operational excellence mittels transformation management: nachhaltige ver¤nderung im unternehmen...
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FOM-EditionFOM Hochschule fuumlr Oekonomie amp Management
Weitere Baumlnde in dieser Reihe httpwwwspringercomseries12753
Markus H Dahm bull Aaron D Bruumlckner
Operational Excellence mittels Transformation ManagementNachhaltige Veraumlnderung im Unternehmen sicherstellen ndashEin Praxisratgeber
ISBN 978-3-658-05091-7 ISBN 978-3-658-05092-4 (eBook)DOI 101007978-3-658-05092-4
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie detaillier-te bibliografische Daten sind im Internet uumlber httpdnbd-nbde abrufbar
Springer Gablercopy Springer Fachmedien Wiesbaden 2014Das Werk einschlieszliglich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschuumltzt Jede Verwertung die nicht ausdruumlcklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags Das gilt insbesondere fuumlr Vervielfaumlltigungen Bearbeitungen Uumlbersetzungen Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Ver-arbeitung in elektronischen Systemen
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen Handelsnamen Warenbezeichnungen usw in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waumlren und daher von jedermann benutzt werden duumlrften
Lektorat Angela Meffert
Gedruckt auf saumlurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Springer Gabler ist eine Marke von Springer DE Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Mediawwwspringer-gablerde
Markus H DahmIBM Deutschland GmbH Global Business Services und FOM Hochschule fuumlr Oekonomie und ManagementHamburgDeutschland
Aaron D BruumlcknerMilestone ConsultantsThe Milestone GmbHWittenDeutschland
Dieses Werk erscheint in der FOM-Edition herausgegeben von FOM Hochschule fuumlr Oekonomie amp Management
V
Widmung
Fuumlr unsere Familien und Freunde die uns die Kraft fuumlr dieses Buch gegeben haben
VII
Vorwort
Veraumlnderung ist nicht die Ausnahme sondern die Regel Die tektonischen Platten unserer Wirtschaft sind immer in Bewegung Zusaumltzlich entscheiden neue Einflussgroumlszligen uumlber oumlkonomischen Erfolg und Misserfolg (vgl Kotter 1996 S 17 ff) Gewaltige Innovations-spruumlnge in der Informationstechnologie die Beschleunigung aller Geschaumlftsprozesse die finanzielle globale Gratwanderung die Zunahme an Komplexitaumlt und die Vernetzung am Markt setzen in immer kuumlrzer werdenden Abstaumlnden Veraumlnderungsimpulse die unsere Denktraditionen beeinflussen So haben sich die wirtschaftlichen Erfolgsmuster seit den 1950er-Jahren dramatisch veraumlndert und die Geschwindigkeit sowie das Ausmaszlig der Ver-aumlnderungen nehmen weiter zu Wo Organisationen fruumlher ihre Grundstruktur dem natuumlrli-chen Wachstum uumlberlieszligen ist die interne Differenzierungslogik heute immer wieder aufs Neue zu bestimmen um wettbewerbsfaumlhig zu bleiben (vgl Wimmer 2004 S 36) Damit die Ausrichtung des strategischen Managements von heute nicht schon morgen Schnee von gestern ist muumlssen die Unternehmen ihre Problemloumlsungskompetenzen erweitern
Dieses Buch ist ein Grundlagenwerk fuumlr die erfolgreiche Implementierung von Opera-tional-Excellence-Initiativen ndash theoriebasiert aber klar praxisorientiert Neben der dezi-dierten Auseinandersetzung mit der methodischen Feinmechanik von Lean Management Six Sigma und der Synthese Lean Sigma bildet das Management des Menschen den ma-gnetischen Nordpol des Buches Denn um Operational Excellence zu erlangenist mehr als nur das Erreichen von Meilensteinen das Erfuumlllen von bdquohartenldquo Kennzahlen oder das technokratische Umsetzen von Maszlignahmen zur Kostenreduzierung notwendig ndash es geht um ein Umdenken aller in der Organisation vom Unternehmenslenker bis zum Arbeiter oder Angestellten Folgende Fragen stehen im Fokus Wie veraumlndere ich gewohnte Ver-haltensweisen und Denkmuster Wie schaffe ich ein Bewusstsein fuumlr kontinuierliche Pro-zessverbesserung Was kann ich tun damit eine methodisch getriebene Transformation von den Menschen in der Organisation gelebt wird
Dieses Buch soll sowohl den Unerfahrenen die Moumlglichkeit geben das Leistungsver-sprechen der Operational Excellence im relevanten Kontext des Managements von Veraumln-derungen im Detail kennenzulernen als auch dem praxiserprobten Leser neue Denkanstouml-szlige und Tipps mit auf den Weg geben Dafuumlr werden die Karten fuumlr Studierende Forscher Unternehmer Fuumlhrungskraumlfte und Berater gleichermaszligen offen auf den Tisch gelegt Was
VIII Vorwort
sind die Schwachstellen der Methodik Woran scheitern die Initiativen in der Praxis Was sind die kritischen Erfolgsfaktoren fuumlr die Umsetzung der Transformation
Dieses Buch fuumlhrt das zusammen was bisher nicht zusammengefuumlhrt wurde Das Management der Methodik ist auf ein entsprechendes Management des Menschen an-gewiesen Change Management in Operational-Excellence-Initiativen ist keine Frage des bdquoEntweder-Oderldquo sondern des bdquoSowohl-als-Auchldquo ndash immer und ausnahmslos Darin liegt die Bewegungskraft dieses Buches Mit dieser Uumlberzeugung nimmt die inhaltliche Reich-weite des Buches eine bislang unbesetzte Position im Literaturangebot des strategischen Managements ein
Die Architektur des Buches besteht dabei aus drei Teilen Kap 2 beschreibt theorie-fundiert das Gestern (Woher) die Kap 3 4 und 5 diskutieren aufeinander aufbauend und praxisorientiert das Heute (Wohin) und die Kap 6 und 7 eroumlrtern handlungsbasiert das Morgen (Was tun)
Wir moumlchten allen herzlich danken die das Fertigstellen dieses Buches auf unter-schiedliche Art und Weise unterstuumltzt haben Die Ideen fuumlr das inhaltliche Grundgeruumlst entstanden bei Workshops Gespraumlchen in Wirtschaft und Universitaumlten gemeinsamen Projekten oder langen Reisen Den noumltigen Freiraum die entwickelten Gedanken auch zu Papier zu bringen schenkten uns unsere Partner und Familien Danke fuumlr euren Verzicht und eure Geduld
Im Speziellen bedanken wir uns bei Goran Curic und Ralf Ressel (Neuenfelder Ma-schinenfabrik) Im Speziellen bedanken wir uns bei Goran Curic und Ralf Ressel (Neu-enfelder Maschinenfabrik) bei Heinrich Voumllker (ehem Voumllker AG) fuumlr offene Gespraumlche uumlber die Wirksamkeit von Operational-Excellence-Initiativen bei Rudi Wimmer von der Universitaumlt WittenHerdecke fuumlr die stets zuverlaumlssige Unterstuumltzung als Sparringspartner bei Lars Gottschling Aike Hansen Joumlrn Heyenrath Timo Muumlller Werner Rindhauser Stefan Thode und Andreas Wagenknecht fuumlr ihre Unterstuumltzung beim Lektorat bei Rai-mund Bruumlckner fuumlr ein akkurates Co-Lektorat und bei Tobias Bruumlckner fuumlr die Faumlhigkeit die einzelnen Kapitel illustrativ und kuumlnstlerisch gekonnt in Szene zu setzen Herrn Tho-mas Heupel danken wir fuumlr die Aufnahme des Werkes in die FOM-Edition und Herrn Kai Enno Stumpp fuumlr die Begleitung bei der Entstehung
Inhaltsverzeichnis
IX
1 Einleitung 111 Vorspann 112 Begriffsbestimmung 413 Aufbau und Inhalt 6
131 Kapitel 2 6132 Kapitel 3 8133 Kapitel 4 9134 Kapitel 5 10135 Kapitel 6 11136 Kapitel 7 12
Literatur 13
2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence 1521 Lean Management 16
211 Einfuumlhrung 16212 Die Entstehung japanischer Ansaumltze 17213 Das Toyota Produktionssystem 17214 Die Weiterentwicklung zu Lean Management 22
22 Six Sigma 28221 Einfuumlhrung 28222 Von der Messmethode bdquo6σldquo zum Konzept bdquoSix Sigmaldquo 28223 Die Konzeption einer Six-Sigma-Initiative 31
23 Lean (Six) Sigma 45231 Einfuumlhrung 45232 Das methodische Grundgeruumlst 46233 Rahmenbedingungen der Implementierung 47234 Der Werkzeugkasten von Lean Sigma 58
24 Das Kapitel in aller Kuumlrze 87Literatur 89
X Inhaltsverzeichnis
3 Praxiserfahrung mit Operational Excellence 9131 Lean Management bei der Neuenfelder Maschinenfabrik 92
311 Unternehmensprofil 92312 Ausgangslage 94313 Die Initiative 95314 Zwischenergebnis 99315 Fazit 103
32 Lean Management bei der FCI-Gruppe 105321 Unternehmensprofil 105322 Ausgangslage 106323 Die Initiative 107324 Zwischenergebnis 111325 Fazit 112
33 Six Sigma bei Maple Leaf Foods 114331 Unternehmensprofil 114332 Ausgangslage 115333 Die Initiative 117334 Zwischenergebnis 121335 Fazit 122
34 Six Sigma bei der Bank of America 123341 Unternehmensprofil 123342 Die Ausgangslage 125343 Die Initiative 125344 Zwischenergebnis 127345 Fazit 128
35 Lean Sigma bei der Best Buy Inc 130351 Unternehmensprofil 130352 Ausgangslage 132353 Die Initiative 134354 Zwischenergebnis 137355 Fazit 138
36 Das Kapitel in aller Kuumlrze 143Literatur 144
4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen 14541 Initiative und Organisation harmonisieren 147
411 Betriebswirtschaftliche Anschlussfaumlhigkeit gewaumlhrleisten ndash Veraumlnderungsbereitschaft evaluieren 147
412 Initiative sorgfaumlltig vorbereiten ndash Momentum des Startschusses nutzen 149
413 Kosten-Nutzen-Analyse durchfuumlhren 149
XIInhaltsverzeichnis
414 Kulturkreis beachten 150415 Initiative von fruumlheren strategischen Maszlignahmen abgrenzen 154416 Initiative personenunabhaumlngig gestalten ohne kontinuierlich
Fuumlhrungsstaumlrke zu verlieren 155417 Methodik adaptieren ndash nicht kopieren 156418 Bewegungskraft der Initiative organisationsweit freisetzen 156419 Initiative an Impulse der Umwelt anpassen 157
42 Vision und Commitment leben ndash Kommunikation etablieren 158421 Vision haben und leben 159422 Kompromissloses Topmanagement Commitment sicherstellen 159423 Empfinden fuumlr Veraumlnderungsbedarf erzeugen 161424 Stakeholder definieren ndash individuell kommunizieren 161425 Erfolgsgeschichten verbreiten ndash uumlber Misserfolge sprechen und
aus Fehlern lernen 16243 Mitarbeiter fuumlhren und foumlrdern durch Fordern 164
431 bdquoMenschlichenldquo Kern der Initiative begreifen 164432 Fuumlhrung verstehen 165433 Geeignete Mitarbeiter mit klaren Zielen fuumlhren 167434 Betroffene foumlrdern ndash Beteiligte fordern ndash Vertrauen schaffen 168435 Initiative zur Unabhaumlngigkeit bdquoerziehenldquo 169436 Widerstand entgegenwirken 170437 Zusammenarbeit organisieren und belohnen 171438 Mitarbeiter kennenlernen und nachhaltig motivieren 172439 Mitarbeitern Aufmerksamkeit schenken ndash
Entscheidungskonflikte loumlsen 17644 Richtige Projekte machen ndash Projekte richtig machen 177
441 Projekte mit groszliger Hebelwirkung priorisieren 177442 Quick Wins erzielen ndash Projekt stringent umsetzen 178443 Potente Projektmitglieder engagieren 180444 Projektkultur aufbauen 181445 Fuumlr und gegen das richtige Werkzeug entscheiden 182446 Lernsituationen schaffen ndash Wissen managen 183
45 Fortentwicklung messbar machen 185451 Mehrwert der Initiative in der Bilanz bdquobeweisenldquo 185452 Kostenrechnung zweiter Art verfolgen 186453 Neutrale Uumlberpruumlfung gewaumlhrleisten 186
46 Kritische Betrachtung der Operational-Excellence-Methodik 187461 Uneinheitliches Verstaumlndnis der Methodik 188462 Unvergleichbare Standards der Mitarbeiterausbildung 189463 Zielkonflikt zwischen Konsequenzen der Initiative und
Perspektiven der Mitarbeiter 190
XII Inhaltsverzeichnis
464 Anspruchsvolles Methodenset 193465emsp emspSpannungsverhaumlltnisemspEffizienzemspvsemspInnovationemsp 194466emsp emspGanzheitlicheemspQuantifizierbarkeitemspderemspErgebnisseemsp 198
47emsp emspDasemspKapitelemspinemspalleremspKuumlrzeemsp 200Literatur 202
5 Change Management ndash das Motoroumll der operativen Exzellenz 20351 Historische Einordnung und Entstehungsgeschichte des Change
Managements 20452emsp emspDefinitionemspundemspZielsetzungemspvonemspChangeemspManagementemsp 20853emsp emspErfolgsfaktorenemspdesemspChangeemspManagementsemsp1994emspbisemsp2008emsp 211
531emsp emspSchluumlsselfaktorenemspnachemspKlausemspDoppleremspundemsp ChristophemspLauterburgemsp 212
532 Acht Stufen der Veraumlnderung nach Kotter (1996) 215533emsp emspDieemspIBMemspMaking-Change-Work-Studieemsp(2008)emsp 221
54emsp emspBlickemspinemspdieemspPraxisemspndashemspBeispielemspAXAemspSAemsp 224541emsp emspUnternehmensprofilemsp 225542 Ausgangslage 225543emsp emspDieemspInitiativeemsp 227544emsp emspZwischenergebnisemsp 228545emsp emspFazitemsp 230
55emsp emspErfolgsfaktorenemspvonemspChangeemspManagementemspinemspOperationalemspExcellenceemsp 232551emsp emspReflexionemspermoumlglichenemsp 233552emsp emspHorizontalspannungemspsicherstellenemsp 236553emsp emspMitarbeiteremspbefaumlhigenemsp 238554emsp emspMusterwechselemspzulassenemsp 240555emsp emspOumllstandemspuumlberpruumlfenemsp 242
56emsp emspVomemspChangeemspzumemspTransformationemspManagementemsp 24557emsp emspDasemspKapitelemspinemspalleremspKuumlrzeemsp 246Literatur 247
6 Transformation Management ndash Antworten und Handlungsempfehlungen 24961emsp emspDeremspTransformationemspNavigatoremsp 25062emsp emspDieemspAnalyse-Phaseemsp 254
621 Strategy 254622 Resources 266623 Guidance 285624emsp emspBenefitemsp 311625emsp emspTippsemspundemspTricksemsp 318
XIIIInhaltsverzeichnis
63 Die Transfer-Phase 322631 Strategy 323632 Resources 326633 Guidance 339634 Benefit 378635 Tipps und Tricks 381636 Value Based Leadership ndash mit Vertrauen den Erfolg steigern 385
64 Die Sustain-Phase 390641 Strategy 392642 Resources 394643 Guidance 418644 Benefit 423645 Tipps und Tricks 441
65 Das Kapitel in aller Kuumlrze 442Literatur 444
7 Ausblick 44771 Entwicklungsperspektiven der Operational Excellence 448
711 Eine besondere Anschlussfaumlhigkeit von Operational Excellence 448
712 Operational Excellence in Familienunternehmen 458713 Weitere Denkanstoumlszlige 462
72 Blick in den Ruumlckspiegel 46373 Zehn Thesen zur Operational Excellence 465Literatur 467
Glossar 469
Uumlber die Autoren
Markus H Dahm ist als Strategie- und Organisationsbe-rater der IBM Global Business Services verantwortlich fuumlr groszlige Transformations- und Produktivitaumltssteigerungspro-jekte Er hat fast 20 Jahre Projekt- und Beratungserfahrung in verschiedenen Laumlndern Europas und Asiens sammeln koumln-nen Schwerpunktgebiete der Beratung sind die Strategieent-wicklung und -umsetzung das Change Management sowie das Business Process Reengineering unter Anwendung von Lean Management und Six Sigma Bevor er zu IBM wech-selte war er als Projektleiter bei Ernst amp Young Management Consulting in Muumlnchen taumltig Markus H Dahm ist gelernter
Bankkaufmann und studierter Betriebswirt Neben einer Promotion in Wirtschaftswissen-schaften hat er einen MBA in International Management Consulting Markus Dahm pu-bliziert regelmaumlszligig in einschlaumlgigen wissenschaftlichen Fachzeitschriften und Branchen-fachmagazinen Zwei Buumlcher hat er in juumlngerer Vergangenheit auf den Markt gebracht das deutschsprachige bdquoLean Management und Six Sigmaldquo sowie das englischsprachige bdquoLean Six Sigma in IT Managementldquo Neben der Taumltigkeit als Unternehmensberater enga-giert er sich in Lehre und Forschung Er haumllt Vorlesungen zu strategischen Management- Operational-Excellence- und Change-Management-Aspekten an der FOM Hochschule fuumlr Oekonomie amp Management in Hamburg und Essen sowie an anderen Lehreinrichtungen Von der FOM Hochschule fuumlr Oekonomie amp Management wurde Markus H Dahm 2012 auch eine Honorarprofessur verliehen Er ist Mitglied der Schweizerischen Gesellschaft fuumlr Organisation Zuumlrich und des International Bankers Forum Frankfurt
XV
XVI Uumlber die Autoren
Aaron D Bruumlckner ist Geschaumlftsfuumlhrer der Milestone Con-sultants eines aus dem Wittener Universitaumltskontext heraus-gewachsenen Beratungsnetzwerks mit Kooperationspartnern von NRW bis in die USA Die Milestone Consultants stellen Organisationen die fuumlr eine aktuelle unternehmerische Her-ausforderung nur uumlber einen kurzen Zeitraum eine Handvoll guter Berater brauchen den Zugriff auf einen Marktplatz an Experten zur Verfuumlgung Die praxiserfahrenen Spezialisten kommen ua aus der Medizin dem Wirtschaftsingenieur-wesen der IT oder den Wirtschaftswissenschaften Daruumlber hinaus haumllt Aaron Bruumlckner regelmaumlszligig Vortraumlge zu den The-
men Change Management in Operational-Excellence-Initiativen an der FOM Hochschule fuumlr Oekonomie amp Management in Hamburg Er ist Autor zahlreicher Fachbeitraumlge zu den Themenkomplexen Lean Management Six Sigma Lean Sigma und Change Management in verschiedenen Zeitschriften wie beispielsweise bdquoio new managementldquo bdquoPersonal-fuumlhrungldquo und bdquoPersonalwirtschaftldquo
Abkuumlrzungsverzeichnis
AP Analyse-PhaseAWPNI AXA Way Project Net IncomeBB Black BeltBeBu Best BuyBoA Bank of AmericaBMW Bayerische Motoren WerkeBPR Business Process ReengineeringBVW Betriebliches VorschlagswesenCE Change EducationCEO Chief Executive OfficerCFO Chief Financial OfficerCOO Chief Operating OfficerCRAFT Continuous Rollout Assistance amp Feedback TechnologyCtQ Critical to QualityDfSS Design for Six SigmaDMADV Define Measure Analyse Develop VerifyDMAIC Define Measure Analyse Improve ControlDoE Design of ExperimentsDMO Define ndash Management ndash OperateDPMO Defects Per Million OpportunitiesFCI FCI-GruppeFMEA Fehlermoumlglichkeits- und EinflussanalyseFU FamilienunternehmenGB Green BeltGE General ElectricGM General MotorsHG HaumlrtegradIT Information TechnologyKEF Kritischer ErfolgsfaktorKMU Kleine und mittlere Unternehmen
XVII
XVIII Abkuumlrzungsverzeichnis
KPI Key Performance IndicatorKVP Kontinuierlicher VerbesserungsprozessMBB Master Black BeltMIT Massachusetts Institute of TechnologyMLF Maple Leaf FoodsNFU Nicht-FamilienunternehmenNMF Neuenfelder MaschinenfabrikNRS Norddeutsche Retail Service AGOD Organisational DevelopmentOE OrganisationsentwicklungPR Public RelationsQampA Questions amp AnswersRACI Responsible Accountable Consulted InformedSIPOC Supplier Input Process Output CustomerSLA Service Level AgreementSMED Single Minute Exchange of DieSWOT Strengths Weaknesses Opportunities ThreatsTPM Total Productive MaintenanceTPS Toyota ProduktionssystemTQM Total Quality ManagementUSA United States of AmericaVoC Voice of the CustomerVP Vice PresidentVSM Value Stream MappingVW Volkswagen AGWB White BeltWIFU Wittener Institut fuumlr FamilienunternehmenWIP Work in ProcessYB Yellow Belt
1
Einleitung
copy Springer Fachmedien Wiesbaden 2014 M H Dahm A D Bruumlckner Operational Excellence mittels Transformation Management FOM-Edition DOI 101007978-3-658-05092-4_1
1
Wer aufhoumlrt besser zu sein hat aufgehoumlrt gut zu seinPhilip Rosenthal
11 Vorspann
Moderne Kommunikationsmedien und -plattformen wie Mobilfunk und Internet Intra-net-Anwendungen Web- und Videokonferenzen Instant-Messenger-Systeme E-Mail so-wie Breitband-DSL-Vernetzung und die vielfaumlltigen Social-Media-Werkzeuge bestimmen unseren Alltag ndash ob privat oder am Arbeitsplatz Die Wertschoumlpfung nimmt im Zeitalter des Smartphones und anderer intelligenter mobiler Endgeraumlte multimediale Dimensionen an ndash Zeitzonen und Kulturschranken wirken nebensaumlchlich Getrieben wird diese Ent-wicklung durch die Hyperdynamik gewaltiger Innovationsspruumlnge in der Informatik und Telekommunikation (vgl Kruumlger 2009 S 29) Facebook Renren Twitter und weitere neue Kommunikationskanaumlle und Netzwerkplattformen dieser Art haben innerhalb kuumlr-zester Zeit Maumlrkte und Branchen erobert Neue Technologien entstehen mit deren Hilfe Unternehmen die entstehenden enormen Datenmengen ndash die bdquoBig Dataldquo ndash speichern und nutzen koumlnnen (vgl Dahm und Dahm 2012 S 209) Nicht nur die Datenmenge wirkt uumlberwaumlltigend sondern auch die Radikalitaumlt und Schnelligkeit dieser uumlberraschenden Bruuml-che ist fuumlr viele Unternehmen noch immer Neuland
Ferner fuumlhrt der technologische Fortschritt zu einer rasanten Beschleunigung aller Ge-schaumlftsprozesse Unternehmen sind mit einem ungeahnten Leistungs- und Veraumlnderungs-druck konfrontiert Wo man fruumlher im Einzelhandel einmal im Jahr eine gruumlndliche In-ventur durchfuumlhrte liegen heute exakte Verkaufszahlen vom Vortag ndash heruntergebrochen auf jedes einzelne Produkt ndash auf dem Tisch des Managers (vgl Doppler und Lauterburg 2008 S 26) So laumlsst sich die Faumlhigkeit eines Unternehmens mit dem hohen Veraumlnde-rungstempo der Umwelt Schritt zu halten als uumlberlebenswichtig identifizieren (vgl Nagel und Wimmer 2009 S 15 f) Qualitaumlt als ein Alleinstellungsmerkmal von Produkten und
2 1 Einleitung
Dienstleistungen reicht dabei heutzutage nicht mehr aus denn nur durch Schnelligkeit kann man dem Wettbewerb einen Schritt voraus sein (vgl Doppler und Lautenburg 2008 S 28) Wenn durch diese universelle Rastlosigkeit aus dem Nichts aggressive Wettbewer-ber am Markt auftauchen und langjaumlhrige Handelspartnerschaften ploumltzlich wegbrechen wird Zeit zur haumlrtesten Waumlhrung unserer modernen Gesellschaft
Weiter gilt es das Augenmerk auf die Verknappung der Ressource Geld zu lenken Einmal ist es die Preissteigerung bei Rohstoffen denn natuumlrliche Ressourcen wie fossile Brennstoffe Kupfer oder seltene Erden gehen zur Neige und sind heute als Grundlage fuumlr unseren Wohlstand die wichtigsten Treiber der Teuerung Daruumlber hinaus findet in Deutschland ein Einstellungswechsel statt Wo fruumlher noch gespart wurde ist heute das bdquoLeben auf Pumpldquo schon lange normal Nicht nur die juumlngere Generation der Deutschen scheint so uumlber ihre Verhaumlltnisse zu leben sondern auch die groszlige Mehrheit aller Kom-munen Bundeslaumlnder und Nationen ndash wie die USA ndash ist hoch verschuldet und nicht mehr in der Lage die steigenden Zinsen zu bezahlen Diese Finanzierung ist auch die einzige Gemeinsamkeit des massiven Wachstums in Fernost und des weitreichenden Stillstands im industrialisierten Westen ndash der Ausnahmezustand der finanziellen globalen Gratwan-derung wird zum Normalzustand Zuletzt ist der finanzielle Engpass durch die globa-le Finanzkrise verschaumlrft worden ndash das Ausmaszlig ist noch nicht zu uumlberblicken Vor der Erkenntnis dass bdquodie etablierten Denktraditionen sowie die herkoumlmmlichen operativen Steuerungsinstrumente und die damit verbundenen Planungshorizonte dabei komplett ver-sagt habenldquo (Wimmer 2009 S 4) versucht heute noch manch einer die Augen zu ver-schlieszligen Belastungsfaktoren wie die Rezession der Weltwirtschaft oder die Krise des europaumlischen Finanzsystems sind unter der Bedeutung dieses Aspektes mit besonderer Sorgfalt zu beobachten
Die Mehrheit von 79 der Entscheidungstraumlger in der Wirtschaft rechnet damit dass die Welt noch komplexer wird (vgl IBM 2010 S 14 ff) Obwohl wir in einer Welt leben die schon weitreichend und tiefgreifend vernetzt ist loumlsen sich immer mehr Unternehmen auf oder werden neu zusammengefuumlhrt und radikale Wettbewerbsverhaumlltnisse zwingen Unternehmen in einen richtungsweisenden Strukturwandel Wie der ehemalige Vorstands-vorsitzende der IBM Corporation Sam Palmisano beschreibt (IBM 2010) kommen Chan-cen nicht nur schneller auf uns zu und sind weniger vorhersehbar sondern gehen auch ineinander uumlber und verstaumlrken die wechselseitige Abhaumlngigkeit Zur Bewaumlltigung dieser globalen Integration wird Kreativitaumlt mehr Gewicht beigemessen als Fuumlhrungsqualitaumlten wie Durchsetzungsstaumlrke und Managementdisziplin Fuumlr acht von zehn CEOs bedeutet die globale Integration dass ihr Umfeld wesentlich dynamischer ungewisser und strukturell anders werden wird
Dynamischer deshalb weil der Umgang mit auszligergewoumlhnlichen Produktionszwaumlngen und die Logik schnellerer Produktzyklen mit einem houmlheren Risiko einhergehen Bei-spielsweise lag der Produktionszyklus von Automobilen in den 1970er-Jahren im Schnitt noch bei acht Jahren In den 1990er-Jahren waren es bereits nur noch drei Jahre ndash heute bekommt ein Neuwagen sein erstes Facelift oft bereits nach zwei Jahren
Ungewisser weil aufgrund der Zunahme der Dynamik der Wirtschaftsalltag immer we-niger vorhersehbar wird ndash kein Stein bleibt mehr auf dem anderen Zuletzt gilt es zu erwaumlh-
311 Vorspann
nen dass der Markt den groumlszligten Einfluss auf oumlkonomischen Erfolg und Misserfolg hat (vgl IBM 2010 S 17) Die zunehmende Vernetzung von Volkswirtschaften Unternehmen Ge-sellschaften und Regierungen fuumlhrt zu Chancenreichtum Der Erfolg von vielen Unterneh-men haumlngt in der Folge davon ab wie sie mit einer rapiden Internationalisierungsdynamik im Nacken in den naumlchsten Jahren den Umsatz aus neuen Quellen steigern koumlnnen ndash ruhige Abschoumlpfungsmaumlrkte geraten zunehmend in Vergessenheit Unzaumlhlige einzelne Maumlrkte diversifiziertere Produkt- und Servicekategorien und ein ausgepraumlgtes individualisiertes Kundensegment erschweren jedoch die Suche nach neuen Wachstumsfeldern Das Span-nungsverhaumlltnis zwischen kurzfristiger Uumlberlebenskunst und nachhaltiger Wertschoumlpfung wird durch die Forderung der aufgeklaumlrten Kunden nach Preisnachlaumlssen bei gleichzeitiger Leistungssteigerung forciert Als Konsequenz traumlgt die staumlndige Interaktion mit Kunden und deren Mitwirken an der Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen nicht nur zur Differenzierung des Unternehmens bei sondern ruumlckt die Kundennaumlhe wie nie zuvor in den Fokus der Geschaumlftstaumltigkeiten Das Unternehmen muss den Kunden als Individu-um behandeln damit es in der vernetzten Welt zu uumlberleben vermag (vgl Dahm und Dahm 2012 S 210) Um ausreichend Informationen uumlber den einzelnen Verbraucher zu erhalten muumlssen Unternehmen ihre Analysekompetenz ausbauen Sie muumlssen bis dato ungenutzte Quellen wie Twitter YouTube oder Facebook einbeziehen und Antworten auf bislang ungestellte Fragen finden Was sind beispielsweise die relevanten Meinungen Interessen und Lebensumstaumlnde wodurch die Vorlieben und Anforderungen des Kunden beeinflusst werden Unternehmen werden sich auch mit der Mobilitaumlt des Kunden auseinandersetzen muumlssen um Schritt mit seiner Konnektivitaumlt halten zu koumlnnen und reaktionsfaumlhig zu blei-ben Unter dem Strich sind gewaltige Innovationsspruumlnge in der Informationstechnologie die Beschleunigung aller Geschaumlftsprozesse die finanzielle globale Gratwanderung die Zunahme an Komplexitaumlt und die Vernetzung am Markt festzuhalten Die wirtschaftlichen Erfolgsmuster haben sich seit den 1950er-Jahren dramatisch veraumlndert und die Geschwin-digkeit sowie das Ausmaszlig der Veraumlnderungen nehmen weiter zu Wo Organisationen fruuml-her ihre Grundstruktur dem natuumlrlichen Wachstum uumlberlieszligen ist die realitaumltsangemessene Handlungsfaumlhigkeit heute immer wieder aufs Neue zu bestimmen um wettbewerbsfaumlhig zu bleiben Veraumlnderung ist die Regel ndash ausnahmslos (Abb 11)
Im Ergebnis verschaumlrft sich diese in dargestellte Unvorhersehbarkeit der entscheiden-den wirtschaftlichen Realitaumlten Fuumlr die Unternehmen wird der Umgang mit dieser exis-tenziellen Ungewissheit mehr und mehr zum kritischen Erfolgsfaktor Das strategische Management muss die Organisation geschickt positionieren um sich dieser Herausfor-derung und der Konkurrenz nachhaltig stellen zu koumlnnen Dafuumlr bieten sich verschiedene Handlungsspielraumlume doch Tatsache ist Die Formel zur Erreichung von Wettbewerbs-faumlhigkeit besteht heute mehr denn je aus sich veraumlndernden und schwer abschaumltzbaren Va-riablen Kennzahlen wie Produktivitaumlt und Qualitaumlt sowie damit verbundene Kosten und Kundenzufriedenheit ruumlcken in den Fokus jeder Unternehmensfuumlhrung Haumlufig werden in der Folge durch das oberste Management innerbetriebliche Programme unter dem Label bdquoOperational Excellenceldquo angestoszligen Doch was verbirgt sich hinter dieser bdquohervorragen-den betrieblichen Leistungldquo
4 1 Einleitung
12 Begriffsbestimmung
Die Aufgabe des strategischen Managements ist die Uumlberlebensfaumlhigkeit eines Unter-nehmens langfristig zu sichern Die groumlszligte Herausforderung dabei ist der Umgang mit der existenziellen Ungewissheit ndash hervorgerufen durch die pausenlose Veraumlnderung unserer Umweltbedingungen Um sich dieser Herausforderung zu stellen richten Unternehmen den Fokus auf Operational Excellence Dadurch soll die Wettbewerbsfaumlhigkeit gestaumlrkt und die Erfolgswahrscheinlichkeit bei der Sicherung der langfristigen Uumlberlebensfaumlhig-keit der Organisation gesteigert werden
7 Strategisches Management bdquoManagement ist die Kunst mit anderen Leuten zusam-men Dinge zu erledigenldquo (Follett 1868ndash1933) (Crainer 1998) Urspruumlnglich kommt der Begriff aus dem Lateinischen und wird von bdquomanum agereldquo was bdquoan der Hand fuumlhrenldquo bedeutet abgeleitet So wird unter Management im betriebswirtschaftlichen Sinne die Fuumlhrung einer Organisation um bestimmte Ziele zu erreichen verstanden In der Anti-ke war ein bdquostrategosldquo ein militaumlrischer Befehlshaber und Mitglied des Kriegsrates (vgl Clausewitz und Oetinger 2003 S 12 f) Die Wurzeln dieser Bezeichnung liegen in bdquostra-tosldquo (Heer) und bdquoageinldquo (fuumlhren) und beschreiben die Kunst der Heeresfuumlhrung (vgl Clau-sewitz und Oetinger 2003 S 14 f) Noch heute erinnern Ausdruumlcke wie bdquoPreiskampfldquo oder bdquoUumlbernahmeschlachtldquo an die militaumlrische Historie des Strategiebegriffs Der Sinn und Zweck des strategischen Managements eines Unternehmens ist in diesem Kontext die langfristige Auseinandersetzung mit der existenziellen Ungewissheit bei der Erreichung der Unternehmensziele und die damit einhergehende Absicherung der Uumlberlebensfaumlhig-keit der Organisation vor dem Hintergrund der Marktbedingungen -chancen und auch der Begrenzungen
Vernetzungam Markt
Zunahme an Komplexitaumlt
gewaltige Technologiespruumlnge
Verknappung der Ressource Geld
Beschleunigung der Geschaumlftsprozesse
Unvorher-sehbarkeit
Abb 11 Einflussgroumlszligen unseres Wirtschaftsalltages
512 Begriffsbestimmung
Historie des strategischen ManagementsDem strategischen Management kam durch die Industrialisierung in der zweiten Haumllfte des 19 Jahr-hunderts eine wachsende Bedeutung zu Zuvor wurden Handwerks- und Landwirtschaftsbetriebe durch gesunden Menschenverstand uumlber Generationen hinweg gefuumlhrt
Erstmals wurde bei dem US-amerikanischen Oumlkonomen Frederick Winslow Taylor (1856ndash1915) ein umfassendes strategisches Konzept identifiziert Der Taylorismus beinhaltete fuumlr ein Unterneh-men die Idee des einen bdquobestenldquo Weges um die Arbeit zu erledigen eine hohe Arbeitsteilung und eine Bezahlung abhaumlngig von der Leistung Konsequent und erfolgreich wurde der Taylorismus bei der Ford Motor Company in Form der Flieszligbandproduktion umgesetzt
Das Business Process Reengineering (BPR) entwickelte sich Anfang der 1990er-Jahre durch die Praumlgung von Henry Johansson zu einem weiteren Ansatz der Prozessverbesserung (vgl Johansson 1994 S 14) Ziel des BPR ist die Verbesserung der wirtschaftlichen Leistungsgroumlszligen wie in den Bereichen Kosten- und Personalmanagement was durch das Uumlberdenken und bdquoInfragestellenldquo von Arbeitsweisen und Methoden erreicht werden soll Den Fokus der Vorgehensweise bildet die Ver-aumlnderung der Prozesse nicht aber der funktionalen Strukturen
Das Total Quality Management (TQM) wurde als umfassendes Qualitaumltsmanagement in der ja-panischen Automobilindustrie entwickelt Es bezeichnet die durchgaumlngige und bdquoalle Bereiche eines Unternehmens erfassende aufzeichnende sichtende organisierende und kontrollierende Taumltigkeitldquo (Zink 2004 S 12) Die systematische Einbeziehung der Mitarbeiter und Kunden gehoumlrt zu den we-sentlichen Prinzipien der TQM-Philosophie um Qualitaumlt dauerhaft zu garantieren
Operational Excellence ist ein moderner Sammelbegriff fuumlr strategische Management-ansaumltze die in Form von Optimierungsprogrammen alle Geschaumlftsprozesse auf Kunden-beduumlrfnisse Qualitaumlt und Effizienz ausrichten Es bestehen zwar Unterschiede in der Vor-gehensweise jedoch fuumlhren sie alle bei langfristigem Einsatz zu aumlhnlichen Ergebnissen
Der komplexeste Vertreter der Operational Excellence ist Lean Six Sigma oder im wei-teren Verlauf kurz Lean Sigma genannt Ebenso wie der Taylorismus das Business Pro-cess Reengineering (BPR) oder das Total-Quality-Management-System (TQM) ist Lean Sigma ein uumlber Jahre gewachsener Ansatz aus dem strategischen Management der sich in der Praxis den zu Anfang geschilderten Herausforderungen unseres Wirtschaftsalltages stellt Operational Excellence wird in der Logik dieses Buches durch die Ansaumltze des Lean Managements einen eher philosophischen Ansatz mit fernoumlstlichen Wurzeln zur Verschwendungsvermeidung und Six Sigma ein quantitatives Konzept zur Qualitaumltsver-besserung komplettiert An dieser Stelle laumlsst sich kurz umrissen festhalten dass Lean Management die Organisation schlanker gestaltet und die Geschwindigkeit der Geschaumlfts-prozesse erhoumlht Six Sigma optimiert Prozesse in einem Unternehmen indem die Erwar-tungserfuumlllung des Kunden hinsichtlich der Ergebnisgroumlszligen wie Qualitaumlt Kosten Zeit und Produktivitaumlt verbessert wird Lean Sigma vereint als Synthese das Beste aus beiden Welten und formuliert als strategischer Management-Ansatz eine klare Zielsetzung die Wettbewerbsfaumlhigkeit nachhaltig steigern ndash operative Exzellenz erreichen
Das Verstaumlndnis der begrifflichen Ingredienzen des zu behandelnden Kontextes wird in Abb 12 zusammenfassend dargestellt Wenn im weiteren Verlauf des Buches von Ope-rational-Excellence-Programmen oder -Initiativen gesprochen wird sind darunter nur die abgebildeten drei strategischen Managementansaumltze zu verstehen Selbstverstaumlndlich wird zwischen den drei prominenten Vertretern des strategischen Managements dann termino-logisch unterschieden wenn eine inhaltliche Trennschaumlrfe vonnoumlten ist Dies ist beispiels-
6 1 Einleitung
weise bei der historischen Einordnung sowie diskutierten Praxisbeispielen der Fall Die betrachteten Erfolgsfaktoren oder formulierte Handlungsempfehlungen beziehen sich da-gegen methodenuumlbergreifend auf alle drei Ansaumltze
13 Aufbau und Inhalt
Den Aufbau und Inhalt des Buches soll eine kleine Geschichte verdeutlichen Die Pro-tagonisten sind ein Vater und sein Sohn ndash der eine versteht bereits viel von Autos der andere wird nicht muumlde Fragen zu stellen Jeder Kapitelanfang wird stuumlckweise an diese Geschichte erinnern analog zu einer Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex Ope-rational Excellence die nur Schritt fuumlr Schritt sinnvoll ist Oder haben Sie etwa in Ihrer ersten Fahrstunde ruumlckwaumlrts einparken gelernt
131 Kapitel 2
Eines Tages als der Vater seinen Sohn aus der Grundschule abholt berichtet dieser ganz aufgeregt dass er Auto fahren moumlchte Er haumllt seinem Vater ein Bild eines knallroten Autos welches mit quietschenden Reifen Staub aufwirbelt unter die Nase Im Kunstunter-
LeanManagement
SixSigma
LeanSix Sigma
OperationalExcellence
Abb 12 Begriffliche Einordnung der Operational Excellence
713 Aufbau und Inhalt
richt sollten die Kinder ihren Berufswunsch aufmalen ndash er moumlchte Sebastian Vettel dem juumlngsten Formel-1-Weltmeister aller Zeiten nacheifern Unermuumldlich zerrt er am Arm des Vaters und bettelt energisch darum dass Papi sein Auto vorzeigen und erklaumlren soll wie man es faumlhrt Der Vater gibt nach ndash wer traumlumte als kleiner Junge nicht von einer Karriere voller Adrenalin In der Garage angekommen uumlberlegt er wo man mit der Erlaumluterung der komplexen Mechanik eines Automobils und dessen Nutzung am einfachsten beginnen kann
Was ist Operational Excellence So wie ein Kraftfahrzeug welches der Befoumlrderung von Personen oder Guumltern dient eines Antriebssystems bedarf liegt auch der Program-matik von Operational Excellence die eine konkrete Zielsetzung verfolgt eine spezifi-sche Mechanik zugrunde Das architektonische Grundgeruumlst des Buches bildet Kap 2 Es werden die beiden Ausgangsfragen bdquoWoherldquo und bdquoWohinldquo beantwortet Die relevanten theoretischen Bausteine zur Erreichung operativer Exzellenz werden in diesem Zuge vor-gestellt und naumlher erlaumlutert die Entstehungsgeschichte die Kernidee die methodische Ausrichtung und Zielsetzung von Lean Management Six Sigma und der Synthese der beiden Konzepte Lean Sigma Die anwendungsorientierte Vorstellung der wesentlichen Denkinstrumente und Methoden zum Abschluss des Kapitels vervollstaumlndigt den umfas-senden Blick hinter die Kulissen des Theoriegeruumlstes
8 1 Einleitung
132 Kapitel 3
Der Sohn laumlsst nicht locker ndash ihm ist die Erklaumlrung dass das Auto ein fahrbarer Untersatz ist um auf vier Reifen mit einem Kuchen im Kofferraum sonntags zur Oma zu fahren nicht genug Er besteht darauf zu sehen wie es faumlhrt
Wie erfolgreich waren Unternehmen bislang dabei dem Anspruch operativer Exzel-lenz gerecht zu werden Wie konnten in der Vergangenheit Mitarbeiter vom Leistungsver-sprechen Six Sigma uumlberzeugt werden Welche Werkzeuge wirkten besonders katalysie-rend auf die Einfuumlhrung des Lean Managements Woran scheitern Unternehmen wenn sie versuchen die Veraumlnderung durch Lean Sigma langfristig aufrechtzuerhalten
So wie es in einem Auto verschiedene Instrumente Messanzeigen und Bedienungs-hebel zu beachten gilt heiszligt es auch waumlhrend eines Operational-Excellence-Programmes auf der richtigen Spur mit der richtigen Geschwindigkeit und im richtigen Gang zu fah-ren Nachdem bereits die Anfaumlnge und methodischen Zusammenhaumlnge eroumlrtert worden sind beleuchtet Kap 3 Erfahrungswerte und Organisationszustaumlnde aus der Praxis Fuumlnf Anwendungsbeispiele der Operational-Excellence-Methoden werden aus verschiedenen Branchen exemplarisch diskutiert die Umsetzung des Lean Managements bei einem Hamburger Kranhersteller (Neuenfelder Maschinenfabrik) und einem franzoumlsischen Steckverbindungshersteller (FCI-Gruppe) die Implementierung von Six Sigma bei einem kanadischen Lebensmittelhersteller (Maple Leaf Foods) und einer amerikanischen Groszlig-bank (Bank of America) und zuletzt die Einfuumlhrung von Lean Sigma bei einem amerika-nischen Elektronikhaumlndler (Best Buy)
913 Aufbau und Inhalt
133 Kapitel 4
Die Wissbegierde des Sproumlsslings uumlberrascht den Vater nicht Er scheint die Herausforde-rung beim Schalten die Kupplung richtig zu dosieren verstanden zu haben Es ist leichter gesagt als getan mahnt er gerade noch da beginnt der Sohn das Reifenprofil eines der Hinterraumlder zu inspizieren Wir sind doch nicht beim TUumlV haumllt er seinen Sohn lachend an TUumlV Er erlaumlutert dass es sich dabei um eine routinemaumlszligige Sicherheitskontrolle fuumlr Kraftfahrzeuge handelt ndash alle wichtigen Bestandteile des Autos werden auf Herz und Nieren gepruumlft und Maumlngel werden erkannt
Welche Faktoren der unterschiedlichen Ansaumltze zur Erreichung operativer Exzellenz sind erfolgskritisch So wie bei einem Fahrzeug im Zuge der Haupt- und Abgasunter-suchung die Kraftuumlbertragung das Fahrwerk oder die Elektronik uumlberpruumlft werden stellt Kap 4 die Funktionsfaumlhigkeit der Mechanik von Operational-Excellence-Programmen umfassend auf den Pruumlfstand Ohne sich im methodischen Detail oder einem praktischen Ausnahmefall zu verlieren werden dabei kritische Erfolgsfaktoren in Form von Check-listen identifiziert und naumlher beleuchtet Die Klaumlrung der Frage ob die Methodik der ope-rationalen Exzellenz noch bdquostraszligenverkehrstauglichldquo ist oder ob sie ihre beste Zeit schon hinter sich hat schlieszligt das Kapitel ab Entscheidend ist dabei dass Maumlngel offen an-gesprochen und diskutiert werden ndash erste konkrete Handlungstipps runden den kritischen Diskurs ab
10 1 Einleitung
134 Kapitel 5
Der Sohn moumlchte wissen was das Wichtigste am Auto ist Nach kurzer Uumlberlegung ver-gleicht der Vater das Auto mit einem Puzzle ndash jedes Stuumlck sei wichtig um ein Gesamtbild zu erhalten ndash hebt aber dann doch noch einen Aspekt hervor als er die Motorhaube oumlffnet Der Motor ist das Wichtigste Der Junge ist beim Anblick der feinmechanischen Hubbewegungen und Rotationen der vielen Ventile beeindruckt
Kapitel 5 thematisiert im Anschluss die Kernproblematik und Gemeinsamkeiten von Lean Management Six Sigma und Lean Sigma ndash bei der Implementierung geht es um ein Umdenken aller in der Organisation taumltigen Mitarbeiter vom obersten Chef bis zum untersten Angestellten bzw Arbeiter am Band Operative Exzellenz beruht auf einem Be-wusstsein fuumlr kontinuierliche Prozessverbesserung Es geht um die Veraumlnderung von ge-wohnten Verhaltensweisen und Denkmustern Es geht um weit mehr als die Anwendung von Tools denn die Neuerungen muumlssen nicht von den Maschinen sondern den Menschen ndash dem Motor von Veraumlnderung ndash im Unternehmen gelebt werden Eine kurze Rekonstruk-tion der zeit- und organisationsgeschichtlichen Zusammenhaumlnge erlaumlutert zunaumlchst die Entstehungsgeschichte des systematischen Umgangs mit dem bdquoWind des Wandelsldquo bevor theoretische Errungenschaften und praktische Hintergruumlnde zum Veraumlnderungsmanage-ment diskutiert und die Schluumlsselfaktoren fuumlr erfolgreiches Vorgehen ermittelt werden
1113 Aufbau und Inhalt
135 Kapitel 6
Der Sohn staunt noch immer uumlber die unuumlberschaubare Vielfalt an winzigen Raumldchen verbundenen Kabeln silbernen Schraumlubchen und unzaumlhligen Gummiabdichtungen da schlieszligt der Vater die Motorhaube wieder Er scheint gute Arbeit geleistet zu haben Die Fragezeichen sind aus den Augen des Sohnes verschwunden ndash das Funkeln ist geblieben Als er mit dem Oumllmessstab zu seinem Kettcar laumluft muss der Vater schmunzeln Er er-klaumlrt dass die Wartungsarbeiten im richtigen Verhaumlltnis zum jeweiligen Fahrzeug stehen muumlssen ndash bei einem Kettcar muss nicht der Oumllstand uumlberpruumlft werden Lediglich die Rad-aufhaumlngung muss regelmaumlszligig geschmiert werden damit sie nicht quietscht Beim Auto des Vaters muss hingegen sehr wohl auf die Oumllstandsanzeige geachtet werden um auch in Zukunft sicher zur Oma fahren zu koumlnnen Sebastian Vettel hebt der Vater hervor faumlhrt sogar alle paar Runden an die Box um seinen Formel-1-Wagen wettbewerbstauglich zu halten Um die Oma zu besuchen ist aber eine Geschwindigkeit bei der Flugzeuge ab-heben nicht notwendig ndash deswegen muss man auch nicht jede Woche zum TUumlV fahren Der Sohn nickt zustimmend
Nicht jede Operational-Excellence-Initiative ist von den gleichen Anforderungen an den Motor und dem Einsatz von Schmiermitteln gekennzeichnet Es gilt abhaumlngig vom Ver-wendungszweck des Fahrzeugs die richtige Motorisierung zu finden und den Pflege- und Wartungsaufwand in einem angemessenen Verhaumlltnis zu halten Wie muumlssen also der Sinn und Zweck einer Operational-Excellence-Initiative das Leistungsvermoumlgen sowie die Leistungsbereitschaft der beteiligten Mitarbeiter Fuumlhrungskraumlfte und Topmanager und die unterstuumltzenden Change-Management-Aktivitaumlten zusammenspielen um Erfolg zu haben
Kapitel 6 beantwortet vor allem die letzte der drei Ausgangsfragen bdquoWas tunldquo Pu-blikationen die explizit Veraumlnderungsmanagement in Operational-Excellence-Initiativen adressieren existieren nicht In den vorangegangenen Kapiteln wurde die Reichweite von Change-Maszlignahmen bereits ausfuumlhrlich diskutiert Zusaumltzlich werden in einem weiteren Schritt saumlmtliche Erkenntnisse unvollendete Uumlberlegungen nicht zu vernachlaumlssigende Kritikpunkte und unbeantwortete Fragen in einem umsetzungsorientierten Leitfaden ge-buumlndelt und als ein bdquoMissing Linkldquo fuumlr die Praxis anschlussfaumlhig gestaltet Die bdquoUumlberlie-ferungsluumlckeldquo in der Literatur wird durch die Praumlsentation des modulartigen Methodensets des Transformationsmanagements geschlossen
12 1 Einleitung
136 Kapitel 7
Waumlhrend das Garagentor wieder geschlossen wird und der Vater die wichtigsten Punkte wiederholt zeigt der Sohn sich schon ungeduldig Am liebsten wuumlrde er sofort seinen Fuumlhrerschein machen und Gas geben Doch er hat verstanden dass es ein langer Weg ist bis er alle Funktionen und das Steuern eines Autos beherrschen wird Amuumlsiert uumlber diese beherzte Antriebskraft fuumlhrt der Vater ihn schlieszliglich zuruumlck ins Haus Er schlaumlgt ihm vor in der naumlchsten Woche auf der nahegelegenen Rennbahn ein Gokart auszuprobieren Bis sein Sohn ein Auto im Straszligenverkehr steuern darf wird es ohnehin fast nur noch elektro-betriebene Autos geben Veraumlnderung bestimmt den Alltag Selbst er wird sich an techni-sche Neuerungen andere Preise und vielleicht sogar angepasste Straszligenverkehrsregeln gewoumlhnen muumlssen
Was ist die Kernbotschaft des Buches Kap 7 schaut in den Ruumlckspiegel greift die Quintessenz auf und stellt Fragen Wohin fuumlhrt z B die Reise der operativen Exzellenz Wenn Wandel nicht die Ausnahme sondern der Regelfall ist gilt das auch fuumlr strategische Managementkonzepte wie das der Operational Excellence Auf welche Fragen wird das methodische Leistungsversprechen in Zukunft Antworten finden muumlssen Oder ist die Logik des Transformationsmanagements fuumlr eine spezielle Unternehmensform moumlglicher-weise praumldestiniert Das letzte Kapitel wagt den Blick uumlber den Tellerrand
13Literatur
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15
Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
copy Springer Fachmedien Wiesbaden 2014M H Dahm A D Bruumlckner Operational Excellence mittels Transformation Management FOM-Edition DOI 101007978-3-658-05092-4_2
2
The best argument we can make to convince you not to just read this but to get involved with Operational Excellence is that there is very little downside The second-best argument for getting involved is that the upside is enormous Help your company become more profitable develop valuable job skills and make your own job and workplace work betterMichael George (bdquoErfinderldquo von Lean Sigma)
16 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
Was ist Operational Excellence So wie die Fortbewegung des Kraftfahrzeugs des Vaters auf ein Antriebssystem zuruumlckzufuumlhren ist liegt auch Operational Excellence eine spezi-fische Mechanik zugrunde die eine konkrete Zielsetzung verfolgt Dieses Kapitel stellt die relevanten theoretischen Bausteine der Operational-Excellence-Programme vor die Kernidee die Geschichte die methodische Ausrichtung und Zielsetzung von Lean Ma-nagement Six Sigma und Lean Sigma
21 Lean Management
211 Einfuumlhrung
Brillante Leistungen regen zur Nachahmung an Wenn man Tiger Woods einem der er-folgreichsten Golfspieler der Geschichte in seinen besten Zeiten im Fernsehen dabei zu-gesehen hat wie er elegant und treffsicher den Golfball uumlber das Fairway schlug kribbelte es in den Fingern und man bekam Lust zum naumlchsten Golfplatz zu fahren Dort angekom-men wurden die 18 Loumlcher ehrgeizig in Angriff genommen und man nahm sich vor an der Handicap-Verbesserung zu arbeiten ndash vielleicht durch eine neue Golfausruumlstung oder auch durch weitere Trainerstunden Diese inspirierenden Momente kennen nicht nur pas-sionierte Golfspieler sondern auch alle Unternehmen die darauf bedacht sind sich kon-tinuierlich Wettbewerbsvorteile zu erarbeiten So gilt der japanische Automobilhersteller Toyota nach wie vor fuumlr viele Unternehmen als der bdquoTiger Woodsldquo des Produktionsab-laufs Trotz des durch die Erdbeben- Tsunami- und Atomkraftwerkkatastrophe bedingten massiven Einbruchs des Geschaumlftes ndash Produktionswerke von Toyota wurden zerstoumlrt und Lieferketten unterbrochen ndash ist der japanische Branchenprimus mit einem neuen Rekord von 5 Mio abgesetzten Fahrzeugen von Januar bis Juni 2012 wieder der Gejagte1 Im Jahr 2013 wurde die magische Zahl von 10 Mio produzierten Fahrzeugen nur knapp verpasst Das Ziel des Wolfsburger VW-Konzerns bis 2018 zum weltgroumlszligten Automobilhersteller aufzusteigen ruumlckt damit wieder in weite Ferne Dies wird insbesondere deutlich wenn man sich die Zahlen einer aktuellen Studie des CAR Center Automotive Research an-schaut Demnach ist Toyota zu alter Staumlrke zuruumlckgekehrt und verdient mit dem Verkauf eines Autos 1801 euro Zum Vergleich VW weist eine Gewinnmarge von bdquonurldquo 629 euro auf (vgl Dudenhoumlffer 2013) Den Grundstein fuumlr diese bis heute mit Erfolg gekroumlnte japani-sche Entwicklung legten der Unternehmer Eiji Toyoda und sein Produktionsleiter Taiichi Ohno (vgl Toumlpfer 2009 S 138 ff) Letzterer war der Begruumlnder dessen was heute unter dem Begriff bdquoLean Managementldquo bekannt ist (vgl Ohno 1993 S 9) Was verbirgt sich hinter dieser Begrifflichkeit und was genau ist das Schluumlsselkonzept des japanischen Er-folges
1 GM kam im gleichen Zeitraum auf 47 Mio und VW auf 46 Mio abgesetzte Fahrzeuge
1721 Lean Management
212 Die Entstehung japanischer Ansaumltze
Am 15 August 1945 verlor Japan den Zweiten Weltkrieg dieser Tag markierte auch einen Neubeginn fuumlr Toyota (vgl Ohno 1993 S 29) Japan war nicht besonders reich an Roh-stoffen und aumlhnlich wie in Deutschland war ein Groszligteil der Infrastruktur und der Indus-trie nach den Geschehnissen des Zweiten Weltkrieges zerstoumlrt Zusaumltzlich gab es kaum Kapital keinen Marshallplan und sehr wenig Flaumlche sodass die japanischen Unternehmen die amerikanische Industriepolitik mit der damit einhergehenden Massenproduktion nicht einfach kopieren konnten sondern sich auf kundenindividuelle Produkte konzentrieren mussten (vgl Toumlpfer 2009 S 138) Der ehemalige Praumlsident von Toyota fand fuumlr die Si-tuation deutliche Worte bdquoWir muumlssen Amerika innerhalb von drei Jahren einholen Sonst wird die Automobilindustrie Japans nicht uumlberlebenldquo (Ohno 1993 S 29) Drei weite-re Rahmenbedingungen bestimmten die damalige (wirtschaftliche) Situation (vgl Drew et al 2005 S 21 f) Zum einen gab es in Japan in den 1950er-Jahren aufgrund der ge-ringen Einkommen kaum eine Nachfrage nach Autos sodass sich eine Massenproduktion nicht lohnte Weiterhin mussten die Autos in der Praxis erst noch getestet werden sodass kostenintensive Investitionen in Werkzeuge und Maschinen nicht infrage kamen Zum anderen durfte Toyota aufgrund neuer Beschaumlftigungsgesetze keine Mitarbeiter entlassen Unter diesen Umstaumlnden reiste der neue Chef Toyotas Eiji Toyoda fuumlr drei Monate nach Detroit um die damaligen modernsten Produktionsanlagen der Welt zu besuchen
213 Das Toyota Produktionssystem
Als Eiji Toyoda nach Japan zuruumlckkehrte begann er unter der Praumlmisse aus den bdquoFehlernldquo der Amerikaner zu lernen Toyota neu zu strukturieren Dieser neue Ansatz der unter der Begrifflichkeit bdquoToyota Produktionssystem (TPS)ldquo Beruumlhmtheit erlangte beinhaltet fuumlnf Grundsaumltze (vgl Dahm und Haindl 2011 S 53 ff sowie Abb 21)
Prozesse synchroni-
sieren
Prozesse standardi-
sieren
Fehler vermeiden
Produktions-anlagen
verbessern
Mitarbeiter trainieren und qualifizieren
Produktion nach den Anforderungen des Kunden
Verschwendung minimieren
Prozessverbesserungen in kleinen Schritten
Abb 21 Grundsaumltze des Produktionssystems von Toyota (Quelle in Anlehnung an Ohno 1993 S 43 ff)
18 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
1 Synchronisation der Prozesse Die einzelnen Arbeitsschritte werden nur durchge-fuumlhrt wenn sie auch benoumltigt werden Keine Produkte bleiben halbfertig in der Warte-schleife Eine Reduktion der Verschwendung in den Prozessen und damit im gesamten Unternehmen wird erreicht da kaum Leerlauf entsteht und keine Uumlberschuumlsse pro-duziert werden Wie sinnvoll dieses Vorgehen ist laumlsst sich an einem sehr einfachen Beispiel gut erkennen Nur die wenigsten Werksleiter wuumlrden auf die Idee kommen woumlchentlich einen Techniker kommen zu lassen der bei jedem seiner Besuche den Zustand aller Leitungen und Dichtungen pruumlft Man wuumlrde dadurch zwar mit groszliger Sicherheit einen Ausfall der Maschinen ausschlieszligen aber zu sehr hohen Kosten Im Allgemeinen werden die Techniker dann gerufen wenn ein Defekt eingetreten ist So verhaumllt es sich mit der Produktion eines jeden Industriegutes Die Arbeitsschritte sollten nur dann durchgefuumlhrt werden wenn sie benoumltigt werden
2 Standardisierung der Prozesse Fuumlr die Lagerung Bereitstellung und Verarbeitung des Materials gibt es genaue bdquoSpielregelnldquo Diese werden nur durch Verbesserungs-vorschlaumlge ndash die fuumlr alle Beteiligten sichtbar gemacht werden muumlssen ndash geaumlndert Verschwendung wird vermieden da in den Prozessen nur sinnvolle und durchdachte Aumlnderungen vorgenommen werden Damit koumlnnen sich neben den offiziellen Regeln keine inoffiziellen Routinen herausbilden Alle Mitarbeiter sind immer auf dem gleichen Stand und es existieren z B nicht mehrere Ordnungs- und Ablagesysteme nebeneinan-der Entscheidend ist hierbei die Moumlglichkeit der Aumlnderungen durch die Mitarbeiter Wie sinnvoll diese Spielregeln sein koumlnnen laumlsst sich auch hier an einem einfachen Beispiel darstellen Wenn die Tages- und Nachtschicht in einem groszligen Lager die Ablage unter-schiedlich organisieren dann koumlnnen sich mit der Zeit quasi unabhaumlngige Lagerhaltun-gen etablieren weil jede Schicht die Materialien nur nach dem eigenen System ausgibt
3 Vermeidung von Fehlern Jeder Mitarbeiter hat bei jedem Arbeitsschritt fuumlr absolute Qualitaumlt zu sorgen Das heiszligt nur bdquogute Teileldquo werden an den naumlchsten Prozessschritt weitergegeben Bei automatisierten Prozessen werden beim Erkennen fehlerhafter Teile die Maschinen durch Sensoren automatisch gestoppt Dieser Vorgang nennt sich im Japanischen bdquoPoka Yokeldquo auf Deutsch bdquounbeabsichtigte Fehler vermeidenldquo Zu Beginn der Einfuumlhrung dieses Systems wurde die Produktion bei Toyota sehr haumlu-fig gestoppt Als es sich dann aber etabliert hatte gingen diese Stoppvorgaumlnge stark zuruumlck Die Mitarbeiter waren fuumlr die Qualitaumlt in den Prozessen sensibilisiert Sie hatten erkannt dass die gesamte Produktion von jedem einzelnen kleinen Schritt abhaumlngt und jeder seinen Beitrag so gut wie moumlglich leisten muss
4 Verbesserung der Produktionsanlagen Die Arbeiter in der Produktion werden war-tungstechnisch geschult und sind dadurch in der Lage Stoumlrungen weitestgehend selbst zu beheben Erst wenn dies nicht in einem bestimmten Zeitraum moumlglich ist greift eine zentrale Wartungseinheit ein Im Japanischen wird diese Methode als bdquoJidokaldquo bezeichnet Die Mitarbeiter erkennen dass die weitgehende Fehlerlosigkeit der Pro-zesse ihre eigenen Taumltigkeiten angenehmer und schneller macht Dadurch haben sie ein hohes Eigeninteresse an der Vermeidung von Stoumlrungen und achten selbststaumlndig auf die Funktionstuumlchtigkeit und den Zustand aller Maschinen in ihren Prozessen Es
1921 Lean Management
findet eine Art vorbeugende Instandsetzung statt diese wird auch als Total Productive Maintenance (TPM) bezeichnet Die Verbesserung der Produktionsanlagen findet kon-tinuierlich statt Dieses sogenannte Kaizen ist in den westlichen Industrien als kontinu-ierlicher Verbesserungsprozess (KVP) bekannt
5 Miteinbeziehung und Qualifizierung der Mitarbeiter Die Ideen und Verbesserungs-vorschlaumlge der Mitarbeiter werden sehr ernst genommen und ihr intellektuelles Poten-zial wird vollstaumlndig ausgeschoumlpft Es wird davon ausgegangen dass die Mitarbeiter Aufgabenstellungen umso besser annehmen je mehr sie qualifiziert und geschult wer-den Durch diese Maszlignahmen wird das Potenzial der Mitarbeiter vergroumlszligert auszligerdem dokumentiert das Unternehmen sein Interesse an der Entwicklung der Mitarbeiter Dem Unternehmen ist bewusst dass es die Investitionen in die Mitarbeiter sichern muss deshalb bietet es ihnen die Moumlglichkeit sich sowohl persoumlnlich als auch im Unterneh-men weiterzuentwickeln Dahinter stehen zwei Praumlmissen Viele kleine Verbesserungen fuumlhren zu groszligen Erleichterungen in den Ablaumlufen und es gibt keinen perfekten Pro-zess Durch Schulungen und Qualifizierungsmaszlignahmen entwickeln die Mitarbeiter immer mehr Verstaumlndnis fuumlr den gesamten Produktionsprozess des Automobils Damit sind sie in der Lage auch bereichsuumlbergreifende Probleme zu erkennen und an deren Behebung mitzuwirken
Durch diese fuumlnf Saumlulen des TPS wird der Mitarbeiter als entscheidender Faktor in eine wirtschaftliche Produktion und qualitativ hochwertige Endprodukte involviert Den Vor-stellungen und Meinungen der Mitarbeiter beispielsweise zu der Gestaltung des Arbeits-platzes wird besondere Beachtung geschenkt Jeder Mitarbeiter wird in die Verantwortung genommen Dies zieht sowohl einen erweiterten Handlungsspielraum fuumlr jeden einzel-nen als auch die Tatsache Fehler oder Maumlngel nicht auf andere Prozessschritte schieben zu koumlnnen mit sich Im Ergebnis wird auf diese Art die Experimentierfreudigkeit ndash der Grundstein fuumlr eine lernende Organisation ndash stimuliert
7 Wertschoumlpfende Taumltigkeiten Aktivitaumlten oder auch Nutzleistungen die aus Sicht des Kunden schon bei erstmaliger Ausfuumlhrung zu einer Wertsteigerung des Produktes fuumlhren Diese Aktivitaumlten sind geplant und stetig zu optimieren damit die Kundenanforderung vollstaumlndig und wirtschaftlich erfuumlllt werden kann Beispiele fuumlr wertschoumlpfende Taumltig-keiten Konstruktion Montage oder Maszlignahmen zur Erhoumlhung des ideellen Wertes des Produktes (Marketing)
7 Nichtwertschoumlpfende Taumltigkeiten Aktivitaumlten oder auch Blind- und Fehlleistungen die ungeplant sind und weder direkt noch indirekt zu einer Wertsteigerung des Produktes fuumlhren Ein Kunde erachtet diese Taumltigkeiten als nicht wesentlich und ist nicht bereit dafuumlr zu zahlen Im Rahmen der Prozessoptimierung sind diese Aktivitaumlten auf ein Mini-mum zu reduzieren Beispiele sind Zwischenlagerung Mehrfacharbeit Fehler in der Pro-duktion oder Nacharbeit
20 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
7 Nichtwertschoumlpfende aber notwendige Taumltigkeiten (Stuumltzleistungen) Aktivitaumlten die nur indirekt zur Wertsteigerung des Produktes fuumlhren indem sie wertschoumlpfende Taumltigkeiten unterstuumltzen Diese Aktivitaumlten sind auf das fuumlr die Organisation notwendige Minimum zu reduzieren Beispiele sind Ruumlstzeiten Genehmigungen von Unterschriften oder das Erstellen von Statistiken im Unternehmenscontrolling
Die Reduktion von Verschwendung bildet das Fundament des Produktionssystems von Toyota Mit einem Buumlndel aus den Grundsaumltzen Methoden und Werkzeugen wird ein systematischer Ansatz zur Beseitigung von nichtwertschoumlpfenden Faktoren (auch bdquomudaldquo genannt ndash Japanisch fuumlr Verschwendung) verfolgt um einen kontinuierlichen Fluss zu er-moumlglichen Was verhindert in der Praxis den kontinuierlichen Produktionsfluss
Klassischerweise kann man hier einige wenige Beispiele fuumlr bdquomudaldquo anfuumlhren Es wird mehr produziert als tatsaumlchlich gebraucht wird Mitarbeiter warten auf ihren Einsatz und sind dabei untaumltig uumlberfluumlssige Taumltigkeiten werden ausgefuumlhrt oder es fallen Nacharbeiten an Abb 22 komplettiert die Arten der Verschwendung Hervorzuheben ist besonders dass auch die nicht genutzte geistige Kapazitaumlt der Mitarbeiter als Verschwendung ver-standen wird Haumlufig sind es naumlmlich verschiedene Teile der Belegschaft an der Basis die schon lange wissen was falsch laumluft und wie man das Problem loumlsen koumlnnte Wenn dieses Wissen nicht genutzt wird wird eine Menge an potenzieller Wettbewerbsfaumlhig-keit verschwendet Eklatant wird es dann wenn kommunizierte Verbesserungshinweise seitens der Mitarbeiter vom Managementder Unternehmensleitung konsequent ignoriert werden In der Regel verlassen enttaumluschte Mitarbeiter irgendwann das Unternehmen und suchen ihr Gluumlck bei einem anderen Arbeitgeber Das Unternehmen ist doppelt bestraft
Bewegung
Uumlberfluumlssige koumlrperliche mentale Bewegung die keinen Mehrwert bietet Verschwendung
Wartezeiten
Mitarbeiter sind untaumltig waumlhrend sie auf ihren Einsatz im Prozess warten
Uumlberproduktion
Mehr produzieren als der Kunde nachfragt
Intellekt
Den intellektuellen Beitraggeistige Res-sourcen der Mitarbeiter nicht nutzen
Nacharbeit
Nachbearbeiten oder Korrekturen ausfuumlhren
Transport
Produkte mehrfach von Ort zu Ort hin- und her-transportieren
Ausschuss
Produkte weichen in der Qualitaumlt zu stark vom vorgegebenen Standard ab
Lager
Herstellen und lagern von Dienstleistungen Produkten die der Kunde nicht bestellt hat
Abb 22 Verschwendung
2121 Lean Management
Zum einen wird das kostbare Wissen des Mitarbeiters nicht genutzt und zum anderen geht es letztendlich voumlllig verloren ndash nicht zu vernachlaumlssigen sind auszligerdem die durch das Verhalten des frustrierten Mitarbeiters bei den restlichen Kollegen und Kolleginnen hervorgerufenen Folgeschaumlden
Kaum ein Automobilkonzern hat nicht versucht Teile des Produktionssystems von Toyota umzusetzen In zahlreichen Statistiken belegte Toyota hinsichtlich der Kriterien Qualitaumlt Zuverlaumlssigkeit und Preis-Leistungs-Verhaumlltnis erste Plaumltze Erst in den letz-ten Jahren musste Toyota die Position des Weltmarktfuumlhrers aufgrund von klemmenden Gaspedalen und rutschenden Fuszligmatten zunaumlchst abgeben Mehr als 10 Mio Fahrzeuge wurden zuruumlckgerufen ndash der Imageschaden war enorm und die Verkaumlufe brachen ein ob-wohl viele der Vorfaumllle sich spaumlter als Fahrfehler entpuppten Im Jahr 2011 litt das dichte Produktionsnetz von Toyota zusaumltzlich unter einer Flut in Thailand dem starken Yen und insbesondere unter der Erdbeben- Tsunami- und Atomkraftwerkkatastrophe von Fukus-hima ndash trotzdem kaumlmpfte sich der Konzern fuumlr das Jahr 2012 an die Weltspitze zuruumlck Worauf ist diese einmalige Erfolgsgeschichte von Toyota zuruumlckzufuumlhren Warum gelang es fast keinem anderen Unternehmen die Leistungsfaumlhigkeit des Produktionssystems von Toyota abzubilden
7 Kaizen Prinzip der staumlndigen Verbesserung Der Weg zum Erfolg ist keine sprung-hafte Innovation sondern die schrittweise OptimierungPerfektionierung des Prozesses und damit letztendlich des Produktes Durch den Einsatz der Kaizen-Philosophie gelang es dem Zusammenschluss der weltweit groumlszligten Hersteller von Dichtungsmaterialien der Freudenberg-NOK General Partnership (FNGP) in einem Werk in Ligonier Indiana die Produktivitaumlt in vier Jahren um 991 zu steigern bei einer gleichzeitigen Reduktion der dafuumlr benoumltigten Flaumlche um 48
7 Poka Yoke Prinzip fuumlr technische Vorkehrungen bzw Einrichtungen zur sofortigen Fehleraufdeckung und -vermeidung Ein sehr einfaches Beispiel fuumlr Poka Yoke ist der Einbau einer Fotozelle uumlber den Teilebehaumlltern eines Arbeitsplatzes Diese Zelle registriert die Entnahme eines Teils Wenn ein Mitarbeiter sein Werkstuumlck weitergibt ohne dass das entsprechende Teil entnommen wurde leuchtet eine Lampe auf und weist ihn auf das Ver-sehen hin
7 Just-in-time-Prinzip Punktgenaue Lieferung der Rohstoffe bzw Produkte in der angeforderten Qualitaumlt zum gewuumlnschten Ort stets in der gewuumlnschten Menge und zu dem Zeitpunkt an dem das Material gebraucht wird Durch die Anwendung des Just-in-time-Prinzips konnte der US-amerikanische PC-Hersteller Dell sein Lager im Jahr 2001 bei halb so hohen Betriebskosten 64-mal umschlagen und damit 50-mal haumlufiger als der naumlchstbeste Konkurrent
7 Kanban Methode der Produktionsablaufsteuerung Nach dem bdquoPull-Prinzipldquo orien-tiert sich die Materialausstattung ausschlieszliglich an den Beduumlrfnissen des entsprechenden
22 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
Prozessschrittes Unter Beruumlcksichtigung dieses Ansatzes entwickelte der US-Hersteller von Flugzeugtriebwerken Pratt amp Whitney eine neue Anlage zum Schleifen von Turbinen-schalen Das neue Aggregat verkuumlrzte die Durchlaufzeit um 99 und die Umruumlstzeit von Stunden auf Minuten und das bei um 50 geringeren Produktionskosten
7 Total Productive Maintenance (TPM) System zur Vermeidung von Betriebsstoumlrungen in den Prozessen Ziel ist das Erreichen von null Defekten null Ausfaumlllen und null Un-faumlllen Durch die Anwendung dieses Lean-Grundsatzes gelang es der US-Versicherungs-gesellschaft Jefferson Pilot Financial (JPF) ihre Ablaumlufe zu optimieren Die Arbeitskosten pro Versicherungspolice gingen um fast 30 zuruumlck und die Anzahl der nachzuarbeiten-den Policen sank um 40
Quellen Womack und Jones (2004) S 36 78 111 Drew et al (2005) S 19 ff
214 Die Weiterentwicklung zu Lean Management
Das Interesse am bdquoTiger Woodsldquo der schlanken Form in der Produktion und Unterneh-mensfuumlhrung wuchs im Westen vehement Dies lag im Wesentlichen am stetig ansteigen-den Wettbewerbsdruck in der Automobilindustrie und an der schlichten Tatsache dass das japanische Erfolgsgeheimnis einem Mysterium glich ndash es war fuumlr die westliche Welt unmoumlglich die Essenz des Produktionssystems nachzuvollziehen (vgl Ohno 1993 S 10) Dies aumlnderte sich mit dem Jahr 1975 als Toyota die eigens entwickelte Vorgehensweise erstmals ins Englische uumlbersetzte und damit weltweites Interesse auf sich zog Bis dato verloren die US-amerikanischen und europaumlischen Automobilhersteller unaufhaltsam Marktanteile Die gleichen Methoden die bei Volkswagen in den USA versagten schie-nen bei Toyota Nissan und Honda glaumlnzend zu funktionieren Die Produktionsmengen der japanischen Hersteller uumlberstiegen die erreichten Stuumlckzahlen der westlichen Hersteller deutlich ndash die Japaner setzten neue Maszligstaumlbe im Wettbewerb Ab 1979 evaluierte das amerikanische Massachusetts Institute of Technology (MIT) systematisch das Erfolgsre-zept von Toyota So wurde der deutliche Vorsprung der japanischen Unternehmen auf die unternehmensumfassende Anwendung von Synchronisation Verschwendungsreduktion Miteinbeziehung der Mitarbeiter Standardisierung Fehlervermeidung und Kundenorien-tierung zuruumlckgefuumlhrt Diesen japanischen Ansatz der sich klar auf organisationsuumlber-greifende Strukturen bezog griffen viele westlichen Unternehmen auf haumlufig ohne ihn zu begreifen Die eher funktional und damit vertikal strukturierte westliche Organisations-natur kollidierte mit der eher horizontal gepraumlgten Wertstromperspektive der Japaner Das Resultat war eine Weiterentwicklung des Produktionssystems von Toyota Die Begriff-lichkeit bdquoleanldquo wurde erstmals in der Buchpublikation bdquoThe Machine That Changed The World The Story of Lean Productionldquo von J Womack D Jones und D Roos im Jahre 1990 verwendet Dies markierte den Durchbruch des japanischen Produktionsansatzes und die Geburt des bdquoLean Managementsldquo Im Ergebnis entwickelten sich fuumlnf Maxime des Lean Managements
2321 Lean Management
1 Proaktives Denken Die zukuumlnftigen Handlungen des Unternehmens werden voraus-schauend durchdacht und gestaltet Dies laumlsst sich heute beispielsweise bei Toyota im Zusammenhang mit der Hybridtechnik beim Fahrzeugbau erkennen Der Konzern begann bereits vor etlichen Jahren mit der Planung und Entwicklung von umweltver-traumlglicheren Fahrzeugen und besitzt deshalb einen groszligen Vorsprung vor der westlichen Konkurrenz
2 Sensitives Denken Die Umwelt und die Bereitschaft auf Aumlnderungen dieser zu reagieren wird sensibel beobachtet Hier ist ebenfalls der Vorsprung Toyotas in der Hybridtechnik ein gutes Beispiel Der Konzern hat die zukuumlnftigen Beduumlrfnisse der Nachfrager fruumlhzeitig erkannt und bereits 1997 in Japan mit dem Prius den ersten Serien-Hybrid-Pkw der Welt auf den Markt gebracht
3 Ganzheitliches Denken Das Unternehmen wird immer als Ganzes in aller Komplexi-taumlt betrachtet So wurde beispielsweise bei dem Turbinenhersteller Pratt amp Whitney erst nach vielen Jahren erkannt dass 90 des Titans und Nickels im Wertschoumlpfungspro-zess Ausschuss waren Grund hierfuumlr war dass keines der vier beteiligten Unternehmen ndash das Schmelzwerk der Schmiedebetrieb der Fertigbearbeiter und das Endmontage-werk ndash seine Aktivitaumlten den anderen dreien transparent gemacht hatte Dadurch wurden teilweise Arbeiten doppelt ausgefuumlhrt und die Unternehmen beachteten die Anspruumlche der jeweils anderen nicht (Vgl Womack et al 2004 S 29)
4 Potenzialdenken Alle zur Verfuumlgung stehen Ressourcen werden erschlossen und genutzt Ein Unternehmen sollte Freiraumlume bieten und Innovationen auf allen Ebenen foumlrdern So bietet Siemens seinen Mitarbeitern einen finanziellen Bonus fuumlr jede Inno-vation und jeden Verbesserungsvorschlag der umgesetzt wird Egal ob sie die direkte Abteilung des Mitarbeiters betreffen oder bdquouumlber den Tellerrandldquo hinausgehen
5 Oumlkonomisches Denken Es wird sparsam gewirtschaftet und Verschwendung wird vermieden Dafuumlr sollte ein Unternehmen beispielsweise den gesamten Wertschoumlp-fungsprozess mittels einer ValueStreamMap (Instrument der Prozessanalyse ndash eine gra-phisch-schematische Darstellung der Wertschoumlpfungsfluumlsse eines Prozesses) betrachten und an allen Stellen nach Verschwendung und Ausschuss Ausschau halten Ein Vorbild hierfuumlr ist die rigorose Kostenpolitik des US-Industrieunternehmens 3M in den 1980er- und 1990er-Jahren
Bei der Umsetzung des Lean Managements in westlichen Unternehmen wie Ford und General Motors kam es jedoch wie bereits erwaumlhnt zu Komplikationen Viele Manager verfielen dem Irrtum bdquoschneller ist billigerldquo Dies hatte zur Folge dass die Qualitaumlt der Produkte litt und Lean Management bis heute stets in Verbindung mit Kostensenkung und Personalabbau gebracht wird Schon damals lieszligen Unternehmen auszliger Acht dass das Wissen der Mitarbeiter und deren Motivation in das Zentrum der Verbesserung geruumlckt werden muumlssen Der japanische Ansatz ist eine Unternehmensphilosophie und kein simp-les Managementinstrument zur Kostensenkung Die Diskrepanz zwischen dem Verstehen einer Methodik und der Faumlhigkeit diese im Unternehmen zu leben war groszlig
24 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
Beispiel Porsche AGEines der besten Beispiele fuumlr die erfolgreiche Umsetzung des Lean Managements ist die Porsche AG Anfang der 1990er-Jahre hatte Porsche groszlige wirtschaftliche Schwie-rigkeiten Die Kostenstruktur war katastrophal das Unternehmen litt massiv unter Ab-satzproblemen und galt als exponierter Uumlbernahmekandidat Kurz nachdem Wendelin Wiedeking 1991 Vorstandsvorsitzender von Porsche wurde fuhr er mit Fuumlhrungskraumlf-ten und Meistern aus der Fertigung nach Japan um in den bdquobesten Fabriken der Weltldquo ndash bei Toyota ndash zu lernen genauso wie Eiji Toyoda ein halbes Jahrhundert zuvor den Weg von Japan nach Detroit angetreten hatte Wiedeking und sein Gefolge erkannten dort dass das Zuffenhausener Unternehmen weit von der Weltklasse des Automobil-baus entfernt war und dass bdquohellip nur eine japanischere Porsche AG eine Zukunft hatldquo (Froitzheim 2007 S 144)
Durch die mitgereisten Meister wurden die Erkenntnisse direkt in die Produktions-hallen von Porsche uumlbertragen Es wurde groszliger Wert auf die Verschwendungsvermei-dung gelegt Ein weiterer Schluumlssel zu Porsches Comeback war die Miteinbeziehung der Mitarbeiter Innerhalb weniger Monate wurden bei Porsche mehrere Hierarchie-stufen abgebaut um das Unternehmen flexibler zu machen Die Lagerhaltung wurde durch Just-in-time-LieferungenProduktion deutlich reduziert
Eines der Kernelemente der Sanierung war die Qualitaumltsoffensive die durch Wiede-king gestartet wurde Um die Notwendigkeit dieser Maszlignahme zu untermauern wur-den die Kosten fuumlr die Fehlerbehebung an den verschiedenen Stellen der Produktion geschaumltzt Heraus kamen beeindruckende Zahlen die der Belegschaft die Notwendig-keit der Reformen zeigten Kostete die Fehlerbehebung am Montageband einen Euro kostete sie am Bandende schaumltzungsweise bereits zehn Euro in der Nachbearbeitungs-zone 100 euro und als Garantieleistung beim Haumlndler 1000 euro Am 27 Juli 1994 war es dann so weit In Zuffenhausen rollte der erste fehlerfreie Porsche Carrera vom Band die Mechaniker in der Nachbearbeitungszone hatten das erste Mal in der Geschichte von Porsche eine bezahlte Pause waumlhrend ihrer normalen Arbeitszeit (Vgl Womack et al 2004 S 223 ff)
Gerade bei einem Premiumhersteller wie Porsche stellt es ein Problem dar dass sich die bdquonormalenldquo Mitarbeiter kaum ein Fahrzeug aus der eigenen Produktion leisten koumlnnen Um die Mitarbeiter enger an das Unternehmen zu binden wurde es ihnen er-moumlglicht einen Porsche kostenlos fuumlr besondere Anlaumlsse auszuleihen
Wiedeking schaffte es Porsche innerhalb weniger Jahre wieder profitabel zu ma-chen (vgl Froitzheim 2007 S 142 ff) Aus der Umstrukturierung ging im August 1994 auch eine neue Tochtergesellschaft hervor die Porsche Consulting GmbH Heute zaumlhlt das Beratungshaus mit uumlber 400 Mitarbeitern zu den namhaften Adressen in der Prozess- und Organisationsberatung Auch beim neuen Eigentuumlmer von Porsche aus Wolfsburg hat der Gedanke des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) ver-mehrt Einzug gehalten Bereits Ende 2007 wurden bei VW die ersten KVP-Modera-toren und KVP-Trainer ausgebildet Bei dem Konzernunternehmen Audi hat es von 2005 bis 2007 bereits mehr als 1000 KVP-Workshops gegeben (vgl Freitag 2007
2521 Lean Management
S 42 ff) In den Workshops wird den Fuumlhrungskraumlften innerhalb weniger Tage die zentrale Bedeutung der kontinuierlichen Produktivitaumltsverbesserung durch qualifizier-te KVP-Trainer vermittelt
Die Methodik sei im Folgenden kurz beschrieben Sie basiert auf den in Abb 23 ver-anschaulichten fuumlnf Prinzipien des Lean Managements Wert spezifizieren Wertstrom identifizieren Flow etablieren Pull implementieren und Vorgehensweise perfektionieren
1 Wert spezifizieren Zunaumlchst wird die Wertschoumlpfung im Hinblick auf spezifische Produkte die zu einem bestimmten Preis einem spezifischen Kunden angeboten wer-den konkret definiert Dabei kann es sich um die Sammlung von Kundenaussagen zur Qualitaumlt der erhaltenen Produkte oder Dienstleistungen handeln Aus diesen oft pauschalen undifferenzierten und unzureichend spezifizierten Aussagen werden die qualitaumltskritischen Anforderungen des Kunden definiert und daraus Messgroumlszligen fuumlr die Kundenzufriedenheit abgeleitet Das Ziel sind kundenorientierte Geschaumlftsprozesse basierend auf einem oumlkonomischen Wertschoumlpfungsfluss
2 Wertstrom identifizieren Dann werden durch die Anwendung einer graphisch-sche-matischen Darstellung der Wertschoumlpfungsfluumlsse ndash das Value Stream Mapping (VSM) ndash nicht nur die wertschoumlpfenden und nichtwertschoumlpfenden Prozessschritte sondern auch die Bearbeitungszeit pro Schritt identifiziert Damit wird ein umfassender Prozessuumlber-blick generiert und der Material- und Informationsfluss eines Produktes sichtbar gemacht
3 Flow etablieren Jegliche nichtwertschoumlpfenden Aktivitaumlten wie Zwischenlagerungen Warteschlangen oder Maschinenruumlstzeiten sind zu vermeiden Das Ziel dieses dritten Lean-Prinzips ist die Reduzierung des bdquoBestandsldquo im Prozess (Work in Process ndash WIP) Nur so kann der Lean-Gedanke ndash ein Fluss ohne Unterbrechung in der Wertschoumlpfung ndash etabliert werden
2
3
1
5
4
Lean-Prinzipien
Wert spezifizieren
Wertstrom identifizieren
Flowetablieren
Pullimplementieren
Vorgehen perfektionieren
Abb 23 Die Prinzipien des Lean Managements
26 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
4 Pull implementieren Dieser Abschnitt beschreibt die korrekte Bedarfsspezifikation ndash den Einklang zwischen Kundennachfrage und Produktangebot Erst wenn der Kunde Bedarf signalisiert bekommt er das was er benoumltig dann wann er es benoumltigt Jeder Prozessschritt im Wertestrom bdquoziehtldquo die Ware von dem vorhergegangenen Prozess-schritt In der Konsequenz bedeutet dies dass wenn ein Prozessschritt stoppt alle nachfolgenden Schritte anhalten
5 Vorgehen perfektionieren Zur Etablierung des Lean-Gedankens im Unternehmen sollten die Aktivitaumlten regelmaumlszligig uumlberpruumlft werden Die Standardisierung der Arbeit vereinfacht dies Ziel ist die Eliminierung von Verschwendung durch kontinuierli-che Verbesserungsinitiativen damit alle Aktivitaumlten wertschoumlpfend fuumlr den Kunden sind Dieser Anspruch manifestiert sich haumlufig in der Anwendung der 5 S (Sortieren Sichtbarmachen Saumlubern Standardisieren Stabilisieren vgl Abschn 33510) ndash grundlegende Instrumente fuumlr eine nachhaltige und kontinuierliche Implementierung des perfekten Wertschoumlpfungsprozesses mit dem perfekten Wert fuumlr den Kunden
Der perfekte Wert wird durch so schnelle reibungslose produktive und konstante Arbeit wie moumlglich charakterisiert Dieser Fluss wird durch die richtige Anwendung der Lean-Werkzeuge und der beschriebenen fuumlnf Prinzipien erreicht Im Ergebnis bringt die Metho-dik das Unternehmen zum Ziel der Perfektion und die Prinzipien sorgen dafuumlr dass es dort bleibt
In den 1990er-Jahren wurde aus dem Toyota Produktionssystem und dem Lean Ma-nagement das Total Quality Management (TQM) abgeleitet ndash bdquoQuality is the most im-portant factor in businessldquo (George 2002 S 15)ndash und damit als Systemziel integriert und langfristig garantiert TQM baut daruumlber hinaus auf die umfangreiche Unterstuumltzung der Mitarbeiter um die Unternehmensziele zu erreichen Durch diese Entwicklung trat die Qualitaumltsbedeutung innerhalb von schlanken Prozessen in den westlichen Unternehmen schlieszliglich in den Vordergrund Auch Toyota begann das TQM unter dem Namen bdquoTotal Quality Controlldquo anzuwenden Zu den wesentlichen Prinzipen der Total-Quality-Manage-ment-Philosophie gehoumlren
bull Die Qualitaumlt orientiert sich am Kunden Der Ausgangspunkt aller Produktionstaumltigkeit ist der Endkunde Das Produkt muss ihm gefallen Es sollte kein qualitativ noch so hochwertiges Gut ohne Marktfaumlhigkeit produziert werden
bull Die Qualitaumlt wird mit Mitarbeitern aller Bereiche und Ebenen erzielt Die Qualitaumlt muss bereits in den Prozessen erreicht werden und nicht durch aufwaumlndige und verschwen-derische Qualitaumltskontrollen am Endprodukt Das Beispiel Porsche hat gezeigt dass dadurch bedeutende Einsparungen moumlglich sind
bull Die Qualitaumlt umfasst mehrere Dimensionen die durch Kriterien operationalisiert wer-den muumlssen Die zu erzielenden Werte muumlssen definiert und die Qualitaumlt muss messbar gemacht werden Es ist bekannt das messbare Ereignisse und Phaumlnomene dem Be-trachter schneller und besser verstaumlndlich werden als nicht messbare
2721 Lean Management
bull Die Qualitaumlt ist kein Ziel sondern ein nie zu Ende gehender Prozess Es gibt keine bdquoendguumlltigeldquo Qualitaumlt und keinen bdquoperfektenldquo Prozess Der perfekte Prozess sollte zwar immer das Ziel sein es muss aber klar sein dass dieser nie erreicht werden kann
bull Die Qualitaumlt bezieht sich nicht nur auf Produkte sondern auch auf Dienstleistungen rund um das Produkt Zu einem qualitativ hochwertigen Produkt gehoumlrt auch ein quali-tativ hochwertiger Service Groszlige Telekommunikationsunternehmen zeigen leider haumlu-fig dass dieser Grundsatz dort nicht woumlrtlich genommen wird Jeder Leser wird schon einmal bei einem der Callcenter angerufen und sich uumlber die schlechte Behandlung und mangelhafte Beratung geaumlrgert haben Die Produkte selbst hingegen sind meistens qualitativ hochwertig
