die kulturbranche in zeiten einer pandemie
Post on 24-Dec-2021
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Die Kulturbranche in Zeiten einer Pandemie – Wie Museen zu einem digitalen Erlebnis werden können
White Paper
Für wen ist dieses White Paper geeignet?
Das White Paper richtet sich in erster Linie
an alle kulturschaffenden Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen eines Museums und dient
als Guide insbesondere für kleinere
Museumsinstitutionen, die in ihren digitalen
Angeboten noch nicht sehr fortgeschritten
sind. Nach einer Einführung in die Branche
folgen Handlungsempfehlungen, die den
Schritt in die Digitalisierung fördern sollen.
Experteninterview
Dr. phil. Lutz Fichtner
Herr Dr. Fichtner ist Leiter der Abteilung Bildung und Vermittlung des Hessischen Landesmuseum in Darmstadt, das Kunst, Kultur und Naturgeschichte vereint. Seine Zuständigkeiten sind neben der Realisierung zielgruppenspezifischer Angebote wie Kurse zur Kulturvermittlung auch die Organisation von Großveranstaltungen des Museums. Er gibt als Experte in diesem White Paper Impulse und Einschätzungen, wie die Museumsbranche aufgestellt ist und wie sich diese in Zukunft weiterentwickeln wird.
Nora Tany Schecker Dialogmarketing & E-Commerce
noraschecker@aol.com
„Kultur bereichert das Leben mannigfach“ Dr. Lutz Fichtner
Mit etwa 111.662.229 Millionen Besuchern in Deutschland (Stand
2018) stellen Museen einen wichtigen Ort für kulturelle Begegnungen
und Inspiration in einer Gesellschaft dar. In diesem Kontext stand
besonders lange die Frage im Raum, inwieweit Kultureinrichtungen
wie Museen von einer digitalen Strategie profitieren können, denn
obwohl Museen das kulturelle Erbe - vorrangig in der Offline-Welt -
bewahren, gehören sie nicht zu den Vorreitern des Digitalisierungs-
Zeitalters. Zwar nimmt die Zahl der digitalen Angebote in der
Museumslandschaft besonders bei großen Museumsinstitutionen
rasant zu, jedoch boten in Deutschland im Jahr 2018 nur etwa 2,7%
der Museen etwa einen virtuellen Austellungsrundgang an. Besonders
während der Corona-Pandemie und des damit einhergehenden
Shutdowns wurde die Notwendigkeit der digitalen Angebote außerhalb
eines Museumsbesuches jedoch deutlicher denn je. Dabei ist die
digitale Transformation, die viele Aktivitäten der Museen betrifft, aktuell
noch ein sehr punktueller Prozess. Gründe hierfür sind besonders die
fehlenden finanziellen und personellen Mittel, von denen die
Kulturbranche besonders geprägt ist.
„Inzwischen haben Museen einen deutlich besseren Stand, wobei die
großen Museen auf Grund ihrer besseren Finanzlage deutlich im
Vorteil sind und deshalb auch umfassendere Projekte umsetzen
können – es ist und bleibt eine Budgetfrage“, so Fichtner vom
Hessischen Landesmuseum Darmstadt.
1. Der digitale Wandel der Museen
1[1]
Die globale Corona-Pandemie traf auch die Kulturbranche in
hohem Ausmaß und zwang die Museumshäuser zur Schließung.
Durch die fehlenden Einnahmen durch Eintrittskarten, Cafés und
Museum-Shops vermerkten die Einrichtungen einen finanziellen
Verlust im vierstelligen Bereich in der Woche, nicht zuletzt
aufgrund des weltweiten Rückgangs des Tourismus. Die Krise
hatte erhebliche Auswirkungen auf die Museen auf der ganzen
Welt und zeigte dabei auch das Potenzial, das aus der Krise
hervorkam. So kam es zu einem regelrechten Digitalisierungs-
Schub der Kultureinrichtungen, der zu einem breiten Spektrum an
digitalen Museumsangeboten geführt hat. Besonders die
personelle Situation in den Museen wurde verändert und häufig
die Personalaufgaben umverteilt, um den Anforderungen gerecht
zu werden. „Wir konnten uns auf Aufgaben und Projekte
konzentrieren, die mangels Zeit und personeller Ressourcen
immer wieder verschoben werden mussten: je nach Fachbereich
und Abteilung waren das sehr unterschiedliche Dinge“ beschreibt
Fichtner. Auch das Landesmuseum Darmstadt baute schnell
neue Themenspektren für die eigenen Social-Media-Kanäle aus
und führte unter anderem für die jüngere Zielgruppe einen
Podcast ein. Zudem erstellten Sie eine Stellenausschreibung für
einen Digital Scout.
