammer 2003

9

- Querschnittserhebung mittels Fragebogen: Maslach-Burnout-Inventory (MBI)

- Erhebung von Burn-out, Arbeitszufriedenheit, Berufserfahrung, soziale Unterstützung

- 112 Teilnehmer aus 6 psychiatrischen Kliniken in Bayern

- 31 akademische Mitarbeiter und 81 Pflegekräfte

- m:w = 48:64

- Durchschnittsalter = 41 Jahre

- Durchschnittliche Berufserfahrung akademisches Personal (13 J.) und Pflegepersonal (18 J.)

10

35,14

27,93

20,72

4,511,71

progressive AZ

stabilisierte AZ

resignative AZ

Pseudo-AZ

fixierte AZ

AZ: Arbeitszufriedenheit

Häufigkeit der Formen von Arbeitszufriedenheit (nach

Lukesch und Bauer) in Prozent für die Gesamtstichprobe

11

0

10

20

30

40

50

60

70

80P

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progr.

AZ

stabil.

AZ

resig.

AZ

AUZ

Formen der Arbeitszufriedenheit

MBI-EE

MBI-D

MBI-PA

Häufigkeitsverteilung der MBI-Subskalen bei den verschiedenen Formen von Arbeitszufriedenheit

AZ: Arbeitszufriedenheit; AUZ: Arbeitsunzufriedenheit; progr.: progressiv; stabil.: stabilisiert; resig.: resignativ

12

Häufigkeitsverteilung der MBI-Subskalen in Abhängigkeit von der Berufserfahrung

0

10

20

30

40

50

60

Pro

zen

t d

er P

rob

and

en

mit

ho

her

Au

sprä

gu

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au

f d

en M

BI-

Su

bsk

alen

0-10 >10-20 >20

Berufserfahrung in Jahren

MBI-EE

MBI-D

MBI-PA

MBI-EE: emotionale Erschöpfung; MBI-D: Depersonalisierung; MBI-PA: Gefühl der reduzierten persönlichen Leistungsfähigkeit

13

1 2 3 4 5 6 7 8

Anzahl an unterstützenden Personen

2

4

6

8

10

12

14

16

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0 0,5 1 1,5 2 2,5 3

Mediane der Zufriedenheitsabstufungen

5

7,5

10

12,5

15

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Zusammenhang zw. Burnout und sozialer Unterstützung

r = -.325; p = .001**

r = -.316; p = .001**

14

Ergebnisse der Studie

� Burnoutquote von 12,5 % in der Gesamtstichprobe

� Emot. Erschöpfung und Gefühl der reduzierten

Leistungsfähigkeit erreichen häufig hohe Werte, auch wenn

das Burnoutvollbild noch nicht vorliegt

� Arbeitsunzufriedenheit als Risikofaktor für Burnout

� Soziale Unterstützung als Schutzfaktor gegen Burnout

Burnout bei psychiatrisch tätigen Ärztinnen und Ärzten (Amstutz, Neuenschwander, Modestin, 2001)

• 3 Subgruppen: Assistenten, Psychiater in Institutionen und

niedergelassene Psychiater

• Erhebungsinstrumente:

– MPT (Münchner Persönlichkeitstest), TM (Tedium Measure),

– weitere soziodemografische und persönlichkeitsbezogene Variablen

• Ergebnisse:

– 18% leiden unter hohem Burnout

– Assistenten gaben signifikant höhere Burnout-Werte an

– Burnout korreliert mit Neurotizismus-Score (Neigung zu

emotionaler Labilität)

– Burnout korrliert mit niedriger Frustrationstoleranz

15

Risikofaktor Eignung

• Studie von Prof. Rauin (Uni Frankfurt) zu Studierverhalten und Karrieren im Lehrerberuf

• Forschungsfrage: Kann man Risiken schon im Studium prognostizieren?