bull Die Qualitaumlt setzt aktives Handeln voraus und muss stets erarbeitet werden Sie entsteht nicht ohne Arbeit Bei der Porsche AG hat es knapp vier Jahre gedauert bis der erste fehlerfreie Porsche Carrera vom Band lief Diesen Qualitaumltsstandard zu erreichen und zu halten ist sehr aufwaumlndig und nicht von heute auf morgen zu schaffen (Vgl Zink 2004 S 187 f)
Ein Lean-Management-Grundsatz besagt bdquoProducing people before producing partsldquo (Toumlpfer 2009 S 139) Es brauchte Zeit bis die westlichen Unternehmensfuumlhrer diese Auf-fassung internalisiert hatten Abb 24 zeigt wie Lean Management in verschiedenen Wirt-schaftszweigen erfolgreich eingesetzt werden konnte Lean Management umfasst nicht nur den integrierten und konsequenten Einsatz von Methoden und Maszlignahmen zur ef-fizienten Gestaltung der Wertschoumlpfungskette sondern stellt neben den Ergebnisgroumlszligen wie Qualitaumlt Kosten und Durchlaufzeit den Mitarbeiter und den Kunden als essenzielle Puzzleteile in den Mittelpunkt der Lean-Management-Philosophie
Schiffsbau
Raumfahrt
Konsumguumlter
High Tech
Industrieprodukte
Autoherstellung Toyota Mode
Medizinische Geraumlte
Upstream EampP
Chemische Industrie
Pharma Industrie
Zellstoff und Papier
Nahrungsmittel- produktion
Hotel- undGaststaumlttengewerbe
Consulting Banking
Fluggesellschaften
Eisenbahn
Versicherungen
Einzelhandelsgeschaumlfte
Schiffsflotte und Wartung
Krankenhaumluser
Anwaltskanzleien
Dienstleistungs- sektor
Verarbeitende Industrie
Produzierendes Gewerbe
Abb 24 Die Entwicklung des Lean Managements (Quelle Dahm und Haindl 2011 S 65)
28 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
22 Six Sigma
221 Einfuumlhrung
Bei Emirates der Airline aus den Vereinigten Arabischen Emiraten ist es moumlglich die Start- und Landephase aus verschiedenen Kameraperspektiven zu beobachten Die an-gebrachten Kameras lassen erahnen welchen eindrucksvollen Ausblick die Piloten ge-nieszligen duumlrfen Mit einer externen Kamera am Boden des Fliegers wird der Flug aus der Vogelperspektive verfolgt Damit werden in der Regel die Hochgebirgsformationen in Asien ein Blick auf die kuumlnstliche Inselgruppe bdquoThe Worldldquo oder der Landeanflug im Haumluserwald von Satildeo PauloCongonhas zum Highlight ndash was wohl weniger auffaumlllt sind die Reifenspuren der Flugzeuge auf den Landebahnen Es sind unzaumlhlige schwarze Fle-cken und Streifen die beim Aufsetzen des Flugzeuges scheinbar zufaumlllig an den Enden der Landebahnen verteilt sind (vgl Kroslid 2003 S 11 f) Bemerkenswert jedoch ist dass je-dem Piloten immer dieselbe Zielkoordinate kommuniziert wird Jedes Flugzeug versucht exakt auf der gleichen Zielkoordinate aufzusetzen Aufgrund unterschiedlicher Wetterver-haumlltnisse variierender Bordeinstellungen und individueller Bedienung durch den Piloten kommt es zu Abweichungen vom Zielpunkt Wenn man sich an die Beinahe-Katastrophe des Lufthansa-Jets am Hamburger Flughafen aus dem Jahr 2008 erinnert wird ersichtlich wie erheblich die Abweichungen sein koumlnnen Dies hat nicht nur Auswirkungen auf Rei-sende die bei widrigen Wetterverhaumlltnissen eine ungemuumltliche Landung erleben sondern ndash uumlbertragen auf den Wirtschaftsalltag ndash auch fuumlr Unternehmen Six Sigma verfolgt eben-so wie andere Konzepte aus dem strategischen Management das Ziel der operationalen Exzellenz Es unterscheidet sich aber dadurch dass Variation ndash die Abweichung von der Zielkoordinate auf der Landebahn ndash als eine ernst zu nehmende Bedrohung fuumlr das Unter-nehmen betrachtet wird Die Anforderung Variation mit der gleichzeitigen Verbesserung der Durchschnittsleistung zu reduzieren bezeichnete Jack Welch ndash der prominenteste Vir-tuose der Six-Sigma-Methodik ndash als bdquoKrieg gegen Fehlerldquo
222 Von der Messmethode bdquo6σldquo zum Konzept bdquoSix Sigmaldquo
Nehmen wir an dass wir uns im Finale des Ryder Cup ndash des bedeutendsten Golfmann-schaftsturniers der Welt ndash befinden Nach drei Tagen mit etlichen Partien uumlber 18 Loch stehen die letzten Schlaumlge zwischen den Teams aus Europa und den Vereinigten Staaten an Wenn sich die Golfer den letzten und entscheidenden Ball sorgfaumlltig auf das Tee beim Abschlag legen und das mehrere Hundert Meter entfernte 108 cm breite Zielloch mit einem Probeschwung anvisieren ist es mehr als schmerzlich dann das Gruumln am Ende des Fairways zu verfehlen Die jetzt drohenden Schlaumlge beispielsweise aus dem Bunker sind umstaumlndlich und lassen ein Birdie und womoumlglich auch den Gesamtsieg in weite Ferne ruuml-cken Trotz aller Hindernisse auf einem Golfcourse geht das Verfehlen des Loches mit dem ersten Schlag bis zu einem gewissen Maszlig aber in Ordnung Das zulaumlssige Toleranzniveau
2922 Six Sigma
wird durch die Groumlszlige des zu bespielenden Gruumlns ndash des Zielbereichs beim Golf wo der Ball nicht durch die Luft sondern mit dem Putter uumlber den Rasen in Richtung Loch geschlagen wird ndash definiert In diesem Bereich naumlhert sich der Golfer Schlag fuumlr Schlag seinem Ziel
Uumlbersetzt in die Six-Sigma-Sprache bedeutet die Analogie zum Golfsport dass der Flug des Balles ndash vom Abschlag bis zum Einlochen ndash der zu optimierende Prozess im Unternehmen ist Das Einlochen ist demnach ein erfolgreicher Prozess ndash die Kunden-anforderung wurde vollstaumlndig und ohne Fehler erfuumlllt Ein Fehler im Prozess fuumlhrt dazu dass der abgeschlagene Ball nicht direkt im Loch landet Die Kundenerwartung wurde also nicht erreicht ndash so wie der Golfer das Turnier verliert kann auch das Unternehmen einen wichtigen Kunden verlieren Fehler oder Abstriche hinsichtlich der Qualitaumlt toleriert der Kunde nur in einem begrenzten Maszlige welches uumlber die Groumlszlige des Gruumlns definiert ist Six Sigma besitzt den Anspruch die Gruumlnde fuumlr das Verfehlen des Loches zu evaluieren um sie anschlieszligend zu vermeiden Die wesentlichen Maszlignahmen des Six-Sigma-Ansat-zes um dieses Ziel zu erreichen verdeutlicht Abb 25
1 Erstens sollen die Schlaumlge die das Loch nicht auf Anhieb treffen auf dem Gruumln und nicht im Wasser Sand oder auf ungepflegtem Gelaumlnde bdquoplatziertldquo werden ndash das Ziel ist die Reduzierung der moumlglichen Streuung beim Abschlag Fuumlr einen Prozess im Unter-nehmen bedeutet dies dass nur sehr aumlhnliche Fehler auftreten und diese vom Zielwert nicht sonderlich stark abweichen ndash die Realitaumlt sieht haumlufig anders aus
2 Zweitens koumlnnte deswegen eine Erfolgsmaszlignahme getroffen werden indem ein groumlszlige-res Gruumln gewaumlhlt wird ndash der Toleranzbereich fuumlr Fehlschlaumlge oder Fehler im Prozess wuumlrde dadurch erweitert werden Die Grundlage fuumlr die Vergroumlszligerung des Toleranz-bereiches ist die Kundenanforderungen zu kennen Wenn fuumlr den Milchkonsumenten
Alle Schlaumlge auf dem Gruumln
Groumlszligere Flaumlche des Gruumlns
Bessere Technik oder Ausruumlstung
3 Schritte zum Erreichen von 6σ
Six Sigma Philosophie Beispiel Essen
1 Reduzierung der Streuung
2 Vergroumlszligerung des Toleranzbereichs in Uumlbereinstimmung mit Kundenanforderungen
3 Vereinfachung der Komplexitaumlt
Abb 25 Drei Schritte zum Erreichen von Null-Fehler-Qualitaumlt (Quelle Toumlpfer 2007 S 49)
30 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
ausschlieszliglich der Geschmack und nicht die Verpackung zaumlhlt ist es zweitrangig ob das Logo des Herstellers im Herstellungsprozess immer exakt an der gleichen Stelle abgedruckt wird Haumlufig weicht ein Kunde aber nicht freiwillig von seinem Anspruch an ein zufriedenstellendes Produkt ab ndash ebenso schwer gestaltet es sich die Flaumlche des Gruumlns eines Golfplatzes einfach zu vergroumlszligern
3 Drittens bleibt nur eine effektive Verbesserung des Prozesses uumlbrig Ein typischer Six-Sigma-Anspruch ist dabei die Reduzierung von Komplexitaumlt Dies bedeutet dass ent-weder der Prozess oder das eingesetzte Instrument veraumlndert bzw vereinfacht wird Auf dem Golfplatz ist also eine geschicktere Abschlagtechnik oder eine modernere Schlaumlgerausruumlstung Voraussetzung dafuumlr dass die Spielererwartung erfuumlllt wird
Das Kernelement aller Six-Sigma-Projekte ist eine Prozessoptimierung die zum Ziel hat dass nur noch 34 Fehler pro einer Million Fehlermoumlglichkeiten (Defects per Million Op-portunities ndash DPMO) auftreten Dies entspricht einer Qualitaumlt von 999997
In unserem Beispiel wuumlrde dies bedeuten dass das 6σ-Niveau erreicht ist wenn man eine Million Mal den Golfball abschlaumlgt und dabei nur in 34 Faumlllen das Ziel verfehlt ndash also 999997 Mal ein Hole-in-one schlaumlgt Selbst Martin Kaymer der nervenstark dem europaumlischen Team zum prestigetraumlchtigen Titel des Ryder Cup 2012 verhalf wird eine solche Erfolgsquote nicht erreichen koumlnnen Das Leistungsversprechen von Six Sigma wird deutlich
In vielen Faumlllen ndash denken wir beispielsweise an die Produktion von Fallschirmen oder an Dialysegeraumlte aus der Medizintechnik ndash waumlre sogar 99-prozentige Qualitaumlt nicht aus-reichend Diese Erkenntnis fuumlhrte in der industriellen Fertigung zur Entwicklung des Six-Sigma-Ansatzes Abb 26 illustriert die Unterschiede zwischen einer 4σ- und einer 6σ-Qualitaumlt ndash der Durchschnitt der deutschen Industrie liegt bei 38 (vgl Toumlpfer 2009 S 11)
Aus der Abbildung laumlsst sich anhand der Beinahe-Unfaumllle auf europaumlischen Groszligflug-haumlfen schlieszligen dass durch ein effektives Qualitaumltsmanagement nicht die Fehler waumlhrend des Prozesses ndash oder in diesem Fall Fluges ndash behoben werden sollten sondern dass Fehler erst gar nicht gemacht werden duumlrften Bill Smith ein Produktionsingenieur des US-Tech-nologieunternehmens Motorola Inc gelangte 1986 zu dieser Schlussfolgerung nachdem er eine starke Korrelation zwischen der Lebensdauer eines tragbaren Funkempfaumlngers zur Nachrichtenuumlbermittlung ndash des sogenannten Bandit-Pagers ndash und der Haumlufigkeit von Re-paraturen im Produktionsprozess erkannte (vgl Dahm und Haindl 2006 S 81) Motorola konnte durch verbesserte Messungen genauere Datensammlungen und disziplinierte Um-setzung von statistischen Erkenntnissen bis 1990 die Ertraumlge um ca 22 Mrd US-Dollar steigern und gewann durch die verbesserte Qualitaumlt Marktanteile zuruumlck ndash der Grund-stein fuumlr Six Sigma war gelegt In diesem Zusammenhang erhielt das Unternehmen den bdquoMalcolm-Baldridge-Awardldquo ndash einen begehrten Qualitaumltspreis ndash und erreichte bis 1993 ein Prozessniveau von 6σ in vielen Fabriken (vgl Harry und Schroeder 2005 S 17) Ob-wohl dies der Durchbruch der Messmethode 6σ war ndash Unternehmen wie Allied Signal (heute Honeywell) Kodak und IBM eiferten Motorola nach und wendeten Six Sigma hauptsaumlchlich in der Produktion an ndash erreichte Six Sigma erst durch die flaumlchendeckende
3122 Six Sigma
und oumlffentlichkeitswirksame Einfuumlhrung bei General Electric im Jahr 1996 breitere Be-kanntheit Der damalige CEO des US-Konzerns Jack Welch fuumlhrte Six Sigma 1995 im gesamten Unternehmen ein und brachte es als Instrument des Strategischen Managements zur Perfektion (vgl Dahm und Hainl 2011 S 77 Toumlpfer 2009 S 48 f) Um die Methode moumlglichst schnell und nachhaltig im Unternehmen durchzusetzen forderte er dass nur die besten Mitarbeiter mit der Leitung der Six-Sigma-Projekte beauftragt werden Um die Projekte auf houmlchstem Niveau laufen zu lassen und ihre Prioritaumlt innerhalb von GE zu untermauern wurden bis zu 40 der Bonuszahlungen fuumlr die Mitarbeiter an die Er-gebnisse der Six-Sigma-Initiativen gebunden So investierte GE im ersten Jahr 200 Mio US-Dollar in die Schulungen von etwa 30000 Mitarbeitern und schon im selben Jahr wurden Kosteneinsparungen von 170 Mio US-Dollar realisiert (vgl Welch 2003 S 350) Wie in Abb 27 dargestellt erreichte GE letztendlich bilderbuchartige Rekordergebnisse steigerte den Unternehmensgewinn um 3 Mrd US-Dollar und brachte in den Jahren der Six-Sigma-Initiativen ein operatives Wachstum von 15 zustande (vgl Kroslid 2003 S 24 Dahm und Haindl 2011 S 80 Toumlpfer 2009 S 50 f) Wie war dies moumlglich
223 Die Konzeption einer Six-Sigma-Initiative
Der uumlberwiegende Teil des Werkzeugkastens von Six Sigma beinhaltet keine bahnbre-chenden Innovationen ndash erprobte Komponenten aus dem Qualitaumlts- und Projektmanage-ment werden verknuumlpft (vgl Toumlpfer 2009 S 43 f Toumlpfer 2007 S 3) Neu ist dass diese Instrumente nicht isoliert sondern in einem konzeptionellen Ablaufrahmen stringent und konsequent eingesetzt werden und auf das Ziel die praktizierte Null-Fehler-Qualitaumlt aus-gerichtet werden Fuumlr immer mehr Unternehmen schien diese Zielsetzung realistisch so-dass in der Folge viele der Six-Sigma-Begeisterung von GE nacheiferten
(Unsichere) FluglandungenAnzahl der Beinahe-Abstuumlrze aufden groumlszligten Flughaumlfen Europas
Verlorenes GepaumlckAnzahl der verlorenen Gepaumlckstuumlcke weltweit
Postauslieferung Fehllieferungen bei 300000 auszutragenden Briefen
Fernsehen Programmausfall in einer Woche TV Programm (pro Kanal)
25000 pro Monat
6pro Monat
3000 pro Tag
1pro Tag
168 Stunden
18 Sekunden
4 Sigma (993790)
6 Sigma (999997)
Proz
ess
6pro Tag
1pro Jahr
Abb 26 Unterschied zwischen Four und Six Sigma (Quelle In Anlehnung an Pande 2000 S12)
32 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
2231 Das Qualitaumltsverstaumlndnis von Six SigmaAbgesehen von der Fehlerreduzierung (Golf-Beispiel) ist die Kundenorientierung ein wei-teres Kernelement um die versprochene Qualitaumltssteigerung durch Six Sigma zu errei-chen GE interpretiert den Anspruch von hervorragender Qualitaumlt im Sinne von Six Sigma anhand der folgenden drei Aspekte (vgl Angermeier 2001 S 3)
1 Ein Fehler ist die Nichterfuumlllung eines Kundenwunsches Das Verfehlen des Loches nach dem Abschlag auf dem Gruumln beschreibt demnach die Verletzung der definierten Spezifikationsgrenze ndash das Unvermoumlgen dem Kunden das Produkt so zu liefern wie er es verlangt Diese Irritation bei dem Kunden verursacht bei allen Beteiligten unnoumltige Kosten ndash im Beispiel laumluft der Golfspieler Gefahr das Preisgeld des Turniers zu ver-lieren Die Eliminierung von Defekten fuumlhrt bei der Implementierung im Unternehmen zu einem finanziellen Benefit
2 Die Eigenschaften die der Kunde als wichtig erachtet sind qualitaumltsentscheidend Dieser zweite Aspekt uumlber den GE den Qualitaumltsanspruch definiert klingt einfach ndash er wird aber grundsaumltzlich unterschaumltzt Die Ausrichtung auf den Kunden ist ein fundamentaler Bestandteil der Six-Sigma-Philosophie Die Fokussierung ist notwendig da auch quali-tativ perfekte Waren und Dienstleistungen nur dann Absatz finden wenn der Kunde sie nachfragt So ist die Ausgangsbasis fuumlr ein Six-Sigma-Projekt die Evaluation der Kun-denanforderungen In der bdquoSix-Sigma-Spracheldquo werden sie als bdquoCritical to Qualityldquo (CtQ) bezeichnet Um CtQs zu determinieren muss die bdquoStimme des Kundenldquo die sogenannte bdquoVoice of the Customerldquo (VoC) erhoben werden (Vgl Dahm und Haindl 2010 S 175 ff)
Ein einfaches Beispiel Ein Gast bestellt ein Bier in einer Bar Ihm sind die Temperatur die Schnelligkeit der Bedienung der Geschmack und der Preis wichtig Diese Kriterien werden hier als CtQs bezeichnet Nicht so wichtig sind ihm das Herkunftsland die Optik des Etiketts und ob sich der Verschluss der Flasche aufdrehen laumlsst oder nicht
Kosten Nutzen
1 Jahr
11
Kosten Nutzen
2 Jahr
12
Kosten Nutzen
3 Jahr
13
Kosten Nutzen
4 Jahr
15
Kosten Nutzen
5 Jahr
16
$200 $380 $450 $500 $600$170
$700$1200
$2500
$3500
$3000
$500
Six Sigma bdquoKostenInvestmentldquo
Six Sigma bdquoProduktivitaumltldquo
Erhoumlhung der Kunden-zufriedenheit z B Preismarge
Angaben in Mio $
Abb 27 Six-Sigma-Ergebnisse bei General Electric (Quelle Dahm und Haindl 2011 S 81)
3322 Six Sigma
Die CtQ-Faktoren zeigen auf welche Eigenschaften eines Produktes die Kaufentschei-dung eines Kunden maszliggeblich beeinflussen Durch Ergebnisse dieser Art der Marktfor-schung laumlsst sich verhindern dass Unternehmen Komponenten oder Eigenschaften bei einem Produkt anbieten die vom Kunden nicht gewuumlnscht oder nicht benoumltigt werden
Mercedes-Benz entfernte beispielsweise aufgrund solcher Erhebungen 600 Funktionen aus seinen Modellen weil der Kunde sie nicht brauchte oder gar nicht wusste wie er sie verwenden sollte Sie waren also keine entscheidenden Faktoren fuumlr den Kauf eines Fahrzeugs (Vgl Amman 2004 S 16)
Verdeutlichen laumlsst sich die Wichtigkeit der VoC an dem Beispiel des Internetdienst-leisters Yahoo Im Jahr 2000 war Yahoo der Weltmarktfuumlhrer bei Suchmaschinen im Internet Dann begann das Unternehmen den Kunden neben der Suchfunktion diverse andere Dienstleistungen anzubieten beispielsweise eine E-Mail-Funktion Finanz-dienstleistungen Neuigkeiten Entertainment und Celebrity-News Die Kunden waren an diesen Mehrleistungen aber kaum interessiert Dies hatte zur Folge dass 2005 Google die Nummer eins der Suchmaschinen wurde und sie war sogar die Website mit den meisten Klicks uumlberhaupt Unter anderem begruumlndet sich dieser Erfolg darin dass sich Google auf den Wunsch des Kunden ndash die Suchmaschine ndash konzentrierte bdquoWir konzentrieren uns schonungslos auf die Beduumlrfnisse unserer Kunden Und wir bekaumlmp-fen alles was sich dabei in den Weg stelltldquo (Dahm und Haindl 2011 S 87)
3 Fuumlr GE ist die bdquoVariationldquo ndash das was der Kunde sieht und fuumlhlt ndash qualitaumltsentscheidend (vgl auch Abb 28) Ein einfaches Beispiel zur Verdeutlichung
Wird die Zeit erhoben in der ein Hotelgast sein Fruumlhstuumlck auf sein Zimmer geliefert bekommt wird der Durchschnitt der Abweichung der Lieferzeit verwendet So kann sich in einem betrachteten Zeitraum ndash beispielsweise drei Monate ndash eine durchschnitt-liche Abweichung von + 5 min ergeben Dieser Wert mag fuumlr das betreffende Hotel noch im Rahmen liegen Das Management geht davon aus dass die Gaumlste zufrieden sind da in einer Befragung herauskam dass eine Verspaumltung von fuumlnf Minuten von ihnen toleriert wird Betrachtet man nun in Abb 29 die einzelnen Abweichungen der Lieferungen kann man erkennen dass dort einige Werte verzeichnet sind die von dem Gast mit Sicherheit nicht mehr toleriert werden (beispielsweise 25 min zu fruumlh oder 24 min zu spaumlt) Das Management sollte sich also nicht auf die Durchschnittswerte konzentrieren sondern die Abweichung vom Durchschnittswert genauer betrachten Denn dies sind die Werte die der einzelne Gast bzw Kunde erlebt
An diesem Beispiel laumlsst sich erkennen dass die Vermeidung von Fehlern die Erfor-schung der Kundenanforderungen und die Beruumlcksichtigung der Varianz anstelle der Durchschnittswerte eine Grundlage fuumlr unternehmerischen Erfolg darstellen Kein Unter-nehmen kann es sich langfristig leisten an den Wuumlnschen und Beduumlrfnisse seiner Kunden vorbei zu produzieren (Vgl Dahm und Haindl 2011)
34 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
Anlieferung Fruumlhstuumlck (in Min) zum gewuumlnschten Termin
Sicht des Hotels
+5
-30 -15 0 +15 +30 +45
Min = -25 Max = +40-15 0 +15 +30 +45
Kundensicht
0-25-7
+15+24
-8+12
-70
+8
-3+2+8+6+9
+16-2
+18+8+5
0+7+6
+10+5
Durchschnitt + 5+6
-10+2
+40
Januar
Februar
Maumlrz
Abb 29 Der Kunde spuumlrt nicht den Qualitaumltsdurchschnitt
Kundenmeinung (VoC)
bdquoIch wuumlnsche mir einen proaktiveren Serviceldquo
Kunden-anliegen
Kunde wuumlnschtregelmaumlszligig vomService angerufenzu werden
Qualitaumlts-kritisch (CTQ)
Service ruft den Kunden viermalim Jahr an
Tatsaumlchliche Aussagenund Kommentare uumlber Eigenschaften eines
ProduktsServices
Erfahrung mit einem ProduktService odereiner Lieferung
Begegnung oder Erfahrung mit einem Geschaumlftsprozess
Die echten Sorgen oder Erwartungen des Kunden ohne Vorurteile
beschreibt in der Regel das primaumlre Anliegen das ein Kunde hinsichtlich eines Produkts oder Services hat
beschreibt die erwuumlnschte Kundenerfahrung rund um dieses Produkt oder diesen Service
Kunde
Schluumlsselkunden
Abb 28 Von der Stimme des Kunden zu qualitaumltskritischen Merkmalen
3522 Six Sigma
2232 Der DMAIC- und DMADV-ZyklusSix Sigma basiert auf rationalen Uumlberlegungen und nutzt die Aussagekraft von statisti-schen Werkzeugen die durch Verwendung entsprechender Softwareprogramme (z B Mi-nitab oder SigmaXL) tiefe Einsichten in die Prozesse ermoumlglichen Bei diesem mathema-tischen Ansatz wird davon ausgegangen dass jeder Prozess als mathematische Funktion beschrieben werden kann
(21)
Hierbei ist y das Prozessergebnis x die Prozesseingangsgroumlszlige(n) und f die Funktion die den mathematischen Zusammenhang beschreibt und damit den Einfluss der Eingangs-groumlszligen auf das Prozessergebnis ε steht fuumlr die nicht durch die Funktion erklaumlrbare Rest-streuung ndash die Abweichung des Flugzeuges von der Zielkoordinate auf der Landebahn
Durch die statistische Ursachenforschung resultiert ein Verstaumlndnis fuumlr den Prozess der es ermoumlglicht mithilfe der Veraumlnderung der Eingangsgroumlszligen vorherzusagen welches Prozessergebnis erzielt wird Durch Varianzmessungen koumlnnen Einflussfaktoren auch in komplexen und intransparenten Prozessen klar identifiziert und dann sehr gezielt mani-puliert werden Somit eroumlffnen sich neue Wege fuumlr effektive und effiziente Loumlsungen zur Prozessoptimierung die sehr oft zu enormen Wertschoumlpfungszuwaumlchsen fuumlhren Entschei-dend hierbei ist dass die Analyse und Loumlsungsentwicklung auf Daten und Fakten beruhen da Six Sigma ein reales Problem in ein statistisch-mathematisches Problem umwandelt Dabei beschraumlnkt man sich nicht wie bei anderen Optimierungsprojekten auf die subjekti-ve Wahrnehmung der Beteiligten Schon so manche gefunden geglaubte Problemursache entpuppte sich nach eingehender Analyse im Rahmen von Projekten als nebensaumlchlich Das Kernproblem ndash und dementsprechend auch die Loumlsung ndash war oft an anderer Stelle zu suchen
Eines der zentralen Werkzeuge innerhalb eines Six-Sigma-Projektes ist der sogenannte DMAIC-Zyklus (Akronym fuumlr Define Measure Analyse Improve und Control) Die-ser stellt das zentrale Six-Sigma-Projektmanagement-Tool dar Die meisten Six-Sigma-Projekte laufen nach diesem Zyklus ab Durch dieses Vorgehen wird sichergestellt dass der zu verbessernde Prozess genauestens definiert analysiert gemessen verbessert und kontrolliert wird Die einzelnen Phasen wie sie in Abb 210 dargestellt sind werden im Folgenden genauer ausgefuumlhrt
y f x oder y f x1 x2 xn = + = +( ) ( )ε εhellip
Define
Was istwichtig
Measure
Wie gutsind wir
Analyze
Was ist falsch
Improve
Was muss getan werden
Control
Wie stellen wir die nachhaltige Verbesserung sicher
Abb 210 Der DMAIC-Zyklus
36 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
1 Define Opportunities (Definieren) In dieser ersten Phase des Zyklus werden die Pro-jektziele und Projektgrenzen definiert und das Projektteam aufgestellt Damit wird die Zielsetzung fuumlr die Optimierung des Prozesses festgeschrieben und uumlberzogene Erwar-tungen an die Prozessverbesserung werden verhindert (vgl Abb 211)
Diesen Definitionen werden die vorher erlaumluterten Critical-to-Quality-Faktoren und alle weiteren Informationen uumlber den Prozess zugrunde gelegt Natuumlrlich muumlssen sich diese Definitionen an den Unternehmenszielen orientieren Ist es beispielsweise die Absicht des Unternehmens die Kostenfuumlhrerschaft in einem Segment zu erreichen muumlssen dem Zyklus andere Ziele zugrunde gelegt werden als wenn das Ziel wie z B bei Montblanc oder Rolex die Qualitaumltsfuumlhrerschaft waumlre
2 Measure Performance (Messen) In dieser zweiten Phase wird die Grundlage fuumlr die Prozessverbesserung geschaffen Nachdem das Problem definiert ist werden die kriti-schen Messkriterien identifiziert und die dafuumlr relevanten Daten ermittelt Dabei sollten moumlglichst viele und genaue Informationen uumlber den Prozess erlangt werden Genutzt werden dafuumlr Instrumente wie Ertragsberechnungen und Stichprobenauswertungen So werden die Ursachen der Probleme faktenbasiert und genau bestimmt Entscheidend in dieser Phase ist die Qualitaumlt der Daten Es wird genauestens darauf geachtet dass ndash aus der Unmenge an moumlglichen Daten ndash die richtigen erhoben und dokumentiert werden Diese Daten geben einen genauen Uumlberblick uumlber die Vorgaumlnge in dem Prozess (vgl Abb 212)
Das Ergebnis dieser Phase ist die Datengrundlage fuumlr die folgenden Prozessverbesse-rungen Damit wird hier der Referenzwert ermittelt um spaumlter die erreichten Prozess-verbesserungen bewerten zu koumlnnen
3 Analyse Opportunity (Analysieren) In dieser Phase werden die in der Measure-Phase erhobenen Daten aufbereitet und strukturiert Hierfuumlr werden im Allgemeinen verschiedene mathematisch-statistische Methoden angewendet beispielsweise die
DefineOpportunities
MeasurePerformance
AnalyzeOpportunity
ImprovePerformance
ControlPerformance
Zielsetzung
das Optimierungspotenzial identifizieren undoder uumlberpruumlfen
kritische Kundenanforderungen definierenProjektteam einarbeiten
Hauptaktivitaumlten
Business Opportunity pruumlfenidentifizierenProzesse identifizieren und darstellenChancen auf kurzfristige Verbesserungen
(bdquoquick winsldquo) identifizieren und den Prozess dahingehend optimieren
VoC in CtQs umsetzenTeam-Guidelines und Grundregeln
erarbeiten
Abb 211 Die Define-Phase
3722 Six Sigma
Varianz-2 oder die Regressionsanalyse3 Anwendung finden auch die Wertstromanalyse und die Pareto-Analyse welche die primaumlren Fehlerquellen eines Prozesses deutlich machen Durch diese Analysen sollen die Probleme des Prozesses identifiziert werden Als wichtigste Ergebnisse dieser Phase sind die Verifizierung Validierung und Quanti-fizierung der Ursachen fuumlr die Prozessschwaumlchen zu nennen (vgl Abb 213)
2 Durch die Durchfuumlhrung einer Varianzanalyse lassen sich die Gesetzmaumlszligigkeiten hinter den Daten feststellen3 Durch die Durchfuumlhrung der Regressionsanalyse laumlsst sich der Ursache-Wirkungszusammenhang ermitteln
DefineOpportunities
MeasurePerformance
AnalyzeOpportunity
ImprovePerformance
ControlPerformance
Zielsetzung
Messkriterien identifizieren die notwendig sind um den Erfolg bei der Erfuumlllung kritischer Kundenanforderungen zu beurteilen Methode erarbeiten effizient Daten fuumlr die Messung der Prozessleistung sammelndie Elemente der Six-Sigma-Berechnung verstehen und einen Ausgangswert fuumlr die vom Team analysierten Prozesse berechnen
Hauptaktivitaumlten
Input- Prozess- und Output-Indikatoren identifizierenGeschaumlftsablaumlufe definieren und einen Maszlignahmenkatalog erstellenDaten zusammenstellen und analysierenSigma-Leistung ermittelnweitere Ausgangsleistungswerte zusammenstellen
Abb 212 Die Measure-Phase
DefineOpportunities
MeasurePerformance
AnalyzeOpportunity
ImprovePerformance
ControlPerformance
Zielsetzung
die Grundursachen fuumlr das Problemidentifizieren und daraufhin uumlberpruumlfenob deren Behebung das Problem desProzesses loumlst
Hauptaktivitaumlten
Prozess stratifizierenDaten stratifizieren und das spezifische Problem identifizierenProblembeschreibung erarbeitenGrundursachen identifizierenAnalyseverfahren zur Uumlberpruumlfung der Grundursachen entwickelnGrundursachen uumlberpruumlfenKreativitaumlt im Team foumlrdern und bdquoHerdendenkenldquo verhindern
Abb 213 Die Analyse-Phase
38 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
4 Improve Performance (Verbessern) Aus den erhobenen und strukturierten Daten ihrer Aufbereitung und Verifikation wird eine Loumlsung fuumlr die vorhandenen Probleme entwickelt Oftmals kommen bei dieser Entwicklung Kreativitaumltstechniken zum Ein-satz (vgl Abb 214)
In dieser Phase ist es entscheidend dass keine Loumlsungsmoumlglichkeiten auszliger Acht gelas-sen werden Gerade zu Beginn der Loumlsungsentwicklung sollten bdquodie normalenldquo Pfade der Prozessverbesserung verlassen werden Hier ist Kreativitaumlt und auch haumlufig Quer-denkertum gefragt Die wichtigsten Ergebnisse dieser Phase sind Loumlsungsansaumltze fuumlr die Prozessschwaumlchen sowie genaue Beschreibungen und Dokumentationen der einzel-nen Prozessschritte Auszligerdem werden die Risiken der Loumlsungsansaumltze beurteilt und ein Ablaufplan des weiteren Vorgehens erarbeitet
5 Control Performance (Pruumlfen) In dieser letzten Phase werden die implementier-ten Verbesserungen verifiziert An dem modifizierten Prozess wird uumlberpruumlft ob die Verbesserungen die erwarteten Wirkungen zeigen In dieser Phase wird ebenfalls eine Nachkalkulation durchgefuumlhrt Im Allgemeinen werden dabei die Kosteneinsparungen durch die Prozessmodifizierungen mithilfe eines Vorher-Nachher-Vergleiches ermittelt Beispielsweise wird dabei der Ausschuss vor und nach Durchfuumlhrung des DMAIC-Zyklus verglichen Nach einem erfolgreichen Projektabschluss werden die Ergebnisse und Erkenntnisse im gesamten Unternehmen kommuniziert So koumlnnen diese auch in anderen Projekten genutzt werden (vgl Abb 215)
Laumlsst sich ein Prozess nicht effektiv modifizieren dann muss der gesamte Prozess neu ge-staltet werden Fuumlr dieses Re-Design kommt eine abgewandelte Form des DMAIC-Zyklus zum Einsatz der DMADV-Zyklus (Akronym fuumlr Define Measure Analyse Design und Verify) In diesem Fall wird der Prozess durch ein optimales Six Sigma gemaumlszliges Design gaumlnzlich neu auf den Kunden ausgerichtet Die einzelnen Schritte des DMADV-Zyklus werden in Abb 216 zusammenfassend dargestellt
DefineOpportunities
MeasurePerformance
AnalyzeOpportunity
ImprovePerformance
ControlPerformance
Zielsetzung
Loumlsungen fuumlr die Optimierung identifizieren beurteilen und auswaumlhlen
einen Ansatz fuumlr das Aumlnderungsmanage-ment entwickeln der das Unternehmen dabeiunterstuumltzt sich an die aus der Implementie-rung der Loumlsungen resultierenden Veraumlnde-rungen zu gewoumlhnen
Hauptaktivitaumlten
Loumlsungsvorschlaumlge entwickelnAuswirkungen der Loumlsung
bestimmenNutzen ermitteln Loumlsungen beurteilen und auswaumlhlenProzessbeschreibungen erstellenAblaufplan erstellen und praumlsentieren
Abb 214 Die Improve-Phase
3922 Six Sigma
1 Define (Definieren) Diese Phase bleibt wie im DMAIC-Zyklus Die Projektziele und Projektgrenzen werden definiert und das Projektteam aufgestellt Damit wird die Ziel-setzung fuumlr die Optimierung des Prozesses definiert und uumlberzogene Erwartungen an die Prozessverbesserung werden verhindert
DefineOpportunities
MeasurePerformance
AnalyzeOpportunity
ImprovePerformance
ControlPerformance
Zielsetzung
verstehen wie neue Erkenntnisse weiter-gegeben wiederholbare und standardisier-bare Moumlglichkeiten und Prozesse erkannt und entsprechende Plaumlne ausgearbeitet werden koumlnnen
Hauptaktivitaumlten
Pilotplan amp Pilotloumlsung ausarbeitenuumlberpruumlfen ob weitere Loumlsungen notwendig sind um das Ziel zu erreichenwiederholbare und standardisierbare Loumlsungsmoumlglichkeiten entwickelnLoumlsungen in die taumlglichenArbeitsablaumlufe integrierendie naumlchsten Schritte des Teams festlegen
Abb 215 Die Control-Phase
Define
Measure
Analyze
Design
Verify
ZielAumlnderungs-vision definieren
Umfang und Kunden-anforderungen klaumlren
Leistung bezuumlglich der Anforderungen messen
Daten uumlber die Prozessqualitaumlt sammeln
ProblemeProzessepruumlfen
bdquoBest Practicesldquo identifizieren Prozessdesign bewerten Anforderungen verfeinern
neue Prozesseentwerfen
neue ProzesseStrukturen undSystemeimplementieren
Messungen zur Aufrechterhaltung der Leistung einrichten
noch bestehende Probleme ndashsoweit notwendig ndash korrigieren
neues Designimplementieren
Abb 216 Der DMADV-Zyklus (Quelle In Anlehnung an Pande et al 2000 S 51)
40 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
2 Measure (Messen) Der zweite Schritt unterscheidet sich von dem im DMAIC-Zyklus insofern als die Messungen genauestens mit den Erwartungen der Kunden abgeglichen werden muumlssen Der gesamte Prozess wird nach den Anforderungen gestaltet
3 Analyse (Analysieren) Genauso wie im DMAIC-Zyklus werden hier die Daten ana-lysiert und interpretiert Aus diesen Daten werden mehrere Ansaumltze fuumlr ein neues Pro-zesskonzept erarbeitet Die Vorschlaumlge dazu kommen vor allem durch die zukuumlnftigen Kunden aber auch durch die Prozessbeteiligten
4 Design (Entwickeln) Hier werden die in der Analysephase erarbeiteten Konzepte ein-ander gegenuumlbergestellt und anhand der in der Define-Phase definierten Parameter wird das optimale Prozessdesign ausgewaumlhlt Um die Robustheit der neuen Prozesse gegen-uumlber Schwankungen zu uumlberpruumlfen bietet sich beispielsweise das Design-of-Experien-ce-Verfahren4 an
5 Verify (Uumlberpruumlfen) In diesem letzten Schritt werden die Ergebnisse des neuen Prozesses uumlberpruumlft und damit das neue Design verifiziert Sind die Ergebnisse nicht zufriedenstellend muss der Zyklus erneut durchgefuumlhrt werden
2233 Die Six-Sigma-InfrastrukturDie Auseinandersetzung mit Six Sigma beruumlhrt unweigerlich die Unternehmenskultur Damit dies gelingt muumlssen alle Projektmitarbeiter die Reichweite der Initiative verstehen Demnach ist fuumlr die Implementierung eine klare Definition der Rollen und Verantwort-lichkeiten entscheidend (Vgl George 2007 S 84) Die praktische Anwendung orien-tiert sich an dem Guumlrtelsystem der asiatischen Kampfsportart Karate (vgl George 2007 S 72 ff Toumlpfer 2009 S 288 ff) Erstmals angewendet wurde das Guumlrtelsystem von Six-Sigma-Pionier Mikel Harry im Rahmen eines Projektes bei der Unisys Corporation Ende der 1980er-Jahre in Salt Lake City (vgl Harry und Schroeder 2000 S 201) Grund-saumltzlich muumlssen sechs Hauptaufgaben durch die Projektmitarbeiter erfuumlllt werden (vgl Hagen 2004 S 233 ff)
1 Konzeption und Steuerung der Initiative2 Training und Anwendung der Methoden3 Definition und Durchfuumlhrung der Projekte4 prozessspezifische und fachliche Projektunterstuumltzung5 Umsetzung der Analyseergebnisse in den Projekten6 Umsetzung der Projektergebnisse in Folgeprojekten
Die Erfuumlllung dieser Aufgaben wird durch die verschiedenen Six-Sigma-Rollen gewaumlhr-leistet Der Initiator Mentor und Verantwortliche der Six-Sigma-Initiative ist der Cham-
4 Verfahren in denen Konzepte durch Versuche in der Realitaumlt uumlberpruumlft werden Will man bei-spielsweise die Schwankungen der Gespraumlchsqualitaumlt in einem Mobilfunknetz beheben uumlberpruumlft man die reale Uumlbertragungsqualitaumlt an verschiedenen Orten wie Autobahnen Straszligen aber auch in U-Bahn-Tunneln So ist es moumlglich die Wirksamkeit eines neuen Produktes oder Prozesses in der Realitaumlt zu uumlberpruumlfen bevor der Prozess endguumlltig eingefuumlhrt wird
4122 Six Sigma
pion bdquoMaster Black Beltsldquo (MBB ndash Six-Sigma-Experte) und bdquoBlack Beltsldquo (BB ndash hohe Fachkompetenz) sind von anderen Taumltigkeiten im Unternehmen freigestellt und agieren als Trainer und Ausbilder (MBB) bzw als Projektmanager (BB) Der bdquoGreen Beltldquo (GB ndash fachlich versiert) zu ca 40 fuumlr die Initiative freigestellt ist als Leiter von kleineren Six-Sigma-Projekten aktiv und geht danach wieder seinen Linientaumltigkeiten nach Als bdquoYellow Beltldquo (YB ndash Fachmann) werden Teammitglieder bezeichnet die an Basisschulungen in Six Sigma teilgenommen haben aber nur zu ca 20 fuumlr anfallende Aufgaben freigestellt werden Erfahrungsgemaumlszlig muumlssen etwa 05 der Belegschaft zu MBB 1 bis 2 zu BB und jeweils 2 bis 5 zu GB und YB geschult werden um die Methodik erfolgreich zu implementieren (vgl Toumlpfer 2007 S 241 ff) Das Projektteam laumlsst sich in drei Ober-gruppen unterteilen (vgl auch Abb 217)
1 Die Teammitglieder Diese erledigen die dem Team gestellten Aufgaben fristgerecht und erarbeiten Loumlsungen zu Projektaufgaben sowohl innerhalb von Teammeetings als auch auszligerhalb Dafuumlr stellen sie dem Team ihr Wissen und ihre Erfahrungen zur Ver-fuumlgung Ebenfalls sollen sie sicherstellen dass ihre Vorgesetzten immer uumlber ihre Auf-gaben innerhalb der Projektarbeit informiert sind
Sponsor
VorstandBereichs-bzw Geschaumlfts-leitung
stellt die erforder-lichen Programm- Ressourcen zur Verfuumlgung
verfolgt denProgrammfortschritt
Champion
Auftraggeber eines Lean-Sigma-Projektes (Projektsponsor)
Mitglied der Geschaumlfts- Bereichsleitung
stellt die erforder-lichen Ressourcen zur Verfuumlgung
verfolgt denProjektfortschritt
Programmleiter
operative Fuumlhrung des Programms und Leitung des Programm-Offices
Unterstuumltzung der Projekte durch Lean-Sigma-Expertise Programm- undVeraumlnderungs-management
Controller
beurteilt Lean-Sigma-Projekte finanziell
betreut aus Controllingsicht Projektdefinition und -durchfuumlhrung
Process Owner
verantwortet den Prozess
uumlbernimmt denverbesserten Prozess
Teammitglied
Master Black Belt
Mentor eines Black Belts oder Green Belts
fuumlhrt Trainings durch
betreut die Projekte agiert als Coach
fuumlr die Projekt-mitglieder
Black Belt
leitet ein Lean-Sigma-Projekt
ist Vollzeit fuumlr diese Aufgabe abgestellt
verantwortet Projektplanung und -durchfuumlhrung
Green Belt
leitet kleinere Lean-Sigma-Projekte
arbeitet in Lean-Sigma-Projekten mit
ist zu etwa 40 fuumlr diese Aufgabe freigestellt
Yellow Belt
arbeitet als Kernteammitglied in Lean-Sigma-Projekten mit
ist zu mindestens 20 fuumlr diese Aufgabe freigestellt
Abb 217 Die Ausbildungsstruktur von Six Sigma
42 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
2 Die Black Belts und Green Belts Diese arbeiten mit dem Team und unterstuumltzen es mit ihrem Fachwissen und ihrer Expertise Dabei fungieren sie haumlufig als Moderator und koordinieren die Teamaktivitaumlten inklusive deren Plaumlne und Ziele Sie tragen als Projektleiter die Verantwortung fuumlr die Dokumentation der Ergebnisse und der Erfolge des Teams Des Weiteren organisieren sie die Teamarbeit und die Meetings Letztend-lich stellen die Black und Green Belts die Qualitaumlt der Arbeit sicher repraumlsentieren das Team der Organisation gegenuumlber und fungieren als Teamsprecher wenn noumltig unterstuumltzt vom Champion Nach Projektabschluss unterstuumltzen sie den Process Owner dabei dass die Prozessverbesserungen vollstaumlndig umgesetzt und fortlaufender Nutzen generiert wird
3 Die Master Black Belts Diese stellen den Black und Green Belts ihre technische sowie statistische Expertise zur Verfuumlgung Sie unterstuumltzen die Teams mit ihrem Fach-wissen in Prozessverbesserungsmethoden und konzeptionellem Know-how Sie bilden die Black und Green Belts aus und bieten ihnen individuelle Unterstuumltzung Des Weite-ren beraten sie den Champion um Barrieren innerhalb des Projektes zu beseitigen
In der Medizintechnik z B bei lebenserhaltenden Geraumlten im Flugzeugbau oder beim Bau von Kernkraftwerken ist eine Null-Fehler-Qualitaumlt zwingend erforderlich Aber auch immer mehr Unternehmen der Automobil- und Zulieferindustrie oder andere wie z B Compaq AmericanExpress Nokia Philips oder 3M haben erkannt dass Six Sigma aus betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten eine sinnvolle und nachvollziehbare Zielsetzung und Strategie ist Ohne eine professionelle Qualitaumltssicherung gehen erhebliche Chan-cen zur Steigerung des Jahresuumlberschusses verloren Die methodische Orientierung von Six Sigma nutzt viele positive Aspekte anderer Ansaumltze zur Qualitaumlts- bzw Prozessver-besserung Die klare Ausrichtung auf den Kunden und die kontinuierliche Erhebung von Zahlen Daten und Fakten anhand von bewaumlhrten Methoden gelten als Alleinstellungs-merkmal Das Freistellen qualifizierter personeller Ressourcen aus den Linientaumltigkeiten deren fachspezifische Ausbildung und ihr loumlsungsorientierter Einsatz in den Six-Sigma-Projekten sind die Ingredienzen die gemeinsam mit einer kraftvollen Umsetzungsorga-nisation einen bdquoTurboeffektldquo ermoumlglichen ndash dies ist der eigentliche Erfolgsfaktor (Vgl Angermeier 2002 S 2)
Beispiel bdquoProcess Xcellenceldquo bei der European Transaction Bank
Im Maumlrz 2004 uumlbertrug die Deutsche Bank AG 51 der European Transaction Bank GmbH (ETB) ndash einer Tochtergesellschaft die den Groszligteil des Effektenhandels der Frankfurter abwickelte ndash an den britischen Auslagerungsspezialisten Xchanging der so die operative Kontrolle bei dem 800 Mann starken Transaktionsspezialisten uumlber-nahm (vgl Ruggier et al 2006 S 114 ff) Es handelte sich nicht um einen Verkauf da das britische Outsource-Unternehmen fuumlr die Mehrheitsuumlbernahme im Gegenzug knapp 40 Mio euro in eine Weiterentwicklung der ETB hinsichtlich Effizienz und niedri-gerer Transaktionskosten investierte Neben neuen Technologien betraf dies auch nach Deutschland entsandte Spezialisten aus den Bereichen Personal und Prozessoptimie-
4322 Six Sigma
rung ndash Xchanging verfuumlgte seit der Gruumlndung 1999 uumlber eine ausgepraumlgte Six-Sigma-Expertise Unter dem Titel bdquoProcess Xcellenceldquo ist Six Sigma eine der sieben Kompe-tenzen die Xchanging als die DNA des Unternehmens bezeichnet (vgl Ruggier et al 2006 S 117) Six Sigma wird dabei als umfassendes Konzept radikaler Verbesserung verstanden welches jeden Geschaumlftsprozess betrifft
Im Rahmen der Mehrheitsuumlbernahme durch Xchanging wurde Six Sigma als lang-fristiger Teil der Strategie auch bei der ETB implementiert Ziel war es die Kosten durch Straffung und Optimierung der Prozesse zu senken Um eine erfolgreiche Im-plementierung bei der ETB sicherzustellen stellte Xchanging drei seiner erfahrensten Master Black Belts zur Verfuumlgung Fuumlr das erste Jahr der Initiative wurden folgende Erwartungen formuliertbull Verbesserung des Kundenservicebull Uumlberschuss von 5 Mio euro undbull Aufbau einer internen bdquoSix-Sigma-Prozessverbesserungseinheitldquo mit 15 Black Belts
(ca 19 der ETB-Mitarbeiter) sechs Black Belts bei der Deutschen Bank sowie zehn Green Belts und zwei Master Black Belts
Als erste Maszlignahme wurden die passenden Kandidaten fuumlr die Rollen des Champions und der Black Belts ausgewaumlhlt und es wurde mit den Schulungen begonnen Diese Black Belts wurden zunaumlchst fuumlr 18 Monate von ihren sonstigen Taumltigkeiten freigestellt
Fuumlr die Auswahl der ersten Projekte wurden bdquoIndustry Mapsldquo5 erstellt und die Voice of the Customer erhoben Auswahlkriterien fuumlr die Projekte waren das Potenzial zur Erhoumlhung der Kundenzufriedenheit das Einsparpotenzial und das Potenzial der Fehler-reduktion (Vgl Faulhaber und Ruggier 2005)
Zu diesem fruumlhen Zeitpunkt standen die Mitarbeiter der ETB noch unter dem Ein-druck des Inhaberwechsels und nun waren sie zusaumltzlich durch Six Sigma einer weite-ren tiefgreifenden Neuerung ausgesetzt Viele der Mitarbeiter waren verunsichert und lehnten Six Sigma zunaumlchst ab
Xchanging setzte zur Loumlsung auf eine verstaumlrkte Kommunikation und schnelle erste Projekterfolge Dafuumlr wurden die ersten Six-Sigma-Projekte bereits im Juni 2004 mit den frisch ausgebildeten Black und Green Belts gestartet Als eines der ersten Pilot-projekte wurde die Verbesserung der Prozesse im Tax Process Department der ETB ausgewaumlhlt (vgl Ruggier 2006 S 203)
Diese Abteilung bot den Kunden ein vielfaumlltiges Angebot darunter die Abwicklung der Ruumlckforderungen durch Doppelbesteuerungsabkommen Steuerberatung und bdquoRekla-mationldquo von unkorrekten Steuerbescheiden Bei diesen Prozessen sah das Management einen hohen Verbesserungsbedarf und waumlhlte den Schweizer Markt als Pilotmarkt aus
5 Dieses Verfahren setzt die Schluumlsselprozesse eines Unternehmens in eine logische Reihenfolge und beachtet dabei alle relevanten Prozesse auch bei Kunden und Lieferanten Dabei entstehen Verbindungen und Verflechtungen innerhalb einer Industrie oder auch eines Geschaumlftsbereiches in Diagrammform
44 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
Ein abgewandelter DMAIC-Zyklus unter dem Titel bdquoCMADIS-Methodologieldquo (vgl Faulhaber und Ruggier 2005 S 23) wurde angewendet1 Contract Hier wird das Problem definiert und eine Zielsetzung ausgegeben Die
Durchlaufzeiten der Auftraumlge sollten um 50 reduziert und Einsparungen von 80000 euro realisiert werden
2 Measure Schluumlsselmitarbeiter aus allen in diese Prozesse involvierten Bereichen werden zu Mitgliedern des Projektteams In diesem Schritt erfolgt eine genaue Mes-sung des Ist-Zustandes Im betrachteten Projekt wurde dies beispielsweise durch detaillierte Pareto- und Fischgraumlten-Diagramme erreicht
3 Analyse Im dritten Schritt werden die erhobenen Daten analysiert Im Pilotprojekt wurde erkannt dass die groumlszligten Probleme in den Bearbeitungszeiten der Steuer-unterlagen auftraten Das lag unter anderem daran dass viele der IT-Programme nicht kompatibel waren und dadurch viele Daten mehrfach manuell eingepflegt wer-den mussten
4 Develop In dieser Phase werden Moumlglichkeiten fuumlr Prozessverbesserungen entwi-ckelt In diesem Fall sollten die IT-Systeme kompatibel verknuumlpft werden
5 Implement In dieser Phase werden die entwickelten Loumlsungsansaumltze in die Prozesse implementiert Im Pilotprojekt konnten die Prozessschritte von 90 auf 38 (ca 60 ) die Durchlaufzeit um 60 und die Prozesskosten ebenfalls um 60 reduziert werden Die gesamten Einsparungen beliefen sich auf 400000 euro pro Jahr (Vgl Ruggier 2006 S 206) Damit wurde die Zielsetzung von 80000 euro um das Fuumlnffache uumlbertroffen
6 Sustain In diesem Schritt wird sichergestellt dass die Prozessinnovationen nach-haltig angewendet und weiterentwickelt werden
Es laumlsst sich erkennen dass dieser CMADIS-Zyklus eng an den DMAIC-Zyklus an-gelehnt ist Die einzige bdquoechteldquo Neuerung ist die Einfuumlhrung des Schrittes bdquoSustainldquo Zwar fordert auch der DMAIC-Zyklus eine weitere kontinuierliche Verbesserung des Prozesses aber bei der ETB wurde die Wichtigkeit dieses Aspektes explizit in einem separaten Schritt des Zyklus festgehalten
Nach dem Erfolg dieses Pilotprojektes konnte die anfaumlngliche Skepsis der Beleg-schaft nach und nach ausgeraumlumt werden Die ETB institutionalisierte Six Sigma im Unternehmen u a durch eigene Zertifizierungsfeiern und einen Intranetauftritt Durch Berichte in Tageszeitungen wurde die Initiative nach auszligen kommuniziert Im Jahr 2005 wurde der Break-even-Point der Six-Sigma-Initiative bei der ETB erreicht Es wurden uumlber 70 Six-Sigma-Projekte erfolgreich durchgefuumlhrt Im Jahr 2004 belief sich der gesamte Ertrag aus Six Sigma auf 3 Mio euro und 2005 bereits auf 68 Mio euro Ent-scheidend fuumlr diesen Erfolg waren nach ETB Black Belt Werner Schulz das absolute Commitment des Topmanagements und die Auswahl der richtigen Master Black Belts und Black Belts (Vgl Ruggier 2006 S 206)
Heute buumlndelt Xchanging die Erfahrungswerte mit bdquoProcess Xcellenceldquo6 aus dem eigenen Unternehmen in einem Beratungsangebot Die Beratungsleistung wird Kunden
6 Im Sprachgebrauch dieses Buches entspricht bdquoProcess Xcellenceldquo dem Terminus bdquoOperational Excellence
4523 Lean (Six) Sigma
im Rahmen von Kostensenkungs- und Serviceverbesserungsinitiativen bei Restruk-turierungen Akquisitionen und bei Vorbereitungen von Outsource-Aktivitaumlten ange-boten Interessant dabei ist dass sich die Methodik die hinter bdquoProcess Xcellenceldquo steht in den letzten Jahren von Six Sigma zu Lean Six Sigma weiterentwickelt hat Derzeit beschaumlftigt das Unternehmen uumlber 100 LeanSigmaBlackBelts 10 der 8000 Mitarbeiter sind als GB ausgebildet und es wurden im Bankensektor mittlerweile uumlber 155 Projekte erfolgreich abgeschlossen
23 Lean (Six) Sigma
231 Einfuumlhrung
Zur weiteren Erlaumluterung der Synthese aus Six Sigma und Lean Management soll im Bild des Golfturniers geblieben werden Der Flug des Balles ndash vom Abschlag bis zum Einlo-chen auf dem Gruumln am Ende des Fairways ndash illustriert den zu optimierenden Prozess im Unternehmen Das Einlochen ist demnach ein erfolgreicher Prozess ndash die Kundenanforde-rung wurde vollstaumlndig und ohne Fehler erfuumlllt Alles andere was das zuumlgige Erfuumlllen die-ser Kundenanforderung nicht unterstuumltzt gilt es im Sinne der Synthese Lean (Six) Sigma zu eliminieren respektive zu verbessern
Six Sigma optimiert wie bereits beschrieben die Qualitaumlt des Abschlags indem an einer geschickteren Abschlagtechnik gearbeitet oder in eine moderne Schlaumlgerausruumlstung in-vestiert wird Ferner koumlnnte uumlber die Evaluation der tatsaumlchlichen Kundenanforderungen durch die Uumlbersetzung der Voice of the Customer in Critical-to-Quality-Faktoren die Grouml-szlige des Zielbereiches ndash das Gruumln ndash veraumlndert werden Lean Management weist zusaumltzlich anschlussfaumlhige Ansaumltze auf um die relevanten Arten von Verschwendung aus Abb 22 in diesem Kontext zu vermeiden sodass der Golfspieler schneller an sein Ziel kommt So sollte der Golfspieler nicht unnoumltig fruumlh beim Wettbewerb erscheinen (Wartezeit redu-zieren) die richtigen Golfschlaumlger im Gepaumlck dabei haben um nicht wieder zuruumlck zum Hotel fahren zu muumlssen (unnoumltiger Transport) oder zwischendurch keine kraftraubenden Aufwaumlrmuumlbungen machen damit er die Konzentration beihaumllt (Bewegung ohne Mehr-wert) Ebenso wenig wertschoumlpfend ist es das Loch mehrfach zu treffen (Uumlberproduk-tion vermeiden) oder das theoretische Wissen z B bei Regelaumlnderungen nicht aktuell zu halten (intellektuelle Ressource nutzen) Deutlich wird dass sich Six Sigma und Lean Management in diesem Bild zu einem ganzheitlichen Ansatz ergaumlnzen wodurch die Spiel-staumlrke verbessert werden kann und womoumlglich die Erfolgswahrscheinlichkeit fuumlr einen Turniersieg steigt Doch zuruumlck zum Thema denn nicht nur der Golfer sondern auch Organisationen die Lean Sigma implementieren koumlnnen von erhoumlhter Wettbewerbsfaumlhig-keit profitieren
Auf der einen Seite steht mit Lean Management ein eher philosophischer Ansatz mit fernoumlstlichen Wurzeln zur Verschwendungsvermeidung Auf der anderen Seite steht mit Six Sigma ein quantitatives Konzept zur Qualitaumltsverbesserung Vor allen Dingen sind es
46 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
zwei der populaumlrsten Ansaumltze des Strategischen Managements und der Unternehmens-fuumlhrung der letzten Jahrzehnte Auf den Punkt gebracht Durch eine Synthese koumlnnen die Konzepte voneinander profitieren Durch Six Sigma wird die Qualitaumlt der Prozesse erhoumlht und durch Lean Management ihre Geschwindigkeit
232 Das methodische Grundgeruumlst
Lean Management und Six Sigma verfolgen unterschiedliche Ziele Lean Management zielt auf eine Erhoumlhung der Prozessgeschwindigkeit und eine Reduktion der Verschwen-dung ab wohingegen Six Sigma eine Verbesserung der Qualitaumlt von Produkten und Pro-zessen erreichen will ndash Stichwort bdquoNull-Fehler-Qualitaumltldquo
Eine wichtige Gemeinsamkeit der beiden Konzepte ist die Fokussierung auf den Kun-den Die Basis dafuumlr bildet bei Six Sigma die VoC-Analyse mit den abgeleiteten CtQs Der Lean-Management-Ansatz orientiert sich ebenfalls an den Kunden Jedoch ist eine exakte Erfassung der Kundenanforderungen wie bei Six Sigma nicht moumlglich Eine wei-tere Gemeinsamkeit ist die Projektorientierung wohingegen sich der Grad der Projekt-orientierung in den Konzepten unterscheidet Die Projekte bei Six Sigma werden auf Basis eines festgelegten Ablaufs (Standardisierung durch den DMAIC-Zyklus) durchgefuumlhrt Dagegen ist der Grad der Projektorientierung beim Lean Management geringer da die ein-zelnen Schritte nicht genau festgelegt werden Ferner decken sich die erlaumluterten Arbeits-prinzipien des Lean Managements in vielen Teilen mit der Philosophie hinter Six Sigma Auch Six-Sigma-Projekte werden stets in Teamarbeit durchgefuumlhrt und nur durch gute Zusammenarbeit aller Mitglieder der Projektteams und der Stakeholder koumlnnen gute Er-gebnisse erreicht werden
Ein wichtiger Unterschied der beiden Konzepte besteht in den Rollen der Mitarbeiter Im Six-Sigma-Ansatz gibt es eine Belt-Hierarchie und somit existieren klar definierte Rol-len mit definierten Aufgaben Dennoch arbeitet nur ein Teil der Mitarbeiter des Unterneh-mens die durch Trainingsmaszlignahmen ausgebildet werden in Six-Sigma-Projekten mit Dagegen existiert beim Lean Management keine so klare Organisation alle Mitarbeiter haben die Aufgabe die Verschwendung in den Prozessen im Unternehmen zu reduzie-ren Als weiterer Unterschied ist die exakte Analyse der Problemursachen die bei Six Sigma einen Schwerpunkt bildet zu nennen Somit lassen sich schwierige und komplexe Sachverhalte loumlsen wobei man auf viele Werkzeuge insbesondere statistische Auswer-tungstools zuruumlckgreifen kann Hingegen richtet sich das Lean Management staumlrker auf die Loumlsungsfindung aus Die Komplexitaumlt der Prozesse soll verringert werden Weitere Unterschiede sind die Projektgroumlszlige und der Durchfuumlhrungsaufwand denn diese sind bei Six-Sigma-Projekten deutlich houmlher als beim Lean Management Ein Six-Sigma-Projekt dauert drei bis sechs Monate und benoumltigt gut in der Methodik ausgebildete Mitarbeiter solides Know-how und viele Ressourcen
In vielen Bereichen gehen beide Ansaumltze also von den gleichen Grundvoraussetzungen aus wodurch sie fuumlr eine gemeinsame Anwendung praumldestiniert sind Die Vorteile der ge-
4723 Lean (Six) Sigma
meinsamen Anwendung liegen auf der Hand Six Sigma bietet eine faktenbasierte Basis eine klare Verteilung der Verantwortlichkeiten und damit ein optimiertes Projektmanage-ment und als Ziel die Qualitaumltsverbesserung sowie die Erfuumlllung der Kundenwuumlnsche Das Lean Management bringt eine in mehreren Jahrzehnten entwickelte philosophische Basis mit den Kernpunkten der Verschwendungsvermeidung der kontinuierlichen Verbesserung und der Kundenorientierung mit Abb 218 stellt diese Konstellation zusammenfassend dar
233 Rahmenbedingungen der Implementierung
Eine der wichtigsten Fragestellungen im Rahmen der Implementierung ist wie die Mit-arbeiter und das Management fuumlr die Umsetzung der Initiative begeistert werden koumlnnen Die Prozesse werden auf Verbesserungen uumlberpruumlft vielfaumlltige Arbeits- Bestell- Lager- und andere Ablaumlufe werden zum Teil grundlegend veraumlndert Dafuumlr sind aber einige Rah-menbedingungen notwendig Ebenso wie bei der Six-Sigma-Methodik muumlssen die Rollen in den Projekten verteilt und definiert werden In den folgenden Abschnitten werden diese Rahmenbedingungen genauer analysiert
Lean Management macht Prozesse schlanker kostenguumlnstiger und schneller
Six Sigma macht Prozesse stabiler vorausschaubarer und besser steuerbar
Beide Methoden beachten die Kundenwuumlnsche und deren Befriedigung
6σ6σ6σ6σ
6σKunden-anforderung
6σ Streuung (Six Sigma)
begrenzter Ansatz(Fokus vieler Six-Sigma -Projekte)
umfassenderLean-Sigma -Ansatz
Komplexitaumlt(Lean)
Abb 218 Das methodische Grundgeruumlst von Lean Sigma
48 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
2331 Die VerantwortlichkeitenDie Rollenverteilung innerhalb einer Lean-Sigma-Initiative deckt sich mit der Six-Sigma-Rollenverteilung aus Abschn 2233 und Abb 217 Dabei ist zwischen den direkt an der Implementierung beteiligten Mitarbeitern den Mitgliedern der Projektteams und denen die durch die Veraumlnderungen indirekt betroffen sind zu unterscheiden Auch im Rahmen von Lean Sigma ist es fundamental wichtig dass die Master Black Belts oder Black Belts von ihren bdquonormalenldquo Linienfunktionen freigestellt sind und sich ausschlieszliglich mit dem bzw den Lean-Sigma-Projekt(en) beschaumlftigen Sie fungieren als Trainer und Ausbilder (Master Black Belt) bzw als Projektmanager (Black Belt) Der Green Belt ist wie im Rah-men einer Six-Sigma-Initiative nicht Vollzeit sondern zu 30 bis 40 seiner Arbeitszeit in die Lean-Sigma-Projekte eingebunden Als Yellow Belts werden die Teammitglieder und Mitarbeiter bezeichnet die nur eine Basisschulung in Lean Sigma erhalten Sie unter-stuumltzen die Projekte und nehmen kleinere Aufgaben in diesem Rahmen wahr So leisten sie mit ca 20 ihrer Arbeitszeit Unterstuumltzung in einem Lean-Sigma-Projekt u a bei den statistischen Auswertungen
Diese Rollenverteilung laumlsst sich in Zahlen ausdruumlcken Etwa 05 der Belegschaft muumlssen zu Master Black Belts 1 bis 2 zu Black Belts und jeweils 2 bis 5 zu Green und Yellow Belts geschult werden damit eine Lean-Sigma-Initiative uumlberhaupt Wirkung zeigen kann Der Rang der Mitarbeiter bestimmt sich aus den belegten Kursen und Schu-lungen und den erfolgreich abgeschlossenen Projekten
2332 Auswahl der VerantwortlichenAufgrund der vielfaumlltigen und unterschiedlichen Aufgaben der einzelnen Rollen muumlssen die Kandidaten verschiedene Faumlhigkeiten und Eigenschaften mitbringen Der Sponsor und der Champion sollten houmlhere Fuumlhrungskraumlfte sein moumlglichst Mitglieder des Vorstandes bzw der Geschaumlftsleitung Die Black und Green Belts sollen je nach Groumlszlige des Unterneh-mens Mitglieder der mittleren oder unteren Managementebene sein Von den Kandidaten fuumlr diese Rollen wird erwartet dass sie uumlber fundierte Erfahrungen im Projektmanagement verfuumlgen
Der zukuumlnftige Black Belt muss als Leiter der Lean-Sigma-Projekte seine Mitarbeiter fuumlr die Initiative begeistern und den Wandel zur Lean-Sigma-Organisation vorantreiben Dafuumlr benoumltigt er Faumlhigkeiten zur Kommunikation Fuumlhrung und Motivation der Mitarbei-ter Seine Faumlhigkeiten und Fertigkeiten sollten im Unternehmen anerkannt und geschaumltzt sein Er muss sowohl mit der Management- als auch mit der Mitarbeiterebene glaubwuumlr-dig kommunizieren koumlnnen er ist das Bindeglied zwischen dem Topmanagement und den jeweiligen Projektteammitgliedern Der Black Belt fungiert auch als eine Art bdquoAugenoumlff-nerldquo Die Mitarbeiter die z T sehr lange in ihren Abteilungen routiniert ihrer Arbeit nach-gehen haben haumlufig eine gewisse bdquoProzessblindheitldquo entwickelt d h sie erkennen die Schwachstellen in den Ablaumlufen nicht mehr Der Black-Belt-Kandidat muss ferner uumlber Fuumlhrungsfaumlhigkeit verfuumlgen aber andererseits auch ein hervorragender Teamplayer sein Da er auch als bdquoChange Agentldquo agieren muss sollte er uumlber ausgepraumlgte Soft Skills ver-fuumlgen Hier sind neben der Kommunikations- und Teamfaumlhigkeit beispielsweise Selbst-
4923 Lean (Six) Sigma
staumlndigkeit Enthusiasmus und Durchsetzungsstaumlrke zu nennen Es wird deutlich dass die Auswahl der richtigen Kandidaten fuumlr die Black-Belt-Rolle eine der wichtigsten Entschei-dungen im Rahmen einer Lean-Sigma-Initiative ist Bei General Electric beispielsweise wurden nur Mitarbeiter der bdquoA-Kategorieldquo als Black Belts ausgebildet7 zumeist sind diese die High Potentials des Unternehmens
2333 Die ProjektfortschrittskontrolleLean Sigma uumlbernimmt die Six-Sigma-Vorgehensweise und baut eine Initiative ebenfalls nach den Schritten Define (Was ist wichtig) Measure (Wie gut sind wir) Analyse (Was ist falsch) Improve (Was muss getan werden) und Control (Wie stellen wir die nach-haltige Verbesserung sicher) auf Durch diese Vorgehensweise wird ein Prozess in fuumlnf Schritten durchdrungen und optimiert Zwischen den einzelnen Phasen werden im Vorfeld Meilensteine bzw sogenannte Tollgates8 definiert welche erfuumlllt sein muumlssen bevor die naumlchste Phase gestartet wird In den Tollgates nach der jeweiligen Phase ist Folgendes zu uumlberpruumlfen
1 Defineminus Ein schriftlicher Projektauftrag umfasst eine Begruumlndung fuumlr das Projekt eine
(vorlaumlufige) Problemdarstellung Umfang Ziele Rollen Meilensteine Verantwor-tungsbereiche sowie eine Nutzenabschaumltzung (Net-Benefit-Estimation) die von der Finanzabteilung genehmigt wurde
minus Eine vollstaumlndige und uumlberpruumlfte Ist-Prozessaufnahme hat in Form von Prozess- und Wertstromdiagrammen stattgefunden
minus Die Kunden sind eindeutig definiert und ihre Anforderungen sind messbar beschrieben
minus Die die Qualitaumlt des ProduktesService beeinflussenden Faktoren sind bekannt (Kundenzufriedenheit Prozesseffizienz)
minus Best Practicepositive Nebeneffekte wurden gepruumlftminus Ein Projektplan beschreibt den Verlauf des Projektes durch alle Phasen und weist
die Tollgate-Meeting-Termine des Projektes auf2 Measure
minus Eine Einigung uumlber die wichtigsten Messgroumlszligen wurde erzieltminus Die Inhalte Art und Form der Datensammlung wurden gemeinsam festgelegt
7 In dem Konzern werden die Mitarbeiter jaumlhrlich in A- B- und C-Kategorien eingeteilt In Kate-gorie bdquoAldquo sind Mitarbeiter die gefoumlrdert werden sollen und denen eine Karriere im Unternehmen zugetraut wird In Kategorie bdquoBldquo werden Mitarbeiter eingestuft mit denen das Unternehmen weit-gehend zufrieden ist die aber nicht zu den absoluten High Potentials gehoumlren Kategorie bdquoCldquo um-fasst Mitarbeiter von denen sich das Unternehmen in der Zukunft wahrscheinlich trennen wird Aufgrund des Einflusses des Betriebsrates wurde diese Vorgehensweise bei GE in Deutschland nicht umgesetzt8 Prozesskontrollpunkte an denen die bisherigen Aufwendungen und Ergebnisse der Prozesse eines Projektes einem Soll-Ist-Vergleich unterzogen werden
50 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
minus Die Qualitaumlt der Datensammlung (Eindeutigkeit Genauigkeit und Kontinuitaumlt) ist sichergestellt
minus Die Ausgangsmessungen der Prozessfaumlhigkeit und des Sigma-Levels (Fehlerfrei-heit) des Prozesses wurden errechnet und als Sigma-Wert und DPMO-Messgroumlszlige praumlsentiert
minus Die Prozessvariation wurde mittels geeigneter Tabellen und Grafiken dargestellt und erklaumlrt
minus Das Team hat potenzielle Fehlerursachen identifiziert und priorisiert3 Analyse
minus Der Ist-Zustand des Prozesses ist detailliert aufgenommen und die Durchlaufzeiten sowie die Non-Value-Added- und Value-Added-Prozessschritte sind dokumentiert
minus Die Datenanalyse ermoumlglicht Kernaussagen zu Staumlrken und Schwaumlchen im Prozessminus Die Problemdarstellung wurde aufgrund der gesammelten Erkenntnisse uumlberpruumlft
und konkretisiertminus Eine Risikoanalyse wurde durchgefuumlhrt und damit die wichtigsten Fehlermoumlglich-
keiten des Prozesses und deren Konsequenzen identifiziert4 Improve
minus Kriterien zur Bewertung der Loumlsungsvorschlaumlge wurden definiertminus Mehrere alternative Loumlsungsvorschlaumlge wurden erarbeitetminus Eine Kosten-Nutzen-Bewertung fuumlr die vorgeschlagenen Loumlsungen wurde
durchfuumlhrtminus Die Loumlsungsvorschlaumlge wurden bewertet und die am besten geeigneten Loumlsungen
wurden zur Umsetzung ausgewaumlhltminus Der neue Soll-Prozess wurde grafisch dargestellt inkl Aumlnderungen zum Ist-Prozessminus Der Pilot zur Umsetzung der ausgewaumlhlten Loumlsung(en) wurde definiertminus Die Risiken bei der Implementierung wurden abgeschaumltzt (beurteilt) und beschriebenminus Fuumlr den Fall einer Abweichung vom neuen Standardprozess wurde ein klar formu-
lierter und nachvollziehbarer Notfallplan entwickeltminus Die Messgroumlszligen und ein Messplan fuumlr den neuen Prozess wurden definiert und im
Piloten angewendetminus Ein Implementierungsplan fuumlr die vollstaumlndige Umsetzung der Loumlsung wurde ent-
wickelt (ggf einschlieszliglich Planung des Projekt- und Veraumlnderungsmanagements)minus Die Loumlsung(en) wurde(n) in kleinem Umfang oder in einem Pilotprogramm
durchgefuumlhrtminus Die Prozessverbesserungen sind allgemeinverstaumlndlich an alle Beteiligten kommu-
niziert wordenminus Die zu erwartenden Einsparungen sind uumlberpruumlft und durch Champion und Control-
ling abgezeichnet5 Control
minus Der Nachweis dass die Verbesserungsziele erreicht sind liegt vorminus Die Nutzenkalkulation wurde uumlberarbeitetminus Geeignete Messsysteme und Prozesse sind vorhanden
5123 Lean (Six) Sigma
minus Uumlbergabe an Prozessverantwortlichen ndash Person ist einvernehmlich ernannt wordenminus Die Uumlberwachung des neuen Prozesses ist durch einen BB-Auditplan gewaumlhrleistet
sodass die Verbesserungen langfristig erhalten bleibenminus Den Mitarbeitern stehen alle erforderlichen Arbeitsanweisungen und Tools fuumlr die
taumlgliche Umsetzung des verbesserten Prozesses zur Verfuumlgungminus TrainingSchulung fuumlr den neuen Prozessablauf wie auch fuumlr Ruumlckfallvermeidung
ist abgeschlossen
2334 Die Messung der WirksamkeitInsbesondere das Lean Management wurde waumlhrend der ersten Lean-Welle oft als reines bdquoCost Cuttingldquo verwendet Die Begeisterung fuumlr die Methodik lieszlig schnell nach Erst in der zweiten Hochphase des Lean Managements Ende der 1990er-Jahre ruumlckte die Philoso-phie hinter dem Ansatz in den Fokus der Unternehmen Diese Philosophie bietet ein deut-lich weiteres strategisches Feld an Ergebnissen als das kurzfristige Cost Cutting Durch das Lean Management koumlnnen die Durchlaufzeiten in allen Prozessarten verringert die Lagerhaltung optimiert die Wartungszeiten der Anlagen und Maschinen verbessert und die Organisation auf die Vermeidung von Verschwendung eingeschworen werden
Die Messbarkeit der Ergebnisse aus Lean-Projekten stellt zunaumlchst ein Problem dar denn die Resultate koumlnnen vielfaumlltig sein Ob der italienische Flugzeughersteller Piag-gio Aerospace z B mit demselben Aufwand mehr Flugzeuge produziert oder Porsche die Qualitaumlt der Fahrzeuge deutlich verbessert ndash es ist wichtig dass die Unternehmen im Vorfeld der Implementierung klare Ziele definieren Durch den Einsatz von Meilenstein-systemen (vgl Abschn 3333) muumlssen diese in uumlberschaubare Schritte eingeteilt und kontrolliert werden Nur so kann die Erfolgsmessung sichergestellt werden Die Bestands-aufnahme und die Uumlberpruumlfung der Zielerreichung darf nicht von interner Unternehmens-politik beeinflusst werden Wichtig ist dass die Messungen objektiv und unvoreingenom-men durchgefuumlhrt werden In groszligen Unternehmen kann dies durch interne Beratungs- Revisions- oder Controlling-Finanzeinheiten geschehen In den kleinen und mittleren Unternehmen koumlnnen hier besonders zu Beginn der Initiative externe Helfer objektiver und unvoreingenommener agieren
Von der Six-Sigma-Einfuumlhrung erwarten sich die Unternehmen zunaumlchst eine Verbes-serung der Output-Qualitaumlt und eine Erhoumlhung der Kundenzufriedenheit US-amerikani-sche Autoren wie Peter Pande et al (2000 S 43) oder Harry und Schroeder (2000 S 78) nennen zusaumltzlich Prozess- und Performenceverbesserung als Ziele von Six Sigma Bei der Beantwortung der Frage welche Moumlglichkeiten der Erfolgsmessungen bei Six Sigma bestehen bietet besonders der DMAIC-Zyklus einen wichtigen Ansatzpunkt
In der ersten Phase muumlssen die Daten die innerhalb des Zyklus erhoben gemessen und verwendet werden sollen genauestens definiert werden Nach Ablauf des DMAIC-Zyklus werden die definierten Daten erneut erhoben und mit den vorherigen Werten verglichen Wichtig ist hierbei dass moumlglichst alle externen Einfluumlsse die nicht mit Six Sigma zu-sammenhaumlngen unveraumlndert bleiben damit diese das Ergebnis nicht verfaumllschen koumlnnen In einem Produktionsprozess laumlsst sich dies in der Regel recht einfach durchfuumlhren Im
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Fall der Dienstleistungserstellung ist es erheblich schwieriger die richtigen Parameter zu finden Hier koumlnnen jedoch die Durchlaufzeiten beispielsweise bei einer Kundenanfrage in einem Service-Center Orientierung bieten
Letztendlich kann der Erfolgsgrad einer Six-Sigma-Initiative auch an der Veraumlnderung des Sigma-Wertes ermittelt werden Dies bietet sich besonders in einfachen und stark stan-dardisierten Prozessen an In komplexen Prozessen ist die genaue Ermittlung der Fehler-moumlglichkeiten aumluszligerst schwierig und in der Folge nicht mehr wirtschaftlich
Die Erfolgsmessung ist nur wirksam wenn die Daten quantitativ und qualitativ aus-reichen Gerade in der effizienten und effektiven Datenerhebung liegt der entscheidende Vorteil der Six-Sigma-Methodik Die Prozessverbesserungszyklen der Methodik setzen eine fundierte Datenerhebung voraus Sind die Daten in einem Prozess nicht ausreichend ist es von groumlszligter Bedeutung dass dies im Projektverlauf durch die Black Belts erkannt und behoben wird Dies zeigt auch noch einmal die Wichtigkeit der fundierten Ausbildung aller Six-Sigma-Beteiligten
Anwenderunternehmen nennen als Ziele der Lean-Sigma-Implementierung hauptsaumlch-lich Kostenreduktion und Prozessverbesserung Zusaumltzliche Ziele sind eine Steigerung der Qualitaumlt eine Verbesserung des Unternehmenspotenzials eine Veraumlnderung der Unter-nehmenskultur Kosten- und Produktionsfuumlhrerschaft oder auch die informationsbasierte Entscheidungsfindung im Gegensatz zu Entscheidungen aus dem Bauch heraus
Im Vordergrund steht die kunden- und effizienzorientierte Analyse der Prozessleistung Dabei wird besonderes Augenmerk auf die kundenbezogenen Anforderungen gelegt Diese Kundenanforderungen stellen die Critcal-to-Quality-Faktoren fuumlr die Vermessung Analyse und Verbesserung der Prozesse dar Das Lean Management bringt den Ansatz der staumlndigen Verbesserung mit dem Fokus auf verringerte Durchlaufzeiten und Verschwen-dungsvermeidung ein
Die Erfolgsmessung einer Lean-Sigma-Initiative kann durch eine Kosten-Nutzen-Ana-lyse erfolgen Mit diesem Instrument wird uumlberpruumlft ob der Nutzen einer Aktion deren Kosten rechtfertigt Im Fall von Lean Sigma bedeutet dies dass die Kosten der Initiative beispielsweise fuumlr die Schulungen und die freigestellten Mitarbeiter den Ertraumlgen aus Lean Sigma gegenuumlbergestellt werden Wie werden diese Ertraumlge nun ermittelt
Die Unternehmen verwenden dafuumlr ndash aumlhnlich zu Six Sigma ndash zumeist einen Vorher-Nachher-Vergleich Dabei werden aus den Daten der Define-Phase diverse Parameter definiert um den Ist-Zustand eines Prozesses festzustellen Dies koumlnnen beispielsweise die Costs of poor Quality die Verschwendung innerhalb eines Produktionsprozesses die Kosten pro gefertigter Einheit das verwendete Material pro Einheit oder die Durchlauf-zeit sein
Der Erfolg eines Lean-Sigma-Projekts wird regelmaumlszligig in der bdquoSprache des Manage-mentsldquo d h in Geld gemessen (sogenannte Benefits) und von der Controlling-Finanz-abteilung bestaumltigt Was als Benefit zaumlhlt und was nicht und wie der Benefit genau zu berechnen ist wird gewoumlhnlich in den bdquoFinancial-Benefit-Richtlinienldquo unternehmensin-dividuell festgelegt
5323 Lean (Six) Sigma
In den meisten Faumlllen erfolgt die Berechnung des Benefits indem die Differenz der Prozesskosten (Personalkosten Materialkosten Raumkosten etc) vor dem Lean-Sigma-Projekt und nach dem Lean-Sigma-Projekt miteinander verglichen und uumlber zwoumllf Mona-te hochgerechnet werden (bdquoAnnualised Benefitldquo) Bei Cashflow-Effekten und zusaumltzlich generiertem Umsatz als Ergebnis von Lean-Sigma-Projekten werden zum Teil einmalige Effekte aber auch Effekte uumlber 36 bzw 60 Monate gerechnet (z B 60 Monate bei Marge aus zusaumltzlich generiertem Umsatz) Benefits gibt es in drei unterschiedlichen Haumlrtegra-den (HG bzw bdquoMaturity Gradeldquo)
bull bdquoHaumlrtegrad 3ldquo bedeutet dass der Champion und der BlackGreen Belt sich uumlber die Houmlhe des Benefits einig sind der durch die Umsetzung der beschlossenen Prozessver-besserungen erreicht werden soll Haumlrtegrade 3 werden daher meist in der Improve-Phase im Projekt definiert
bull bdquoHaumlrtegrad 4ldquo bedeutet dass die Prozessverbesserungen umgesetzt sind d h dass der neue Prozess den Piloten erfolgreich bestanden hat und implementiert ist Das ist zu-meist am Ende der Improve-Phase (bdquoImplementldquo) der Fall
bull bdquoHaumlrtegrad 5ldquo bedeutet dass die Benefits aus der Prozessverbesserung ergebniswirk-sam im Sinne der Gewinn- und Verlustrechnung implementiert wurden In der Praxis heiszligt das z B dass frei gewordene Flaumlchen wieder vermietet wurden uumlberzaumlhliges Material verkauft wurde bzw uumlberzaumlhliges Personal nicht mehr in dem neuen Prozess arbeitet
Der BlackGreen Belt und die Lean-Sigma-Teams sind ndash unterstuumltzt vom Champion und den betroffenen Linienmanagern ndash in der Lage Benefits als HG3 und HG4 zu realisieren
Fuumlr die Realisierung von Benefits des Haumlrtegrades 5 ist der bdquoProcess Ownerldquo bzw das betroffene Linienmanagement verantwortlich da es sich hierbei um eine Entscheidung der betroffenen Fuumlhrungskraumlfte in der Linienorganisation handelt die das Lean-Sigma-Projektteam nicht durchsetzen kann Benefits vom Haumlrtegrad 4 und 5 werden von der Finanz-Controllingabteilung uumlberpruumlft und bestaumltigt Process Owner und Champions be-staumltigen ebenfalls schriftlich Benefits mit bdquoHaumlrtegrad 5ldquo
Ein anderes moumlgliches Werkzeug zur Nutzenquantifizierung ist die Balanced Score-card In diesem Fall werden die Veraumlnderungen der fuumlr Lean Sigma relevanten Kennzah-len in der Balanced Scorecard ermittelt Daraus wird der Beitrag zum Unternehmenserfolg abgeleitet
Aumlhnliche Instrumente sind die sogenannten Key Performance Indicators Diese sind als kritische Erfolgsfaktoren definiert die durch Kennzahlen abgebildet werden Dabei wird eine zu erfuumlllende Aufgabe uumlber ihre Ziele definiert Durch vorher definierte Messzahlen wird der Grad der Zielerreichung in regelmaumlszligigen Abstaumlnden ermittelt Entscheidend ist dass den betreffenden Projektteams die Entscheidungskompetenzen uumlber die Parameter eingeraumlumt werden
Auf Basis der erhobenen Daten wird in Zusammenarbeit mit den Projektteams eine zu erreichende Performance festgelegt Die dafuumlr notwendigen Ressourcen werden definiert
54 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
Nach Ablauf der Projekte werden die Erfolge am Grad der Zielerreichung ermittelt Eine solche Form der Erfolgsermittlung bietet sich insbesondere an wenn externe Projekt-teams beispielsweise Berater beteiligt sind
Beispiel Lean Sigma bei der Norddeutschen Retail Service AG
Ein deutsches Unternehmen welches in der Vergangenheit groszlige Erfolge dank Lean Sigma erzielen konnte ist die Norddeutsche Retail Service AG (NRS)
Das Unternehmen wurde 2005 als Gemeinschaftsprojekt der Sparkassen Bremen und Hamburg sowie des Sparkassen- und Giroverbandes fuumlr Schleswig Holstein (SGVSH) gegruumlndet 2010 hatte das Unternehmen an seinen Standorten rund 1350 Mitarbeiter und war fuumlr 16 Sparkassen taumltig zehn davon nutzten mindestens zwei Ge-schaumlftsbereiche des Unternehmens
Die NRS bietet Dienstleistungen fuumlr die Sparkassen aus den Bereichen Consul-ting Finanzen und Controlling Kreditservice Marktservice und Zahlungsverkehr an Abb 219 zeigt das Leistungsangebot der NRS
Consulting
Die NRS bietet Beratung und praktische Unterstuumltzung bei FI-Migrationen Parametrisierungensowie der Optimierung und Industrialisierung von Geschaumlftsprozessen sowohl durch eigene erfahrene Projektmanager als auch durch Coaching von Mitarbeitern der Mandanten
Finanzen und Controlling
Die NRS bietet umfassende Dienstleistungen vom Rechnungswesen uumlber Risiko-Controlling bis zur Gesamtbankanalyse Zusaumltzlich buumlndelt die NRS an den Standorten Bearbeitungskompetenz Prozesskompetenz und Umsetzungskompetenz
Kreditservice
Die NRS bearbeitet alle Backoffice-Ablaumlufe im Neu- und Bestandsgeschaumlft fuumlr Privat-und Firmenkredite Zusaumltzlich bietet die NRS Analysetaumltigkeiten wie sect18 KWG-Management und Dienstleistungen wie zB Darlehensbuchhaltung
Marktservice
Die NRS wickelt alle Vertraumlge rund um Konto und Kunde ab bearbeitet dasKarten- geschaumlft und kuumlmmert sich um Kundeninformationssysteme genau so wie um Daten-Qualitaumltsmanagement Zusaumltzlich bietet die NRS Leistungen wie Textservice einetelefonische Infoline und zentrale Stammdatenerfassung
Zahlungsverkehr
Die NRS wickelt fuumlr die Mandanten den kompletten beleghaften Zahlungsverkehr abDaruumlber hinaus uumlbernimmt die NRS Recherche- und Korrekturfunktionen Im Electronic Banking verarbeitet die NRS Datentraumlger in allen gaumlngigen Formaten und leistet fuumlr die Firmenkunden der Sparkassen den kompletten Hotline-Service
Abb 219 Das Leistungsangebot der NRS AG (Quelle Dahm und Haindl 2011 S 141)
5523 Lean (Six) Sigma
Das Unternehmen hat sich bdquoProduktivitaumltldquo und bdquoQualitaumltldquo als Kernziele auf die Fah-nen geschrieben Dafuumlr wurde 2007 das Programm bdquoOperative Exzellenzldquo (OPEX) ge-startet Im Rahmen des OPEX-Programms sollte Lean Sigma bei der NRS implemen-tiert werden Die Implementierung wurde durch ein Beratungsunternehmen begleitet Durch die klaren Handlungsanweisungen der Lean-Sigma-Methodik versprach sich die NRS messbare monetaumlre Erfolge eine erweiterte Loumlsungskompetenz Nachhaltigkeit und eine Veraumlnderung der Unternehmenskultur hin zu einer bdquopermanenten Verbesse-rung in einem selbstlernenden Systemldquo (Kodlin und Dose 2009 S 23) Abb 220 zeigt die damalige Projektstruktur im Vergleich mit der durch die OPEX-Implementierung gewuumlnschten Projektstruktur
Herkoumlmmliche Projekte OPEX-Projekte
keine Ausbildung von Projektmitarbeitern
keine Ausbildung von Projektleitern im Fachbereich
Ausbildung von Projektmitarbeitern(Yellow Belt)
Ausbildung von Projektleiternim Fachbereich (Green Belt)
Ausbildung von verantwortlichen Fuumlhrungskraumlften idR Abteilungsleitern (Yellow Belt)
keine aktive Begleitung der Projekte (auszliger Gremien)
Projektbegleitung durch parallele Aus-bildung (1 Projekt) und professionelles Coaching (externe Consultantsinterne Projektmanager)
Die betroffene Fuumlhrungskraft ist fuumlr das Projekt verantwortlich und nimmt eine aktive Rolle wahr
Projekte haben eine lange Laufzeit (Monate bis Jahre) und erfordern einen hohen Aufwand Damit sind hohe Risiken verbunden und es werden oft viele Mitarbeiter zT in Vollzeit benoumltigt (haumlufig Versetzung in das Projekt )
Kleine (max 40 PT Aufwand) und schnelle Projekte (90 Tage) haben nur sehr geringe Risiken und benoumltigen die Mitarbeiter nur bdquokurzldquo Die Projekte koumlnnen im Rahmen der taumlglichen Arbeit durchgefuumlhrt werden
Methodik Vorgehen den Projektmitarbeitern nicht transparent
Expertise wird uumlber Workshops Interviews oder aumlhnliches bdquoabgefragtldquo der Ergebnisbezug bleibt offen
Das Projekt ist fuumlr jeden Mitarbeiter uumlberschaubar
Engagement und Wissen fuumlhren unmittelbar zu eigenen mitgestalteten Ergebnissen
Abb 220 Ist- vs Soll-Zustand der Projektstruktur (Quelle Dahm und Haindl 2011 S 142)
56 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
Lean Sigma sollte bei der NRS eng mit den bestehenden Organisationsstrukturen verzahnt werden Es sollte durch die Implementierung keine parallele Projektstruktur entstehen Dafuumlr wurde Lean Sigma geschaumlftsbereichsuumlbergreifend organisiert sodass die Process Owner direkt an den Projekten beteiligt wurden was daruumlber hinaus zu einer hohen Akzeptanz und Motivation der Teammitglieder fuumlhrte und die Kommuni-kation im Unternehmen signifikant verbesserte (vgl Abb 221)
Lean Sigma wurde bei der NRS in vier Phasen uumlber zwei Jahre implementiert Abb 222 zeigt den Verlauf und die Inhalte der einzelnen Phasen (Dahm und Haindl 2011 S 139 f)
Die vier Phasen sahen im Einzelnen wie folgt aus1 Phase (Testphase) Die Trainingsmaszlignahmen fuumlr die Yellow Belts wurden gestar-
tet In den Geschaumlftsbereichen Marktservice Kreditservice Finanzen und Control-ling wurden jeweils zwei Projekte durchgefuumlhrt Ziel dieser Vorgehensweise war es herauszufinden welche Prozesse des Unternehmens wie und auf welche Weise mithilfe von Lean Sigma verbessert werden koumlnnen Auszligerdem sollten die bestmoumlg-lichen Lean-Sigma-Tools ausgewaumlhlt werden