Fast 70% der Museen haben während der Pandemie ihre Online-
Präsenz erweitert und ein umfassendes digitales Angebot
geschaffen. Sie vermerkten daraufhin einen deutlichen Anstieg
der Online-Besuche. Besonders beliebt waren dabei Formate wie
Material zur Weiterbildung und Videos der Ausstellungen.
2. Museen in Zeiten der Corona-Pandemie
4 von 5 Museen haben ihr digitales Angebot
erweitert
70% der Museen haben ihre Social-
Media-Präsenz ausgebaut
16% der Museen haben das Budget für die
Realisierung von Online-Aktivitäten erhöht
2
Fakten
[2],[3]
Aus den Erkenntnissen der Branchensituation vor und auch nach der Corona-Pandemie ergeben sich Handlungsempfehlungen, die Museen in Zukunft ergreifen können. Herr Fichtner betont in diesem Zusammenhang, dass neben den Personalressourcen und den finanziellen Mitteln auch eine visionäre Strategie Voraussetzung sei. Bevor Museen also digitale Maßnahmen umsetzen, benötigt es zunächst eine detaillierte Strategieausarbeitung, die von allen internen Ebenen getragen werden sollte.
Warum brauchen Museen eine digitale Strategie?
Der allgemeine Ist-Zustand der Digitalisierung in den Kulturinstitutionen und im
speziellen in den Museen, zeigt deutlich, dass eine digitale Strategie mit festen
personellen Zuständigkeiten zwingend
erforderlich ist. Nicht nur um sich einen
Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, sondern
auch, um langfristig neue Wege zu finden,
mit seinen Besuchern in Interaktion zu treten
und ein Museum auf eine neue Art digital
erlebbar zu machen.
Was ist bei einer digitalen Strategie zu beachten?
Für die Entwicklung einer langfristigen
Strategie bedarf es einer besonders
interdiszipl inären Herangehensweise.
Besonders die bei Kulturinstitutionen
herrschende Ressourcenknappheit in Bezug
auf Budget und Personal sollte bei der
Erarbeitung einer Digitalstrategie für Museen
im Mittelpunkt stehen.
3. Handlungsempfehlungen – Digitale Konzepte für das Museum
von Morgen
Best Practice Die digitale Strategie des Städel
Museum Frankfurt
https://www.staedelmuseum.de/de/digitale-strategie
Tools Canvas-Modell für die Erarbeitung
einer digitalen Strategie
https://www.cogapp.com/digital-strategy-canvas
Digital Engagement Framework
https://digitalengagementframework.com/
digenfra3/
3[4]
Aber auch die Stärken des Museums und die genaue Zielgruppe sollten analysiert
werden. Ziel ist es, Risiken und Potenziale bestmöglich abschätzen zu können. Für
die Analyse kann beispielsweise die Canvas-Methode hinzugezogen werden.
D ig i ta le Angebote so l l ten ke ineswegs e inen analogen
Museumsbesuch ersetzen, sondern diesen auch unabhängig einer
Pandemie sinnvoll ergänzen. In diesem Zusammenhang bietet
besonders die eigene Webseite nach wie vor eine wichtige Grundlage
für eine vielseitige Kommunikation. Dabei sollte die Webseite modern
aufbereitet und ggf. aktualisiert werden und vor allem auf mobilen
Endgeräten responsiv aufrufbar sein.
Ein Instrument, das auch für kleinere Museumshäuser ein hohes Potenzial für die
Webseite bietet ist ein Museums-Blog. Mit diesem lassen sich unterschiedliche
Themen aufgreifen und für die Zielgruppe aufbereiten. Dabei kann sich das
Museum mit Blog-Artikeln als ein Experte auf seinem Gebiet positionieren. Die
Themenfelder, die auf einem Blog aufgegriffen werden können sind dabei vielfältig,
so können neue Ausstellungen angeworben und
optional externe Gast-Blogbeiträge von Experten
aus der Branche veröffentlicht werden. Aber auch
über die Schwierigkeiten der Museumsbranche
hinsichtlich z.B. der Finanzierung, während oder
auch unabhängig einer Pandemie, kann berichtet
werden. Die Zielgruppe eines Museums-Blogs
reicht daher von Kulturtinteressierten bis hin zu
Journalisten.
Der Vorteil eines Museums-Blogs liegt neben dem
finanziell wenigen Aufwand, deutlich in der
Unabhängigkeit von anderen Aktivitäten. Durch
optimales Suchmaschinenmarketing lassen sich
die Beiträge auch noch nach einiger Zeit aufrufen,
so dass sie auch einen langfristigen Nutzen haben.
Webseite
4
Best Practice Bloginspirationen
https://www.tanjapraske.de/museumsblogroll/
Tools Redaktionsplan und Content
Planung
https://www.textbroker.de/8-tools-fuer-die-content-
planung
Relevant ist die regelmäßige Frequenz sowie die Festlegung der Themen der Blog-
Artikel, die fest definiert sein sollten. Ein Hilfsmittel stellt hierfür ein umfassender
Redaktionsplan dar.