• Längsschnittuntersuchung an 1100 Studenten an PH`s in BW über 11 Jahre; Beginn: 1995

• 4 Erhebungszeitpunkte:

– Beginn des Studiums

– nach 6 Semestern

– Ende des Referendariats

– nach 4 Jahren im Lehrerberuf

16

Die These vom Ausbrennen

17

„Ungeeignete“: schlecht in Bereichen Engagement,Motivation und fachliches Wissen

„Pragmatiker und Hedonisten“: geringe Anforderungen im Studium,familienfreundlicher Arbeitsplatz

„Engagierte“: überdurchschnittliche Leistungen und Zufriedenheit

Rauin 2008; 1100 Lehramtsstudenten und Lehrer, 12 Jahre

18 %

45 %

38 %

Überfoderungsquote nach 4 J. im Beruf

30%

12%

2%

Entstehungsmodelle

Persönlichkeitszentrierte

Erklärungsansätze

• hohe Selbsterwartung

• idealisiertes Selbstbild

• Überschätzung der eigenen

Einflussmöglichkeiten

• gesteigertes Bedürfnis zu helfen

• Emotionale Labilität

(Neurotizismus)

• mangelnde Eignung für den

Beruf

Organisationszentrierte

Erklärungsansätze

• geringer Handlungs- und

Entscheidungsspielraum

• geringe Flexibilität der Organisation

• fehlende Erfolgskriterien und

fehlendes Feedback

• mangelndes Ausbildungsniveau

• Mangel an Fairness und

Gerechtigkeit

• Defizit an sozialer Unterstützung

18

Burnout im ätiologischen Konzept

Burnout

Persönlichkeits-variablen

Erkrankungen

Arbeitssituation

Arbeits-zufriedenheit

SozialeUnterstützung

Burnout als Krankheit?

21

„Die 130 Symptome von Burnout“(nach Burisch)

1. Psychische Symptome (Ängste, Widerwillen, Entmutigung,

Konzentrationsstörungen etc.)

2. Physische Symptome (Müdigkeit, Schlafstörungen, Kopfschmerzen,

Herzrasen etc.)

3. Symptome auf der Verhaltensebene (Vermeidung, Drogen- und

Medikamentenmißbrauch, lange Pausen etc.)

4. Soziale Symptome (Meiden von Klienten- und Kollegenkontakt,

sozialer Rückzug in Arbeit und Privatleben)

5. Problematische Einstellungen (im Umgang mit Klienten, Kollegen,

Vorgesetzten, Verlust von Idealismus, Zynismus, negative Arbeitseinstellung) etc.)

nach Burisch 1994

Entstehungsmodell nach Burisch

1. Anfangsphase (vermehrtes Engagement, Hyperaktivität, Erschöpfung)

2. Reduziertes Engagement (Desillusionierung, Kontaktvermeidung, Zynismus, Widerwillen)

3. Emotionale Reaktionen/Schuldzuweisungen (Depression und Aggression)

4. Abbau (Kognitive Leistungsfähigkeit, Kreativität, Motivation)

5. Verflachung (emotionales, soziales und geistiges Leben)

6. Psychosomatische Reaktionen

7. Verzweiflung

22

Burnout als Prozess (nach Burisch, 1994)

1. Erste Warnzeichen- gesteigerter Einsatz

2. Reduziertes Engagement

3. Emotionale Reaktionen

4. Abnahme von kognitiven Fähigkeiten, Motivation, Kreativität

5. Verflachung (emotional, sozial, geistig)

6. Psychosomatische Reaktion, ggf. Substanzgebrauch

7. Depression und Verzweiflung 23

Stress

depressiveSymptomatik

klinische Depression

Burnout

Burnout in der ICD-10

Burnout-Syndrom Z73.0Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur

Inanspruchnahme von Gesundheitsdienste führenProbleme verbunden mit Schwierigkeiten in der Lebensbewältigung

AnpassungsstörungF43.2

Posttraumatische Belastungsstörung

F 43.1

SchlafstörungenSexualstörungen

F51; F52

SubstanzmißbrauchF1x.x

DepressionF32; F33

AngststörungenF40; F41

SomatoformeStörungen

F45

NeurasthenieF48.0

Burnout – Prävention und Hilfe

26

Burnout Prävention und Hilfe

Organisations-

Ebene

Individuelle

Ebene

Schnittstelle

Person/ Organisation

Vielen Dank!

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