2 Phase (Roll-out-Phase) Ab dem zweiten Halbjahr 2007 wurden weitere Mitarbei-ter zu Green Belts ausgebildet dadurch konnten 18 Projekte parallel in den verschie-denen Geschaumlftsbereichen durchgefuumlhrt werden Der Breakndasheven-Point der Projekte wurde im Durchschnitt bereits nach einem Jahr erreicht
Kernteam(MA UE UB)
Green Belt
Yellow Belts
Champion(AL)
FK = Fuumlhrungskraumlfte
AL = Abteilungsleiter
MA UE = MitarbeiterUnternehmensentwicklung
UB = Unternehmensberatung
Sponsor(Vorstandsmitglied)
Projektdurchfuumlhrung
Dauer ca 3 Monate
max 5 Mitarbeiter (Spezialisten) mit Arbeitszeitanteilen von weniger als 10
Steuerungskreis(FK + Sponsor)
Abb 221 Die Projektstruktur von OPEX bei der NRS AG (Quelle Kodlin und Dose 2009 S 156)
5723 Lean (Six) Sigma
3 Phase (Stabilisierungsphase) Mit dem Beginn des Jahres 2008 wurden weitere 20 Projekte gestartet wobei die Begleitung durch die externen Berater deutlich zuruumlck-gefahren werden konnte da die Mitarbeiter der NRS mittlerweile einen ausreichend hohen Kenntnisstand erreicht hatten
4 Phase (Abschluss der Ausbildung) Die letzten Green Belts wurden im Rahmen der Lean-Sigma-Implementierung bis Ende 2008 ausgebildet Dadurch war es moumlg-lich 32 Projekte parallel durchzufuumlhren (Vgl Kodlin und Dose 2009 S 157 ff)
Abbildung 223 zeigt einige beispielhafte Projekte aus der Lean-Sigma-Implementie-rungsphase bei der NRS
Bis 2010 wurden insgesamt 308 Yellow 47 Green zwei Black Belts und 17 Cham-pions ausgebildet Von 2007 bis 2010 wurden 176 Projekte mit einem durchschnitt-lichen Aufwand-Nutzen-Verhaumlltnis von 13 durchgefuumlhrt
Nach Abschluss der Implementierung konnte nach zweieinhalb Jahren bei der NRS unterstuumltzt durch OPEX eine Produktivitaumltssteigerung von 23 erreicht werden
Zur Weiterentwicklung des Programms wurden bereits 2009 und 2010 Ausbaustu-fen aufgesetzt die den Radius der Vorhaben erweitern und die Vernetzung mit strategi-schen Entwicklungen im Unternehmen sicherstellen
So wurde beispielsweise der Fokus der Projekte erweitert auf geschaumlftsbereichs-uumlbergreifende Prozesse (z B den Rechnungsstellungsprozess) auf Neuprozessent-wicklungen (z B Produkt Pfaumlndungsbearbeitung) und auf gemeinsame Projekte mit Mandanten (z B Optimierung des Kontoeroumlffnungsprozesses)
Management-Work-shop Initialisierung
Projekte I (Ausbildung)Training Green Belt I
Entscheidung Roll-outBewertung
Projekte II (Ausbildung)Training Green Belt IITraining Yellow Belt
Projekte III (Ausbildung)Training Green Belt III
Projekte (Optimierung)
EntscheidungDurchfuumlhrung
Testphase Roll-out Stabilisierung Abschluss
Jan
07Fe
b 07
Mrz
07
Apr
07
Mai
07
Jun
07Ju
l 07
Aug
07
Sep
07
Okt
07
Nov
07
Dez
07
Jan
08Fe
b 08
Mrz
08
Apr
08
Mai
08
Jun
08Ju
l 08
Aug
08
Sep
08
Okt
08
Nov
08
Dez
08
Jan
09
Abb 222 Ablauf der Lean-Sigma-Implementierung
58 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
Fuumlr die Zukunft ist eine Erweiterung und enge Vernetzung des OPEX-Portfolios mit dem Gesamtprojektmanagement in der NRS geplant Die Instrumente werden auszliger-dem zum Ausbau eines professionellen Geschaumlftsprozessmanagements in der NRS ge-nutzt Das durch die Lean-Sigma-Ausbildungen erreichte hohe Qualifizierungsniveau soll durch gezielte Aufbauqualifizierungen im Bereich Prozess- und Projektmanage-ment weiter ausgebaut werden
234 Der Werkzeugkasten von Lean Sigma
Bei der Umsetzung von Lean Sigma kann auf ein Repertoire von rund 150 Tools zuruumlck-gegriffen werden Dabei handelt es sich nicht um eine bdquoBedienungsanleitungldquo fuumlr Lean Sigma denn die Auswahl der Werkzeuge ist immer hinsichtlich der notwendigen Prozess-verbesserung zu treffen welche sich stark unterscheiden kann An dieser Stelle soll in erster Linie auf die aus dem DMAIC-Zyklus bekanntesten und gebraumluchlichsten Werkzeu-ge naumlher eingegangen werden Eine vollstaumlndige Erlaumluterung aller Werkzeuge wuumlrde den
bdquoOptimierung der QualitaumltssicherungldquoBereich Analyse
bdquoEinsatz standardisierterMustertexteldquo
bdquoAuftragserteilung von Kundenldquo
Fokus Analyse der wirtschaftlichen Verhaumlltnisse
Loumlsung Fokussierung Qualitaumltssicherung automatisierte Excel-Datei
Erfolg 111000 Minuten Bearbeitungszeit
Produktivitaumlt
Fokus Erstellung von Schriftwechsel Loumlsung Arbeitshilfe fuumlr Transparenz uumlber
Inhalte Aufbau und Sortierung Erfolg Erhoumlhung des Einsatzes
standardisierter Musterbriefevon 20 auf 64 aller Schreiben
Fokus Sammlung und Koordinationvon Auftraumlgen Erstellung von Kundenreports
Loumlsung Kundenmanagement-Datenbankund Prozesse
Erfolg Konzentration von Aufgaben und Uumlbernahme neuer Kundenreports(Gegenwert ca 292320 Minuten)
Qualitaumlt
Neuentwicklung
Abb 223 Beispielprojekte bei der NRS (Quelle Dahm und Haindl 2011 S 145)
5923 Lean (Six) Sigma
Rahmen dieses Abschnitts sprengen ndash die dezidierte Feinmechanik des Lean-Sigma-Werk-zeugkastens soll nicht im Fokus dieses Buches stehen9 Eine Uumlbersicht bietet Abb 224
2341 Define23411 Projektsteckbrief Ein Beispiel fuumlr einen Projektsteckbrief ist in Abb 225 zu sehen
bull Was ist der Zweck Der Projektsteckbrief dokumentiert die Ausgangslage eines Projektes Dieses Six-Sig-
ma-Werkzeug beinhaltet die knappe und eindeutige Darstellung des Problems der Pro-
9 Fuumlr eine detaillierte Darstellung der Werkzeuge empfehlen wir Lunau et al (2013) und Rehbehn und Yurdakul (2003)
Ausgewaumlhlte Werkzeuge und Aktivitaumlten
Projektsteck-brief
BaumdiagrammVon VOC
zu CTQProzess-
definition -abgrenzung (SIPOC)
Stakeholder-Analyse
Prozess-diagramm
Prozessanalyse (Begehung Flussdiagramm)
Wertstrom-analyse (ValueStream Map)
Fischgraumlten-Diagramm
Daten-sammlungsplan
Ermitteln der Prozessfaumlhigkeit
Basisstatistik
5 S 8 Arten der
VerschwendungWertschoumlpfungs-
analysePareto-AnalyseHypothesentestsKorrelation
RegressionFMEAANOVARACI
Poka YokeKreativitaumltstoolsProzessdesignKosten-Nutzen
AnalyseTRIZDOEZeit-
Ressourcen-Planung
GANTRuumlstzeit-
reduzierung
Projektdoku-mentation-abschluss
Ermitteln der Prozessfaumlhigkeit (neuer Prozess)
Uumlbergabe anden Prozess-verantwortlichen
Audits
Unterstuumltzung projektbegleitende Werkzeuge
6-3-5 Methode Anti-Loumlsungs-
Brainstorming bdquoDie perfekte Weltldquo
Fahrstuhlrede Stimmungsbarometer Kommunikationsplan
Besprechungsprotokoll Status Report Projektruumlckblick
Define
Was istwichtig
Measure
Wie gutsind wir
Analyze
Was ist falsch
Improve
Was muss getan werden
Control
Wie stellen wir die nachhaltige Verbesserung sicher
Abb 224 Ein Auszug des Werkzeugkastens von Lean Sigma
60 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
jektzielsetzung und des Projektumfangs Dabei ist es wichtig sich auf einen spezifisch zu optimierenden Prozess zu konzentrieren und die wesentlichen Projektbeteiligen schriftlich zu fixieren
bull Wann setzt man ihn ein Der Projektsteckbrief wird waumlhrend der Identifizierungs- und Definitionsphase des
Projektes durch den Auftraggeber (Champion) und den Projektleiter (Black Belt) er-stellt und im Projekt-Kick-off dem Team vorgestellt Er enthaumllt alle fuumlr die Vergabe eines Projektauftrags notwendigen Informationen Diese Informationen sind durch eine ausreichende Anzahl an Hintergrundgespraumlchen mit direkt und indirekt beteiligten Per-sonen des Projektes zu generieren Anpassungen des Projektsteckbriefs sind nur mit Zustimmung des Auftraggebers moumlglich
bull Wie funktioniert es Der Auftraggeber vereinbart einen Termin mit dem designierten Projektleiter und fuumlllt
mit ihm den Projektsteckbrief aus Fehlende Informationen werden vom Projektleiter beschafft und ergaumlnzt Wenn die Elemente des Steckbriefs (Problemstellung Meilen-steine Projektziel -team -fokus und -potenzial) beim Kick-off praumlsentiert werden ist
Projekt
Problem Art desProjektes
Ziel
Proj ChamSponsor
Projektleiter(BBGB)
MBBCoach
Wer ist AuftraggeberCoach Projektleiter Prozess-verantwortlicher
Was sind die Verbesserungsziele
Wo ist der bdquoSchmerzldquo Was laumluft falsch
Kostenreduzierung
Umsatz Generierung
Kundenzufriedenheit
Sonstiges
BusinessCase
Annahmen
Potential keuro
Neben-effekte
Warum sollten wir das Projekt machen
Einfluss des Projektes auf die strategischen Ziele
Irgendwelche Nebeneffekte
Moumlgliche Einsparungen
ProcessOwner lt Unterschrift gt
Finance lt Unterschrift gt
Abb 225 Vorlage fuumlr einen Projektsteckbrief
6123 Lean (Six) Sigma
das Feedback der Beteiligten aufzugreifen ndash moumlglicherweise sind notwendige Anpas-sungen vorzunehmen
Die Problemstellung geht auf den Status quo ein und hebt die Ursache und die Wichtig-keit des Projektes hervor Das Projektziel ist SMART (spezifisch messbar abgestimmt realistisch und terminiert) zu formulieren Es ist keine Ursachenforschung zu betreiben sondern der Ist- und Soll-Zustand soll festgehalten werden Die Meilensteine definie-ren den Beginn und die Dauer des Projektes Das Projektteam haumllt die involvierten Personen und den geschaumltzten Ressourcenbedarf fest Der Projektfokus definiert den Umfang des Projektes ndash wird das Augenmerk beispielsweise auf Qualitaumltsverbesserung oder Kundenzufriedenheit gelegt Das Potenzial schaumltzt neben der Baseline (Messba-sis) den monetaumlren Projektnutzen ab
bull Worauf muss man achten Im Rahmen der Problemstellung und des Projektziels sind besonders das ursaumlchliche
Problem die Zielsetzung und damit der Handlungsbedarf konkret und deutlich zu for-mulieren Der Projektsteckbrief sollte vom Sponsor unterschrieben und fuumlr alle sichtbar im Unternehmen ausgehaumlngt werden
23412 SIPOC bull Was ist der Zweck Dieses Instrument stammt aus dem methodischen Repertoire von Six Sigma kann aber
auch im Lean-Kontext zum Einsatz kommen SIPOC ist das Akronym fuumlr Supplier Input Process Output Customer und dient der standardisierten Darstellung eines Pro-zesses um Schwachstellen zu erkennen Es geht um einen schnellen uumlbergeordneten Uumlberblick (High Level) aller wesentlichen Elemente des zu untersuchenden Prozesses ohne tiefergehende Details herauszuarbeiten
bull Wannsetztmanesein SIPOC dient zur Identifizierung der fuumlr das Projekt wesentlichen Prozessschritte in
der Define-Phase ndash im Idealfall im ersten Projektmeeting Es wird fruumlhzeitig angewen-det damit alle Beteiligten durch die visualisierte Momentaufnahme ein einheitliches Verstaumlndnis des zu verbessernden Prozesses erhalten Dabei wird die Komplexitaumlt des Prozesses zunaumlchst stark reduziert und als bdquoBlack Boxldquo betrachtet
bull Wiefunktioniertes Im ersten Schritt werden der Start- und Endpunkt des Prozesses festgelegt ndash im verein-
fachten Beispiel illustriert Abb 226 den Prozess wie eine Mutter sich beim Rest der Familie nach deren Weihnachtswuumlnschen erkundigt um sie in der Stadt zu besorgen Im zweiten Schritt wird der Prozess (S-I-Process-O-C) mit fuumlnf bis sieben Schritten grob definiert Dabei wird der einzelne Prozessschritt durch einen kurzen Satz ndash be-stehend aus Substantiv und Verb ndash festgehalten (z B bdquoWuumlnsche aufschreibenldquo) Im dritten Schritt werden das was in den Prozess eingeht (S-Input-P-O-C) derjenige der diesen Input liefert (Supplier-I-P-O-C) das Ergebnis des Prozesses (S-I-P-Output-C) und derjenige der das Ergebnis erhaumllt (S-I-P-O-Customer) definiert
62 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
bull Was ist zu beachten Es gilt nicht mehr als die sieben Prozessschritte abzubilden ndash es handelt sich um eine
High-Level-Prozessdarstellung Wichtig ist auch dass mit der Dokumentation der Pro-zessschritte begonnen werden sollte Haumlufig gibt es mehr Customer als zunaumlchst an-genommen (Behoumlrden Management Betriebsrat etc) und Supplier sind haumlufig auch Customer und umgekehrt Input und Output sind uumlbersichtshalber nicht fuumlr jeden ein-zelnen Prozessschritt zu erfassen
23413 VoC in CtQ umwandeln Eine Uumlbersicht uumlber das Vorgehen bei einer Umwandlung der VoC in CtQ zeigt Abb 227
bull WasistderZweck Dieses Six-Sigma-Werkzeug hebt wie zuvor in Abschn 223 beschrieben die Kun-
denorientierung hervor Auch qualitativ perfekte Waren finden nur dann Absatz wenn der Kunde sie nachfragt Um die kritischen Kriterien fuumlr den Kunden (CtQ) zu ermit-teln wird die Stimme des Kunden (VoC) erhoben Das Ergebnis zeigt schlieszliglich die Eigenschaften eines Produktes auf durch die die Kaufentscheidung maszliggeblich beein-flusst wird Wenn eine Airline Kosten reduzieren will darf nicht an der Sicherheit je-doch am Schokoladentaumlfelchen beim Aussteigen gespart werden Ein Six-Sigma-Profi wuumlrde solche Werbegeschenke konsequent streichen da sie nicht maszliggeblich die Kauf-entscheidung beeinflussen
Supplier
Vater und Kind
Input
Weihnachts-wuumlnsche
Process Output
Ankunft zu Hause
Customer
Mutter
Wuumlnsche aufschreiben
in die Stadt fahren
Geschenke auswaumlhlen
Geschenke bezahlen
nach Hause fahren
(Substantiv benutzen) (Verb benutzen) (Substantiv benutzen)
START
ENDE
S I P O C
Abb 226 Exemplarischer SIPOC
6323 Lean (Six) Sigma
bull Wannsetztmanesein Die Ausrichtung auf den Kunden ist der wichtigste Parameter bei einer Lean-Sigma-
Implementierung Deswegen werden die Kundenaussagen und die daraus abgeleiteten CtQs fruumlhzeitig in der Define-Phase erhoben Damit bilden sie die inhaltliche Grund-lage fuumlr die anschlieszligende Projektdefinition
bull Wiefunktioniertes Nachdem die Kunden im ersten Schritt definiert sind gilt es im zweiten Schritt das
ausschlaggebende Kundensegment ndash die Schluumlsselkunden ndash festzulegen Von diesen werden aus unterschiedlichen Quellen die Kundenaussagen gesammelt (VoC bdquoIch wuumlnsche mir einen proaktiveren Serviceldquo) Fuumlr diese Datensammlung als dritten Schritt gibt es auf der einen Seite die indirekte Erhebung (Anzahl von Gewaumlhrleistungsan-spruumlchen Kundenbeschwerden Kundenbetreuungsanrufe oder Verkaufsberichte) und
Tatsaumlchliche Kundenaussagen und -kommentare die ihren Eindruck von Folgendem widerspiegeln Eine Eigenschaft eines
Produkts oder Services Eine Erfahrung mit einem
Produkt einem Serviceoder seiner Lieferung
Eine Begegnung oder Erfahrung mit einem Geschaumlftsprozess oder Geschaumlftsvertreter
Die wahren Sorgen Werte und Erwartungen des Kunden hinsichtlich eines Produktes oder Services Frei von Gefuumlhlen oder Verzerrungen beschreibt die Aussage das primaumlre Anliegen das ein Kunde hat oder die Erwartungen rund um die Eigenschaften des Produktes oder Services
Die spezifische praumlzise und messbare Erwartung die ein Kunde hinsichtlich eines Produkts oder Services hat
Kundenmeinung (VoC) Hauptanliegendes Kunden Qualitaumltskritisch
Nehmen Sie die unmittelbaren VoC-Daten die Sie haben hellip
hellip schreiben Sie diese in einer Weise auf aus der hervorgeht bdquowas sie wirklich wollenldquo hellip
hellip definieren Sie was dies in messbaren Werten bedeutet
bdquoDieser Maumlher springtnur sehr schwer anldquo
bdquoMoumlchte dass der Rasenmaumlher schnell und problemlos anspringtldquo
Der Maumlher startet nach spaumltestens zweimaligem Ziehen der Leine
Der Maumlher startet mit leichtgaumlngigem Heraus-ziehen der Leine nichtlaumlnger als etwa 60 cm
Beispiele
Abb 227 Vorgehen zur Umwandlung der VoC in CtQ
64 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
die direkte Erhebung (Interviews Kundenbefragungen Marktanalysen) Der direkte Ansatz ist erfahrungsgemaumlszlig effektiver Dies ist darauf zuruumlckzufuumlhren dass weniger Interpretationsbedarf besteht weil die Konstellation einer direkten Interaktion tiefer-gehende Erkenntnisse fuumlr den Rechercheur ermoumlglicht Der Befragte neigt zusaumltzlich dazu offener zu antworten da er und seine Meinung Beachtung erfahren Die VoCs sind haumlufig emotionale generalisierende oder vage Aussagen Die CtQs sind dagegen im vierten Schritt die bestimmbare und messbare Uumlbersetzung der Kundenaussagen Die resultierende CtQs (Kunde wuumlnscht regelmaumlszligig vom Service angerufen zu wer-den) sind nachdem sie mit dem Kunden im fuumlnften Schritt abgestimmt worden sind als spezifische Anforderung die gemessen und gemanagt werden kann zu formulieren (Service ruft den Kunden viermal im Jahr an)
bull Wasistzubeachten Nicht alle CtQs sind auf die gleiche Art und Weise entstanden Einige sind wichti-
ger als andere Verwenden Sie ein Bezugssystem um die entsprechenden Faktoren zu priorisieren und auszuwaumlhlen Dabei kann das KANO-Modell beim Verstaumlndnis der unterschiedlichen Arten von Kundenbeduumlrfnissen hilfreich sein10 Wichtig zu verstehen ist dass CtQs keine Loumlsungen enthalten sondern wichtige Output-Messpunkte fuumlr die Analyse sind Pro Projekt reichen haumlufig ein bis drei CtQs aus
23414 Stakeholder-Analyse bull WasistderZweck Eine Operational-Excellence-Initiative beeinflusst alle Bereiche eines Unternehmens
Dementsprechend sind auch saumlmtliche Stakeholder eines Projektes direkt oder indirekt betroffen ndash seien es die Mitarbeiter die Eigentuumlmer die Lieferanten die Oumlffentlichkeit die Kooperationspartner oder die Behoumlrden Die Beziehung zu diesen Gruppen und ihr Verhalten sind ein entscheidender Faktor fuumlr den Erfolg oder Misserfolg von Lean Management Six Sigma oder Lean Sigma Die Stakeholder-Analyse bildet die Basis fuumlr das spaumltere Stakeholder-Management und die Kommunikationsplanung Ziel ist es Unterstuumltzung fuumlr das Erreichen der Projektziele zu generieren Je explosiver der politi-sche Sprengstoff in einem Projekt ist desto wichtiger wird es Widerstaumlnde rechtzeitig zu identifizieren und aufzugreifen um ihnen entgegenzuwirken
bull Wannsetztmansieein Die Analyse der Anspruchsgruppen spielt besonders zu Beginn eines Projektes in der
Define-Phase eine bedeutende Rolle Letztendlich wird dieses Werkzeug fortlaufend angewendet Das Auftreten von Widerstand laumlsst sich nicht terminieren ndash so gilt es zu jeder Zeit die Stimmung im Unternehmen und im Projektteam aufmerksam zu ver-folgen So wandelt sich die Stakeholder-Analyse im Verlauf zum kontinuierlichen Ma-
10 Das KANO-Modell thematisiert drei Arten von Kundenanforderungen 1 Grundanforderungen (sogenannte Dissatisfiers) 2 primaumlre Zufriedenheitsfaktoren (sogenannte Satisfiers) 3 erfreuende Faktoren (sogenannte Delighters)
6523 Lean (Six) Sigma
nagement der Anspruchsgruppen und bietet wichtige Erkenntnisse fuumlr die Kommunika-tionsplanung
bull Wiefunktioniertsie Im ersten Schritt gilt es saumlmtliche Stakeholder zu identifizieren und in sinnvolle Grup-
pen anzuordnen Im zweiten Schritt sind diese im Hinblick auf die Einstellung den Einfluss und den
Problemloumlsungsbeitrag zu analysieren und mittels einer dreistufigen Skala festzuhal-ten (hoch mittel niedrig) Wie stark sind die Bedenken des jeweiligen Stakeholders gegenuumlber dem Projekt zu bewerten Handelt es sich um einen bdquoKeyStakeholderldquo11 Wie wird die Einstellung oder Reaktion desjenigen eingeschaumltzt Wie groszlig ist die Aus-wirkung auf die Erfolgswahrscheinlichkeit des Projektes Wie notwendig ist die Unter-stuumltzung des Stakeholders Es ist empfehlenswert moumlgliche Schnittstellen zwischen den Stakeholder-Gruppen herzustellen Wer beeinflusst wen
Im dritten Schritt werden die gewonnenen Erkenntnisse in der Stakeholder-Matrix grafisch festgehalten und Konsequenzen fuumlr das Stakeholder-Management und Maszlig-nahmen fuumlr das Risikomanagement abgeleitet
Die folgenden Kriterien bieten eine Hilfestellung bei der Bewertung der Einstellung1 Hoch
minus Die Person nimmt sich Zeit fuumlr das Projekt und nimmt aktiv teilminus erfuumlllt ihre Aufgaben und haumllt sich an vereinbarte Deadlinesminus spricht enthusiastisch uumlber das Projekt und seine Mitgliederminus begegnet dem Projektinitiatoren freundlich und hilfsbereit
2 Mittelminus Die Person nimmt sich nur wenig Zeit fuumlr Projekttermineminus erfuumlllt zwar ihre Aufgaben aber nur unvollstaumlndig und verspaumltetminus ist nicht uumlberzeugt von den Zielen des Projektes aber laumlsst keine klare negative Haltung er-
kennen3 Niedrig
minus Die Person verweigert ihren inhaltlichen und zeitlichen Beitrag fuumlr das Projektminus zweifelt das Projekt und das Team oumlffentlich an undminus erfuumlllt ihre Aufgaben nicht
bull Wasistzubeachten Fuumlr die Initiatoren der Projekte ist es wichtig eindeutig zu wissen wie die Anspruumlche
und Erwartungen der Stakeholder erfuumlllt werden koumlnnen Insbesondere dann wenn ge-wisse Erwartungen auf absehbare Zeit enttaumluscht werden spielt die Kommunikation eine exponierte Rolle um Verstaumlndnis und Vertrauen zu entwickeln und Widerstaumlnde abzubauen (vgl Abb 228 229)
11 Ein prominentes Mitglied der Eigentuumlmerfamilie ein beliebter Mitarbeiter oder beispielsweise ein Manager mit besonderer hierarchischer Machtfuumllle KeyStakeholder koumlnnen das Projekt zum Scheitern bringen
66 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
Identifizierung der wichtigsten Stake-holder amp betroffenen Gruppen
Klassifizierung der Stakeholder
Festlegung des Beziehungs-managements pro Gruppe
In welchen Bereichen wird mein Projekt zu einer Veraumln-derung fuumlhren
Wer hat Interesse an dem Projekt
Wer kann mein Projekt beein-flussen oder stoppen
Wie stelle ich sicher dass die Kommunikations-Strategie gelebt wird
Wie messe ich fortlaufend die Einstellung des Stakeholders zum Projekt
Kernfragen
Durchfuumlhrung amp Management der Interaktion amp Kommunikation
Was fuumlr ein Beziehungs-management ist erforderlich
Abb 228 Vorgehen bei der Stakeholder-Analyse
Senior Management
Enthusiasten Anhaumlnger Opponenten
Hoch
Medium
NiedrigAU
SWIR
KU
NG
DER
VER
AumlN
DER
UN
GEN
AU
F D
IE S
TAK
EHO
LDER
Betriebsrat
Mittleres Management
HR-Abteilung
REAKTION AUF VERAumlNDERUNGEN
1
1
2
3
1 Hoch
2 Medium
3 Niedrig
Einfluss auf Veraumlnderungen
undoder anderes
Abb 229 Stakeholder-Matrix als Teilergebnis der Stakeholder-Analyse
6723 Lean (Six) Sigma
2342 Measure23421 Wertstromdiagramm Ein Beispiel fuumlr ein Wertstromdiagramm kann Abb 230 entnommen werden
bull WasistderZweck Das aus dem Lean-Konzept bekannte Wertstromdiagramm liefert eine Modellierung
der Material- und Informationsfluumlsse eines Produktes In dieser Perspektive wird der Prozess bdquoend-to-endldquo betrachtet Dabei werden Ineffizienzen nichtwertschoumlpfende Prozesse und deren Ursachen identifiziert Durch die Erstellung eines verbesserten Wertstroms werden Durchlaufzeiten und Liegezeiten reduziert ndash letztlich wird die Wettbewerbsfaumlhigkeit gesteigert
bull Wannsetztmanesein Der High-Level-Ansatz durch den SIPOC aus der Define-Phase wird nun durch einen
umfassenden Prozessuumlberblick in der Measure-Phase konkretisiert und bildet die Grundlage fuumlr die Implementierung von neuen Produktionssystemen Der Prozessfluss wird visualisiert und ist eine wichtige Vorbereitung fuumlr die Analyse-Phase
bull Wiefunktioniertesminus Kunden und Lieferanten und deren Anforderungen aufzeichnenminus gesamtes Prozessdiagramm zeichnen
INPU
T
PROZESS
OU
TPU
T
INFORMATIONLIEFERANT KUNDE
Abb 230 Wertstromdiagramm
68 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
minus prozessrelevante Daten wie z B Prozesszeit Durchlaufzeit Ruumlstzeit Maschinen-verfuumlgbarkeit Anzahl der Mitarbeiter etc ergaumlnzen
minus alle InputsOutputs zu den jeweiligen Prozessschritten und die dazugehoumlrigen War-tezeiten zwischen den Schritten auflisten
minus Kommunikations- bzw Materialfluss innerhalb des Wertestroms erfassenminus Push oder Pull Icons zur Identifizierung der Arten des Workflows zeichnenminus Wertestrom mit Gesamtdurchlaufzeit und der Wertschoumlpfung vervollstaumlndigen
bull Wasistzubeachten Bei der Modellierung eines Wertstromdiagramms geht es um die Optimierung des Flus-
ses Die reibungslose Weitergabe eines einzelnen Stuumlcks die Reduzierung der Durch-laufzeiten und die Abtaktung der Stationen sind Ziel der Vorgehensweise ndash nicht aber die Optimierung eines einzelnen Arbeitsschrittes Es gilt sicherzustellen dass die be-ruumlcksichtigten Messgroumlszligen im Hinblick auf die Einhaltung der operationalen Defini-tion uumlberpruumlft worden sind Ausgangspunkt der Untersuchung ist in jedem Fall der Kunde mit seinen Anforderungen
23422 Fischgraumltendiagramm Abbilding 231 zeigt ein Beispiel eines Fischgraumltendiagramms
Problem
Warum sind die Abteile (80 der Zuumlge) schmutzig
Ursache Wirkung
Verhalten der Fahrgaumlste
Zugbegleiter fuumlhlen sich nicht verantwortlich
Arbeit wirdals laumlstig empfunden
nicht Bestandteil der Arbeitsplatz-beschreibung
Korrelation zwischen Ruumlckgang der Fahrgast-zahlen und Verschmutzung intransparent
Reinigungsplaumlne nicht problemadaumlquat
fehlende Auswertungen im Controlling
keine eindeutigen Bearbeitungsrichtlinien
wichtigste Ursache
Menschen
Methoden
Maschine
Material
veralteteReinigungs-maschinen
keine schmutz-abweisenden Materialien
Hauptursache
Nebenursache
Abb 231 Fischgraumltendiagramm
6923 Lean (Six) Sigma
bull WasistderZweck Die aus dem Six-Sigma-Werkzeugkasten stammende Vorgehensweise ndash auch Ursache-
Wirkungs-Diagramm oder Ishikawa-Diagramm genannt ndash unterstuumltzt das Projektteam dabei sich nicht auf die Symptome eines Problems sondern auf die moumlglichen Ursa-chen zu konzentrieren Sie gibt zunaumlchst Anregungen fuumlr moumlgliche Ursachen hilft bei der Visualisierung der moumlglichen Ursachen und stellt die Beziehungen zwischen den Einflussfaktoren und dem Problem dar Damit wird ein gemeinsames Verstaumlndnis der zu untersuchenden Problematik im Team erreicht
bull Wannsetztmanesein Damit die Problemfelder des Prozesses fruumlhzeitig strukturiert werden und die Projekt-
auswahl unterstuumltzt wird setzt man dieses Instrument in der Measure- und Analyse-Phase ein
bull Wiefunktioniertes Zunaumlchst wird der zu untersuchende Fehler oder die Problematik als Frage nach dem
bdquoWarumldquo im bdquoFischkopfldquo auf der rechten Seite formuliert Danach werden im Rahmen eines Brainstormings so viele Ideen wie moumlglich generiert Jede Idee wird auf einer Karte festgehalten Anschlieszligend werden die Ideen den einzelnen Kategorien (bdquoFisch-graumltenldquo) zugeordnet Dabei haben sich als Kategorien die bdquo6 Msldquo (bisweilen auch 4 oder 5) bewaumlhrt Mensch Maschine Material Messtechnik Methode (Prozess) und Milieu (Umwelt) Jede dieser Kategorien wird nun separat mit der weitergehenden Fra-ge nach dem bdquoWarumldquo bearbeitet um auch die Ursachen der Ursachen zu erfassen Die eigentliche Ursache liegt tiefer und es gilt dieser auf den Grund zu gehen ndash so wie man Unkraut nicht abschneidet sondern mit der Wurzel herauszieht Dieses Vorgehen geht auf den Ansatz der bdquo5 Warumsldquo zuruumlck ndash es wird davon ausgegangen dass man durch mehrmaliges Hinterfragen nicht nur die Symptome sondern auch die eigentliche Ursache des Ausgangsproblems erkennt
Beispiel Fuumlnf Warums
Der Koumlnig hat sein Koumlnigreich in einer Schlacht verloren1 Warum Weil sein Pferd im Kampf gestolpert ist2 Warum Weil dem Pferd das Hufeisen abgefallen ist3 Warum ist dem Pferd das Hufeisen abgefallen Weil der Pferdeschmied zu kurze
Naumlgel zum Befestigen verwendet hat4 Warum hat der Schmied zu kurze Naumlgel verwendet Weil die Langen gerade auf-
gebraucht waren5 Warum waren die langen Naumlgel aufgebraucht Weil nur einmal pro Monat eine Lie-
ferung eintrifft
70 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
Damit die Zusammenhaumlnge der einzelnen den bdquo6 Msldquo zugeordneten Ursachen sicht-bar gemacht werden wird eine Priorisierung der Ideen vorgenommen Mit bdquoCldquo fuumlr bdquoConstantldquo werden die unveraumlnderlichen Ursachen mit bdquoNldquo fuumlr bdquoNoiseldquo die nicht di-rekt beeinflussbaren Ursachen und mit bdquoXldquo fuumlr bdquoVariableldquo die von dem Projekt beein-flussbaren Ursachen markiert
bull Wasistzubeachten Jedes Teammitglied haumlngt die eigenen Karten an die Stelle die es fuumlr richtig erachtet
Erst anschlieszligend wird im Team daruumlber diskutiert ob die Karten richtig haumlngen Es sollte auch jedes Teammitglied in den Strukturierungsprozess integriert werden damit saumlmtliches vorhandenes Wissen in den Prozess einflieszligen kann und alle Mitglieder die Teamentscheidung mittragen Je praumlziser die zu untersuchende Wirkung oder Proble-matik als Frage im bdquoFischkopfldquo formuliert wird desto besser ist das Ergebnis
2343 Analyse23431 FMEA Eine beispielhafte FMEA ist in Abb 232 dargestellt
bull WasistderZweck FMEA (Akronym fuumlr Failure Modes and Effects Analysis ndash Fehlermoumlglichkeiten und
Einflussanalyse) ist eine systematische und praumlventive Vorgehensweise beim Umgang mit Schwachstellen im Prozess und deren Ursachen FMEA identifiziert potenzielle Fehlermoumlglichkeiten antizipiert die Risiken fuumlr den Kunden des Prozesses und leitet fuumlr die Zukunft risikominimierende Maszlignahmen ab
bull Wannsetztmanesein Das Werkzeug eignet sich zur Anwendung in der Analysephase Es unterstuumltzt den Pro-
jektfortschritt im Hinblick auf die Priorisierung von Problemfeldern FMEA folgt dem Grundgedanken von Six Sigma dass Fehler nicht waumlhrend des Prozesses behoben sondern erst gar nicht gemacht werden duumlrfen ndash ganz im Sinne einer vorsorgenden Fehlervermeidung anstelle einer nachsorgenden Fehlerkorrektur
bull Wiefunktioniertes1 Den betrachteten Prozess praumlzise beschreiben2 Potenzielle Fehlerursache beschreiben3 Auswirkung des Fehlers auf den Prozess beschreiben4 Bedeutung des Fehlers auf einer Skala von 1 bis 10 einschaumltzen (bspw 1 = keine
Bedeutung 5 = Kundenbeschwerde 10 = Kunde oder Mitarbeiter wird verletzt oder getoumltet)
5 Auftrittswahrscheinlichkeit des Fehlers auf einer Skala von 1 bis 10 einschaumltzen (bspw 1 = alle 100 Jahre 5 = jedes Jahr 10 = mehrmals taumlglich)
6 Entdeckungswahrscheinlichkeit des Fehlers auf einer Skala von 1 bis 10 einschaumlt-zen (bspw 1 = offensichtlicher Fehler 5 = statistische Prozesskontrolle mit systema-tischer Fehlerursachenpruumlfung wird durchgefuumlhrt 10 = Fehler nicht aufzufinden)
7123 Lean (Six) Sigma
7 Mittels des Produktes aus 4 5 und 6 die RPN (Risiko-Prioritaumlts-Zahl) bilden ndash je houmlher die RPN desto dringender der Handlungsbedarf
8 Potenzielle Ursachen fuumlr den Fehler auffuumlhren 9 Gegenwaumlrtige Maszlignahmen zur Fehlervermeidung darstellen10 Neue Vorschlaumlge zur Fehlervermeidung auflisten11 Verantwortlichkeit und Abschlussdatum determinieren
1) Betrachtungs-gegenstand
2) Moumlglicher Fehler
3) Folgen des Fehlers
Fehlerbewertung vorher
4) B
edeu
tung
5) A
uftri
ttsw
ahr-
sche
inlic
hkei
t
6) E
ntde
ckun
gs-
wah
rsch
einl
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eit
7) R
PN
Bremsbelaumlge Abgefahren Verlaumlngerter Bremsweg
7 4 6 168
8)Moumlgliche Ursache
9)Gegen-waumlrtigeMaszlignahme
10)Neue Vermei-dungs-maszlignahmen
11)Zeitplan amp Verantwort-lichkeit
12)WelcheMaszlignahmen wurden ergriffen
Fehlerbewertung nachher
13) B
edeu
tung
14) A
uftri
ttsw
ahrs
chei
nlic
hkei
t
15) E
ntde
ckun
gsw
ahrs
chei
nlic
hkei
t
16) R
PN
Keine Inspektion
Regelmaumlszligige Inspektion gem Wartungsheft
Mind zwei Mal jaumlhrlich zusaumltzlich visuelle Kontrolle
Fuhrpark-leiter bis 122013
Mind zwei Mal jaumlhrlich zusaumltzlich visuelle Kontrolle
7 3 2 42
Abb 232 Beispiel fuumlr eine FMEA
72 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
12 Tatsaumlchlich umgesetzte Maszlignahmen beschreiben13 Bedeutung des Fehlers (4) nach der Verbesserungsmaszlignahme einschaumltzen14 Auftrittswahrscheinlichkeit des Fehlers (5) nach der Verbesserungsmaszlignahme
einschaumltzen15 Entdeckungswahrscheinlichkeit des Fehlers (6) nach der Verbesserungsmaszlig-
nahme einschaumltzen16 RPN neu berechnen
bull Wasistzubeachten Als Faustregel gilt Ist die RPN groumlszliger als 125 besteht Handlungsbedarf Bei der Ein-
schaumltzung = 10 fuumlr eines der drei Kriterien der Fehlerbewertung (Bedeutung Auftritts-wahrscheinlichkeit und Entdeckungswahrscheinlichkeit) sollte detailliert uumlberpruumlft werden ob auch bei einer RPN die niedriger als 125 ist Handlungsbedarf besteht
23432 Wertschoumlpfungsanalyse Abbildung 233 zeigt eine exemplarische Wertschoumlpfungsanalyse
bull WasistderZweck Dieses Lean-Instrument identifiziert die wertschoumlpfenden wertunterstuumltzenden und
nichtwertschoumlpfenden Aktivitaumlten in dem zu untersuchenden Prozess Wertschoumlpfende Taumltigkeiten aumlndern das Produkt physisch werden von Anfang an richtig ausgefuumlhrt und der Kunde ist bereit fuumlr diese Taumltigkeit zu zahlen Wertunterstuumltzende Aktivitaumlten sind Voraussetzung fuumlr wertschoumlpfende Schritte (z B bedingt durch gesetzliche oder betriebliche Richtlinien) Nichtwertschoumlpfende Schritte sind Verschwendung und dem-
64
15
10
84
1
Nachfragen
Nacharbeit
Unterbrechung
OrdnenAdmin
Wert foumlrdernd
Wert foumlrderndNicht Wert foumlrdernd
Abb 233 Exemplarische Wertschoumlpfungsanalyse
7323 Lean (Six) Sigma
nach nicht kritisch fuumlr die Erzeugung des Produktes oder sie enthalten Fehler Der An-teil wofuumlr der Kunde bereit ist zu zahlen wird maximiert ndash im Gegenzug wird der Rest auf ein Minimum reduziert So werden Kapazitaumlten in der Wertschoumlpfung freigesetzt und die Kundenzufriedenheit erhoumlht
bull Wannsetztmansieein Die Identifizierung des Anteils fuumlr den der Kunde bereit ist zu zahlen ist Bestandteil
der Analyse-Phase Nichtwertschoumlpfende Taumltigkeiten nehmen erfahrungsgemaumlszlig einen groszligen Teil des Produktionsprozesses in Anspruch
bull Wiefunktioniertsie Zunaumlchst gilt es den Prozess durch den SIPOC oder alternative Prozessflussdarstellun-
gen zu definieren Jeder Prozessschritt ist aufzufuumlhren um zu ermitteln ob die Aktivi-taumlten wertschoumlpfend sind oder nicht Dabei sind folgende Fragen hilfreichminus Ist die Aktivitaumlt kritisch fuumlr das Ergebnis (ProduktService)minus Wird dem Ergebnis durch die Aktivitaumlt Wert hinzugefuumlgtminus Sind dabei Fehler oder Nacharbeiten entstandenminus Wie ist der Vorbereitungs- Kontroll- und Uumlberwachungsaufwandminus Tritt Uumlberproduktion oder Lagerhaltung aufminus Gibt es Transport- Bewegungs- Verzoumlgerungs- und Wartezeiten
bull Wasistzubeachten Zu Beginn der Anwendung dieses Instrumentes muss klar definiert werden was nicht
wertschoumlpfend ist Dafuumlr muumlssen alle Beteiligten hinsichtlich der Kernkompetenz des Unternehmens einer Meinung sein So wuumlrde der Transport zum Kunden von einem Transportunternehmen als wertschoumlpfend gekennzeichnet werden ndash fuumlr ein Produk-tionsunternehmen gilt dies im Gegenzug nicht Zu Beginn sollte im Projektteam festge-legt werden wie bei der Klassifizierung der Aktivitaumlten ob es sich um Verschwendung handelt ndash entschieden wird einstimmig oder mehrheitlich Erfahrungsgemaumlszlig zeigt al-lein die Diskussion ob eine Taumltigkeit wertschoumlpfend oder nichtwertschoumlpfend ist dass Optimierungspotenzial vorhanden ist
23433 Arten der Verschwendung bull WasistderZweck Unnoumltige Wartezeiten unbrauchbare Bestaumlnde oder vermeidbare Korrekturarbeiten im
Herstellungsprozess sind Verschwendung und verursachen wie zuvor erlaumlutert Zeitver-lust und Kosten Zur Verschwendung gehoumlrt jedes Element des Produktions- Verarbei-tungs- und Vertriebsablaufs das nicht zum Wert des Endprodukts beitraumlgt Diese Ele-mente sind vielmehr Symptome fuumlr eine Ursache des Problems und sind zu eliminieren Dies ist einer der wichtigsten Bestandteile des japanischen Lean-Ansatzes um einen kontinuierlichen Produktionsfluss zu ermoumlglichen
bull Wannsetztmanesein Die acht Arten der Verschwendung sind Bestandteil der Analyze-Phase Schwachstel-
len im Prozess werden identifiziert und bei der zukuumlnftigen Loumlsung (Improve-Phase) beruumlcksichtigt Das Instrument bdquoAcht Arten der Verschwendungldquo kann sowohl in der
74 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
Produktion als auch in der Verwaltung eingesetzt werden Wenn in der Produktion nicht notwendige Lagerzeiten als Verschwendung verstanden werden sind Berichte und Pro-tokolle die niemand liest das Pendant in der Verwaltung
bull Wiefunktioniertes Die Arten der Verschwendung beruhen auf den Ansaumltzen des Toyota Produktionssys-
tems und lassen sich um eine weitere Art ndash die Nichtnutzung von intellektuellen Faumlhig-keiten und geistigen Ressourcen der Mitarbeiter ndash ergaumlnzen
bull Wasistzubeachten Die folgenden Sachverhalte weisen bei der Beobachtung des Wertstroms vor Ort auf
die unterschiedlichen Arten der Verschwendung hinminus Beim ersten Anlauf wird maumlszligige Qualitaumlt erreichtminus Lange Wartezeiten im Vergleich zu den Bearbeitungszeitenminus Prozessschritte erfordern mehrmalige Pruumlfungen und Nacharbeitenminus Exzessive Uumlbergaben zwischen PersonenOrganisationenminus Mehrere SystemeComputerhilfsmittel werden eingesetzt (kann auf redundante
Datenerfassung hinweisen)minus bdquoFruumlhstartrdquo ndash Beginnt der Prozess fruumlher als noumltig d h mit provisorischen Daten
und fuumlhrt dies zu Aktualisierungsarbeiten und Neubearbeitungen wenn die bdquorichti-genldquo Daten eintreffen
minus Nach Moumlglichkeiten der Eliminierung ganzer Prozessschritte Ausschau halten bevor Verschwendung aus unnoumltigen Prozessschritten entfernt wird
Die Arten der Verschwendung lassen sich gut mit anderen Werkzeugen wie die 5 S oder der Wertschoumlpfungsanalyse kombinieren
2344 Improve23441 5 S Einen Uumlberblick uumlber die Bestandteile von 5 S bietet Abb 234
bull WasistderZweck Die 5 S bekannt aus dem Lean-Ansatz nehmen als Grundlage fuumlr Prozessoptimie-
rung ein organisiertes sauberes und leistungsfaumlhiges Arbeitsumfeld an Zielsetzung fuumlr alle Mitarbeiter ist ein sicherer ordentlicher und aufgeraumlumter Arbeitsplatz bei dem alles einen zugewiesenen Platz hat und alles nicht Notwendige entfernt wird (bdquoEin Platz fuumlr alles alles an seinem Platzldquo) Dieses Tool ist keine einmalige kosmetische Saumluberungsaktion Die 5 S bewerten das Arbeitsumfeld dahingehend ob normale oder nicht normale Gegebenheiten vorherrschen und stellen dabei den Arbeitsplatz und die Arbeitsablaumlufe laufend infrage Das Instrument kann schnell und einfach umgesetzt werden eliminiert Verschwendung schafft einen ergonomischen Arbeitsplatz zusaumltz-lich wird die Produktivitaumlt erhoumlht indem Stoumlrungen verringert werden und die Qualitaumlt das Wohlbefinden des Mitarbeiters und die Sicherheit verbessert werden
bull Wannsetztmanesein Die 5 S bilden die Grundlage fuumlr Verbesserungen Das Instrument kann sowohl in der
Analyse- als auch in der Improve-Phase zum Einsatz kommen Der Einsatz der 5 S
7523 Lean (Six) Sigma
definiert den Startpunkt einer Verbesserungsaktivitaumlt und kann in unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens angewandt werden wie in Produktionsbereichen Lager-hallen oder Buumlroraumlumen
bull Wiefunktioniertesminus Seiri ndash Sortieren Damit der Mitarbeiter seine Materialien schneller findet und so
kuumlrzere Wegzeiten erreicht wird zunaumlchst alles sortiert und nicht benoumltigtes Mate-rial aussortiert Moumlgliche unnoumltige Gegenstaumlnde wie Tische Stuumlhle Dokumente Rohmaterial oder Bauteile koumlnnen auf diese Art und Weise beseitigt werden Damit werden die Flaumlchen besser genutzt und die bdquoErfolgeldquo der Anwendung umgehend visualisiert
minus Seiton ndash Sichtbar machen In diesem Schritt geht es um die Systematisierung des Arbeitsplatzes Das Set-up des Arbeitsplatzes sollte so geplant werden dass kurze Wege entstehen Dabei hilft es den besten Standort (moumlglichst nahe am Einsatz-ort) fuumlr Ausruumlstung Produktionsmaterial Arbeitshilfen und andere Gegenstaumlnde zu ermitteln und zu beschriften
minus Seiso ndash Saumlubern Dieser Schritt verdeutlicht dass ein sauberer Arbeitsplatz ein Zeichen fuumlr Qualitaumlt ist Staub und Schmutz kann Produkte verunreinigen und zu Ausfaumlllen fuumlhren wohingegen Ordnung und Sauberkeit dabei helfen Prozesse transparent zu machen und Fehlentwicklungen fruumlhzeitig zu erkennen Wenn alles in einem Topzustand ist kann man es jederzeit nutzen Die Aufrechterhaltung des sauberen Arbeitsumfeldes kann durch Zeitplaumlne Verteilung von Verantwortungen und regelmaumlszligige Kontrollen gewaumlhrleistet werden Die Raumlumlichkeiten sind fuumlr den Kunden jederzeit vorzeigbar
minus Seiketsu ndash Standardisieren Um den Ansatz der Sortierungs- Lagerungs- und Rei-nigungsaktivitaumlten der 5 S nachhaltig zu implementieren wird an dieser Stelle ein Standard definiert Die 5 S sollen ein System sein das jedermann an seinem Arbeits-platz in die Lage versetzt Probleme fruumlhzeitig zu erkennen Dafuumlr wird festgelegt
Seiri
Seiton
Seiso
Shitsuke
JapanischSchritt
1
2
3
5
Seketsu4
(Aus-)Sortieren
Sichtbar machen
Saumlubern
Stabilisieren
Deutsch
Standardisieren
Abb 234 Klassisches Lean-Tool 5 S
76 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
wer fuumlr welche Aufgabe und welches Werkzeug verantwortlich ist welche Werk-zeuge fuumlr jede Aktivitaumlt passend sind und welche Methoden zum Einsatz kommen sollen
minus Shitsuke ndash Stabilisieren Schlieszliglich wird der zuvor definierte Standard in die taumlg-liche Arbeit integriert damit sich ein bdquo5 S-Bewusstseinldquo entwickeln kann Jeder Mitarbeiter muss fester Bestandteil dieser Vorgehensweise sein damit die Disziplin aufrechterhalten werden kann Dies kann auch regelmaumlszligige 5 S-Audits beinhalten deren Ergebnisse kommuniziert werden
Nehmen wir an dass in einem Unternehmen die Arbeitszeit bislang durch manuell aus-gefuumlllte Excel-Tabellen erfasst wurde die jeder Mitarbeiter am Ende des Monats ver-vollstaumlndigte und an seinen Vorgesetzten weitergab Durch eine Lean-Implementierung entscheidet man sich an dieser Stelle fuumlr eine Umsetzung der bdquo5 Sldquominus Sortieren Jedem Mitarbeiter koumlnnen die entsprechenden Leistungsdaten aus der
Vergangenheit durch einfaches Abfragen im System zugeordnet werden Der Vor-gesetzte findet saumlmtliche Daten von jedem Mitarbeiter an einem Ort wieder
minus Sichtbar machen Die Arbeitszeiten verschwinden nicht mehr in den Tiefen der Gigabytes auf einer Festplatte sondern koumlnnen in einer zentralen Datenbank leicht aufgerufen werden
minus Saumlubern Das zentrale System fuumlhrt automatisch die Validierung von zuvor immer wieder auftretenden Doppelbuchungen durch
minus Standardisieren Alle Leistungsdaten der Mitarbeiter werden im gleichen Format verwaltet Irritationen in der Administration gehoumlren der Vergangenheit an
minus Stabilisieren Die Masse an Excel-Tabellen auf den Festplatten der Vorgesetz-ten nahm zuvor unuumlberschaubare Ausmaszlige an Ein zentrales Verwaltungssystem gewaumlhrleistet nachhaltige Ordnung
bull Was ist zu beachten Die bdquo5 Sldquo sind haumlufig der erste Schritt zu einer schlanken Produktion Um die Nach-
haltigkeit der Verbesserung sicherzustellen sollen 5 S-Verantwortlichen klare Ziel-vorgaben kommuniziert werden Es muss allen Mitarbeitern bewusst sein dass ein organisiertes sauberes und leistungsfaumlhiges Arbeitsumfeld produktiver sicherer und zuverlaumlssiger ist weniger Probleme und Informationsverluste verursacht und die Ter-mintreue steigert Aus diesem Grund bezeichnete Taichi Ohno der Begruumlnder des To-yota Produktionssystems den Fertigungsbereich als den Spiegel des Managements
23442 Poka Yoke bull WasistderZweck Poka Yoke (jap bdquoungluumlckliche Fehler vermeidenldquo) zielt darauf ab betriebssichere Pro-
zesse zu erreichen indem die Qualitaumlt an der (Fehler-)Quelle erhoumlht wird Ein Fahr-zeug mit einem Automatikgetriebe setzt das Drehen des Zuumlndschluumlssels auf bdquoZuumlndungldquo voraus bevor der Waumlhlhebel auf bdquoDriveldquo gestellt werden kann Der Schluumlssel kann erst wieder gezogen werden wenn die Position bdquoParkldquo eingestellt wurde Dies ist ein all-gemeines Beispiel fuumlr eine betriebssichere Anwendung Fuumlr einen Produktionsprozess
7723 Lean (Six) Sigma
bedeutet dies dass der Mitarbeiter sich sicher sein muss dass das Produkt bzw die Information die er weiterleitet von akzeptabler Qualitaumlt ist Dafuumlr muumlssen dem Mit-arbeiter die Hilfsmittel zur Verfuumlgung gestellt werden die es ihm ermoumlglichen eine Qualitaumltskontrolle durchzufuumlhren Ziel ist es unbeabsichtigte Fehlhandlungen im Pro-zess die zu Fehlern am Endprodukt fuumlhren zu vermeiden (vglAbb 235)
bull Wannsetzenwiresein Das Prinzip Poka Yoke wird in der Improve-Phase umgesetzt und kann als Erweiterung
des FMEA-Tools angesehen werden Es dient der Prozessverbesserung im Hinblick auf die Optimierung sich wiederholender Prozesse und bietet Loumlsungen fuumlr Schwachstel-len die beispielsweise zuvor durch das Fischgraumltendiagramm identifiziert wurden
bull Wiefunktioniertes Poka Yoke eroumlffnet zwei unterschiedliche Ansaumltze den praumlventiven und den reakti-
ven Der praumlventive Ansatz integriert Methoden die es nicht erlauben einen Fehler zu produzieren Bankautomaten verhindern vergessene Geldkarten weil man das Bargeld erst entnehmen kann wenn die Karte entnommen wurde Bei SIM-Karten oder Spei-cherkarten von Digitalkameras gibt es aufgrund der Form (abgeschraumlgte Ecke) nur eine korrekte Moumlglichkeit die Karte in den Kartenslot einzufuumlhren Der reaktive Ansatz laumluft auf ein kontrollierendes Warnsystem hinaus So koumlnnten in die Fertigungsanlagen Einrichtungen Sensoren oder Pruumlfgeraumlte eingebaut werden welche die Produktion bei Unregelmaumlszligigkeiten sofort unterbrechen So kann man sich eine Sperre vorstellen die sich automatisch senkt wenn ein Fertigungsbestandteil falsch eingelegt wurde um da-mit die Anlage abzuschalten
ist eine Abwandlung des ldquoToter
Abb 235 Beispiel fuumlr Poka-Yoke im Alltag
78 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
Durch den praumlventiven Ansatz werden die Fehler zu 100 eliminiert ndash der reaktive Ansatz erreicht mit sehr groszliger Wahrscheinlichkeit Null-Fehler-Qualitaumlt beim Endpro-dukt
bull Wasistzubeachten Grundsaumltzlich gilt Je fruumlher der Fehler im Prozess erkannt wird desto geringer sind
die Kosten der Fehlerbeseitigung Erfahrungsgemaumlszlig bringt erst die Anwendung vie-ler fuumlr sich gesehen relativ simpler Anwendungen von Poka-Yoke-Mechanismen eine nachhaltige Qualitaumltsverbesserung Es bietet sich an die Ansaumltze von Poka Yoke insbe-sondere bei Taumltigkeiten die sich haumlufig wiederholen und eine konstante Wachsamkeit benoumltigen anzuwenden
23443 Ruumlstzeitreduzierung bull WasistderZweck Dieses Werkzeug (auch SMED ndash Akronym fuumlr bdquoSingle Minute Exchange of Dieldquo ndash ge-
nannt) ist ein systematischer Ansatz zur Verringerung der Ruumlstzeiten einer Maschine und bedeutet sinngemaumlszlig uumlbersetzt schnelles Umruumlsten in weniger als zehn Minuten Der Grundgedanke dass Ruumlstzeitoptimierung zur Losgroumlszligenreduzierung und damit auch zur Reduzierung der Durchlaufzeit und Bestaumlnde fuumlhrt findet seinen Ursprung in der Lean-Denkweise Ansaumltze dieser Art sind weit verbreitet da insbesondere die Ruumlst-vorgaumlnge (Nachbereitung des alten und Vorbereitung des neuen Auftrags Entfernen von zuvor benoumltigten Werkzeugen und Montieren von benoumltigten Vorrichtungen fuumlr den naumlchsten Auftrag Einstellen der Prozessparameter und Testen durch Probestuumlck) haumlufig aus Taumltigkeiten bestehen die mit einer nichtwertschoumlpfenden Stillstandzeit der Fertigungsanlagen einhergehen SMED erhoumlht die Flexibilitaumlt der Produktion und hilft dabei terminliche Verbindlichkeiten einzuhalten
bull Wannsetztmanesein Das Tool optimiert die Ruumlstzeit reduziert die Ruumlstkosten und steigert die Anlaufquali-
taumlt beim Wechsel der Produktionsanlage fuumlr einen neuen Auftrag ndash damit ist dieses Tool haumlufig die Grundlage fuumlr Verbesserungen im Produktionsablauf und wird in der Improve-Phase eingesetzt
bull Wiefunktioniertes Die Ruumlstzeitreduzierung findet in fuumlnf Schritten statt
1 Zunaumlchst ist der gesamte Ruumlstprozess zu dokumentieren Dabei werden interne Taumltigkeiten (die nur bei Stillstand der Maschine durchgefuumlhrt werden koumlnnen wie Austausch von Werkzeugen) und externe Taumltigkeiten (die parallel zur Produktion durchgefuumlhrt werden koumlnnen wie Materialvorbereitungen) differenziert Der Japa-ner Shingo der diesen Ansatz entwickelte definierte die zu dokumentierende Ruumlst-zeit als Dauer vom letzten Gutteil eines Loses bis zum ersten Gutteil des Folgeloses
2 Im zweiten Schritt gilt es die internen Taumltigkeiten in externe umzuwandeln Der Kreativitaumlt wie man dies erreichen kann sind keine Grenzen gesetzt ndash Tatsache ist dass erfahrungsgemaumlszlig die Verzoumlgerung durch die Suche nach Materialien und Informationen einen beachtlichen Anteil der Ruumlstzeit in Anspruch nimmt
7923 Lean (Six) Sigma
3 Schlieszliglich werden im dritten Schritt die uumlbrig gebliebenen internen Taumltigkeiten so einfach wie moumlglich umgesetzt (eine Fehlerentstehung am Ursprung soll vermieden werden) und
4 Im vierten Schritt wird die Beseitigung von Justierungen und Testlaumlufen vorgenommen
5 Der fuumlnfte Schritt markiert den neuen und verbesserten Standard fuumlr zukuumlnftige Ruumlstvorgaumlnge und legt die auszuuumlbenden Vorgaumlnge exakt fest Das Ziel ist es dass jeder Handgriff abgestimmt ist um Werkzeugwechsel im einstelligen Minutenbe-reich zu erreichen
bull Wasistzubeachten Der Erfolg dieser Vorgehensweise ist stark von dem Engagement der Mitarbeiter abhaumln-
gig In Workshops waumlhrend der Arbeitszeit ndash in denen es sich empfiehlt den Produk-tionsprozess anhand von Fotos der Ablaumlufe und Taumltigkeiten zu visualisieren ndash werden Ideen und Vorschlaumlge durch verschiedene Brainstorm-Techniken generiert und fest-gehalten Fuumlr die Einfuumlhrung von neuen Standards sollte die neue Loumlsung nachweisbar besser sein ndash fuumlr die Einhaltung neuer Standards sollten Verantwortliche klar benannt werden Wenn das Unternehmen uumlber ein BVW (Betriebliches Vorschlagswesen) ver-fuumlgt ndash bei dem Mitarbeiter fuumlr gelungene Vorschlaumlge eine Praumlmie erhalten ndash sollte besonders auf belohnende Maszlignahmen auch im Rahmen der dargestellten Vorgehens-weise geachtet werden
23444 Rollen und Verantwortlichkeiten RACI bull WasistderZweck RACI ist ein Instrument zur Darstellung und Analyse von Rollen und Verantwortlich-
keiten Es basiert auf einer einfachen zweidimensionalen Matrix Der Name leitet sich aus dem Akronym RACI (Responsible Accountable Consulted Informed) ab Auf diese Art und Weise kann man nicht nur ersichtlich machen welcher Inhaber welcher Rolle fuumlr welche Aktivitaumlten zustaumlndig ist sondern es ist gleichzeitig moumlglich das An-forderungsprofil der Verantwortlichen klar zu formulieren
bull Wannsetztmanesein Das Werkzeug laumlsst sich sowohl in der Analyse- als auch in der Improve-Phase ver-
wenden So lassen sich aktuelle Schwachstellen wie ungeklaumlrte Verantwortlichkeiten sichtbar machen Das Ergebnis kann zusaumltzlich fuumlr die Einarbeitung von Mitarbeitern genutzt werden
bull Wiefunktioniertes Zunaumlchst werden die einzelnen Prozessschritte in Zeilen untereinander aufgelistet Da-
nach werden die beteiligten PersonenBereiche in die Spalten nebeneinander eingetra-gen Anschlieszligend wird fuumlr jeden einzelnen Prozessschritt festgelegt wer involviert bzw verantwortlich ist Optional lassen sich weitere wichtige Informationen dokumen-tieren z B der Prozessinput das Prozessergebnis und weitere Kennzahlen Die Auf-teilung der PersonenBereiche klassifiziert sich wie folgt
80 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
minus R = Responsible ndash Person fuumlhrt die Aufgabe durchminus A = Accountable ndash verantwortlicher Managerminus C = Consulted ndash nimmt Einfluss auf Entscheidungenminus I = Informed ndash wird informiert nimmt keinen Einfluss
Die Matrix laumlsst sich mit verschiedenen Rollen beliebig erweiternminus V = Verify ndash pruumlft Akzeptanzkriterien (Qualitaumlssicherung)minus S = Sign-off ndash Ergebnis von V wird bestaumltigtgenehmigt
Im stark vereinfachten Beispiel (vglAbb 236) teilt eine Familie den Prozess bdquoWeih-nachtsgans bratenldquo auf Jedes Familienmitglied hat Einfluss auf die Entscheidung was auf den Tisch kommt Nachdem der Vater die Zutaten eingekauft und der Sohn sie zubereitet hat braumlt die Mutter die Gans im Ofen und ist verantwortlich fuumlr das Ergebnis
bull Wasistzubeachten Besonders die Rolle des verantwortlichen Managers (bdquoAldquo) darf fuumlr jeden Prozessschritt
nur einmal vergeben werden da sonst ein Machtkampf vorprogrammiert ist Die Rollen sollten zudem in einem ausgewogenen Verhaumlltnis vergeben werden Wenn es in einer Zeile zu viele bdquoRldquo gibt sollte man die Aufgaben auseinanderdividieren Kein Projekt-mitglied sollte uumlberfordert sein aber auch nicht vergessen werden
2345 Control23451 Projektabschluss (Lessons Learned) bull WasistderZweck Dieses Tool wird in der Control-Phase angewendet um das Projekt offiziell zu be-
enden ndash es wird symbolisch dem zukuumlnftigen Prozesseigner uumlbergeben Nachdem die Teammitglieder die notwendigen Unterlagen zur Prozessuumlbergabe zusammengetragen haben werden sie entlastet ndash ihre Aufgabe im Projekt ist abgeschlossen
bull Wannsetztmanesein Der Projektabschluss findet im Regelfall zum Ende der Control-Phase statt Wann
das Projekt als abgeschlossen angesehen werden kann haumlngt von der Zielsetzung im
Nr Prozessschritt Vater Mutter Kind
1 Rezept aussuchen C RA C
2 Zutaten einkaufen R
3 Ofen vorheizen R
4 Zutaten vorbereiten A R
5 Gans im Ofen braten AR
Abb 236 Beispiel fuumlr RACI
8123 Lean (Six) Sigma
Projektsteckbrief aus der Define-Phase ab Gewoumlhnlich sollte das Verbesserungsziel erreicht und damit das Optimierungspotenzial ausgeschoumlpft sein ndash weitere Verbesse-rungsaktivitaumlten waumlren demnach nicht gerechtfertigt da sie nicht ausreichend Bene-fit generieren Diese Entscheidung obliegt dem BB in Absprache mit dem MBB Der Black Belt hat zusaumltzlich festzustellen ob eine allgemeine Zufriedenheit mit den Er-gebnissen im Projektteam vorherrscht und ob die von dem Projekt betroffenen Mit-arbeiter die Veraumlnderungen positiv uumlbernommen haben Im Sinne der Lean-Philosophie und des Null-Fehler-Ansatzes von Six Sigma ist der Mitarbeiter von nun an in der Lage eigene Verbesserungsvorschlaumlge aktiv einzubringen
bull Wiefunktioniertes Bei der Erstellung des Projektabschlusses geht es um eine komprimierte Dokumenta-
tion der Projektergebnisse Der Projektname die Erreichung der Zielsetzung die Uumlber-gabe an den zukuumlnftigen Prozesseigner und die Entlastung des Projektteams werden durch den Auftraggeber freigegeben Es bietet sich an die Herausforderung des Pro-jektes die Vorgehensweise und ihre Resultate und moumlgliche Ansprechpartner als Refe-renz zu notieren Eine derartige zentrale Zugaumlnglichkeit erleichtert zukuumlnftige Projekte Daruumlber hinaus ist eine mittelfristige Unterstuumltzung des Prozesseigners durch den BB empfehlenswert um die Verbesserungen aufrechtzuerhalten Den genauen Zeitraum ndash zwischen sechs und zwoumllf Monaten ndash gilt es den Umstaumlnden entsprechend individuell festzulegen Bei einer letzten Teamsitzung sollen die Beteiligten ihre Erfahrungen aus-tauschen und den Abschluss des Projektes gemeinsam feiern
bull Wasistzubeachten Hervorzuheben ist die Notwendigkeit einer formalen Freigabe durch den Auftraggeber
Die klare Dokumentation der erzielten Ergebnisse ist essenziell Fuumlr das interne Mar-keting ist eine Darstellung des Projekteabschlusses in Form eines Einseiters nuumltzlich (Herausforderung Vorgehensweise Ziel Resultate und Kontakt) Zuletzt ist auch die offizielle Anerkennung der erbrachten Leistung des Teams oder von Einzelpersonen hervorzuheben ndash die Verleihung eines Zertifikats oder ernstgenommene lobende Worte vom Projektsponsor sind fuumlr die Mitarbeitermotivation bei zukuumlnftigen Projekten nicht zu unterschaumltzen Eine Vorlage fuumlr einen Projektabschluss ist in Abb 237 zu sehen
23452 Werkzeuge fuumlr die Prozessanalyse Lean Sigma vereint den philosophisch gepraumlgten Prozessverbesserungsansatz des Lean Managements und das statistisch-mathematisch gepraumlgte Vorgehen zur Qualitaumltsverbes-serung von Six Sigma Der Vollstaumlndigkeit halber soll an dieser Stelle ein Eindruck der statistischen Werkzeuge vermittelt werden die eine detaillierte Prozessdarstellung und -analyse ermoumlglichen Der Ansatz von Six Sigma eroumlffnet die Gelegenheit fuumlr neue ef-fiziente Loumlsungen die auf Zahlen Daten und Fakten und nicht nur auf der subjektiven Wahrnehmung der Beteiligten ndash Annehmen Raten und Deuten ndash beruhen In diesem Zu-sammenhang sind die folgenden Werkzeuge weit verbreitet
82 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
bull Hypothesentest Im Produktionsprozess ist Ausschuss zu minimieren ndash nimmt man an dass ein Unter-
nehmen sich aus diesem Grund die neueste Version der Fertigungsanlage teuer gekauft hat ist die Erwartung hoch Doch produziert die neue Maschine tatsaumlchlich genauer und mit weniger Ausschuss als die alte Maschine Wer Entscheidungen trifft weiszlig
Ist der Auftrag Ihres Teams komplett Haben Sie Ihre Ziele erreicht Ist Ihre Arbeit erledigt
Vermeiden Sie eine unnoumltige Fortsetzung
Dokumentieren Sie die Verbesserung des Teams
Nostalgie ndashwie ging die Arbeitmit diesem Team am Anfang vonstatten
Bewerten Sie den Prozess des Teams
Was haben Sie daraus gelerntndash welchen Rat koumlnnen Sie anderen Teams geben
Wie gut haben Sie mit Ihrem Auftrag-geber zusammengearbeitet
Haben Sie Ihren Auftrag erfuumlllt Was hat Ihrem Team geholfen Was hat Ihr Team behindert
Bewerten Sie das Produkt des Teams
Was haben Sie in technischer Hinsicht erreicht
Wurden die Verbesserungen standardisiert Wie werden die Verbesserungen beibehalten Wie wurden sie innerhalb und zwischen den Gruppen bekannt gemacht
Welche weiteren Feststellungen haben Sie gemacht Wie wurden diese innerhalb und zwischen den Arbeitsgruppen bekannt gemacht
Loumlschen Sie alle personenbezogenen Daten von allen Laufwerken und Projektdateien (Vorschrift des BDSG)
Sonstiges
Ist Ihre Dokumentation aktuell Enthaumllt sie Endergebnisse und Schlussfolgerungen
Haben Sie Ihre Dokumentdateifertiggestellt
Abschlussbericht an den Auftraggeber
Bekanntgabe des Projektabschlusses
Gemeinsame Aufgabe fuumlr Projektteam und Auftraggeber
Wie wird das uumlbrige Unternehmen uumlber die Verbesserungen des Teams informiert
Wie kann das Ende dieses Projekts den Grundstein fuumlr kuumlnftige Projekte legen
Wie wird das Management uumlber die Erkenntnisse des Teams informiert
Welche Empfehlungen wird das Team nach Abschluss des Projekts fuumlr das weitere Vorgehen abgeben
Die Feier
Wie wird der Projektabschluss gebuumlhrend gefeiert
Wie verabschieden Sie sich
Abb 237 Vorlage fuumlr einen Projektabschluss
8323 Lean (Six) Sigma
erst im Nachhinein ob die Entscheidung richtig getroffen wurde Eine Entscheidung beinhaltet demnach immer eine gewisse Fehlerwahrscheinlichkeit ndash statistische Tests minimieren dieses Risiko Der Hypothesentest eroumlffnet im Rahmen der Analysephase die Moumlglichkeit einer alternativen Entscheidung indem eine statistische Hypothese fuumlr eine Stichprobe auf ihre Signifikanz uumlberpruumlft wird Fuumlr Lean-Sigma-Projekte bedeutet dies dass Annahmen auf ihre Guumlltigkeit uumlberpruumlft werden koumlnnen Ferner ist es moumlg-lich den statistischen Unterschied mehrerer Prozess-Outputs oder statistisch signifi-kante Prozessverbesserungen zu ermitteln
bull Regressionsanalyse Dieses Tool ist innerhalb der Analysephase ein Verfahren welches den Zusammen-
hang zwischen einer Zielvariable Y (abhaumlngige Variable) und anderen Variablen X1 X2hellip Xn (unabhaumlngige Variablen oder Regressoren) erklaumlrt Die Regressionsanalyse ist demnach eine statistische Methode um die Beziehung zwischen zwei oder mehreren Variablen genauer zu untersuchen und in mathematische Zusammenhaumlnge zu bringen Eine Korrelation sagt aus ob es zwischen Variablen Faktoren oder Sachverhalten eine Beziehung gibt und wie stark sie voraussichtlich ist Es kann festgestellt werden ob die Variablen jeweils in Korrelation mit dem Prozess-Output stehen ndash diese Korrelation wird dafuumlr als Funktion beschrieben Daraus laumlsst sich folgern welche Variablen in Zukunft beeinflusst werden sollen um eine Prozessverbesserung zu erreichen ndash die Regressionsanalyse zeigt demnach statistisch belegbar auf welche Stellschrauben im Prozess den idealen Anknuumlpfungspunkt fuumlr Verbesserungen bieten Ungeachtet der verwendeten Methode ist es wichtig nicht zu vergessen dass eine starke mathema-tische (oder grafische) Beziehung zwischen zwei Variablen nicht zwangslaumlufig einen kausalen Zusammenhang bedeutet Zwei Variablen koumlnnen in einer engen Beziehung zueinander stehen und dennoch wird die eine nicht durch die andere beeinflusst Eine Validierung der Grundursache ist nur sinnvoll wenn zwei Bedingungen zutreffen1 Es besteht eine statistisch signifikante Beziehung zwischen der vermuteten Grund-
ursache und der Wirkung2 Die Kenntnis des Prozesses bestaumltigt diese kausale Beziehung
bull DOE DOE (Akronym fuumlr Design of Experiments ndash im Deutschen bdquostatistische Versuchspla-
nungldquo) bezeichnet das Vorgehen einer effizienten Prozessanalyse wenn durch Versuche beim Uumlbergang von der Analyse- in die Improve-Phase ein Produkt oder Prozess op-timiert werden soll Der Versuchsverantwortliche steht vor der Problematik einerseits nicht zu viel Aufwand zu betreiben und andererseits genaue und zuverlaumlssige Ergeb-nisse zu liefern ndash die Ressourcen sind begrenzt Mithilfe von DOE wird mit moumlglichst wenigen Versuchen die optimale Einstellung um die Zielgroumlszlige (abhaumlngige Variable) entsprechend der Kundenspezifikation (unabhaumlngige Variable) zu definieren determi-niert
bull IdentifizierungvonEngpaumlssen Die Identifizierung von Engpaumlssen (sogenannte bdquoBottlenecksldquo) im Prozess stellt sich
in der Analysephase haumlufig als schwierig dar Ein bdquoFlaschenhalsldquo beschreibt einen Engpass zwischen Prozessschritten der maszliggeblichen Einfluss auf die Produktions-
84 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
geschwindigkeit hat So kann man von einer Festplatte etliche Megabyte an Daten pro Sekunde kopieren ndash wird die Festplatte aber uumlber einen USB-Anschluss angeschlossen sorgt dieser bdquoFlaschenhalsldquo fuumlr eine stark eingeschraumlnkte Transferleistung der Daten Es bringt nichts wenn man eine schnellere Festplatte waumlhlt denn der Engpass bleibt bestehen Aus diesem Grund ist die Identifizierung von bdquoBottlenecksldquo von enormer Bedeutung um das Produkt am Ende des Gesamtprozesses entsprechend der Kunden-anforderung liefern zu koumlnnen
23453 Projektbegleitende Werkzeuge Die Generierung von Ideen kann waumlhrend des gesamten Projektes eingesetzt werden ndash ob es um die Suche geeigneter Messpunkte in der Analysephase geht oder um die Entwick-lung von Loumlsungen in der Konzeption Es ist immer ratsam die Mitarbeiter proaktiv in diesen Prozess miteinzubinden ndash die zukuumlnftige Loumlsung genieszligt dann houmlhere Akzeptanz
6-3-5-Methode Bei dieser Methode bekommt jeder aus einer Gruppe von sechs Teil-nehmern ndash so heterogen wie moumlglich ndash ein gleich groszliges Blatt Papier Dieses wird mit 18 Kaumlstchen (drei Spalten x sechs Zeilen) aufgeteilt Die Zielsetzung des Brainstormings wird fixiert und anschlieszligend hat jeder in der ersten Zeile fuumlr jede Spalte eine Idee zu for-mulieren Die Bearbeitungszeit wird individuell festgelegt ndash sie sollte fuumlnf Minuten nicht uumlberschreiten Nach der ersten Runde wird das Blatt Papier im Uhrzeigersinn weitergege-ben Der naumlchste hat in der zweiten Zeile die Ideen von seinem Vorgaumlnger aus der ersten Zeile aufzugreifen und weiterzuentwickeln Die Papierblaumltter werden insgesamt fuumlnf Mal weitergereicht Im Ergebnis entstehen so innerhalb von 30 min bis zu 108 Ideen von sechs Teilnehmern Es ist dafuumlr Sorge zu tragen dass eine bdquokreative Atmosphaumlreldquo vorherrscht ndash Ideen sollen demnach nicht direkt kritisiert werden jeder hat dem anderen zuzuhoumlren und Quantitaumlt geht vor Qualitaumlt
Anti-Loumlsungs-Brainstorming Bei dieser Methode ist die Fragestellung bdquoWas koumlnnte die Situation noch verschlimmernldquo der Ausgangspunkt fuumlr die Sammlung von Ideen (vgl Abb 238) Demnach wird aus der Antwort auf die Ausgangsfrage (rote Karten verwen-den) ein Verbesserungsvorschlag (gruumlne Karten verwenden) abgeleitet Einzelne Ideen koumlnnen durch gezieltes Brainstorming weiter vertieft werden
laumlngere Transportwege
Was kann unseren Prozess noch verschlechtern
effizientere Transportmittelkuumlrzere Transportwege
Verbesserungsvorschlag
keine Reinigung der Maschine regelmaumlszligige Reinigung
Abb 238 Vorgehensweise beim Anti-Loumlsungs-Brainstorming (Quelle In Anlehnung an Lunau 2013 S 215)
8523 Lean (Six) Sigma
Die perfekte Welt Im direkten Vergleich zur Anti-Loumlsungs-Methode wird hier die Aus-gangslage entgegengesetzt formuliert bdquoWie saumlhe unser Prozess in einer perfekten Welt ausldquo Hier sind bdquoout-of-the-box-affineldquo Teilnehmer und ein offener Umgang mit den Vor-schlaumlgen besonders wichtig Der Moderator ist dabei erfolgsentscheidend Er hat dafuumlr zu sorgen dass alle Beteiligten mit einbezogen werden keine inhaltliche Diskussion aus-bricht jeder Vorschlag zaumlhlt und aufgeschrieben wird In einer 30-minuumltigen Sitzung sol-len die Teilnehmer ihrer Kreativitaumlt in jede erdenkliche Richtung freien Lauf lassen
Fahrstuhlrede Der aus dem Englischen bekannte bdquoElevator Pitchldquo beschreibt die effizi-ente Nutzung von rund 30 Sekunden um ein Produkt eine Geschaumlftsidee oder in diesem Fall ein Projekt mit wenigen Saumltze zu verkaufen Das Werkzeug ist in allen Projektphasen einsetzbar und besonders geeignet wenn Mitarbeiter oder Kunden nach dem aktuellen Projekt fragen Dabei sollten folgende Dinge beachtet werden
bull Einen praumlgnanten Einstieg waumlhlen den man nicht so schnell vergisstbull Das Vorgehen bdquoMerkmalldquo (Was ist das Ziel des Projektes) bdquoVorteilldquo (Was sind die
Vorteile fuumlr den Kunden oder das Unternehmen) und bdquoNutzenldquo (Was hat der Ge-spraumlchspartner fuumlr einen Nutzen davon) ist als Grundstruktur geeignet
bull Klare Aussage machen im Hinblick auf die Person die fuumlr das Vorhaben gewonnen werden soll
bull Eine anschauliche Sprache verwenden und die AIDA-Formel (Attention-Interest-Desi-re-Action) beruumlcksichtigen
bull Koumlrpersprache und Stimme nutzen um Begeisterung zu zeigenbull Den Unterschied zu anderen bdquoAnbieternldquo deutlich machenbull Einladung zu einem Gespraumlch oder Event kommunizieren
Stimmungsbarometer Das Stimmungsbarometer wird gewoumlhnlich von Beginn an (Kick-off-Workshop) begleitend zum Projekt eingesetzt Es handelt sich dabei um das Fruumlhwarnsystem fuumlr den Projektleiter Sollten einzelne Teammitglieder mit dem Projekt-verlauf oder der Zusammenarbeit unzufrieden sein ist dies ein wirkungsvolles Werkzeug um das sichtbar zu machen Daher sollte das Team regelmaumlszligig seine Zuversicht messen ob eine Zielerreichung moumlglich ist (vgl Abb 239)
Viele Menschen sind es nicht gewohnt offen Kritik zu uumlben Deshalb wird zu Pro-jektbeginn haumlufig eine bdquogeheimeldquo Abstimmung gewuumlnscht Die Teammitglieder schreiben eine Zahl (3 bis -3) auf einen Zettel und geben diesen am Ende des Teammeetings dem Projektleiter Dieser stellt das Ergebnis im naumlchsten Teammeeting vor
Kommunikationsplan Dieses Werkzeug laumlsst sich aus der erstellten Stakeholder-Ana-lyse in der Define-Phase ableiten Die Art und Weise der Kommunikation kann das Zuumlng-lein an der Waage sein wenn der Projekterfolg auf der Kippe steht Kommunikation ist nicht als Nebenjob zu verstehen ndash sie kann abhaumlngig von der Projektreichweite die ganz Aufmerksamkeit erfordern Daruumlber hinaus sollte der Kommunikationsplan stakeholder-
86 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
spezifisch sein ndash dies bedeutet dass er die Praumlferenzen der jeweiligen Anspruchsgruppe hinsichtlich des gewaumlhlten Informationsmediums des transportierten Inhalts und der Haumlu-figkeit beruumlcksichtigt Der Kommunikationsinhalt kann sich auf das Reporting (Status der methodischen Implementierung oder der Projektverlaumlufe) auf den Erfolg (einzelner abgeschlossener Projekte oder der Belt-Ausbildungen) auf allgemeine Informationen (geplantes Vorgehen oder Entwicklung der Mitarbeiter) und auf Managementinformatio-nen (Strategie und Maszlignahmen) beziehen
Besprechungsprotokoll (Meeting Minutes) Zweifellos laumlsst sich uumlber den Sinn und Unsinn einer in vielen Unternehmen vorherrschenden bdquoMeetingkulturldquo streiten Tatsache ist dass der Extremfall ndash auch bdquoMeeting-itisldquo genannt ndash houmlchst unproduktiv ist Es gilt folgendes zu beachten um einer strukturlosen Plauderei zu entgehen
bull Zur Orientierung eine Agenda mit Tagesordnungspunkten und die damit verbundenen Erwartungen und Ziele und einen Zeitplan aufstellen die Reihenfolge absprechen und einhalten
bull Das Erscheinen der wichtigsten Protagonisten des Meetings ist sicherzustellenbull Puumlnktlich beginnen und genauso puumlnktlich das Meeting beendenbull Den Sinn und Zweck des Meetings zu Beginn mit den Anwesenden verifizieren und
ggf Aumlnderungen an der Agenda (aufgrund schon statt gefundener Meetings) direkt vornehmen
bull Der Moderator hat die weniger redseligen Teilnehmer aktiv einzubinden und die red-seligen taktvoll einzuschraumlnken
bull Die Dynamik von destruktiven Konflikten ist zu vermeiden indem Grundregeln fest-gelegt werden (keine bdquohidden agendasldquo oder keine negativen oder persoumlnlichen Kom-mentare)
bull Es ist von Zeit zu Zeit hilfreich die Diskussionsgegenstaumlnde zusammenzufassen und komplexe Sachverhalte grafisch darzustellen
0
1
2
3
-1
-2
-3
Kick-off PW4 PW6 PW8 PW10
PW = Projektwoche
Abb 239 Stimmungsbarometer
8724 Das Kapitel in aller Kuumlrze
bull Eine Liste der Teilnehmer die Inhalte und Erkenntnisse der Diskussion und die verein-barten Maszlignahmen sind in einem Besprechungsprotokoll konkret festzuhalten Es ist wichtig dass eine solche Zusammenfassung den Teilnehmern unverzuumlglich zur Ver-fuumlgung gestellt wird Die Verantwortlichkeiten fuumlr den Maszlignahmenplan sind explizit schriftlich festzuhalten
Statusreport Darunter werden regelmaumlszligige Statusberichte uumlber den inhaltlichen und ter-minlichen Projektfortschritt verstanden Eine Moumlglichkeit ist der bdquoBi-Weekly Statusre-portldquo in Form eines Einseiters Durch die Darstellung der Schluumlsselelemente des Projektes (Projektumfang Projektzeitplan Ressourcen und Stakeholder) mit den Farbnuancen Rot Gelb und Gruumln wird zunaumlchst eine schnelle Aussage zum Projektstatus getroffen Ferner werden die Errungenschaften der letzten zwei vergangenen Wochen und die Plaumlne fuumlr die kommenden zwei Wochen formuliert Zur aggregierten Projektaufbereitung und Praumlsenta-tion der zentralen Projektparameter gehoumlren auch die im Projektsteckbrief (Define-Phase) definierten Meilensteine Es werden die erreichten und bevorstehenden Meilensteine kurz aufgegriffen Das schriftliche Festhalten von wesentlichen Risiken und den erforderlichen Gegenmaszlignahmen bildet den Abschluss des bdquoBi-Weekly Statusreportsldquo
24 Das Kapitel in aller Kuumlrze
So wie ein Kraftfahrzeug welches der Befoumlrderung von Personen oder Guumltern dient eines Antriebssystems bedarf liegt auch der Programmatik von Operational Excellence die eine konkrete Zielsetzung verfolgt eine spezifische Mechanik zugrunde In diesem Kapitel wird das architektonische Grundgeruumlst der bdquoOperational Excellenceldquo vorgestellt und naumlher erlaumlutert
Lean Management geht auf das von Eiji Toyoda entwickelte bdquoToyota Produktionssys-temldquo (TPS ) zuruumlck Prozesse synchronisieren und standardisieren Fehler vermeiden Pro-duktionsanlagen verbessern und Mitarbeiter qualifizieren und miteinbeziehen beschreiben die fuumlnf Grundsaumltze des TPS ndash im Mittelpunkt steht die Reduktion von bdquomudaldquo (jap fuumlr Verschwendung) Mit einem Buumlndel aus Grundsaumltzen Methoden und Werkzeugen wird ein systematischer Ansatz zur Beseitigung von nichtwertschoumlpfenden Taumltigkeiten ver-folgt um einen kontinuierlichen Fluss ndash bdquopanta rheildquo (griech bdquoalles flieszligtldquo) ndash im Pro-duktionsprozess zu ermoumlglichen Dieser Ansatz war der Grundstein fuumlr Toyotas bis heute andauernde Erfolgsgeschichte Westliche Unternehmen kopierten den Ansatz sodass eine Weiterentwicklung des Toyota Produktionssystems daraus resultierte Die Begrifflichkeit bdquoleanldquo wurde in einer Buchpublikation im Jahre 1990 geboren und uumlber die fuumlnf Prinzi-pien proaktives sensitives ganzheitliches oumlkonomisches und Potenzialdenken definiert Die Methodik setzt auf die fuumlnf Bausteine Wert spezifizieren Wertstrom identifizieren Flow etablieren Pull implementieren und Vorgehen perfektionieren Kurz Der methodi-sche Fuumlnfschritt fuumlhrt die Organisation zur perfekten Produktion und die Prinzipien sorgen dafuumlr dass sie dort bleibt
88 2 Theoretischer Uumlberblick zu Operational Excellence
Lean Management wird bis heute faumllschlicherweise in Verbindung mit Kostensenkung und Personalabbau gebracht ndash dabei setzt die Verbesserungsphilosophie auf den Grundsatz bdquoProducing people before producing partsldquo Das Wissen der Mitarbeiter und deren Mo-tivation werden in das Zentrum der kontinuierlichen Verbesserungsphilosophie gestellt
Six Sigma versteht Variation im Produktionsprozess als eine ernst zu nehmende Be-drohung Das Kernelement aller Six-Sigma-Projekte ist eine Prozessoptimierung die zum Ziel hat dass nur noch 34 Fehler pro einer Million Fehlermoumlglichkeiten (Defects per Million Opportunities ndash DPMO) auftreten Dies entspricht einer Qualitaumlt von 999997 1986 kam ein Produktionsingenieur von Motorola zu der Schlussfolgerung dass durch ein effektives Qualitaumltsmanagement nicht die Fehler waumlhrend des Prozesses behoben werden sollten sondern dass Fehler erst gar nicht gemacht werden duumlrften Der damalige CEO von General Electric Jack Welch brachte die Methodik durch die oumlffentlichkeitswirksa-me Einfuumlhrung bei GE im Jahre 1996 zu breiter Bekanntheit
Im methodischen Fokus stehen die Fehlerreduzierung und die Kundenorientierung Durch statistisch-mathematische Ursachenforschung resultiert ein Verstaumlndnis fuumlr den Geschaumlftsprozess das ermoumlglicht auch in komplexen und intransparenten Prozessen Qualitaumltsverbesserungen zu identifizieren Entscheidend ist dass die Analyse und Louml-sungsentwicklung auf Daten und Fakten beruhen da Six Sigma ein reales Problem in ein statistisch-mathematisches Problem umwandelt Dabei beschraumlnkt man sich nicht wie bei anderen Optimierungsprojekten auf die subjektive Wahrnehmung der Beteiligten Das zentrale Werkzeug dafuumlr ist der sog DMAIC-Zyklus Define (Was ist wichtig) Measure (Wie gut sind wir) Analyse (Was ist falsch) Improve (Was muss getan werden) und Control (Wie stellen wir die nachhaltige Verbesserung sicher)
Eine solche tiefgehende Auseinandersetzung mit organisatorischen Gegebenheiten beruumlhrt unweigerlich die Unternehmenskultur Demnach ist fuumlr die Implementierung die Freistellung und Definition von qualifizierten personellen Ressourcen aus den Linien-taumltigkeiten essenziell um die Initiative auf ein solides Fundament zu stellen Die prakti-sche Anwendung orientiert sich an dem Guumlrtelsystem und der Hierarchie der asiatischen Kampfsportart Karate Der Champion initiiert und sponsert die Initiative der Master Black Belt (Six Sigma Experte) agiert als Trainer der Black Belt (hohe Fachkompetenz) als Projektmanager der Green Belt (fachlich versiert) leitet kleinere Projekte und der Yellow Belt (Fachkraft) nimmt an Basisschulungen teil
Lean (Six) Sigma vereint zwei der populaumlrsten Ansaumltze des Strategischen Manage-ments Die Konzepte profitieren durch die Synthese voneinander da sie sich in ihren Ziel-setzungen ergaumlnzen Six Sigma erhoumlht die Qualitaumlt und Lean Management die Geschwin-digkeit von Geschaumlftsprozessen Gemeint sind den Konzepten die Kundenfokussierung Projektorganisation und Arbeitsprinzipien Nur durch richtig ausgewaumlhlte Projektinhalte die gute Zusammenarbeit der Beteiligten und die alles entscheidende Kundenorientierung werden wirksame Ergebnisse erarbeitet Unterschiede liegen zum einen in der Rolle der Mitarbeiter ndash wo Six Sigma nur fuumlr einen Teil der Belegschaft auf klar definierte Rollen und Aufgaben setzt baut Lean Management auf das Engagement jedes einzelnen Mit-arbeiters ndash zum anderen in der Art der Problemanalyse Six Sigma konzentriert sich ins-
89Literatur
besondere bei komplexen Sachverhalten auf anspruchsvolle Auswertungstools um Prob-lemursachen zu identifizieren Lean hebt die Loumlsungsfindung in den Vordergrund da die Komplexitaumlt des Prozess reduziert werden soll
Lean Sigma baut eine Initiative ebenfalls nach den Schritten des DMAIC-Zyklus auf und greift auf ein Interventionsrepertoire von rund 150 Tools zuruumlck wobei sich deren Anwendung nach der notwendigen Prozessverbesserung richtet ndash es gibt keine Bedie-nungsanleitung
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Praxiserfahrung mit Operational Excellence
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3
Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis ist in der Praxis viel houmlher als in der TheorieErnst Ferstl (Oumlsterreichischer Schriftsteller)
So wie der Vater seinem neugierigen Sohn nachdem er die Entstehungsgeschichte des Automobils in der Theorie erlaumlutert hat zeigt wie der Wagen faumlhrt widmet sich die-ses Kapitel dem naumlchsten logischen Schritt Der Darstellung von Erfahrungen aus der Praxis ndash wie werden Operational-Excellence-Programme umgesetzt Dabei draumlngen sich unweigerlich weitere Fragen auf Wie konnten in der Vergangenheit Mitarbeiter vom Leis-tungsversprechen der Six-Sigma-Methode uumlberzeugt werden Welche Werkzeuge wirkten katalysierend auf die Einfuumlhrung des Lean Managements Woran scheitern Unternehmen wenn sie versuchen die Veraumlnderung durch Lean Sigma langfristig aufrechtzuerhalten
92 3 Praxiserfahrung mit Operational Excellence
So wie es in einem Auto verschiedene Instrumente Messanzeigen und Bedienungs-hebel zu beachten gilt heiszligt es auch waumlhrend eines Optimierungsprogrammes auf der richtigen Spur mit der richtigen Geschwindigkeit im richtigen Gang zu fahren Dieses Kapitel beleuchtet fuumlnf Praxisbeispiele mit sich stark unterscheidenden Quintessenzen Die Umsetzung von Lean Management beim Hamburger Kranhersteller Neuenfelder Ma-schinenfabrik (NMF) und der franzoumlsischen FCI-Gruppe (FCI) die Implementierung von Six Sigma beim kanadischen Lebensmittelhersteller Maple Leaf Foods (MLF) und der Bank of America (BoA) und zuletzt die Einfuumlhrung von Lean Sigma beim amerikanischen Handelsriesen Best Buy (BeBu) Nach der Vorstellung des Unternehmens und der Aus-gangslage wird auf die Umsetzung der Methodik und auf die erreichten Ergebnisse durch das jeweilige Operational-Excellence-Programm eingegangen Die wichtigsten Erkennt-nisse werden schlieszliglich im Fazit zusammengefuumlhrt ndash es wird aus heutiger Sicht Bilanz gezogen