Um das digitale Angebot zu erweitern und zusätzlich eine jüngere
Zielgruppe zu erreichen, eignen sich besonders Social-Media-
Kanäle als Ergänzung zur eigenen Webseite. Diese sollten
ausgebaut werden, da diese auch während eines Shutdowns
jederzeit und an jedem Ort abrufbar sind. Social-Media-Kanäle wie
Instagram oder YouTube bieten viel Potenzial, Wissen zu vermitteln,
Informationen bereitzustellen und mit den Besuchern in Interaktion
zu treten. Der Museums-Blog ist dabei eine kanalübergreifende Komponente, die
für die Sozialen Medien aufbereitet werden kann. Damit sich Besucher auch
außerhalb eines Museumsbesuches weiterbilden können, besteht die Möglichkeit,
sonst stattfindende Workshops oder Kurse digital umzusetzen. E-Learning-Videos
beispielsweise können interaktiv mit einem Quiz spielerisch umgesetzt werden.
Dabei können verschiedene Themen und Epochen zur Auswahl gestellt werden,
um jedem Nutzer sein Interessensfeld zu bieten.
Die zusätzliche Einführung von Hashtags auf Instagram lässt mit den Besuchern
eine virtuelle Interaktion zu. Neben virtuellen Museumsrundgängen begleitet von
z.B. Kuratoren lassen sich zudem „Behinde the scence“- Formate umsetzen mit
Einblicken, die der Besucher sonst nicht zu sehen bekommt, wie etwa die
Restaurierung von Gemälden und Sammlungen. Live-Videos auf Instagram
eigenen sich besonders für Interviews mit Mitarbeitern oder Branchenexperten.
Themen, die während einer Pandemie aufgegriffen werden könnten, wären
besonders im Museumssektor der Vergleich von Damals und Heute,
beispielsweise mit der Frage, wie bekannte Werke in „Social Distancing“-Form
aussehen würden oder ob es diese Form der sozialen Distanz auch schon in
anderen Epochen gegeben hat. Besonders wichtig bei allen digitalen
Maßnahmen ist, eine ausgiebige Erfolgsmessung durchzuführen. Nur so können
Inhalte in Zukunft stetig verbessert und auf die Bedürfnisse der eigenen
Zielgruppe ausgerichtet werden. 5
Social-Media-Kanäle
4.Fazit
Museen sind ein Ort der kulturellen Begegnung, sie fördern Kreativität und
vermitteln Wissen. Bereits jetzt kristallisiert sich heraus, dass es einen
bahnbrechenden Wandel der Museumslandschaft in den nächsten Jahren geben
wird. Zahlreiche positive Referenzprojekte unterschiedlicher Museen, besonders
während der Corona-Pandemie, legen das Potenzial für die digitale Transformation
in dieser Branche offen, die auch unabhängig von einer Pandemie von Relevanz
ist. Besonders zu beachten ist, eine individuelle Strategie für die Museen zu
entwickeln, die auf Budget- und Personalkapazitäten angepasst ist. Dabei gilt es
Potenziale und Risiken gut abzuschätzen. Fichtner nennt zusätzlich eine Vielzahl
an Abhängigkeiten, damit das zukünftige
Museum 4.0 gelingt: zum einen muss stets
der Wandlungsprozess einer Gesellschaft
berücksichtigt werden aber auch „die
Kontemplation in einer reizüberfluteten
Gesel lschaft . “ Nur durch kul turel les
Infotainment können sich Museen in Zukunft
wettbewerbsfähig machen und Kulturgut auf
neuen Wegen vermitteln.
Quellen
[1] „Statistische Gesamterhebung an den Museen der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2018“ aus dem Institut für Museumsforschung (2019), Heft 73 https://www.smb.museum/museen-einrichtungen/institut-fuer-museumsforschung/forschung/publikationen/materialien-aus-dem-institut-fuer-museumsforschung/ [2] Köhne, Eckart (2020): Museen in Zeiten von Corona: es geht um die Zukunft!https://www.museumsbund.de/museen-in-zeiten-von-corona-es-geht-um-die-zukunft/[3] Network of European Museum Organizations (2020): „Survey on the impact of the COVID-19 situation on museums in Europe - Final Report“ https://www.ne-mo.org/advocacy/our-advocacy-work/museums-during-covid-19.html [4] Schoder, Angelika (2019): Let’s get Digital: Zur Entwicklung einer Digitalstrategie für Museen https://musermeku.org/digitalstrategie/
„Fun, engaging and creative digital offers will be part of museums’ digital future“ Network of European Museum Organizations
6[2]
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