31 Lean Management bei der Neuenfelder Maschinenfabrik
Abbildung 31 gibt einen Uumlberblick uumlber das Lean Management bei der Neuenfelder Ma-schinenfabrik GmbH
311 Unternehmensprofil
Die Neuenfelder Maschinenfabrik (NMF) wurde 1970 von Sietas einer Hamburger Schiffswerft als eigenstaumlndige Tochtergesellschaft gegruumlndet1 Das Produktportfolio um-fasst Schiffskraumlne sowie hydraulische Anlagen wobei die NMF als Komplettanbieter auf-tritt ndash in allen Produktgruppen wird den Kunden die Leistung aus einer Hand angeboten Die hauseigene Produktion und Abwicklung sichert den Kunden die zuumlgige Bearbeitung ihrer Fertigungs- Wartungs- und Reparaturanliegen in hoher Qualitaumlt Der Schwerpunkt des Unternehmens liegt seit dem wirtschaftlichen Aufstieg Asiens uumlberwiegend auf dem chinesischen Markt Die NMF in der Branche eines der weltweit fuumlhrenden Unterneh-men erwirtschaftete mit 400 Mitarbeitern (davon 150 Leihkraumlfte) im Geschaumlftsjahr 2010 einen Rekordumsatz von 2024 Mio euro Der Anstieg um 75 im Vergleich zum Vorjahr war auf bestehende Lieferverpflichtungen aus aktuellen Auftraumlgen und aus verschobenen Altauftraumlgen aus dem Jahr 2008 zuruumlckzufuumlhren Trotz Rekordumsatz und der houmlchsten Ablieferungsquote in der Unternehmensgeschichte (im letzten Quartal 2010 5 Krane pro Woche) sank das Ergebnis der gewoumlhnlichen Geschaumlftstaumltigkeit in diesem Jahr um 15
1 Die aufgefuumlhrten Informationen gehen zu einem groszligen Teil auf explorative Tiefeninterviews mit den Geschaumlftsfuumlhrern Goran Curic und Ralf Ressel zuruumlck die im Rahmen mehrmaliger Werksbe-sichtigungen in Hamburg durchgefuumlhrt wurden Verschiedene Praumlsentationsunterlagen des Unter-nehmens und eine zielgerichtete On- und Offline-Recherche schaumlrfen das Gesamtbild
9331 Lean Management bei der Neuenfelder Maschinenfabrik
auf 54 Mio euro Das operative Geschaumlft tat sich schwer an der leichten Erholung der Wirt-schaftslage zu partizipieren ndash das Resultat war eine personelle Rochade noch im Jahr 2010 Ralf Ressel (CEO) und Goran Curic (COO) wurden als neue Geschaumlftsfuumlhrer bestellt Sie konnten auf vielfaumlltige Erfahrung mit Kranen und industrieller Produktion zuruumlckgreifen
Abb 31 Uumlberblick uumlber Lean Management bei der Neuenfelder Maschinenfabrik
94 3 Praxiserfahrung mit Operational Excellence
312 Ausgangslage
Der neue CEO Ressel war bevor er zu NMF wechselte in seiner fruumlheren Aufgabe Leiter fuumlr Forschung und Entwicklung bei der Duumlsseldorfer Terex-Demag GmbH einem der weltweit groumlszligten Mobilkranhersteller mit Krankapazitaumlten von 30 bis 3200 t COO Curic sammelte jahrelang Erfahrung im Bereich der Produktionsoptimierung durch schlanke und effiziente Prozesse und hat vielfaumlltige Fertigungsverantwortung bei Firmen wie Siemens Daimler und Lean Coaching in den USA vorzuweisen Erste Unternehmensanalysen der beiden zeichneten groszlige Herausforderungen fuumlr das Unternehmen auf
Die Sicherheit am Arbeitsplatz war nicht gewaumlhrleistet Dies fiel anhand der hohen Anzahl von meldepflichtigen Unfaumlllen schnell auf Im Durchschnitt gab es jeden vierten Tag einen Unfall ndash in den Wintermonaten 2010 gab es mehrfache Knochenbruumlche die zu Krankenhausaufenthalten fuumlhrten Es wurde festgestellt dass das existierende System die Unfaumllle lediglich verwaltete und keine strukturierten Gegenmaszlignahmen einleitete Im Jahr 2010 beliefen sich die dadurch verursachten Kosten auf 80000 euro Die Untersuchungen fuumlhrten diese Ergebnisse auf ein geringes Sicherheitsbewusstsein der Fuumlhrungskraumlfte und Mitarbeiter und die mangelhafte Kommunikation in den Teams zuruumlck
Im Jahr 2010 wurden ferner 380 Terminverschiebungen (23 pro Auftrag) im Auftrags-zentrum registriert und verwaltet ndash eine Weiterverarbeitung dieser Informationen z B fuumlr die Anpassung der Produktion fand nicht statt Es existierte kein Standard der die Produktionskapazitaumlten mit Auftragseingaumlngen und Terminen abglich
Die Geschaumlftsfuumlhrer erkannten Verbesserungspotenzial in der Kapazitaumltsplanung der NMF Die Planung wie lange eine Produktionslinie fuumlr die Herstellung eines Krans benouml-tigen wuumlrde war sehr beliebig ndash ein Delta von 85 zwischen der minimalen und maxima-len geplanten Stundenanzahl verdeutlichte diesen Eindruck Die Schwankungen innerhalb eines Liniendurchschnitts waren groumlszliger als 50 und bei der Nachbetrachtung fand keine Differenzierung zwischen wertschoumlpfenden und nicht wertschoumlpfenden Taumltigkeiten statt
Als besonders gravierend beschrieb COO Curic den Zustand des Qualitaumltsmanage-ments Die Aussage bdquoWir haben die besten Produkteldquo fasste das Meinungsbild der Beleg-schaft zusammen Auf die Frage an welchen Zahlen diese vermeintliche Qualitaumltsfuumlhrer-schaft fest gemacht werden koumlnne erhielt Curic keine Antwort Dass die NMF aufgrund der nicht jungen Historie uumlber wertvolles Know-how verfuumlgte und gute Qualitaumlt produ-zierte wollte er nicht infrage stellen doch es galt dies in Zahlen und Daten abzubilden Zuvor wurde mit hohem organisatorischem Aufwand versucht die Kundenwuumlnsche zu realisieren Definiert waren aber weder Qualitaumltsziele der NMF noch eine verantwortliche Abteilung noch messbare oder zu steuernde qualitaumltsspezifische Kennzahlen (Defekte pro Einheit oder Nacharbeit)
Unter dem Strich schien eine Begrifflichkeit wie bdquoRegelkreis des Qualitaumltsmanage-mentsldquo ein Fremdwort zu sein Dies hatte innerhalb von zwei Jahren einen drastischen Anstieg der Garantiekosten von uumlber 100 zur Folge Im Jahr 2010 fielen so bei 108 Beanstandungen 650000 euro an Garantiekosten an (nur fuumlr das Material) ndash im Vergleich waren es im Jahr 2008 bei 78 Beanstandungen bdquonurldquo 70000 euro Besonders auffaumlllig war
9531 Lean Management bei der Neuenfelder Maschinenfabrik
dass lediglich 7000 euro der geleisteten 650000 euro Garantiekosten an die Lieferanten der NMF weitergegeben wurden ndash obwohl sich 80 der Produkte aus Fremdbauteilen zu-sammensetzten
Fuumlr einen Kenner der schlanken industriellen Fertigung wie Curic war schnell zu er-kennen dass die Infrastruktur der inselfoumlrmigen Produktion den Materialfluss hinderte Das werkstattaumlhnliche Produktionsprinzip entsprach nicht dem Anspruch moderner Be-triebsablaumlufe und fuumlhrte dazu dass Fachkraumlfte wie Schlosser Elektriker oder Hydrauliker abstimmungslos an einem Kran arbeiteten ndash im Sinne der Lean-Philosophie inakzeptabel Gegenlaumlufige Produktionsstroumlme waren nur dadurch zu erklaumlren dass die Flaumlchenstruktur der NMF uumlber Jahre wild gewachsen war Die Transportwege waren weit und unuumlber-sichtlich die Gestaltung der Produktionshallen bedingte eine unbequeme Handhabung der einzelnen Prozessschritte die Montageorte waren uumlber das gesamte Gelaumlnde verstreut und die Nutzung von Flaumlchen der nahe gelegenen Sietas-Werft war nicht schriftlich vereinbart und fuumlhrte zu unabsehbaren Unsicherheiten
In der Konsequenz sah Curic als Verantwortlicher fuumlr die Produktion und das Supply-Chain-Management aus dieser ersten bdquoUnternehmensdiagnoseldquo in erster Linie enormes Entwicklungspotenzial Die Geschaumlftsfuumlhrung vor ihm beschrieb er als engagiert und vertriebslastig wobei sich niemand intensiv mit der Produktion beschaumlftigt hatte Unter seiner Regie wurde zu Beginn des Jahres 2011 ein umfassender Transformierungsprozess gestartet ndash im Mittelpunkt stand der konzeptionelle Ansatz des Lean Managements Dabei faumlllt auf dass das Vorhaben keinen expliziten Namen erhielt weil Curic eine subtile Im-plementierung besonders ergebniswirksam schien Das Ziel war das bdquoLean Enterpriseldquo als lernende Organisation zu etablieren Dafuumlr wurden acht Handlungsfelder identifiziert die im naumlchsten Abschnitt genauer erlaumlutert werden
313 Die Initiative
3131 Organisation und MitarbeiterFuumlr Curic stand die Restrukturierung der Organisation und der Mitarbeiter an oberster Stelle auf seiner Prioritaumltenliste Noch bis Ende Januar 2011 beabsichtigte er an den wich-tigsten Stellschrauben dieses Handlungsfeldes erfolgreich gedreht zu haben Das Ziel war es durch Standardisierung und Prozessoptimierung Kapazitaumlten freizusetzen und so die Produktivitaumlt im Jahr 2011 um 30 und im darauffolgenden Jahr um 20 zu erhoumlhen Eine der Voraussetzungen dafuumlr war der Aufbau einer Projektkultur mit fundiertem Pro-jekt-Know-how Dieser Ansatz widersprach der haumlufig ersten Assoziation einer Lean-Im-plementierung bei der die Einsparungen durch Konsequenzen personeller Art erreicht werden Das Gegenteil war der Fall denn die eingesparten Mitarbeiter wurden fuumlr zu-kuumlnftige Fuumlhrungs- oder Optimierungsaufgaben eingesetzt
Die Fuumlhrungsdichte in der Produktion sollte von 130 auf 110 erhoumlht werden da ge-maumlszlig Curic die Fuumlhrungskraft sonst nicht alle Prozesse ausreichend beherrscht um bei Be-
96 3 Praxiserfahrung mit Operational Excellence
darf ihre Mitarbeiter zu unterstuumltzen oder zu vertreten Im Vertretungsfall z B bei Urlaub oder Krankheit vertritt die Fuumlhrungskraft den Mitarbeiter und nicht umgekehrt
Ferner sollten anhand einer Qualifizierungsmatrix die spezifischen Faumlhigkeiten der Mitarbeiter erfasst werden um die Einsatzplanung zu verbessern Eine Gruppe ausge-waumlhlter Mitarbeiter wurde zu sogenannten Inbetriebnahme-Spezialisten ernannt Diese Gruppe konzentrierte sich darauf die ausgelieferten Krane beim Kunden aufzubauen Was vorher kurzfristig und auf Zuruf irgendwie gelang sollte nun durch feste Strukturen ver-laumlsslich funktionieren
Zuletzt war es Curic ein Anliegen die Uumlberstunden und Wochenendarbeiten zu uumlber-blicken und in der Folge zu reduzieren Dafuumlr wurden ein Standard-Prozess zur Beantra-gung von Uumlberstunden definiert Ziele fuumlr Uumlberstunden jeder Abteilung vereinbart und eine Kennzahl eingesetzt um die Zielerreichung festzuhalten
3132 Sicherheit am ArbeitsplatzbdquoSolange es mich nicht betrifft geht es mich nichts anldquo Dies beschreibt die Art und Weise wie mit Sicherheitsfragen im Unternehmen umgegangen wurde Die Ursache fuumlr diesen desolaten Zustand erkannte Curic darin dass sich die Fuumlhrungskraumlfte nicht als Vorbilder verstanden ndash dies sollte geaumlndert werden Sein Ziel war die Schaffung eines Sicherheits-netzwerkes Dies beinhaltete neben dem strengen Einsatz von Schutzkleidung auch eine korrespondierende Kommunikation ndash bei Unfaumlllen sollte demnach die Geschaumlftsfuumlhrung umgehend in Kenntnis gesetzt und der unternehmensweite Unfallstatus in allen Abteilun-gen und Subabteilungen regelmaumlszligig auf den aktuellen Stand gebracht werden Schluumlssel-element dieser Vorgehensweise war ein Prozess der bei einem Unfall mit mindestens einem Ausfalltag des Betroffenen die Dokumentation einer strukturierten Problemloumlsung vorsah Erst wenn die Problemloumlsung sich uumlber drei Monate bewaumlhrt hatte wurde der Be-richt mit Curics Unterschrift versehen womit der Fall erfolgreich abgeschlossen war Der Ablauf laumlsst sich folgendermaszligen skizzieren
1 Unfallursache und Ort identifizieren2 Sofortmaszlignahme generieren3 Ursachenanalyse durchfuumlhren4 potenzielle Ursachen verifizieren5 fuumlnf Mal bdquoWarumldquo fragen6 finale Abstellmaszlignahme entwickeln7 Wirksamkeit pruumlfen
3133 QualitaumltDurch den Lean-Transformierungsprozess wurde Qualitaumlt neu definiert und bildete ab Ja-nuar 2011 ein Schwerpunktthema Sichergestellt wurde der neue Qualitaumltsanspruch durch eine standardisierte Input- Prozess- und Ablieferungskontrolle Auch an dieser Stelle wurde festgestellten Abweichungen durch eine strukturierte Problemloumlsung konsequent nachgegangen So sollte die Qualitaumltsmanagementnorm ISO 9001 nicht wie bislang bei
9731 Lean Management bei der Neuenfelder Maschinenfabrik
jeder Zertifizierung mit groszligem Aufwand erreicht werden sondern als Teil des unterneh-merischen Grundverstaumlndnisses selbstverstaumlndlich werden Neben der personellen Auf-stockung der zustaumlndigen Abteilung wurde die Umgestaltung durch ein woumlchentliches Shop Floor Meeting bei dem der Qualitaumltsfortschritt uumlberpruumlft wurde im Unternehmen verbreitet
Durch die Transformierung wurde die Begrifflichkeit bdquoQualitaumlts-Regelkreisldquo nicht nur im Vokabular sondern auch in der Organisationsstruktur etabliert Durch definierte Stan-dards konstante Sichtkontrollen und geplante Stichproben und Pruumlfungen anhand von kundenrelevanten Merkmalen wurden erstmals die Soll-Werte mit den Ist-Werten der Pro-duktionsprozesse verglichen um die auftretende Differenz systematisch zu erfassen und zu minimieren Durch die Installation zweier bdquoQualitaumlt-Gatesldquo wurden die hergestellten Krane zusaumltzlich von neutralen Mitarbeitern der Qualitaumltsabteilung uumlberpruumlft
3134 Shop-Floor-ManagementDas erste Stichwort an dieser Stelle ist bdquoTransparenzldquo ndash durch das Shop-Floor-Management und einen Produktions-Kommunikations-Kalender sollte die bestehende Geschaumlftssitua-tion allen Mitarbeitern bekannt gemacht werden Aus Curics Erfahrung konnte man bei-spielsweise in Form einer Kaskadierung in ein Werks- Abteilungs- und Arbeitsgruppenin-formationscenter den Status quo ausgehend von der Geschaumlftsfuumlhrung allen Mitarbeitern in Meetings kommunizieren Wichtig war die stringente Umsetzung der Meetings Der benoumltigte Zeitaufwand sollte zwischen zehn und maximal zwanzig Minuten liegen Diese Vorgehensweise die auch den Ruumlckfluss von Informationen von bdquountenldquo nach bdquoobenldquo sicherstellte fuumlhrte zum zweiten Stichwort bdquoGembaldquo (jap fuumlr bdquoOrt des Geschehensldquo) bdquoGembaldquo bedeutet dass Informationen dort einzuholen sind wo die Wertschoumlpfung statt-findet Nur so lassen sich wertschoumlpfende oder nichtwertschoumlpfende Taumltigkeiten direkt im Prozess beobachten Dieser zentrale Lean-Gedanke eines visuellen Managements ndash Echt-zeitinformationen ersetzen getroffene Annahmen am Schreibtisch ndash lag Curic besonders am Herzen und wurde als bdquoGo-Look-See-Methodeldquo bei der NMF fest etabliert
3135 Lean-Know-howDer Aufbau von Expertise und der Ausbau von Erfahrungen mit der Lean-Philosophie wa-ren wesentlich fuumlr einen erfolgreichen Transformierungsprozess Zusaumltzlich beabsichtigte Curic eine eigene Lean-Kompetenz in Form eines bdquoNMF-Produktionssystemsldquo zu ent-wickeln Dabei war es wichtig das Anforderungsprofil fuumlr die zukuumlnftigen Aktivitaumlten zu kennen um die passenden Kandidaten fuumlr die Ausbildung zu finden Im Fokus der Ausbil-dungseinheiten sollte die Foumlrderung eines Bewusstseins fuumlr die Lean-Prinzipien und nicht fuumlr Tools stehen Die praxisnahe Ausbildung durch externe Lean-Experten (hauptsaumlchlich in Projekten und nicht in Schulungsraumlumen) und durch die Ernennung von Multiplika-toren in allen Fachbereichen (in jedem arbeitet eine auf Lean spezialisierte Arbeitskraft) sollte als Grundstein fuumlr eine lernende Organisation gelegt werden Organisatorisch ko-ordinierte ein zentrales Lean Office saumlmtliche Verbesserungsaktivitaumlten des Transformie-rungsprozesses
98 3 Praxiserfahrung mit Operational Excellence
3136 Layout und MaterialflussDieses Handlungsfeld konzentrierte sich auf die Verkuumlrzung von Produktionswegen um den optimalen Materialfluss zu gewaumlhrleisten Dazu bestand zunaumlchst dringender Klauml-rungsbedarf hinsichtlich der langfristigen Planung und Flaumlchennutzung der Sietas-Werft Obwohl sich demnach auf der einen Seite ein enormes Einsparpotenzial durch optimierten Materialfluss und effizientere Flaumlchennutzung bot bestand auf der anderen Seite die Ge-fahr dass der Kostenhebel auch negativ wirken koumlnnte Wenn ein fertiger Kran keinen Stellplatz faumlnde und so die Ablieferung verzoumlgerte koumlnnte dies verheerenden Einfluss auf andere Lieferungen haben
3137 ProduktionsprozesseIn diesem Zusammenhang spielte im Transformierungsprozess besonders bdquoHeijunkaldquo (jap Glaumlttung der Produktion) ein Grundprinzip der Lean-Philosophie eine tragende Rolle Dieses Prinzip zielt erstens auf eine optimale Sequenzierung und Nivellierung der Produktion ab die sich an der Taktzeit des Kunden ausrichtet Der Bedarf an Arbeits-kraumlften wird reduziert und durch die Flexibilitaumlt der Fertigung werden Fluktuationen des Absatzmarktes absorbiert Zweitens werden nichtwertschoumlpfende Taumltigkeiten durch die forcierte Standardisierung und die Vorgehensweise des bdquoone piece flowldquo (Prinzip der Har-monisierung des Produktionsflusses) eliminiert Der Lean-Gedanke postuliert dass es ohne Standards keine Verbesserung gibt (als Standardarbeit wird der zurzeit sicherste und effizienteste Ablauf eines Produktionsprozesses definiert) Diese Uumlberzeugung ist darauf zuruumlckzufuumlhren dass standardisierte Prozesse kontrollierbar wiederholbar verbesserbar und trainierbar sind
Fuumlr Curic bildete der Gesichtspunkt des visuellen Managements das Fundament fuumlr Transparenz im Produktionsprozess Die Grundlage des visuellen Ansatzes beinhaltete im ersten Schritt die Anwendung eines klassischen Lean-Werkzeuges ndash die 5S Die Organisa-tion und Sauberkeit des Arbeitsplatzes war demnach die Voraussetzung fuumlr Effizienzver-besserungen in allen operativen Bereichen Der zweite Schritt betraf die Umsetzung des visuellen Managements Die damalige Geschaumlftslage der NMF wurde mit den Schwer-punktthemen Sicherheit Qualitaumlt Ablieferung und Kosten in Form von sogenannten bdquoVisual Boardsldquo fuumlr alle Mitarbeiter sichtbar gemacht und in regelmaumlszligigen Intervallen kommuniziert Der dritte Schritt beschrieb die Kontrolleigenschaft des visuellen Manage-ments Anhand der systematischen und regelmaumlszligigen Auseinandersetzung mit der Dar-stellung der aktuellen Geschaumlftslage fungierte ein bdquoVisual Boardldquo als Fruumlhwarnsystem Abweichungen vom Standard fielen fruumlher auf und konnten unabhaumlngig von der hierar-chischen Ebene umgehend mit Gegenmaszlignahmen adressiert werden
Die Einfuumlhrung des auf Kanban-Karten beruhenden Pull-Systems schloss dieses Hand-lungsfeld ab Fuumlr die ganze Wertschoumlpfung der NMF galt dass nur dann produziert und geliefert wird wenn auch gerade Bedarf besteht Der Informationsaustausch dafuumlr fand mit Kanban-Karten statt Das Kaban-System funktioniert dabei wie ein Supermarkt In den Regalen des Fertigungsbereiches wird nur so viel Material gelagert wie unbedingt notwendig Wenn ein Mitarbeiter Materialien entnommen hat wird dies auf einer Kanban-
9931 Lean Management bei der Neuenfelder Maschinenfabrik
Karte dokumentiert und das Regal wieder von hinten aufgefuumlllt So werden die aumllteren Materialien zuerst gegriffen und es liegen weder Materialien im Lager noch Produkte auf Halde
3138 Supply Chain ManagementIn diesem letzten von Curic identifizierten Handlungsfeld ging es um die effiziente Integ-ration von Lieferanten Warenhaumlusern Produktion und Lager Fuumlr ihn war es unabdingbar den durch einen bdquoPeitscheneffektldquo2 hervorgerufenen mangelnden Informationsfluss zwi-schen den beteiligten Wertschoumlpfungsschritten abzubauen um die Durchlaufzeit zu ver-kuumlrzen und Bestaumlnde zu reduzieren Durch die Entwicklung eines Lieferanten-Manage-ments um Lieferungen in der richtigen Menge und zur richtigen Zeit zu gewaumlhrleisten lieszligen sich Material- Transport- Bestands- und Produktionskosten einsparen
Zur nachhaltigen Verinnerlichung der Lean-Transformierung wurde das Credo der kontinuierlichen Verbesserung ndash Kaizen ndash etabliert In diesem Zusammenhang ist der Mitarbeiter nicht mehr ein kleines austauschbares Raumldchen ndash wie ehemals bei Ford am Flieszligband ndash sondern uumlbernimmt fuumlr seinen Bereich Verantwortung und bringt selbst Vor-schlaumlge zur Prozessverbesserung ein Dieses Grundverstaumlndnis verfolgt keine innovativen Quantenspruumlnge sondern kontinuierliche Verbesserung in vielen kleinen Schritten damit sich die Organisation mit ihren Mitarbeitern leichter auf die Veraumlnderungen einstellen kann Curic betonte dass es sich bei Kaizen um eine Denkweise und nicht wie faumllsch-licherweise oft angenommen um ein Instrument handelt
314 Zwischenergebnis
Im August 2011 acht Monate nach dem Start der Lean-Transformierung wurde eine erste Zwischenbilanz gezogen Die Geschaumlftsfuumlhrung der NMF konnte sich einen ersten Ein-druck davon machen inwieweit sich die methodischen Interventionen des Lean Manage-ments auf die organisatorische Aufbau- und operationale Ablaufstruktur des Unterneh-mens ausgewirkt hatten
3141 Organisation und MitarbeiterBei Curics Ankunft arbeiteten fast genauso viele Leiharbeitskraumlfte (LAK) wie Festan-gestellte bei der NMF Wie viele es wirklich waren vermochte niemand zu sagen denn
2 Der Peitscheneffekt (engl Bull-Whip Effect) beschreibt das Phaumlnomen von sich bdquoaufschaukeln-denldquo Mengenschwankungen Die Nachfrage der Konsumenten kann demnach konstant sein und dennoch werden die Bestellmengen unregelmaumlszligiger je weiter sie in der Wertschoumlpfungskette zu-ruumlckverfolgt werden Bestellungen beim Lieferanten haben somit keinen Zusammenhang mehr mit den Bestellungen des Kunden Die Konsequenzen koumlnnen uumlbervolle Lager gefolgt von leeren La-gern sein Die Folgen sind schlechter Lieferservice verlorener Umsatz ineffizienter Transport und kuumlrzere Produktionslebenszyklen Die Verbesserung der Kommunikation und Zusammenarbeit der unterschiedlichen Beteiligten kann diesen Effekt reduzieren
100 3 Praxiserfahrung mit Operational Excellence
wie viele LAK wirklich gebraucht wurden und welche Taumltigkeiten sie ausuumlbten und ob diese Taumltigkeiten wertschoumlpfend waren war bislang unerheblich Ein rigoroser Einschnitt war die logische Konsequenz ndash bis April 2011 reduzierte Curic die Anzahl der LAK auf fast null Die personellen Maszlignahmen mussten jedoch uumlber die LAK hinausgehen da die Geschaumlftsfuumlhrung vor Curic und Ressel die abnehmenden Volumina in der Schifffahrts-branche nicht kommen sehen wollte Der folgende Schritt schmerzte umso mehr Mit 92 Mitarbeitern wurden fuumlr beide Seiten akzeptable Loumlsungen gefunden wie man in Zukunft getrennte Wege gehen konnte Wichtig war dabei dass diese Entscheidung vorausschau-end getroffen wurde Die Anzahl der Mitarbeiter wurde 2011 schon an das notwendige Niveau im Jahr 2013 angepasst da Curic auf weitere personelle Einschnitte verzichten wollte ndash lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende
Die Fuumlhrungsdichte wurde wie geplant erhoumlht Gemaumlszlig Curic waren zentrale Themen wie standardisierte Arbeitsablaumlufe und Qualitaumltssicherung bei einer Dichte von 130 nicht umzusetzen Um das Ziel einer flieszligenden Produktion zu erreichen musste jede Fuumlh-rungskraft zu jedem Zeitpunkt in der Lage sein einen der Mitarbeiter zu ersetzen Bei einer Dichte von 110 war dies realistisch
Die Ernennung von Inbetriebnahmespezialisten war ebenfalls erfolgreich Wenn fruumlher ein Kran an den Kunden geliefert wurde musste der Produktionsleiter Fachkraumlfte kurz-fristig zur Verfuumlgung stellen bdquoum in ein paar Tagen nach China zu fliegenldquo Dieses un-berechenbare Vorgehen fuumlhrte zu groszligen personellen Luumlcken und Stoumlrungen im Betriebs-ablauf Mittlerweile sind in Deutschland zwei feste Mitarbeiter den Aufgabenbereichen dieser Gruppe zugeordnet Wenn fuumlr sie kein Auftrag vorliegt einen Kran in Betrieb zu nehmen widmen sie sich als zusaumltzliche Arbeitskraft der Produktion oder aktuellen Ver-besserungsprojekten
3142 Sicherheit am ArbeitsplatzDer Ansatz Sicherheitsvorkehrungen zu verschaumlrfen und Unfallursachen konsequent und umfangreich zu evaluieren war Curic sehr wichtig Nicht jedem Mitarbeiter gefiel jedoch eine neue Vorschrift wie das staumlndige Tragen einer Schutzbrille in den Produktionshallen Der geaumluszligerte Unmut erreichte sogar den Betriebsrat doch die Geschaumlftsfuumlhrung zeig-te sich unbeirrt und setzte ihren Willen durch In solch einem Produktionsprozess der Schwerindustrie ist die Gesundheit der Mitarbeiter das houmlchste Gut ndash das verstanden all-maumlhlich auch die Betroffenen Die Anzahl der Unfaumllle lag zu diesem Zeitpunkt deutlich unter dem Niveau des Vorjahres und es wurde fuumlr das Jahr 2011 mit einem Ruumlckgang um 20 gerechnet
3143 QualitaumltDie Einfuumlhrung der Qualitaumlt-Gates war wirksam An verschiedenen Stellen in der Produk-tion werden die herzustellenden Krane von Mitarbeitern der Qualitaumltsabteilung und nicht vom Produktionsleiter begutachtet Je fruumlher ein Problem oder ein Mangel in der Produk-tion auffaumlllt desto besser Jeder Mitarbeiter der aktiv am Produktionsprozess teilnimmt
10131 Lean Management bei der Neuenfelder Maschinenfabrik
verfuumlgt zusaumltzlich uumlber einen Qualitaumltskatalog mit genauen Angaben Beschreibungen und Vergleichswerten Die eigene Arbeit kann so umgehend uumlberpruumlft werden
Aus Sicht von Curic war es fuumlr einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess von Be-deutung Erfolge zu kommunizieren Mindestens genauso wichtig war es aber akute Pro-blemstellen ehrlich anzusprechen Es war offensichtlich dass sich ein neues Verstaumlndnis wie das neue Bewusstsein fuumlr Qualitaumlt nicht sofort in Zahlen ausdruumlcken lieszlig Fuumlr das Jahr 2011 wurde mit einem unerfreulichen Anstieg der Kundenreklamationen um uumlber 50 gerechnet Obwohl man der Meinung war dass dieser Anstieg nur zustande kam weil man uumlberhaupt begann Zahlenmaterial systematisch zu sammeln lieszlig sich festhalten dass die Zertifizierung der Qualitaumltsnorm ISO 9001 nach wie vor nicht ausreichend gelebt wurde Der zukuumlnftige Handlungsbedarf war nicht zu leugnen
3144 Shop-Floor-ManagementEines der wichtigsten Elemente in diesem Zusammenhang war das morgendliche fuumlnf-zehnminuumltige bdquoStand-up Meetingldquo in der Fertigungshalle Jeder Mitarbeiter hat die Fragen (Was habe ich gestern gemacht wo gab es Probleme und was mache ich heute) zu klaumlren Jeder darf dabei nur dann sprechen wenn er das Mikrofon haumllt ndash die Mitarbeiter lernten dadurch dem Kollegen zuzuhoumlren sich kurz zu fassen und uumlberlegt zu sprechen Mit besonderer Haptik (Idee bdquoYou need to feel the painldquo) werden uumlber die bdquoVisual Boardsldquo (wie in Form eines von einem Mitarbeiter entwickelten Lego-Modells) die Kennzahlen hinsichtlich der Belegschaft Uumlberstunden Kosten Bestaumlnde Sicherheitslage und der Ab-lieferung besprochen ndash die Transparenz steht im Mittelpunkt Fuumlr aufgetretene Probleme des Vortages werden Gegenmaszlignahmen eingeleitet und fuumlr den aktuellen Arbeitstag Ta-gesziele vereinbart Entscheidend ist dass Fehler offen angesprochen werden ndash es geht nicht darum einen Schuldigen zu finden sondern um die Ursache des Problems Aus Sicht des COO foumlrdert diese systematische und pragmatische Meetingkultur nicht nur das individuelle Verantwortungsbewusstsein sondern auch das gemeinsame Gruppengefuumlhl
3145 Lean-Know-howDie Erwartung innerhalb der ersten Monate eine eigene methodische Kompetenz im Unternehmen zu installieren waumlre vermessen Dennoch wurden in kurzer Zeit die wich-tigen Weichen gestellt Externe Lean-Experten begannen die Mitarbeiter der NMF aus-zubilden Rund 90 der Mitarbeiter nahmen bereits an internen Lehrveranstaltungen teil ndash meistens fanden diese direkt am Arbeitsplatz und nicht in einem Besprechungs-buumlro statt Fuumlr den zukuumlnftigen Aufbau der methodischen Kompetenz ist die Einrichtung eines bdquoLean-Wikildquo bei dem die Mitarbeiter ihre gewonnen Erkenntnisse ausformuliert festhalten geplant Damit soll langfristig das Lean-Know-how im Unternehmen gehalten werden Eines Tages werden damit erfahrene Mitarbeiter ihre eigenen Kollegen ausbilden koumlnnen
Hervorzuheben ist an dieser Stelle dass es fuumlr Curic um mehr ging als um den bloszligen Gebrauch von Tools Er beabsichtigte das Bewusstsein seiner Mitarbeiter zu veraumlndern ndash es galt Lean nicht zu kopieren sondern zu adaptieren Der geringe Anteil an LAKs
102 3 Praxiserfahrung mit Operational Excellence
im Unternehmen unterstuumltzte diesen Aspekt Nur mit einer festangestellten Personalbasis kann sich die Lean-Denkweise nachhaltig in der Unternehmenskultur verankern Der Auf-bau einer unternehmensweiten Kompetenz zog auch die Konsequenz nach sich dass der Lean-Gedanke in den Zielvereinbarungen der Mitarbeiter verankert wurde und dass bei zukuumlnftigen Neueinstellungen das Kriterium bdquoLean-Potenzialldquo eine entscheidende Rolle spielt
3146 Layout und MaterialflussFruumlh im Jahr 2011 wurde festgestellt dass die Suche nach Fehlteilen den Materialfluss am staumlrksten beeintraumlchtigte Es gab mehrere Lagerplaumltze fuumlr dasselbe Material manche Bereiche der Fertigung waren fuumlr die Staplerfahrer nicht passierbar weil sperrige Kran-bauteile im Weg standen und der Bedarf wurde grundsaumltzlich auf Zuruf kommuniziert Um dies zu aumlndern wurden Verbesserungsvorschlaumlge der Mitarbeiter eingeholt Das Er-gebnis war u a ein definierter Routenplan fuumlr die Staplerfahrer ndash Haltestellen wurden gekennzeichnet Bereitstellungsflaumlchen festgelegt und die Verbindungswege nicht mehr als Abstellflaumlchen missbraucht Daruumlber hinaus regelte ein Mietvertrag mit der Insolvenz-verwaltung der Sietas-Werft die Flaumlchennutzung der benachbarten Produktionsorte und unterstuumltzte die Planungssicherheit
3147 ProduktionsprozessErste Analysen im Maumlrz 2011 ergaben dass 58 der Produktionsschritte nichtwertschoumlp-fend waren Dazu gehoumlrte u a auch die zuvor angesprochene Suchzeit nach Fehlteilen Die Einfuumlhrung des Pull-Prinzips und die Integration eines Supermarktes basierend auf Kanban-Karten wirkte sich positiv auf die Wertschoumlpfung aus Die Lean-Transformie-rung die mit der groumlszligten Produktionslinie (Linie 1 Kraumlne 30 bis 100 t) startete konnte durch die Pull-Einfuumlhrung schon im August 2011 deutliche Erfolge erzielen Die Fehlteile von externen Lieferanten wurden um 88 und die der internen Lieferanten um 74 re-duziert Der Wert der Bestaumlnde konnte von uumlber 60 Mio euro auf knapp 25 Mio euro verringert werden Zusaumltzlich nahm die Durchlaufzeit der wichtigsten Produktionslinie von 40 auf 20 Tage ab
3148 Supply Chain ManagementDas Ziel war es durch die Entwicklung eines Lieferantenmanagements Lieferungen in der richtigen Menge und zur richtigen Zeit zu gewaumlhrleisten ndash Kostenersparnisse waumlren die Folge Im Falle der NMF galt es zu beachten dass 80 der Produkte durch Fremd-fertigung entstanden Es war also unumgaumlnglich die Lieferanten mit in die Pflicht der Initiative zu nehmen um einen nachhaltigen Beitrag fuumlr die Wettbewerbsfaumlhigkeit des Unternehmens zu leisten So erreichte Curic u a durch neue Zahlungsmodalitaumlten eine Preisreduzierung von uumlber 10 bei den Top 10 der Lieferanten ndash dies entsprach einer Kostenersparnis im Einkauf von uumlber 10 Mio euro In der Folge konnte die NMF durch den optimierten Produktionsprozess die Produktivitaumlt erhoumlhen und die Preise senken Bis zum damaligen Zeitpunkt waren beispielsweise die Produkte der ersten Produktionslinie (Linie
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1 30 bis 100 t) fuumlr den chinesischen Markt zu teuer ndash schon im Mai 2011 wurden erste wettbewerbsfaumlhige Angebote worin sich die Ergebnisse des Transformierungsprozesses widerspiegelten abgegeben Der groumlszligte Wettbewerber bei dieser Produktgruppe Mac-Gregor ndash Tochtermarke des finnischen Logistikkonzerns Cargotec ndash wurde damit direkt angegriffen Der Platzhirsch wurde nervoumls ndash die Anstrengungen der NMF hinsichtlich des Preises wurden wahrgenommen
Des Weiteren wurden koreanische Werften und chinesische Reedereien auf die NMF aufmerksam Der Auftragseingang stieg im Mai 2011 verglichen mit dem Vorjahresergeb-nis um 381 Forciert wurde dieses Ergebnis durch die Erschlieszligung neuer Maumlrkte und die Entwicklung neuer Produkte ndash wie die des ersten NMF-Offshore-Krans (900 t) Es handelte sich dabei nicht nur um den groumlszligten Kran der Unternehmensgeschichte mit dem man auf groszliges Interesse in Fernost stieszlig sondern auch um einen der ersten Offshore-Krane im Markt dieser Groumlszligenordnung Das Resultat dessen war eine fruumlhzeitig gesicherte Auslastung der Produktion fuumlr das Jahr 2012
Die Denkweise des Kaizen basiert auf dem Grundgedanken dass eine schrittweise Ver-besserung wirksamer ist als ein unmittelbarer und radikaler Eingriff in den Unternehmens-alltag So hatte jede Fuumlhrungskraft in ihrem jeweiligen Bereich mindestens eine Verbesse-rung pro Woche umzusetzen Der Ansatz der schrittweisen Verbesserung fand sich nicht nur in den einzelnen Projekten wieder sondern auch in der Art und Weise wie die gesamte Transformierung organisiert war Dies manifestierte sich in Form eines Drei-Stufen-Plans Auf der ersten Stufe wurde mit der wichtigsten der drei Produktionslinien begonnen Die Einfuumlhrung des Pull-Prinzips (Stichwort bedarfsorientierte Materialbestellung in Form des Supermarkts und der Kanban-Karten) war das Pilotprojekt und konzentrierte sich auf die Linie 1 Anschlieszligend wurde im zweiten Projekt der Wertestrom fuumlr die Linie 1 op-timiert (Stichwort Verschlankung durch Eliminierung von nichtwertschoumlpfenden Taumltig-keiten) Erst auf der dritten Stufe wurde dem ganzen Unternehmen die ausgeweitete Lean-Transformierung (Linie 2 100ndash350 t und Linie 3 400ndash700 t) zugemutet
Auch wenn die ersten Ergebnisse im August 2011 Grund genug waren zu feiern ndash die Reise hatte gerade erst begonnen Curics Vision war die bdquoFabrik des Jahres ndash Global Ex-cellence in Operationsldquo ndash eine flieszligende und lagerlose Produktion von Schiffskraumlnen ohne Fehlteile fuumlr begeisterte Kunden
315 Fazit
Um den Erfolg des Lean-Transformierungsprozesses im Hause der NMF aus heutiger Sicht zu beurteilen gilt es das Jahr 2012 zu beruumlcksichtigen Schon kurz nach den oben dargestellten Erfolgen wurde die Geschaumlftsfuumlhrung der NMF im November 2011 von der Insolvenz der Muttergesellschaft uumlberrascht Schon einige Jahre zuvor geriet Deutsch-lands aumllteste Werft in schweres Fahrwasser was dazu fuumlhrte dass der Unternehmens-inhaber Hinrich Sietas in der neunten Generation das Management der Werft abgab Der Bau kleinerer Containerschiffe mit veralteten Produktionsmethoden wurde Sietas im Zuge
104 3 Praxiserfahrung mit Operational Excellence
der Weltwirtschaftskrise zum Verhaumlngnis Folgeauftraumlge blieben aus und dem neuen Ma-nagement gelang es ebenfalls nicht den druumlckenden Schuldenberg abzubauen ndash Mitte No-vember 2011 war die Werft zahlungsunfaumlhig Im Februar des folgenden Jahres wurde das Insolvenzverfahren eroumlffnet und die Sietas-Werft und damit auch die NMF standen zum Verkauf ndash die Zukunft des Unternehmens und seiner Mitarbeiter war ungewiss
Die damit einhergehenden negativen Auswirkungen auf die NMF waren offensichtlich Doch trotz dieses negativen Vorzeichens und der darunter leidenden Lean-Bemuumlhungen war sich die Geschaumlftsfuumlhrung der NMF bestaumlrkt durch die positiven Signale der letzten Monate (die Auftraumlge reichten mittlerweile bis Mitte 2013) sicher dass das Geschaumlfts-modell der NMF uumlberlebensfaumlhig und wettbewerbsfaumlhig war Bei den ersten Sondierungs-gespraumlchen mit der Insolvenzverwaltung wurde diese Position deutlich hervorgehoben und auch der Markt bekraumlftigte waumlhrend des Insolvenzverfahrens im ersten Halbjahr 2012 diesen Standpunkt Es zeichnete sich eine Zerschlagung der Sietas-Werft mit ihren zwei Tochtergesellschaften ab weil der Verkaufserloumls der drei einzelnen Unternehmen den ge-botenen Preis fuumlr die gesamte Gruppe uumlberstieg So fand auch die NMF im Juli 2012 mit dem norwegischen Schiffsbauzulieferer TTS Group ASA einen starken industriellen Part-ner Der Verkauf an das uumlber 1100 Mann starke Unternehmen das an den Standorten Bre-men und Luumlbeck in Deutschland schon vertreten war wurde als positiv fuumlr die betroffenen Unternehmen selbst und den maritimen Sektor Hamburgs bewertet Curic fuumlhrt an dass der Betriebsrat und die Mitarbeiter die Loumlsung einstimmig begruumlszligten ndash alle Mitarbeiter der NMF wurden weiter beschaumlftigt
Die NMF schloss ein turbulentes Geschaumlftsjahr 2012 ab Ein Jahr bei dem zu Beginn das Uumlberleben des Unternehmens mehr als fraglich war der Absatz der Schiffskrane um 45 einbrach sich zu einer Verkleinerung der Belegschaft um 100 Mitarbeiter im Janu-ar entschieden wurde und erfolgreich angestoszligene Lean-Bemuumlhungen an Prioritaumlt und damit an Durchschlagskraft verloren Dennoch war COO Curic der im Maumlrz 2013 das Unternehmen verlies optimistisch mit der TTS Group nicht nur den richtigen Partner fuumlr die betriebswirtschaftliche Zukunft sondern auch fuumlr die Fortsetzung des Lean-Transfor-mierungsprozesses gefunden zu haben Es deutete sich aus Kreisen des Mutterkonzerns fruumlh an dass die NMF als Multiplikator fungieren sollte ndash der Lean-Gedanke sollte zum Leitbild aller anderen Standorte der Norweger werden Fuumlr die Zukunft der NMF spielen Curics Ansicht nach die folgenden vier Saumlulen eine tragende Rolle
1 neue Maumlrkte (Intensivierung der Geschaumlfte in China Korea und Singapur)2 neue Produkte (Forcierung des Absatzes von Offshore-Kranen)3 neue Dienstleistung (Etablierung als Systemanbieter)4 Effizienz (Reduzierung von Produktionskosten und Durchlaufzeiten Erhoumlhung der
Produktivitaumlt)
Besonders im letzten Punkt manifestiert sich das Lean-Verstaumlndnis ndash auch in Zukunft werden die Eliminierung von nichtwertschoumlpfenden Taumltigkeiten und die Einfuumlhrung von standardisierten Arbeiten Grundlage fuumlr den Unternehmenserfolg sein Es ist das klare
10532 Lean Management bei der FCI-Gruppe
Ziel durch zusaumltzliche Synergieeffekte mit der neuen Muttergesellschaft die Position der NMF als der fuumlhrende Qualitaumltsanbieter auf dem Kranmarkt auszubauen und ein Bench-mark fuumlr die Herstellung von Kranen nach industriellen Maszligstaumlben zu werden Auch wenn Goran Curic der Organisation fehlen wird hat er in Form einer erfolgversprechenden Basis vorgesorgt Da er ein erfahrenes Fuumlhrungsteam und eine durch die uumlberwundene Krise gestaumlrkte Belegschaft hinterlaumlsst ist das Hamburger Unternehmen gut geruumlstet fuumlr die kommenden strategischen Herausforderungen in den naumlchsten Jahren Ob die Lean-Initiative wirklich ohne ihren Impulsgeber uumlberlebensfaumlhig ist und ob die Vision Curics von der bdquoFabrik des Jahres mit operationaler Exzellenzldquo nachhaltig Fruumlchte tragen kann wird sich aber erst noch zeigen
32 Lean Management bei der FCI-Gruppe
In Abb 32 ist eine Uumlbersicht uumlber Lean Management bei der FCI Gruppe zu sehen
321 Unternehmensprofil
Die FCI-Gruppe mit Hauptsitz im franzoumlsischen Guyancourt wurde 1988 von Framatome SA (seit 2001 Areva SA) ndash einem franzoumlsischen auf Nukleartechnik spezialisierten In-dustriekonzern ndash gegruumlndet3 Eine konsequente Wachstumsstrategie ndash in 20 Jahren wurden knapp 20 Unternehmen aufgekauft ndash und die Verpflichtung zu hervorragender betriebli-cher Leistung machten FCI zu einem fuumlhrenden Hersteller von Steckverbindungen fuumlr die Automobil-und Telekommunikationsindustrie sowie den Verbraucher- und industriellen Elektronikmarkt Ein entscheidender Meilenstein fuumlr diesen Vormarsch war das Jahr 2005 Der amerikanische Finanzinvestor Bain Capital kaufte FCI fuumlr 107 Mrd euro Auf dem mit 1200 Herstellern stark kompetitiven Markt konnte FCI als einziges europaumlisches Unter-nehmen eine global ernst zu nehmende Position einnehmen Im Jahr 2010 erwirtschaftete die FCI-Gruppe mit 14000 Mitarbeitern an 24 Produktionsstandorten einen Umsatz von knapp 13 Mrd euro ndash dazu gehoumlrte der Elektronik- Automobil- und Mikroverbindungsbe-reich Produkte von FCI befinden sich demnach in Digitalkameras oder Diagnosegeraumlten in Krankenhaumlusern (Elektronik) in Airbags oder CD-Spielern im Auto (Automobil) und in Sim- und Bankkarten (Mikroverbindungen)
3 Die aufgefuumlhrten Informationen gehen zu einem groszligen Teil auf die von Laumuno und Yuumlcesan (2012) erstellte Fallstudie bdquoLean Manufacturing at FCI The Global Challengeldquo der INSEAD Busi-ness School zuruumlck Dafuumlr wurden insbesondere die Protagonisten Yves Merel (Lean Direktor) und Pierre Vareille (CEO) interviewt Zielgerichtete On- und Offlinerecherchen vervollstaumlndigen das Bild aus heutiger Sicht
106 3 Praxiserfahrung mit Operational Excellence
322 Ausgangslage
Pierre Vareille der im Dezember 2007 als COO zu FCI kam loumlste zum 1 Januar 2009 Jean-Lucien Lamy als CEO und Praumlsidenten ab Lamy war vor und nach der Uumlbernahme durch Bain Capital von 2001 bis 2009 maszliggeblich an der Restrukturierung und Neuorganisation
Das rasante Wirtschafts-wachstum in Asien brachte zahlreiche neue Konkurrenten hervor
Neben innovativen Erzeugnissen (Kernkompetenz von FCI) wird zukuumlnftig die Reaktionsfaumlhigkeit des Service die Qualitaumlt der Produkte und die Zufriedenheit der Kunden erfolgsentscheidend sein
Es ist keine diesen Herausforderungen entsprechende Organisationsstruktur vorhanden
Lean Management als Leitbild einer neuen strategischen Ausrichtung zur Erreichung operativer Exzellenz etablieren
Im Mittelpunkt stehen Kundenorientierung Einbeziehung der Lieferanten die Mitarbeiter sowie bdquo leanldquo in Forschung amp Entwicklung und der Produktion
Mitarbeiter sollten dazu ausgebildet werden nicht im sondern am Unter-nehmen zu arbeiten
Verspaumltungen bei Kundenlieferungenum 43 reduziert
Reduktion von bdquounzufriedenen Kundenldquo um 61
Steigerung des EBITDA um 8
Reduzierung Durchlaufzeit um 40
Reduzierung Arbeits-kosten um 12
Ruumlckgang von Arbeits-unfaumlllen um 80
Branche Elektronik Sitz Guyancourt (FR)
FCI Gruppe
Was ist das Problem Was ist das Loumlsungskonzept Was ist der Effekt
letztendlich geht es um die Belegschaft Dies gilt immer wenn ein strategischer Plan um-gesetzt werden soll und insbesondere dann wenn es sich dabei um eine Kulturveraumlnderungdurch Lean Management handelt Nur mit den richtigen Mitarbeitern in den richtigen Positionen und unter den richtigen Rahmenbedingungen kann eine Initiative die Erwartungen erfuumlllen
Auszug
Abb 32 Lean Management bei der FCI Gruppe
10732 Lean Management bei der FCI-Gruppe
beteiligt Vareille Ingenieur mit zusaumltzlichen Studienabschluumlssen in Politik- Wirtschafts- und Finanzwissenschaften konnte Fuumlhrungserfahrung aus verschiedenen Hightechunter-nehmen vorweisen Seit seinem Einstieg als COO 2007 war er von dem rasanten Aufstieg des Steckverbinderherstellers und der damit einhergehenden globalen Dynamik trotz einer zentralisierten Struktur fasziniert Er fuumlhlte sich wohl was auch an der engen Verbindung des Produktportfolios zur Automobilindustrie ndash seine uumlber Jahre praumlferierte Branche ndash lag Aufgrund seiner Erfahrung in der Automobilbranche war Vareille mit Lean Management bestens vertraut Bereits im Maumlrz 2008 (noch als COO) verkuumlndete er auf einer Konferenz in Shanghai seine Vision von FCI bdquoEs ist unser Ziel dass wir in Bezug auf Marktanteil Umsatzwachstum Profitabilitaumlt und Mitarbeiterverantwortung der Benchmark in unserer Industrie werdenldquo Er uumlberzeugte einen ehemaligen lean-erfahrenen Weggefaumlhrten aus der Automobilindustrie davon die Herausforderung einer Lean-Implementierung anzuneh-men Ab Mai 2008 leitete Yves Merel als Lean-Direktor der FCI-Gruppe federfuumlhrend die ersten Schritte der Initiative
Als Vareille die Position des CEO 2009 annahm stattete er in den ersten zwei Mona-ten jedem der 24 Produktionsstandorte einen Besuch ab Nachdem er mit Hunderten von Mitarbeitern gesprochen hatte sah er grundlegende Veraumlnderungen auf das franzoumlsische Unternehmen zukommen Die marktbestimmenden Unternehmen die entweder aus Ame-rika oder Europa stammten definierten ihre Wettbewerbsfaumlhigkeit historisch bedingt uumlber Innovation und nicht uumlber operationale Optimierungsmaszlignahmen ndash operational Excel-lence wurde nicht als kritischer Erfolgsfaktor gesehen Vareille nahm das rasante Wirt-schaftswachstum in Asien und die damit einhergehenden zahlreichen neuen Mitspieler im Markt ernst und stellte fest dass in Zukunft neben innovativen Erzeugnissen die Re-aktionsfaumlhigkeit des Service die Qualitaumlt der Produkte und die Zufriedenheit der Kunden Schluumlsselelemente zum wirtschaftlichen Erfolg darstellten Summa summarum hielt er fest dass ein Unternehmen nur mit ausgepraumlgter Flexibilitaumlt an der es bei FCI mangelte die zukuumlnftigen Herausforderungen meistern koumlnne
Das Bild das sich Vareille beim Besuch der 24 Produktionsstandorte bot bekraumlftigte ihn und seinen Lean-Direktor darin den richtigen Hebel in Bewegung gesetzt zu haben Die konsequente Implementierung des Lean Managements war nun erst recht die Antwort auf die Frage wie man eine Justierung der strategischen Ausrichtung des Unternehmens umsetzen koumlnne Lean sollte zum Leitbild des Unternehmens werden
323 Die Initiative
Vareille war uumlberzeugt davon dass wenn man etwas in den ersten 100 Tagen nicht in Bewegung bringt es sich nie bewegen wird Das Ergebnis kurz nach seiner Berufung zum CEO war ein auf vier Jahre ausgelegter Strategieplan der sich auf langfristige Ziele fokussierte Im Kern ging es um fuumlnf Vorstoumlszlige
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1 Kundenfokus Im Vordergrund stand dabei die Verbesserung von Qualitaumlt und Kun-denzufriedenheit Diese Verbesserung sollte durch die Betonung von Werten wie Reaktionsfreudigkeit Verfuumlgbarkeit und Flexibilitaumlt die Kultur des Kundenservice ver-aumlndern Keinerlei Komplikationen wie das Warten auf Ruumlckmeldung oder die Ver-fuumlgbarkeit des richtigen Ansprechpartners sollten den Kontakt mit einem Kunden beeintraumlchtigen
2 Zuliefererfokus Fuumlr einen weitreichenden Wandel mussten auch die Zulieferer mit-einbezogen werden Etliche sollten mit den FCI-Maszligstaumlben vertraut gemacht werden um eine starke Partnerschaft basierend auf Qualitaumlt Innovation und Kundenzufrieden-heit zu ermoumlglichen
3 Lean-Fokus in Forschung und Entwicklung Durch die Anwendung von Lean-Tools sollten die Verschwendung eliminiert und der Betriebsablauf effizienter gestaltet wer-den sodass mehr Raum und Zeit fuumlr Innovationen zur Verfuumlgung stehe Zusaumltzlich wurde in den folgenden Jahren durch konsequente Standardisierung im Bereich der Patentverwaltung enormes Potenzial identifiziert FCI meldete im Durchschnitt 100 Patente im Jahr an ndash 3000 Patente bildeten das Portfolio
4 Lean-Fokus in der Produktion Als Ziel wurde bdquooperationale Exzellenzldquo ausgeru-fen um die Position im kompetitiven Wettbewerbsumfeld nachhaltig zu staumlrken Dabei waren nun mittlerweile bekannte Techniken wie Kanban Poka Joke und Kaizen von Bedeutung Vareille hob aber deutlich hervor dass das Kopieren von Lean-Tools nur zu lokalen und kurzfristigen Verbesserungen fuumlhren wuumlrde ndash das Ziel war die Internalisie-rung einer auf FCI zugeschnittenen Lean-Philosophie
5 Mitarbeiterfokus Letztendlich geht es um die Belegschaft Dies gilt immer wenn ein strategischer Plan umgesetzt werden soll und insbesondere dann wenn es sich dabei um eine Kulturveraumlnderung durch Lean Management handelt Nur mit den richtigen Mitarbeitern in den richtigen Positionen und unter den richtigen Rahmenbedingungen (z B dass der Mitarbeiter nicht nur im Unternehmen sondern am Unternehmen arbei-tet) kann eine Initiative so Vareille die Erwartungen erfuumlllen
Die Initiative wurde in Singapur gestartet und zuumlgig auf alle anderen Standorte uumlbertra-gen Die folgenden Aspekte waren die Bausteine der Transformation zur Erreichung des strategischen Plans
Das Lean-Team Die Konstitution dieses Teams durch Merel war entscheidend weil die beteiligten Lean-Spezialisten wie Inhouse-Consultants fungierten und die lokalen Lean-Manager und Werksleiter des jeweiligen Standortes unterstuumltzten Dazu gehoumlrten u a der Qualitaumltsverantwortliche der FCI-Gruppe (spezialisiert auf Prozessstabilisierung und Qualitaumltsverbesserung als Six Sigma Master Black Belt) der Supply-Chain-Ver-antwortliche des Unternehmens (zur Gewaumlhrleistung einer End-to-End-Betrachtung der untersuchten Geschaumlftsfelder) und fruumlhere deutsche kanadische und chinesische Werks-leiter (die die Zustaumlnde vor Ort gut einschaumltzen konnten und zusaumltzlich bereits langjaumlhrige Lean-Erfahrung vorzuweisen hatten) Dieses Team bildete andere Mitarbeiter aus leitete Workshops und uumlberpruumlfte den Fortschritt der Initiativen
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Die Kommunikation Dabei ging es vor allem um eine robuste und funktionsfaumlhige Kommunikationsstruktur Systematische Feedback-Schleifen und Newsletter-E-Mails die Verbreitung der positiven Projektergebnisse und die Verleihung von Auszeichnungen wurden in die Routine des Alltagsgeschaumlftes integriert Die Kommunikation des Status quo wurde dabei vor allem auf Basis taumlglicher Besuche der Fertigungsbereiche (Stichwort Visual-Control) durch den jeweiligen Lean-Manager durchgefuumlhrt Innerhalb von einer Stunde hatte dieser die Produktion auf moumlgliche Hinweise fuumlr Verzoumlgerungen des Produk-tionsflusses zu untersuchen Wenn Unregelmaumlszligigkeiten auffielen wurde eine Empfehlung mit Verbesserungsvorschlaumlgen an den jeweiligen Standortleiter kommuniziert
Das Management-Commitment Es wurde Wert darauf gelegt dass Vareille und Merel mindestens ein Mal im Jahr jeden der 24 Produktionsstandorte besuchten um die Wichtig-keit der Transformation zu bekraumlftigen Gemeinsam mit den Mitarbeitern vor Ort identi-fizierten und eliminierten die obersten Manager des Unternehmens nichtwertschoumlpfende Taumltigkeiten Das Signal dass Vareille die Initiative nicht nur aus seinem Buumlro anleitete sondern sie eigenstaumlndig auch in der Fertigungshalle umsetzte verfehlte seine Wirkung keineswegs
Das Lean-Learning Zum einen gab es vierteljaumlhrlich stattfindende Meetings uumlber zwei Tage in denen die Mitarbeiter voneinander lernen sollten An allen Standorten der FCI-Gruppe wurden so Erfolgserlebnisse und Lean-Erfahrungen ausgetauscht Zum anderen wurde bereits im September 2008 eine bdquoLean-Schuleldquo in Singapur eingefuumlhrt Merel ver-pflichtete sich seiner neuen Verantwortung und zog dafuumlr sogar in den asiatischen Stadt-staat Die Schulung zum Lean-Manager erfolgte in drei Bloumlcken mit jeweils drei Tagen Die praktische Umsetzung der erlernten Theorie war gewaumlhrleistet da zwischen den drei Bloumlcken jeweils ein Lean-Projekt unmittelbar umgesetzt werden musste ndash die Ergebnisse wurden am letzten Schulungstag dem CEO des Unternehmens praumlsentiert
Die Fortschrittskontrolle Zu seinem Erstaunen stellte Vareille fest dass trotz einer zentralisierten Struktur des franzoumlsischen Unternehmens jeder Produktionsstandort unter-schiedliche Berichtswesen hatte und die Erfolgsgradmesser durch die Erfahrungen und die Visionen des jeweiligen Standortverantwortlichen beeinflusst waren So war es unum-gaumlnglich ein einheitliches Set bestehend aus KPIs Zielvereinbarungen und Messbasen zu formulieren um kulturelle Veraumlnderungen zu erreichen
Ein Beispiel Fuumlr den zuvor erlaumluterten 5 Vorstoszlig der Initiative ndash den Mitarbeiterfokus ndash wurde bdquoSicherheitldquo (Anzahl der Unfaumllle) als KPI erster Ordnung definiert Vareille war uumlberrascht dass bezuumlglich der Unfaumllle keine Kennzahl am Produktionsstandort festgehal-ten wurde Gemaumlszlig seiner Erfahrung war eine solche Kennzahl ein klares Indiz dafuumlr ob ein Standort gut organisiert war Mit der Priorisierung des Sicherheitsaspektes machte er der Belegschaft deutlich wie wertvoll jeder einzelne fuumlr das Wohl des Unternehmens war
Fuumlr den KPI bdquoSicherheitldquo wurde in der Folge gemeinsam eine klare Zielsetzung verein-bart ndash z B dass die Anzahl der Unfaumllle in einem Jahr um 75 reduziert werden sollte Vareille definierte zusaumltzlich KPIs zweiter Ordnung um nachzuvollziehen welche Pro-zesse die Kennzahl bdquoSicherheitldquo beeinflussten So wurden auch das Vorschlagswesen fuumlr
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Verbesserungen der Sicherheit Arbeitsversaumlumnisse die Einhaltung von Verhaltensregeln und die personelle Fluktuation festgehalten
Der Schluumlssel zum Erfolg liegt demnach nicht in dem Wissen wie groszlig die Spitze des Eisberges ist (1 KPI Anzahl der Unfaumllle) sondern wie groszlig der Umfang des Eisberges unter Wasser ist (2 KPI Prozesse die Unfaumllle verursachen) Dafuumlr mussten derartige bdquoverdeckteldquo Prozesse systematisch evaluiert werden ndash nur so konnte schlieszliglich die bdquoSi-cherheitldquo verbessert werden
Jeden Monat wurden die KPIs im Analyse-Center in Indien auf den aktuellsten Stand gebracht Die Daten wurden in der Folge von Merel und Vareille genauer untersucht hin-terfragt und moumlgliche Maszlignahmen zeitnah abgeleitet Fuumlr den CEO der FCI-Gruppe war dabei nicht der tatsaumlchliche Wert sondern die Entwicklung der Kennzahlen von Bedeu-tung Standorte die mit Schwierigkeiten zu kaumlmpfen hatten fielen so schnell auf und konnten zielgerichtet unterstuumltzt werden Diese Unterstuumltzung wie auch die grundlegende Vermittlung des Lean-Ansatzes wurde in Form von Workshops durchgefuumlhrt
Zwei der wesentlichen Bestandteile dieser Workshops sollen im Folgenden dargestellt werden
1 SMED (Single Minute Exchange of Die) Dieses Vorgehen auf das bereits in Abschn 2344 eingegangen wurde beschreibt einen systematischen Lean-Ansatz wie man den Kunden mit Lieferungen zur richtigen Zeit zufriedenstellen kann Dabei geht es nicht darum besonders viele Materialien auf Lager zu haben um auf jedwede Anfrage reagieren zu koumlnnen ndash im Gegenteil ndash Bestaumlnde sind das bdquoFeindbildldquo dieses Ansatzes Ein SMED-Workshop bei FCI zielt darauf ab die Ruumlstzeit und somit die Anzahl der Umruumlstungen deutlich zu reduzieren und zu standardisieren ndash der Ferti-gungsfluss soll nicht gestoumlrt werden Als besonders wichtig hebt Merel die richtige Nutzung der eingesparten Zeit hervor Die Einsparungen koumlnnen zum Teil enorm sein ndash bei einem Produkt von FCI beispielsweise wurde die Ruumlstzeit von 210 min auf 10 min reduziert Dies entspricht einer Reduktion von uumlber 95 und macht das Potenzial die-ser Vorgehensweise zur Steigerung der Produktivitaumlt deutlich Kennzahlen um SMED zu nutzen waren nicht im Fertigungsprozess sondern auch bei Dienstleistungen des Unternehmens zu finden Um die Auswirkung von SMED auf den Kunden-Service festzuhalten definierte Merel die Anzahl der verspaumlteten Lieferungen an den Kunden als Kennzahl
2 QRQC (Quick Response Quality Control) Dieser Ansatz zur Qualitaumltsverbesserung konzentriert sich auf immer wiederkehrende Probleme waumlhrend des Produktionspro-zesses Die Beteiligten werden darin trainiert unverzuumlglich den Fertigungsbereich in dem das Problem aufgetreten ist aufzusuchen ndash so wie die Polizei unmittelbar den Ort eines Verbrechens aufsucht Das Problem wird demnach direkt am Arbeitsplatz mit einer unmittelbar eingeleiteten Gegenmaszlignahme angegangen Damit die tatsaumlchliche Ursache des Problems identifiziert werden kann werden die jeweiligen Mitarbeiter an Ort und Stelle befragt ndash so gehen essenzielle Informationen fuumlr eine Loumlsung des Prob-lems nicht verloren Mithilfe von fruumlheren Daten (das Problem ist in der Vergangenheit
11132 Lean Management bei der FCI-Gruppe
schon oumlfters aufgetreten) logischem Denken und einer kreativen Umsetzung der neu entwickelten Loumlsungsvorschlaumlge wurden so bei FCI etliche bdquoTask Forceldquo installiert die auftretende Probleme pragmatisch loumlsten und so Ausschuss reduzierten den jeweiligen Prozess stabilisierten und den Materialfluss regelten Die Verbesserungen wurden dabei unmittelbar von den Mitarbeitern eingebracht und nicht vom Topmanagement diktiert Dies entspricht nicht nur dem Ansatz des Mitarbeiterfokus im Rahmen der Lean Trans-formation des franzoumlsischen Steckverbinderherstellers sondern auch dem urspruumlng-lichen im Hause Toyota entwickelten Ideal der Lean-Philosophie ndash bei Toyota wurde unter bdquoUnternehmerfamilieldquo auch die Belegschaft verstanden
324 Zwischenergebnis
Zum Beginn des Jahres 2009 ndash nahezu zeitgleich mit dem Start der Lean-Initiative ndash wirk-ten sich die ersten spuumlrbaren finanziellen Erdstoumlszlige der Finanzkrise auch auf das franzoumlsi-sche Unternehmen aus Dies konfrontierte die Unternehmensfuumlhrung unweigerlich mit der Frage inwieweit es sinnvoll sei den angestoszligenen Strategieplan mit seinen fuumlnf Kernele-menten (Kundenfokus Zuliefererfokus Lean-Fokus in FampE Lean-Fokus in der Produk-tion und Mitarbeiterfokus) weiter zu verfolgen Obwohl die Initiative von Beginn an unter erschwerten Bedingungen gestartet worden war und eine Erholung der Wirtschaftslage nicht in Aussicht war bekraumlftigte Vareille sein Engagement bdquoNichts veraumlndert sich Wir werden die Lean-Implementierung fortsetzen Lean wird am Ende nicht nur unsere Mit-arbeiter und unsere Kunden gluumlcklicher machen ndash im Ergebnis werden wir mit Lean den Unternehmenswert deutlich steigernldquo (Laumuno und Yuumlcesan 2012)
Dies war keine leere Worthuumllse sondern ein klares Bekenntnis ndash ein Bekenntnis auch im Hinblick auf finanzielle Investitionen Wo alle anderen Budgets eingefroren wurden blieben die Etats fuumlr die Lean-Initiative unveraumlndert Dies galt besonders fuumlr die Reise-kosten der Beteiligten fuumlr Reisen zu Workshops Lean-Fortbildungen oder regelmaumlszligigen Besuchen der Produktionsstandorte zur Fortschrittskontrolle Die Mitarbeiter vernahmen dieses klare Signal im ersten Jahr der Transformation ndash Lean war bei FCI kein Strohfeuer sondern eine langfristige Anstrengung um nachhaltige Ergebnisse zu erzielen
Im Dezember 2010 konnte Merel die Ergebnisse der vergangenen drei Jahre praumlsentie-ren Es zeichnete sich trotz der bereits erwaumlhnten schwierigen Rahmenbedingungen ein positives Bild
Kundenfokus Es war das Ziel gewesen die Beziehung zum Kunden durch keiner-lei Komplikationen zu beeintraumlchtigen bdquoMacht es unserem Kunden einfachldquo lautete das Motto Tatsaumlchlich konnten die verspaumlteten Lieferungen an Kunden von 2008 bis Ende 2010 um 43 reduziert werden Die Zielmarke von 50 wurde damit nur knapp ver-passt ndash dies sollte sich bei der Reduzierung der Kundenbeschwerden aumlndern Innerhalb von zwei Jahren konsequenter Methodenentfaltung des Lean Managements verringerte sich die Anzahl der unzufriedenen Kunden um 61 ndash die Zielmarke 50 wurde deutlich uumlberschritten
112 3 Praxiserfahrung mit Operational Excellence
Zuliefererfokus Die Zulieferer mit in den Wandel einzubeziehen bedeutete auch sich von manchen zu trennen Die Anzahl der Zulieferer nahm um 18 ab ndash von 1083 auf 888 Dies geschah ohne nennenswerte Konsequenzen denn der Absatz verbesserte sich um 18 genauso wie die Rentabilitaumlt ndash das EBITDA stieg im gleichen Zeitraum um 8
Lean-Fokus in der Wertschoumlpfung (FampE und Produktion) Vareille und Merel waren von dem Weg uumlberzeugt operationale Exzellenz durch kontinuierliche Verbesserung zu erreichen Sie setzten sich ehrgeizige Ziele So reduzierte die Umgestaltung zu einer schlanken Produktion u a die Durchlaufzeit um 40 (Ziel 50 ) und die Arbeitskosten um 12 (Ziel 25 ) Kaizen-Workshops in Singapur die unternehmensweite Anwendung von Jidoka ein bdquoflieszligenderldquo Produktionsfluss entlang sauberer und uumlbersichtlicher Ferti-gungsbereiche (durch die 5S) in allen 24 Produktionsstaumltten und standardisierte Arbeits-schritte auch in produktionsfernen Bereichen wie im Human-Resource-Management hinterlieszligen nicht nur in der Bilanz des Jahres 2010 erste Fuszligspuren sondern auch in den Koumlpfen der Mitarbeiter ndash bdquoLean wird mittlerweile als Teil der FCI-Kultur aufgefasstldquo (Laumuno und Yuumlcesan 2012)
Mitarbeiterfokus Vareille verstand unter Lean Management eine Gruppenanstrengung Er baute von Anfang an auf die Faumlhigkeiten seiner Mitarbeiter lieszlig sie ohne an dieser Stelle zu sparen gezielt und umfassend schulen ndash obwohl er den Druck der Finanzmaumlrkte im Nacken spuumlrte ndash und legte groszligen Wert auf ihre Sicherheit Im Ergebnis reduzierte er so die Anzahl der Unfaumllle um 80 und uumlbertraf damit die Zielsetzung von 75
Fuumlr die zwei Initiatoren der Initiative war klar dass sie an den richtigen Stellschrauben drehten ndash mit frischem Wind ging es in das Jahr 2011 Klar war dabei aber auch dass der Weg nicht leichter werden wuumlrde ndash bdquodie Parameter der Gleichung die wir mit Lean zu loumlsen versuchen aumlndern sich staumlndigldquo (Laumuno und Yuumlcesan 2012)
325 Fazit
Einer der nicht zu bestimmenden Parameter war die Eigentuumlmerkonstellation der FCI-Gruppe bedingt durch den Finanzinvestor Bain Capital Dieser hielt seine Investments erfahrungsgemaumlszlig zwischen drei bis fuumlnf Jahren bevor sie veraumluszligert wurden Nachdem FCI 2005 von Bain Capital aufgekauft worden war bestand die Unternehmensgruppe 2010 aus einer Automobil- Elektronik- und Mikroverbindungsparte ndash bereits Ende 2007 bevor Vareille zunaumlchst die Position des COO bei FCI uumlbernahm war eine vierte Sparte verkauft worden Der durch 14000 Mitarbeiter erwirtschaftete Gesamtumsatz der FCI-Gruppe im Jahr 2010 teilte sich auf die Automobilsparte (45 = 585 Mio euro) Elektronik-sparte (39 = 507 Mio euro) und Mikroverbindungssparte (16 = 208 Mio euro) auf Vareille vermutete schon Mitte 2011 dass es zeitnah zu einem Unternehmensverkauf kommen wuumlrde ndash dies lag zum einen daran dass bereits im Februar 2011 das Geruumlcht in der Finanz-welt kursierte Bain Capital ziehe sich aus der FCI-Gruppe zuruumlck Zum anderen lieszlig sich festhalten dass die von ihm initiierte Lean-Initiative den Wert der Gruppe fast verdoppelt hatte ndash ein Verkauf war fuumlr Bain Capital demnach interessant
113
Im Oktober 2011 war es soweit Astorg Partners ein franzoumlsischer Investor erwarb die 670 Mitarbeiter starke Mikroverbindungssparte FCI Microconnections fuumlr rund 650 Mio euro von Bain Capital Dann nach etwas mehr als drei Jahren an der Unterneh-mensspitze verabschiedete sich Vareille im Februar 2012 und begann im Maumlrz 2012 seine Taumltigkeit als CEO fuumlr Constellium ndash ein weltweit fuumlhrendes Unternehmen in der Alumi-niumherstellung mit Hauptsitz in Paris Sein alter Arbeitgeber wurde im Mai 2012 weiter zerschlagen Fuumlr rund 765 Mio euro wurde die Automobilsparte von FCI an den amerika-nischen Automobilzulieferer Delphi verkauft Im September des gleichen Jahres verlieszlig Merel die nun zersplitterte FCI-Gruppe und folgte ein weiteres Mal seinem alten Weg-gefaumlhrten ndash als bdquoCorporate Vice President EHS (Environment Health and Safety) and Lean Transformationldquo begann er bei Constellium in Paris Seine Jobbeschreibung gleicht die der letzten und beinhaltet die auf der Welt verteilten 22 Produktionsstandorte von Constellium mithilfe einer Lean-Transformation zu operationaler Exzellenz zu fuumlhren Die fruumlhere FCI-Gruppe nunmehr FCI Electronics genannt generiert einen Umsatz von rund 470 Mio euro mit 6680 Mitarbeitern
Der Lean-Ansatz profitiert von seiner klaren Struktur der Anwendbarkeit fuumlr jeden Prozess der Wertschoumlpfung und den im Vergleich zu anderen strategischen Management-methoden geringen Investitionskosten ndash das Risiko bleibt uumlberschaubar ndash wie auch bei FCI Unter dem Strich ist die Lean-Implementierung beim franzoumlsischen Steckverbinder-hersteller als erfolgreich zu bewerten Vareille und Merel gelang es aufgrund ihrer Er-fahrung in kuumlrzester Zeit sowohl messbare als auch spuumlrbare Verbesserungen zu erzielen die den Unternehmenswert erheblich steigerten Die geschilderten Ereignisse aus dem Jahr 2012 und die Realitaumlten des Geschaumlftsmodells eines Private-Equity-Unternehmens erhaumlrten dagegen den Verdacht dass dieses Engagement von vorne herein nicht auf eine nachhaltige Implementierung einer Kultur der kontinuierlichen Verbesserung abzielte Es waumlre an dieser Stelle weder zielfuumlhrend noch gewinnbringend uumlber die Sinnhaftigkeit dieses strategischen Vorgehens zu diskutieren oder abzuschaumltzen wie viel Profit Bain Ca-pital mit der Zerschlagung der franzoumlsischen Unternehmensgruppe FCI schlussendlich generieren konnte
Als Tatsache ist aber festzuhalten dass wenn Lean an den Beduumlrfnissen des Unter-nehmens ausgerichtet angemessen und konsequent umgesetzt wird die Hebelwirkung erstaunlich ist ndash selbst dann wenn man der Initiative nur drei Jahre Zeit gibt sich zu entfalten Um zur vollen Entfaltung zu kommen benoumltigt die Transformation zumindest eine langfristige Perspektive einen Initiator aus der Unternehmensfuumlhrung der sich nach-haltigen Zielen verpflichtet und ein durchdachtes Team-Setup ausgestattet mit viel Pra-xiserfahrung Auch wenn der letztgenannte Aspekt im Hause FCI mittlerweile vielleicht gegeben ist die zwei Treiber der Initiative haben das Unternehmen verlassen Am Man-gel der langfristigen Perspektive und des Initiators an der Unternehmensspitze besteht also kein Zweifel Demnach liegt die Vermutung nahe dass die Lean-Initiative im zuletzt noch uumlbrig gebliebenen Unternehmen FCI Electronics im Sande verlaufen wird ndash sofern dies nicht ohnehin schon geschehen ist Die zuvor aufgegriffene Aussage dass Lean zum Ende des zweiten Jahres der Initiative bereits als Teil der FCI-Kultur aufgefasst wurde
32 Lean Management bei der FCI-Gruppe
114 3 Praxiserfahrung mit Operational Excellence
ist fraglich Sind zwei Jahre ausreichend um die Kultur eines international positionierten Produktionsunternehmens mit Standorten in Amerika Europa und Asien neu zu formen Wenn die Leistungsphilosophie von Lean demnach noch nicht in die DNA des Unter-nehmens uumlbergegangen ist wiegt der fruumlhe Verlust der beiden Initiatoren und das Nicht-existieren einer langfristigen Perspektive schwer ndash FCI ist gerade mal den ersten Schritt erfolgreich gegangen ndash dann wurde der Initiative die Luft zum Atmen genommen
33 Six Sigma bei Maple Leaf Foods
Eine Uumlbersicht uumlber Six Sigma bei Maple Leaf Foods gibt Abb 33
331 Unternehmensprofil
Maple Leaf Foods (MLF) ist ein fuumlhrender und global agierender Lebensmittelherstel-ler aus dem kanadischen Toronto der 1990 aus dem Zusammenschluss von Maple Leaf Mills Limited und Canada Packers entstand4 1995 wurde das Unternehmen von Wallace McCain einem erfolgreichen kanadischen Geschaumlftsmann und einer Investorengruppe der Ontario Teachers Pension Plan gekauft Heute haumllt die Familie McCain deren Sohn Michael McCain CEO ist uumlber 30 an MLF Die Art und Weise der Fuumlhrung und Unter-nehmensideale die Michael McCain von seinem mittlerweile verstorbenen Vater uumlber-nommen hat und das Unternehmen erfolgreich machten erinnern an die Fuszligspuren die Familienunternehmer des Schlages Reinhold Wuumlrth Reinhard Mohn Guumlnther Fielmann oder Otto Beisheim hinterlassen haben Er sieht seine Taumltigkeit nicht als normalen Job sondern als unbefristetes Engagement fuumlr das langfristige Wohl des Unternehmens Diese Botschaft ist keine leere Worthuumllse sondern laumlsst einen roten Faden erkennen der sich durch jede Personalentscheidung Kundenbeziehung und Unternehmensakquise zieht Das Unternehmen zaumlhlt heute knapp 20000 Mitarbeiter und machte nach harten Ruumlck-schlaumlgen in der Wirtschaftskrise bei einem Umsatz von 49 Mrd Kanadischen Dollar einen Gewinn von 82 Mio Kanadischen Dollar Seit Mai 1996 wird MLF an der bdquoToronto Stock Exchangeldquo (TSX) gefuumlhrt
4 Die aufgefuumlhrten Informationen gehen zu einem groszligen Teil auf die von Mark und Golden (2003) erstellte Fallstudie bdquoMaple Leaf Foods Leading Six Sigma Changeldquo an der Richard Ivey School of Business in Ontario zuruumlck Zielgerichtete Onlinerecherchen vervollstaumlndigen das Bild aus heutiger Sicht
11533 Six Sigma bei Maple Leaf Foods
332 Ausgangslage
Zum Zeitpunkt der Six-Sigma-Einfuumlhrung beschaumlftigte das Unternehmen 12000 Mit-arbeiter und operierte mit elf unabhaumlngigen Toumlchtern (IOC ndash Akronym fuumlr Independent Operating Company) in Kanada den Vereinigten Staaten von Amerika in Europa und
rasantes Wachstum durch globale Akquisitionen verschaumlrfte das Wettbewerbsumfeld
Gesucht war eine Strategie wie man Wettbewerbsvorteile nachhaltig gewinnen kann
Ziel war kein Kosten-senkungsprogramm (Organisation war bdquokerngesund ldquo) sondern eine Qualitaumlts -verbesserungsinitiative
Etablierung von Six Sigma als unternehmensweite Initiative zur kontinuier -lichen Qualitaumlts-verbesserung aller Geschaumlftsprozesse
Im Mittelpunkt standen die langfristige Ausrichtung der Initiative (besonders durch Six Sigmas bdquomethodischen fitldquo fuumlr ein produzierendes Unternehmen) und das Wohl der Mitarbeiter(zB Ausbildung von Faumlhigkeiten)
Allein 2004 uumlberstieg der Benefit (80 Mio US-$) die Kosten fuumlr die Six-Sigma-Implementierung(13 Mio US-$)
Gewinn an Attraktivitaumltam Arbeitsmarkt (3000 Bewerber auf 33 Black-Belt-Positionen)
160 Six-Sigma-Vollzeit-kraumlfte und uumlber 85 Six-Sigma-Alumni in Fuumlhrungspositionen sind heute aktiv
bdquoKrieg gegen Fehlerldquoist Teil der Unter-nehmenskultur
Branche Nahrungsmittel Sitz Toronto (CDN)
Maple Leaf Foods Inc
Was ist das Problem Was ist das Loumlsungskonzept Was ist der Effekt
zu dieser langfristigen Perspektive passte die Art und Weise wie Michael McCain als Miteigentuumlmer das Unternehmen anfuumlhrte Die daraus resultierenden fuumlr Familienunternehmen typischen Merkmale wurden besonders darin deutlich dass nicht der kurzfristige Profit sondern das nachhaltige Bestehen eines gesunden Unternehmens am Markt im Fokus steht So nannteer Six Sigma eine bdquopersoumlnliche Lebensentscheidungldquound machte durch Aussagen wie bdquoDas ist fuumlr uns nicht irgendein Job ndash wir sind auf lange Sicht hierldquo seine Uumlberzeugung deutlich
Auszug
Abb 33 Six Sigma bei Maple Leaf Foods
116 3 Praxiserfahrung mit Operational Excellence
Asien Die bekanntesten dieser elf Unternehmen waren Maple Leaf Pork Maple Leaf Poultry Canada Bread Maple Leaf Consumer Foods Shur-Gain und Landmark Im Jahr 2000 stieg der Umsatz von 35 Mrd Kanadischen Dollar auf 4 Mrd Kanadische Dollar Dagegen rutschte der Reingewinn von 147 Mio Kanadischen Dollar auf 90 Mio Kana-dische Dollar ab Dieser Gewinneinbruch war aufgrund von drastisch gestiegenen Kosten in der Schweinezucht und der umfangreichen Investitionen in den Aufbau Kanadas groumlszlig-ter Schweinefleischverarbeitungsanlage absehbar Schon fuumlr die naumlchsten Jahreszahlen in 2001 wurden deutlich bessere Ergebnisse erwartet da das Unternehmen abgesehen von den angesprochenen finanziellen Irritationen gesund aufgestellt war
Um darzulegen was letztendlich zu der Implementierung von Six Sigma fuumlhrte gilt es ein Stuumlck weiter auszuholen Zunaumlchst ist zu beachten dass Six Sigma seit 1996 ndash das Jahr der bekanntesten Six-Sigma-Implementierung durch Jack Welch bei GE ndash schnell an Popularitaumlt gewann Motorola und Allied Signal waren weitere Erfolgsbeispiele und lieszligen damals auch den CEO von MLF Michael McCain aufhorchen Er verfolgte dabei aufmerksam den sozialen Aufstieg von Jack Welch ndash erste Uumlberlegungen Six Sigma auch bei MLF einzufuumlhren wurden aufgrund von fehlenden internen Ressourcen verworfen Dies sollte sich aumlndern als McCain die Bekanntschaft mit Bruce Miyashita machte ndash einem ehemaligen McKinsey Berater der als Vice President of Six Sigma bei Bombardier einem der groumlszligten Flugzeughersteller der Welt taumltig war Nach ersten Gespraumlchen war klar dass die Chemie der beiden nicht nur auf fachlicher sondern auch auf persoumlnlicher Ebene stimmte ndash eine Zusammenarbeit wurde in Angriff genommen Ruumlckblickend fuumlhren beide die folgenden Gruumlnde fuumlr die Umsetzung der Methodik auf
1 Das Unternehmen sah sich aufgrund umfangreicher Akquisitionen in der Vergangen-heit einem immer intensiveren und diversifizierteren Wettbewerb gegenuumlber Es war also essenziell sich langfristig einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen Der konti-nuierliche Verbesserungsansatz von Six Sigma der dies in Aussicht stellt und umfas-send und auf lange Sicht hin die Arbeitsweise in einem Unternehmen positiv veraumlndern kann erschien fuumlr McCain passend
2 Zu dieser langfristigen Perspektive passte die Art und Weise wie McCain als Miteigen-tuumlmer das Unternehmen anfuumlhrte Die daraus resultierenden familienunternehmertypi-schen Merkmale wurden besonders darin deutlich dass nicht der kurzfristige Profit sondern das nachhaltige Bestehen eines gesunden Unternehmens am Markt im Fokus steht So nannte er Six Sigma eine bdquopersoumlnliche Lebensentscheidungldquo und macht durch Aussagen wie bdquoDas ist fuumlr uns nicht irgendein Job ndash wir sind auf lange Sicht hierldquo seine Uumlberzeugung deutlich (Mark und Golden 2003 S 14)
3 Drittens wurde der Mitarbeiter als ein fester Bestandteil des Unternehmenserfolges angesehen Die Entwicklung seiner Mitarbeiter lag McCain am Herzen ndash dies praumlgte nicht nur die Unternehmenskultur sondern erklaumlrt auch die Entscheidung fuumlr Six Sigma In der Infrastruktur der Belt-Ausbildungen sah er eine wirkungsvolle und sys-tematische Vorgehensweise um die fachliche und soziale Kompetenz der Belegschaft auszubauen
11733 Six Sigma bei Maple Leaf Foods
4 McCain war vom methodischen Ansatz begeistert Er war der Ansicht dass Six Sigma durch die Umsetzung eines kontinuierlichen und datenbasierten Ansatzes fuumlr saumlmtliche Geschaumlftsprozesse gut zu einem Groszligunternehmen aus dem produzierenden Gewerbe passt welches zusaumltzlich in stark unterschiedlichen Geschaumlftsbereichen operiert
5 Das Gebot der kontinuierlichen Verbesserung gehoumlrte schon vor Six Sigma zum Werte-kanon uumlber den sich MLF identifizierte5 McCain beabsichtigte die Bedeutung dieses Wertes durch einen systematischen Ansatz auszubauen ndash er war optimistisch dass die kontinuierliche Verbesserung mehr und mehr zu einem festen Bestandteil der Unterneh-mens-DNA werden wuumlrde Dabei kam es ihm nicht darauf an ob es in einem Projekt um die Prozessschritte in der Speckherstellung oder um die Serviceleistung gegenuumlber japanischen Kunden ging ndash er vertrat die Einstellung dass jeder Prozess verbesserungs-wuumlrdig sei Six Sigma bezeichnete er in diesem Zusammenhang nicht als etwas Ein-maliges sondern als Reise die erhebliche Auswirkungen auf die Struktur und Stabilitaumlt des Unternehmens hat
Es gilt festzuhalten dass der kanadische Lebensmittelhersteller zum Ende der 1990er-Jahre wirtschaftlich gut positioniert war Six Sigma wurde demnach nicht als temporaumlre Restrukturierungsmaszlignahme sondern als Qualitaumltsverbesserungskonzept eingefuumlhrt wel-ches sich nachhaltig in der Kultur des Unternehmens manifestieren sollte Die persoumlnliche Uumlberzeugung von McCain die anspruchsvollen Akquisitionen in der Vergangenheit fa-milienunternehmenstypische Eigenschaften ndash wie der unternehmerische Weitblick und die persoumlnliche Entwicklung der Mitarbeiter ndash und der Fit zwischen Methodik und Unterneh-men ndash hinsichtlich des Geschaumlftsmodells und den Wertvorstellungen ndash waren die Gruumlnde fuumlr die Six-Sigma-Implementierung
333 Die Initiative
Damit Bruce Miyashita die Implementierung bei MLF als Vice President von Six Sigma federfuumlhrend begleiten konnte wurde er zunaumlchst von Bombardier abgeworben Gleich-zeitig waren er und McCain darauf bedacht dass die Initiative nicht nur mit Miyashitas Namen in Verbindung gebracht wird damit jeder Mitarbeiter sich mit dem Vorhaben iden-tifiziert um eine nachhaltige Verinnerlichung der Methodik zu ermoumlglichen
Der Startschuss der Initiative fiel im Juli 1999 auffaumlllig leise In einem Newsletter an die Mitarbeiter wurde die Einstellung und die Ernennung von Miyashita zum bdquoVizepraumlsi-denten von Six Sigmaldquo verkuumlndet Mit Absicht beschraumlnkte sich die Kommunikation des Vorhabens auf die eher unauffaumlllige Personalentscheidung damit in den folgenden sechs Monaten die monumentale Veraumlnderung sorgfaumlltig eingeleitet werden konnte Als positi-
5 So wurden als Disclaimer der strategischen Prinzipien des Unternehmens bereits bdquoDo whatrsquos right Be performance driven Have a bias for action Continuously improve Be externally focused Dare to be transparentldquo kommuniziert
118 3 Praxiserfahrung mit Operational Excellence
ven Nebeneffekt hoben McCain und Miyashita die wachsende Neugier der Mitarbeiter-schaft an der fremden Begrifflichkeit bdquoSix Sigmaldquo hervor Keiner der Mitarbeiter konnte sich darunter etwas Konkretes vorstellen und es hob sich begrifflich von vergangenen teils gescheiterten strategischen Managementkonzepten ab Miyashita nutzte dieses Interesse am bdquoMysterium Six Sigmaldquo indem er zielgerichtet Unterlagen verteilte die Aufschluss daruumlber gaben was die Vision die Philosophie Ausbildungswege und andere Erfolgs-beispiele von Six Sigma charakterisierten ndash dieses Vorgehen glich einer aufwendigen aber notwendigen internen Verkaufskampagne Insbesondere Miyashitas Erfahrung riet von Anfang an zu einer gruumlndlichen Kommunikation So wurden Vorurteile und falsche Vorstellungen von Six Sigma explizit adressiert
Missverstaumlndnisse bezuumlglich Six Sigmabull Six Sigma funktioniert nur in der Fertigung Die Six-Sigma-Methodik eig-
net sich fuumlr viele Geschaumlftsprozesse Ob eine Fabrik Schiffszubehoumlr aus Metall herstellt ob fluumlssiger Zellstoffbrei zu Papier umgewandelt wird oder ob Schwei-nefleisch zu einem Stuumlck Filet verarbeitet wird spielt dabei keine Rolle Die-ser Ansatz hat seine Einsatzfaumlhigkeit zusaumltzlich auch bei Geschaumlftsprozessen auszligerhalb einer Fertigungsanlage bewiesen Sei es in typischen Dienstleis-tungssektoren wie der Versicherungs- oder Finanzbranche oder in oumlffentlichen Verwaltungen
bull Six-Sigma-Qualitaumlt kostet zu viel Weit verbreitet ist das Geruumlcht dass 4-Sig-ma-Qualitaumlt (6210 Fehler bei 1 Mio Fehlermoumlglichkeiten) das Optimum sei Demnach nehme Grenznutzen der Qualitaumltssteigerungsaktivitaumlten ab 4 Sigma ab Dies entspricht nur dann der Realitaumlt wenn die Fehler reaktiv also durch Ins-pektionen behoben werden Six Sigma jedoch verfolgt einen proaktiven Ansatz ndash durch eine systematische Anwendung von Tools werden Fehler in der Wert-schoumlpfungskette erst gar nicht begangen Die Hebelwirkung ist enorm sodass die angefallenen Kosten sich nach kurzer Zeit rentieren Im Idealfall wird sich die Unternehmensfuumlhrung damit beschaumlftigen wie viel neues Personal fuumlr wert-schoumlpfende Taumltigkeiten eingestellt werden kann Damit ist es moumlglich dem zeit- und kostenintensiven Suchen und Loumlsen von Defekten einen entscheidenden Schritt voraus zu sein
bull 99-prozentige Qualitaumlt ist gut genug 99-prozentige Qualitaumlt entspricht einem Niveau von 38 Sigma Wenn man rund sieben Stunden im Monat ohne Elektrizi-taumlt auskommen muumlsste handelt es sich dabei um einen Sigma-Wert von 38 Mit einem Wert von 6 Sigma dagegen muss man nur auf sieben Sekunden Strom im Monat verzichten
bull Six Sigma ist nur TQM Der Ansatz des Total-Quality-Managements beinhaltet viele positive Aspekte Bei der Anwendung in der Praxis fehlt es haumlufig an drei wichtigen Dingen die Six Sigma explizit beruumlcksichtigt Erstens definiert sich beim TQM das Verstaumlndnis der bdquoQualitaumltldquo ausschlieszliglich uumlber den Mitarbeiter
11933 Six Sigma bei Maple Leaf Foods
Dies ist auch im Sinne von Six Sigma aber die Methodik geht einen weiteren Schritt und versteht solide faktenbasierte Ergebnisse als Grundlage fuumlr Quali-taumltsverbesserungen Das Ergebnis von Six Sigma soll sich zwangslaumlufig in der Bilanz niederschlagen Durch die Eliminierung von Fehlern soll Geld gespart werden Zweitens wurden die meisten TQM-Vorhaben nach unten delegiert ndash die Qualitaumlt so das Verstaumlndnis vieler Manager lag im Verantwortungsbereich der Fertigungsarbeiter Six Sigma dagegen zielt auf eine enge Verflechtung des ganzen Unternehmens ab ndash die Verantwortung fuumlr Inhalt Ausrichtung und Erfolg der Initiative und damit auch fuumlr die Qualitaumlt der Produkte befindet sich hierar-chisch ganz oben Drittens kann die Anwendung von Tools im TQM als beliebig beschrieben werden ndash Six Sigma etabliert eine methodische Systematik mit einer Bandbreite von grundlegenden bis hin zu anspruchsvollen Werkzeugen
bull Six Sigma handelt nur von statistisch-mathematischen Gleichungen Die Konzeption von Six Sigma ist sicherlich auf ein zahlen- daten- und faktenba-siertes Vorgehen zuruumlckzufuumlhren Dennoch liegt die groumlszligte Herausforderung im Umgang mit Veraumlnderungen und einem aufgeschlossenen Fuumlhrungsstil Six Sigma eliminiert Fehler ndash doch dafuumlr muumlssen diese zunaumlchst gefunden werden Dies funktioniert nur wenn gewohnte Verhaltensweisen und verinnerlichte Denk-weisen infrage gestellt werden Das ist nicht einfach Der Anspruch kontinuierli-cher Verbesserung fordert die Veraumlnderungsbereitschaft eines jeden Mitarbeiters (dazu gehoumlren auch die Manager) heraus denn dieser muss neue Arbeitsweisen lernen und ungewohnte Aufgaben uumlbernehmen Ferner wird Six Sigma nur zu einer strategischen Verbesserung im Wettbewerb wenn die Unternehmensfuumlh-rung die Initiative nicht nur managt sondern anfuumlhrt
bull Six Sigma setzt perfekte Menschen voraus Nicht nur ein von Maschinen gesteuerter sondern auch ein personalintensiver Prozess kann 6-Sigma-Niveau erreichen Dies ist zum einen moumlglich da Six Sigma sich auf den Prozess und nicht die involvierte Persoumlnlichkeit konzentriert Mit Werkzeugen und Techni-ken wird das Verstaumlndnis des Prozesses sichergestellt um im naumlchsten Schritt das Auftreten von Fehlern unmoumlglich zu machen Zum anderen wird viel Auf-wand betrieben um die kritischen Beduumlrfnisse des Kunden zu evaluieren und zu quantifizieren Viele Fehler sind darauf zuruumlckzufuumlhren dass Kundenbeduumlrfnisse falsch eingeschaumltzt werden Ein entdeckter Fehler muss demnach nicht zwangs-laumlufig ein Fehler sein ndash es kommt darauf an wie genau die Anforderungen des Kunden definiert sind
bull Six Sigma ist nur Kostenreduktion Richtig ist dass Six Sigma eindeutig auf die Verbesserung der finanziellen Performance abzielt Falsch ist dass diese Ver-besserung ausschlieszliglich durch Kostenersparnis erzielt wird Die Verbesserung wird durch die Reduzierung der Durchlaufzeit der Bestaumlnde der Reparaturen oder der Retourware erzielt Ferner wird sie durch gewonnene Marktanteile und
120 3 Praxiserfahrung mit Operational Excellence
Zur gleichen Zeit wurde in der Vorbereitung der Six-Sigma-Implementierung bei MLF ein Prozess eingefuumlhrt der die Veraumlnderungsbereitschaft der einzelnen IOC beurteilte Die Erfahrung von McCain und Miyashita riet ihnen dass sich ein Unternehmen fuumlr eine derartige monumentale Veraumlnderung wie sie Six Sigma zur Folge hat in einer soliden wirtschaftlichen Stabilitaumlt befinden sollte Zudem war die Reaktion der einzelnen Unter-nehmen auf McCains Vorhaben zuruumlckhaltend was ihn jedoch nicht uumlberraschte Er folgt dabei der Faustregel dass 20 der Betroffenen die Veraumlnderungen aktiv unterstuumltzen weitere 20 aktiv verweigern und die restlichen 60 passiven Widerstand ausuumlben Die schwierige Aufgabe der Initiativenleitung ist es die 60 die das Veraumlnderungsvorhaben im Verborgenen ablehnen oder erst einmal abwarten wollen (die sogenannten Zaungaumlste) zu uumlberzeugen Um dies zu erreichen erklaumlrte McCain nicht die Vielfalt der vermeint-lich trockenen Six-Sigma-Toolbox sondern entwickelte eine Vision fuumlr sein Konzept und demonstrierte persoumlnlichen Einsatz So lies er sich zum BB ausbilden und trainierte zu-kuumlnftige GB Fortschritte in der Initiative wurden von ihm unternehmensweit kommuni-ziert damit auch dem letzten Mitarbeiter die Bedeutung von Six Sigma bewusst wurde Seiner Einschaumltzung nach machte der Umgang mit Widerstand den Unterschied zwischen einem temporaumlren Management-Trend und einer langfristigen strategischen Neuausrich-tung aus Die Entschlossenheit seiner Personalpolitik folgt dieser Einstellung ndash Mitarbei-tern die sich nicht von Six Sigma uumlberzeugen lieszligen wurde nahe gelegt das Unternehmen zu verlassen Diese Konsequenz erinnert an die Radikalitaumlt mit der Jack Welch General Electric anfuumlhrte
bessere Produktqualitaumlt erzielt die sich wiederum positiv auf die Reputation der Marke auswirkt Unter dem Strich beabsichtigt Six Sigma Umsatzwachstum
bull Eine Six-Sigma-Initiative besteht nur aus punktuellen Projekten Die Lan-cierung einer Six-Sigma-Initiative garantiert keinen Erfolg Wenn die Six-Sig-ma-Implementierung bei der Unternehmensfuumlhrung nicht ganz oben auf der Agenda steht entspricht das Ergebnis tatsaumlchlich nur punktuellen Projektbemuuml-hungen Die Wirksamkeit ist dann stark eingeschraumlnkt Damit sich Six Sigma flaumlchendeckend auswirkt darf keine Diskrepanz zwischen der Philosophie von Six Sigma und dem Handeln der Unternehmensexekutive entstehen Nur wenn uumlber die gesamte Organisation hinweg die gewohnten Anwendungen Strategien und Verhaltensweisen infrage gestellt werden gelingt der entscheidende Schritt und die Umsetzung gleicht nicht einem Tropfen auf den heiszligen Stein
bull Six Sigma ist ein Programm Ein Programm beginnt und endet Six Sigma erfordert gewisse Rahmenbedingungen um zu starten ndash das Ergebnis ist jedoch eine nichtendende Verbesserungseinstellung Six Sigma soll nicht das initiierte bdquoneue Konzeptldquo sein sondern bdquodas ungeschriebene Gesetz nach dem im Unter-nehmen gearbeitet wirdldquo
12133 Six Sigma bei Maple Leaf Foods
Zur eigentlichen Implementierung kam es erst ein halbes Jahr nach der Einstellung von Miyashita als im Januar 2000 mit der methodischen Implementierung in zwei der elf IOCs begonnen wurde Die Initiatoren blieben damit ihrer Strategie einer schleichenden Umsetzung treu Zu diesem Zeitpunkt fanden auch die ersten Schulungen fuumlr BBs und GBs statt Die Partizipation an den verschiedenen Ausbildungen war freiwillig ndash McCain beabsichtigte damit besonders die intrinsisch motivierten Mitarbeiter fuumlr sein Unterfangen zu gewinnen da die Anforderungen an die zukuumlnftigen BB hoch waren Neben intellek-tuellen Faumlhigkeiten fachlicher Reife ndash aufbauend auf fuumlnf bis sechs Jahren Berufserfah-rung ndash und der Begeisterung fuumlr Prozessoptimierung musste der potenzielle BB ein Team-player mit ausreichend Menschenkenntnis und Selbstbewusstsein sein Die potenziellen BB unterschrieben fuumlr ein 25-taumlgiges Training und eine mindestens zwei Jahre andauernde Anstellung als BB im Unternehmen Die Kosten fuumlr einen BB wurden auf 140000 Kana-dische Dollar geschaumltzt und amortisierten sich innerhalb eines Jahres Bei 15 bis 2 durch-gefuumlhrten Projekten pro BB im Jahr ging man von einer Kosteneinsparung von 100000 Kanadischen Dollar pro Projekt aus
334 Zwischenergebnis
Die Ausrichtung der einzelnen Six-Sigma-Projekte war sehr unterschiedlich Von der Ent-wicklung eines neuen Bewerbungsprozesses fuumlr Nachwuchskraumlfte uumlber eine Standardi-sierung des Designprozesses fuumlr neue Produkte bis hin zur Untersuchung des Risikoma-nagements in der Finanzabteilung ndash die Projekte zeugten von einem flaumlchendeckenden Six Sigma Deployment Ausgehend von 14 BB in 2 IOC im Jahr 2000 wurde die Initiative bis ins Jahr 2005 auf 130 aktive BB in 10 IOC ausgebaut Allein im Jahr 2004 mit knapp 600 BB- und GB-Projekten uumlberstieg der Benefit von 80 Mio Kanadischen Dollar deutlich die Kosten von Six Sigma in Houmlhe von 13 Mio Kanadischen Dollar Positiv fiel vor allem der enorme Bewerbungsandrang fuumlr die BB-Ausbildungen ins Gewicht 3000 Bewerber auf 33 offene BB-Stellen waren ein deutliches Signal Nach fuumlnf Jahren methodischer Im-plementierung konnte die Initiative als erfolgreich bewertet werden Abgesehen von zahl-reich diagnostizierten und adressierten Qualitaumltsmaumlngeln und dem realisierten finanziellen Benefit erwies sich Six Sigma als positiver Einfluss auf die Attraktivitaumlt des Unterneh-mens am Arbeitsmarkt MLF konnte dort bei jungen Leuten mit einem bunten Blumen-strauszlig an Argumenten trumpfen (hohe Frequenz an internationalen Projekten schnelle Aufstiegsmoumlglichkeiten mit viel Verantwortung und exzellente Weiterbildung) und einen zwischenzeitlichen Mangel an weiblichen BB beheben
122 3 Praxiserfahrung mit Operational Excellence
335 Fazit
Aus heutiger Sicht laumlsst sich eindeutig eine positive Bilanz ziehen ndash Maple Leaf Foods hat die in den letzten 13 Jahren mit einer Six-Sigma-Implementierung einhergehenden Herausforderungen erfolgreich gemeistert
Unter diese Herausforderungen fiel vor allem der Umgang mit Widerstand Dieser geht in der Regel auf individuelle Emotionen und nicht auf stichhaltige Argumente zuruumlck wodurch besonders die sozialen Kompetenzen der BB gefordert waren Der Mensch steht Veraumlnderungen sobald er selbst davon betroffen ist skeptisch gegenuumlber ndash natuumlrlich auch bei MLF Gemaumlszlig McCain versuchten einige Mitarbeiter ihren Kopf in den Sand zu stecken und abzuwarten bis der Kelch auch dieses Managementkonzeptes an ihnen voruumlbergegan-gen war In der Zwischenzeit diffamierten sie das Ziel von 34 Fehlern in einer Mio Feh-lermoumlglichkeiten als Utopie ndash diese Ansicht aumlnderte sich oft erst wenn einer Zeuge eines Projekterfolges wurde Ab einem gewissen Zeitpunkt realisierte jeder dass der Vorstand und die Anteilseigner geschlossen hinter Six Sigma standen ndash es gab kein Ausweichen
Kritisch schien zusaumltzlich dass es manchen Werksleitern peinlich war Qualitaumltsproble-me aus ihrem Verantwortungsbereich (die bislang niemand bemerkt hatte) einzugestehen Anderen fiel es schwer sich von neuen GB oder BB Fehler in den Prozessen ihres Zustaumln-digkeitsbereiches zeigen zu lassen ndash die Rolle bdquodes Heldenldquo abzugeben war fuumlr sie un-gewohnt Derartige Eitelkeiten zeigten Miyashita dass das Veraumlnderungsvorhaben nicht ideal lanciert wurde Seiner Ansicht nach ist die Faumlhigkeit Erfolge zu teilen essenziell fuumlr den Erfolg der Initiative
Problematisch war auch die Auswirkung der Initiative auf die Arbeitsweise im Unter-nehmen Bislang herrschte bei MLF eine pragmatische Arbeitskultur bdquoErst machen ndash spauml-ter fragenldquo Mit Six Sigma fielen jedoch aufwendige Untersuchungen an bevor das Pro-blem beschrieben werden konnte geschweige denn geloumlst wurde Fuumlr viele Mitarbeiter wurde so die gewohnte Arbeitsweise verzerrt Die komplexen Anforderungen der statis-tisch-mathematischen Methodik kamen als zusaumltzliche ndash bisweilen uumlberfordernde ndash Her-ausforderung dazu
Prekaumlr waren die durch die verschiedenen Ausbildungsstufen verursachten Personal-rochaden Wenn ein GB die BB-Zertifizierung erhielt und dafuumlr in einem Projekt einer anderen IOC eingesetzt wurde musste zunaumlchst die Luumlcke die er hinterlieszlig geschlossen werden Haumlufig war die Gestaltung dieses Uumlbergangs aufgrund von fehlenden personellen Ressourcen nicht nahtlos moumlglich gewesen ndash fuumlr den entstehenden Engpass und die daraus resultierenden Schwierigkeiten wurde die Six-Sigma-Methodik verantwortlich gemacht McCain hebt deswegen die Anstrengung hervor mit dem entstehenden Aumlrger so umzuge-hen dass er keine bleibenden Schaumlden am Image des Veraumlnderungsvorhabens hinterlaumlsst Es gilt einzusehen und ehrlich zu kommunizieren dass Six Sigma den Alltag zunaumlchst nicht unbedingt einfacher macht
Trotz dieser starken Nachfrage nach Personal kam es anfangs wiederholt vor dass frisch ausgebildete und hochmotivierte Belts ihr theoretisches Wissen nicht direkt anschlieszligend mit Praxiserfahrung in einem Projekt anwenden konnten Es war offensichtlich dass ein
123
Zeitraum von fast zwoumllf Monaten zwischen der Ausbildung und dem ersten Projekt die Wirkungsfaumlhigkeit eines BB einschraumlnkte Erst im Laufe einiger Jahre pendelte sich diese Konstellation von Angebot und Nachfrage bei einem Gleichgewicht ein
Wie in der Ausgangslage schon erwaumlhnt war Six Sigma aus betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht dringend erforderlich fuumlr den Unternehmenserfolg von MLF Das Setzen eines Veraumlnderungsimpulses durch erzeugte Unzufriedenheit mit dem Status quo war besonders in wirtschaftlich guten Zeiten eine der groumlszligten Herausforderungen fuumlr Mc-Cain und Miyashita
McCain und Miyashita gelang es mit ihrer langjaumlhrigen Berufserfahrung ihrem pas-sionierten Einsatz fuumlr Six Sigma und ihrem unmissverstaumlndlichen Commitment die auf-gezaumlhlten Herausforderungen zu bewaumlltigen Six Sigma ist in dem uumlber 150 Jahre alten Unternehmen mehr als nur ein Poster an der Wand ndash es ist mittlerweile eine unerlaumlssliche Ingredienz der Unternehmenskultur Es ging dabei von Anfang nicht um die Umsetzung von Six-Sigma-Projekten sondern um den Aufbau einer Six-Sigma-Organisation Dabei ist die Arbeitsweise faktenbasiert diszipliniert transparent und kundenfokussiert Heute sind im Unternehmen neben 160 Six-Sigma-Vollzeitkraumlften (BB GB und sonstige Spe-zialisten) uumlber 85 Six-Sigma-Alumni in den Fuumlhrungspositionen der verschiedenen IOC verteilt ndash die Methodik ist in die DNA des Unternehmens uumlbergegangen
Zweifelsohne laumlsst sich dieses Beispiel einer Six-Sigma-Implementierung als bdquobest practiceldquo bezeichnen Das methodische Leistungsversprechen einer Null-Fehler-Qualitaumlt wird nicht als kurzfristiges Ziel sondern als langfristig zu verinnerlichende Philosophie gesehen ndash diese tiefe Uumlberzeugung fing Ende der 1990er-Jahre beim CEO Michael Mc-Cain an und definiert heute jede Faser des kanadischen Unternehmens
34 Six Sigma bei der Bank of America
Einen Uumlberblick uumlber Six Sigma bei der Bank of America bietet Abb 34
341 Unternehmensprofil
Das Bestehen der Bank of America (BoA) ndash welche als eines der ersten groszligen Bank-haumluser der Welt Six Sigma implementierte ndash geht auf die Fusion der Bank America of California (Gruumlndung 1929) und der NationsBank of Charlotte (Gruumlndung 1874) aus dem Jahre 1998 zuruumlck6 Die Historie beider Kreditinstitute war durch eine Serie von Mer-gers amp Acquisitions gekennzeichnet ndash die Groumlszlige und die damit einhergehende Anzahl der
6 Die aufgefuumlhrten Informationen gehen zu einem groszligen Teil auf die von Mikkilineni und Dutta (2006) erstellte Fallstudie bdquoSix Sigma A Tool to Increase Customer Satisfaction at Bank of Ame-ricaldquo am ICMR Center fuumlr Management Research in Hyderabad Indien zuruumlck Zielgerichtete On-linerecherchen vervollstaumlndigen das Bild aus heutiger Sicht
34 Six Sigma bei der Bank of America
124 3 Praxiserfahrung mit Operational Excellence
Kunden waren seit jeher Gradmesser fuumlr den Erfolg 2000 wurde das Geschaumlftsjahr mit knapp 33 Mrd US-$ Umsatz und einem Profit von 67 Mrd US-$ abgeschlossen Mit der Ernennung von Kenneth D Lewis zum CEO der Bank im Januar 2001 kam es zu einem Vorzeichenwechsel in der Unternehmensfuumlhrung ndash von nun an sollte das in Kalifornien ansaumlssige Bankhaus mithilfe der Six-Sigma-Methodik organisch wachsen
Sehr unzufriedene Kunden resultierend aus hoher Ausfallquote
von Automaten langer Reaktionszeit
auf Service-Anfragen unterdurchschnittlicher
Serviceleistungen fehlenden Werten mit
denen sich Mitarbeiter oder Kunden identifizieren koumlnnen
Six Sigma als Methode (kontinuierliche Prozess-verbesserung durch DMAIC-Zyklus)
Six Sigma als Business-Ansatz (Qualitaumlts -orientierung und Null-Fehler -Qualitaumlt als Unternehmensgrundsatz)
Six Sigma als Fuumlhrungs-philosophie (Philosophie der Methodik als Leitfaden fuumlr alle Fuumlhrungskraumlfte)
Innerhalb nur eines Jahres Fehlerreduzierung
in Debitorenauszuumlgenum 70
Reduzierung von Betriebsstoumlrungen (Bankautomaten) um 88
Verbesserung der Bearbeitungszeit von Anfragen um 99
Anzahl von benoumltigten Klicks zur Kontoeroumlffnung um 60 reduziert
Branche Banken Sitz Charlotte (USA)
Bank of America Corporation
Was ist das Problem Was ist das Loumlsungskonzept Was ist der Effekt
die Bank of America legt ihren Schwerpunkt auf den Kunden und hat durch Six Sigma in den letzten drei Jahren die Faumlhigkeit das richtige Produkt dem richtigen Kunden zum richtigen Preis anzubieten erfolgreich ausbauen koumlnnen Wir verpflichten uns den Weg kontinuierlicher Verbesserung fortzusetzen und weiter in unsere Zukunft zu investieren um auch in den kommenden Jahren innovativ auf das Beduumlrfnis unseres Kunden zureagieren
Auszug
Abb 34 Six Sigma bei der Bank of America
12534 Six Sigma bei der Bank of America
342 Die Ausgangslage
Six Sigma zielte auf fundamentale Veraumlnderungen ab da das Ergebnis des uumlber Jahre praktizierten anorganischen Wachstums die Missachtung der Kundenzufriedenheit war In Kundenerfassungen die deutliche Defizite ans Tageslicht brachten (nur 40 der Kunden waren mit der Bank zufrieden) spiegelten sich ineffiziente Geschaumlftsprozesse in unter-durchschnittlichen Serviceleistungen wider Die Onlinesysteme stuumlrzten regelmaumlszligig ab und fuumlhrten zu Ausfaumlllen der Bankautomaten die Reaktionszeit auf Kundenanfragen war lang und die Bank verfuumlgte uumlber keine Unternehmenswerte mit denen sich der Kunde oder der Mitarbeiter identifizieren konnte Fruumlhere Verbesserungsbemuumlhungen verliefen schnell im Sand und wurden als Eintagsfliegen empfunden da es an einer systematischen Implementierung und der Unterstuumltzung aus dem Topmanagement fehlte Deswegen wid-mete sich Lewis dem aus seiner Sicht disziplinierten rigorosen und verstaumlndlichen Ansatz von Six Sigma Die im Jahr 2001 begonnene Implementierung umfasste dabei die folgen-den Bausteine
bull Six Sigma als Methode (Prozessverbesserung durch die Anwendung des DMAIC-Zy-klus)
bull Six Sigma als Business-Ansatz (Qualitaumltsorientierung und Null-Fehler-Philosophie als Grundsaumltze des Unternehmens)
bull Six Sigma als Fuumlhrungsphilosophie (Leitfaden fuumlr die Fuumlhrungskraumlfte des gesamten Unternehmens)
Hervorzuheben ist dass die Six-Sigma-Konzeption urspruumlnglich fuumlr Geschaumlftsprozesse im produzierenden Gewerbe entwickelt worden war Es war die American Express Company die ab 1998 als erstes Unternehmen mit Erfolg die Methodik auch im Dienstleistungsbe-reich anwendete ndash auch im Service gibt es zu verbessernde defekte Geschaumlftsprozesse und Produkte Die Qualitaumlt und Quantitaumlt einer Dienstleistung zu messen (Verkaufsgespraumlch eines Bankberaters) faumlllt dabei deutlich schwerer als die eines Produktes (Fertigstellung eines Autos) Es sticht hervor dass hinsichtlich der Qualitaumlt und Quantitaumlt einer Dienst-leistung die Rolle des Mitarbeiters eine exponierte Stellung einnimmt
Das Ziel von Six Sigma in Serviceunternehmen ist eher die Wertsteigerung fuumlr den Kunden bei einer einzelnen Transaktion als die Sicherstellung einer groszligen Anzahl von Transaktionen Fuumlr die BoA bedeutete dies dass es wichtiger war den schon existierenden Kunden endlich bdquoeine Weltklasseperformance zu bietenldquo als neue Kundschaft zu akqui-rieren
343 Die Initiative
Fuumlr Lewis war Six Sigma keine Eintagsfliege Um ein deutliches Signal an die Mitarbeiter zu senden uumlbernahm er persoumlnlich die Verantwortung fuumlr das erste Green-Belt-Projekt
126 3 Praxiserfahrung mit Operational Excellence
Dabei wurden Loumlsungsansaumltze fuumlr den Umgang mit Kundenbeschwerden die an das houml-here Management weiter geleitet wurden erarbeitet Wenige Jahre spaumlter fuumlhrte Lewis die folgenden Beweggruumlnde fuumlr die Involvierung in das erste Projekt an (vgl Mikkilineni und Dutta 2006)
bull Obwohl manch ein Mitarbeiter uumlberrascht war dass der CEO sich eines GB-Projektes annimmt wurde dadurch die klare Botschaft vermittelt dass Six Sigma die kompro-misslose Unterstuumltzung der Fuumlhrungsspitze besitzt
bull Lewis beabsichtigte genau nachzuvollziehen mit welchen Werkzeugen und Techniken sich seine Mitarbeiter in Zukunft auseinandersetzen wuumlrden um die gleiche Sprache zu sprechen
bull Die Notwendigkeit sich den Problemen des Kunden anzunehmen war nicht laumlnger zu ignorieren ndash er sprach von 20000 Kundenbeschwerden die zu einem groszligen Teil auf seinem Schreibtisch landeten
Durch das analytische Vorgehen von Six Sigma konnte beobachtet werden dass im Ver-trieb nur 20 der Mitarbeiter 80 des Absatzes generierten Die BoA entwickelte in der Folge ein Messsystem mit klaren Zielvorgaben fuumlr jede Abteilung und jeden Banker Jeder Mitarbeiter hatte von nun an eine Mindestquote am Tag zu erreichen
Die systematische Evaluierung der VoC und CtQs deckte die Stellen mit besonderem Verbesserungspotenzial im Unternehmen auf Die Bank begann die Beduumlrfnisse und Er-wartungen ihrer Kundschaft zu verstehen Ein Benchmark von 90 Kundenzufriedenheit wurde fixiert Wo man sich fruumlher mit bdquozufriedenenldquo Kunden begnuumlgte (Bewertung von 6 oder 7 auf einer Skala von 1 bis 10) zaumlhlten von nun an nur noch bdquouumlberzeugteldquo Kunden (Bewertung von 9 oder 10) Vor allem letztere Kunden neigten dazu eine nachhaltige Beziehung zur Bank aufrechtzuerhalten Um eine solche langfristige Kundenbeziehung aufzubauen wurde zum einen der Anspruch von einer bdquoWeltklasseperformanceldquo auf alle Kundensegmente uumlbertragen (vom Kunden als Individuum uumlber ein Start-up bis hin zu einer groszligen Unternehmenseinheit) Zum anderen ging es bei Beratungsgespraumlchen nicht mehr nur darum was man verkauft sondern wie man dem Kunden am besten entgegen-kommen kann Der Wert einer Kundenbeziehung wog schwerer als das angebotene Pro-dukt
Damit sich die Erfahrungswerte des Kunden mit dem elektronischen oder computerba-sierten Serviceangebot (Bankautomat Telefon- und Onlinebanking) verbesserten wurden mithilfe des statistisch-mathematischen Vorgehens Fehler und Wartezeiten behoben
Six Sigma wurde in jedem Teil der Wertschoumlpfungskette angewandt um das Verbes-serungspotenzial umfassend auszuschoumlpfen Durch flaumlchendeckende Prozess- und Feh-leranalysen sollte die Bereitstellung der Serviceleistung effizienter gestaltet werden Fuumlr Lewis war von Beginn an klar dass der Benefit der Implementierung sich nicht nur auf die operationale Infrastruktur beschraumlnken durfte Seiner Ansicht nach fuumlhrte Six Sigma
12734 Six Sigma bei der Bank of America
immer zu einer kulturellen Transformation Ein Resultat dessen war die Formulierung von fuumlnf Grundwerten der BoA (vgl Mikkilineni und Dutta 2006)
1 Das Richtige tun Jeder Mitarbeiter besitzt die Freiheit Autoritaumlt und Verantwortung zu jedem Zeitpunkt das Richtige fuumlr unsere Klienten Kunden und unsere Mitarbeiter zu tun
2 Vertrauen und Teamarbeit Wir vertrauen einander und sind gemeinsam erfolgreich Wir uumlbernehmen kollektive Verantwortung fuumlr die Qualitaumlt die wir unseren Kunden bereitstellen
3 Leistungsgesellschaft Wir helfen unseren Arbeitskollegen dabei ihr volles Potenzial auszuschoumlpfen und konzentrieren uns auf das Endergebnis Dabei respektieren und schaumltzen wir einander
4 Gewinnen Leidenschaftlich erzielen wir unsere Ergebnisse und gewinnen ndash fuumlr unsere Kunden Arbeitskollegen und Anteilseigner
5 Fuumlhrungsstil Wir sind entschlussfreudig auf jedem hierarchischen Level und bauen unsere Zukunft durch Taten und Visionen
Fuumlr die kulturelle Transformation war es entscheidend dass jedes Projektteam von einem BB oder MBB betreut wurde Fruumlh auftretender Widerstand konnte durch die Einfuumlhrung einer woumlchentlichen Scorecard in einen fairen internen Wettbewerb umgewandelt werden Als die Mitarbeiter dadurch nachvollziehen konnten welchen Mehrwert die einzelnen Projekte generierten verflogen nicht nur die letzten Zweifel am methodischen Ansatz sondern es entwickelte sich eine breite Zustimmung und aktive Partizipation an der sys-tematischen Qualitaumltsbemuumlhung Auch das Belohnungssystem der Bank passte sich an die neuen Rahmenbedingungen an Nicht fuumlr die Akquise von neuen Kunden sondern fuumlr den Aufbau langfristiger Kundenbeziehungen wurden offiziell Preise an die Mitarbeiter verliehen
344 Zwischenergebnis
Die von Lewis eingeleitete Intervention in den gewohnten Geschaumlftsablauf der BoA war radikal Schon zu Beginn des Jahres 2002 lieszligen sich erste Erfolge erkennen Das ers-te umfassende GB-Projekt reduzierte Fehler in den Debitorenauszuumlgen der Kunden in-nerhalb des ersten Jahres um 70 Die Projekte die sich mit den elektronischen und computerbasierten Serviceangeboten (Bankautomat Telefon- und Onlinebanking) ausei-nandersetzten reduzierten Betriebsstoumlrungen und Defekte im ersten Jahr um 88 Die Bearbeitungszeit von Kontenanfragen durch die Kunden der Bank of America konnte von drei Tagen auf zehn Minuten gesenkt werden was einer Senkung um uumlber 99 entspricht Mithilfe von Six Sigma wurde die Anzahl der Klicks die fuumlr die Eroumlffnung eines On-line-Kontos noumltig waren von zehn auf vier reduziert Bis 2003 gelang es die Anzahl der
128 3 Praxiserfahrung mit Operational Excellence
bdquouumlberzeugtenldquo Kunden (Bewertung von 9 oder 10 auf einer Skala von 1 bis 10) von 40 auf 50 zu steigern und zusaumltzlich ndash ohne explizite Absicht ndash 25 Mio Neukunden zu gewinnen Im Jahr 2003 stieg die Anzahl der Konten um 1 Mio die Anzahl der Zahlungs-vorgaumlnge die an einem Tag abgewickelt werden konnten stieg um 36 und die Zeit die gebraucht wurde um eine neue Filiale zu eroumlffnen wurde um 100 Tage reduziert Bis 2004 wurden 5000 Mitarbeitern die Zertifizierung des GB und 300 die des BB ver-liehen Bis 2005 hatten 80 der Fuumlhrungskraumlfte entweder die Ausbildung zum GB oder BB abgeschlossen Die BoA wurde die groumlszligte amerikanische Kundenkreditbank mit 5800 Bankfilialen und 16700 Bankautomaten in den USA Der Umsatz im Jahr 2004 belief sich auf fast 49 Mrd US-$ (im Jahr 2000 waren es 33 Mrd US-$) und der Profit auf knapp 14 Mrd US-$ (im Jahr 2000 waren es 75 Mrd$) Nach eigenen Angaben war das Kredit-haus im Jahr 2004 das fuumlnftprofitabelste Unternehmen auf der Welt mit 34 Mio Kunden-beziehungen und 8000 Transaktionen pro Sekunde
Die Bank of America legt ihren Schwerpunkt auf den Kunden und hat durch Six Sigma in den letzten drei Jahren die Faumlhigkeit das richtige Produkt dem richtigen Kunden zum richtigen Preis anzubieten erfolgreich ausbauen koumlnnen Wir verpflichten uns den Weg kontinuierli-cher Verbesserung fortzusetzen und weiter in unsere Zukunft zu investieren um auch in den kommenden Jahren innovativ auf das Beduumlrfnis unseres Kunden zu reagieren (Mikkilineni und Dutta 2006 S 1)
Kenneth D Lewis Praumlsident und CEO Bank of America Corporation in 2004
345 Fazit
Die technische Umsetzung der Six-Sigma-Methodik seit 2001 ist auch aus heutiger Sicht positiv zu bewerten Der Projektnutzen lag nach vier Jahren bei 15 Mrd US-$ Einsparun-gen als sogenannter Net-Benefit Die Produktivitaumlt Genauigkeit und Kundenzufriedenheit wurden gesteigert Fehlerquellen und Wartezeiten wurden reduziert und durch eine kultu-relle Transformation ruumlckten der Kundenfokus und der Qualitaumltsanspruch unternehmens-weit in den Mittelpunkt der Wertschoumlpfung Durch die Freistellung von Kapital wurden strategische Investitionen ndash wie der Merger mit FleetBoston Financial im Jahr 2004 ndash moumlglich Seit 2006 war die Bank Amerikas groumlszligtes Kreditinstitut und gehoumlrte 2008 noch zu den teuersten Marken der Welt ndash dann platzte die Immobilienblase die Grundmauern der Finanzwelt wurden erschuumlttert und die BoA war eine der groszligen Verliererinnen Dies lag im Wesentlichen an den fatalen Fehlkaumlufen ndash der Investmentbank Merril Lynch und des einst groumlszligten US-Immobilienfinanzierers Countrywide ndash in Houmlhe von 50 Mrd US-$ An den Uumlbernahmen die zuvor als seltene Chance mit Synergieeffekten beschrieben wur-den uumlberhob sich die BoA ndash Ende 2009 schied der fuumlr die Six-Sigma-Implementierung maszliggeblich verantwortliche CEO Lewis aus dem Unternehmen Die Groszligbank wurde vom Staat gerettet weil sie als systemrelevant eingestuft wurde Obwohl das Bankhaus die Staatshilfen mittlerweile vollstaumlndig zuruumlckgezahlt hat uumlberschatten die Altlasten bis
129
heute das Tagesgeschaumlft der Bank unter der Regie des neuen CEO Brian Moynihan Ver-schiedene Vergleiche mit Immobilienfinanzierern und einer Investorengruppe kosteten die Bank im Jahr 2011 etliche Milliarden Dollar Im Herbst 2012 wurde die Bank sogar von der US-Regierung auf Schadensersatz wegen des Verkaufs minderwertiger Hypotheken waumlhrend der Finanzkrise verklagt Die Nachbeben der Finanzkrise halten also an ndash mitt-lerweile sendet das operative Geschaumlft der Bank of America aber wieder positive Signale
Unter Beruumlcksichtigung der verheerenden Veraumlnderungen die seit der Lehman-Pleite im Herbst 2008 insbesondere die Finanzwelt und somit auch die Bank of America in ihrer grundlegenden oumlkonomischen Struktur durcheinanderbrachten faumlllt es schwer die ver-gangenen zwoumllf Jahre seit Beginn der Six-Sigma-Implementierung bis heute als Gesamtes zu betrachten
1 Die Einfuumlhrung und flaumlchendeckende Umsetzung von 2001 bis 2006 ist wie bereits dargestellt zweifelsfrei als erfolgreich zu bewerten Ausschlaggebend dafuumlr ist Lewisrsquo kompromisslose Uumlberzeugung von Six Sigma der gezielte Einkauf von Expertise und eine sorgfaumlltige Projektportfolioplanung die durch schnelle Erfolge nach kurzer Zeit die Belegschaft von der strategischen Richtungsaumlnderung uumlberzeugte Die erzielten Ergebnisse sprechen zusaumltzlich eine deutliche Sprache Als Randnotiz ist zu beachten dass 2001 die Ausgangslage der Bank dem neuen CEO entgegenkam Die Qualitaumlt des Service und die damit einhergehende Kundenzufriedenheit waren so schlecht dass womoumlglich jeder Verbesserungsansatz mit dem Ziel der Qualitaumltssteigerung zunaumlchst erfolgreich gewesen waumlre
2 Ab 20072008 sind die fundamental neuen Rahmenbedingungen zu beruumlcksichtigen Die Finanzkrise und die verhaumlngnisvolle Uumlbernahme zweier maroder Unternehmen ndash das Leistungsversprechen von Six Sigma beinhaltet keinen Schutz vor strategischen Fehlentscheidungen ndash draumlngte das Kredithaus an den existenziellen Abgrund Waumlhrend des turbulenten Strukturwandels in der Finanzkrise in dem betriebswirtschaftliche Strategien und volkswirtschaftliche Modelle ad absurdum gefuumlhrt wurden scheint man sich primaumlr auf das grundsaumltzliche Uumlberleben am Markt und nicht auf die Sicherstel-lung zufriedener Kunden konzentriert zu haben Hinzu kommt dass die entscheidende Person der Six-Sigma-Initiative das Unternehmen verlieszlig ndash der personelle Wechsel an der Unternehmensspitze und die sich moumlglicherweise daraus ergebende Neujustierung der Unternehmensstrategie und Fuumlhrungsphilosophie ist nicht zu vernachlaumlssigen
Dennoch gilt es festzuhalten dass sich das Unternehmen welches uumlber 275000 Mit-arbeiter zaumlhlt und uumlber 90 Mrd US-$ Umsatz erwirtschaftet durch die Abteilung fuumlr Qualitaumlt und Produktivitaumlt (QampP) bis heute explizit zur Wirkungsfaumlhigkeit des Werk-zeugbaukastens und der Methodenvielfalt von Six Sigma bekennt Qualitaumlt wird dabei als fester Bestandteil der Unternehmenskultur verstanden um Effizienz Kostenerspar-nis Umsatzsteigerung und Kundenzufriedenheit zu erzielen Auch die Relevanz des Kundenbeduumlrfnisses und der fuumlnf Grundwerte die in leicht modifizierter Form noch immer bestehen lassen erahnen dass die Six-Sigma-Initiative nachhaltige Spuren in der DNA des Unternehmens hinterlassen hat
34 Six Sigma bei der Bank of America
130 3 Praxiserfahrung mit Operational Excellence
35 Lean Sigma bei der Best Buy Inc
351 Unternehmensprofil
Die Best Buy Company Inc (BeBu) ist ein 1966 gegruumlndetes US-amerikanisches Unter-nehmen das mit 167000 Mitarbeitern einen Umsatz von knapp 51 Mrd US-$ im Einzel-
Fragen wie bdquoWer sind unsere Kundenldquo bdquoWorauf basieren unsere Entscheidungenldquo und bdquoWie haumlngen einzelne Prozesse zusammenldquo
sich als bdquoFaumlhigkeitldquo des
ndash
Abb 35 Lean Sigma bei der Best Buy Inc
13135 Lean Sigma bei der Best Buy Inc
handel der Unterhaltungselektronik erwirtschaftet7 Die Unternehmenshistorie beschreibt das Lebenswerk des Gruumlnders und Selfmade-Milliardaumlrs Richard Schulze der mit 25 Jah-ren erste Audiogeraumlte verkaufte eine Ladenkette aufbaute und daraus den weltweit groumlszlig-ten Elektronikhaumlndler schuf Ausgehend vom Hauptsitz des Unternehmens in Richfield Minnesota beinhaltet das Produktportfolio Computer Software Videospiele Musik-DVDs Mobiltelefone Digital- und Videokameras sowie verschiedene Haushaltsgeraumlte wie Geschirrspuumller Trockner und Gefrierschraumlnke Seit 2008 setzte das Unternehmen die aggressive und zum groumlszligten Teil internationale Expansion auch auf europaumlischem Boden fort ndash in Deutschland ist BeBu unter dem Markennamen The Phone House aktiv und beschaumlftigt dabei 800 Mitarbeiter die mobile Kommunikationsendgeraumlte und Notebooks vertreiben The Phone House sollte dabei als Speerspitze beim Angriff auf den zur Metro-gruppe gehoumlrenden europaumlischen Marktfuumlhrer Media-Saturn dienen ndash ernsthafte Ambitio-nen blieben bis heute aber aus
Der amerikanische Mutterkonzern durch das Forbes Magazin u a als bdquoUnternehmen des Jahres 2004ldquo geadelt operiert heute mit einem Kundennetzwerk von uumlber 16 Mrd Einkaumlufen pro Jahr (zusammengesetzt aus online mobilen und in der Filiale getaumltigten Einkaumlufen) und greift auf ein Filialnetz mit weit mehr als 1100 Standorten allein in Ameri-ka zuruumlck Andauernder Innovationsdrang und neue Ideen im Hinblick auf die Zufrieden-stellung des Kunden und die Zusammenarbeit der Mitarbeiter untereinander sind dabei nach Angaben des Unternehmens die Ingredienzen des Erfolges Im Mittelpunkt steht nicht das Produkt sondern der Kunde Dies war nicht immer der Fall ndash es stellt sich die Frage welche Rolle Lean Sigma bei dieser Entwicklung gespielt hat Die folgenden Sei-ten werfen einen genauen Blick hinter die Kulissen des amerikanischen Einzelhaumlndlers
Beispiel TwelpforceExemplarisch fuumlr den Innovationsdrang laumlsst sich der Twitterkanal Twelpforce von Best Buy anfuumlhren Hinter dieser Wortkreation versteckt sich eine freiwillige moderne und digitale Armee von Mitarbeitern des Elektrohaumlndlers die rund um die Uhr Fra-gen via Twitter beantwortet Durch dieses interne Crowdsourcing fuumlr Hilfesuchende soll nicht der Umsatz gesteigert sondern technische Hilfe ndash kurz bdquotwelpldquo ndash angebo-ten werden 2010 gewann Best Buy im Rahmen eines Kreativitaumltswettbewerbes mit bdquoTwelpforceldquo den bdquoTitanium Grand Prixldquo in Cannes Das Unternehmen hebt auch die internen Vorteile hervor So verbessert bdquoTwelpforceldquo den Kommunikationsfluss der beteiligten Mitarbeiter untereinander Der Twitterkanal ist nicht nur serviceorientiertes Marketing sondern fungiert auch als Netzwerk denn Mitarbeiter die aumlhnliche Prob-leme zu loumlsen haben greifen auch auf bdquoTwelpforceldquo zuruumlck Am Ende kann man von einem pausenlosen Kompetenztraining fuumlr die Mitarbeiter sprechen
7 Die aufgefuumlhrten Informationen gehen zu einem groszligen Teil auf die von Perkins und Rao (2011) erstellte Fallstudie bdquoBest Buy Merging Lean Six Sigma with Innovationldquo des Babson College zu-ruumlck Zielgerichtete On- und Offlinerecherchen vervollstaumlndigen das Bild aus heutiger Sicht
132 3 Praxiserfahrung mit Operational Excellence
352 Ausgangslage
Die Wertschoumlpfung des Unternehmens definierte sich uumlber die Forcierung der kreativen Kapazitaumlten der Mitarbeiter ndash das daraus resultierende Ergebnis der Innovation war seit je her BeBus Steckenpferd Die Mitarbeiter wurden darin unterstuumltzt eigene Arbeitsweisen und gewohnte Prozesse infrage zu stellen um unternehmerisch im eigenen Arbeitsumfeld aktiv zu werden Sowohl Erfolge als auch Misserfolge wurden gleichwertig als Lerneffekt angesehen ndash die wichtigsten Elemente dieser Fuumlhrungskultur und Strategieausrichtung zur Forcierung von Innovation sollen kurz erlaumlutert werden um den Eindruck der BeBu-DNA zu verdeutlichen
Experimentierfreudige Basis Hauptaufgabe der Fuumlhrungsriege von BeBu war die Ge-waumlhrleistung von ausreichend Freiheit damit die Belegschaft (insbesondere das mittlere Management) mit innovativen Vorhaben und neuen Konzepten experimentieren konnte Die Unternehmenskultur definierte sich uumlber die Auffassung dass Innovation nicht die Aufgabe einer einzelnen Abteilung war ndash schon gar nicht sollte sie von bdquoobenldquo angeordnet werden Der Leitspruch war dass jeder Mitarbeiter fuumlr die innovative Zukunft der Firma verantwortlich ist
Selbstbewusste Belegschaft Wenn jeder Mitarbeiter fuumlr Innovation verantwortlich ist werden auch die Faumlhigkeiten eines jeden betont BeBu identifizierte die Staumlrken der Mit-arbeiter und ermutigte diese ihre Begabungen wirksamer zur Geltung zu bringen Dafuumlr wurden Projektteams haumlufig so konstituiert dass sich die Faumlhigkeiten der Projektmitglie-der ergaumlnzten Ein bdquokreativer Kopfldquo wuumlrde demnach mit einem bdquokonsequenten Pragmati-kerldquo und einem bdquokommunikativen Diplomatenldquo zusammen arbeiten Um die dynamischen Eigenheiten der Mitarbeiter zu beruumlcksichtigen griff BeBu auf erprobte Systematiken wie das Gallup-Prinzip (Entwicklungsplan des Mitarbeiters auf seinen Staumlrken aufbauen) oder die BELBIN-Methode (gem der Theorie dass Teams dann effektiv arbeiten wenn sie he-terogen zusammengesetzt sind) zuruumlck Dieser Ansatz zeigte sich deutlich im Alltag wie das folgende Zitat eines Angestellten belegt bdquoMitarbeiter begannen ihre Top-5-Staumlrken an die Buumlrotuumlr zu haumlngen und in der E-Mail-Signatur zu vermerken ndash die ersten 15 min einer Konversation mit einem neuen Kollegen handelten von den jeweiligen Faumlhigkeitenldquo (Perkins und Rao 2011)
Gelebtes Vertrauen Ein auf der Betonung von Staumlrken aufbauender und wesentlicher Bestandteil der systematischen Foumlrderung von Innovation war Vertrauen Mitarbeiter er-hielten groszligzuumlgige Spielraumlume zur Erreichung ihrer Ziele und wurden auf Monats- oder Quartalsbasis zur Rechenschaft gezogen Ein Manager beschreibt das Resultat dieses praktizierten Dreiklangs aus bdquoStaumlrken Vertrauen und Performanceldquo bdquoMan muss die Tauml-tigkeiten der Mitarbeiter an ihren Staumlrken ausrichten ihnen die Spielregeln erklaumlren und sie dann arbeiten lassen Wenn sie ausreichend Freiheit und Vertrauen dafuumlr bekommen werden die Zielvorgaben in 90 der Faumllle uumlberschritten Genau dort beginnt die kreative und innovative Energie bei Best Buyldquo (Perkins und Rao 2011)
Besonders deutlich wird die Auspraumlgung dieser mutigen Arbeitsweise durch die seit 2005 eingefuumlhrte Vorgehensweise ROWE (Akronym fuumlr Results-Only Work Environ-
13335 Lean Sigma bei der Best Buy Inc
ment) Demnach arbeitet jeder wann wo und wie lange es ihm gefaumlllt solange die zu erledigenden Aufgaben ausgefuumlhrt und zu erreichenden Ziele erreicht werden ndash Ausreden werden nicht mehr akzeptiert ROWE wurde durch zwei Mitarbeiter von BeBu entwickelt um die hohe Mitarbeiterfluktuation einzudaumlmmen Das Experiment im Hauptsitz in Min-nesota wurde nicht als Freifahrtschein zum Faulenzen missbraucht sondern wirkte sich positiv auf die Performance aus (die Produktivitaumlt stieg in den naumlchsten zwei Jahren um durchschnittlich 35 und die Kuumlndigungen nahmen um 75 ab) ndash seit 2008 richten sich alle 4000 Mitarbeiter am Firmensitz nach der ROWE-Arbeitsweise Niemand vergleicht mehr seine Anzahl an Arbeitsstunden es gibt keine verpflichtenden Meetings und wenn sich jemand einen Mittagsschlaf goumlnnen moumlchte ist dies kein Problem ndash es bemerkt ohne-hin niemand weil kaum einer im Office ist sondern eher von zu Hause aus arbeitet
Andauernde Unterstuumltzung Wie bereits erwaumlhnt wurden neue Ideen wie ROWE von der Unternehmensleitung nicht nur willkommen geheiszligen sondern auch aktiv gefoumlrdert Wenn ein neues Experiment scheiterte lies man kein bdquoGras wachsenldquo sondern bdquofeier-teldquo im Rahmen eines bdquoForum fuumlr Misserfolgeldquo das Experiment Dabei wurde untersucht warum das Vorhaben scheiterte und welche Ruumlckschluumlsse man durch die Erfahrungen auf zukuumlnftige Opportunitaumlten ziehen konnte Die Fuumlhrungskraumlfte nutzten die Gelegenheit haumlufig um die gescheiterten Projektleiter in ihr neues Aufgabengebiet einzufuumlhren Das Credo lautet bdquoAn die Grenzen zu gehen und Fehler zu machen ist in Ordnung ndash es gibt ein Leben danachldquo (Perkins und Rao 2011)
Die Ermutigung zum Experimentieren ein Bewusstsein dass jeder Mitarbeiter ge-braucht wird systematisch gefoumlrdertes Selbstbewusstsein der Mut zu vertrauen und kompromisslose Unterstuumltzung auch wenn Fehler gemacht wurden charakterisierten das Erfolgsrezept von Best Buy ndash die Innovation Innovation war nicht zuletzt auch der An-trieb einer rapiden erst nationalen und dann internationalen Expansion Eine Kehrseite der Medaille gab es dennoch denn innere Probleme werden nicht durch Expansion geloumlst Immer mehr bdquoBig Blue-Boxesldquo (wie die blau-gelben Filialen aufgrund der prominenten Erscheinung genannt werden) nahmen den Aufruf zu mehr Eigenverantwortung und Ex-perimentierfreudigkeit woumlrtlich Lokale Initiativen wiesen zum Teil signifikante Erfolge auf ndash verursachten aber immer haumlufiger desastroumlse Ergebnisse Denn nicht jeder Store verfuumlgte uumlber die Kompetenzen Qualitaumltsstandards einzuhalten und die Marke bdquoBest Buyldquo adaumlquat zu praumlsentieren ndash lokale Innovation fuumlhrte zu gestiegener Komplexitaumlt des Unter-nehmens und damit im Ergebnis unweigerlich zur Reduzierung der Effektivitaumlt Eine uumlber Jahre praktizierte Verhaltensweise wurde zu einem unkalkulierbaren Risiko wie ein Ma-nager beschreibt bdquoDer Innovationsdrang geriet aus der Bahn Innovation beschreibt nicht alles Erdenkliche im Kopf des Mitarbeiters Ohne Spielregeln ist Innovation gefaumlhrlich Ohne Spielregeln ist sie unternehmerischer Suizidldquo (Perkins und Rao 2011)
Als das Wachstum des Unternehmens an seine Grenzen stieszlig stolperten immer mehr Manager uumlber ineffiziente Prozesse und begannen genauer darauf zu achten wie die Wert-schoumlpfung von BeBu vonstatten ging Es kamen Fragen auf Wer sind unsere Kunden Worauf basieren wir unsere Entscheidungen Wie haumlngen die einzelnen Prozesse im Unternehmen zusammen Wie optimieren wir unseren Ressourceneinsatz Wie koumlnnen wir den Erfolg unserer zahlreichen Innovationsvorhaben messen
134 3 Praxiserfahrung mit Operational Excellence
Uumlber etliche Monate beschaumlftigte dieses Thema Fuumlhrungskraumlfte und Mitarbeiter Mo-natelang wurde eruiert welches methodische Vorgehen am geeignetsten sei ndash Plaumlne wur-den geschmiedet und zahlreiche Tools unter die Lupe genommen Anfang des Jahres 2005 uumlberzeugte dann ein kleiner Kreis von Managern die Unternehmensfuumlhrung von dem potenzialtraumlchtigen Leistungsversprechen Lean Sigmas Lean Sigma einem statistischen Prozess- und Qualitaumltsverbesserungsansatz wurde zugetraut Antworten auf die offenen Fragen zu finden und nachhaltige Loumlsungsvorschlaumlge zu generieren
353 Die Initiative
Mit dem Segen des Vorstands initiierte im Maumlrz 2005 der kleine Kreis von Managern im Rahmen einer dreitaumlgigen Veranstaltung den Kick-Off der Initiative Die Einfuumlhrung in das Lean-Sigma-Konzept und dessen Werkzeugkasten richtete sich an die Top-30-Mana-ger von BeBu Die Mehrheit der Anwesenden aumluszligerte ihre Begeisterung gegenuumlber dem Leistungsversprechen von Lean Sigmas Der damalige CEO Brad Anderson ndash fuumlr viele Jahre die rechte Hand des Gruumlnders Schulze ndash forderte zum Abschluss des Events die Umsetzung von Lean Sigma Er betonte die Wichtigkeit der zuvor angesprochenen Philo-sophie einer experimentierfreudigen Basis des Unternehmens Die Erwartungserfuumlllung liege demnach nicht nur in der Hand der Initiativenleitung sondern jeder einzelne Mana-ger und Mitarbeiter muumlsse sich seiner Verantwortlichkeit bewusst sein ndash nur dann gebe es positive Erfolgsaussichten
Ein Grundstein der Initiative war die Zusammenarbeit mit einem auf diesem Gebiet der Prozessoptimierung erfahrenen Partner das texanische George Group Consulting Die Beratung verfolgte dabei die Strategie einer Hilfe zur Selbsthilfe ndash ganz im Sinne eines Sparringpartners Das Ziel war der zuumlgige Aufbau einer Lean-Sigma-Kompetenz sodass die Initiative schon bald auf eigenen Fuumlszligen stehen konnte Die Beratung etablierte in der Folge primaumlr die Schulungsstruktur der Belt-Hierarchie und initiierte die ersten Projekte Von den ausgebildeten Black Belts wurden fuumlnf zuumlgig zu Master Black Belts weitergebil-det um die anschlieszligenden Projekte leiten zu koumlnnen Den Beratern der George Group war es wichtig dass die Projekte nicht nur von fachlich gut ausgebildeten Kraumlften son-dern auch von gut vernetzten Personen im Unternehmen geleitet wurden Jeder der MBB verfuumlgte also uumlber frisch gelernte methodische Kenntnisse die meisten uumlber jahrelange Arbeitserfahrung im Unternehmen und ein paar konnten sogar explizite Expertise in Be-reichen wie Change Management vorweisen ndash was allen jedoch fehlte war ausreichend Erfahrung in Bezug auf die Umsetzung der Lean-Sigma-Theorie Es zeichnete sich nach zwei Jahren ab dass BeBu intern weiteres Know-how benoumltigte um die Bausteine der Initiative erfolgreich kombinieren zu koumlnnen
George Group ConsultingbdquoGeorge Group Consultingldquo wurde von Michael George inspiriert durch die Besichtigung des Pro-duktionssystems von Toyota 1986 gegruumlndet In 20 Jahren unterstuumltzte George seine Kunden bei der Implementierung von Lean Management und Six Sigma um Komplexitaumlt zu reduzieren und
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Innovation zu beschleunigen Als ein Resultat dessen verfasste der studierte Physiker etliche Buumlcher ndash darunter auch eines der bekanntesten Werke aus dem Jahr 2003 bdquoWhat is Lean Six Sigmaldquo Fuumlr viele galt er damit als der Begruumlnder der Synthese Lean (Six) Sigma ndash 2007 wurde George Group Consulting von der in Irland ansaumlssigen Managementberatung Accenture aufgekauft
Im Fruumlhjahr 2007 nahm Mike Fisher ein erfahrener MBB das Angebot von BeBu an die globale Fuumlhrung der Initiative zu uumlbernehmen Er hatte in den letzten vierzehn Jahren durch Taumltigkeiten in verschiedenen Positionen der amerikanischen Baumarktkette Home Depot nicht nur enorm viel Erfahrung gesammelt sondern vor allem die flaumlchendeckende Implementierung von Six Sigma maszliggeblich begleitet In fuumlnf Jahren begleitete er als MBB uumlber 200 Lean-Sigma-Projekte Die Initiatoren der Initiative im Hause des amerika-nischen Einzelhaumlndlers fuumlr Unterhaltungselektronik waren sich der Synergie sicher Fisher verfuumlgte uumlber methodische Expertise und die bereits ausgebildeten Belts waren mit den Eigenheiten des Unternehmens bestens vertraut Zusaumltzlich richtete sich der Schwerpunkt der Initiative in Zukunft nicht mehr auf die administrativen Bereiche sondern immer mehr auf die Infrastruktur der zahlreichen Filialen ndash der POS war ein Spezialgebiet von Fis-her Abgesehen davon uumlberzeugte er mit seinem kreativen strategischen und analytischen Denkvermoumlgen und seiner Autoritaumlt ndash fuumlr BeBu ein Indiz fuumlr eine begabte Fuumlhrungsfigur Neben den uumlberwiegend positiven Stimmen hinsichtlich der Berufung Fishers zum glo-balen Lead der Initiative gab es vereinzelnd auch kritische Aumluszligerungen Manche hegten die Befuumlrchtung dass Fisher das zentralisierte Set-up der Methodik von Home Depot kur-zerhand auf die BeBu-Kultur uumlberstuumllpen koumlnnte ndash kurzfristig wuumlrde dies ein Zoumlgern der Belegschaft hervorrufen mittelfristig zu Widerstand fuumlhren und langfristig des Vorhaben zum Scheitern bringen Es sollte sich schnell herausstellen dass diese Angst hinsichtlich Fishers Vorgehen bei BeBu unbegruumlndet war
BeBu Home DepotDie heute uumlber 330000 Mitarbeiter und 2200 Filialen starke Baumarktkette die nach eigenen An-gaben zu Hochzeiten alle 48 h einen neuen bdquoDIY-Storeldquo (Do-it-yourself-Markt) eroumlffnete musste im Laufe der Jahre seit der Gruumlndung 1978 den Wandel von einem stark wachsenden Entrepreneur zu einem ausgereiften Groszligkonzern bewaumlltigen Um die damit einhergehende Komplexitaumlt beherr-schen zu koumlnnen wurde in diesem Zuge unter der Aufsicht eines ehemaligen GE Managers kurz nach der Jahrtausendwende Lean Sigma implementiert Bis dato spielte Lean Sigma hauptsaumlchlich in produktionsnahem Kontext eine Rolle ndash Ausnahmen bildeten einige Banken und Versicherungen Home Depot ging mit einer flaumlchendeckenden Implementierung neue Wege Mike Fisher gehoumlrte zu der ersten Gruppe die als BB ausgebildet wurde ndash spaumlter war er der erste MBB im Unternehmen welches im Jahr 2012 einen Umsatz von uumlber 70 Mrd US-$ erwirtschaftete
Die Ausgangslage fuumlr Fisher war nicht einfach Er hatte sich nicht nur auf die Eigenheiten eines neuen und komplexen Unternehmens sondern auch auf die bereits vergangenen zwei Jahre an Lean-Sigma-Implementierung einzustellen Sein Feingefuumlhl war gefragt denn obwohl das Team bei BeBu schon einige Schritte in die richtige Richtung gegangen war bemerkte er einige Unzulaumlnglichkeiten
So lag der Schwerpunkt bislang auf der flaumlchendeckenden theoretischen Verbreitung des Lean-Sigma-Konzeptes unter der Belegschaft ndash zahlreiche eintaumlgige White-Belt-
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Schulungen verschafften den Mitarbeitern einen ersten Eindruck von der methodolo-gischen Konzeption und bdquoSpracheldquo von Lean Sigma Darauf aufbauende Yellow-Belt-Schulungen gingen den naumlchsten Schritt und lehrten in der Theorie die Anwendung von Tools Dies entsprach der vor der Initiative betonten kulturellen Grundkonstitution des Unternehmens ndash nur durch das Engagement jeden Mitarbeiters war Innovation und eine erfolgreiche Initiative moumlglich Nicht die untersuchten Prozesse sondern die dafuumlr ver-antwortlichen Menschen muumlssen Lean Sigma bdquolebenldquo Problematisch war es dennoch da die theoretische Trockenuumlbung in der Folge den Sprung ins kalte Wasser vermissen lieszlig ndash die Bemuumlhungen verliefen sich im Alltag Im schlimmsten Fall wecken solche breit aus-gerollten Promotionen bei der Belegschaft unnoumltig hohe Erwartungen die zwangslaumlufig enttaumluscht werden Der potenzielle Imageverlust der Initiative kann damit schwerer wie-gen als wenn die Mitarbeiter zu einem spaumlter geeigneteren Zeitpunkt involviert werden Um den Wert der Ausbildungen zu steigern hatte Fisher fuumlr eine stringente Umsetzung der Theorie in der Praxis zu sorgen ndash seinen strategischen Ansatz fuumlr die Initiative fasste er folgendermaszligen zusammen bdquoIch wusste dass ich die Menschen in den Genuss einer klaren Vision des Initiativen-Erfolges kommen lassen musste anstatt mit ihnen uumlber den richtigen Lean-Sigma-Ansatz zu streiten Ich verstand meine Rolle immer weniger als der globale Leader der Initiative ndash ich nahm eher gestalterischen Einfluss auf die Richtung der Implementierungldquo (Perkins und Rao 2011) Weniger Hierarchie ndash mehr anpacken
Die Belt-InfrastrukturAbhaumlngig von der Organisation kann die Belt-Infrastruktur des Karrierepfades in einer Six-Sig-ma- oder Lean-Sigma-Initiative variieren So kann als Einstieg auch das Zertifikat des White Belts vor der Yellow-Belt-Ausbildung ausgehaumlndigt werden ndash die eintaumlgige Schulung konzentriert sich auf spezielle Teile der Methodik wobei die Geschulten nicht zwangslaumlufig an einem Projekt par-tizipieren Bei der Schulung von Best Buy simulieren die Beteiligten die Geschaumlftsprozesse eines Unternehmens identifizieren zahlreiche Probleme und loumlsen diese gemaumlszlig der Lean-Sigma-Methode (DMAIC-Zyklus) Mit einfach zu handhabenden Tools (SIPOC Fischgraumltendiagramm Wertstrom-analyse u a) veranschaulicht diese Spielwiese in kurzer Zeit wie kleine Veraumlnderungen durch ge-zielte Lean-Sigma-Impulse starke Auswirkungen hervorrufen koumlnnen Derartige White-Belt-Schu-lungen koumlnnen die Initiative wesentlich beeinflussen da so am Fundament der Initiative ndash der Be-legschaft ndash die Weichen auf Veraumlnderung gestellt werden Weitreichende Veraumlnderungsprozesse in Organisationen bauen in der Regel im ersten Schritt auf die Entwicklung einer Bereitschaft und eines Bewusstseins fuumlr Veraumlnderung unter den Mitarbeitern ndash flaumlchendeckende White-Belt-Schu-lungen sind damit eine moumlgliche Maszlignahme um die spaumltere Umsetzung der Veraumlnderungen auf fruchtbaren Boden fallen zu lassen
Fisher war nun in der Bringschuld ndash er hatte dafuumlr Sorge zu tragen dass zeitnah erste finanzielle Auswirkungen und valide Prozessverbesserungen wie die Reduzierung der Durchlaufzeiten erzielt wurden wuumlrden Wo vorher noch die Quantitaumlt der ausgebildeten Belts den Gradmesser fuumlr den Erfolg der Einfuumlhrung definierte stand nun die Qualitaumlt der einzelnen Projekte im Fokus
Die ersten angestoszligenen Projekte durch Fisher zeigten zusaumltzliche Schwierigkeiten Die George Group hatte seines Ermessens nach auf der Suche nach kurzfristigen Gewin-
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nen den sogenannten bdquoQuick Winsldquo die Nachhaltigkeit und Langfristigkeit der Projekt-ergebnisse vernachlaumlssigt Er fuumlhrte dies darauf zuruumlck dass zu wenig mit den jeweiligen Prozessverantwortlichen uumlber ihre Herausforderungen und Erfahrungen gesprochen wur-de Schnelle Erfolge sind besonders zu Beginn gut fuumlr die interne Kommunikation und das Image der Veraumlnderungsinitiative ndash sind aber auch nicht alles vor allem wenn man sich nicht ausreichend dem Alltag der Beteiligten widmet Fisher houmlrte zunaumlchst einmal zu ndash fuumlr ihn war das die Grundlage um nicht nur eine kurzfristige sondern langfristige Wirkung der anfaumlnglichen Impulsprojekte zu gewaumlhrleisten Gleichzeitig konzentrierte er sich auf die schwierigsten Bereiche die bislang von der Implementierung auszligen vor ge-lassen wurden Denen die aus verschiedenen Gruumlnden am Erfolg von Lean Sigma noch immer zweifelten wollte er so die Moumlglichkeit einer Behauptung wie bdquodas was bei Home Depot funktioniert wird bei uns nicht funktionierenldquo nehmen Die zeitnah generierten Ergebnisse sprachen fuumlr Fisher und seinen auf langjaumlhriger Erfahrung beruhenden Ansatz
354 Zwischenergebnis
Einer der ersten groszligen Meilensteine war ein Projekt das sich mit dem Liefer- und Ins-tallationsprozess von Elektrogeraumlten ndash einem aumluszligerst defizitaumlren Geschaumlftsbereich ndash aus-einandersetzte Bevor die Lean-Sigma-Methodik auf dieses Problem angewandt wurde waren sich die Beteiligten Manager und Mitarbeiter sicher Die Ursache fuumlr das Prob-lem liegt in den Verkaufsgeschaumlften und die richtige Maszlignahme ist eine durch Lean Sig-ma verbesserte Schulung der Verkaumlufer in den bdquoBig Blue-Boxesldquo Nach ersten Analysen zeichnete sich jedoch ab dass das ursaumlchliche Problem fuumlr die Verluste waumlhrend der In-stallation beim Kunden auftrat ndash die Installateure wurden waumlhrend ihrer Arbeit begleitet und die datenbasierte Vermutung sollte sich bestaumltigen Die Verluste gingen darauf zuruumlck dass Zubehoumlr bei der Auslieferung und Installation der Elektro-Geraumlte kostenfrei heraus-gegeben wurde Die Auszligendienstmitarbeiter waren ausschlieszliglich auf die Zufriedenheit ihrer Kunden fokussiert und uumlberlieszligen so saumlmtliches Zubehoumlr wie Kabel und Werkzeug das fuumlr die Installation des Geraumltes notwendig war dem Kunden Etliche dieser Kunden brachten anschlieszligend ungenutztes Zubehoumlr zuruumlck in den Laden und erhielten eine Ruumlck-erstattung der Kosten ndash ohne jemals dafuumlr bezahlt zu haben
Nun kann man der Intuition der Manager folgen und die Verkaufsfaumlhigkeiten der Mit-arbeiter im Geschaumlft durch Lean Sigma verbessern was auch eine signifikante Verbesse-rung der Geschaumlftszahlen hervorrufen wuumlrde ndash doch waumlre damit die eigentliche Ursache fuumlr den defizitaumlren Geschaumlftsbereich behoben worden Lean Sigma ermoumlglichte das Er-gebnis eines datenbasierten Ansatzes und die Entwicklung eines artikelbasierten Distribu-tionssystems fuumlr die Zubehoumlrmaterialien Als Resultat verfuumlgte jedes Zubehoumlr uumlber eine Artikelnummer und einen Preis ndash der Installateur konnte nun ergaumlnzende Materialien di-rekt beim Kunden vor Ort verkaufen
Fisher bewertete diese Leistung wie folgt bdquoDieses Projekt zeigte vielen bei uns wo der Unterschied zwischen Intuition im Tagesgeschaumlft und faktenbasierten Loumlsungsansaumltzen
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mit nachhaltigen Ergebnissen liegt Lean Sigma hilft bei der Loumlsung des schwerer wiegen-den Problems und verschwendet keine Zeit bei der Loumlsung irgendeines Problems Zusaumltz-lich wurde die Anwendbarkeit auszligerhalb der Fertigungsindustrie bestaumltigt Das Leistungs-versprechen wirkt auch im Dienstleistungsbereich ndash jede Einsparung in diesem Projekt zahlte sich Eins-zu-eins auf die Marge aus weil wir vorher Produkte einfach verschenkt habenldquo (Perkins und Rao 2011)
Der Fokus der Projekte lag nicht nur auf der Einsparung von Kosten ndash nach eige-nen Angaben wurden in den ersten sechs Jahren uumlber 800 Mio $ eingespart ndash sondern auch auf der Generierung von Umsatzsteigerungen Projektergebnisse wie das soeben beschriebene uumlberzeugten die Mitarbeiter und veraumlnderten die Gewohnheiten Die sich an die Projekte anschlieszligenden Auditprozesse offenbarten dass die Einsparpotenziale sehr konservativ geschaumltzt wurden und dass sich die Wirkung der Veraumlnderung durch die Lean-Sigma-Initiative mit der Zeit verstaumlrkte ndash dies unterstrich die Nachhaltigkeit des an-gestoszligenen Wandels
Die Architektur des Lean-Sigma-Ansatzes wurde in allen Standorten von BeBu (USA Kanada Mexiko China und Europa) unter der Regie Fishers umgesetzt Im Laufe der Jah-re entwickelte sich das bdquoProgrammldquo zu einer bdquoFaumlhigkeitldquo des Unternehmens Im Mittel-punkt stand die Vernetzung der Organisation als Einheit und der Aufbau eines bdquoZentrums fuumlr Exzellenzldquo Jede Fuumlhrungskraft sollte unabhaumlngig von geografischen Abgrenzungen auf das im Unternehmen verteilte Leistungsvermoumlgen zuruumlckgreifen koumlnnen Obwohl Fisher kein Interesse daran hatte seine ausgebildeten BB mit denen der um einiges er-fahreneren Konkurrenz zu vergleichen gewann BeBu auf einem jaumlhrlich stattfindenden Wettbewerb unter 25 Unternehmen im Jahr 2011 den bdquoLean Six Sigma Bowlldquo
355 Fazit
Zu Beginn des neuen Jahrtausends konnte Best Buy auf eine erfolgreiche Unternehmens-entwicklung zuruumlckblicken Die Ingredienzen des Erfolges Wachstum und Innovation Als das Wachstum langsam nachlieszlig mussten sich die erfolgsverwoumlhnten Verantwort-lichen unuumlbliche Fragen stellen Wer sind unsere Kunden Worauf basieren wir unsere Entscheidungen Wie optimieren wir unseren Ressourceneinsatz Wie koumlnnen wir den Erfolg unserer zahlreichen Innovationsvorhaben messen
Veraumlndernde Rahmenbedingungen sind auch fuumlr BeBu keine Ausnahme und so berei-tete das Unternehmen ab 2004 die Justierung des Geschaumlftsmodells vor Weg vom Pro-dukt ndash hin zum Kunden Dies lag im Wesentlichen daran dass sich das Marktumfeld des Einzelhandels stark veraumlnderte ndash neue Onlinewettbewerber die zunehmende Stan-dardisierung von Produkten und gesunkene Margen bestimmten das Geschaumlftsleben Auf der Suche nach Handlungsoptionen entschied man sich fuumlr die problemorientierte und kundenfokussierte Lean-Sigma-Methodik ndash Probleme sollten in Zukunft systematisch definiert gemessen analysiert verbessert und kontrolliert werden Die Transformation
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sollte kein leichtes Unterfangen werden da BeBu keine klassische Top-down-Organisa-tion war sondern auf ihre experimentierfreudige und selbstbewusste Belegschaft baute Die Implementierung der Lean-Sigma-Methodik ist fuumlr dieses Grundverstaumlndnis das beste Beispiel Die Initiative ging nicht aus Uumlberlegungen des Vorstands sondern des mittleren Managements hervor
Die innovative Unternehmenskultur war jedoch nicht nur foumlrderlich fuumlr den ameri-kanischen Handelsriesen sondern fuumlhrte auch zu erheblichen Schwierigkeiten waumlhrend der Lean-Sigma-Implementierung Man war generell stolz auf den Ablauf der gewohnten Arbeitsweise bdquoWir arbeiten mit Lichtgeschwindigkeit ndash wir schmeiszligen ein paar Sachen gegen die Wand und sehen sofort was funktioniertldquo (Perkins und Rao 2011) Dieser Stan-dard stand im krassen Gegensatz zum statistikgetriebenen Six-Sigma-Ansatz der Fort-schritt uumlber sorgfaumlltige Analysen von Zahlen Daten und Fakten definierte Eine konkrete Messbasis als Ausgangslage fuumlr Verbesserungen ein detailliertes Verstaumlndnis der auftre-tenden Probleme eine systematische Loumlsungsfindung und eine mittelfristige Validierung der Projektergebnisse zur Gewaumlhrleistung nachhaltiger Veraumlnderung Den Mitarbeitern war der zeitliche Aufwand der fuumlr diese Disziplin und Praumlzision notwendig war anfangs fremd
Eine weitere Herausforderung der sich Fisher stellen musste war die weit verbreitete Uumlberzeugung im Unternehmen dass die Lean-Sigma-Systematik nicht im Einklang mit Innovation stand Gemaumlszlig diesem Standpunkt war Innovation nicht planbar Lean Sigma zielte aber darauf ab zunaumlchst jeden Prozesses in irgendeiner Art zu dokumentieren und zu kontrollieren um ihn anschlieszligend zu verbessern Es standen sich also ungeplante In-novation und geplante Verbesserungen kontrastreich gegenuumlber Fuumlr die Mitarbeiter war dieser Kontrast schwierig insbesondere weil sie nicht ausreichend Geduld aufbringen konnten um die zuvor erwaumlhnten geplanten Bausteine der Methodik zuzulassen Auch wenn die Mehrheit der Beteiligten das Konzept von Lean Sigma unterstuumltzten herrschte bei vielen Skepsis gegenuumlber der Entscheidung Zusaumltzlich schlug ein 2007 publizierter Artikel uumlber die Six-Sigma-Implementierung bei 3M hohe Wellen ndash der Zweifel an Fis-hers Uumlberzeugung verhaumlrtete sich
Beispiel Effizienz vs Innovation ndash 3M
Der fruumlhere CEO von GE und Vordenker von Six Sigma Jack Welch war der tonan-gebende Manager in den 1990er-Jahren Einer seiner treuesten Juumlnger im Unterneh-men war James McNerney ndash ehemaliger McKinsey Berater ndash der nach elf Jahren im amerikanischen Mischkonzern im Dezember 2000 an die Spitze von 3M wechselte Die Erwartungen waren groszlig an den ersten externen CEO in der uumlber 100-jaumlhrigen Unternehmensgeschichte ndash allein die Verkuumlndung seines Namens lies den Aktienkurs sprunghaft ansteigen
3M befand sich zu dieser Zeit im Umbruch Wo die Mitarbeiter zuvor noch offiziell 15 ihrer Arbeitszeit fuumlr eigene Projekte nutzen durften ndash Risiko wurde dabei be-
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staumlrkt und Fehler toleriert ndash sah sich das Unternehmen mit unvermeidlichen Realitaumlten konfrontiert Umsatz und Profit waren unbestaumlndig die Wirtschaftslage spitzte sich 1998 vor allem in Asien immer mehr zu der Aktienkurs des Unternehmens an der Wall Street verpasste den Aufschwung Ende der 1990er-Jahre und der Organisation fehlte es an Flexibilitaumlt Struktur und Effizienz Letzteres war McNerneys Steckenpferd
Er bediente sich in seiner fuumlnfjaumlhrigen Regentschaft der Konsequenzen alt bewaumlhr-ter GE-Methoden ndash er entlieszlig ca 11 der Belegschaft (8000 Mitarbeiter) systemati-sierte die Erfolgskontrolle und schnallte den Guumlrtel des Unternehmens enger Wesent-licher Bestandteil seines Fuumlhrungsstils war die Uumlberzeugung der Wirkungsfaumlhigkeit von Six Sigma ndash Tausende Mitarbeiter wurden zu BB und fast jeder Einzelne zum GB ausgebildet um die Organisation die bekannt dafuumlr war Problemen Geld hinterher zu werfen rigoros auf Effizienz zu trimmen In seinem ersten Jahr kuumlrzte er die Investi-tionen um 22 im zweiten Jahr um weitere 11 Die Finanzierung von Forschung amp Entwicklung hielt er konstant bei 1 Mrd US-$ im Jahr Obwohl Six Sigma urspruumlng-lich als Qualitaumltsverbesserungsansatz gedacht war legte McNerney den Schwerpunkt auf die Einsparung von Zeit und Kosten in der Wertschoumlpfung Der Plan ging auf Der verloren geglaubte Aktienkurs wurde mit herausragenden Jahresberichten wiederbelebt und McNerney wurde dafuumlr ausgezeichnet Disziplin in eine unhandliche sprunghaf-te und traumlge Organisation gebracht zu haben Im Jahr 2005 verlieszlig der vermeintliche Heilsbringer unerwartet 3M um die naumlchste Herausforderung anzunehmen ndash er wurde CEO bei Boeing
Fuumlr seinen Nachfolger George Buckley (wieder ein Eigengewaumlchs des Konzerns) stellte sich die Frage ob waumlhrend des unerbittlichen Drangs nach Effizienz die Krea-tivitaumlt ndash als Triebfeder von Innovation ndash auf der Strecke geblieben war 3M war in der Vergangenheit der Ausgangspunkt zahlreicher Erfindungen wie Kreppband Thinsulate oder der wohl bekanntesten der Klebezettel bdquoPost-itldquo Derartige Erfindungen waren oft das Ergebnis jahrelanger Forschungen und Tests Fuumlr die Mitarbeiter war es logisch dass eine Erfindung wie der kanariengelbe 76 times 76 mm groszlige Klebezettel unter den Rahmenbedingungen von Six Sigma niemals auftauchen wuumlrde Sie lagen nicht ganz falsch Bahnbrechende Innovationen wurden Mangelware ndash wo fruumlher ein Drittel des Umsatzes auf kuumlrzlich erfundene Produkte zuruumlckging waren es im Jahr 2007 nur noch ein Viertel Fuumlr Buckley war dies kein Zufall Optimierungsprogramme wie Six Sigma identifizieren Schwachstellen in Geschaumlftsprozessen um auf Basis von Messungen Va-riation und Fehler zu eliminieren ndash Kreativitaumlt kann dabei schnell erstickt werden Sei-ner Ansicht nach ist eine Erfindung das Ergebnis eines ungeordneten Prozesses ndash bdquoMan kann in diesem Zusammenhang nicht Six Sigma anwenden und fuumlr Mittwoch drei und fuumlr Freitag zwei gute Ideen einplanen weil man am Anfang der Woche keine hatte So funktioniert Kreativitaumlt nichtldquo (Perkins und Rao 2011) Der neue CEO von 3M belieszlig es nicht nur bei Worten sondern machte viele Schritte seines Vorgaumlngers ruumlckgaumlngig
Dies gefiel nicht allen Beteiligten denn auch wenn nach Ansicht vieler Beobachter der Innovationsdrang von 3M geopfert wurde so sprachen die wirtschaftlichen Kenn-
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zahlen des Konzerns eine deutliche Sprache Die Wall Street mochte das rigorose Vor-gehen McNerneys ndash der Gewinn stieg im Durchschnitt jedes Jahr um astronomische 22 Diese Fuszligstapfen waren fuumlr Buckleys Strategie zu groszlig Er verfehlte die Jahres-ziele anfangs deutlich und erst seit 2007 mithilfe steigender Aktienkurse konnte er zahlreiche Skeptiker eines Besseren belehren
Begleitet wurde er stets von den Nachwirkungen der Regentschaft McNerneys Im Jahr 2004 wurde 3M in einem Ranking der Boston Consulting Group noch als das in-novativste Unternehmen gefuumlhrt 2005 war es Platz 2 2006 Platz 3 und im Jahr 2007 fiel es auf Platz 7 Buckley lockerte deswegen vor allem fuumlr in der Forschung taumltige Mitarbeiter die aus der Six-Sigma-Lehre stammenden Zuumlgel Insbesondere aus die-sem Bereich war bekannt dass sich die Forscher vor lauter zu erreichenden Kenn-zahlen Green-Belt-Programme und Ergebnisse ausdachten um ihre Quoten zu erfuumll-len Zusaumltzlich wurde das Budget fuumlr FampE aufgestockt ndash im Jahr 2007 um 20 auf 15 Mrd US-$
Der Unterschied zwischen McNerney und Buckley wird vor allem dann deutlich wenn man sich die davon profitierenden Bereiche genauer anschaut Buckley inves-tiert das meiste Geld in ein breites Portfolio an aussichtsreichen Technologien (von Schleifsystemen bis zur Nanotechnik) wohingegen McNerney im Jahr 2004 eine Arz-neicreme zur Hautpflege als vielversprechendstes Produkt bezeichnete Im Januar 2007 verkaufte Buckley den Bereich der Arzneimittel fuumlr 2 Mrd US-$
Auch wenn seit 2005 das Erbe von McNerney langsam aber sicher verarbeitet wird ist es unbestritten dass er in einer wirtschaftlich turbulenten Zeit positive Impulse ge-ben konnte Das Gros der Belegschaft fuumlhlte sich nach seinem Weggang aber erfrischt ndash jetzt wo der unternehmerische Schwerpunkt nicht mehr auf Profitabilitaumlt und Pro-zessdisziplin sondern wieder auf Wachstum und Innovation gelegt wurde Ganz nach der Aussage eines Mitarbeiters bdquoDank Buckley duumlrfen wir wieder traumlumenldquo (Perkins und Rao 2011)
Fisher adressierte die Zweifel an seiner Vorgehensart mit internen Informationsveranstal-tungen und Forumsdiskussionen Damit wollte er eine brodelnde Geruumlchtekuumlche vermei-den und Raum fuumlr inhaltliche Diskussionen und offenen Meinungsaustausch schaffen Seine Botschaft beinhaltete dabei die Auffassung dass Lean Sigma Innovation ermoumlglicht und nicht limitiert Er betonte in diesem Zusammenhang dass Lean Sigma den Mitarbei-tern mehr Zeit und Energie zur Verfuumlgung stellt um die richtigen Probleme richtig zu loumlsen bdquoWenn wir uns auf die Dinge konzentrieren die unser Endergebnis kritisch beein-flussen sprechen wir von echter Innovation weil wir die richtigen Probleme loumlsen Das beste Beispiel sind die verschenkten Zubehoumlre bei der Installation von Elektrogeraumlten ndash ohne die systematische Evaluierung der Daten waumlren wir nie darauf gekommen und haumltten etliche Millionen nicht einsparen koumlnnen Durch Lean Sigma setzen wir Ressourcen frei ndash Zeit und Geld ndash so koumlnnen sich die Menschen auf Neues konzentrieren Innovationldquo (Perkins und Rao 2011)
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Wo steht die Lean-Sigma-Initiative bei Best Buy heute Auch wenn die Gemeinsam-keiten der beiden Beispielunternehmen verbluumlffend sind lassen sich im Unterschied zu 3M die methodischen Bemuumlhungen beim amerikanischen Handelsriesen bis heute verfol-gen Ausschlaggebend dafuumlr war der Antrieb durch Fishers jahrelange Erfahrung und sein ausdauerndes Engagement Dem Anschein nach gelang es ihm die dargestellten Probleme unter Kontrolle zu bekommen und den kritischen Stimmen im Unternehmen eine neue Perspektive zu bieten Doch das ist nicht alles denn der Handel mit elektronischen Gerauml-ten ist ein hartes Geschaumlft bedingt durch duumlnne Margen (unter 3 ) sinkende Preise und aufstrebende Onlinewettbewerber Abgesehen davon dass daruumlber hinaus die Finanzkrise zu erheblichen Dissonanzen in den Geschaumlftszahlen fuumlhrte laumlsst insbesondere die Ent-wicklung des direkten Konkurrenten Circuit City der 2009 Insolvenz anmeldete Boumlses erahnen Branchenexperten stellen den Niedergang von BeBu wie es heute besteht nicht mehr infrage
Ausschlaggebend dafuumlr ist im Wesentlichen das Geschaumlftsmodell der bdquoBig Blue-Bo-xesldquo ndash dabei hat BeBu im Gegensatz zu Onlineanbietern wie Amazon erhebliche Kosten fuumlr Immobilien und Mitarbeiter der Filialen zu decken Dies spiegelt sich im Preis wider ndash die Menschen schauen sich die Produkte im Geschaumlft an vergleichen das Angebot und kaufen die Ware schlieszliglich bei der Konkurrenz im Internet BeBu wird zum bdquoShowroomldquo und ist dabei durchschnittlich 12 teurer als der Onlinehandel ndash im Ergebnis werden die Filialen unrentabel und das Unternehmen verliert Stuumlck fuumlr Stuumlck Marktanteile Zu allem Uumlberfluss uumlbertoumlnen personelle Querelen zwischen Gruumlnder Schulze und dem Vorstand die Schlagzeilen und lenken von den eigentlichen Neuigkeiten ab BeBu schloss zum 2 Quartal 2012 50 der bdquoBig Blue-Boxesldquo und eroumlffnete stattdessen 100 kleinere Filialen
Nun kommt es also darauf an wie gut sich BeBu anpassen kann ndash in dieser Hinsicht gehen die Meinungen auseinander Die einen sagen dass diese Verkleinerung der Stand-orte ein erster Schritt sein koumlnnte um dem Erfolg der AppleStores nachzueifern ndash die anderen behaupten dass sich die operativen Maszlignahmen denen von Circuit City zu stark aumlhneln und BeBu aufgrund der ansteigenden Marktmacht von Amazon dem Untergang geweiht ist
Am Ende erhaumlrtet sich der Verdacht dass es BeBu vor lauter Prozessoptimierungen verschlafen hat sich den aumluszligeren wirtschaftlichen Gegebenheiten anzupassen (insbeson-dere hinsichtlich des E-Commerce) ndash der Innovationsdrang die Lebensgrundlage des Unternehmens scheint abhanden gekommen Kann es moumlglicherweise sein dass die ri-gorose Lean-Sigma-Implementierung ihren Teil dazu beigetragen hat Wurde der Fokus zulasten des Blicks uumlber den Tellerrand zu sehr auf den DMAIC-Zyklus gelegt Wiegt fuumlr ein Unternehmen wie BeBu der Freiraum fuumlr Kreativitaumlt doch schwerer als geordnete Prozessdisziplin Dieser Aspekt wird zum Ende des Kap 4 tiefergehend diskutiert
Wie lange sich die Lean-Sigma-Methodik unter diesen unbestaumlndigen Bedingungen noch bewaumlhren kann ist mehr als fraglich Mike Fisher wechselte im Oktober 2012 von Best Buy zu Amazon ndash als Leiter fuumlr kontinuierliche Verbesserung und Standardisierung des bdquoAmazon Customer Excellence Systemsldquo Abbildung 35 gibt einen Uumlberblick uumlber Lean Sigma bei Best Buy
14336 Das Kapitel in aller Kuumlrze
36 Das Kapitel in aller Kuumlrze
So wie in einem Auto verschiedene Instrumente Messanzeigen und Bedienungshebel zu beachten sind heiszligt es auch waumlhrend einer Operational-Excellence-Initiative auf der rich-tigen Spur mit der richtigen Geschwindigkeit und im richtigen Gang zu fahren Dieses Kapitel beleuchtet fuumlnf Praxisbeispiele mit stark unterschiedlichen Pointen Die Umset-zung des Lean Managements beim Hamburger Kranhersteller Neuenfelder Maschinen-fabrik (NMF) und der franzoumlsischen FCI-Gruppe (FCI) die Implementierung von Six Sigma beim kanadischen Lebensmittelhersteller Maple Leaf Foods (MLF) und der Bank of America (BoA) und zuletzt die Einfuumlhrung von Lean Sigma beim amerikanischen Han-delsriesen Best Buy (BeBu)
Die 2010 gestartete Lean-Initiative bei der Neuenfelder Maschinenfabrik war eine Erfolgsgeschichte bis sie durch die Insolvenz der Muttergesellschaft 2011 gestoppt wur-de Die Zukunft des Unternehmens und seiner Mitarbeiter war ungewiss Trotz dieses negativen Vorzeichens fand die aufgrund der lean-bedingten Impulse wettbewerbsfaumlhige NMF 2012 einen starken industriellen Partner Seitdem wird die Erfolgsgeschichte fortge-setzt und die Eliminierung von nichtwertschoumlpfenden Taumltigkeiten und die Einfuumlhrung von standardisierten Arbeiten bildet wieder die Grundlage fuumlr den Unternehmenserfolg Die Geschaumlftsfuumlhrung setzt besonders auf die durch die uumlberwundene Krise gestaumlrkte Beleg-schaft ndash von der im Krisenjahr 2012 niemand das Unternehmen verlassen musste Vor der Krise gab es die Vision von der bdquoFabrik des Jahres mit operationaler Exzellenzldquo ndash diese ist wieder zum Greifen nahe
Der sich seit 2009 im Amt befindende CEO stattete jedem der 24 Produktionsstand-orte der FCI-Gruppe einen Besuch ab Das Ergebnis war die Vision durch Lean ein Benchmark in Bezug auf Marktanteil Umsatzwachstum Profitabilitaumlt und Mitarbeiter-verantwortung zu werden In der Folge wurde bis 2011 der Wert der Unternehmensgruppe durch die disziplinierte Umsetzung der japanischen Leistungsphilosophie fast verdoppelt Der Eigentuumlmer der FCI-Gruppe ndash der Finanzinvestor Bain Capital ndash zerschlug die Grup-pe daraufhin gewinnbringend und der CEO verlieszlig die Organisation Wenn Lean an den Beduumlrfnissen des Unternehmens ausgerichtet konsequent umgesetzt wird ist die Hebel-wirkung selbst in nur drei Jahren erstaunlich Als sich das Leistungsvermoumlgen gerade ent-faltete wurde der Initiative die Luft zum Atmen genommen
Die mittlerweile 13-jaumlhrige Six-Sigma-Implementierung bei MLF ist eine Erfolgs-geschichte Obwohl das Unternehmen rein betriebswirtschaftlich gesehen kerngesund war gelang es den Initiatoren ihrer Belegschaft Unzufriedenheit mit dem Status quo und Dringlichkeit fuumlr die Notwendigkeit der Initiative zu vermitteln Entscheidend waren die langjaumlhrige Berufserfahrung der passionierte Einsatz und das unmissverstaumlndliche Com-mitment der Initiatoren Von Anfang an ging es nicht um die Umsetzung von Six-Sigma-Projekten sondern um den Aufbau einer Six-Sigma-Organisation Die Arbeitsweise ist heute ohne dass man daruumlber spricht faktenbasiert diszipliniert transparent und kunden-fokussiert Die tiefe Uumlberzeugung der Null-Fehler-Qualitaumlt definiert heute jede Faser der DNA des kanadischen Unternehmens
144 3 Praxiserfahrung mit Operational Excellence
Die 2001 initiierte Six-Sigma-Initiative bei der Bank of America scheint nur auf den ersten Blick ein Erfolg zu sein Zunaumlchst wurden die Produktivitaumlt und Kundenzufrieden-heit gesteigert Fehlerquellen und Wartezeiten reduziert und durch eine kulturelle Trans-formation ruumlckten der Kundenfokus und der Qualitaumltsanspruch in den Mittelpunkt der Wertschoumlpfung Seit 2006 war die Bank durch Akquisitionen Amerikas groumlszligtes Kredit-institut und gehoumlrte 2008 noch zu den teuersten Marken der Welt ndash dann erschuumltterte die Finanzkrise die Grundmauern der BoA Das Leistungsversprechen von Six Sigma bot scheinbar keinen Schutz vor strategischen Fehlentscheidungen Nach einem CEO-Wech-sel stand erst einmal das Uumlberleben am Markt und nicht die Sicherstellung der Kundenzu-friedenheit auf der Tagesordnung Die Neujustierung der Unternehmensstrategie lies den Leistungsanspruch von Six Sigma einschlafen
Die Zutaten des Erfolges von Best Buy waren seit jeher Wachstum durch Innovation Zu Beginn des neuen Jahrtausends lieszlig das Wachstum nach Das Ergebnis der strategi-schen Neuorientierung weg vom Produkt ndash hin zum Kunden Probleme sollten mit Lean Sigma in Zukunft systematisch definiert gemessen analysiert verbessert und kontrolliert werden Bis heute wird Lean Sigma verfolgt doch trotz Kundenorientierung ist der Inno-vationstrieb verloren gegangen Duumlnne Margen sinkende Preise und aggressive Online-wettbewerber bestimmen den Alltag Die Organisation scheint vor lauter Prozessoptimie-rungen verschlafen zu haben sich den aumluszligeren wirtschaftlichen Gegebenheiten innovativ anzupassen Best Buy scheint ein Beispiel dafuumlr zu sein dass der Freiraum fuumlr Kreativitaumlt schwerer wiegen kann als geordnete Prozessdisziplin
Literatur
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145
Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen 4
Alles wird staumlndig infrage gestellt Unabhaumlngig von den konkreten Verbesserungen die jeder Einzelne zum Gesamtsystem beitraumlgt liegt der wahre Kern in der Schaffung einer Atmosphaumlre kontinuierlichen Lernens und einer Umgebung die Veraumlnderung nicht nur akzeptiert sondern ausdruumlcklich foumlrdert Eine solche Umgebung entsteht nur dort wo Menschen respektiert werdenGary Convins (Praumlsident von Toyota Motor Manufacturing)
copy Springer Fachmedien Wiesbaden 2014M H Dahm A D Bruumlckner Operational Excellence mittels Transformation Management FOM-Edition DOI 101007978-3-658-05092-4_4
146 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
So wie der Vater seinem Sproumlssling die richtige Dosierung der Kupplung im Straszligenver-kehr naumlher gebracht hat lieszlig sich aus Kap 3 ein guter Eindruck uumlber die Umsetzung von Operational-Excellence-Programmen in der Praxis gewinnen Es zeigt sich dass die An-wendungsmoumlglichkeiten mannigfaltig sind Die Ergebnisse sind teilweise so unterschied-lich wie die Lebenslaumlufe der jeweiligen Initiatoren selbst Trotz aller methodischen Viel-faumlltigkeit und wirtschaftlicher Unberechenbarkeit praumlgen immer wiederkehrende Muster die Entwicklung der einzelnen Initiativen Es lassen sich konkrete Faktoren die in be-sonderem Maszlige die Wirksamkeit von Operational-Excellence-Programmen beeinflussen benennen Wenn das Auto der Sicherheitskontrolle durch den TUumlV unterzogen wird wer-den waumlhrend der Haupt- und Abgasuntersuchung die wichtigsten Bestandteile auf Herz und Nieren uumlberpruumlft die Ergebnisse in einer Checkliste festgehalten Kap 4 entspricht einer solchen Checkliste und fuumlhrt die kritischen Erfolgsfaktoren und ihre notwendigen Bedingungen fuumlr das Erreichen operativer Exzellenz auf Die Komposition der zu beruumlck-sichtigenden Bausteine ist in Abb 41 dargestellt Es gilt zu beachten dass die Darstellung weder eine inhaltliche Priorisierung noch eine zeitliche Determinierung vornimmt ndash nur wenn die Klaviatur ausgeglichen bespielt wird entsteht eine harmonische Melodie und der gewuumlnschte Zielzustand wird erreicht Unter der konsequenten Missachtung nur eines Akkords leidet der Gesamtklang
Zum Abschluss des Kapitels wird die Mechanik also das Leistungsversprechen der Operational Excellence ohne sich im methodischen Detail oder praktischem Ausnahme-fall zu verlieren auf den Pruumlfstand gestellt Dies ist entscheidend denn bei dieser Uumlber-pruumlfung der bdquoStraszligenverkehrstauglichkeitldquo werden Maumlngel offen angesprochen und dis-kutiert ndash erste Handlungsempfehlungen runden das Kapitel ab
ERFOLGSFAKTOREN
Operational-Excellence-Initiative
Initiative mit Organisation
harmonisieren
Vision und Committment
leben ndashKommunikation
etablieren
Mitarbeiter fuumlhren und
foumlrdern durch Fordern
Richtige Projekte
machen ndashProjekte richtig
machen
Fortentwicklung messbar machen
Abb 41 Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Initiativen
14741 Initiative und Organisation harmonisieren
41 Initiative und Organisation harmonisieren
Warum ist ausgerechnet diese Initiative sinnvoll fuumlr die Organisation Ganz zu Beginn muss die Frage klar und eindeutig beantwortet sein Das Augenmerk richtet sich dabei ausschlieszliglich auf die Ausgangslage Beduumlrfnisse und Moumlglichkeiten der Organisation Als Pierre Vareille CEO der FCI-Gruppe wurde befand sich kein fertiges Lean-Konzept in seinem Gepaumlck (Laumuno und Yuumlcesan 2012) Im Gegenteil In den ersten zwei Mo-naten besuchte er alle 24 Produktionsstandorte um sich zunaumlchst einen Eindruck vor Ort zu verschaffen Erst danach wurde eine dem Unternehmen entsprechende Lean-Initiative ausgearbeitet In diesem fruumlhen Stadium sind sowohl persoumlnliche Profilierungsinteressen zuruumlckzustellen als auch erste Impulse zur Architektur der Initiative und Infrastruktur der Projekte noch unerheblich Die Fragestellung warum ausgerechnet diese Methodik sinn-voll ist verlangt nach Antwort aus Sicht zweier wesentlicher Perspektiven der betriebs-wirtschaftlichen auf der einen und der kulturellen Perspektive auf der anderen Seite
411 Betriebswirtschaftliche Anschlussfaumlhigkeit gewaumlhrleisten ndash Veraumlnderungsbereitschaft evaluieren
Auf betriebswirtschaftlicher Ebene muss gefragt werden ob die ins Auge gefasste Me-thodik mit ihrem Leistungsversprechen zu den organisatorischen und operationalen Ge-gebenheiten des Unternehmens passt Michael McCain von Maple Leaf Foods initiierte Six Sigma nicht weil sein Unternehmen Restrukturierungsmaszlignahmen benoumltigte oder die Methodik gerade im Trend lag Vermutlich koumlnnen das nicht alle Unternehmensfuumlhrer behaupten die sich seit der Jahrtausendwende der Umsetzung eines der strategischen Pro-gramme gewidmet haben Sicherlich war fuumlr McCain die Aktualitaumlt der Methodik Ende der 1990er-Jahre nicht zu leugnen Mit ausschlaggebend war aber ein inhaltlicher Aspekt Der systematische Qualitaumltsverbesserungsansatz sollte die Infrastruktur seiner Organisa-tion die aufgrund von zahlreichen Akquisitionen unuumlbersichtlich geworden war ordnen und die Wettbewerbsfaumlhigkeit in einem stetig kompetitiveren Umfeld steigern Sein An-satz war nicht reaktiv sondern proaktiv Haumltte sich der Unternehmer auf Six Sigma wie auf eine Modeerscheinung oder eine uumlberhastete Restrukturierungsmaszlignahme eingelas-sen staumlnde er heute sicherlich nicht die Vorteile der Methodik predigend an vorderster Front des kanadischen Lebensmittelherstellers
Die Antwort auf die Ausgangsfrage geht aber uumlber die betriebswirtschaftliche Kompo-nente hinaus denn kulturelle Eigenheiten der Organisation sind keineswegs zu vernach-laumlssigen Wenn die volle Wirksamkeit des methodischen Leistungsversprechens generiert werden soll zieht jedes der drei Operational-Excellence-Programme (Lean Six Sigma und Lean Sigma) eine flaumlchendeckende Implementierung im Unternehmen nach sich In der Konsequenz fuumlhrt dies zu einem kulturellen bdquoPowershiftldquo Es draumlngt sich also die Fra-ge auf wie es um die Veraumlnderungsbereitschaft der jeweiligen Organisationskultur bestellt ist In diesem Kontext laumlsst sich die Differenzierung der Wissenschaft in eine adaptive und
148 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
eine ablehnende Kultur heranziehen (vgl Kotter und Heskett 2011) Uumlber elf Jahre wurden 24 Unternehmen (12 veraumlnderungsbereite und 12 veraumlnderungsablehnende) untersucht Das Ergebnis der Forschung die Beobachtung eines uumlberdurchschnittlichen Wachstums hinsichtlich des Umsatzes des Profits der Mitarbeiter und des Aktienwertes der adapti-ven (Synonym veraumlnderungsaffinen) Unternehmenskultur1 Die Grundwerte der adapti-ven Unternehmenskultur sind demnach eine gute Beziehung zu Kunden und Mitarbeitern und dass die Organisation Personen und Prozesse die sich fuumlr positive Veraumlnderungen einsetzen zu schaumltzen weiszlig Das Verhalten ist durch Aufmerksamkeit gegenuumlber den Sta-keholdern und insbesondere den Kunden gepraumlgt Ferner sprechen die Autoren von der Faumlhigkeit Veraumlnderung proaktiv zu initiieren auch wenn dies ein gewisses Risiko birgt Dies erinnert wiederum an die proaktive Herangehensweise von McCain Dieser war sich auch in einem kulturellen Zusammenhang sicher die richtige Entscheidung zu treffen Er-gebnis- und leistungsorientierte Prinzipien und der Anspruch sich kontinuierlich zu ver-bessern definierten eine dynamische und veraumlnderungsaffine Kultur von MLF ndash McCain war sich sicher dass wenn die Organisation mit zahlreichen unruhigen Akquisitionen zurechtgekommen ist sie auch mit Six Sigma fertig werden wuumlrde
Eine Unterscheidung soll an dieser Stelle deutlich werden Die Frage ob es sich um eine veraumlnderungsaffine Organisationskultur handelt ist der erste wichtige Schritt Ele-mentar ist aber im zweiten Schritt die Uumlberpruumlfung ob die Kultur der Organisation hin-sichtlich einer konkreten Managementmethodik wie Six Sigma oder Lean Sigma veraumlnde-rungsaffin ist Wenn ein erfolgreicher Fuszligballspieler den Verein wechselt kommt es vor dass er nicht in der Lage ist aumlhnliche Leistung fuumlr den neuen Arbeitgeber zu erbringen Man spricht dann von einem Fehlkauf In unserem Fall wuumlrde man es eine Fehlinvestition nennen Die Frage ist also entscheidend Existiert ein bdquocultural fitldquo zwischen Methode und Organisation Eine Organisation kann innovativ kreativ und risikoaffin in der Terminolo-gie der Wissenschaft also adaptiv sein ndash doch wenn Lean Sigma nicht wirksam wird liegt das nicht zwangslaumlufig an einer vermeintlich veraumlnderungsaversen Organisationskultur sondern schlichtweg daran dass Lean Sigma fuumlr diese Organisation nicht sinnvoll ist Aus diesem Grund ist die Beantwortung der Ausgangsfrage warum gerade diese Initiative richtig ist von enormer Bedeutung
Die Trennschaumlrfe wird vor allem anhand des Beispiels von 3M deutlich Auch wenn es sich um ein hochinnovatives Technologieunternehmen handelte (welchem Veraumlnderungs-affinitaumlt problemlos zugeschrieben werden kann) und sogar aus betriebswirtschaftlicher Sicht die rigorose Einfuumlhrung von disziplinierter Effizienz sinnvoll erschien und sich fuumlr die Investoren an der Wall Street auszahlte wurde doch deutlich dass Lean Sigma zur 3M-Kultur nicht passte Es ging soweit dass dem Unternehmen fast die Kernkompetenz genommen wurde Das Unternehmen wurde bis auf den letzten Dollar ausgequetscht und
1 Ergebnisse der elfjaumlhrigen Forschung bezuumlglich der a) veraumlnderungsaffinen und b) veraumlnderungs-aversen UnternehmenskulturUmsatzwachstum a) 682 b) 166 Mitarbeiteranstieg a) 282 b) 36 Aktienkursanstieg a) 901 b) 74 Profitwachstum a) 756 b) 1
14941 Initiative und Organisation harmonisieren
die Mitarbeiterzufriedenheit sank in den Keller Es wird in Abschn 465 ausfuumlhrlich dis-kutiert was die Beziehung der beiden Pole Innovation und Effizienz ausmacht Bis dahin soll an dieser Stelle zusaumltzlich zu der notwendigen veraumlnderungsaffinen Unternehmens-kultur das Bewusstsein hinsichtlich einer notwendigen betriebswirtschaftlichen also auch kulturellen Anschlussfaumlhigkeit zwischen der Organisation und der Methodik geschaumlrft werden
412 Initiative sorgfaumlltig vorbereiten ndash Momentum des Startschusses nutzen
Die Findungsphase mit der Fragestellung welcher strategische Ansatz geeignet ist sollte nicht uumlberhastet werden Bei Best Buy handelte es sich um einen mehrmonatigen Prozess bei dem erst nach der Konsolidierung verschiedener Handlungsoptionen die Entscheidung auf Lean Sigma fiel Auch nach der Entscheidung gilt es die Initiative und das Projekt-management sorgfaumlltig vorzubereiten Wichtig ist Je mehr Menschen von der Initiative betroffen sind desto weniger schwer wiegt die Herausforderung der Bewaumlltigung eines Sachproblems ndash die emotionale Dynamik muss als Fokus begriffen werden Uumlber die Sinnhaftigkeit der flaumlchendeckenden White-Belt-Schulungen bei Best Buy laumlsst sich in diesem Zuge streiten ndash es ist grundsaumltzlich nicht empfehlenswert Hoffnungen und Er-wartungen zu schuumlren Wenn aus Sicht des Mitarbeiters nichts Handfestes auf den ersten meist theoretischen Kontakt mit der Initiative aufbaut kann Erwartung schnell in Ent-taumluschung umschlagen Diese Dynamik fuumlhrt zu unkalkulierbaren Folgeschaumlden denn aus aufwendigen Schulungen werden muumlde Eintagsfliegen und eine stolz verkuumlndete Initiati-ve hinterlaumlsst nach einem Strohfeuer ein Imageproblem und solides Misstrauen Vielmehr gilt es das Momentum eines Startschusses zu nutzen Dies gelingt nur wenn dieser richtig vorbereitet wurde In der Praxis gibt es sehr unterschiedliche Auspraumlgungen
Ein eher untypisches Beispiel ist der Ansatz von Bruce Miyashita und Michael McCain von MLF Miyashitas Einstellung als bdquoVP of Six Sigmaldquo wurde lediglich als Randnotiz kommuniziert damit sich beide abseits des Interesses der Belegschaft auf die anstehende monumentale Veraumlnderung vorbereiten konnten In der Folge sorgte dies aber nicht fuumlr Ruhe sondern steigerte das Interesse am bdquoMysterium Six Sigmaldquo Die Mitarbeiter suchten von sich aus den Kontakt mit Miyashita welcher erfahren genug war sich die Energie die-ses Spannungsbogens fuumlr sein Vorhaben zu Nutze zu machen Die Six-Sigma-Idee wurde so zielgerichtet und gewinnbringend unter die neugierigen Beschaumlftigten gebracht ndash typi-schen Vorurteilen konnte umgehend der Wind aus den Segeln genommen werden
413 Kosten-Nutzen-Analyse durchfuumlhren
Vor lauter stimmungsbeeinflussender Kommunikationstricks ist aber die Zielsetzung eines Operational-Excellence-Programms nicht zu vergessen die positive Auswirkung auf die Bilanz So steht zu Beginn in jedem Fall die Durchfuumlhrung einer Kosten-Nutzen-
150 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
Analyse ganz oben auf der Agenda Methodische Implementierungen kosten Geld und das ist bekanntlich knapp Bekannt ist dass die Investitionen fuumlr die Ausbildung der Belts im Rahmen von Six Sigma in der Regel wesentlich kostspieliger sind als der Aufwand fuumlr Lean-Aktivitaumlten Beide Ansaumltze sind auf eine Wirtschaftlichkeitsrechnung angewiesen d h anfangs muumlssen Zielvorgaben definiert werden zwischenzeitliche Fortschritte muumls-sen sowohl quantifiziert als auch qualifiziert und schlieszliglich muss der Erfolgsgrad der Im-plementierung monetarisiert werden Wichtig ist zum einen dass besonders erfahrene und aus unterschiedlichen Bereichen stammende Mitarbeiter oder Fuumlhrungskraumlfte hinreichend fundierte Schaumltzungen abgeben Zum anderen muss es ein zentrales Anliegen sein dass die Verantwortung fuumlr diese Analyse bei einer moumlglichst neutralen Person oder Abteilung liegt wie dem Controlling um weitestgehend Objektivitaumlt sicherzustellen Gleichzeitig muss gewaumlhrleistet sein dass genuumlgend qualitative Faktoren beruumlcksichtigt werden um dem holistischen Anspruch einer Verbesserungsphilosophie gerecht zu werden Dies wie-derum fordert die Bereitschaft und die Faumlhigkeit des Controllings die sogenannten bdquosoft factsldquo zu beruumlcksichtigen Dass Manager sich ihre Zielvorgaben schoumlnrechnen ist genauso kurzsichtig wie wenn Black Belts ihre qualitativen Ergebnisse an einen CFO berichten der sich nur fuumlr die eingesparten Kosten interessiert Welche bdquosoft factsldquo oder nichtmone-taumlren Nutzenpotenziale lassen sich spontan aufzaumlhlen
bull Verbesserung des Unternehmensimagesbull Verbesserung der Kommunikationbull Verbesserung des Informationsflussesbull Verbesserung der Motivation der Mitarbeiterbull Verbesserung der Servicequalitaumltbull Verringerung der Beschwerdequotebull Verbesserung der Lieferbereitschaftbull Verbesserung der Liefertermintreuebull Reduktion der Mehrarbeitbull Reduktion der Fehlerquotebull Verbesserung der Arbeitsablaumlufebull Verkuumlrzung der Durchlaufzeitenbull Verkuumlrzung der innerbetrieblichen Transportwege
414 Kulturkreis beachten
In der amerikanischen Filmkomoumldie bdquoGung Holdquo aus dem Jahre 1986 gibt es eine Szene in der eine Gruppe Japaner das erste Mal in die USA einreist Grund dafuumlr ist das Investment eines japanischen Automobilherstellers in einen Produktionsstandort in einer amerikani-schen Kleinstadt die wirtschaftlich am Abgrund steht Die japanischen Stellvertreter re-praumlsentieren die Rettung vor dem Ruin und werden schon auf dem Rollfeld uumlberschwaumlng-lich willkommen geheiszligen Es scheint dass die ganze Stadt auf den Beinen ist und jubelt
15141 Initiative und Organisation harmonisieren
als sich die Tuumlr des Privatfliegers oumlffnet Das Begruumlszligungskomitee rollt hastig einen roten Teppich bis an die Maschine woraufhin die Japaner sich irritiert anschauen um mitten auf dem Rollfeld die Schuhe auszuziehen bevor sie den Teppich betreten Dies verunsichert die Amerikaner am anderen Ende des Teppichs die sich ebenfalls umgehend ihrer Schuhe entledigen um Verstaumlndnis und Respekt zu signalisieren Das Gelaumlchter des Publikums markiert den Startschuss fuumlr eine amuumlsante Aneinanderreihung von staumlndig kollidierenden kulturellen Diskrepanzen im Film Auch wenn die Geschichte fiktiv ist geht sie auf wahre Begebenheiten mit japanischen Unternehmen wie z B Nissan zuruumlck die in den 1980er-Jahren Investments in der amerikanischen Automobilindustrie taumltigten Der Humor des Filmes profitiert von den zahlreichen Eigenheiten der sich stark unterscheidenden Kultu-ren Hinter dem Gelaumlchter kommt aber der wahre Kern nicht zu kurz Auf der einen Seite gibt es eine bemerkenswert ruumlcksichtsvolle Kultur die alles sauber haumllt und eine hoch individualisierte Kultur auf der anderen Seite welche die Menschen ermutigt andere Ver-haltensweisen zu respektieren unabhaumlngig davon wie seltsam diese sind Was bedeutet das fuumlr die Vorbereitung einer Operational-Excellence-Initiative
Die Umsetzung einer Kulturkreisanalyse ist auf den ersten Blick eher fuumlr international operierende Unternehmen relevant Das Kriterium bdquointernationalldquo bezieht sich in diesem Sinne nicht nur auf interkontinental verflochtene Unternehmen ndash das was in den 1980er-Jahren fuumlr Japaner und Amerikaner galt ist fuumlr Franzosen und Deutsche heute trotz fort-schreitender Europaumlisierung genauso relevant Erschwerend kommt hinzu dass Staats-grenzen nicht grundsaumltzlich gleichbedeutend mit Wirtschaftsgrenzen sind (vgl Doppler und Lauterburg 2008 S 56 f) Welches Unternehmen kann schon von sich behaupten nicht in irgendeiner Art und Weise global Wert zu schoumlpfen Welche Organisation kann schon auf kooperative Netzwerke mit Kunden Lieferanten und zum Teil sogar mit Wett-bewerbern verzichten Welche Institution gibt nicht langsam die fein saumluberliche Tren-nung zwischen den Funktionsbereichen wie Produktion Entwicklung und Forschung auf Die Herausforderung der interkulturellen Zusammenarbeit beginnt haumlufig schon am eige-nen Schreibtisch und nicht erst am neu eroumlffneten Produktionsstandort in Fernost
Wenn wir im Weiteren der Definition des Kulturwissenschaftlers Geert Hofstede fol-gen und unter Kultur bdquodie kollektive Programmierung des Geistes die Mitglieder einer Gruppe oder Kategorie von einer anderen unterscheidetldquo (Hofstede 2001 S 10) verste-hen wird die Essenz deutlich Kulturen treten nicht nur durch sichtbare Aktionen wie beispielsweise beim Essen oder Gruumlszligen miteinander in Kontakt sondern auch bei un-sichtbaren Aktivitaumlten wenn beispielsweise spezielle Denk- Fuumlhl- und Handlungsmuster aufeinander prallen (vgl Hofstede 2001 S 4) Die Relevanz von kulturellen Gegeben-heiten bei groszligangelegten Implementierungen zur Erreichung operativer Exzellenz bei denen Mitarbeiter zwangslaumlufig mit neuen Denkweisen und fremden Handlungsgewohn-heiten konfrontiert werden ist ersichtlich und soll anhand von zwei Beispielen konkreti-siert werden
Mit der Buchpublikation bdquoThe Toyota Way Fourteen Management Principles from the Worldrsquos Greatest Manufacturerldquo aus dem Jahre 2004 spricht Jeffrey Liker u a eine von Hofstedes Kulturdimensionen an welche gemaumlszlig der ausgewerteten Daten in Japan stark
152 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
ausgepraumlgt ist ndash die Unsicherheitsvermeidung Nach Liker (2004 S 234 f) findet sich diese Dimension der kollektiven Programmierung des Geistes in Form von bdquoGenchi Gen-butsuldquo (jap fuumlr bdquoGeh und sieh selbstldquo) in einem der vierzehn Toyota-Prinzipien wider Dieses Prinzip war nicht nur ein Schluumlsselelement des Produktionssystems von Toyota sondern ist auch zu einem Grundstein des Lean Managements geworden ndash Goran Curic beispielsweise ersetzte bei der Neuenfelder Maschinenfabrik mit einer angepassten Va-riante (der bdquoGo-Look-See-Methodeldquo) getroffene Annahmen am Schreibtisch durch Echt-zeitinformationen aus der Produktion Liker (2004) berichtet weiter von einem in Japan aufgewachsenen amerikanischen Manager der erzaumlhlt dass ihm das Prinzip der Unsicher-heitsvermeidung in die Wiege gelegt worden sei Er ertappe sich immer oumlfter dabei wie er auszligerhalb des beruflichen Ingenieur-Kontextes unsichere Situationen vermeidet Plant er ein Event in einem Hotel dann schaut er sich die Lokalitaumlt vorher an Hat er eine Ver-abredung zu einem Dinner sucht er das Restaurant vorher auf und bestellt probeweise eine Mahlzeit Auf diese Art und Weise kann er im Voraus auftretende Probleme loumlsen und die Wahrscheinlichkeit von unangenehmen Uumlberraschungen reduzieren Manchmal revidiert er sogar seine Entscheidung bevor es zu spaumlt ist
In der Praxis koumlnnte dies bedeuten dass die Implementierung dieses Lean-Prinzips in Nationen mit einer ausgepraumlgten Unsicherheitsvermeidung besonders wirksam ist (Bei-spielsweise weisen gemaumlszlig Hofstedes Forschungen Japan und Russland eine hohe Aus-praumlgung auf eine niedrige dagegen China Indien und Groszligbritannien) Die Auswirkung dieser Kultureigenschaft muumlsste hinsichtlich der restlichen methodischen Prinzipien und Tools sicherlich noch evaluiert werden Wenn am Ende das Ergebnis einer solchen Kultur-kreisanalyse empfiehlt gewisse Bausteine oder im Extremfall sogar die gesamte Manage-mentmethodik nicht am britischen sondern japanischen Standort einzufuumlhren waumlre dies eine wichtige Erkenntnis bei der Vorbereitung und Zielsetzung der Initiative
Daran anknuumlpfend laumlsst sich eine weitere Kulturdimension von Hofstede die den zeit-lichen Planungshorizont einer Gesellschaft beschreibt anfuumlhren Ausgehend von den Untersuchungen zur Langzeitorientierung (bestimmt von Werten wie Sparsamkeit und Beharrlichkeit) und ihrem Pendant der Kurzzeitorientierung (bestimmt von Flexibilitaumlt und Egoismus) laumlsst sich ein wichtiger Gedanke formulieren Ein Gedanke der besonders fuumlr die drei Operational-Excellence-Programme Lean Six Sigma und Lean Sigma von zentraler Bedeutung ist da allen ein langfristiger Zeithorizont gemeinsam ist um die volle Wirksamkeit der Methodik zu entfalten
Deutschland faumlllt in Hofstedes Forschungsergebnissen insbesondere im direkten Ver-gleich mit anderen westlichen Laumlndern durch eine ausgepraumlgte Langzeitorientierung auf (China Japan und Russland sind aumlhnlich bewertet) Diese Erkenntnis laumlsst sich bestaumltigen Als Reaktion auf die verheerende Nuklearkatastrophe in Fukushima im Fruumlhjahr 2011 ver-kuumlndete die Bundesregierung bis heute als einzige groszlige Industrienation den Ausstieg aus der Atomenergie Selbst Japan ist aufgrund eines politischen Wechsels im Fruumlhjahr 2013 im Begriff zur Atomenergie zuruumlckzukehren
Hofstedes Feststellung spiegelt sich nicht nur in der Politik sondern auch in der deut-schen Unternehmenslandschaft wider Traditionell hinterlaumlsst die besonders weit verbrei-
15341 Initiative und Organisation harmonisieren
tete Unternehmensform des Familienunternehmens tiefe Spuren in der deutschen Volks-wirtschaft Unter den groszligen Familienunternehmen finden sich illustre Namen wie BMW Bosch Aldi Otto Boehringer Ingelheim und Volkswagen ndash diese leisten einen uumlberpro-portionalen Beitrag zur Beschaumlftigung und weisen eine besonders hohe Eigenkapital-quote und Gesamtrentabilitaumlt auf Der Psychologe und Gruumlndungsprofessor am Institut fuumlr Familienunternehmen (WIFU) der Privatuniversitaumlt Witten-Herdecke Fritz B Simon fuumlhrt das Erfolgsrezept des Ruumlckgrats der deutschen Wirtschaft u a darauf zuruumlck dass Erfolg im langfristigen Maszligstab gemessen wird (vgl Merck KGaA 2009) Dies zieht ver-antwortliches und nachhaltiges Wirtschaften mit sich Entscheidend ist nicht das naumlchste Quartalsergebnis sondern die Wohlstandssicherung der naumlchsten Generation Diese Ter-minologie laumlsst sich in der von Hofstede gewaumlhlten Formulierung wiedererkennen Dem-nach wird die Denkweise von Organisationen oder Gruppen mit einer ausgepraumlgten Lang-zeitorientierung von Ausdauer der Bereitschaft von anderen zu lernen und langfristigen Investments bestimmt (Vgl Hofstede et al 2010 S 251 275)
Unter den westlichen Industrienationen positioniert sich die USA eher kurzzeitorien-tiert ndash der Wert ist signifikant niedrig (Brasilien weist ein aumlhnlich niedriges Ergebnis auf) Abgesehen von vielschichtigen politischen Einflussfaktoren lieszlig sich ein Anzeichen die-ser Diskrepanz auf dem G20 Gipfeltreffen 2010 in Seoul erkennen Waumlhrend Deutsche und Chinesen beabsichtigten den Streit um Handel und Waumlhrungen mit Sparsamkeit zu loumlsen sprach sich die USA fuumlr eine Konjunkturspritze aus ndash frisch gedrucktes Geld soll-te den Konsum anregen Ohne den Teufel an die Wand malen zu wollen soll auch hier Hofstede weiter aufgegriffen werden Die Denkweise von Gruppen oder Organisationen mit einer ausgepraumlgten Kurzzeitorientierung wird vom Streben nach Freiheit und Selbst-verwirklichung dem Stolz auf Tradition und einer geringen Bereitschaft fuumlr die naumlchste Generation vorzusorgen bestimmt (Vgl Hofstede und Hofstede 2010)
Was bedeutet dies fuumlr ein Unternehmen Lean Management und damit auch Lean Sig-ma bauen auf den Grundwerten wie Sparsamkeit und Ausdauer auf um Verschwendung zu eliminieren und kontinuierliche Verbesserung realisieren zu koumlnnen Diese Grundwerte folgen dem Prinzip dass die durch ein radikales Kostensenkungsprogram eingesparten Mittel von morgen weniger wert sein koumlnnen als durch Arbeitserleichterungen zufrie-denere Mitarbeiter uumlbermorgen Eine Organisation mit einer ausgepraumlgten Langzeitorien-tierung bietet demnach bessere Rahmenbedingungen fuumlr eine Implementierung des Lean-Gedanken als eine die von kurzlebigen Quartalsergebnissen getrieben ist
Diese Gedanken zeigen sicherlich nur die Oberflaumlche des Eisberges und werden der wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Reichweite kultureller Fragestellungen nicht gerecht Im Wesentlichen soll an dieser Stelle das Bewusstsein fuumlr eine naumlhere Betrach-tung des Kulturkreises in dem sich die Initiative bewegen wird geschaumlrft werden Das Umfeld wahrnehmen ndash so lautet die Devise Die Realitaumlt bietet etliche Moumlglichkeiten (vgl Hofstede et al 2010 S 303 ff) Um die Zustimmung der Belegschaft zu gewinnen sollte in einem russischen Unternehmen die methodische Werkzeugkiste besser kompromisslos top-down angeordnet werden wo hingegen in Deutschland eher ein Bottom-up-Ansatz zu waumlhlen ist damit die Initiative an Eigendynamik gewinnt Um ergebniswirksame Resulta-
154 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
te zu erzielen sind in einer amerikanischen Organisation moumlglicherweise besonders starke extrinsische Anreize zur Motivation zu positionieren wohingegen in einer chinesischen Umgebung vielmehr ein charismatischer Leader vonnoumlten ist um Vertrauen zu schaffen und die Mitarbeiter von der Veraumlnderung zu uumlberzeugen Wenn davon auszugehen ist dass die kulturellen Gegebenheiten die Wirksamkeit von Operational-Excellence-Implemen-tierungen beeinflussen kann die Evaluierung der organisatorischen Konstellation und des jeweiligen methodischen Anspruchsprofils erfolgskritisch sein Eine Kulturkreisanalyse begegnet dieser Herausforderung
415 Initiative von fruumlheren strategischen Maszlignahmen abgrenzen
Unabhaumlngig von der kulturellen Dimension soll ein zuvor angerissener Gedankengang vertieft werden ndash es hieszlig dass in langzeitorientierten Organisationen die Implementie-rung der Operational-Excellence-Programme eher gewinnbringend ist weil gerade die Substanz der Methodik langzeitorientiert ist Dieser bdquocultural fitldquo zwischen Methodik und Organisation fuumlhrt zu einem weiteren Erfolgsfaktor unter der Uumlberschrift Initiative und Organisation harmonisieren denn die Rahmenbedingungen einer Operational-Excel-lence-Initiative (wie der Name der Initiative die Messgroumlszligen fuumlr den Erfolgsgrad oder die Personalentscheidungen fuumlr das Fuumlhrungsteam der Initiative) sind langfristig auszurich-ten Diese Ansicht ist elementar und wird sich im weiteren Verlauf dieser Publikation haumlu-fig widerspiegeln So lassen sich fruumlhzeitig an verschiedenen Stellen langfristig orientierte Komponenten einrichten Welche Komponenten oder Rahmenbedingungen sind damit ge-meint Einige wenige sollen an dieser Stelle aufgefuumlhrt werden
Allein der Name einer Initiative ist so zu waumlhlen dass er sich von fruumlheren strategi-schen Maszlignahmen differenziert und die langfristige Ausrichtung deutlich wird In der Praxis kann dies sehr unterschiedlich aussehen
Im Rahmen der Six Sigma Implementierung bei Maple Leaf Foods entschied man sich 1999 bewusst fuumlr den noch groumlszligtenteils unbekannten Terminus bdquoSix Sigmaldquo Dies wirkte sich foumlrderlich auf das Interesse der Belegschaft aus ndash McCain und Miyashita konnten die wachsende Neugier am bdquoMysterium Six Sigmaldquo sogar nutzen um typische Vorurteile gegenuumlber einer solchen Initiative der Geschaumlftsfuumlhrung fruumlhzeitig zu entkraumlften Schon einige Jahre spaumlter sollten Unternehmen nur bei der Erwaumlhnung von bdquoLeanldquo und bdquoSix Sigmaldquo auf erbitterten Widerstand der Mitarbeiter stoszligen Das Problem bestand darin dass viele Unternehmen sich zu sehr auf die Formel bdquoschneller ist billigerldquo fokussierten sodass die Qualitaumlt der Prozesse und Produkte darunter litt Ein anderes Problem war die Konzentration auf Kostensenkungen und Rationalisierung dadurch bekamen die Konzep-te schnell einen schlechten Ruf in der Oumlffentlichkeit Mit der Anspielung auf die enormen Einsparmaszlignahmen am Personal wurde beispielsweise die Six-Sigma-Initiative bdquoAXA WAYldquo des franzoumlsischen Versicherungskonzerns unter den Mitarbeitern zynisch bdquoAxe Awayldquo genannt Im Gegensatz zu MLF waumlhlte Goran Curic seit 2011 einen subtileren Ansatz und lieszlig sich erst gar nicht dazu verleiten der Lean-Transformierung bei der Neu-
15541 Initiative und Organisation harmonisieren
enfelder Maschinenfabrik einen Namen zu geben Damit die Lean-Philosophie nachhaltig wirken kann ist kein reizvoller Name sondern eine gruumlndliche Einfuumlhrung methodischer Bestandteile die zur Organisation und zu den Mitarbeitern passen notwendig
416 Initiative personenunabhaumlngig gestalten ohne kontinuierlich Fuumlhrungsstaumlrke zu verlieren
Neben der Benennung ist zur langfristigen Positionierung eines Operational-Excellence-Programms auch die personelle Entscheidung hinsichtlich der Leitung der Initiative zu be-ruumlcksichtigen Das Beispiel der Bank of America zeigt die Gefahr auf wie nach dem Weg-gang des Six Sigma passionierten CEO Kenneth Lewis die Orientierung verloren ging und Veraumlnderungen durch alte Verhaltensmuster verdraumlngt wurden Es empfiehlt sich die Entwicklung der Initiative personenunabhaumlngig zu gestalten Dies ist ein schmaler Grat denn wie sich spaumlter deutlich zeigen wird haumlngt der Erfolg der Initiative maszliggeblich von der Begleitung einer charakterstarken Fuumlhrungspersoumlnlichkeit ab Das Risiko dass sich dabei uumlber diese Person der gesamte Veraumlnderungsprozess definiert ist gegeben
Waumlren die Lean-Sigma-Bemuumlhungen von Best Buy ohne Mike Fisher nicht schon fruumlh gescheitert Wie saumlhe die Qualitaumlt von Maple Leaf Foods heute aus wenn sich Michael McCain nicht immer wieder aufs Neue demonstrativ zu Six Sigma bekannt haumltte Haumlt-te die Neuenfelder Maschinenfabrik die Insolvenz der Muttergesellschaft auch ohne die konsequente Lean-Transformierung durch Goran Curic uumlberlebt Wer haumltte bei der FCI-Gruppe in die Fuszligstapfen der Doppelspitze Vareille und Merel treten koumlnnen damit das Programm nicht im Sand verlaumluft bdquoMein Ziel ist es dass wenn ich morgen von einem Meteoriten getroffen werde die Initiative problemlos weiter laumluftldquo (Mark 2003 S 6) Bruce Miyashita bringt diesen Erfolgsfaktor mit seiner Aussage auf den Punkt
Es gilt aber zu beachten dass Miyashita davon profitierte dass er den Faktor bdquoKon-tinuitaumlt der Fuumlhrungskraftldquo automatisch an den Unternehmensinhaber McCain abgeben konnte So fiel es ihm leichter seine Handschrift zu hinterlassen ohne sich unentbehr-lich zu machen ndash im April 2011 verlieszlig Miyashita MLF ohne dass es sich negativ auf die Organisation auswirkte Anders dagegen sah die Konstellation fuumlr Goran Curic aus Obwohl sich die Transformation auf seine Person konzentrierte war er der Auffassung dass seine Belegschaft schon nach knapp zwei Jahren Implementierung in der Lage sei den Lean-Gedanken weiter am Leben zu halten Entscheidender Faktor fuumlr ihn war dabei die Rolle des Menschen ndash der Kern des Lean-Gedankens ndash wonach der Mitarbeiter fuumlr Veraumlnderungen und Verbesserungen in der Organisation in den Fokus ruumlckt bdquoMeine Mit-arbeiter haben es gelernt selbststaumlndig und unabhaumlngig von mir die Idee von kontinuier-licher Verbesserung im Unternehmen zu leben Lean wuumlrde es auch ohne mich geben weil alle gemerkt haben dass wir so nicht nur das Unternehmen gerettet haben sondern auch jeder einzelne taumlglich davon profitiert Warum sollten die Mitarbeiter ihre Arbeitsweise
156 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
aumlndernldquo2 Die Herausforderung die Initiative personenunabhaumlngig aber mit ausreichend kontinuierlicher Fuumlhrungsstaumlrke umzusetzen wird zum Erfolgsfaktor
417 Methodik adaptieren ndash nicht kopieren
Des Weiteren ist es fuumlr eine nachhaltige Wirkung empfehlenswert die Vorgehensweise der Operational-Excellence-Programme nicht zu kopieren sondern zu adaptieren Die Angst der Mitarbeiter von Best Buy Mike Fisher koumlnnte den gleichen Lean-Sigma-An-satz wie bei seinem fruumlheren Arbeitsgeber der Organisation uumlberstuumllpen bewahrheitete sich zwar nicht ist dem Grunde nach aber berechtigt Aufgrund der festen Strukturen wie bei der Ausbildung der Six-Sigma-Belts und ihren Aufgabenbereichen im Rahmen des DMAIC-Zyklus ist die Versuchung eines systematischen Schema-F-Vorgehens gegeben Eine solche Verallgemeinerungsleistung (bdquoWas bei uns fruumlher funktioniert hat wird bei denen auch funktionierenldquo) ist nicht nur zielfuumlhrend sondern gefaumlhrdet die Zukunft des gesamten Vorhabens Beispielsweise wurde die Zielsetzung der Six-Sigma-Initiative der Bank of America von Kenneth Lewis an den gegebenen und individuellen Potenzialen der Organisation festgemacht Fuumlr ihn war es wichtiger den schon existierenden und aumluszligerst unzufriedenen Kunden uumlberzeugende Leistung zu bieten (die meisten Beschwerden lande-ten auf seinem Schreibtisch) als neue Kundschaft zu akquirieren Waumlre dies zwangslaumlufig auch fuumlr ein anderes Bankhaus der Fall
Die Antwort auf die Frage was im Mittelpunkt eines Six-Sigma-Programms steht ist haumlufig dieselbe Kundenzufriedenheit durch Qualitaumltsverbesserung steigern Die Antwor-ten auf die Fragen wie dies geschehen soll mit welchem Hebel die besten Ergebnisse ge-neriert (DMAIC-Zyklus fuumlr bestehende Prozesse oder DMADV-Zyklus fuumlr die Entwick-lung neuer Geschaumlftsprozesse)werden mit wem das Vorhaben umzusetzen ist wie schnell dabei das Gros der Mitarbeiter in den Veraumlnderungsprozess miteinbezogen werden muss koumlnnen sich aber stark unterscheiden Hier gilt es das vielfaumlltige Angebot der Operatio-nal-Excellence-Methodik zu nutzen ohne dabei das Rad immer wieder neu zu erfinden
418 Bewegungskraft der Initiative organisationsweit freisetzen
Damit die Harmonisierung von Initiative und Organisation langfristig funktionsfaumlhig ist repraumlsentiert die organisationsweite Etablierung der Methodik einen weiteren kritischen Erfolgsfaktor3 Exemplarisch laumlsst sich wiederum der Ansatz des kanadischen Lebensmit-telherstellers aufgreifen Unmissverstaumlndlich kommunizierte McCain seine bdquopersoumlnliche
2 Persoumlnliches Interview am 30 Januar 20133 Eine besondere Rolle dabei spielt das mittlere Management Haumlufig als Lehmschicht abgestem-pelt muss die Scharnierfunktion des mittleren Managements um die strategischen Uumlberlegungen der Fuumlhrungsebene mit den Aktivitaumlten der einzelnen Abteilungen zu verbinden erarbeitet werden
15741 Initiative und Organisation harmonisieren
Lebensentscheidungldquo wobei es ihm nicht um die Umsetzung von Projekten sondern um die Installation einer faktenbasierten disziplinierten transparenten und kundenfokussier-ten Six-Sigma-Organisation ging Gleiches galt fuumlr den Ansatz der Bank of America wo fruumlhere Verbesserungsbemuumlhungen schnell im Sand verliefen und als Eintagsfliegen emp-funden wurden weil es an einer systematischen und umfassenden Implementierung fehlte CEO Lewis baute demnach auf die Bausteine Methode (Prozessverbesserung durch den DMAIC-Zyklus) Business-Ansatz (Qualitaumltsorientierung und Null-Fehler-Ambition als Grundsaumltze des Unternehmens) und Fuumlhrungsphilosophie (Six-Sigma-Werte als Leitfaden fuumlr jede Fuumlhrungskraft) Das neue Leitbild beruumlhrte das Unternehmen auf breiter Basis Wo der eine von einer Six-Sigma-Organisation spricht gibt der andere das bdquoLean Enter-priseldquo als seine Zielvorgabe aus Die Neuenfelder Maschinenfabrik versteht den Opera-tional-Excellence-Ansatz end-to-end und nahm auch erfolgreich ihre Lieferanten mit in die Pflicht
Diese umfassende Betrachtung der Geschaumlftsprozesse ist nicht nur fuumlr ein Unter-nehmen wie die NMF deren Produktionsprozess zu 80 aus Fremdfertigung besteht maszliggeblich In reifen Industrien ist die herkoumlmmliche Produktion haumlufig nicht mehr der Hauptkostentreiber da ein groszliger Teil der Wertschoumlpfungskette ausgelagert wurde (Vgl Moormann 2009 S 343 f) Wenn ein Unternehmen wie Audi Lean Production bzw Six Sigma einfuumlhrt dann fordert es i d R auch Null-Fehler-Qualitaumlt von seinen Lieferan-ten Die von Audi angestrebte Null-Fehler-Qualitaumlt setzt also ein Sigma-Niveau von 6σ bei Lieferanten uneingeschraumlnkt voraus Dies sichert jedoch zugleich die Hersteller-Zu-lieferer-Beziehung durch Unterstuumltzung und Erfahrungsaustausch und verbessert das Er-tragsniveau beider (Vgl Toumlpfer 2008 S 12) Die Audi AG errichtete beispielsweise ein Guumlterverkehrszentrum vor den Werkstoren in Ingolstadt damit sich wichtige Lieferanten dort ansiedeln koumlnnen und so direkt an die Produktionsstaumltten angebunden sind Dadurch sollen die Versorgung mit fehlerfreiem und bei Bedarf sofort verfuumlgbarem Material (just in time) die Versorgung mit vormontierten Teilen (just in sequence) die Umschlagsge-schwindigkeit und die Taktung der angelieferten Teile optimiert werden und Kosten fuumlr eine kapitalintensive Lagerhaltung eingespart werden
419 Initiative an Impulse der Umwelt anpassen
Schlieszliglich gehoumlrt zur langfristigen Orientierung bei der Einfuumlhrung von Operational-Excellence-Programmen auch die Faumlhigkeit der Initiativenleitung mit der methodischen Ausrichtung auf die sich stetig veraumlnderten Umweltbedingungen entsprechend zu reagie-ren
Mike Fisher bewies diese Faumlhigkeit bei Best Buy als er zu einer zwei Jahre alten Lean-Sigma-Initiative hinzustieszlig Anstatt mit den Mitarbeitern und seinen Kritikern uumlber den richtigen Lean-Sigma-Ansatz zu streiten verstand er seine Rolle gestalterisch Um wirk-same Ergebnisse zu erzielen griff er bereits Bestehendes gezielt auf und aumlnderte den Kurs der Initiative sukzessive
158 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
Auch Pierre Vareille war klar dass die Parameter der Gleichung die er bei der FCI-Gruppe mit Lean zu loumlsen versuchte staumlndig variierten Unter seiner Regie reagierte er auf die Erdstoumlszlige der Finanzkrise entgegen dem Trend indem er seine Lean-Initiative bud-gettechnisch nicht anpasste Obwohl eine Erholung der Wirtschaftslage nicht in Aussicht war bekraumlftigte Vareille sein Engagement und seinen Willen in Bezug auf finanzielle In-vestitionen Wo alle anderen Budgets eingefroren wurden blieben die Kostenstellen fuumlr die Lean-Initiative unveraumlndert Dies galt besonders fuumlr die Reisekosten der Beteiligten fuumlr Reisen zu Workshops Lean-Fortbildungen oder regelmaumlszligigen Besuchen der Produk-tionsstandorte zur Fortschrittskontrolle Somit wurde die langfristige Ausrichtung sicher-gestellt
Curic passte sich ebenfalls veraumlnderten Rahmenbedingungen hervorgerufen durch das Insolvenzverfahren der Sietas-Werft an Im Gegensatz zu Vareille sah er sich den Um-staumlnden entsprechend dazu gezwungen die wesentlichen Bestandteile der Lean-Trans-formierung auf Eis zu legen Dieser Schritt war fuumlr die NMF uumlberlebenswichtig Die Ge-schaumlftsfuumlhrung konnte sich darauf konzentrieren einen starken industriellen Partner zu finden und diesen vom Unternehmenswert zu uumlberzeugen um gemeinsam an der Weiter-entwicklung der Lean-Philosophie im Unternehmen zu arbeiten Obwohl Curic das Unter-nehmen im Maumlrz 2013 verlieszlig sollte die Essenz des Lean-Gedanken allen anderen Stand-orten des neuen Mutterkonzerns aus Norwegen vermittelt werden
Wie reagiert die Initiativenleitung idealerweise auf die sich veraumlndernden Umweltbe-dingungen Es gilt abzuwaumlgen Die unterschiedlichen Beispiele machen deutlich dass die entsprechende Anpassung der methodischen Ausrichtung eine Frage des unternehme-rischen Instinktes ist Die Klaumlrung dieser Fragestellung ist keine Frage von wahr oder falsch ndash sie stellt die Eignung Erfahrung und Geschicklichkeit der Protagonisten in den Vordergrund An dieser Stelle wird auch der naumlchste Abschnitt ansetzen
42 Vision und Commitment leben ndash Kommunikation etablieren
Bei weitreichenden Transformationsprozessen tritt besonders das Verhalten der Unterneh-mensleitung und des mittleren Managements in den Vordergrund Wer schon einmal Zeu-ge einer resignierten Stimmung im Bistro eines Unternehmens sein durfte wird bestaumltigen koumlnnen dass die Botschaften von bdquoobenldquo in der Regel als weitere Worthuumllsen der Manage-mentlehre abgestempelt werden Ein Programm zur Analyse der Kostenstruktur mit der offiziellen Bezeichnung OGK (Akronym fuumlr Optimierung der Gemeinkosten) wird dann im Flurfunk schnell in bdquooben geht keinerldquo umgetauft (vgl Doppler und Lauterburg 2008 S 120) Wenn die Fuumlhrungsrige dann nicht mindestens als vertrauenswuumlrdiges Vorbild auftritt und ein nachhaltiger Fixpunkt ist ist jegliche strategische Maszlignahme zum Schei-tern verurteilt Zu einem groszligen Teil liegt der Erfolgsgrad einer Operational-Excellence-Initiative also in den Haumlnden derer die sie initiieren Das mag im ersten Moment selbst-verstaumlndlich klingen doch die Beispiele bei denen die Verantwortlichen nur von ihren Angestellten einen Beitrag zur Veraumlnderung verlangen sind zahlreich Der Grundstein fuumlr
15942 Vision und Commitment leben ndash Kommunikation etablieren
eine erfolgreiche Operational-Excellence-Implementierung wird bei den Menschen ge-legt die oft erst gar nicht infrage gestellt werden Die folgenden Punkte sollen diesen fuumlr eine Initiative erfolgskritischen Gedanken verdeutlichen
421 Vision haben und leben
Es wurde bereits mehrfach betont dass die Umsetzung von Operational Excellence uumlber den geordneten Ablauf eines Programms hinausgehen muss damit sich das Vorhaben wirksam entfalten kann Manch ein Unternehmen welches Lean- oder Six-Sigma-Akti-vitaumlten als Nebenkriegsschauplatz veranstaltet wird sich uumlber die schwaumlrmerische Aus-drucksweise anderer wundern Wenn Six Sigma als bdquoWeltreiseldquo Lean Sigma als bdquopersoumln-liche Lebensentscheidungldquo und die Lean-Initiative nach einem guten Jahr als die erste Halbzeit des ersten Fuszligballspieles einer Saison mit 34 Spieltagen bezeichnet wird steht eines fest Die Implementierung von Operational Excellence basiert auf einer Vision die nicht in der Schublade des Chefs sondern in den Koumlpfen der Mitarbeiter verankert sein muss damit sie langfristig lebensfaumlhig ist
Der Wahrheitsgehalt mancher Aussagen wird nicht dadurch schlechter dass sie haumlufig zitiert werden bdquoWenn du ein Schiff bauen willst fang nicht an Holz zusammenzutragen Bretter zu schneiden und Arbeit zu verteilen sondern wecke in den Maumlnnern die Sehn-sucht nach dem groszligen weiten Meerldquo (Antoine de Saint-Exupeacutery) Die Vision von der bdquoFabrik des Jahres ndash Global Excellence in Operationsldquo ist fuumlr Goran Curic nichts anderes als die Sehnsucht nach dem offenen Weltmeer Diesen Zukunftstraum gilt es im ersten Schritt formulieren zu koumlnnen um ihn im zweiten Schritt zu leben Wenn Pierre Vareille seine Vision der FCI-Gruppe als Benchmark in Bezug auf Marktanteil Umsatzwachs-tum Profitabilitaumlt und Mitarbeiterverantwortung beschreibt ist dies ein guter Anfang Der entscheidende Schritt ist es diese Vision zu leben wenn es drauf ankommt Als die Finanzkrise auch in den Maumlrkten der franzoumlsischen Unternehmensgruppe ihr Ungemacht trieb bekraumlftigte Vareille seinen Entschluss und war von der Richtigkeit seiner Vision uumlberzeugt Wo alle anderen Budgets eingefroren wurden blieben die Etats fuumlr die Lean-Initiative unveraumlndert Dies ist gelebte Vision
422 Kompromissloses Topmanagement Commitment sicherstellen
Die soeben beschriebene Vitalisierung der Vision lieszlig bereits einen weiteren Erfolgsfak-toren an Kontur gewinnen Das Commitment der obersten Fuumlhrungskraumlfte ndash erfahrungs-gemaumlszlig mit der kritischste Aspekt einer Implementierung und einer der sensibelsten Grad-messer fuumlr den Erfolg oder Misserfolg des strategischen Vorhabens Das Engagement der Unternehmensspitze darf nicht an Bedingungen geknuumlpft sein sondern muss absolut sein Absolut ist dabei im engsten Sinne zu verstehen ndash es darf keine Kompromisse geben Die
160 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
in Kap 3 dargestellten Beispiele aus der Praxis bieten auch an dieser Stelle zahlreiche Anknuumlpfungspunkte
Michael McCain setzte sich uneingeschraumlnkt fuumlr Six Sigma ein Seine Mitarbeiter merkten schnell woran Sie bei ihm waren wenn er durch die Fertigungsbereiche ging und auf seine Frage nach dem Sigmawert der Haumlhnchenschenkel eine klare Antwort erwartete Wer sich bei Maple Leaf Foods auf die statistisch-mathematische Vorgehensweise nicht einlassen wollte war in keiner der elf unabhaumlngigen Tochterunternehmen gut aufgehoben Den Mitarbeitern wurde bei der Auseinandersetzung mit den anstehenden Veraumlnderungen geholfen indem sie regelrecht bei der Hand genommen wurden Wer aber McCains Vor-haben am Ende des Tages nicht unterstuumltzte war gut beraten seinen CV zu aktualisieren Es war keine Frage ob man auf den Six-Sigma-Zug aufspringt sondern wann dies der Fall sein wird ndash diese Botschaft war absolut unmissverstaumlndlich
Kenneth Lewis verstand es bei der Bank of America ebenfalls deutliche Signale an die Belegschaft zu senden Da Six Sigma keine Eintagsfliege fuumlr ihn war unterstrich er seine Intention indem er fuumlr das erste Green-Belt-Projekt die persoumlnliche Verantwortung uumlbernahm Man kann sich gut vorstellen welchen Eindruck es hinterlieszlig als sich der CEO eines weit uumlber 200000 Mitarbeiter starken Unternehmens einem Projekt an der Basis widmete
Einen aumlhnlichen Effekt wird der Appell des CEO von Best Buy zu Beginn der Im-plementierung von Lean Sigma gehabt haben Brad Anderson ruumlckte im Maumlrz 2005 vor den Fuumlhrungskraumlften der Organisation die Wichtigkeit der Implementierung und die Rolle jedes einzelnen Mitarbeiters in den Fokus Zu unterstreichen ist bei dieser Gelegenheit ein bereits gefallenes Stichwort Langzeitorientierung Der Zeithorizont bezieht sich nicht nur auf die grundsaumltzliche Orientierung der Initiative und die unter dem Erfolgsfaktor Initia-tive und Organisation harmonisieren gefassten Bedingungen sondern auch das Commit-ment des Topmanagements benoumltigt einen langen Atem
Ein gutes Beispiel bietet die Lean-Doppelspitze der FCI-Gruppe Vareille und Merel legten Wert darauf mindestens ein Mal im Jahr jeden der 24 Produktionsstandorte zu besuchen um die Wichtigkeit der Transformation zu bekraumlftigen Gemeinsam mit den Mitarbeitern vor Ort identifizierten und eliminierten so die obersten Manager des Unter-nehmens nichtwertschoumlpfende Taumltigkeiten an der Basis Die Methodik wurde demnach weder aus einem Buumlro angeleitet noch einmalig verkuumlndet ndash der Pioniergeist der beiden Manager war deutlich und staumlndig zu spuumlren
Operational Excellence basiert auf kontinuierlicher Prozessveraumlnderung Eine absolute und nachhaltige Verpflichtung der obersten Fuumlhrungskraumlfte zu einem solchen Vorhaben ist unerlaumlsslich Ausfuumlhrlich beschrieben wurden positive Beispiele bei denen die Protago-nisten durch Worte und Taten Signale sendeten um damit die richtigen Weichen fuumlr die Implementierung zu stellen Sobald das Management die Verantwortlichkeiten auf nied-rigere Hierarchieebenen delegiert ist ein Scheitern der Initiative nur eine Frage der Zeit Dies liegt zu einem groszligen Teil daran dass der Weg zur operativen Exzellenz haumlufig an ungemuumltlichen Entscheidungen und unbequemen Konsequenzen nicht vorbeikommt Wer gibt schon gerne gewohnte Arbeitsweisen und Lebenseinstellungen auf Wer verkuumlndet
16142 Vision und Commitment leben ndash Kommunikation etablieren
schon gerne Nachrichten wohlwissend dass die Belegschaft mit Widerstand reagieren wird Dieser Realitaumlt entsprechend bedarf es bei einer Transformation der Machtfuumllle der obersten Hierarchieebenen Das Beispiel von Maple Leaf Foods wo es nicht die Frage war ob man die Initiative unterstuumltzt sondern wann verstaumlrkt diesen Gedanken Es kann so weit kommen dass sich eine Organisation von Mitarbeitern trennen sollte um den Erfolg der Implementierung nicht in Gefahr zu bringen Wenn in einem solch extremen Fall die Mitarbeiter der Initiative konsequent ihre Unterstuumltzung verweigern ist der Hand-lungsbedarf der Unternehmensfuumlhrung unausweichlich
423 Empfinden fuumlr Veraumlnderungsbedarf erzeugen
Kommunikation ist eine Conditio sine qua non menschlichen Beisammenseins ndash eine not-wendige Bedingung Es bedarf keines Studiums der Kommunikationswissenschaften um die Relevanz des Austauschs von Wissen Erkenntnissen und Erfahrungen hinsichtlich der Implementierung von neuen Methoden Arbeitsweisen und Denkmustern im Rahmen einer Operational-Excellence-Initiative miteinzubeziehen Ohne Anspruch auf wissen-schaftliche Vollstaumlndigkeit soll im Folgenden auf die wesentlichen Gesichtspunkte die eine gelungene Kommunikation in der praktischen Umsetzung ausmachen eingegangen werden
Zu Beginn eines strategischen Vorhabens ist es Aufgabe der Initiativenleitung durch richtige Kommunikation den Sinn und Zweck saumlmtlicher Aktivitaumlten der Belegschaft nahe-zu-legen Der Aumlnderungsbedarf muss deutlich kommuniziert werden und den Be-teiligten bewusst sein Ein Unternehmen das mit dem Ruumlcken zur Wand steht mag seine Mitarbeiter leicht von einer Initiative mit dem Ziel houmlherer Qualitaumlt zu geringeren Kos-ten uumlberzeugen koumlnnen Wenn sich die Organisation in der Vergangenheit aber im Wett-bewerbsumfeld gut behauptet hat liegt der Anspruch houmlher ndash zu behaupten was in der Vergangenheit erfolgreich war wird auch noch morgen funktionieren ist ein klassischer Trugschluss Michael McCain erklaumlrt sich so die Anfangsschwierigkeiten von Six Sigma in seinem Unternehmen Trotz rechtzeitiger Ankuumlndigungen gegenuumlber den Fuumlhrungs-kraumlften in seinem Unternehmen waren diese als Six Sigma nach langer Vorbereitung schlieszliglich verkuumlndet wurde uumlberrascht ndash das Unternehmen war kerngesund Wenn schon die Manager erstaunt sind und das geplante Vorhaben eher unbeholfen angehen wie soll man dann von der restlichen Belegschaft eine Aufbruchsstimmung erwarten
424 Stakeholder definieren ndash individuell kommunizieren
Neben den obersten Managern eines Unternehmens sind durch die hervorgerufenen Veraumln-derungen derartiger strategischer Maszlignahmen weitere Zielgruppen betroffen das mittlere Management Mitarbeiter Abteilungsleiter Aktionaumlre Investoren Zulieferer Betriebs-ratsmitglieder Kunden oder externe Berater Jede dieser Gruppen verfolgt den Implemen-
162 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
tierungsfortschritt mehr oder weniger aufmerksam Allen Beteiligten ist das Beduumlrfnis gemeinsam die zukuumlnftigen Konsequenzen fuumlr sich rechtzeitig abschaumltzen zu koumlnnen Uumlbersieht man dieses Informationsbeduumlrfnis sind Missverstaumlndnisse zeitraubende Dis-kussionen und Vorurteile vorprogrammiert Eine entstandene Geruumlchtekuumlche die Infor-mationsluumlcken normalerweise schnell kompensiert kann zu besonders energiefressenden Auswirkungen fuumlhren Wenn erst einmal der Naumlhrboden fuumlr unrealistische Erwartungen folgenschwere Missverstaumlndnisse oder unnoumltige Befuumlrchtungen im Raum steht sind diese nur schwer aus der Welt zu schaffen Kommunikation ist also das entscheidende Moment
Eine Auswahl an Zielgruppen einer Operational-Excellence-Initiative wurde bereits aufgezaumlhlt Nicht jede Gruppe benoumltigt dieselbe Menge an Informationen auf dieselbe Art und Weise Es gilt die unterschiedlichen Empfaumlnger zu identifizieren und den entspre-chenden Kommunikationskanal festzulegen um einen geregelten Austausch von Infor-mationen moumlglich zu machen Da ein Black Belt auf andere Informationen angewiesen ist als ein Yellow Belt laumlsst sich die Kommunikation auf unterschiedlichen Ebenen gestalten Beispielhaft koumlnnte man in eine strategische (MBB) operative (BB) und Informations-ebene (GB und YB) differenzieren
Schlieszliglich muumlssen alle Kommunikationsstrukturen (wie die Regelmaumlszligigkeit von Mee-tings oder die gewaumlhlten Kommunikationskanaumlle) jederzeit sowohl angemessen als auch modifizierbar sein um einen optimalen Kommunikationsfluss zu ermoumlglichen So muss eine Initiativenleitung die sich anfangs dazu entscheidet die Neugier aller Beteiligten fuumlr die anstehende Veraumlnderung in Form von Newslettern und internen Magazinen zu wecken flexibel sein Angenommen es stellt sich heraus dass selbst ausgebildete Black Belts die Informationsbroschuumlren nur dann lesen wenn sie ein bekanntes Gesicht im Newsletter ausfindig machen ist diese Strategie zu revidieren Manche Kommunikationskanaumlle sind eher dafuumlr geeignet bestehendes Interesse zu vertiefen als Neugierde zu wecken Als Reaktion koumlnnte die Initiativenleitung ihre Vision in persoumlnlichen Gespraumlchen kommu-nizieren Diese Anpassung waumlre erheblich zeitaufwendiger im Ergebnis aber wirksamer
425 Erfolgsgeschichten verbreiten ndash uumlber Misserfolge sprechen und aus Fehlern lernen
Ferner lebt die Entwicklung einer Implementierung von Erfolgserlebnissen bdquoTue Gutes und rede daruumlberldquo Wenn sich die Vision und das Commitment des Managements in Pro-jektergebnissen widerspiegeln ndash was spricht dagegen es zu kommunizieren Diese De-vise gilt es sich zu Herzen zu nehmen denn nichts wirkt positiver auf die Belegschaft als Erfolgserlebnisse Gemeinsam Erreichtes gilt es gemeinsam zu feiern Dies foumlrdert das Gruppengefuumlhl die Gemeinschaft und das ganze Vorhaben Daher hat die Initiativen-leitung dafuumlr Sorge zu tragen dass Transparenz und Klarheit hinsichtlich des Erreichten bestehen So wuumlrde es sich anbieten dass wenn beispielweise ein Unternehmen wie Best Buy einen Wettbewerb gewinnt (Lean Six Sigma Bowl im Jahr 2011) dies entsprechend gefeiert wird Angenommen der CEO wuumlrde sich in diesem Rahmen vor alle Lean-Sig-
16342 Vision und Commitment leben ndash Kommunikation etablieren
ma-Mitstreiter stellen um seine Gluumlckwunsche zu aumluszligern und die Mitarbeiter auf das Kommende einzuschwoumlren waumlren gleich drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen Die Vision lebt das Commitment des obersten Chefs uumlberzeugt und ein wichtiger Teil der Kommunikation waumlre etabliert
Wenn Erfolge kommuniziert werden sollte im gleichen Atemzug darauf hingewiesen sein dass Misserfolge nicht unter den Teppich gekehrt werden duumlrfen Kommunikation lebt von Ehrlichkeit auch wenn es unangenehm sein kann Ein passendes Beispiel ist der Umgang mit gescheiterten Projekten bei Best Buy Wenn ein Projekt oder eine neue Strategie scheiterten lieszlig das Management kein bdquoGras wachsenldquo sondern bdquofeierteldquo im Rahmen eines bdquoForums fuumlr Misserfolgeldquo das Projekt oder die jeweilige Strategie Dabei wurde untersucht was zum Scheitern fuumlhrte und welche Ruumlckschluumlsse man durch die Erfahrungen auf zukuumlnftige Opportunitaumlten ziehen koumlnnte Die Fuumlhrungskraumlfte nutzten die Gelegenheit haumlufig um die gescheiterten Protagonisten in ihr neues Aufgabengebiet einzufuumlhren Das Credo lautete bdquoAn die Grenzen zu gehen und Fehler zu machen ist in Ordnung ndash es gibt ein Leben danachldquo
Von Bedeutung ist dabei das folgende Zitat das dem Six-Sigma-Erfinder und ehemali-gen Produktionsingenieur von Motorola Bill Smith zugeordnet wird bdquoSix Sigma ist Krieg gegen Fehlerldquo Um den Krieg gegen Fehler im Produktionsprozess fuumlr sich zu entscheiden ist eine Fehlerkultur in der Mitarbeiter bereit sind uumlber moumlgliche Schwaumlchen und Fehler offen ndash auch ihrem Vorgesetzten gegenuumlber ndash zu sprechen gefordert Das klingt einfach ist es aber nicht Diese Anforderung ist nicht zu unterschaumltzen denn wer spricht schon gerne uumlber eigene Fehler Eine transparente Fehlerkultur ist fuumlr viele Organisationen ein diffuses Ideal Ein (zugebenermaszligen extremes) Beispiel Stellen Sie sich vor dass Sie als Angestellter einer Bank einem anderen Bankinstitut 319 Mio euro uumlberweisen obwohl der Empfaumlnger der Transaktion bereits pleite ist Wie wuumlrde Ihr jetziger Chef reagieren Wuumlrde er ausschlieszliglich Ihnen persoumlnlich die Schuld geben Oder wuumlrde er versuchen die tatsaumlchliche Ursache fuumlr den Fehler zu finden Moumlglicherweise fehlt bei groszligen Trans-aktionen ein Kontrollmechanismus oder der dafuumlr eigentlich zustaumlndige Arbeitskollege von Ihnen war krank aber seine Taumltigkeit wurde nicht adaumlquat ersetzt Die tatsaumlchlichen Gruumlnde die menschliches Versagen verursachen sind vielfaumlltig Es laumlsst sich also nur er-ahnen wie mit der bekannten Zahlung der Kreditanstalt fuumlr Wiederaufbau (KfW) an Leh-man Brothers am Tag der Lehman Insolvenz im Jahr 2008 umgegangen worden ist Die falsche Uumlberweisung uumlber 319 Mio euro richtete einen groumlszligeren oumlkonomischen Schaden an als alle jemals moumlglichen bdquonormalenldquo operativen Fehler im Groszligbetragszahlungsverkehr der KfW zusammen genommen
Fehler werden ungern eingestanden ndash auch in der Operational-Excellence-Praxis Bruce Miyashita fasste es als ein Anzeichen fuumlr eine nicht 100-prozentige ideal verlaufende Im-plementierung auf wenn ein Betriebsleiter eines Produktionsstandortes es als peinlich empfand durch die Six-Sigma-Systematik auf bislang unentdeckte Fehler hingewiesen zu werden Die entdeckten Fehler bei Six Sigma entsprechen den bemerkten nichtwertschoumlp-fenden Taumltigkeiten im Lean Management Die Anforderungen hinsichtlich einer Kultur der offenen und ehrlichen Kommunikation sind fuumlr beide strategischen Managementan-
164 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
saumltze vergleichbar Auch Goran Curic etablierte im Rahmen der Lean-Implementierung eine Meeting-Kultur bei der es nicht darum ging einen Schuldigen fuumlr Schwachstellen in der Produktion zu finden sondern die Ursache des Problems zu loumlsen Diese Verhaltens-weise foumlrdert demnach das individuelle Verantwortungsbewusstsein und das gemeinsame Gruppengefuumlhl
43 Mitarbeiter fuumlhren und foumlrdern durch Fordern
Zuvor wurde uumlber die Harmonisierung zwischen Initiative und Organisation uumlber Visio-nen Commitment und Kommunikation gesprochen Die Rolle des Mitarbeiters wurde haumlufig erwaumlhnt aber nicht im Detail unter die Lupe genommen So ging es u a darum nicht einen Schuldigen fuumlr ein Problem im Prozess zu finden sondern eine konstruktive Fehlerkultur zu etablieren Es standen dabei nicht die Eigenheiten des Individuums im Unternehmen sondern eine sachorientierte Ursachenforschung im Vordergrund Diese Entpersonifizierung wurde bewusst gewaumlhlt Im Zuge des im folgenden Abschnitt aufge-griffenen Erfolgsfaktors spielt genau das die Hauptrolle was zuvor ausgeklammert wur-de Hinter jedem Prozess steht eine Person ndash der Mitarbeiter Wer den Menschen in der Organisation in den Mittelpunkt stellt wird unweigerlich uumlber Phrasen wie bdquoWiderstand brechenldquo bdquointrinsisch motiviert seinldquo und bdquoVertrauen schaffenldquo stolpern An dieser Stel-le sollen die wichtigsten Aspekte unter der Uumlberschrift bdquoMitarbeiter fuumlhren und foumlrdern durch Fordernldquo diskutiert werden Warum steht der Mitarbeiter nicht nur in Abb 41 son-dern auch inhaltlich im Zentrum der Diskussion
431 bdquoMenschlichenldquo Kern der Initiative begreifen
Eine erfolgreiche Organisationsstruktur die den bdquomenschlichen Faktorldquo unberuumlcksichtigt laumlsst gibt es nicht (vgl Peters und Waterman 2007 S 31) Als 1982 die McKinsey-Berater Peters und Waterman die bekanntesten US-Unternehmen nach ihrem Erfolgsrezept frag-ten ergab sich zur damaligen Zeit ein uumlberraschendes Ergebnis (vgl Poech 2003 S 6 f) Es waren nicht nur die Produktinnovationen oder die Erschlieszligung neuer Maumlrkte viel-mehr wurde der Mensch der im Unternehmen arbeitet als das wertvollste Betriebskapital angesehen Sollte dies heute anders sein Auch im Zeitalter des Internets ist es unmoumlglich strategische Initiativen uumlber die Koumlpfe der Belegschaft hinweg zu lancieren Keine Unter-nehmung laumlsst sich auf Dauer gegen die Mitarbeiter organisieren Dies ist allgemeinguumll-tig Wer das nicht begreift hat den Ursprung der Unternehmung missverstanden Beim bdquoUnternehmenldquo gibt es schon fruumlhzeitig nach einer Gruumlndung Aufgaben zur Erreichung der Ambitionen und Zielen des Gruumlnders die nicht alleine erledigt werden koumlnne Der Gruumlnder ist auf die Unterstuumltzung seiner Mitmenschen angewiesen ndash erst recht bei der Erreichung betrieblicher Exzellenz Es geht also um mehr als die Rendite am Jahresende Es geht um Menschen Aus diesem Grund ist die Umsetzung der Operational Excellence
16543 Mitarbeiter fuumlhren und foumlrdern durch Fordern
nicht kompliziert sondern komplex Vorneweg laumlsst sich also das grundlegende Verstaumlnd-nis der Fuumlhrungsrige demzufolge ein Operational-Excellence-Programm mehr als nur die Implementierung eines methodischen Systems ist als kritischer Erfolgsfaktor auffuumlhren Es geht nicht nur um Produktivitaumlt sondern auch um Menschlichkeit Oft stehen aber nur methodisch gepraumlgte Diskussionen im Vordergrund Welche Werkzeuge sind wann anzu-wenden Wie haumlufig sind die relevanten KPIs zu berechnen Ist Six Sigma nun wirksamer als Lean Management oder doch nur alter Wein in neuen Schlaumluchen Diese Fragen sind wichtig aber nicht immer richtig Auf die Spitze getrieben Wenn ein Unternehmen sich aus betriebswirtschaftlichem Zugzwang von Mitarbeitern trennen muss interessieren sich die Betroffenen kaum fuumlr die Vielfalt des Werkzeugkastens Die Problematik wird deut-lich Wessen Verstaumlndnis nur so weit reicht dass im Rahmen von Operational-Excellence-Zahlen Instrumente oder diverse strategische Phasen zusammen gefuumlhrt werden hat we-der die Essenz der mitarbeiterfokussierten Lean-Philosophie ergruumlndet noch werden die angestoszligenen Verbesserungsmaszlignahmen tiefgruumlndig sein Das wichtigste Kapital einer Unternehmung zu vernachlaumlssigen ist unoumlkonomisch Der Mitarbeiter ist schlieszliglich der entscheidende Baustein auf dem Weg zur operativen Houmlchstleistung ndash alles andere kratzt lediglich an der Oberflaumlche
432 Fuumlhrung verstehen
Wer fuumlhrt Warum gibt es Fuumlhrung Was ist Sinn und Zweck von Fuumlhrung im globa-lisierten Kontext Was sind heute die essenziellen Bausteine von bdquoguterldquo Fuumlhrung hin-sichtlich der Umsetzung von Operational-Excellence-Programmen Im folgenden Exkurs werden u a Ruumlckschluumlsse Empfehlungen und Denkanstoumlszlige von Reinhold Sprenger auf-gegriffen um sich der Thematik aktuell zu naumlhern Reinhold Sprenger lieferte mit seinem 2012 erschienen Buch bdquoRadikal fuumlhrenldquo nicht nur einen Bestseller sondern vor allem die gewinnbringende Momentaufnahme einer Thematik die einem Echo welches man zum Sprechen bringen moumlchte aumlhnelt
4321 Wer fuumlhrtUm sinnvoll auf diese Frage und den Aspekt Mitarbeiter fuumlhren und foumlrdern durch Fordern einzugehen ist zunaumlchst die Personalfrage zu klaumlren Von wessen Taumltigkeitsbereich wird eigentlich gesprochen Es sind die Personen die federfuumlhrend dafuumlr verantwortlich sind die Uumlberlebensfaumlhigkeit einer Organisation zu sichern Die Fuumlhrungskraumlfte
4322 Warum gibt es FuumlhrungWas wuumlrde passieren wenn Fuumlhrung fehlt Sozialwissenschaftliche Forschungen weisen ein eindeutiges Ergebnis auf wenn eine Gruppe von Menschen ohne anfuumlhrende Kraft auf ein gemeinsames Ziel oder Problem ausgerichtet ist (vgl Sprenger 2012 S 147) Fuumlhrungsstrukturen bilden sich automatisch und immer Diese Dynamik des menschlichen Beduumlrfnisses zu fuumlhren oder gefuumlhrt zu werden ist allgegenwaumlrtig Aber erst wenn die
166 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
Fuumlhrung auch einem Zweck folgt macht sie Sinn In den betriebswirtschaftlichen Kontext uumlbersetzt bedeutet diese Sinnstiftung dass die Fuumlhrungskraft dafuumlr Sorge zu tragen hat dass das Uumlberleben des Unternehmens gesichert wird Voraussetzung dafuumlr ist dass der Manager der leitende Angestellte oder wie auch immer die Fuumlhrungskraft auf dem Papier genannt wird im Unternehmen mehr leisten muss als sie kostet Diese organisatorische Existenzerhaltung ist gemaumlszlig Sprenger die Bestimmung von Fuumlhrung
4323 Was ist FuumlhrungSprenger (2012 S 30) ist der Ansicht dass man Fuumlhrung nicht sehen (erst recht nicht defi-nieren) sondern nur machen kann Er geht davon aus dass die meisten Fuumlhrungskraumlfte gar nicht wissen wann sie fuumlhren Was ist eine typische Fuumlhrungsaktivitaumlt Budget verwalten einen Mitarbeiter entlassen oder Anweisungen geben Besonders praumlgnant ist die haumlufige Antwort der Fuumlhrungskraumlfte auf die Frage was sich am Tag an dem sie Fuumlhrungskraft wurden geaumlndert hat Nichts An den alltaumlglichen Beschaumlftigungen hat sich prinzipiell nichts veraumlndert auszliger dass sie nicht mehr als Fachmann sondern von heute auf morgen als Manager bezeichnet werden Auch wenn sich die eine oder andere Taumltigkeit aumlndert so bleibt das Wesentliche gleich Aus diesem Grund bezeichnet Sprenger (2012 S 31) Fuumlhrung als ein von auszligen aufgeklebtes Etikett ndash Verhaltensweisen denen Sinn von auszligen hinzugeschrieben wird Dieser Gedanke ist durchaus nachvollziehbar denn Hunderte von verschiedenen sich im Laufe der Geschichte entwickelten Definitionsvarianten sind bei dem Versuch tiefer in die Thematik einzusteigen nicht zielfuumlhrend Fuumlhrung ist also un-sichtbar was maszliggeblich daran liegt dass sie sich nicht wie faumllschlicherweise oft an-genommen nur durch die jeweilige Person in fuumlhrender Position erklaumlrt Sprenger (2012 S 14) betont dass sich Fuumlhrung auch in Strukturen Instrumenten und Institutionen ma-nifestiert Wenn ein neuer Mitarbeiter als Fuumlhrungskraft in ein Unternehmen einsteigt beginnt er nicht bei null sondern wird sich mit bereits bestehenden Rahmenbedingungen auseinandersetzen muumlssen
In Sprenger (2012) faumlllt das Stichwort der bdquoKontextsensibilitaumltldquo Es bedeutet dass Fuumlh-rung zunaumlchst den Rahmen der Institution und die kulturellen Traditionen der Organisa-tion beruumlcksichtigen muss um die Bedingungen fuumlr erfolgreiches Wirtschaften herzustel-len Erst wenn das System und die Struktur des Unternehmens bdquofuumlhrungstauglichldquo sind ist das Augenmerk auf die Anforderungen an das Individuum zu legen Zuerst die Institution dann das Individuum Bei diesem systemtheoretischen und ganzheitlichen Gedankengang ist der erste Schritt die groumlszligere Herausforderung und wird vielleicht deswegen haumlufig uumlbergangen Sprenger (2012 S 49) bringt es auf den Punkt bdquoKluge Menschen haben in dummen Organisationen keine Chanceldquo Der Grundgedanke dieses ganzheitlichen An-satzes soll im Weiteren aufgegriffen werden Denn was fuumlr die Unternehmung im Allge-meinen gilt spielt auch fuumlr die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Operational-Excellence-Initiative eine entscheidende Rolle Wenn man in der zuvor gebrauchten Terminologie bleibt heiszligt dies Um Mitarbeiter auf dem Weg zur operativen Exzellenz zu fuumlhren und durch Fordern zu foumlrdern muumlssen das System und die Struktur der Initiative bdquofuumlhrungs-tauglichldquo sein Wenn diese Rahmenbedingungen die sich im Uumlbrigen unter den bereits
16743 Mitarbeiter fuumlhren und foumlrdern durch Fordern
angefuumlhrten Erfolgsfaktoren Initiative mit Organisation harmonisieren und Vision sowie Commitment leben ndash Kommunikation etablieren wiederfinden stimmen kann Fuumlhrung in diesem Zusammenhang die Uumlberlebensfaumlhigkeit der strategischen Initiative sicherstellen Auch kluge Initiativen haben in dummen Organisationen keine Chance Modifiziert heiszligt es hier Erst die Institution dann die Initiative und schlieszliglich das Individuum ndash so kann die Initiative nicht nur existieren sondern auch erfolgreich sein
433 Geeignete Mitarbeiter mit klaren Zielen fuumlhren
Eine der wichtigsten Aufgaben fuumlr den Initiator der Transformation ist es die geeigneten Mitarbeiter mit klaren Zielen zu fuumlhren Die Wirksamkeit einer Initiative steht und faumlllt mit den Personen die federfuumlhrend an der Umsetzung der strategischen Maszlignahmen arbeiten Es geht also darum nicht dem erstbesten sondern einem passenden Mitarbeiter die Ver-antwortung der Projekte zu uumlberlassen Qualitaumlt vor Quantitaumlt Bezuumlglich der notwendigen Eigenschaften gilt fuumlr einen Projektleiter das Gleiche wie fuumlr die Unternehmensfuumlhrer Es ist nicht nur die fachliche Kompetenz sondern vor allem auch die soziale Kompetenz gefordert Wenn alle technischen strukturellen und oumlkonomischen Aspekte beruumlcksich-tigt werden und die zwischenmenschliche Feinmechanik konsequent vernachlaumlssigt wird enden die Projekte und damit auch die Initiative als Fehlschlag Weil bei Operational-Ex-cellence-Programmen wesentliche Stellschrauben der Organisation in Bewegung gesetzt werden werden Gewinner und Verlierer neu definiert Was den einen erfreut begruumlndet des anderen Leid Diese Erkenntnis ist entscheidend denn das Verhalten eines Menschen ist zu einem groszligen Teil von Emotionen getrieben ndash wie von Interessen Hoffnungen und Aumlngsten Wer Menschen in strategischen Initiativen fuumlhren moumlchte muss fuumlr das Innere der beteiligten Personen ehrliches Verstaumlndnis aufbringen koumlnnen
Ziele helfen dabei Orientierung zu gewinnen Bei langfristig angelegten Operational-Excellence-Programmen ist es wichtig dass der Mitarbeiter nicht nur mitarbeitet sondern mitunternimmt Dafuumlr ist es wichtig dass er sich im Klaren daruumlber ist welchen Beitrag seine Arbeit fuumlr den Fortschritt der Initiative leistet Dieses Bewusstsein gilt es im direkten Gespraumlch uumlber die individuellen Zielvereinbarungen zu schaumlrfen Ziele sollten demnach nicht vorgeschrieben sondern gemeinsam erarbeitet werden um eine klare und konkrete Vorstellung des zu erreichenden Zustands zu gewinnen Nicht bdquoWas muss im ersten Quar-tal der Initiative erreicht werdenldquo sondern bdquoWas will ich nach den ersten drei Monaten erreicht habenldquo Wichtig ist dass sowohl quantitative als auch qualitative Ziele definiert werden Exemplarisch fuumlr ein quantitatives Ziel ist die Reduzierung von Durchlaufzeiten von x auf y Zeiteinheiten Der Lean-Gedanke ist der Abteilung erlaumlutert und findet in den Projekten Beruumlcksichtigung waumlre ein Beispiel fuumlr ein qualitatives Ziel
Wenn die Zielsetzungen anspruchsvoll sind aber nicht uumlberfordern sollten sie gleich-zeitig messbar sein Zur persoumlnlichen Entwicklung des Mitarbeiters gehoumlrt ein regel-maumlszligiger Austausch uumlber die zuvor praumlzisierten zukuumlnftigen Zustaumlnde Abweichungen erfordern korrigierende Maszlignahmen Schlieszliglich ist das Erreichen der Ziele in Etappen
168 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
einzuplanen der Aufwand abzuschaumltzen und alles Besprochene schriftlich zu dokumen-tieren Mit einer passenden Analogie laumlsst sich dieser Abschnitt abschlieszligen bdquoDie Ziele sind es die die groszligen Entdecker schon vor Hunderten von Jahren mit nichts anderem als einem Kompass einem Sextanten und ihren erstaunlichen navigatorischen Faumlhigkeiten auf Holzschiffen bis ans Ende der Welt und wieder zuruumlck gebracht habenldquo (Doppler und Lauterburg 2008 S 288)
434 Betroffene foumlrdern ndash Beteiligte fordern ndash Vertrauen schaffen
Mitarbeiter zu fuumlhren bedeutet sie zu foumlrdern und es gibt keinen besseren Weg dies in der Realitaumlt umzusetzen als sie zu fordern Foumlrdern durch Fordern ist die Devise Ein Unter-nehmen kann es sich nicht leisten dass die Menschen die langfristig den Unterschied ausmachen sollen unter ihren Moumlglichkeiten bleiben Es ist also entsprechender Freiraum fuumlr den Mitarbeiter zu etablieren um das Gelernte anzuwenden Oder wie Sprenger (2012 S 252) schreibt bdquoOhne Bewaumlhrung gibt es kein Wachstum und keine dauerhafte Motiva-tion Persoumlnliches Wachstum in der Aufgabe ist die entscheidende Voraussetzung fuumlr volle Leistungsentfaltungldquo Es gibt nichts was Menschen mehr erfreut als die eigene erfolg-reiche Leistung ndash der persoumlnliche Fortschritt Es ist wichtig zu betonen dass es hier nicht um eine herausfordernde oder besonders lukrative Incentive-Struktur geht Belohnungen fuumlhren in der Regel eher zu Lethargie und Traumlgheit weil der Mensch schon von Natur aus das Unbekannte und Ungewoumlhnliche entdecken moumlchte Die Verhaltensoumlkonomie spricht in diesem Zusammenhang von der Funktionslust (das Planen einer Aufgabe das Handeln und das Endergebnis sollen moumlglichst nah beieinanderliegen) und der Neugieraktivitaumlt (das natuumlrliche Streben des Menschen nach Spannung Herausforderung und Entwick-lung) (vgl Sprenger 2012 S 251) Diese beiden Aspekte gilt es bei der Besetzung von Positionen und bei der Verteilung von Aufgaben zu beruumlcksichtigen Am Ende beschreibt dieser Abschnitt die Absicht das Kindliche im Mitarbeiter herauszulocken Unvoreinge-nommen zu experimentieren zu scheitern Neues auszuprobieren um schlieszliglich Erfolg zu haben ndash wahrer Freiraum Was ist dafuumlr notwendig
Eine erfolgreiche Fuumlhrungskraft ist in der Lage loszulassen und dem Mitarbeiter zu vertrauen Wie zuvor hervorgehoben existieren Unternehmen weil sich im Rahmen der Wertschoumlpfung Aufgaben ergeben die nicht alleine erledigt werden koumlnnen Der Unter-nehmensgruumlnder ist auf Mitarbeit angewiesen Die Grundlage zu dieser gemeinsamen Arbeit oder der spaumlteren Delegation von Verantwortung ist Vertrauen Wenn es in einem Unternehmen unzaumlhlige Vorschriften Regelungen und Kontrollmechanismen gibt beein-flusst das gelebte Misstrauen uumlber kurz oder lang die Wirtschaftlichkeit der Organisation ndash Misstrauen ist ein fataler Kostentreiber und schuumlrt den Widerstand Wenn Entscheidungs-findungen aufgrund von Misstrauen schwerfaumlllig sind wird wertvolle Arbeitszeit leicht-sinnig vertan wenn externe Berater nur aus politischen Gruumlnden fuumlr zusaumltzliche Autoritaumlt hinzugezogen werden wird es teuer wenn sinnvolle Maszlignahmen erst verspaumltet umgesetzt werden koumlnnen nur weil die Beteiligten um ihre eigenen Interessen feilschten wiegt der
16943 Mitarbeiter fuumlhren und foumlrdern durch Fordern
entgangene Gewinn schwer und wenn sich aufreibende interne Auseinandersetzungen negativ auf die Motivation der Mitarbeiter durchschlagen wird es besonders bitter weil sich eher die ehrgeizigen die guten Mitarbeiter des Unternehmens dazu entscheiden abzu-wandern (vgl Berner 2005) Der gaumlngige Spruch bdquoVertrauen ist gut Kontrolle ist besserldquo ist ein Irrweg Es gibt nichts Effizienteres als auf Offenheit und Vertrauen basierende Zu-sammenarbeit (vgl Doppler und Lauterburg 2008 S 139)
Wenn sich die Mitarbeiter der Fuumlhrungskraft anvertrauen ist die Fuumlhrungskraft gut beraten gleiches zu tun Sprenger betont weiter dass es Aufgabe der Fuumlhrungskraft ist den ersten Schritt zu wagen Sie muss zuerst verlaumlsslich ehrlich fair und loyal sein Dann kann dies auch von der Belegschaft erwartet werden Im Zusammenhang der Lean-Philo-sophie wird der Mitarbeiter als Mitunternehmer bezeichnet und gehoumlrt zum familiaumlren Zirkel der Organisation ndash Vertrauen ist in dieser Konstellation unerlaumlsslich Kontrolle zum richtigen Zeitpunkt aber nach wie vor wichtig bdquoMisstrauen ist da angesagt wo Vertrauen eine lebensgefaumlhrliche Dummheit waumlreldquo (Sprenger 2012 S 267)
435 Initiative zur Unabhaumlngigkeit bdquoerziehenldquo
Das Ziel eines Operational-Excellence-Programms ist es die verursachten Veraumlnderungen hinsichtlich neuer Denkmuster Arbeitsweisen und Maszlignahmen in die DNA der Organisa-tion einzupflanzen Wenn diese Intention Fruumlchte tragen soll muss die Unternehmensfuumlh-rung die Initiative und die Beteiligten zur Unabhaumlngigkeit bdquoerziehenldquo Wenn CEO Pierre Vareille von der FCI-Gruppe die Lean-Aktivitaumlten nur so weit anstieszlig dass diese nach seinem Weggang in der Belanglosigkeit versickerten reichten seine zur Unabhaumlngigkeit erziehenden Bemuumlhungen augenscheinlich nicht aus Handelt es sich dabei nicht um einen Widerspruch wenn die zuvor aufgefuumlhrten Erfolgsbedingungen Initiative personenunab-haumlngig gestalten und Commitment der Unternehmensspitze hervorgehoben wurden Auf der einen Seite eine personenunabhaumlngige Etablierung der Methodik und auf der anderen Seite das (personenabhaumlngige) absolute Commitment der Unternehmensspitze als orien-tierungsgebender Fixpunkt Zur Erklaumlrung soll die Erziehung eines Kindes als Vergleich herangezogen werden
Ein Neugeborenes ist ohne die Hilfe von Erwachsenen lebensunfaumlhig ein Kleinkind braucht die schuumltzenden Haumlnde der Eltern bei den ersten unkoordinierten Schritten und ein Teenager wuumlrde ohne den Ruumlckhalt der lebenserfahreneren Eltern vielleicht eher auf schiefe Bahnen gelangen Ohne die Faumlhigkeit von Vater und Mutter ihr Kind irgendwann loszulassen und es dem eigenen Willen und den Irrungen und Wirrungen des Schicksals zu uumlberlassen waumlre ein junger Erwachsener nicht in der Lage Lebenserfahrung Reife und Persoumlnlichkeit zu gewinnen Dieser Entwicklungsprozess aumlhnelt der bdquoErziehungldquo einer In-itiative durch die die Veraumlnderung initiierende Fuumlhrungspersoumlnlichkeit im Unternehmen Auch die Etablierung einer Verbesserungsphilosophie muss anfangs an die Hand genom-men werden damit die Fuumlhrungspersoumlnlichkeit bei Ruumlckschlaumlgen Halt bieten kann Am
170 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
Ende soll die Veraumlnderung jedoch Alltag sein und auf eigenen Beinen stehen Ein gutes Beispiel aus der Praxis ist wiederum die Neuenfelder Maschinenfabrik
Nach nur zwei Jahren methodischer Umsetzung lebte das Gedankengut der Lean-Phi-losophie ohne dass die Initiative einen Namen von Goran Curic erhalten hatte Die Mit-arbeiter nutzten die Moumlglichkeit Verbesserungsvorschlaumlge und Optimierungspotenziale einzubringen (es sei an das von einem Mitarbeiter eigenstaumlndig konzeptionierte und er-stellte bdquoVisual Boardldquo aus Legobausteinen erinnert) und Curic war fest davon uumlberzeugt dass die Initiative schon am folgenden Tag ohne ihn weiterleben wuumlrde Der Eindruck bei einer Werksbesichtigung vor Ort lieszlig daran keinen Zweifel aufkommen Worin liegt die erfolgreiche Entwicklung begruumlndet Curic traute seinen Mitarbeitern nicht nur die Veraumlnderung zu sondern er vertraute auch auf deren individuelle Faumlhigkeiten Sein Ver-trauen in die beteiligten Menschen schaffte wiederum Vertrauen der Mitarbeiter in die vom Chef initiierte fernoumlstliche Verbesserungsphilosophie Mittlerweile ist die Initiative fast erwachsen
436 Widerstand entgegenwirken
Auf dem Weg zum Erwachsenen wird sich ein Kind haumlufig weigern Verstaumlndnis fuumlr die Erziehungsmaszlignahmen der Eltern aufzubringen Dies ist nicht nur in der Pubertaumlt ein alltaumlgliches Phaumlnomen sondern auch im betriebswirtschaftlichen Kontext eine gewohnte Begleiterscheinung Es gibt sowohl in einem Lern- als auch in einem Veraumlnderungsprozess keine Veraumlnderung ohne Widerstand Die Neuerungen koumlnnen sachlich logisch sinnvoll und dringend erforderlich sein aber am Ende des Tages gibt es mindestens einen Mitarbei-ter oder eine Teilgruppe der Belegschaft die das Vorhaben nicht verstanden haben oder den Entscheidern nicht glauben oder die anstehenden Veraumlnderungen schlichtweg nicht unterstuumltzen wollen Der Umgang mit derartigen Reaktionen deren Ursachen immer im irrationalen Bereich liegen ist ein zentrales Erfolgskriterium fuumlr die Umsetzung von Ope-rational-Excellence-Initiativen bdquoEs ist fuumlr den Fortgang eines Veraumlnderungsprojektes von entscheidender Bedeutung dass Widerstand ndash in welcher Form auch immer ndash rechtzeitig erkannt und richtig beantwortet wird Wenn dies nicht der Fall ist kommt es zu ernsthaften Verzoumlgerungen schwerwiegenden Blockaden und kostspieligen Fehlschlaumlgenldquo (Doppler und Lauterburg 2008 S 336) Auch beim kanadischen Lebensmittelhersteller Maple Leaf Foods war sich der Initiativenleiter von Six Sigma Bruce Miyashita bewusst dass der Mensch ein Gewohnheitstier ist ndash Veraumlnderung ist per se unangenehm und negativ Welche Umgangsform ist also ratsam
Widerstand ist nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen Fehlzeiten Unaufmerk-samkeit Unwichtiges debattieren Geruumlchtebildung und sturer Formalismus sind einige wenige Symptome Lustlose Meetings Mitarbeiter die sich sonst engagieren ziehen sich zuruumlck und blockierte und ins Laumlcherliche gezogene Entscheidungsprozesse gehoumlren zur Tagesordnung An den Kern der Problematik fuumlhrt nur ein ehrlich und offen gefuumlhrtes Gespraumlch mit den Betroffenen bdquoNur das ruhige ohne Zeit- und Ergebnisdruck gefuumlhr-
17143 Mitarbeiter fuumlhren und foumlrdern durch Fordern
te Gespraumlch und das aufrichtige Interesse fuumlr die Situation der Betroffenen und fuumlr ihre persoumlnlichen Meinungen koumlnnen die Vertrauensbasis schaffen die notwendig ist damit auch heiklere Gedanken und Empfindungen geaumluszligert werdenldquo (Doppler und Lauterburg 2008 S 340) Es gilt anzuhoumlren was den Mitarbeiter bewegt Wird er durch die anste-hende Reorganisation finanzielle Nachteile erwarten muumlssen Wird er seinen Arbeitsplatz verlieren Wird er mit fuumlr ihn unsympathischen Menschen zusammen arbeiten muumlssen Welche Karrieremoumlglichkeiten bietet ihm die Veraumlnderung Wird er in Zukunft fachlich oder persoumlnlich uumlberfordert sein Die Fuumlhrung des Unternehmens wird diesen und vielen weiteren unangenehmen Fragen Raum geben muumlssen Es ist wie mit dem Vertrauen Die Verantwortung des ersten Schrittes fuumlr einen erfolgreichen Umgang mit aufkommendem Widerstand traumlgt nicht die Belegschaft sondern die planende Fuumlhrungsmannschaft Die Fuumlhrungskraft hat sich geduldig und mit ehrlichen Worten in die Lage der Betroffenen zu versetzen ndash mit dem Widerstand nicht gegen ihn gehen Dies gestaltet sich in der Realitaumlt schwieriger als man denkt
Der beschriebene konstruktive Umgang mit den irrationalen Reaktionen der Betroffe-nen von Veraumlnderungsmaszlignahmen schlieszligt aber auch personelle Konsequenzen nicht aus Bei Maple Leaf Foods wurden die Ansichten der Mitarbeiter hinsichtlich der Six-Sigma-Implementierung angehoumlrt und verstaumlndnisvoll aufgegriffen Miyashita bezeichnete diese Vorgehensweise als bdquoan die Hand nehmenldquo Wer aber schlieszliglich das Vorhaben des CEO und Eigentuumlmers Michael McCain nicht unterstuumltzte dem wurde unmissverstaumlndlich nahe gelegt sich einen neuen Arbeitgeber zu suchen Es war keine Frage ob man auf den Six-Sigma-Zug aufspringen sondern wann dies der Fall sein wuumlrde ndash diese Botschaft war deutlich Widerstand notfalls rigoros brechen ndash auch das versteht sich in der Konsequenz unter konstruktivem Umgang
437 Zusammenarbeit organisieren und belohnen
Es steht auszliger Frage dass Unternehmen unterschiedlich mit Widerstaumlnden umgehen Die Bank of America unter CEO Lewis installierte beispielsweise eine woumlchentliche Score-card wodurch die Mitarbeiter direkten Zugang zum generierten Mehrwert der Projek-te erhielten Jeder einzelne konnte so ablesen welchen quantitativen Beitrag er fuumlr den Initiativenerfolg geleistet hatte Die Dokumentation der Projektentwicklungen spornte an foumlrderte einen fairen internen Wettbewerb und forcierte die Zustimmung und aktive Partizipation an der systematischen Qualitaumltsbemuumlhung durch Six Sigma Es sei kritisch angemerkt dass eine solche Maszlignahme nicht in jedem Unternehmen zu fairem und foumlr-derlichen Wettbewerb fuumlhren wuumlrde Wenn jeder an sich selbst denkt ist moumlglicherweise an alle gedacht aber die Feinmechanik des zwischenmenschlichen Miteinander wird uumlber kurz oder lang Schaden daran nehmen Warum Weil das Uumlberleben des menschlichen Wesens auf Kooperation ausgelegt ist Dies ist ein Aspekt der unsere Spezies uumlbrigens einzigartig macht ndash und nicht wie oftmals angenommen die Denkfaumlhigkeit oder unsere Sprache (Vgl Sprenger 2012 S 52) Wenn Sprenger (2012 S 54 f) im Hinblick auf
172 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
Unternehmungen von bdquoKooperations-Arenenldquo spricht meint er dass bdquoZusammenarbei-tenldquo nicht die Addition von Einzelleistungen sondern die gemeinschaftliche und part-nerschaftliche Leistungserbringung ist ndash arbeitet man in einem Unternehmen oder als Unternehmen Was bedeutet es dann fuumlr eine Organisation oder die Entwicklung einer Operational-Excellence-Initiative wenn die Mitarbeiter diese Essenz vernachlaumlssigen Wenn man nicht zusammenarbeitet und die Probleme Beduumlrfnisse und Moumlglichkeiten seines Arbeitskollegen ignoriert weil man im Wettbewerb zueinander steht verliert im-mer entweder das Unternehmen oder die Initiative Was dem einen schadet hilft haumlufig dem anderen oder es gibt zwei Verlierer Sprenger (2012 S 71) erinnert an dieser Stelle exemplarisch an das Konfliktpotenzial zwischen Marketing und Vertrieb Diese Wechsel-wirkung zwischen zwei Gruppen zaumlhlt nicht nur zu den haumlufigsten und gleichzeitig kost-spieligsten Problemsituationen im Unternehmen sondern wird in der Praxis systematisch verharmlost Dies liegt daran dass der interne Wettbewerb und die Einzelleistung die Spielregeln bestimmen Wo im Auswahlgespraumlch noch bei aufwaumlndigen Gruppenuumlbun-gen unter der Supervision von erfahrenen Psychologen die Teamfaumlhigkeit der Kandidaten beobachtet wird zaumlhlt fuumlr die Bonusberechnung im Jahresabschlussgespraumlch lediglich die Einzelleistung Wer so organisiert heizt den internen Wettbewerb an Auch wenn aus Sicht eines Marktes in der Wirtschaft die Wettbewerbsstrukturen zu Wachstum und Wohl-stand fuumlhren gilt dies weder fuumlr ein Unternehmen noch fuumlr eine strategische Initiative Das erfolgreiche Fuumlhren eines Unternehmens ist ein Gemeinschaftswerk Andere Fragen sind relevant bdquoWas ist mit der Zusammenarbeit fuumlr eine gemeinsame Aufgabe Was ist mit dem Voneinander-Lernen Was ist mit Hilfsbereitschaft Was ist mit einem freundlichen attraktiven Arbeitsklima Was ist mit Vertrauenldquo (Sprenger 2012 S 69) Um die Vision fuumlr operative Exzellenz in betriebliche Realitaumlt umzusetzen gilt es das Miteinander zu organisieren und die Zusammenarbeit zu belohnen
438 Mitarbeiter kennenlernen und nachhaltig motivieren
Wenn der zuvor aufgegriffene Aspekt der Zusammenarbeit und des Miteinanders wei-ter gedacht wird stolpert man unweigerlich uumlber das Thema der monetaumlren Belohnung Im Sinne einer fruchtbaren Arbeitsgemeinschaft erscheinen eine eher ausgeglichene Be-zahlung und ein faires Belohnungssystem entgegen der haumlufig anzutreffenden krassen Unterschiede mehr als sinnvoll Sprenger praumlgt in diesem Zusammenhang die Begriff-lichkeit bdquoGehaltshygieneldquo bdquoWer im Team deutlich weniger verdient als andere findet seine Leistung nicht ausreichend gewuumlrdigt und leistet langfristig weniger Gleichzeitig sinkt bei groszligem Einkommensgefaumllle auch die Leistung der Top-Talenteldquo (Sprenger 2012 S 79) Diese Perspektive bezieht sich primaumlr auf die organisatorische Ausrichtung des gesamten Unternehmens ndash was bedeutet es fuumlr die Umsetzung von Operational-Excel-lence-Programmen
Zum einen bietet eine systematische Veraumlnderung wie die einer solchen Initiative den noumltigen Handlungsspielraum ein festgefahrenes und in die Jahre gekommenes Entloh-
17343 Mitarbeiter fuumlhren und foumlrdern durch Fordern
nungssystem anzupassen So geschehen bei der Bank of America Im Zuge der Qualitaumlts-initiative von Six Sigma passte sich auch das Belohnungssystem der Bank an die neuen Rahmenbedingungen an Nicht fuumlr die Akquise von neuen Kunden sondern fuumlr den Auf-bau langfristiger Kundenbeziehungen wurden offiziell Preise an die Mitarbeiter verliehen Das Ergebnis waren nicht nur gluumlckliche Stammkunden sondern auch noch zahlreiche Neukunden durch die Empfehlungen der Stammkunden
Zum anderen muss die Frage gestattet sein ob finanzielle Lockmittel nachhaltige Mit-arbeiterpartizipation gewaumlhrleisten Die Wissenschaft belegt dass weniger Geld (als der Durchschnitt) unzufrieden macht ndash mehr Geld (als der Durchschnitt) aber keinen nen-nenswerten Unterschied ausmacht (vgl Sprenger 2012 S 80) Wenn die Credit Suisse bei einem flaumlchendeckenden Lean Sigma Deployment ihren Black Belts 1000 Schweizer Franken mehr im Monat zahlt ist es fraglich wie langfristig sich diese Maszlignahme positiv auf das Engagement der Mitarbeiter auswirkt (vgl Dahm 2008 S 56 f) Selbst wenn es sich um eine groszligzuumlgige monetaumlre Anreizstruktur handelt die die Belegschaft bis in die Haarspitzen motiviert wird der eigentliche Sinn und Zweck verschoben Es geht nicht um die Optimierung des Portemonnaies sondern um eine nachhaltige Verankerung der stra-tegischen Maszlignahmen die langfristig die Uumlberlebensfaumlhigkeit des Unternehmens sichern sollen Der Schluumlssel ist die Etablierung eines fairen Belohnungskonzeptes Wenn es nur um Geld geht ist wie das Krisenjahr 2008 deutlich gemacht hat die geistige Weitsicht des Menschen beschraumlnkt ndash die einfache Struktur des Grenznutzens finanzieller Anreize stoumlszligt schnell an ihre Grenzen
Dagegen macht es Sinn den tieferen Zusammenhang der Taumltigkeit des Mitarbeiters in der Initiative deutlich zu machen Wie bereits gesagt nichts wirkt motivierender als der persoumlnliche Fortschritt Wenn jemand den veraumlnderten Prozess mitgestalten testen und umsetzen kann findet er Freude daran weil er Teil der unternehmerischen Substanz ist der Zukunft Goran Curic uumlberzeugte seine Mitarbeiter indem er ihren Alltag spuumlrbar veraumlnderte Wenn die Unfallquote drastisch sinkt spricht es sich schnell herum dass die Firma ein sicherer Ort geworden ist Michael McCain integrierte die Relevanz der Aus-bildungsstufen der Belt-Hierarchie in das Personalentwicklungskonzept von Maple Leaf Foods Das Vorreiterunternehmen von Six Sigma General Electric geht sogar so weit dass das houmlhere Management nicht ohne eine BB-Ausbildung zu erreichen ist Wenn die Be-legschaft bemerkt dass es fuumlr die persoumlnliche Karriere im Unternehmen und die fachliche Entwicklung wertvoll ist eine Six-Sigma-Ausbildung vorweisen zu koumlnnen kommt es eher nicht so schnell zu einem Engpass an auszubildenden BB Schon wenn sich Vareille und Merel an einem Lean-Projekt im Jahr an der Basis der FCI-Gruppe engagieren und persoumlnlich bdquozupackenldquo zeigt das der Belegschaft dass ihre Taumltigkeit ernst genommen wird Der Mensch nimmt derartige Wertschaumltzung und Aufmerksamkeit viel staumlrker wahr als eine anonyme Transaktion am Monatsende
Woran liegt es dass sich beste Freunde haumlufig auch die besten Geschenke machen koumln-nen Weil sie sich gut kennen und aus Erfahrung genau wissen was dem Gegenuumlber eine Freude macht Das bedeutet nicht dass jede Fuumlhrungskraft von nun an eine tiefe Freund-schaft zu den Mitarbeitern pflegen muss Dennoch Wer sich auf seine Belegschaft sein
174 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
Projektteam oder seine BB einlaumlsst wird sie kennenlernen und immer besser wissen wie man mit ihnen umzugehen hat
Es ist die Aufgabe der fuumlhrenden Mitarbeiter den Rest der Mannschaft fuumlr die anste-henden Herausforderungen und gemeinsamen Ziele zu begeistern Es ist ein erster Schritt das wertvollste Betriebskapital besser kennenzulernen So kann man das zuvor aufgegrif-fene Toyota-Prinzip bdquoGenchi Genbutsuldquo (bdquoGeh und sieh selbstldquo) nicht nur prozess- oder problemorientiert verstehen sondern auch personenorientiert bdquoGeh und sprich mit den Leutenldquo Nur so ist der zweite Schritt die Mitarbeiter dort abholen wo sie sind moumlg-lich Ist den Betroffenen klar was mit der bevorstehenden Initiative bezweckt wird Wie ist es um den Informationsstand hinsichtlich der zukuumlnftigen strategischen Maszlignahmen bestellt Sind diesbezuumlglich Unterschiede auszugleichen Teilen die Mitarbeiter das Pro-blembewusstsein der Initiatoren des Vorhabens Welche Botschaften Geruumlchte oder Vor-urteile kursieren im Flurfunk Wie stark muss der Impuls sein um die noumltige Energie und das erforderliche Engagement bei den Betroffenen zu spuumlren ndash wie sollte dieser Impuls aussehen Diese Fragen helfen den Ausgangszustand einschaumltzen zu koumlnnen Je staumlrker das Problembewusstsein der Betroffenen ist desto staumlrker wird sich auch die Motivation fuumlr das Veraumlnderungsvorhaben manifestieren
Wenn man mit den Mitarbeitern spricht und sie kennenlernt wird man sie dort abholen koumlnnen wo sie sind Weiter gilt es sie aktiv in die Initiativen Arbeit und Entscheidungs-vorbereitungen einzubeziehen Nur wer die Ausgangslage kennt und versteht wird sich fuumlr eine erfolgreiche Umsetzung der Initiative motivieren lassen Transparenz uumlberzeugt Je fruumlher diese Mitarbeiterpartizipation etabliert wird desto praxisgerechter die Loumlsungen (Sind es nicht die unmittelbar betroffenen Mitarbeiter die wissen wo es in der Organisa-tion nicht richtig laumluft) und desto houmlher die Identifikation mit der Initiative (Fuumlhlen die Betroffenen sich in einem solchen Fall nicht als Partner ernst genommen) (Vgl Doppler und Lauterburg 2008 S 174 f) Zwei weit verbreiteten Missverstaumlndnissen soll in diesem Zuge der Wind aus den Segeln genommen werden (vgl Doppler und Lauterburg 2008 S 175)
Irrtuumlmlicherweise werden derartige partizipativen Ansaumltze meist als zeit- und damit auch als kostenintensiv abgetan Auch wenn es tatsaumlchlich Zeit kostet so uumlberwiegt doch ein nachhaltiger Benefit der den Zeitaufwand um ein Vielfaches kompensiert Wird man eher auf einen Mitarbeiter bauen den man vor vollendete Tatsachen gestellt hat und des-sen Arbeitseinstellung nun von Zweifel Unsicherheit und Distanz gepraumlgt ist oder auf einen der die anstehenden Projekte und Veraumlnderungen als bdquoseine Arbeitldquo mit Uumlberzeu-gung vertritt
Des Weiteren wird faumllschlicherweise angenommen dass Mitarbeiterpartizipation zu bdquomehr redenldquo und nicht bdquomehr arbeitenldquo fuumlhrt Diese Annahme ist grundlos und nur da-rauf zuruumlckzufuumlhren dass die Chefetage Angst vor guten Vorschlaumlgen aus den eigenen bdquounterenldquo Reihen hat Der Mitarbeiter hat kein Interesse bei allen Themen mitzumischen sondern nur bei denen die ihn unmittelbar tangieren Es ist die Aufgabe der Fuumlhrung die richtigen Mitarbeiter mit den richtigen Themen bzw Projekten in Kontakt zu bringen
17543 Mitarbeiter fuumlhren und foumlrdern durch Fordern
Mit den betroffenen Mitarbeitern offen und ehrlich sprechen sie kennenlernen sie dort abholen wo sie sind und von Beginn an aktiv an der Entwicklung der Initiative partizipie-ren lassen ndash dies sind wichtige Elemente um die Mitarbeiter fuumlr die gemeinsame Zukunft der Operational-Excellence-Initiative zu begeistern
Der Vollstaumlndigkeit halber muss aber auch erwaumlhnt werden dass die Wirtschaftswelt nicht immer bunt ist Es gehoumlrt zum Tagesgeschaumlft einer Organisation Unternehmens-struktur Marktbedingungen und Zukunftserwartungen kontinuierlich einander anzupas-sen Im Extremfall kann dies zu Personalabbau fuumlhren Was ist zu empfehlen wenn im Rahmen einer Lancierung die energiefressende Geruumlchtekuumlche brodelt und das Schreck-gespenst des Stellenabbaus umhergeht und sich die Schwarzmaler bestaumltigt sehen Auf die Spitze getrieben Wie wird ein Mitarbeiter dazu motiviert sich fuumlr eine Initiative zu engagieren die aller Wahrscheinlichkeit nach seinen Arbeitsplatz bdquowegoptimiertldquo
Nicht nur in Bezug auf eine strategische Initiative die an den Grundfesten der Orga-nisation ruumlttelt gehoumlrt die Bewaumlltigung einer solchen Situation sicherlich zu einer der schwersten Fuumlhrungsaufgaben In der Realitaumlt fuumlhrt dies haumlufig zu kreativen Vermeidungs-strategien des Fuumlhrungsverantwortlichen Die direkte Konfrontation wird vermieden was die Situation fuumlr die Betroffenen noch schlimmer macht Dadurch bedingte kurzfristige bdquoEntsorgungsaktionenldquo sind nicht nur haumlufig zu beobachten sondern auch mit einem irre-parablen Vertrauensschaden verbunden (Vgl Doppler und Lauterburg 2008 S 147) Der Rest der Belegschaft nimmt sehr genau wahr wie mit den Kollegen oder sogar Freunden umgegangen wird Viele Fuumlhrungskraumlfte haben sich durch verantwortungsloses Verhalten in diesen Situationen schon beispiellos das Vertrauen in eine gemeinsame Zukunft ver-spielt Wenn eine kritische Menge an Mitarbeitern resigniert ist die Initiative praktisch gescheitert
Tatsache ist dass es fuumlr einen solchen Haumlrtefall keine bdquoBest-Practice-Loumlsungldquo gibt und ein persoumlnliches Gespraumlch unumgaumlnglich ist Je fruumlher desto fairer Je ehrlicher desto bes-ser Die Organisationsexperten Doppler und Lauterburg (2008 S 148 f) schlagen folgen-de aus der Praxis bewaumlhrten Bestandteile eines solchen Gespraumlchs vor
1 Auf alle wichtigen und kritischen Elemente die zu der personellen Konsequenz fuumlhr-ten im Einzelnen aufmerksam machen
2 Sorgfaumlltig und ehrlich begruumlnden warum sich die Wege in Zukunft trennen ndash vorhan-dene Defizite klar ansprechen
3 Deutlich machen dass die Entscheidung gefallen ist und nun die Umsetzung der Tren-nung konkret vorbereitet wird
4 Enttaumluschung Raum geben und Kritik ertragen ndash sich dabei aber nicht in Rechtfertigun-gen verlieren
5 Zeitplan fuumlr die naumlchsten Gespraumlche und den Zeitpunkt bis zu dem die Entscheidung umgesetzt sein soll kommunizieren
6 Moumlglichkeiten wie das Unternehmen den Prozess der persoumlnlichen und beruflichen Neuorientierung unterstuumltzen kann diskutieren
176 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
439 Mitarbeitern Aufmerksamkeit schenken ndash Entscheidungskonflikte loumlsen
Anschlieszligend laumlsst sich mit einer Eigenschaft von Fuumlhrungskraumlften fortfahren die Spren-ger (2012 S 94) als wesentlich hervorhebt Eine Fuumlhrungskraft sollte im Hinblick auf die Bedeutung von Kooperation und Zusammenarbeit im unternehmerischen Kontext Men-schen vor allem moumlgen Etwas pragmatischer formuliert Es ist wichtig Mitarbeitern Zeit und Aufmerksamkeit schenken und miteinander sprechen zu wollen Grundsaumltzlich wird im Rahmen eines Operational-Excellence-Programms wenig Zeit sein Eine Initiative neben dem Alltagsgeschaumlft konsequent und erfolgreich umzusetzen erfordert sorgfaumlltiges Zeitmanagement der Fuumlhrungskraft Im streng getakteten Kalender findet in der Folge vieles seine Beruumlcksichtigung ndash zu selten aber das Wesentliche Es ist wie mit Menschen die behaupten keine Zeit fuumlr Sport zu haben ndash die Zeit muss man sich nehmen ndash und mit Rauchern die vorgeben nicht aufhoumlren zu koumlnnen ndash man muss es nur wollen Auch hin-sichtlich der Mitarbeiterschaft sind der Wille und die Zeit die man bereit ist zu investie-ren ausschlaggebend Wie kann dies in der Praxis aussehen
Bruce Miyashita VP von Six Sigma fokussierte sich besonders auf das bdquoWohlbefin-denldquo der Mitarbeiter von Maple Leaf Foods und bemuumlhte sich nicht nur Missverstaumlnd-nisse zu beseitigen sondern insbesondere die Vorteile der Systematik von statistisch-ma-thematischen Qualitaumltsbemuumlhungen zu kommunizieren So machte er deutlich dass die Belt-Ausbildungsstruktur sowohl den internen und externen Marktwert steigert als auch die persoumlnliche Entwicklung verbessert In persoumlnlichen Gespraumlchen zeigte er auf welche Vorteile der Mitarbeiter durch die Beherrschung von Zahlen die Kenntnis von Prozess-ablaumlufen des gesamten Unternehmens und den Lerneffekt von geloumlsten Defekten oder Problem hat Sein Einsatz verfehlte die Wirkung nicht Die Beruumlcksichtigung des Faktors Mitarbeitern Zeit und Aufmerksamkeit schenken und mit ihnen sprechen zu wollen foumlrdert nicht nur die Motivation des Personals sondern ermoumlglicht der Fuumlhrungsrige auch am Ball zu bleiben Nichts ist wichtiger als auf Stoumlrfaktoren und Reibungsverluste rechtzeitig reagieren zu koumlnnen Die regelmaumlszligige Interaktion wertschaumltzt dabei nicht nur den Mit-arbeiter sondern ermoumlglicht auch die Etablierung notwendiger Feedback-Mechanismen
Fuumlhrung ist im Rahmen von Operational-Excellence-Programmen essenziell weil so die Uumlberlebensfaumlhigkeit der strategischen Bemuumlhungen gesichert wird Zahlreiche rele-vante Bausteine wurden dafuumlr naumlher erlaumlutert Zum Schluss soll ein bislang unberuumlcksich-tigter Grundsatz angesprochen werden bdquoFuumlhrung hat ihren Aufgabenbereich jenseits der Routine naumlmlich im Konflikt in dilemmatischen Situationenldquo (Sprenger 2012 S 148) Wenn uumlber Ziele oder Wege gestritten wird zu wenig Informationen oder zu viele vor-liegen oder unter Zeitdruck eine von vielen Handlungsmoumlglichkeiten ausgewaumlhlt werden muss wird eine Instanz benoumltigt die Verantwortung uumlbernimmt und Festgefahrenes in Bewegung setzt Fuumlhrung muss Entscheidungskonflikte loumlsen
Goran Curic war es sehr wichtig die Sicherheitsvorkehrungen in den Fertigungshallen der NMF zu verschaumlrfen und die Unfallursachen konsequent und umfangreich zu evalu-ieren Doch nicht jedem Mitarbeiter gefielen die strengeren Sicherheitsauflagen wie das
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staumlndige Tragen einer Schutzbrille in den Produktionshallen Obwohl es der Gesundheit und beruflichen Sicherheit diente erreichte der geaumluszligerte Unmut sogar den Betriebsrat Curic empfand es letztendlich als angemessen seinen erstrebenswerten Zielzustand durch-zusetzen Die Anzahl der Unfaumllle sank deutlich unter das Vorjahresniveau Fuumlhrungsstaumlrke ist demnach Entscheidungsstaumlrke und faumlngt dort an wo kein Konsens moumlglich ist
Abschlieszligend gilt es zu klaumlren wer Mitarbeiter fuumlhren foumlrdern und fordern kann Eine Fuumlhrungskraft die in der Lage ist die naumlher erlaumluterten Faktoren im Geschaumlftsalltag zu beruumlcksichtigen wird einen eher positiven als negativen Beitrag fuumlr die Fortentwick-lung einer strategischen Initiative leisten koumlnnen Die diskutierten Erfolgsfaktoren sind bewusst handlungsorientiert gemeint und formuliert Zur Realisierung kommen durch-aus viele Fuumlhrungskraumlfte infrage Es ist sekundaumlr ob die jeweilige Person charismatisch einfuumlhlsam selbstbewusst oder visionaumlr ist Personifizierte Attribute dieser Natur sind vorsaumltzlich unerwaumlhnt geblieben denn bdquoes besteht kein nachweisbarer Zusammenhang zwischen Persoumlnlichkeitsmerkmalen der Top-Manager und dem wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmenldquo (Sprenger 2012 S 27) So spricht Sprenger (2012 S 26) auch nicht von bdquoguterldquo Fuumlhrung sondern nur von bdquoerfolgreicherldquo Fuumlhrung ndash Erfolg ist wichtiger als Fuumlhrungsstil Es ist wie im Fuszligball Wenn Juumlrgen Klinsmann mit der Deutschen National-mannschaft bei der WM 2006 im eigenen Land leidenschaftlichen Fuszligball spielt und eine ganze Nation mitreiszligt wird er als grandioser Trainer hoch gelobt Schieszligt der FC Bayern Muumlnchen unter seiner Fuumlhrung als Trainer aber anschlieszligend nicht genuumlgend Tore wird er ndash obwohl er an seiner Fuszligballphilosophie nichts veraumlndert hat ndash nach zehn Monaten bereits angeprangert und als schlechter Trainer sang und klanglos fallen gelassen Was zaumlhlt ist das Runde im Eckigen ndash oder die positive Ergebniswirksamkeit der Operatio-nal-Excellence-Initiative Die auf den letzten Seiten diskutierten Erfolgsfaktoren helfen jedem dabei einzelne Mitarbeiter ein Team oder eine ganze Initiative erfolgreich fuumlhren zu koumlnnen
44 Richtige Projekte machen ndash Projekte richtig machen
Gut ausgewaumlhlte und sorgfaumlltig definierte Verbesserungsprojekte fuumlhren zu besseren und schnelleren Ergebnissen Analog dazu fuumlhren die schlecht ausgewaumlhlten Projekte zu ver-spaumlteten Ergebnissen und Frustration (Vgl Pande et al 2000 S 137) Diese sogenannten bdquoTroubled Projectsldquo verursachen am Ende 134 mehr an Kosten als urspruumlnglich veran-schlagt (vgl Joslashrgensen et al 2008 S 10) Wie findet man das passende Projekt und wie setzt man es ergebnisorientiert um
441 Projekte mit groszliger Hebelwirkung priorisieren
Prinzipiell eignen sich nahezu alle Prozesse in einem Unternehmen fuumlr eine Optimierung Die Auswahl der geeigneten Projekte fuumlr die Operational-Excellence-Initiative ist ein kri-
44 Richtige Projekte machen ndash Projekte richtig machen
178 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
tischer Erfolgsfaktor Zunaumlchst muss ein Unternehmen erkennen in welchen Prozessen ein groszliger Unterschied zwischen benoumltigter und realer Performance vorliegt was im All-gemeinen sehr einfach zu erkennen sein sollte Es sollte aber nicht einfach der erstbeste Prozess gewaumlhlt werden Um aber den bdquosinnvollstenldquo Prozess fuumlr den Beginn der Opera-tional-Excellence-Initiativen auszuwaumlhlen sind drei einfache Schritte zu beachten
1 Es muss ein Problem im Prozess erkannt worden sein welches relevant fuumlr das Unter-nehmen ist
2 Die Loumlsung des Problems innerhalb des Prozesses darf nicht trivial sein bzw diese darf nicht bereits bekannt und nur noch nicht umgesetzt sein
3 Die Loumlsung des Problems und die Verbesserung des Prozesses sollten potenziell und moumlglichst nachhaltig zur Erhoumlhung des Kundennutzens und damit der Kundenzufrie-denheit beitragen
Projekte die sich mit Prozessen auseinandersetzen die den groumlszligten Einfluss auf die Unternehmensleistung Kennzahlen Strategie und Kundenzufriedenheit vorweisen haben Prioritaumlt Zusaumltzlich gehoumlren nur Prozesse von nachgefragten Produkten in den Projekt-fokus denn operative Exzellenz kann keine falsche Absatzpolitik oder strategische Fehler in uumlberholten Geschaumlftsmodellen korrigieren (Vgl Moormann 2009 S 5) Die Kunst ist es das Richtige liegen zu lassen Kenneth Lewis von der Bank of America definierte diese Kunst nicht nur uumlber die Hebelwirkung sondern auch uumlber die Dringlichkeit des Projektgegenstandes Besonders hinsichtlich der Umsetzung von Six Sigma oder Lean Sigma gibt es Unterschiede in der Dringlichkeit der Projekte zu beachten So ist Null-Fehler-Qualitaumlt vor allem fuumlr erfolgskritische Prozesse wie eine lebensrettende Opera-tion im Krankenhaus anzustreben Andere Prozesse wie die Aufnahme von Patienten im Krankenhaus haben mit 4σ dagegen ein akzeptables Niveau erreicht Laumlngerfristig jedoch muumlssen alle Prozesse auf das von dem Kunden geforderte Niveau gebracht werden Der Erfolg der ganzen Initiative wird maszliggeblich von der Projektauswahl beeinflusst In Goethes Worten bdquoWer das erste Knopfloch verfehlt kommt mit dem Zuknoumlpfen nicht zu-randeldquo (Doppler und Lauterburg 2008 S 321)
442 Quick Wins erzielen ndash Projekt stringent umsetzen
Mike Fisher Leiter der Lean-Sigma-Initiative von Best Buy legte zu Beginn seiner Tauml-tigkeit Wert darauf dass schnelle Projekterfolge erzielt werden Die Realisierung von sogenannten bdquoQuick Winsldquo foumlrdert die interne Kommunikation und das Image der Ver-aumlnderungsinitiative Diese sogenannten bdquoLow Hanging Fruitsldquo helfen dabei die Anfangs-phasen der Initiative oder des DMAIC-Zyklus die vor allem durch Datenerhebungen Statistik und Mathematik gepraumlgt sind durch sichtbare Erfolge leichter zu meistern Es ist nicht unuumlblich konkrete Verantwortlichkeiten fuumlr diesen Aspekt zu definieren denn der Beweis fuumlr die Nuumltzlichkeit der Anstrengungen und die Ermutigung der Beteiligten
17944 Richtige Projekte machen ndash Projekte richtig machen
wird auf keinem anderen Wege schneller realisiert Aber auch diese Projekte muumlssen wohl uumlberlegt sein und lanciert werden denn sonst verpuffen die ersten Impulse wie heiszlige Luft Fishers Vorgaumlnger hatte nach seinem Ermessen auf der Suche nach kurzfristigen Gewin-nen die Nachhaltigkeit und Langfristigkeit der Projektergebnisse vernachlaumlssigt Weil der erste Eindruck bekanntlich ausschlagegebend ist und somit auch das erste Projektergebnis besondere Aufmerksamkeit genieszligt nahm sich Fisher dafuumlr besonders viel Zeit Er houmlrte den Mitarbeitern zunaumlchst einmal zu um anschlieszligend die richtigen Hebel in Bewegung zu setzen Besonders zu Beginn der Implementierung sind die Mitarbeiter gegenuumlber den bevorstehenden Veraumlnderungen eher kritisch eingestellt Mit schnellen positiven Ergeb-nissen zog Fisher die letzten Kritiker seines Vorhabens auf seine Seite und sammelte wich-tige Teilerfolge auf Vorrat
Nachdem die Frage der Effektivitaumlt ndash das Richtige machen ndash geklaumlrt ist gilt es sich der Effizienz zu widmen ndash das was man macht richtig machen Das A und O ist eine strin-gente und konsequente Umsetzung von Projekten Wer mit einem Fahrrad eine Steigung hinter sich bringen moumlchte muss auch kontinuierlich Kraft auf die Pedale ausuumlben So gilt es auch in einer Operational-Excellence-Initiative am Druumlcker zu bleiben Eine effiziente Projektinfrastruktur ist dafuumlr essenziell Jegliche buumlrokratischen Auspraumlgungen oder Ten-denzen zur Traumlgheit sind energisch zu bekaumlmpfen Das Wesentliche muss im Vordergrund stehen das Problem und die passende Loumlsung
Wie beispielsweise Goran Curics erfolgreiche Anwendung in der Schwerindustrie zeigt ging es fuumlr ihn in Meetings nicht um die Suche eines Schuldigen fuumlr fehlerhafte Pro-zesse sondern um disziplinierte Problemorientierung in offenen Gespraumlchen Durch zwi-schenmenschliche Ungereimtheiten und emotionale Eitelkeiten wird die Effizienz haumlufig zu Grabe getragen Um einer solchen Entwicklung entgegenzuwirken ist eine sorgfaumlltige und saubere Vorbereitung von Meetings zur stringenten Durchfuumlhrung von Projekten un-erlaumlsslich Wie koumlnnte dies in der Praxis aussehen
Damit ein morgendliches Meeting nicht in bdquoLabereildquo endet sollten die Rahmenbedin-gungen (Dauer Ort Inhalt Moderator usw) fixiert und allen bekannt sein Verstoumlszlige wer-den geahndet Analog dazu Damit ein Projekt nicht im Sande verlaumluft sollte uumlber die von den Organisationsentwicklern Doppler und Lauterburg (2008 S 321 f) konsolidierten Aspekte im Vorfeld Klarheit herrschen
1 Ist der bekannte Anlass des Projektes oder die benannte Problemstellung nachvollzieh-bar und komplex genug um die Inangriffnahme eines Projektes zu rechtfertigen
2 Wie ist der Status quo zu erklaumlren und welche Bemuumlhungen wurden in der Vergan-genheit unternommen die aktuelle Problemstellung zu loumlsen Gibt es bdquoverwandteldquo Projekte
3 Ist die Unterstuumltzung und Bereitschaft des Auftraggebers vorhanden4 Wer ist inwiefern von dem Projekt betroffen und koumlnnte welche Absichten haben5 Was sind die Zielsetzungen und (moumlglicherweise versteckten) Leistungserwartungen
aller Beteiligten
180 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
6 Leuchtet die geplante Vorgehensweise allen ein und passen die geplanten Methoden und Werkzeuge zur Problemstellung und Zielsetzung
7 Ist der anvisierte Zeithorizont bekannt und realistisch 8 Welche KPIs (quantitativ und qualitativ) sind sinnvoll und definieren den Erfolg der
Projektentwicklung und des Endergebnisses 9 Ist im Projektteam und der Projektleitung ausreichend fachliche und soziale Kompe-
tenz und Engagement fuumlr die gemeinsame Herausforderung vorhanden10 Sind fuumlr die erfolgreiche Umsetzung der Ziele abgesehen von der Anzahl der Team-
mitglieder ausreichend Ressourcen (Sachmittel Geld Gespraumlchspartner usw) vorhanden
Waumlhrend des Projektverlaufs sollten die folgenden Aspekte kontinuierlich auf ihre Re-levanz und Beruumlcksichtigung uumlberpruumlft werden (vgl Doppler und Lauterburg 2008 S 328 ff)
1 Werden die Grundausrichtung und die formulierten Grundsaumltze der Operational-Excel-lence-Initiative (Produktivitaumlt und Menschlichkeit als houmlchstes Gebot) als Leitbild in den Projektalltag projiziert
2 Werden regelmaumlszligig die formulierten Ziele aufgelisteten Aufgaben und Taumltigkeiten festgelegten KPIs und der abgestimmte Zeitplan inklusive ausreichend Puffer mit den sich veraumlndernden Rahmenbedingungen der Unternehmung sinnvoll abgestimmt
3 Werden die Rollen und Verantwortlichkeiten transparent verteilt4 Werden die Key-Stakeholder oder sogenannten Schluumlsselspieler (ein prominentes Mit-
glied der Eigentuumlmerfamilie ein beliebter Mitarbeiter oder ein Manager mit besonderer hierarchischer Machtfuumllle) so eingebunden dass es der Entwicklung der Initiative zum Vorteil dient
5 Sind ein solides Zeitmanagement eine robuste Berichtstruktur und eine zeitgemaumlszlige Dokumentation des Projektes etabliert sodass die Grundlage fuumlr ein effizientes Pro-jektcontrolling gelegt ist
6 Wird die bdquoHygieneldquo des Projektumfeldes (Umgangston Zufriedenheit der Beteiligten Arbeitsklima usw) im Auge behalten
443 Potente Projektmitglieder engagieren
Was die Wirksamkeit eines Operational-Excellence-Projektes anbelangt ist insbesondere die Rolle des BB und die des MBB unter die Lupe zu nehmen Es gilt der gleiche Grund-satz wie bei der Auswahl der Projekte Nicht die Erstbesten sondern die Besten auswaumlh-len Je passender die Kandidaten sind desto weniger Kosten fallen im Projektverlauf an und desto wirksamer faumlllt das Ergebnis aus
Auch wenn manch ein Unternehmen den Erfolg der Initiative abhaumlngig von der An-zahl der ausgebildeten BBs macht so zaumlhlt am Ende die Qualitaumlt des Kandidaten Dieser
18144 Richtige Projekte machen ndash Projekte richtig machen
ist schlieszliglich federfuumlhrend dafuumlr verantwortlich dass die jeweilige Verbesserungsphilo-sophie der Operational Excellence fest in der Unternehmenskultur verankert wird Was notwendige Eigenschaften angeht ist es an dieser Stelle empfehlenswert neben fachlicher Leistungskapazitaumlt die zehn Grundsaumltze der erfolgreichen Fuumlhrung zu beachten Ein BB ist Fuumlhrungskraft und wird auch nach entsprechenden Maszligstaumlben eingestellt und beurteilt
Best Buy legte fuumlr die Rolle des globalen Leiters der Lean-Sigma-Initiative besonderen Wert auf kreatives strategisches und analytisches Denkvermoumlgen und eine gute Portion an Autoritaumlt die Mike Fisher augenscheinlich besaszlig Dies ist wie im Zuge des Erfolgsfaktors Mitarbeiter fuumlhren und foumlrdern durch fordern erlaumlutert nicht zwangslaumlufig eine Erfolgs-garantie ndash es gibt kein Erfolgsrezept Aufzaumlhlungen von Eigenschaften bieten lediglich Anhaltspunkte denn die Anforderungen jedes Unternehmens sind stark unterschiedlich In jedem Fall sind sie hoch und genau dabei ist zu beachten dass die Anforderungen nicht abschreckend wirken Ein BB muss sicherlich tiefergehende statistisch-mathematische Faumlhigkeiten besitzen oder sich zuumlgig aneignen Aber nur weil ein Unternehmen Six Sigma implementiert bedeutet dies nicht dass von nun an jeder GB und YB mit statistischer Brillanz hervorstechen muss Es gilt sorgfaumlltig darauf zu achten welche Faumlhigkeiten von welcher Rolle und Verantwortlichkeit verlangt werden
Ein weiteres Mal sei auf die Kulturkreisanalyse hingewiesen Eine Initiative die sich auf Mitteleuropa konzentriert koumlnnte auf andere Fuumlhrungsqualitaumlten des BB angewiesen sein als eine die primaumlr die Optimierungspotenziale der im asiatischen Raum ansaumlssigen Geschaumlftsbereiche erarbeitet Der Besetzung dieser elementaren Rollen und Verantwort-lichkeiten sollte in verschiedenen Bewerbungsgespraumlchen ausreichend Zeit gewidmet werden ndash wenn nicht nur eine Person uumlber die Rollenverteilung entscheidet erhoumlht dies zusaumltzlich die Prognosekraft fuumlr den einzelnen Kandidaten
Wichtig ist dass ein BB und MBB ihrer Taumltigkeit hauptberuflich also in Vollzeit nach-gehen muumlssen ndash dass dies Luumlcken in die Organisation reiszligt muss beruumlcksichtigt wer-den Moumlgliche Folgen dieser andauernden Personalrochaden zeigten sich bei Maple Leaf Foods Da haumlufig aufgrund von fehlenden Ressourcen eine reibungslose Gestaltung die-ses Abzugs von qualifiziertem bdquoBB-Potenzialldquo aus der Linientaumltigkeit nicht moumlglich war wurden fuumlr den entstehenden Engpass und die daraus resultierenden Schwierigkeiten die Six-Sigma-Methodik verantwortlich gemacht Wie bereits gesagt Die Geruumlchtekuumlche kompensiert Informationsluumlcken mit gefaumlhrlichem Halbwissen Inhaber und CEO McCain wies daraufhin dass dies zu enormen Imageschaumlden am Veraumlnderungsvorhaben fuumlhren koumlnne Solche Stimmungsschwankungen bei der restlichen Belegschaft die nicht unmit-telbar in die Initiative involviert ist koumlnnen unvorhersehbare Folgen haben
444 Projektkultur aufbauen
Es ist logisch dass sich jede Unternehmung die sich auf eine flaumlchendeckende Restruk-turierung einlaumlsst abhaumlngig von der bereits gesammelten Erfahrung zunaumlchst einmal an eine Projektorganisation gewoumlhnen muss Das Ziel muss eine etablierte funktionsfaumlhige
182 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
Projektkultur sein Was heiszligt das Zu einer Projektkultur zaumlhlen z B die Kooperationsbe-reitschaft zwischen Mitarbeitern und Abteilungen die Wertschaumltzung der Projektergebnis-se innerhalb einer Organisation die Kommunikationsfaumlhigkeit und Konfliktfaumlhigkeit der Projektmitglieder oder der Anspruch eine lernende Organisation zu sein Neue Strukturen Mechanismen und Methoden muumlssen zum Alltag werden Was ist bei einer derartigen kul-turellen Veraumlnderung der entscheidende Faktor Zeit Der Aufbau einer Projektkultur die reibungslos funktioniert und ausreichend Know-how vorzuweisen hat braucht seine Zeit und ist dafuumlr personell gesehen auf eine langfristige Perspektive angewiesen
So ging es fuumlr Curic bei der Implementierung der Lean-Philosophie um mehr als den bloszligen Gebrauch von Werkzeugen Er sprach von einer Bewusstseinsveraumlnderung weil Lean nicht kopiert sondern adaptiert werden wuumlrde Wo die Mitarbeiter es gewohnt wa-ren stramm zu stehen wenn der fruumlhere Chef ein Mal im Jahr die Fertigungshalle be-suchte war es eine gewaltige Umstellung jeden Morgen mit dem neuen Chef uumlber den Zustand der Produktionsprozesse zu diskutieren und dabei ernst genommen zu werden Curic war davon uumlberzeugt ndash und das soll an dieser Stelle unterstrichen werden ndash dass eine neue Denkweise nur mit einer festangestellten Personalbasis nachhaltig verankert werden kann Wenn die Initiativenleitung den Mitarbeiter als Treiber von Veraumlnderungen anerkennt zeichnet sich schon bald ab dass es auch auf dem Weg zu einer schlanken Produktion oder Administration nicht darum geht besonders viele Mitarbeiter zu feuern Vielmehr geht es darum sie an den richtigen Stellen einzusetzen Wenn ohnehin nur je-des zehnte Unternehmen nach Personalabbaumaszlignahmen seinen Marktanteil und seine Profitabilitaumlt steigern kann stellt sich ohnehin die Grundsatzfrage inwieweit umstrittene Maszlignahmen dieser Natur foumlrderlich fuumlr die langfristige Uumlberlebensfaumlhigkeit des Unter-nehmens sind (Vgl Sprenger 2012 S 113) Gesundschrumpfen gehoumlrt zur oumlkonomischen Realitaumlt ndash Kaputtsparen ist das Ergebnis betriebswirtschaftlicher Fachidiotie und zerstoumlrt die Zukunft des Unternehmens
Es soll betont werden dass ein umfangreicher Operational-Excellence-Werkzeugkas-ten nicht bedeutet dass es fuumlr jedes Problem das passende Tool gibt Eine erfolgreiche In-itiative versteht sich nicht als die schlichte Addition einiger Werkzeuganwendungen son-dern als unternehmerische Aktivitaumlt ndash arbeiten am Unternehmen nicht im Unternehmen
445 Fuumlr und gegen das richtige Werkzeug entscheiden
Auf der einen Seite ist dies also der Aufruf zur kreativen Nutzung der Vielfalt von eta-blierten Maszlignahmen und vorgefertigten Vorgehensweisen Wenn jemand Fleisch essen moumlchte wird er im Restaurant kaum die ganze Kuh verschlingen ndash man sucht sich ein passendes Stuumlck wie das Filet heraus Die Wahl fuumlr oder gegen das richtige Werkzeug ist entscheidend Auf der anderen Seite gilt es der Gefahr zu widerstehen die gleichen Werk-zeuge immer wieder aufs Neue zu benutzen weil sie in der Vergangenheit funktioniert ha-ben Gerade in der gegenwaumlrtigen Zeit gilt Was gestern funktionierte ist heute lange kein Erfolgsgarant mehr Was gestern bei der Baumarktkette Home Depot funktioniert hat ist
18344 Richtige Projekte machen ndash Projekte richtig machen
heute kein Selbstlaumlufer fuumlr den Elektronikhaumlndler Best Buy ndash dessen war sich Mike Fisher bewusst Die Befuumlrchtung der Belegschaft von BeBu dass Fisher den Home-Depot-An-satz einfach auf eine andere Organisation uumlberstuumllpen koumlnnte ndash war wie Erfahrungen aus der Praxis zeigen berechtigt Der Schluumlssel zum Erfolg ist eine adaptive Selektion der Werkzeuge ndash die Auswahl darf nicht zur Systematik werden
446 Lernsituationen schaffen ndash Wissen managen
Was dagegen fester Bestandteil der Systematik der Projektorganisation sein sollte ist die Sicherstellung des Wissenstransfers von der Projektleitung auf den zukuumlnftigen Prozess-eigner Dies ist ein kritischer Moment fuumlr die Uumlberlebensfaumlhigkeit des Veraumlnderungsvor-habens Nicht selten kommt es vor dass der projektleitende BB nach getaner Arbeit die Abteilung verlaumlsst und alles und jeder in alte Verhaltensmuster zuruumlckfaumlllt Das ist in der Regel menschlich aber in jedem Fall kurzsichtig und kostspielig In einem sechsmona-tigen Projekt wird eine neue Denkweise kaum in die DNA des Unternehmens uumlberge-hen koumlnnen ndash die ausgerufene Initiative ist der Naumlhrboden fuumlr die Saat des jeweiligen Projektes Das bedeutet dass der Umfang der Ernte sich uumlber die Einstellung und das Verhalten nach Projektabschluss definiert Was den zukuumlnftigen Prozesseigner betrifft ist diese Personalentscheidung demnach kritisch Dieser muss Know-how besitzen Es gilt die Einhaltung des optimierten Prozessablaufs zu validieren und an kritischen Punkten kontinuierlich Kontrollen durchzufuumlhren Die Faumlhigkeit auftretende Probleme und Fehler zu erkennen und auf diese zuumlgig und wirkungsvoll zu reagieren ist elementar
Wie kann man den zukuumlnftigen Prozessverantwortlichen unterstuumltzen Er koumlnnte einen Post-Projekt-BB als direkten Ansprechpartner zugewiesen bekommen der die Weiterfuumlh-rung des Projektgegenstandes anleitet Ferner ist es foumlrderlich wenn der Prozesseigen-tuumlmer bereits eigenstaumlndige Erfahrungen als YB oder GB in diesem oder moumlglichweise einem anderen Projekt sammeln konnte Der Mitarbeiter muss letztendlich von der Ver-aumlnderung uumlberzeugt sein und sich fuumlr die Aufrechterhaltung des neuen Prozesses engagie-ren Weil hier wieder die innere Haltung des Mitarbeiters zaumlhlt ist die Aussagekraft der Erfolgsbedingungen von Mitarbeiter fuumlhren und foumlrdern durch fordern zu unterstreichen
Der Vollstaumlndigkeit halber soll aufgrund der Relevanz zum Abschluss des Erfolgsfak-tors sbquoDie richtigen Projekte machen ndash Projekte richtig machenlsquo auch der systematische Auf- und Ausbau von methodischer Expertise erwaumlhnt werden Auch wenn das eine be-reits angesprochen wurde oder das andere projektuumlbergreifend zu verstehen ist so sollen die wichtigsten Aspekte konsolidiert diskutiert werden
Wenn es sich gemaumlszlig der bisherigen Ausfuumlhrungen um die Installation eines neuen Leis-tungsbewusstseins handelt geht es also nicht nur um Tools Der notwendige Ansatz ist mehrdimensional betrifft das ganze Unternehmen und ist damit komplex Eine solche Komplexitaumlt hat ihren Preis Wer nicht bereit ist in die Ausbildungs- oder Weiterbildungs-struktur seiner Belegschaft zu investieren wird keine ergebniswirksame strategische Ini-tiative erleben Exemplarisch sei positiv an die Konsequenz von Pierre Vareille erinnert
184 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
der trotz Krisenzeit die Kostenstellen der Lean-Initiative in der Unternehmensgruppe vor Sparmaszlignahmen verschonte Die Unternehmensbeispiele in denen der Benefit der ersten zwei Jahre der Implementierung die Kosten fuumlr den Aufbau der Schulungen das Material die Logistik oder die ausbildenden Ressourcen kompensierte sind nicht selten
Vareille war nicht nur in finanzieller Hinsicht konsequent Unter seiner Regie wurde das sogenannte bdquoLean-Learningldquo etabliert Zum einen gab es vierteljaumlhrlich stattfindende Meetings uumlber zwei Tage in denen die Mitarbeiter voneinander lernen sollten An allen Standorten der FCI-Gruppe wurden so Erfolgserlebnisse und Lean-Erfahrungen ausge-tauscht Zum anderen wurde eine Lean-Schule in Singapur eroumlffnet Der Leiter der Initia-tive Yves Merel zog dafuumlr sogar in den asiatischen Stadtstaat Die Schulung zum Lean-Manager erfolgte in drei Bloumlcken mit jeweils drei Tagen Die praktische Umsetzung der erlernten Theorie war gewaumlhrleistet da zwischen den drei Bloumlcken jeweils ein Lean-Pro-jekt unmittelbar umgesetzt werden musste ndash die Ergebnisse wurden am letzten Schulungs-tag dem CEO Vareille praumlsentiert Die FCI-Gruppe verstand die Bedeutung des nahtlosen Uumlbergangs von Theorie und Praxis Das Gegenbeispiel bietet der Handelsriese Best Buy
Bevor Mike Fisher als neu eingestellter globaler Leiter der Lean-Sigma-Initiative seine Arbeit aufnahm lag der Schwerpunkt seines Vorgaumlngers auf der theoretischen Verbreitung des Lean-Sigma-Konzeptes unter der Belegschaft Zahlreiche eintaumlgige Schulungen ver-schafften den Mitarbeitern einen ersten Eindruck von der methodologischen Konzeption und bdquoSpracheldquo von Lean Sigma Der Grund Gemaumlszlig dem Unternehmen konnte eine er-folgreiche Initiative nur auf das Engagement aller Mitarbeiter bauen Dies war zwar nicht verkehrt aber problematisch Die theoretische Trockenuumlbung lieszlig haumlufig den Sprung ins kalte Wasser vermissen ndash die Bemuumlhungen versickerten im Alltag und die Mitarbeiter waren von den nicht eingehaltenen Leistungsversprechen enttaumluscht Um nicht die Erwar-tungen der Mitarbeiterschaft weiter zu enttaumluschen und die Initiative vor einem herberen Imageverlust zu schuumltzen sorgte Fisher fuumlr eine systematisierte und stringente Umsetzung der Theorie in die Praxis
Die Moumlglichkeiten der Unternehmen unterscheiden sich hinsichtlich des Aufbaus von methodischer Kompetenz gewaltig Wo ein Groszligkonzern Beraterheerscharen engagiert muss sich ein mittelstaumlndisches Unternehmen auf die Faumlhigkeiten eines Lean Coachs verlassen Erfolgreich koumlnnen beide Varianten sein denn Qualitaumlt sticht wieder einmal Quantitaumlt Das Wichtige ist dass so viel Expertise wie moumlglich im Unternehmen gehal-ten wird Ob dies durch die Festanstellung von fruumlheren Beratern die Einfuumlhrung eines bdquoLean-Wikildquo (wie bei der Neuenfelder Maschinenfabrik wo das Wissen fuumlr die Zukunft zusammengetragen wird) oder unter der Uumlberschrift eines eigenen Produktionssystems geschieht ist zweitrangig Es kommt vor allem auf eine nachhaltige Strategie und die klare Zuteilung von Aufgaben- und Verantwortungsbereichen an Goran Curic von der NMF beruumlcksichtigte bei Personalentscheidungen sogar das Kriterium bdquoLean-Potenzialldquo So ist ein langfristiger Auf- und Ausbau von methodischer Expertise moumlglich
Der letzte relevante Aspekt bezieht sich in erster Linie auf groszlige Unternehmungen Fuumlr global vernetzte Organisationen kann die Einfuumlhrung eines Ausbildungsstandards sinnvoll sein Wenn jeder BB andere Schwerpunkte legt weil jedem etwas anderes gelehrt wurde
18545 Fortentwicklung messbar machen
werden die Projekte einer Initiative fuumlr einen MBB oder die Initiativenleitung schwer vergleichbar Eine zentrale Steuerung wird dann eine groszlige Herausforderung In einer Fuszligballmannschaft wird der Trainer ebenfalls dafuumlr sorgen dass seine Schuumltzlinge seine eine Idee von erfolgreichem Fuszligball auf dem Platz umsetzen Wenn die eine Haumllfte auf Konter spekuliert und die andere auf Pressing spielt ist der kollektive Misserfolg vor-programmiert
45 Fortentwicklung messbar machen
Wo bei Best Buy fruumlher noch mit bdquoLichtgeschwindigkeitldquo gearbeitet wurde und bdquoein paar Sachen gegen die Wand geworfen wurden um zu sehen was funktioniertldquo (Perkins und Rao 2011) dominierte durch die Lean-Sigma-Einfuumlhrung ein statistikgetriebener Ansatz Fortschritt setzte sich nun aus Zahlen Daten und Fakten zusammen Grundlage war eine konkrete Messbasis als Ausgangslage fuumlr Verbesserungen und die Folge ein detaillier-tes Verstaumlndnis der auftretenden Probleme eine systematische Loumlsungsfindung und eine langfristige Validierung der Projektergebnisse zur Gewaumlhrleistung nachhaltiger Veraumlnde-rung Durch die Einfuumlhrung von Messmechanismen stellte sich so heraus dass zahlreiche Auszligendienstmitarbeiter elektronisches Zubehoumlr verschenkten ndash kein Mitarbeiter war zu-vor aufgefallen dass dies die Ursache fuumlr einen stark defizitaumlren Bereich des Unterneh-mens war Die Methodik der Operational Excellence half Best Buy das richtige Problem zu loumlsen und keine Zeit bei der Loumlsung des falschen Problems zu verschwenden wodurch die Akzeptanz der Initiative auf breiter Basis gestaumlrkt wurde Die Bauchentscheidung tritt in den Hintergrund ndash die systematische Analyse ermoumlglicht zum einen Verbesserungs-potenziale zu heben und zum anderen die Hebelwirkung der Einsparung auch zu quanti-fizieren
451 Mehrwert der Initiative in der Bilanz bdquobeweisenldquo
Ohne eindeutige Projekterfolge die sich in der Bilanz wie bei Best Buy widerspiegeln ist die erfolgreiche Umsetzung einer Initiative aussichtslos Jede Operational-Excellence-Initiative ist auf eine Wirtschaftlichkeitsrechnung angewiesen Wenn eine Initiative kein oumlkonomisches Beweismaterial (z B gegenuumlber den Mitarbeitern dem Vorstand dem Aufsichtsrat den Investoren und anderen Stakeholdergruppen) liefert wird sie sich staumln-dig fuumlr ihre Kosten rechtfertigen muumlssen und ist damit auf Dauer nicht uumlberlebensfaumlhig Konkret heiszligt dies Die Fuszligspuren der Verbesserungsaktivitaumlten muumlssen sich in der Bilanz widerspiegeln Der im Rahmen des Erfolgsfaktors Initiative mit Organisation harmonisie-ren aufgegriffene Aspekt der Kosten-Nutzen-Analyse spielt nun die entscheidende Rolle ndash im Mittelpunkt stehen die definierten KPIs Diese definieren nicht nur die Zielvorgaben oder machen eine Quantifizierung und Qualifizierung der Zwischenergebnisse moumlglich sondern garantieren auch die Erfassbarkeit des Erfolgsgrades der Implementierung Pro-
186 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
zesse mit vielen Unbekannten kann man nicht managen ndash man lernt sie kennen wenn man beginnt zu messen Uumlber diese Logik definiert sich die Implementierung der Operational Excellence und die damit einhergehende Grundidee des kontinuierlichen Zaumlhlens Mes-sens und Wiegens von Daten im Prozess
452 Kostenrechnung zweiter Art verfolgen
Neben den eher leicht quantifizierbaren bdquohard factsldquo (z B Kosteneinsparung) sind die bdquosoft factsldquo (z B Mitarbeiterzufriedenheit) nicht minder relevant Sie sind nur schwer zu ermitteln und zu bewerten Veraumlnderungsprojekte scheitern haumlufig weil das menschliche Element vor lauter technokratischem Perfektionismus vergessen wird Den Schalter einer Maschine zu veraumlndern ist leicht ndash das Verhalten die Einstellung und die Gewohnheit des Mitarbeiters zu aumlndern folgt dagegen keinem expliziten Mechanismus Wenn wie zuvor festgehalten die Veraumlnderungsbereitschaft der Belegschaft ein kritischer Erfolgsfaktor einer strategischen Initiative ist dann greift die Fortschrittskontrolle die sich auf harte Fakten beschraumlnkt zu kurz Der Mensch ist in der Regel der Meinung dass sich immer die anderen aumlndern muumlssen Wenn immer die anderen unter die Dusche gestellt werden duscht letztendlich niemand Um dieser typischen Erscheinungsform entgegenzuwirken ist eine Kostenrechnung zweiter Art notwendig Die Motivation der Mitarbeiter das Arbeitsklima die Art und Weise der Entscheidungsbildung oder des Informationsflusses und die Bereit-schaft sich fuumlr den oder die Kollegen einzusetzen sind aussagekraumlftige Kennzahlen Jede Mannschaftssportart beweist dass es nicht auf die Faumlhigkeiten des Einzelnen sondern auf das harmonische Funktionieren des Teams ankommt Lionel Messi waumlre ohne das geniale Zuspiel aus dem Mittelfeld nicht der beste Fuszligballer aller Zeiten Fuumlr die langfristige Kontrolle und Steuerung der Kostenrechnung zweiter Art ist es auch fraglich ob das her-koumlmmliche Denken der Controlling-Abteilung die passende Guidance geben kann ndash wer gut mit Zahlen umgehen kann uumlberzeugt selten beim Umgang mit Menschen Wenn die bdquosoftenldquo Faktoren den Herzschlag einer Initiative darstellen ist es womoumlglich Chefsache den Puls der unternehmerischen Zukunft zu spuumlren
453 Neutrale Uumlberpruumlfung gewaumlhrleisten
Zuletzt ist hervorzuheben dass jedwede Sammlung und Aufbereitung der Zahlen Daten und Fakten so objektiv wie moumlglich gestaltet werden muss Die neutrale Uumlberpruumlfung muss ein zentrales Anliegen der Initiatoren der strategischen Maszlignahmen sein Wenn sich beteiligte Personen die Ergebnisse bdquoschoumlnrechnenldquo koumlnnen um sich vor ihrem Vorgesetz-ten zu profilieren kann die Initiative schnell aus dem Ruder laufen
Pierre Vareille und Yves Merel von der FCI-Gruppe installierten ein neutrales Analy-se-Center in Indien wo die Daten unabhaumlngig von den Projektbeteiligten erfasst wurden Die konsolidierten Daten die monatlich aktualisiert wurden konnten vom CEO und In-
18746 Kritische Betrachtung der Operational-Excellence-Methodik
itiativenverantwortlichen so genauer untersucht und hinterfragt werden Moumlgliche Maszlig-nahmen als Antwort auf die Entwicklung der Initiative waren nicht nur zeitnah moumlglich sondern basierten auch auf einer haltbaren Argumentationsgrundlage Standorte die mit Implementierungsschwierigkeiten zu kaumlmpfen hatten fielen fruumlh auf und konnten zielge-richtet unterstuumltzt werden Dieser datengetriebene Ansatz wurde um die jaumlhrlichen Besu-che der Produktionsstandorte von Vareille und Merel ergaumlnzt Diese Mischung ist wichtig denn kein Datensatz kann die persoumlnliche Interaktion mit den unmittelbar Beteiligten vor Ort ersetzen
46 Kritische Betrachtung der Operational-Excellence-Methodik
Erfolgreiche Lean-Sigma-Implementierungen werden gefeiert Der CEO verkuumlndet den ROI Master Black Belts werden befoumlrdert und Black Belts werden in der unternehmens-internen Lean-Sigma-Broschuumlre heroisch aufgefuumlhrt ndash wenn sich die Lobeshymnen uumlber-schlagen wird sogar die Oumlffentlichkeit in Kenntnis gesetzt Von weniger erfolgreichen Implementierungen erfaumlhrt die Gesellschaft nichts Personelle Rochaden machen Posi-tionen wie bdquoVice President of Six Sigmaldquo vergessen die Green Belt Zertifizierung ver-staubt im Regal und die Mitarbeiter sprechen nicht mehr stolz von bdquoAXA WAYldquo4 sondern gedenken ihrer gekuumlndigten Kollegen zynisch mit bdquoAXE AWAYldquondash die Initiative stirbt langsam aber sicher Damit hat die Unternehmensleitung nicht nur unnoumltig viel Geld aus-gegeben sondern verspielt am Ende die wichtigsten Variablen fuumlr erfolgreiche Unterneh-mensfuumlhrung das Vertrauen der Mitarbeiter und die eigene Glaubwuumlrdigkeit Tatsache ist dass eine erfolgreiche Implementierung kein Automatismus ist
Neben den aus der Praxis in Kap 3 konsolidierten und diskutierten Erfolgsfaktoren ist die Methodik der Operational Excellence auf bdquoStraszligenverkehrstauglichkeitldquo zu uumlberpruuml-fen Auch bei der Haupt- und Abgasuntersuchung des TUumlV wird kritisch untersucht ob das Fahrzeug den geltenden Sicherheitsbestimmungen des Gesetzgebers entspricht Wenn dies nicht der Fall ist werden umfassende Reparaturmaszlignahmen oder die Stilllegung des Fahrzeugs empfohlen Dieser Abschnitt folgt diesem Ansatz und uumlberpruumlft die Methodik der Operational Excellence auf Herz und Nieren Sind Maumlngel erkennbar Wo ist besonde-re Vorsicht geboten Ist Operational Excellence (k)ein Allheilmittel Welche bdquoReparatur-maszlignahmenldquo sind auf den ersten Blick empfehlenswert
4 bdquoAXA WAY ndash The Pursuit of Excellence Through Quality of Serviceldquo war der Name der Six-Sigma-Implementierung im franzoumlsischen Versicherungskonzern Axa zu Beginn des neuen Jahrtau-sends Mit lebhafter Erinnerung an vergangene Rationalisierungsprogramme tauften die Mitarbeiter die Initiative um Das Praxisbeispiel wird in Kap 5 detailliert aufgegriffen
188 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
461 Uneinheitliches Verstaumlndnis der Methodik
Was genau versteht man eigentlich unter Operational Excellence Das durch uns ndash die Autoren ndash kommunizierte Verstaumlndnis Lean Management Six Sigma und Lean Sigma unter der Begrifflichkeit zusammenzufassen entspricht sicherlich nicht der Ansicht jeden Lesers Selbst wenn zwei Parteien von der Implementierung einer Lean-Sigma-Initiative berichten koumlnnen die Unterschiede in der Umsetzung groszlig sein Wo es sich bei der einen aufgrund des statistischen Schwerpunktes um Six Sigma handelt kann bei der anderen die Leistungsphilosophie des Lean Managements im Vordergrund stehen weil insbesondere die unterschiedlichen Arten der Verschwendung adressiert werden So neigen besonders Unternehmensberatungen dazu Interpretationen der Methodik nach ihrem eigenen Inter-esse auszurichten Auch wenn man diese Flexibilitaumlt sogar als Staumlrke auslegen koumlnnte so ist es fraglich ob es im Sinne der Glaubwuumlrdigkeit und des Leistungsversprechens einer Managementmethodik liegt in alle Richtungen interpretierbar zu sein Wo der eine Be-rater durch die Reduktion von Headcounts die Leistungsfaumlhigkeit des Kunden optimieren moumlchte zielt ein anderer auf das Nutzungspotenzial der eingesparten Arbeit ab und ver-folgt mit Lean Sigma eine klare Wachstumsstrategie Die Praxis dieses uneinheitlichen Verstaumlndnisses fuumlhrt im Extremfall zur Verwaumlsserung der Methodik bis zur Bedeutungs-losigkeit Dies liegt womoumlglich in der Natur einer so komplexen Managementmethodik birgt aber fuumlr den Antrieb einer Initiative innerhalb eines Unternehmens ein Risiko ndash dann wenn die eigenen Mitarbeiter nicht mehr so genau wissen was sie dort eigentlich tun und mit gefaumlhrlichem Halbwissen in Diskussionen eher Zeit vergeuden als produktiv zu arbeiten
Was ist gegen die (interne) Verwaumlsserung der Methodik zu unternehmen Es ist of-fensichtlich dass Methoden die in Operational-Excellence-Programmen zu finden sind nicht vor Fehlentscheidungen und Missinterpretationen im operativen Geschaumlft schuumltzen Wenn ein Manager eines Unternehmens das Leistungsversprechen missbraucht um radi-kalen Personalabbau zu betreiben ist dies bedauerlicherweise kaum zu verhindern Wenn ein anderer propagiert dass die Methodik jedes Problem im Unternehmen loumlsen kann ist die Begeisterung schaumltzenswert aber realitaumltsfern Aus diesem Grund beinhaltet die Ausgangsfrage den Zusatz bdquointernldquo denn schlieszliglich zaumlhlt die Performance der eigenen Organisation ndash was die Auszligenwelt betreibt sei fuumlr einen Augenblick vergessen
1 Wenn wir im Sinne der diskutierten Erfolgsfaktoren davon ausgehen dass sich das Unternehmen bewusst fuumlr eins der Operational-Excellence-Programme und gegen eine andere Vorgehensweise entschieden hat ist dies auf inhaltliche Argumente des Leis-tungsversprechens und nicht auf den Reiz von Modeerscheinungen in der Manage-mentlehre zuruumlckzufuumlhren Fuumlr eine erfolgreiche Implementierung ist der Kern der Methodik zu ergruumlnden Was ist idealer als von den Besten zu lernen Kurz nachdem Wendelin Wiedeking 1991 Vorstandvorsitzender von Porsche wurde fuhr er mit Fuumlh-rungskraumlften und Meistern aus der Fertigung nach Japan um in den bdquobesten Fabriken der Weltldquo ndash bei Toyota ndash zu lernen genauso wie Eiji Toyoda ein halbes Jahrhundert
18946 Kritische Betrachtung der Operational-Excellence-Methodik
zuvor den Weg von Japan nach Detroit angetreten hatte Wiedeking und sein Gefolge erkannten dort dass das Zuffenhausener Unternehmen weit von der Weltklasse des Automobilbaus entfernt war und dass bdquonur eine japanischere Porsche AG eine Zukunft hatldquo (Froitzheim 2007 S 144) Legen Sie die richtige Grundlage und lernen Sie von den Besten
2 Wenn die Quintessenz der Methodik von den Initiatoren der strategischen Neuaus-richtung erforscht wurde die Qualitaumlt des Wissens im Unternehmen gewaumlhrleistet ist (durch einen Experten wie Bruce Miyashita bei Maple Leaf Foods oder die Erfahrung einer Beratung als Sparringpartner) und die Methodik an die Organisation konzeptio-nell angepasst wurde dann gilt es dieses Wissen den Menschen in der Organisation zu vermitteln Teilen Sie Ihr Wissen mit den zukuumlnftigen Treibern der Initiative so fruumlh wie moumlglich Mit einem Intranetauftritt Info-Veranstaltungen Firmen-Events interne Broschuumlren Handouts mit den wichtigsten Elementen der Methodik als Flyer oder persoumlnlichen Gespraumlche mit neuen Mitarbeitern ist nur ein Auszug der Moumlglich-keiten aufgefuumlhrt mit denen ein einheitliches Verstaumlndnis der Methodik gepraumlgt wer-den kann Dass es sich nicht nur um eine gute Methodik handelt sondern die Methodik gut fuumlr das Unternehmen ist waumlre ein sympathischer Unterton welcher der Belegschaft es einfacher macht sich fuumlr das unbekannte Etwas zu oumlffnen
462 Unvergleichbare Standards der Mitarbeiterausbildung
Genau wie nicht alles auf dem urspruumlnglichen Operational-Excellence-Konzept basiert was unter dieser Begrifflichkeit als salonfaumlhig erachtet wird ist ein Black Belt nicht gleich einem Black Belt Weder der Inhalt noch die Zertifizierung der Ausbildungsstrukturen der Six Sigma Belts sind standardisiert Gleiches gilt fuumlr die am Markt verfuumlgbaren Fortbil-dungsangebote in Lean Management Der Erfolg einer Operational-Excellence-Initiative haumlngt jedoch wie zuvor diskutiert maszliggeblich von der Qualitaumlt und Konstitution ihrer Mitstreiter ab Darunter versteht sich die zeitliche Verfuumlgbarkeit soziale Kompetenz und belastbare Projekterfahrung des Einzelnen Tatsache ist dass neben der bereits erwaumlhn-ten Diskrepanz hinsichtlich des methodischen Verstaumlndnisses auch die Ausbildung und Weiterbildungsmoumlglichkeiten inhaltlich von Institution zu Institution stark unterscheiden Welche Rolle spielen beispielsweise die essenziellen bdquosoftenldquo Faktoren bei der Ausbil-dung zum Black Belt Werden die Kandidaten darin trainiert ihr Einfuumlhlungsvermoumlgen und die Faumlhigkeit Konflikte zu loumlsen auszubauen oder Vertrauen zu schaffen Wird der Blick dafuumlr geschult den Mitarbeiter im Rahmen operativer Exzellenz nicht als Maschi-ne sondern immer noch als Mensch zu schaumltzen Wenn ja ndash was ein seltener Fall waumlre ndash wie wuumlrde das Verhalten eines solchen holistisch ausgebildeten MBB aussehen wenn er im Zuge einer beruflichen Neuorientierung auch von einer neuen Erwartungs- und Arbeitshaltung abhaumlngig waumlre Wenn der neue Arbeitgeber die nicht seltene Einstellung vertritt bdquoMitarbeiter mit einbeziehen Widerstand konstruktiv aufgreifen Bei uns wird die Initiative einfach angeordnetldquo sind persoumlnliche und erst recht inhaltliche Differenzen
190 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
eine Frage der Zeit Wirksame Zusammenarbeit als Grundlage fuumlr den Initiativenerfolg ist dann unmoumlglich Wie also kann ein Projektteam mit einer schlagkraumlftigen Mannschaft ausgestattet werden wenn die Faumlhigkeiten und Erfahrungen der Projektmitglieder nicht zu vergleichen sind
Zugegebenermaszligen ist eine hundertprozentige Standardisierung nicht moumlglich und auch nicht unbedingt gewollt Wenn man sich die mit dem Abitur endende gymnasiale Schulausbildung vor Augen fuumlhrt wird dieser Aspekt deutlich Trotz einheitlicher Richt-linien und identischer Aufgabenstellungen produziert das Zentralabitur unterschiedliche Schuumllerauspraumlgungen ndash nur der Titel ist standardisiert ndash gleiches gilt fuumlr akademische Aus-bildungsgrade Im privatwirtschaftlichen Zusammenhang der Ausbildungsmoumlglichkeiten von Six Sigma und Lean Management gibt es keinen Akteur wie den Gesetzgeber der eine aumlhnliche Ermaumlchtigung oder Zustaumlndigkeit besitzt An dieser Stelle sei aber auf die Ausbildung von Wirtschaftspruumlfern und Steuerberatern hingewiesen ndash ohne ein derarti-ges Examen was durchaus eine vergleichbare Aussagekraft des Abschlusses ermoumlglicht wird ein Black Belt demnach zu keinem Zeitpunkt gleich einem Black Belt sein Es liegt demnach in der Hand der jeweiligen Organisation durch diese Unvergleichbarkeit von Black-Belt-Ausbildungen eher die Vielfalt fuumlr sich zu nutzen
1 Um dieser fachlichen Differenz entgegenzuwirken obliegt es der Verantwortung der Initiativenleitung die entscheidenden Protagonisten einschaumltzen zu koumlnnen Lernen Sie die Akteure Ihrer Initiative kennen Nur dann wird es gelingen die wichtigen Schluumlsselpositionen in der Initiative mit den richtigen Personen zu besetzen Wenn die Ausbildungsunterschiede bekannt sind ist die Grundlage geschaffen um Projektteams heterogen zusammenzusetzen sodass sie sich wie bei Best Buy (BELBIN-Methode) ergaumlnzen Wenn sich die Langsamen zusaumltzlich von den Schnellen mitziehen lassen nennt man das den bdquoKollegeneffektldquo (Vgl Sprenger 2012 S 83 f)
2 Der naumlchste Schritt ist dafuumlr zu sorgen dass sich die Akteure der Initiative unterein-ander austauschen Sorgen Sie dafuumlr dass sich Ihre Schuumltzlinge gegenseitig ken-nenlernen Unterschiede in fachlicher und auch persoumlnlicher Hinsicht gleichen sich so eher aus Vareille und Merel organisierten im Zuge ihres bdquoLean-Learning-Konzep-tesldquo vierteljaumlhrlich stattfindende Meetings damit die FCI-Mitarbeiter voneinander ler-nen konnten Entgegen dem Zeitgeist soll angemerkt sein dass raumlumliche Naumlhe die Zusammenarbeit unterstuumltzt Wenn aber virtuelles Arbeiten und gelaumlufige Home-Of-fice-Loumlsungen unvermeidlich fuumlr den Projektverlauf sind sollten sich die Mitglieder des Projektes dennoch regelmaumlszligig zu Gesicht bekommen Teams sind zusammen pro-duktiver als wenn jedes Mitglied fuumlr sich alleine arbeitet (Vgl Sprenger 2012 S 84)
463 Zielkonflikt zwischen Konsequenzen der Initiative und Perspektiven der Mitarbeiter
Bekanntlich fuumlhren viele Wege nach Rom ndash dies gilt auch fuumlr die Art und Weise wie man Mitarbeiter fuumlr ein Veraumlnderungsvorhaben motiviert Welchen Vorteil zieht beispielsweise
19146 Kritische Betrachtung der Operational-Excellence-Methodik
ein Yellow oder Green Belt aus dem bis 40 angestiegenen Arbeitsaufwand zusaumltzlich zu seiner eigentlichen Taumltigkeit im Unternehmen Wenn ein Unternehmen mit finanziellen Versprechungen Anreize setzt wird dies weder die Leistung langfristig steigern noch den Mitarbeiter gluumlcklicher macht Dies wurde bereits angemerkt Weniger Geld macht un-gluumlcklich ndash mehr Geld aber nicht gluumlcklicher Ganz abgesehen von kulturellen Unterschie-den die zu beruumlcksichtigen sind Das Thema Motivation wurde in diesem Buch schon aufgegriffen und in vielen anderen Veroumlffentlichungen am Markt ohnehin ausfuumlhrlich dis-kutiert Aus diesem Grund soll nur der wichtigste Aspekt noch einmal hervorgehoben werden Welchen Weg nach Rom gilt es einzuschlagen wenn man seine Mitarbeiter im Extremfall dazu ermuntern muss die Qualitaumlt und Geschwindigkeit ihrer Prozesse derart zu optimieren dass ihre Taumltigkeit im Unternehmen uumlberfluumlssig wird bdquoWasteldquo eliminie-ren ndash Kernstuumlck der Lean Philosophie ndash erhaumllt dann einen faden Beigeschmack und ruumlckt das wichtigste Betriebskapital in den Fokus ndash den Mitarbeiter Im Rahmen des kritischen Erfolgsfaktors Mitarbeiter fuumlhren und foumlrdern durch Fordern wurden unter der Erfolgs-bedingung Mitarbeiter fuumlr gemeinsame Herausforderungen und Ziele begeistern bereits erste eher technische Empfehlungen ausgesprochen welche Bestandteile ein Trennungs-gespraumlch zwischen Fuumlhrungskraft und Mitarbeiter beinhalten sollte Die folgenden Ge-danken sind abstrakter formuliert und als Ergaumlnzung zu verstehen
1 Widerstand gegenuumlber Veraumlnderungen ist bei strategischen Initiativen vorprogram-miert Das ist eine Tatsache Sie werden nicht jeden Mitarbeiter fuumlr die Veraumlnde-rung motivieren koumlnnen Das ist nicht immer leicht zu verstehen Selbst jemand der Unterstuumltzung auf breiter Basis im Unternehmen etablieren konnte berichtet von der einen oder anderen vergeblichen Motivationsbemuumlhung Dies gilt es ndash vorausgesetzt es handelt sich nicht um einen kritischen Akteur im Unternehmen ndash zu akzeptieren und die Energie in andere Dinge zu investieren
2 Wichtig ist Bieten Sie Ihren Mitarbeiter schnell eine Perspektive ndash in der Initiative im Unternehmen und wenn es drauf ankommt auch auszligerhalb des Unternehmens In jedem Fall muss die Phase der Ungewissheit zuumlgig uumlberwunden werden denn sonst investiert der Mitarbeiter seine ganze Energie in das Beobachten der Entwicklungen und das Absichern seiner Position Das kann den Fortschritt der Veraumlnderung teuer zu stehen kommen
Perspektive in der Initiative Zunaumlchst einmal bezieht sich dieser Punkt auf die Mitarbeiter die Sie fuumlr die Initiative begeistern konnten Diese brauchen erfolgreiche Aussichten innerhalb der Initiative Ein spannendes Projekt neue und herausfordernde Aufgabengebiete und aussichtsreiche fachliche und persoumlnliche Entwicklungsmoumlg-lichkeiten Neben einer fairen Entlohnung ist dort die strukturelle Verknuumlpfung der Initiative mit der Personalentwicklung des Unternehmens zu nennen Einsatz und Leistung im Rahmen der Initiative muumlssen sich fuumlr den sozialen Aufstieg im Unter-nehmen lohnen Wie schon gesagt nichts begeistert mehr als der eigene Fortschritt Der Karrierepfad des Mitarbeiters sollte Meilensteine des Projektes oder anderweitige Zielvereinbarungen ndash abhaumlngig von der Funktion auf dem Weg zur operativen Exzel-lenz ndash beruumlcksichtigen Es darf wie im Zusammenhang des Erfolgsfaktors Initiative mit
192 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
Organisation harmonisieren ausfuumlhrlich diskutiert nicht auf der einen Seite die Logik des Unternehmens und auf der anderen Seite die Systematik der Initiative geben Das Beispiel von General Electric wo das mittlere Management nicht ohne die Six-Sig-ma-Ausbildung des BB zu erreichen ist zeigt Die Entwicklung der Mitarbeiter des Unternehmens an den Fortschritt der Initiative zu knuumlpfen ist ein wirksamer Schritt zur nachhaltigen Implementierung einer Verbesserungsphilosophie
Perspektive im Unternehmen Mitarbeiter nehmen sehr genau wahr wie mit ihren Arbeitskollegen umgegangen wird Eine Fuumlhrungskraft steht also unter dauern-der Beobachtung der Angestellten Dabei ist wichtig Vertrauen und Glaubwuumlrdigkeit nicht leichtfertig zu verspielen Mitarbeitern die nicht fuumlr das strategische Vorhaben zu gewinnen sind muss demnach sicherlich nicht umgehend gekuumlndigt werden Moumlg-licherweise gibt es andere und bessere Einsatzmoumlglichkeiten fuumlr den Mitarbeiter im Unternehmen Um diese ausfindig zu machen ist das Einfuumlhlungsvermoumlgen der Initia-tivenleitung oder der Unternehmensfuumlhrung gefragt Ein Tapetenwechsel kann manch-mal Wunder wirken
Beispiel Neuenfelder Maschinenfabrik
Mit den Veraumlnderungen im Hause der Neuenfelder Maschinenfabrik und den daraus zuuml-gig resultierenden Erfolgen uumlberzeugte Goran Curic das Gros der Belegschaft ndash bis auf einen aumllteren Mitarbeiter der sich vehement weigerte das Vorhaben zu unterstuumltzen Curic ging auf die Befuumlrchtungen und Eigenheiten des Mitarbeiters ein Gemeinsam wurde eine Loumlsung entwickelt die seine zukuumlnftigen Taumltigkeiten bis zum bevorstehen-den Ruhestand auszligerhalb der Lean-Aktivitaumlten vorsah Dieser diplomatische Erfolg war nicht nur positiv fuumlr den Mitarbeiter sondern auch foumlrderlich fuumlr die Initiative Bisweilen wird unterschaumltzt welche stoumlrende Wirkung die staumlndige Blockade eines Einzelnen im Veraumlnderungsprozess annehmen kann Einfuumlhlungsvermoumlgen zu besitzen bedeutet nicht jeden Mitarbeiter in Watte zu packen sondern jeden Mitarbeiter richtig anpacken zu koumlnnen
Perspektive auszligerhalb des Unternehmens Zuletzt gilt es auch in einem bdquoWorst-Case-Szenarioldquo wenn die Trennung im professionellen Kontext unvermeidlich geworden ist Perspektive zu bieten Es sollte das Selbstvertrauen die Integritaumlt und die Zukunft des Mitarbeiters nicht zertruumlmmert werden nur weil die Fuumlhrungskraft der Verantwortung eines ehrlichen Gespraumlchs uumlber lange Zeit aus dem Weg geht Es kann uumlberraschen wie viele Angestellte sich eine berufliche Neuorientierung vorstellen koumlnnen sofern diese Veraumlnderung rechtzeitig lanciert wird Vordergruumlndig sollten die Moumlglichkeiten des Unternehmens wie es den Trennungs- und Entscheidungsfindungsprozess des Mit-arbeiters idealerweise unterstuumltzen kann in einem engen und ehrlichen Austausch eru-iert werden
Jede der drei Moumlglichkeiten bietet dem Mitarbeiter auf sehr unterschiedliche Art und Weise eine Perspektive Allen Beteiligten muss klar sein dass eine Operational-Ex-cellence-Initiative die Redundanzen und Schwachstellen in der Aufbau- und Ablauf-
19346 Kritische Betrachtung der Operational-Excellence-Methodik
organisation erkennt und aufloumlst immer den Fortschritt der gesamten Organisation anvisiert Die Uumlberlebensfaumlhigkeit des Unternehmens zu sichern ist das houmlchste Gebot Schmerzhafte personelle Einschnitte ndash und das auf alle Faumllle nicht nur an der Basis ndash werden unvermeidlich sein wenn in der Vergangenheit uumlber den Verhaumlltnissen gewirt-schaftet wurde
464 Anspruchsvolles Methodenset
Im Folgenden werden die als wichtig erachteten bdquoerfolgreichen Aussichtenldquo die den Mitarbeitern innerhalb der Initiative als Perspektive dienen weiter aufgegriffen Dies-bezuumlglich wurden ein spannendes Projekt neue und herausfordernde Aufgabengebiete und aussichtsreiche fachliche und persoumlnliche Entwicklungsmoumlglichkeiten genannt Im Mittelpunkt eines Operational-Excellence-Programms steht immer die systematische Um-setzung der Methodik die auf einen umfangreichen Werkzeugkasten zuruumlckgreift Die Auswahl von rund 150 Werkzeugen und der hinsichtlich der Six-Sigma-Vorgehensweise teils hohe statistisch-mathematische Anspruch stellen die Praxis haumlufig vor betraumlchtliche Probleme Liegt die methodische Messlatte vielleicht zu hoch Wenn die Anwendung nicht griffig genug ist wird zum einen Potenzial welches in der Vielfalt der Methodik liegt nicht genutzt Zum anderen wird es immer schwieriger der Versuchung wiederholt die Tools aus einem Schema F zu nutzen zu widerstehen Das sture Festhalten an in der Vergangenheit bewaumlhrten Tools ist genau so irrsinnig wie die Flucht in die vermeintlich sichere Datenflut einiger Werkzeuge bdquoWer viel misst misst viel Mistldquo (Sprenger 2012 S 16) Was ist zu empfehlen wenn diese Gefahren in der Natur der Methodik lauern
1 Wenn schon von den Besten gelernt wurde ndash um der Verwaumlsserung der Methodik ent-gegenzuwirken ndash dann sorgen Sie dafuumlr dass auch nur die Besten Ihr Vorhaben umsetzen Der Weg zur operativen Exzellenz ist mit exzellenten Mitarbeitern gepflas-tert Schlagloumlcher sind zu vermeiden Es setzt belastbare Praxiserfahrung enormes Wissen und eine ganze Bandbreite an Faumlhigkeiten voraus um eine Initiative metho-disch sicher zu manoumlvrieren Anders ist das jahrelange Zoumlgern von Michael McCain bei Maple Leaf Foods nicht zu erklaumlren Er studierte die Six-Sigma-Erfolgsgeschichte von Jack Welch bei General Electric schon einige Jahre bevor er die Methodik im eigenen Unternehmen zu implementieren begann ndash zuvor fehlte es an Expertise und Ressourcen
2 Wenn die notwendigen methodischen Faumlhigkeiten und Praxiserfahrungen personell gegeben sind etablieren Sie ein immer wieder aktualisiertes internes Wissensma-nagement Dazu koumlnnte das Dokumentieren von Erfahrungen mit der Anwendung von Werkzeugen gehoumlren ndash neue oder interessierte Mitarbeiter koumlnnen sich so zuumlgig einen repraumlsentativen Uumlberblick verschaffen Ein aumlhnlicher Gedanke versteckt sich hinter der Einrichtung des bdquoLean-Wikildquo bei der Neuenfelder Maschinenfabrik Bestimmen Sie thematische Ansprechpartner oder einen Verantwortlichen der sich die Entwicklung
194 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
und Aktualisierung des Know-how zu eigen macht Nutzen Sie die Vielfalt des Werk-zeugkastens und kombinieren Sie verschiedene Anwendungen ndash es gilt die vorhandene Flexibilitaumlt zu nutzen ohne sie auszunutzen Auf den Punkt gebracht Ermoumlglichen Sie das Voneinander-Lernen damit implizites Wissen in explizites Wissen umgesetzt wird und die auf den ersten Blick diffus wirkende Komplexitaumlt der Operational-Excellence-Methodik an Griffigkeit gewinnt
465 Spannungsverhaumlltnis Effizienz vs Innovation
In Kap 3 dieses Buches wurde von Beispielen aus der Praxis berichtet Entscheiden-de Meilensteine der Verbesserungsinitiativen wurden hervorgehoben und eroumlrtert um in diesem Kap 4 immer wiederkehrende Muster und Faktoren die in besonderem Maszlige die Wirksamkeit von Operational-Excellence-Programmen beeinflussen als kritische Er-folgsfaktoren zu diskutieren Im Zuge der Lean-Sigma-Entwicklung im Hause des ame-rikanischen Elektronikhaumlndlers Best Buy wurde auch auf die Six-Sigma-Einfuumlhrung von 3M eingegangen Das Ergebnis einer fuumlnfjaumlhrigen Regentschaft des treuen Six-Sigma-Anhaumlngers James McNerney waren nicht nur 8000 entlassene Mitarbeiter zu Beginn der Implementierung sondern auch gluumlckliche Anteilseigner an der Wall Street die von der rigorosen Einsparung an Zeit und Kosten im Wertschoumlpfungsprozess profitierten Die Ge-meinsamkeit zwischen Best Buy und 3M war nicht nur die Einfuumlhrung einer Operational-Excellence-Methodik sondern das vitalisierende Moment der beiden Organisationen die Innovationslust In beiden Faumlllen waren erhebliche Schwierigkeiten bei der nachhaltigen Einfuumlhrung der jeweiligen strategischen Erneuerung auszumachen Schlieszligen sich Effi-zienz und Innovation etwa gegenseitig aus Wie zum Ende des Kap 3 angekuumlndigt soll dieser Gedanke nun ausfuumlhrlich beleuchtet werden
Das Resuumlmee der 3M-Belegschaft war eindeutig Six Sigma erstickt Kreativitaumlt denn Optimierungsprogramme wie Six Sigma identifizieren Schwachstellen in Geschaumlftspro-zessen um auf Basis von Messungen Variation und Fehler zu eliminieren Eine Erfindung ist jedoch das Ergebnis eines ungeordneten Prozesses ndash vielleicht sogar das Ergebnis eines fehlerhaften Prozesses Der Nachfolger von McNerney das 3M-Eigengewaumlchs George Buckley war sich sicher bdquoMan kann in diesem Zusammenhang nicht Six Sigma anwen-den und sich fuumlr Mittwoch drei und fuumlr Freitag zwei gute Ideen einplanen weil man am Anfang der Woche keine hatte So funktioniert Kreativitaumlt nichtldquo Auch wenn der Six-Sigma-Profi McNerney in fuumlnf Jahren an der Spitze des Unternehmens positive Impulse in einer wirtschaftlich turbulenten Zeit geben konnte das Gros der Belegschaft fuumlhlte sich nach seinem Weggang erfrischt Der unternehmerische Schwerpunkt lag nicht mehr auf Profitabilitaumlt und Prozessdisziplin sondern wieder auf Wachstum und Innovation Ein Mitarbeiter lieszlig verlauten bdquoDank Buckley duumlrfen wir wieder traumlumenldquo
Der unternehmerische Schwerpunkt von Best Buy aumlhnelte dem von 3M andauernder Innovationsdrang und neue Ideen im Hinblick auf die Zufriedenstellung des Kunden und die Zusammenarbeit der Mitarbeiter Den Grundsatz der Unternehmensfuumlhrung bildete die
19546 Kritische Betrachtung der Operational-Excellence-Methodik
Pflege von Rahmenbedingungen zur Vitalisierung von Kreativitaumlt ndash Innovation war seit je her BeBus Steckenpferd Die Mitarbeiter wurden darin unterstuumltzt eigene Arbeitsweisen und gewohnte Prozesse infrage zu stellen um unternehmerisch im eigenen Arbeitsumfeld aktiv zu werden Die Ermutigung zum Experimentieren ein Bewusstsein dass jeder Mit-arbeiter gebraucht wird systematisch gefoumlrdertes Selbstbewusstsein der Mut zu Vertrau-en und kompromisslose Unterstuumltzung auch wenn Fehler gemacht wurden charakteri-sierten das Erfolgsrezept von Best Buy ndash die Innovation Diese spiegelte sich nicht wie bei 3M primaumlr auf der Produktebene sondern auf der Ebene des Geschaumlftsmodells wider Der in der Unternehmens-DNA verankerte Innovationsdrang war nicht zuletzt auch der An-trieb einer erst nationalen und dann internationalen Erfolgsgeschichte Die Ingredienzen des Erfolges Wachstum und Innovation Als das Wachstum langsam nachlieszlig mussten sich die erfolgsverwoumlhnten Verantwortlichen unuumlbliche Fragen stellen Wer sind unsere Kunden Worauf basieren unsere Entscheidungen Wie optimieren wir unseren Ressour-ceneinsatz Wie koumlnnen wir den Erfolg unserer zahlreichen Innovationsvorhaben messen
Das Ergebnis war die Justierung des Geschaumlftsmodells weil sich das Marktumfeld des Einzelhandels stark veraumlnderte ndash neue Onlinewettbewerber die zunehmende Standardi-sierung von Produkten und gesunkenen Margen bestimmten das Geschaumlftsleben Auf der Suche nach Handlungsoptionen entschied man sich fuumlr Lean Sigma ndash Probleme sollten in Zukunft systematisch definiert gemessen analysiert verbessert und kontrolliert werden Die Transformation sollte kein leichtes Unterfangen werden da BeBu keine klassische Top-down-Organisation war sondern auf ihre experimentierfreudige und selbstbewuss-te Belegschaft baute ndash auch diese Initiative ging nicht aus Uumlberlegungen des Vorstands sondern des mittleren Managements hervor Diese Unternehmenskultur war jedoch nicht nur foumlrderlich fuumlr den amerikanischen Handelsriesen sondern fuumlhrte auch zu erheblichen Schwierigkeiten Man war generell stolz auf die Geschwindigkeit der gewohnten Arbeits-weise bdquoWir arbeiten mit Lichtgeschwindigkeit ndash wir schmeiszligen ein paar Sachen gegen die Wand und sehen sofort was funktioniertldquo (Perkins und Rao 2011) Dieser Standard stand im krassen Gegensatz zum statistikgetriebenen Six-Sigma-Ansatz der Fortschritt uumlber sorgfaumlltige Analysen von Zahlen Daten und Fakten definierte Den Mitarbeitern war der zeitliche Aufwand der fuumlr diese Disziplin und Praumlzision notwendig war anfangs fremd
Am Ende erhaumlrtete sich der Verdacht dass es BeBu vor lauter Prozessoptimierungen verschlafen hatte sich den aumluszligeren wirtschaftlichen Gegebenheiten anzupassen (insbe-sondere hinsichtlich des E-Commerce) ndash der Innovationsdrang das Lebenselixier des Unternehmens schien abhanden gekommen Kann es moumlglicherweise sein dass die ri-gorose Lean-Sigma-Implementierung ihren Teil dazu beigetragen hat Wurde der Fokus auf den DMAIC-Zyklus zulasten des Blicks uumlber den Tellerrand geworfen Wiegt fuumlr ein Unternehmen wie Best Buy der Freiraum fuumlr Kreativitaumlt schwerer als geordnete Prozess-disziplin
Was ist die Quintessenz Welche Schluumlsse lassen sich aus der Entwicklung von Best Buy und ergaumlnzend dazu auch aus den Ausfuumlhrungen zu 3M ziehen Es muss an dieser Stelle um mehr gehen als um die bloszlige Monetisierung des technischen Umsetzungser-folges einer Optimierungsmethodik Wenn man wie McNerney die Fuumlhrung einer Or-
196 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
ganisation uumlbernimmt die ihren Mitarbeitern ungewoumlhnliche Freiheiten uumlberlieszlig um bahnbrechende Innovation moumlglich zu machen uumlberrascht es nicht dass Zeit und Kosten erheblich eingespart werden koumlnnen Kritische Gedanken muumlssen an dieser Stelle geaumlu-szligert werden Wie vertraumlgt sich das Streben nach Effizienz mit Innovation Was ist der langfristige Schaden wenn einer von Innovation getriebenen Organisation ihr vitalisie-rendes Moment beschnitten wird Erfordern Innovation und Zukunftsgestaltung nicht ein Mindestmaszlig an Reserven zum Nachdenken und Umsetzen Ist es womoumlglich der rigiden Umsetzung von Lean Sigma zuzuschreiben dass Best Buy nicht nur auf der Produkt-ebene sondern dadurch auch auf der Geschaumlftsebene an Innovationskraft verlor und in-folgedessen wettbewerbsunfaumlhig wurde Mindert operative Exzellenz die innovative und kreative Durchschlagskraft
Best Buy und auch 3M sind Organisationen die ihren Forschern und Entwicklern gro-szlige Spielwiesen zur Verfuumlgung stellen Wo am Anfang ein spontaner Einfall oder eine un-gewoumlhnliche Idee steht wird am Ende Geld verdient Unberechenbares und Unplanbares zeichnet die Wertschoumlpfung aus In beiden Faumlllen wurde der DMAIC-Zyklus zu einem essenziellen Baustein der Optimierungsbemuumlhungen ndash das Kernstuumlck von Six Sigma wur-de auch angewendet um den Erfuumlllungsgrad von innovativen Ideen zu untersuchen Das Ziel war klar Innovationen die in das Produktportfolio passten sollten beschleunigt und systematisiert werden Eine Neuerung sollte den Profit steigern ndash wenn nicht im naumlchs-ten Quartal dann besser noch im aktuellen Sicherlich beruumlcksichtigen die Fragen des DMAIC-Zyklus (Was ist wichtig Wie gut sind wir Was ist falsch Was muss getan wer-den Wie stellen wir die nachhaltige Verbesserung sicher) alles Wichtige aber sind es die richtigen Fragen fuumlr ein Geschaumlftsmodell das einfach von guten Ideen abhaumlngt Prioritaumlt hatten nicht mehr die zu entdeckende Weite der Spielwiese sondern berechenbare und disziplinierte Forschungsaktivitaumlten Auch wenn Uumlberzeugungstaumlter wie der Initiativen-leiter von Best Buy Mike Fisher postulieren dass ein systematischer Prozess zur Ein-fuumlhrung neuer Produkte die Innovation schneller in den Markt bringt wiegt die Meinung von beruumlhmt gewordenen Erfindern wie Arthur Frey (Post-it) schwer bdquoMan muss 5000 oder 6000 rohe Einfaumllle durchforsten um eine erfolgreiche Innovation fuumlr den Markt zu findenldquo Was wuumlrde die Lean Sigma Methodik davon halten Der Logik einer stringen-ten Umsetzung entsprechend Warum eliminieren wir nicht die 5000 bis 6000 nichtwert-schoumlpfenden Einfaumllle und kommen mit der richtigen Idee zum richtigen Zeitpunkt
Die Problematik einer Operational-Excellence-Initiative ausgehend vom Spannungs-verhaumlltnis zwischen Innovation und Effizienz ist nicht zu ignorieren Fuumlr sinnvolle Emp-fehlungen gilt es die verschiedenen Methoden des Leistungsversprechens der Operatio-nal-Excellence-Programme differenziert zu betrachten Im Weiteren soll zunaumlchst eine Aussage hinsichtlich Six-Sigma- und Lean-Sigma-Initiativen (mit statistisch-mathemati-schem Schwerpunkt) getroffen werden Danach wird entsprechendes fuumlr Lean- und Lean-Sigma-Initiativen (mit Fokus auf Verschwendungsvermeidung) formuliert
1 Das Kernstuumlck von Six Sigma ist die Struktur des DMAIC-Zyklus Prozesse definie-ren messen und analysieren um sie zu verbessern und im Nachgang zu kontrollieren
19746 Kritische Betrachtung der Operational-Excellence-Methodik
Das Leistungsversprechen suggeriert optimale Wirksamkeit der Qualitaumltsbemuumlhungen wenn die Initiative methodenkonform organisiert ist Die Erfolgsbeispiele von General Electric bis zu Maple Leaf Foods stuumltzen dieses Vorgehen Doch es sind maszliggebliche Unterschiede in der Art der Wertschoumlpfung der Organisationen zu unterscheiden Die Wettbewerbsfaumlhigkeit des kanadischen Lebensmittelproduzenten Maple Leaf Foods definiert sich uumlber hohe Qualitaumltsstandards die nur erreicht werden wenn die Fer-tigungsprozesse kostenguumlnstig fehlerfrei und kontrollierbar sind Zusammengefasst Operative Exzellenz entscheidet bei der industriellen Verarbeitung von Fleisch- Back- und Teigwaren uumlber Erfolg und Misserfolg Dieser Schluss ist aber nicht zu ziehen wenn das Schicksal und die Historie eines Unternehmens wie 3M in erster Linie an Erfindungen gebunden sind Wenn der methodische Leitfaden von Six Sigma zur sys-tematischen Einschraumlnkung wird und Gleichheit schwerer wiegt als Kreativitaumlt dann wird das Herzstuumlck der Unternehmung untergraben Statistische Analysen und mathe-matische Datenerhebungsverfahren zur Effizienzsteigerung sind sinnvoll wenn das Endprodukt des Produktionsprozesses bekannt ist Wenn das Unternehmen jedoch einer umfangreichen diversifizierten Patentproduktion gleicht wuumlrden bahnbrechende Inno-vationen seltener werden ndash ohne inkrementelle Innovationen gaumlnzlich auszuschlieszligen
Six Sigma bietet sich demnach fuumlr Prozessstrukturen an die auf Praumlzision Kon-sistenz und Wiederholung beruhen Wer aber Innovation als Abweichung vom Standard definiert und auf Basis seines Spuumlrsinns mit Variationen und Fehlschlauml-gen wirtschaftet wird sich mit Six Sigma eher nicht anfreunden
2 Das Kernstuumlck der Lean-Philosophie ist unter der Einbeziehung der Belegschaft die systematische Eliminierung von Verschwendung Wenn zu lange Transportzeiten zu groszlige Bestaumlnde oder hohe Nacharbeitszeiten als Verschwendung deklariert werden wie ist mit kreativitaumltsfoumlrdernden Denkpausen oder Ruhezeiten deren Ergebnis ungewiss ist umzugehen Koumlnnen eine schlanke und eine innovative Organisation miteinander auskommen
Laut Experten der Boston Consulting Group und der Wharton Universitaumlt (Pennsylva-nia) ermoumlglicht der Lean-Ansatz strukturierte und inkrementelle Innovation und wirkt forcierend auf den Prozess der Ideenentwicklung Die Gemeinsamkeit von Lean und Innovation liegt demnach in der Zielsetzung die Beduumlrfnisse des Kunden kosteneffi-zient zufriedenzustellen Bei der Betrachtung des Computeranimateurs Pixar (u a bdquoToy Storyldquo und bdquoFindet Nemoldquo) aus Kalifornien faumlllt noch ein weiterer Aspekt ins Gewicht Trotz einer unvorhersehbaren Filmindustrie war jedes Filmprojekt ein Verkaufsschla-ger ndash die Gruumlnde werden u a auf die positive Kombination von Innovation und Lean-Aktivitaumlten zuruumlckgefuumlhrt Der Fokus dabei lag auf der Etablierung von Prozessen die gruppenorientierte Zusammenarbeit und kontinuierliche Feedbackschleifen zur Uumlberwindung von Kreativitaumltsblockaden verstaumlrkten ndash unuumlblich fuumlr die Branche konnte Pixar so immer auf eigene Filmideen und Drehbuumlcher setzen Der Ansatz war erfolg-reich weil kein Kontrollmechanismus sondern die Einladung gemeinsam zu arbeiten ausschlaggebend war Mitarbeiter wurden als genauso wichtig fuumlr das Team erachtet wie das Team fuumlr den Mitarbeiter Zur Gestaltung von fruchtbaren Kooperationen im
198 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
Unternehmen wurden taumlgliche Meetings institutionalisiert So berichteten Mitarbeiter ihrem Team offen was sie am Tag zuvor erreicht hatten und im Laufe Tages zu errei-chen beabsichtigten um adaumlquates Feedback von den Kollegen zu erhalten und die Heterogenitaumlt der Teamzusammensetzung zu nutzen Nicht die Kontrolle des Teams sondern die Organisation von strukturierter Kollaboration ist die Idee Was zaumlhlt ist das Kollektiv ndash ganz im Sinne der Lean-Philosophie (Vgl Wharton UniversityBoston Consulting Group 2009 S 8)
Lean Management ist mit den zentralen Schwerpunkten der Verschwendungsvermei-dung Problemorientierung und der Mitarbeiterbeteiligung eine bewegliche Methodik und keine effizienzgetriebene Dummheit Wie die Ausfuumlhrung gezeigt hat scheint eine wirksame Umsetzung in innovationsgetriebenen Branchen eher erfolgver-sprechend als die Implementierung der durchgetakteten Six-Sigma-Methodik ndash es sei darauf verwiesen dass gerade die intellektuelle Ressource des Mitarbeiters (wodurch Innovation erst entsteht) im Sinne des Lean-Gedankens nicht verschwendet werden darf Wenn das bei der Umsetzung von Lean nicht beruumlcksichtigt wird ist das kein Argument gegen die Wirksamkeit der Methodik sondern der Hinweis darauf dass die Faumlhigkeiten der Beteiligten die Methodik richtig umzusetzen besonders an Bedeu-tung gewinnen Im Kontrast zu Pixar zeugen die positiven Beispiele aus der fertigen-den Industrie (allen voran Toyota) von verheiszligungsvoller Dynamik Die Wirksamkeit von Lean Management laumlsst sich nur schwer auf spezielle Branchen Organisa-tionstypen oder Wertschoumlpfungsprozesse reduzieren Eine Methodik die auf die Zusammenarbeit der Menschen baut ist uumlberall dort anschlussfaumlhig wo Men-schen zusammen arbeiten
466 Ganzheitliche Quantifizierbarkeit der Ergebnisse
Warum es wichtig ist die Wirksamkeit einer erfolgreicher Zusammenarbeit im Rahmen einer Operational Excellence zu quantifizieren ist mit Ruumlckblick auf die Ausfuumlhrungen zu bdquoFortentwicklung messbar machenldquo bereits ausfuumlhrlich beschrieben worden Wie wird der Erfolg bzw Misserfolg gemessen Die Nutzenrealisierung ist erheblich schwieriger in der Praxis umzusetzen als es sich in Buumlchern lesen laumlsst Etliche Beispiele unterstreichen die-sen Gedanken ndash ein Vorgeschmack Wenn eine international agierende Strategieberatung die uumlber Jahre Lean-Sigma-Transformationen durchfuumlhrt den Zielerreichungsgrad uumlber die Anzahl der ausgebildeten Black Belts definiert wird die Reichweite dieses kritischen Aspektes deutlich Wie soll die Quantitaumlt der ausgebildeten Mitarbeiter eine Aussage uumlber die Qualitaumlt der Initiative ermoumlglichen Wenn es nicht moumlglich ist die Bemuumlhungen der Initiative in aussagekraumlftigen und repraumlsentativen Ergebnissen darzustellen wird der Mehrwert der strategischen Maszlignahme bis zur Bedeutungslosigkeit geschmaumllert Woran liegt das Die Uumlberpruumlfung des Erreichungsgrades steht vor der zentralen Problematik dass nicht alles was zaumlhlt gezaumlhlt werden kann und nicht alles was gezaumlhlt werden kann zaumlhlt (Vgl Sprenger 2012 S 117)
19946 Kritische Betrachtung der Operational-Excellence-Methodik
Wie zuvor ausfuumlhrlich anhand der Beispiele von Best Buy 3M und Pixar herausgestellt ist die Entwicklung von Innovationen auf undefinierten und unkontrollierten Freiraum an-gewiesen der nicht als bdquomudaldquo (jap nutzlose Unproduktivitaumlt) verunglimpft werden darf (vgl Moormann 2009 S 357) Auch die Steigerung der Wettbewerbsfaumlhigkeit ist nur schwer aus Renditeberechnungen und Marktanteilen abzuleiten Diese Realitaumlten ruumlcken auch den Glauben an eine kulturelle Operational-Excellence-Revolution in eine Grauzone ndash wie misst und bewertet man die veraumlnderte Unternehmenskultur Was ist zu tun damit der Anstieg der gemessenen Mitarbeiterzufriedenheit an einem erfolgreichen Roll-out der Methodik und nicht an den leckeren Sushi-Rolls des Kuumlchenchefs liegt
1 Bevor operationale Umsetzungsempfehlungen zur Nutzenrealisierung in einem spauml-teren Kapitel ausfuumlhrlich eroumlrtert werden sollen an dieser Stelle eher abstrakte Emp-fehlungen formuliert werden Sammeln Sie Informationen ndash keine Daten ndash um die Ergebniswirksamkeit der Initiative zu beurteilen Denken Sie daran Wer viel misst misst viel Mist Dies gilt es als Leitspruch zu befolgen Zahlreichen KPIs ohne weitrei-chende Bedeutung sind einige wenige KPIs mit Aussagekraft vorzuziehen Die Grund-lage fuumlr eine aussagekraumlftige Bilanzierung der Initiative wird zu Beginn im Rahmen der Durchfuumlhrung einer Kosten-Nutzen-Analyse gelegt Je sorgfaumlltiger die Struktur der Ausgangslage desto gehaltvoller das Resuumlmee Anzunehmen dass es eine allgemein-guumlltige Loumlsung gibt waumlre vermessen Heterogene Erfolgskriterien zu ermitteln objek-tiv zu messen und strategisch sinnvoll zu interpretieren ist und bleibt sowohl fuumlr eine Initiative als auch fuumlr ein Unternehmen die zentrale Herausforderung
2 Der verstorbene Management-Guru Peter Drucker hat einmal gesagt bdquoIf you canrsquot measure it ndash you canrsquot manage itldquo Das Dilemma wird deutlich denn das Sammeln von Daten zur Diagnose des Initiativenfortschritts ist nicht nur schwer sondern auch essenziell Wichtig ist dass Sie sich im Klaren sind dass jedes regelmaumlszligige Festhal-ten von Daten bereits einer Intervention gleicht Eine Intervention (Messung) weckt immer Erwartungen Es obliegt der Verantwortung der Initiativenfuumlhrung mit diesem Mechanismus hinsichtlich der Kommunikation in der Initiative behutsam umzugehen um den produzierten Erwartungen adaumlquat zu begegnen Damit dies gelingt muss die Messung von Beginn an uumlber eine klare Zielsetzung verfuumlgen Die Messung an sich ist lediglich eine Zustandsbeschreibung ndash eine Momentaufnahme Aus Sicht der Organisa-tion muss es das Ziel einer Messung sein Maszlignahmen zur Hebung von Optimierungs-potenzialen zu ermitteln Dass eine Messung in der Folge zu sowohl positiven als auch negativen Maszlignahmen oder Ergebnissen kommen kann zeigt bei der anschlieszligenden Kommunikation wie wichtig die Beruumlcksichtigung der geschuumlrten Erwartungen ist
Im Ergebnis laumlsst sich festhalten Operational Excellence ist kein Allheilmittel Die auf-gefuumlhrten kritischen Aspekte und teils unbeantworteten Fragen sind nicht zu ignorieren aber auch keineswegs als Unwaumlgbarkeit zu verstehen Die in diesem Kapitel diskutierten Erfolgsfaktoren und deren Bedingungen vergroumlszligern bei fehlerfreier Beruumlcksichtigung die Wahrscheinlichkeit die Wettbewerbsfaumlhigkeit des Unternehmens durch Effizienzsteige-
200 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
rungen zu erhoumlhen Ist auch nur ein Faktor nicht beruumlcksichtigt oder kann nicht wie geplant umgesetzt werden gefaumlhrdet dies die Durchfuumlhrung der laufenden Initiative Die Kunst ist es Zugang zu den Beteiligten auf sowohl rationaler Ebene als auch emotionaler Ebene zu finden um die Voraussetzungen fuumlr eine erfolgreiche Implementierung eher zu erfuumlllen Der abschlieszligende kritische Diskurs hebt die Bedeutung eines Bewusstseins hinsichtlich der Existenz der angesprochenen Schwachstellen hervor Dieses Bewusstsein gepaart mit der Faumlhigkeit diesen Beschwerlichkeiten besondere problemorientierte Aufmerksamkeit zu schenken ermoumlglicht schlieszliglich die volle Wirksamkeit des Leistungsversprechens
Umfassende Transformationen bergen also nicht nur groszliges Chancen- sondern auch erhebliches Risikopotenzial Die durch die konsequente Intervention des Organisations-gefuumlges verursachte Veraumlnderung muss schlussendlich nicht von den Maschinen sondern den Menschen im Unternehmen gelebt werden ndash deshalb ist die Implementierung nicht kompliziert sondern komplex Je groumlszliger die Veraumlnderung desto groumlszliger der Widerstand ndash je groumlszliger der Widerstand desto groumlszliger die Bedeutung eines entsprechenden Widerstands-managements Diese Gleichung ist nicht zu leugnen Was ist unter dem Management von Widerstaumlnden zu verstehen Auch wenn viele Unternehmen diese Einsicht nicht teilen wollen ndash der Mitarbeiter spielt die entscheidende Rolle Auftretende Probleme sind haumlu-fig nicht auf die Infrastruktur der Methodik zuruumlckzufuumlhren Es ist die Art und Weise wie Veraumlnderung gemanagt wird was regelmaumlszligiges Scheitern bei strategischen Initiati-ven verursacht Keine methodischen Missverstaumlndnisse sondern menschliche Verfehlun-gen fuumlhren haumlufig zu Irritationen und Verwerfungen Die Trennung zwischen operativem Management und Change Management ist dabei in der Praxis kuumlnstlich ndash beides muss Hand in Hand gehen Das wofuumlr es in diesem Kapitel schon an zahlreichen Stellen Anzei-chen gegeben hat wird im naumlchsten Kapitel deutlich an Kontur gewinnen Wohl dosiertes Change Management ist der wichtigste Begleiter auf der Reise zur operativen Exzellenz ndash so wie das Motoroumll die Funktionsfaumlhigkeit des Motors gewaumlhrleistet Nur die richtige Dosierung verhindert in der Mechanik des Autos einen Motorschaden aufgrund von Rei-bung und Verschleiszlig
47 Das Kapitel in aller Kuumlrze
Bei der routinemaumlszligigen Haupt- und Abgasuntersuchung des TUumlVs werden die wichtigsten Bestandteile des Fahrzeugs wie die Kraftuumlbertragung das Fahrwerk oder die Elektronik auf Herz und Nieren uumlberpruumlft Kapitel 4 stellt die Mechanik von Operational-Excellence-Initiativen umfassend auf den Pruumlfstand Das Ergebnis ist eine Checkliste ndash unter der konsequenten Missachtung nur eines Punktes leidet die Wirksamkeit der Initiative
1 Initiative mit Organisation harmonisierenminus betriebswirtschaftliche Anschlussfaumlhigkeit gewaumlhrleisten ndash Veraumlnderungsbereit-
schaft evaluierenminus Initiative sorgfaumlltig vorbereiten ndash Momentum des Startschusses nutzen
20147 Das Kapitel in aller Kuumlrze
minus Kosten-Nutzen-Analyse durchfuumlhrenminus Kulturkreis beachtenminus Initiative von fruumlheren strategischen Maszlignahmen unterscheidenminus Initiative personenunabhaumlngig gestalten ohne kontinuierliche Fuumlhrungsstaumlrke zu
verlierenminus Methodik adaptieren ndash nicht kopierenminus Bewegungskraft der Initiative organisationsweit freisetzenminus Initiative an Impulse der Umwelt anpassen
2 Vision und Commitment leben ndash Kommunikation etablierenminus Vision haben und lebenminus kompromissloses Topmanagement Commitment sicherstellenminus Empfinden fuumlr Veraumlnderungsbedarf erzeugenminus Stakeholder identifizieren ndash individuell kommunizierenminus Erfolgsgeschichten verbreiten ndash uumlber Misserfolge sprechen und aus Fehlern lernen
3 Mitarbeiter fuumlhren und foumlrdern durch Fordernminus bdquomenschlichenldquo Kern einer Initiative begreifenminus Fuumlhrung verstehenminus geeignete Mitarbeiter mit klaren Zielen fuumlhrenminus betroffene foumlrdern ndash Beteiligte fordern ndash Vertrauen schaffenminus Initiative zur Unabhaumlngigkeit bdquoerziehenldquominus Widerstand entgegenwirkenminus Zusammenarbeit organisieren und belohnenminus Mitarbeiter kennenlernen und nachhaltig motivierenminus Mitarbeitern Aufmerksamkeit schenken ndash Entscheidungskonflikte loumlsen
4 Richtige Projekte machen ndash Projekte richtig machenminus Projekte mit groumlszligter Hebelwirkung priorisierenminus Quick Wins erzielen ndash Projekte stringent umsetzenminus potente Projektmitglieder engagierenminus Projektkultur aufbauenminus fuumlr das richtige und gegen das falsche Werkzeug entscheidenminus Lernsituationen schaffen ndash Wissen managen
5 Fortentwicklung messbar machenminus Mehrwert der Initiative in der Bilanz bdquobeweisenldquominus Kostenrechnung zweiter Art einrichtenminus neutrale Uumlberpruumlfung gewaumlhrleisten
Zum Abschluss des Kapitels wird zusaumltzlich die Frage geklaumlrt ob die Methodik der opera-tionalen Exzellenz noch bdquostraszligenverkehrstauglichldquo ist oder ob sie ihren Zenit schon uumlber-schritten hat Das Attribut bdquostraszligenverkehrstauglichldquo kann nur unter der Beruumlcksichtigung einer differenzierten Perspektive bescheinigt werden Die unterschiedliche Anschlussfauml-higkeit in der Praxis von Six Sigma (auch Lean Six Sigma) auf der einen und die von
202 4 Die Erfolgsfaktoren von Operational-Excellence-Programmen
Lean Management auf der anderen Seite muumlssen beachtet werden Die folgenden Aspekte werden generell als Maumlngel der Operational-Excellence-Methodologie identifiziert
bull uneinheitliches Verstaumlndnis der Methodikbull unvergleichbare Standards bei der Mitarbeiterausbildungbull Zielkonflikt zwischen Konsequenzen der Initiative und Perspektiven der Mitarbeiterbull anspruchsvolles Methodensetbull Spannungsverhaumlltnis Effizienz vs Innovationbull ganzheitliche Quantifizierbarkeit der Ergebnisse
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203
Change Management ndash das Motoroumll der operativen Exzellenz
copy Springer Fachmedien Wiesbaden 2014M H Dahm A D Bruumlckner Operational Excellence mittels Transformation Management FOM-Edition DOI 101007978-3-658-05092-4_5
5
Anyone who tells you it is easy to change the way groups of people do things is either a liar a management consultant or bothThe Economist
Wie bei einem Fahrzeug im Zuge der Hauptuntersuchung des TUumlVs die Kraftuumlbertra-gung das Fahrwerk oder die Elektronik uumlberpruumlft werden stellte Kap 4 die Mechanik von Operational-Excellence-Programmen umfassend auf den Pruumlfstand Ohne sich dabei im methodischen Detail oder einem praktischen Ausnahmefall zu verlieren wurden kritische Erfolgsfaktoren identifiziert und hinsichtlich ihrer Belastbarkeit ausfuumlhrlich diskutiert Um die bdquoStraszligenverkehrstauglichkeitldquo der Methodik sicherzustellen wurden schlieszliglich auch Maumlngel offen angesprochen und mit ersten Empfehlungen adressiert
So wie der Vater fuumlr seinen Sohn die Motorhaube oumlffnet um beim Anblick der feinme-chanischen Hubbewegungen und Rotationen der zahlreichen Ventile deutlich zu machen
204 5 Change Management ndash das Motoroumll der operativen Exzellenz
dass der Motor das Herzstuumlck der automobilen Fortbewegung bildet so widmet sich dieses Kapitel dem Knotenpunkt einer Operational-Excellence-Initiative Dem Menschen ndash denn wenn der Wind des Wandels weht bauen die einen Mauern die anderen Windmuumlhlen Zu-naumlchst erlaumlutert ein Ruumlckblick in die Entstehungsgeschichte des Change Managements den Sinn und Zweck veraumlnderungsbegleitender Aktivitaumlten Anschlieszligend werden fundierte Er-kenntnisse aus der Literatur und handfeste Verknuumlpfungen aus der Praxis konsolidiert um die Erfolgsfaktoren des Change Managements (oder auch Managements des Menschen) zu definieren Im letzten Abschnitt des Kapitels wird eine neue Begrifflichkeit die Bedeutung von Change Management fuumlr eine Operational-Excellence-Initiative praumlgen
51 Historische Einordnung und Entstehungsgeschichte des Change Managements
Fangen wir vorne an Was ist der Ursprung des Change Managements Die Anfaumlnge der Auseinandersetzung mit Veraumlnderungen von und in Organisationen gehen auf die Pionier-generation der Unternehmensberater Ende des 19 Jahrhunderts wie Henry Gantt (Gantt-Diagramm) und AD Little (Begruumlnder der ersten Beratungsgesellschaft 1886) zuruumlck (vgl Greif et al 2004 S 55 f) Mitausloumlser fuumlr konkretere Konzepte und fundierte Or-ganisationsforschung war rund 40 Jahre spaumlter der in den USA beobachtete Hawthorne-Effekt In den 1930er-Jahren entdeckten zwei Wissenschaftler dass die Leistungsfaumlhigkeit eines Menschen nicht nur von den objektiven Arbeitsbedingungen sondern auch wesent-lich durch soziale Rahmenbedingungen beeinflusst wird Die sozialen Gruppenbeziehun-gen und die ruumlcksichtsvolle Fuumlhrung hatten demnach mehr Einfluss auf die Produktivitaumlt der Arbeiter als die Arbeitsbedingungen Diese Erkenntnisse begruumlndeten die Entstehung der Human-Relations-Bewegung die das vom Taylorismus gepraumlgte Menschenbild des Homo oeconomicus das dem social man weichen sollte infrage stellte Richtungsweisen-de Uumlberlegungen verfolgte der Soziologe Kurt Lewin (1890ndash1947) der Ende der 1940er-Jahre maszliggeblich den Grundstein fuumlr die Lehre der Veraumlnderung und damit auch fuumlr die Entstehung der Organisationsentwicklung legte Lewins (1947 S 5 ff) Beschreibungen von Veraumlnderungen in Organisationen ndash im Weiteren auch als organisationale Veraumlnderung bezeichnet ndash wurden erst 1963 durch seine Assistenten veroumlffentlicht Er schlug ein Drei-Phasen-Modell vor (vgl auch Abb 51)
1 Auftauphase (engl unfreezing) Der bestehende Zustand wird als Gleichgewicht zwi-schen Stabilitaumlts- und Veraumlnderungskraumlften in der Organisation verstanden Das Ziel
Auftauen Veraumlnderung Einfrieren
1 2 3
Abb 51 Drei-Phasen-Modell
20551 Historische Einordnung und Entstehungsgeschichte des Change Managements
dieser Phase ist es die noumltigen Kraumlfte die ein Veraumlnderungsbewusstsein kreieren auf-zubauen um den bestehenden Zustand aufzubrechen und gezielt zu verfluumlssigen
2 Bewegungsphase (engl moving oder change) In dieser Phase wird der Status quo verlassen und auf Basis groszligflaumlchiger Partizipation werden neue Loumlsungen verfolgt Die eigentliche Veraumlnderung findet in dieser Phase statt
3 Einfrierphase (engl refreezing) Zuletzt geht es um die Implementierung der neu strukturierten Loumlsungen und deren nachhaltige bdquoEinuumlbungldquo bzw Sicherung in der Unter-nehmensstruktur Die Veraumlnderungen werden wieder stabilisiert oder bdquoeingefrorenldquo
Der juumldische Sozialpsychologe ging davon aus dass Veraumlnderungsaktivitaumlten zu Wider-staumlnden fuumlhren wuumlrden weil sie bislang Stabiles oder Gewohntes stoumlren Schon Lewin verstand es als essenziell diese Widerstaumlnde zu uumlberwinden In diesem Zuge setzte er auf die Dynamik von bdquodemokratischenldquo also partizipativen Schritten Es war ihm womoumlglich bedingt durch die Flucht vor dem nationalsozialistischen Regime in Deutschland ein An-liegen diktatorische oder autoritaumlre Machtgebilde zu verhindern (Vgl Greif et al 2004 S 58) Obwohl er davon uumlberzeugt war dass der Mensch den Wandel nicht von selbst initiieren wuumlrde sind konkret abgeleitete Maszlignahmen um den Veraumlnderungsprozess ziel-fuumlhrend zu meistern nicht sehr umfassend dokumentiert Zusaumltzlich ist die eingaumlngige Darstellungsform Lewins in ihrer Reichweite kritisch zu sehen Veraumlnderung ist wie be-reits herausgestellt nicht die Ausnahme sondern die Regel Destabilisierung Veraumlnde-rung und Restabilisierung sind volatile Mikroprozesse und nur schwer auf einen einzigen einmaligen Veraumlnderungszyklus zuruumlckzufuumlhren (Vgl Greif et al 2004 S 58) Lewins Modell bildet also bdquolediglichldquo eine Makrobeschreibung von organisationalen Veraumlnderun-gen ab Womoumlglich liegt aber gerade in der Einfachheit dieses Drei-Phasen-Modells die Staumlrke Von Kurt Lewin ist die These uumlbermittelt Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie Den Beweis liefert er selbst denn obwohl sich die Taktung von Veraumlnderungs-prozessen heute vervielfacht hat und man sicherlich auch im Rahmen einer Operational-Excellence-Initiative nicht von einem linearen Dreischritt gemaumlszlig Lewin sprechen kann sind noch nahezu alle Ansaumltze der Literatur zum organisationalen Veraumlnderungsmanage-ment an die dreiteilige Modellierung Lewins angelehnt
Zu Zeiten kollektiven Wirtschaftswachstums der 1960er-Jahre in den USA und Europa muumlndeten Lewins unkonventionelle Ideen in der sowohl begrifflichen als auch inhaltlichen Praumlgung der Organisationsentwicklung (OE engl organisational development OD) Als theoretische Grundlage dieser Beratungsform diente die interdisziplinaumlre allgemeine Sys-temtheorie die Organisationen als offene Systeme verstand Dies bedeutet dass das Han-deln von Organisationen nicht durch Beurteilung desselben sondern uumlber die Interaktion mit der jeweiligen Systemumgebung bei der die Strukturen und Prozesse der Organisation Menschen Geld und Material transformieren erklaumlrt wird (Vgl Greif et al 2004 S 59) Die OE die sich maszliggeblich durch den Diskurs engagierter Vertreter ihrer Zunft entwi-ckelte folgte einem ganzheitlichen Organisationsverstaumlndnis (gleichberechtigte Beruumlck-sichtigung von harten und weichen Faktoren) und dem Primat des Transfers ndash es ging um
206 5 Change Management ndash das Motoroumll der operativen Exzellenz
die Schaffung idealer Voraussetzungen fuumlr die Umsetzung der Veraumlnderung Der Mensch steht dabei im Mittelpunkt und ist fuumlr die Entwicklung der Organisation verantwortlich ndash OE versteht sich demnach als Personalentwicklung bei der die Beteiligten durch die Intervention des Beraters der sich eher als Coach oder Trainer versteht bei der Loumlsung eines konkreten Problems lernen (Vgl Walger 1995 S 15) Es etablierte sich die Begriff-lichkeit bdquolernende Organisationldquo Fuumlr die Praktiker des Organisationsentwicklungsgedan-kens verfestigte sich die Bezeichnung bdquoChange Agentsldquo Diese Rolle sah einen intensiven Austausch mit den Organisationsmitgliedern vor um die Veraumlnderung gemeinsam zu ent-wickeln zu planen und entsprechende Maszlignahmen zu erarbeiten um diese schlieszliglich zu realisieren Dieser Austausch sah idealerweise eine Zweiweg-Kommunikation vor (vgl Greif et al 2004 S 59) Der Informationsfluss wird sowohl von top-down als auch von bottom-up eingerichtet Die Gleichung war einfach denn mehr Beteiligung und houmlhere Motivation sollten zu mehr Produktivitaumlt der Organisation und Zufriedenheit der Mitarbei-ter und damit zu individuellem und organisationalem Wachstum fuumlhren Ob der Berater nun als Interventionist Prozessberater change agent Trainer oder Erkenner von Alter-nativen bezeichnet wird entscheidend ist immer das Moment der Reflexion (Vgl Walger 1995 S 9) Durch das Vorhalten des Spiegels wie in Form der Survey-Feedback-Metho-de1 initiiert der Organisationsentwickler das eigenstaumlndige Lernen aller Beteiligten
Die zuumlgig fortschreitende Evolution dieser Idee zum geplanten organisationalen Wandel stolperte Anfang der 1970er-Jahre uumlber grundsaumltzliche Selbstzweifel der Protagonisten an der Wirksamkeit des Konzepts Ernuumlchternd wurde behauptet dass das Spiegelbild der Re-flexion eher einem Trugbild glich welches nicht hinreichend die positive Entwicklung der Organisation forcierte Diese Identitaumltskrise wird bisweilen durch die fuumlr viele Unterneh-men existenzielle Wettbewerbssituation Ende der 70er-Jahre erklaumlrt Demnach gewann eine neue Wachstumsphilosophie stimuliert durch die Entwicklung auf den weltweiten Kapital-maumlrkten an Bedeutung In dieser Zeit schien organisches Wachstum finanziert aus eigenen Mitteln nicht mehr wettbewerbsadaumlquat In einem unbekannten Ausmaszlig standen Fusionen Akquisitionen und Personalkosteneinsparungen durch Programme zur betrieblichen Leis-tungssteigerung im unternehmerischen Fokus Fuumlr die Bewaumlltigung dieser Herausforderun-gen gab es kein ausreichend systematisiertes Erfahrungswissen in der noch jungen aber fuumlr die damalige Zeit mutigen Denktradition der OE Die Anschlussfaumlhigkeit fuumlr die Implemen-tierung von organisationalen Veraumlnderungen durch humanistische OE-Methoden ndash die den Mitarbeiter staumlrker beruumlcksichtigen ndash ging in Zeiten dieser neuen Wachstumsphilosophie ver-loren obwohl das Gedankengut revolutionaumlr war (Vgl Greif et al 2004 S 61) Es sei daran erinnert dass erst 1979 die Evaluation des amerikanischen Massachusetts Institute of Tech-
1 Eine durch Kurt Lewin entwickelte Methode der Organisationsentwicklung (Deutsch Erforschung-Ruumlckmeldung-Methode) die Mitarbeiterbefragungen mit Vorgesetztenbeurteilungen kombiniert Gewonnene Informationen von einer Person aus muumlndlichen und schriftlichen Befragungen oder mithilfe von Beobachtungsverfahren werden an dieselbe Person wieder zuruumlckgegeben Das Ziel besteht darin dass das Feedback die Beteiligten aktiviert und positive Veraumlnderungen ermoumlglicht
20751 Historische Einordnung und Entstehungsgeschichte des Change Managements
nology (MIT) die Erkenntnis hervorbrachte dass der Erfolg des japanischen Autoherstellers Toyota u a auf die systematische Miteinbeziehung der Mitarbeiter zuruumlckzufuumlhren sei
Der amerikanische Management-Guru und Professor fuumlr bdquoOrganizational Behaviour and Human Resource Managementldquo Noel Tichy meint dass die Wiederauferstehung der Organisationsentwicklung und ihre eigentliche Bluumltezeit auf die Bemuumlhungen von Jack Welch ab 1980 bei GE zuruumlckgehen (Vgl Greif et al 2004 S 61 Tichy und DeRose 2002) Welch befuumlrchtete dass umfassende Unternehmenstransformationen ohne eine innovati-ve Weiterbildung der Fuumlhrungskraumlfte scheitern wuumlrden Aus diesem Grund engagierte er Tichy fuumlr die Umsetzung von Fortbildungsseminaren fuumlr die Fuumlhrungskraumlfte des Misch-konzerns wobei Tichy in diesem Zusammenhang maszliggeblich auf altes konzeptionelles OE-Gedankengut zuruumlckgriff Die ausgebildeten Fuumlhrungskraumlfte mussten ihr Wissen als Coach und Berater des Veraumlnderungsmanagements an andere weitergeben Damit fand eine totgeglaubte Auspraumlgung der Human-Relations-Bewegung schlieszliglich den Weg in den Ver-antwortungsbereich von Managern in der ganzen Welt Das was man heute unter Change Management (CM) versteht ist das Produkt dieser damals begonnenen Praxis von Unter-nehmen und Beratungsgesellschaften Im Geschaumlftsbetrieb scheinen sich marginale Unter-schiede zwischen der OE und dem CM mittlerweile weitestgehend zu relativieren Ein Anzeichen dafuumlr ist der Titel des Standardwerks der bekennenden Organisationsentwickler Klaus Doppler und Christoph Lauterburg Er heiszligt nicht bdquoOrganisationsentwicklungldquo son-dern bdquoChange Managementldquo ndash dies ist seit der Erstauflage 1994 als geistiger Treibstoff in die Historie der Managementliteratur eingegangen Die granulare Auseinandersetzung wird im anschlieszligenden Abschnitt dennoch einen feinen Unterschied herausarbeiten
In der OE wird der Prozess eher aus sozialpsychologischer oder gruppendynamischer Sicht bearbeitet ndash von innen nach auszligen Im Mittelpunkt steht der Mensch Das Change Management entstanden aus den Realitaumlten der Praxis postuliert dass eher der betriebli-che Erfolg zaumlhlt ndash die Sicht geht von auszligen nach innen Im Mittelpunkt steht hier die Auf-gabe wettbewerbsfaumlhig zu sein Etwas uumlberspitzt formuliert Welchen Mehrwert bringen reflektierende Mitarbeiter und ein positives Arbeitsklima wenn die Kennzahlen aus den Projekten nicht stimmen und die Funktionsfaumlhigkeit der Initiative nicht gewaumlhrleistet ist In anderen Worten Wenn die deutschen Fuszligballer bei der WM 2010 in Suumldafrika durch die Erfolge der Gruppenphase und der ersten KO-Spiele beweisen dass sie ein bis in die Haarspitzen motiviertes und harmonisierendes Team sind ist dies ein wichtiger Baustein um das Finale zu gewinnen Doch selbst wenn die internationale Presse der deutschen Nationalelf den schoumlnsten Fuszligball bescheinigt steht man nach einer 01 Niederlage im Halbfinale mit leeren Haumlnden da Spanien ndash nicht Deutschland ndash wurde Weltmeister
Organisationsentwicklung ndash Innenausrichtungbeachtet sowohl bei der Analyse als auch bei den daraus abgeleiteten Entwicklungsprozessen in Unternehmen Institutionen und Bereichen nicht nur die strukturelle betriebswirtschaftliche Dimen-sion sondern in gleicher Weise die Beduumlrfnisse der Fuumlhrungskraumlfte und Mitarbeiter als direkt be-troffene Traumlger und Treiber von Entwicklungsprozessen in ihrem Arbeitsumfeld Im Ansatz der OE ist die Veraumlnderung zwar das Wesentliche aber nur unter der Beruumlcksichtigung dreier Praumlmissen moumlglich
208 5 Change Management ndash das Motoroumll der operativen Exzellenz
1 Veraumlnderung ist integriert in laumlngerfristige uumlbergreifende und organisationsweite Entwicklungs-prozesse
2 Veraumlnderungsziele werden nicht von auszligen vorgegeben sondern von den betroffenen Menschen erlernt und entwickelt
3 Veraumlnderungen zielen sowohl auf die finanziellen Interessen der Eigentuumlmer (Shareholder) als auch auf das Wohlergehen der Mitarbeiter (Stakeholder) ab(Quelle Doppler und Lauterburg 2008 S 99 f)
Change Management ndash AuszligenausrichtungMit der Beschleunigung und Erhoumlhung der Komplexitaumlt der Maumlrkte entstanden seit den 1980er-Jah-ren neue Einflussfaktoren auf betriebswirtschaftlichen Erfolg und Misserfolg Aufbauend auf der Organisationsentwicklung griff das Change Management die aus der Praxis kommenden wesent-lichen Elemente auf1 Laumlngerfristige und meist unspezifische Entwicklungsprozesse wurden in gezielte und konkrete
Veraumlnderungsprozesse umgewandelt2 Nicht nur der Weg ist das Ziel sondern das konkrete und wahrnehmbare Endergebnis ist ent-
scheidend3 Der positive und negative Einfluss von Markt Politik und Gesellschaft sollte staumlrker beruumlcksich-
tigt werden4 Die Betroffenen auf Unsicherheit Veraumlngstigung und Schmerzen vorbereiten5 Das Prinzip Hilfe zu Selbsthilfe durch das Prinzip Selbstverantwortung ersetzen
52 Definition und Zielsetzung von Change Management
Zunaumlchst gilt es als Ausgangspunkt fuumlr weitere Uumlberlegungen die in den Mittelpunkt ge-ruumlckte Begrifflichkeit zu definieren bdquoChangeldquo ist demnach die Abaumlnderung des Status quo bdquoManagementldquo ist die entsprechende stabilisierende und konsolidierende Bewe-gung des definierten Startpunkts zu einem konkreten Zielzustand (vgl Hodge et al 2003 S 329 Harigopal 2006 S 95 Steinle 2005 S 679) Genau genommen handelt es sich bei jeder geschaumlftlichen Aktivitaumlt um eine Bewegung von A nach B ndash Veraumlnderung ist dabei stets die logische Begleiterscheinung (vgl Gray 2011 S 16 ff) Die fuumlr die inhaltliche Ausrichtung dieser Publikation stichhaltigste Definition ist die von Wolfgang Gattermey-er ndash eines ehemaligen Change Managers der in Irland ansaumlssigen Beratungsgesellschaft Accenture
bdquoUnter Change Management werden alle Maszlignahmen subsumiert die zur Initiierung und Umsetzung von neuen Strategien Strukturen Systemen und Verhaltensweisen not-wendig sind [hellip] so gesehen beschaumlftigt sich Change Management weniger mit dem de-taillierten Entwurf von Soll-Zustaumlnden es hat vielmehr die Erhoumlhung der Veraumlnderungs-bereitschaft und das Skizzieren von Visionen als Voraussetzung zum Design neuer Louml-sungen sowie deren nachfolgende Umsetzung zum Inhaltldquo (Gattermeyer 2001 S 14 f)
Konkret bedeutet dies dass Change Management den Feldkontakt mit der strategi-schen Theorie des Unternehmens herstellt ndash es schlaumlgt die Bruumlcke zwischen den strategi-schen Uumlberlegungen und der Realisierung durch die Mitarbeiter Als einzige Ergaumlnzung
20952 Definition und Zielsetzung von Change Management
zur aufgefuumlhrten Definition laumlsst sich hinzufuumlgen dass die Umsetzung neuer Loumlsungen bzw das bdquoBruumlckenschlagenldquo in jedem Fall ergebnisorientiert gefuumlhrt werden muss Das Primat des Unternehmerischen (die Mitarbeiter sollen sich nicht nur wohlfuumlhlen sondern das Ergebnis muss sich rechnen) ist also fuumlr eine heutige Organisation entscheidend ohne dabei die Rolle und Bedeutung des Menschen im Unternehmen zu vernachlaumlssigen Wir sprechen auch vom Management des Menschen
Was kennzeichnet das Ergebnis von Change Management im Kontext einer strategi-schen Initiative Was sind die erstrebenswerten Zielzustaumlnde im Sinne einer Operational-Excellence-Initiative Mithilfe welcher Change-Methoden gelangt man dorthin
Die Beantwortung dieser Fragen soll anhand eines Bildes erklaumlrt werden Change Ma-nagement bedeutet wortwoumlrtlich dass die Veraumlnderung an der Hand gefuumlhrt wird (Begriff bdquoManagementldquo aus dem Lateinischen bdquomanum agereldquo als bdquoan der Hand fuumlhrenldquo uumlber-setzt)2 Wenn man ein kleines Kind uumlber eine stark befahrene Straszlige fuumlhrt haumllt man es auch bis zum Erreichen der anderen Straszligenseite sicher an der Hand und begleitet es nicht nur bis zur Straszligenmitte Auch wenn das Kind zieht zerrt und sich weigert wird der Er-wachsene das Kind festhalten und sicher uumlber die Straszlige begleiten In diesem Bild stecken zwei wichtige Aspekte
1 Change Management soll den Wandel nicht nur begleiten sondern dafuumlr Sorge tragen dass der Wandel an sein Ziel kommt (Ergebnisorientierung)
2 Change Management muss auftretenden Widerstaumlnden entschieden entgegenwirken (Methodenorientierung)
In unserem Fall wird die Operational-Excellence-Initiative von Change Management bdquouumlber die stark befahrene Straszlige begleitetldquo Es geht demnach um die ergebnisorientierte Unterstuumltzung der Initiative (bdquodas Ergebnis muss sich auch rechnenldquo) was nur moumlglich ist wenn methodenbasierte Interventionen die Kollision mit auftretenden Widerstaumlnden (Verkehr auf der Straszlige) verhindern3 Zur Erinnerung Durch systematische Optimie-rungsmaszlignahmen der Operational Excellence sollen alle Geschaumlftsprozesse auf Kunden-beduumlrfnisse Qualitaumlt und Effizienz ausgerichtet werden Das Leistungsversprechen wel-ches sich uumlber die daraus resultierende Steigerung der Wettbewerbsfaumlhigkeit definiert unterstuumltzt die Unternehmensfuumlhrung bei der groumlszligten Herausforderung des strategischen Managements ndash die Uumlberlebensfaumlhigkeit der Organisation langfristig zu sichern Change Management aumlndert praktisch nichts an dieser Kursbestimmung Es soll vielmehr die Er-fuumlllungswahrscheinlichkeit dieses Kurses entscheidend erhoumlhen Kurzum Zur erfolgrei-
2 s Kap 123 Die Auspraumlgungen von Widerstand koumlnnen bei der Implementierung von Operational Excellence so vielfaumlltig wie die beteiligten Personen sein Mitarbeiter koumlnnten sich vermehrt krank melden in wichtigen Meetings wird stundenlang uumlber Nebensaumlchlichkeiten diskutiert Entscheidungen werden immer wieder aufs Neue vertagt Projektmitglieder streuen bewusst Geruumlchte oder schmieden Alli-anzen um die vereinbarten Ziele nicht zu erreichen
210 5 Change Management ndash das Motoroumll der operativen Exzellenz
chen Umsetzung von Operational Excellence muss professionelles Change Management mit der strategischen Initiative buchstaumlblich Hand in Hand gehen denn sonst wird das Vorhaben von zwischenmenschlichen Stolpersteinen regelrecht bdquouumlberfahrenldquo
Diese noch relativ abstrakte Zielsetzung von Change Management laumlsst sich weiter he-runterbrechen So lassen sich Verhaltensziele von Sachzielen unterscheiden (vgl Steinle 2008 S 9 ff)
1 Verhaltensziele Bezogen auf die Umsetzung der Initiative lassen sich hier die Mobili-sierung der Belegschaft das Gewinnen von Promotoren fuumlr die Initiative das Bekaumlmp-fen von Widerstaumlnden oder die Uumlberzeugung von Unentschlossenen zur Veraumlnderung von gewohnten Arbeitsweisen auffuumlhren
Indirekt spielen also auch Verhaltensziele auf der Unternehmensebene eine Rolle wie das Foumlrdern von Lernprozessen durch ein etabliertes Wissensmanagement ver-besserte Kundenorientierung staumlrkere Kundenbindung und die Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit
2 Sachziele Bezogen auf die Umsetzung der Initiative lassen sich hier das puumlnktliche Erreichen von Meilensteinen optimierte Ressourcennutzung Termineinhaltung das sorgfaumlltige Ausfuumlhren von Aufgaben oder effiziente Einsetzen von Tools auffuumlhren
Indirekt spielen also Sachziele auf der Unternehmensebene eine Rolle wie die Stei-gerung des EBIT oder der Produkt- bzw Servicequalitaumlt die Reduzierung von Kosten oder das Gewinnen von Marktanteilen
Ein Auszug aus einer Studie aus dem Jahre 2012 der franzoumlsischen Beratungsgesellschaft Capgemini ermoumlglicht einen ersten generellen Eindruck von der verfuumlgbaren Methoden-auswahl um die dargestellten Ziele zu erreichen (Abb 52 vgl Capgemini Consulting 2012 S 22 f) So unterscheidet die Studie in Basisausstattung (z B persoumlnliche Kom-munikation und Rollen- und Auftragsklaumlrung) erweiterte Grundausstattung (z B Stake-holder-Management und Team-Building) und Extraausstattung (z B Kulturanalysen und Change Controlling) Die Tools zur Mobilisierung der Beteiligten und Kommunikation mit den Betroffenen der Veraumlnderung fuumlhren diese Auswertung deutlich an Welche Tools besonders fuumlr die Umsetzung von Operational-Excellence-Initiative geeignet sind was ihr idealer Verwendungszeitpunkt ist und was eventuelle Alternativen sind wird in Kap 6 dieses Buches detailliert beschrieben
21153 Erfolgsfaktoren des Change Managements 1994 bis 2008
53 Erfolgsfaktoren des Change Managements 1994 bis 2008
Im Laufe der letzten Jahrzehnte wurden etliche Buumlcher uumlber mehr oder weniger erfolg-reiche Strategien zur Umsetzung von Change-Management-Vorhaben veroumlffentlicht Die-ses Kapitel wird einen ausreichenden Abriss der literarischen Errungenschaften liefern An der einen oder anderen Stelle werden die Uumlberlegungen der Autoren um weitere Bei-spiele und tiefergehende Gedanken ergaumlnzt Zweifellos spielt in diesem Zusammenhang
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PodcastsVideocasts
Change Controlling
Konfliktmanagement
E- Learning
Kulturanalyse
Visionsentwicklung
Coaching
Umfeld-Statusanalyse
Team-Building
Fuumlhrungskraumlfteentwicklung
Stakeholder-Management
Fokus- Interviews
TrainingSchulung
Roll-Auftragsklaumlrung
Veranstaltungen
Kommunikation schriftlich
Kommunikation persoumlnlich
Workshops Basis-ausstattung
Erweiterte Grund-ausstattung
Extra-ausstattung
Nennung bdquohaumlufigldquo und bdquosehr haumlufigldquo Angaben in
Abb 52 Change Tools aus der Capgemini-Studie
212 5 Change Management ndash das Motoroumll der operativen Exzellenz
das Standardwerk von Doppler und Lauterburg (2008 S 115 ff) eine wichtige Rolle ndash das Duo identifizierte erstmals 1994 einen Wirkungszusammenhang bestehend aus sechs Schluumlsselfaktoren Weil es sich bei diesem Werk nicht nur um einen strategischen Leitfaden sondern in erster Linie um eine umfassende operative Werkzeugkiste ndash mit dezidierten Maszlignahmen ndash handelt verdient es die Zuschreibung bdquoChange-Bibelldquo Keine Uumlberraschung wird der Bezug auf das mehrstufige Veraumlnderungsmodell von John Kotter (1996 2011) sein Auf eher strategischer Ebene naumlhert sich der Harvard-Professor nicht wie Lewin in drei Schritten sondern in acht Schritten der Herausforderung Veraumlnde-rungsprojekte strukturiert effizient und erfolgreich zu realisieren Abschlieszligend sollen die Erkenntnisse der 2008 durchgefuumlhrten Making-Change-Work-Studie der IBM beleuchtet werden Die Studie des IT-Service-Unternehmens setzte in diesem Rahmen den Dialog uumlber das Unternehmen der Zukunft fort der mit der IBM Global CEO Study 2008 begon-nen wurde Die CEO Study identifizierte u a den bdquoFokus auf Veraumlnderungenldquo als einen Baustein des Unternehmens der Zukunft ndash genau dies wurde durch die Change-Studie unter die Lupe genommen (Vgl Joslashrgensen 2008) Der daraus resultierende geschaumlrfte Blick soll diskutiert werden
531 Schluumlsselfaktoren nach Klaus Doppler und Christoph Lauterburg
Die Change-Experten Doppler und Lauterburg (2008) lokalisierten zunaumlchst uumlbliche Me-chanismen und vertraute Muster die in der Praxis dazu fuumlhren dass Veraumlnderungen schei-tern Dahinter steckt die Logik beim eigenen Misslingen zu beginnen sich also bdquoselbst auf die Schliche zu kommenldquo Dies soll die Hoffnung auf Erfolg ermoumlglichen Der Begriff bdquoHoffnungldquo ist demnach bewusst gewaumlhlt ndash es gibt kein Erfolgsrezept bei der Justierung der zwischenmenschlichen Feinmechanik betonen Doppler und Lauterburg (2008)
So weisen die Autoren auf die Gefahr eines Kaltstarts hin wenn Veraumlnderungsprozes-se angestoszligen werden Es ist wie mit der Fitness Vor jeder sportlichen Betaumltigung soll man sich aufwaumlrmen Dadurch wird eine verbesserte Ausgangslage fuumlr neuromuskulaumlre organische und seelisch geistige Leistung geschaffen Gleiches gilt fuumlr eine Organisation insbesondere wenn strategische Richtungswechsel durch die Implementierung des Ope-rational-Excellence-Gedankens vorgenommen werden Rechtzeitig mit den Betroffenen sprechen sie wertschaumltzen und sie an der Zukunft partizipieren lassen ist sicherlich kom-plizierter als das zehnminuumltige Aufwaumlrmen im Fitnessstudio und ungleich wichtiger
Aumlhnlich typisch sind die Selbstinszenierungen der Unternehmensfuumlhrung als elitaumlre Problemloumlser mit denen den Mitarbeitern die Zuschauerrolle oder die Rolle der Wasser-traumlger aufdraumlngt wird Das ist nicht kooperativ sondern provokativ Weiter stehen haumlufig Loumlsungen und nicht die Probleme inklusive der eigentlichen Ursachen im Vordergrund Wenn immer nur bdquoWas ist zu tunldquo und nie bdquoWas ist losldquo gefragt wird dann wird ohne zu zoumlgern zur Tat geschritten und eine Loumlsung produziert ndash leider fuumlr das falsche Prob-lem Die Autoren beanstanden zusaumltzlich dass zu viele Loumlsungen Teil des urspruumlnglichen
21353 Erfolgsfaktoren des Change Managements 1994 bis 2008
Problems sind Wenn Verkehrsengpaumlsse beklagt werden und als Loumlsung mehr Straszligen ge-baut werden ist die Loumlsung Teil des Problems Die Faumlhigkeit in jeder neuen Lage neu nachzudenken ist essenziell Doppler und Lauterburg weisen darauf hin dass die Anfor-derungsprofile fuumlr die Kandidaten die den Wandlungsprozess durchfuumlhren beispiellos uumlbertrieben sind Wenn ein Black Belt kontaktfaumlhig einfuumlhlsam kreativ selbstorganisiert leistungsorientiert und letztendlich unternehmerisch hochbegabt sein muss dann wird ein bdquoFabelwesenldquo gesucht aber kein geeigneter Mitarbeiter Die Hochsprunglatte sollte so hoch gelegt werden dass man den Ehrgeiz entwickeln kann sie zu uumlberspringen und nicht vor lauter Ehrfurcht darunter herlaumluft Ferner fuumlhren u a eklatante Fehltritte beim Auf-bau von Vertrauen der Missbrauch von bdquohidden agendasldquo und die Unfaumlhigkeit offen und ehrlich miteinander zu sprechen viele Veraumlnderungsprozesse in die Irre Aus dieser Be-trachtung resultierte die Definition von sechs Schluumlsselfaktoren
1 Energie wecken und Vertrauen schaffen Die Autoren betonen die Gefahr die Betroffenen der Veraumlnderung einfach zu uumlberrumpeln und ihnen ein bdquoFertigmenuumlldquo zu servieren Stattdessen sollte man sie dort abholen wo sie sind denn jeder Mitarbeiter ist unterschiedlich weit von der Thematik entfernt So muss die Zielsetzung konkret ehrlich und klar kommuniziert werden Die Beteiligten muumlssen auf einen gemeinsamen Nenner des Informationsstandes gebracht werden damit gravierende Unterschiede in der Einstellung und in der Art und Weise wie man an das Thema Veraumlnderung her-antritt reduziert werden Weiter muss ein Problembewusstsein existieren damit der Mitarbeiter sich nicht mit der jetzigen Situation arrangiert Ohne ausreichende Glaub-wuumlrdigkeit wird es den Initiierenden nicht gelingen zu zeigen dass die strategischen Maszlignahmen keine weiteren Worthuumllsen bdquovon obenldquo oder eine Alibi-Uumlbung sind
2 Denken in Prozessen statt Strukturen Fuumlr Unternehmen bedeutet Wandel nicht die Ausnahme sondern die Regel Je flexibler sich das Unternehmen positioniert desto leichter faumlllt der in der heutigen Zeit notwendige Umgang mit bdquopanta rheildquo (griech bdquoalles flieszligtldquo) Die Autoren raten die Unberechenbarkeit der Wirtschaft zu akzeptieren und Faumlhigkeiten zu entwickeln um darin zu uumlberleben Gesucht sind bdquoChaos-Pilotenldquo Damit ist die Faumlhigkeit gemeint die Organisation in offenen Prozessen und vernetzten Systemen nicht zu steuern ndash was ohnehin unmoumlglich erscheint ndash sondern ihr zur Orien-tierung zu verhelfen Muster zu erkennen an die Umwelt anzupassen Trends intuitiv zu erspuumlren und mit kluger Dosierung des Risikos zu handeln Das Denken in offenen Prozessen und vernetzten Strukturen ist ndash inspiriert durch die Biokybernetik ndash unter anderem vom deutschen Biochemiker Frederic Vester eingehend beschrieben worden bdquoEs gilt nach dem Prinzip des Judo die vorhandenen Kraumlfte zu erkennen und umzulen-ken anstatt sie zu zerstoumlren mit der Energie zu gehen nicht gegen sieldquo (Doppler und Lauterburg 2008 S 119)
3 Das Unternehmen auf sein Umfeld ausrichten Die Unberechenbarkeit der Wirt-schaft zu akzeptieren geht mit dem Aspekt einher dass ein Unternehmen welches nicht so maumlchtig ist dass es seine Umwelt nach Belieben bestimmen kann sich als ein
214 5 Change Management ndash das Motoroumll der operativen Exzellenz
Bestandteil eines groszligen Netzwerkes sehen muss Es gilt die Umweltbedingungen zu beobachten sich mit ihnen auseinanderzusetzen und sich anzupassen um zu uumlberleben Anhand einer kleinen Uumlbung in der das Unternehmen die erfolgskritischen Umwelten (wie Maumlrkte den Wettbewerb Mitarbeitererwartungen oder gesellschaftliche Trend-entwicklungen) in einer Landkarte erfasst und aufzeichnet wie mit den einzelnen Schnittstellen in Kontakt getreten wird verdeutlichen die Autoren das Wirkungsge-fuumlge der relevanten Umwelten Werden Entwicklungen rechtzeitig registriert Ist die Kommunikation mit den Umwelten entsprechend strukturiert Diese Fragen sind zu klaumlren ndash die Antworten definieren den Qualitaumltsstandard der gelebten Auszligenausrich-tung des Unternehmens Das Internetunternehmen Yahoo ist ein Beispiel dafuumlr was fuumlr Konsequenzen es mit sich bringen kann wenn der Kontakt von Unternehmen zu Kunde uumlber lange Zeit nicht auf das Umfeld ausgerichtet ist Im Jahr 2000 war Yahoo der Weltmarktfuumlhrer bei Suchmaschinen im Internet Dann begann das Unternehmen den Kunden neben der Suchfunktion diverse andere Dienstleistungen anzubieten beispiels-weise eine E-Mail-Funktion Finanzdienstleistungen Neuigkeiten Entertainment und Celebrity-News Die Kunden waren an diesen Mehrleistungen aber kaum interessiert Dies hatte zur Folge dass 2005 Google die Nummer eins der Suchmaschinen wurde sie war sogar die Website mit den meisten Klicks uumlberhaupt Unter anderem begruumlndet sich dieser Erfolg darin dass sich Google auf sein Umfeld ndash den Wunsch des Kunden ndash konzentrierte
4 Vernetzung durch Kommunikation Den Unternehmen fehlt es nicht an Informa-tionen die das Uumlberleben des Unternehmens sichern wuumlrden Die Informationen sind jedoch isoliert oder an der falschen Stelle Kommunikation ist in diesem Fall gefragt Die Vision von einer lernenden Organisation ist anders nicht zu erfuumlllen Dies bedeutet fuumlr Fuumlhrungspersonen nicht vom Schreibtisch aus anzuordnen sondern mit den Mit-arbeitern zu sprechen ihre Probleme zur Kenntnis zu nehmen und die Hintergruumlnde zu verstehen um eine Vertrauensbasis aufzubauen Doppler und Lauterburg verglei-chen Kommunikation in einem Unternehmen mit dem hoch differenzierten System des menschlichen Organismus der bis in die letzten Adern und Nerven mit komplexen Informationen versorgt wird bdquoGenau wie im menschlichen Koumlrper geht es auch im Unternehmen um die Sicherstellung eines kontinuierlichen auf Feedback beruhenden Kreislaufsldquo (Doppler und Lauterburg 2008 S 121 f)
5 Von auszligen nach innen organisieren Doppler und Lauterburg identifizieren drei Gruppen die Anspruumlche an ein Unternehmen haben Die Kunden die Mitarbeiter und die Anteilseigner Da man allen drei nicht ebenbuumlrtig gerecht werden kann gilt es zu priorisieren Dabei wird wie bereits beschrieben der Markt in den Vordergrund gestellt Die Ausgangslage ist immer das Beduumlrfnis des Kunden In der Folge werden daraus Strategien Ziele und operative Maszlignahmen abgeleitet wobei jeder Schritt in der Pro-zesskette einen nachgewiesenen Mehrwert haben muss um ein geeignetes Produkt qualitaumltsgerecht beim Kunden zu platzieren Mitarbeitergespraumlche Feedback- oder Berichtsstrukturen haben streng genommen keine Bedeutung fuumlr den Kunden weil er sie nicht bezahlt Die Anliegen der Mitarbeiter und der Anteilseigner sind sekundaumlr
21553 Erfolgsfaktoren des Change Managements 1994 bis 2008
ndash nur so kann das kollektive Interesse an einer Sicherstellung der unternehmerischen Existenz gewaumlhrleistet werden
6 Lernen sicherstellen Der letzte Aspekt stellt heraus dass es groszliger Aufmerksamkeit bedarf natuumlrlichen Tendenzen zur Traumlgheit und Erstarrung rechtzeitig entgegenzuwir-ken So sollten automatisch die Strategien und die daraus abgeleiteten operativen Maszlig-nahmen regelmaumlszligig auf ihre Aktualitaumlt gepruumlft werden auch wenn das Tagesgeschaumlft dazu verfuumlhrt solche regelmaumlszligigen und aufwaumlndigen Aktivitaumlten zu vernachlaumlssigen Die Autoren verweisen auf die selbstverstaumlndliche Wartung von Maschinen ndash diese gilt es auch innerhalb einer Organisation als verpflichtende Maszlignahme zu etablieren Wei-ter wird von einem bdquoFruumlhwarnsystemldquo und einem bdquoSensorteamldquo gesprochen welches als Taskforce Entwicklungen sowohl bei Kunden als auch bei Mitarbeitern verfolgt Missstaumlnde aufdeckt und das Management mit Schwachpunkten konfrontiert ndash ohne Ruumlcksicht auf das Ansehen von Personen Tabus oder beunruhigende Erkenntnisse Eine Feuerwehr die das Unerwartete erwartet und dem Unternehmen bei der Weiter-entwicklung entscheidend hilft
Die Bestimmung von uumlblichen Gefahrenpotenzialen und dysfunktionaler Mechanismen im Zuge von Veraumlnderungsprozessen und die Identifikation von sechs Schluumlsselelemen-ten ist ein wichtiger Baustein des Change-Standardwerks Energie wecken und Vertrauen schaffen Denken in Prozessen statt Strukturen das Unternehmen auf sein Umfeld aus-richten Vernetzung durch Kommunikation von auszligen nach innen organisieren und Ler-nen sicherstellen ndash ein ganzheitlicher Ansatz soll ganzheitliche Veraumlnderung ermoumlglichen
532 Acht Stufen der Veraumlnderung nach Kotter (1996)
Ausgehend von einem Artikel fuumlr den Harvard Business Review (HBR) im MaumlrzApril 1994 mit dem Titel bdquoLeading Change Why Transformation Efforts Failldquo begann John Kotter sich mit der Analyse zahlreicher Initiativen auseinanderzusetzen die durch Re-strukturierung Reengineering Akquisitionen Verschlankung Qualitaumltsmaszlignahmen und kulturellen Erneuerungen Veraumlnderungen in Organisationen bewirkten Er traf den Nerv der Zeit Im Ergebnis stellt der Professor fuumlr Fuumlhrungsmanagement heraus dass Ver-aumlnderungsprozesse ein langer Weg sind Eine sorgfaumlltige Planung und eine durchdach-te Struktur vereinfachen seiner Ansicht nach jedoch die Implementierung und erhoumlhen die Erfolgswahrscheinlichkeit So empfiehlt er zunaumlchst die Voraussetzungen zu schaffen (Schritte 1 bis 4) um anschlieszligend den Wandel positiv zu gestalten (Schritte 5 bis 8) da-mit eine dauerhafte Integration der Erneuerungen im Unternehmen zu realisieren ist Im Gegensatz zu Doppler und Lauterburg entwickelte Kotter einen chronologisch gepraumlgten Ansatz
1 Ein Gefuumlhl fuumlr die Dringlichkeit erzeugen Nachdem zunaumlchst ehrlich eingesehen werden muss dass es Zeit ist sich zu aumlndern ist es Aufgabe der Unternehmensfuumlh-
216 5 Change Management ndash das Motoroumll der operativen Exzellenz
rung Mitarbeiter und Fuumlhrungskraumlfte hinsichtlich der Notwendigkeit eines Wandels zu sensibilisieren Es ist leichter gesagt als getan die Realitaumlten des Marktes des Wett-bewerbs und der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens entsprechend selbstkritisch einzuordnen
Kotter berichtet von einem ehemals erfolgreich global agierenden Pharmaunterneh-men welches mit Kundenbeschwerden negativen Pressemitteilungen tiefroten Zahlen und erheblichen Kursverlusten an der Boumlrse konfrontiert war Vor dem ersten Besuch Kotters beim Unternehmen erwartete er blanke Nerven oder aggressive Kommunika-tion hektische Feuerwehreinsaumltze oder Szenen die man aus Kriegsfilmen kennt ndash ein erbitterter Kampf ums Uumlberleben eben Tatsaumlchlich war sich keiner der Mitarbeiter der Notlage bewusst Stattdessen nahm Kotter an ruhigen und ziellosen Meetings teil in denen die Mitarbeiter manchmal die vergangenen Erfolge feierlich erwaumlhnten oder uumlber belanglose Dinge stundenlang diskutierten Auf jeden Fall war von dringender Veraumln-derungsbereitschaft keine Rede Die Konkurrenz wurde verschont ndash scharf geschossen wurde nur intern In Einzelgespraumlchen gestand man sich jedoch ein dass es Probleme gab doch diese Ansaumltze versickerten im Treibsand der Selbstgefaumllligkeit Der Schul-dige war immer ein anderer ndash die Industrie die andere Abteilung oder der unfaumlhige Chef
Ohne Dringlichkeit wird es keine Kooperation geben Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um reine Uumlberzeugungsarbeit da Widerstand gegen Veraumlnderung ein ganz all-taumlgliches Phaumlnomen jedes Entwicklungsprozesses ist Wenn Mitarbeiter das Veraumlnde-rungsvorhaben nicht als sinnvoll erachten werden sie immer einen Weg finden ihre Energie nicht in die Initiative zu investieren
Kotter betont dass sowohl positive und negative Ereignisse als auch unternehmens-interne und -externe Gruumlnde den Anstoszlig geben koumlnnen Es geht darum die Krise sichtbar zu machen So koumlnnten finanzielle Verluste zugelassen die Zielvorgaben un-erreichbar erhoumlht oder externe Berater zur Uumlberbringung von Hiobsbotschaften genutzt werden
Im Ergebnis sollte bei rund 75 des Managements und im Grunde bei saumlmtlichen Fuumlh-rungskraumlften ein Leidensdruck spuumlrbar sein Wer bdquoChangeldquo wirklich als Chance sieht wird erkennen dass ein Veraumlnderungsprozess unumgaumlnglich ist
2 Eine Fuumlhrungskoalition aufbauen Auch wenn bekannte Unternehmenstransfor-mationen wie der Aufstieg der Supermarktkette Wal-Mart oder der Turnaround der IBM haumlufig mit einer einzigen Person in Verbindung gebracht werden (Sam Walton bzw Lou Gerstner) so waumlre es irrsinnig zu glauben dass Veraumlnderungen auf einen einzigen charismatischen Missionar an der Spitze der Organisation angewiesen sind Kotter stellt heraus dass kein Individuum in der Lage ist saumlmtliche Projekte einer Veraumlnderungsinitiative zu begleiten aufkommende Widerstaumlnde zu brechen und alle Beteiligten auf seine Vision der Zukunft einzuschwoumlren Worauf es ankommt ist eine schlagkraumlftige Mannschaft die das Moment des Wandels forciert Die Betonung liegt dabei auf bdquoschlagkraumlftigldquo denn die Empfehlungen einer nicht durchsetzungsfaumlhigen Team-Konstellation werden in jedem Fall auf taube Ohren stoszligen
21753 Erfolgsfaktoren des Change Managements 1994 bis 2008
Die wesentlichen Kriterien fuumlr das die Veraumlnderung antreibende Team sind ausreichend hierarchische Bedeutung (Sind alle Personen beruumlcksichtigt die das Projekt zum Schei-tern bringen koumlnnen) hinlaumlngliche Expertise (Ist das Team fuumlr die anstehende Aufgabe angemessen kompetent und heterogen aufgestellt) genuumlgend Glaubwuumlrdigkeit (Sind die Beteiligten politisch relevant und akzeptiert) und schlieszliglich reichlich Leadership-Potenzial (Gibt es eine gesunde Mischung aus Managern die Plaumlne entwickeln und Leadern die ihre Visionen entfalten)
Kotter unterstreicht die Grundlage des Zusammenwirkens der aufgefuumlhrten Kriterien Vertrauen Mit Vertrauen kann eine Fuumlhrungskoalition funktionieren ndash ohne Vertrauen wird sie scheitern Um Vertrauen aufzubauen und ein Team zu bilden haben sich im Laufe der Jahre die sogenannten Off-Site-Veranstaltungen als wirksam herauskristalli-siert
So berichtet Kotter von einem Bereichsleiter der im Rahmen eines einwoumlchigen Tref-fens eine Gruppe von zehn Fuumlhrungskraumlften die im Zentrum des anstehenden Veraumln-derungsprozesses stehen werden zusammenschweiszligen moumlchte In den ersten 48 h lebt die Gruppe im Freien segelt oder geht beim Bergsteigen an die physischen Grenzen Nach diesem Kennenlernen verbringen sie die naumlchsten drei Tage in einem Hotel und erarbeiten in abwechselnden Gruppen Problemstellungen aus dem Arbeitsalltag Beim Abendessen tauscht man sich uumlber persoumlnliche Erfahrungen und Perspektiven aus Am Ende foumlrdert das verbesserte Beziehungsgefuumlge das auf aufgabenorientierter Zusam-menarbeit beruht den Vertrauenszuwachs und die gemeinsame Zielfindung auch im Unternehmensalltag
Die schlagkraumlftige Fuumlhrungskoalition besteht aus den richtigen Leuten wenn diese ein-ander vertrauen und auf ein gemeinsames Ziel hin arbeiten wollen
3 Vision und Strategie entwickeln Ein Beispiel aus der Publikation aus dem Jahre 1996 soll an dieser Stelle in eine Sportanalogie uumlbersetzt werden
Nehmen wir an eine Nationalmannschaft hat das Finale der Fuszligballweltmeisterschaft erreicht Es ist die Aufgabe des Kapitaumlns sein Team einzuheizen ndash er hat drei Optio-nen Erstens kann er sagen bdquoLos Jungs Lasst uns gewinnenldquo Als er die Umkleide-kabine verlaumlsst und nicht alle Mitspieler aufspringen bruumlllt er bdquoGewinnen habe ich gesagt und zwar JETZTldquo Eine zweite Variante waumlre bdquoJungs hier ist der Plan zum Sieg Wir werden unsere Stuumlrmer und unseren Zehner eng zusammen spielen lassen um die Halbraumlume offen zu lassen Um das Mittelfeldpressing des Gegners zu verhin-dern spielt unser Innenverteidiger den einlaufenden aumluszligeren Mittelfeldspieler an der von auszligen nach innen durchstartet und auf den mitlaufenden Sechser zuruumlcklegt Dann koumlnnen wir mit einem Pass in die Tiefe das Spiel aufbauen ndash wir gewinnen an Raumlumen und Ballbesitzhellipldquo Drittens koumlnnte der Kapitaumln sagen bdquoIn ein paar Minuten schaut uns die ganze Welt zu Warum Weil wir es verdient ins Finale geschafft haben Wir koumlnnen Geschichte schreiben ndash hier und jetzt Wollt ihr euren Enkelkindern spaumlter nicht stolz von heute Abend berichten Auf gehtrsquos lasst uns einfach Fuszligball spielenldquo
Kotter bezeichnet die erste und weit verbreitete Variante als autoritaumlre Fuumlhrung ndash die Zweite als Mikromanagement Diese Methoden funktionieren wenn bestehende Sys-
218 5 Change Management ndash das Motoroumll der operativen Exzellenz
teme erhalten bleiben sollen Das ist nicht der Anspruch eines Veraumlnderungsprozesses Die dritte Variante dagegen entwirft ein Bild von der Zukunft ndash sie basiert auf einer Vision Dieses Vorgehen ist maumlchtig weil es Tausende einzelner Schritte in einer For-mulierung zusammenfasst weil es Menschen dazu ermutigt auch schmerzhafte Schritte zu gehen und weil das Vorgehen die Aktivitaumlten von (hier 11 Spielern) aumluszligerst effizient koordiniert
Als Charakteristika einer effektiven Vision zaumlhlt John Kotter sechs zentrale Punkte auf So muss die Vision vorstellbar erstrebenswert machbar fokussiert flexibel und kommunizierbar sein Wem es nicht gelingt seine Vision innerhalb von fuumlnf Minuten zu erklaumlren und dabei Neugier zu wecken sollte gewarnt sein
4 Die Vision des Wandels kommunizieren Die Groumlszlige dieser Aufgabe wird meist unter-schaumltzt Kotter erlaumlutert dies anhand eines simplen Rechenbeispiels
Die Intensitaumlt die einen Mitarbeiter in drei Monaten des Alltagsgeschaumlfts erreicht um-fasst 2300000 Woumlrter oder Zahlen Der typische Umfang der Kommunikation wo-durch die Vision des Wandels verbreitet werden soll belaumluft sich auf 13400 Woumlrter oder Zahlen Dies entspricht einer 30-minuumltigen Rede eines einstuumlndigen Meetings eines 600 Woumlrter umfassenden Artikels im internen Newsletter und eines 2000 Woumlrter fassenden Memorandums Damit macht die Kommunikation der Version gerade einmal 058 des Anteils der gesamten Kommunikation aus ndash zu wenig Kotter empfiehlt zur Loumlsung sieben Schluumlsselelemente zusammengesetzt aus einfacher Sprache Bild-sprache Abwechslung in der Wahl des Mediums insistierender Wiederholung der Bot-schaft Vorbildfunktion der relevanten Beteiligten Erlaumluterung von scheinbaren Un-stimmigkeiten sowie Houmlren und Zuhoumlren
Als besonders wirkungsvoll soll die Vorbildfunktion hervorgehoben werden Alfred Herrhausen ehemaliger Vorstandssprecher der Deutschen Bank und Mitgruumlnder der ersten privaten Universitaumlt Deutschlands WittenHerdecke sagte einmal bdquoWir muumlssen das was wir denken sagen Wir muumlssen das was wir sagen tun Wir muumlssen das was wir tun dann auch seinldquo (Alfred Herrhausen Gesellschaft 2014) Wenn der CEO ein radikales Kostensenkungsprogramm ausruft und sein eigenes Buumlro fuumlr viel Geld reno-vieren laumlsst oder zu jedem internationalen Termin weiter First Class fliegt geht er mit keinem guten Beispiel voran ndash die Unterstuumltzung seiner Mitarbeiter ist damit verloren Wenn dagegen ein anderer CEO im Zuge einer Lean-Implementierung ein schlankes Unternehmen mit flachen Hierarchien verspricht zuallererst eine gesamte Hierarchie-ebene des mittleren Managements eliminiert und auf ein groszliges opulent ausgestattetes Buumlro verzichtet ist dies ein glaubwuumlrdiges Signal an die Basis ndash auch seine Mitarbeiter werden dann wenn es darauf ankommt bereit sein Opfer zu bringen Pragmatisch gesehen spricht man also von bdquowalk the talkldquo weil das was man macht ausschlagge-bender ist als das was man erzaumlhlt
5 Mitarbeiter auf breiter Basis befaumlhigen Veraumlnderungsprozesse muumlssen wie schon herausgestellt von mehr Personen geschultert werden als einem leidenschaftlichen und charismatischen Alphatier an der Spitze Es gilt die Belegschaft zu befaumlhigen die Vi-sion umzusetzen Kotter stellt heraus dass auch wenn ein Dringlichkeitsgefuumlhl eine
21953 Erfolgsfaktoren des Change Managements 1994 bis 2008
starke Fuumlhrungskoalition und eine geeignete Vision gegeben sind es immer noch Hin-dernisse gibt So gilt es die Vision konterkarierende Strukturen zu beseitigen wie Fuumlh-rungskraumlfte die ihre Macht erhalten wollen oder siloartige Organisationsauspraumlgungen die das Leistungsvermoumlgen der Projektteams einschraumlnken Besonders bei strukturellen Barrieren liegt die Frustrationsgrenze der Mitarbeiter niedrig ndash eine kundenzentrierte Vision wird scheitern wenn die gegebene Infrastruktur der kundenunzentrierten Orga-nisation nicht geaumlndert wird
Ferner sind Defizite bei den erforderlichen Faumlhigkeiten fuumlr eine erfolgreiche Veraumlnde-rung zu kompensieren Wenn Menschen von heute auf morgen Gewohnheiten Denk-weisen und Einstellungen aumlndern sollen ist es nicht verwunderlich dass ein zweitauml-giges Training dazu nicht ausreichend ist Die neuen Strukturen leben nicht nur von technischen sondern auch sozialen Faumlhigkeiten Die Herausforderung ist es die richti-gen Lernerfahrungen im richtigen Umfang zum richtigen Zeitpunkt sicherzustellen
Weiter spricht Kotter davon die Systeme an die Vision anzupassen und versteht dar-unter in erster Linie das Personalmanagementsystem Die Leistungsbeurteilung Ent-lohnung Befoumlrderung und die Nachfolgeplanung muumlssen vollstaumlndig auf den Sinn und Zweck der Veraumlnderung ausgerichtet sein um diese wirksam zu unterstuumltzen
Schlieszliglich gilt es die Rolle der Vorgesetzten anzusprechen Wenn die Wellen des Wan-dels bis zur Tuumlr des Chefs spuumllen sich dann brechen und zuruumlck ins Meer flieszligen werden die Mitarbeiter zeitnah desillusioniert aufgeben Ein gezielter Dialog mit der-artigen blockierenden bdquoProblemfaumlllenldquo ist gemaumlszlig Kotter meist die beste Loumlsung Denn wer nichts unternimmt und versucht solche Personen mit enormem Aufwand durch die Transformation zu schleppen wird bald realisieren dass auch eine negative Vorbild-funktion enorme Strahlkraft besitzt Mitarbeiter die beobachten dass ihrem Vorgesetz-ten nicht die Stirn geboten wird sind schnell demotiviert
6 Schnelle Erfolge erzielen Veraumlnderungsprozesse sind Prozesse langfristiger Natur was unwiderruflich die Wichtigkeit von Teilerfolgen nach sich zieht Nichts motiviert mehr als der erfolgreiche Fortschritt der angestoszligenen Maszlignahmen ndash besonders zu Be-ginn Nach Kotter gilt es diese anfaumlnglichen Erfolge nicht abzuwarten sondern zu for-cieren Eine Abteilung in der die Kosten innerhalb des ersten Jahres signifikant redu-ziert werden koumlnnen oder eine Prozessoptimierung die fuumlr den Kunden zuumlgig sichtbar ist koumlnnen den Erfolg der gesamten Transformation positiv beeinflussen Diese bdquoQuick Winsldquo sollten sowohl sichtbar und eindeutig sein als auch in direktem Zusammenhang mit der Veraumlnderungsinitiative stehen und einer bestimmten Verantwortlichkeit unter-stehen Schnelle Erfolge unterliegen haumlufig dem Missverstaumlndnis dass sie nicht mit tiefgreifendem und langfristigem Wandel vereinbar sind Viele Manager befinden sich in diesem Glaubenssystem Wenn Veraumlnderungsprozesse Geduld erfordern sind kurz-fristige Erfolge problematisch Kotter widerspricht dieser weit verbreiteten Auffassung und fuumlhrt einige Gruumlnde auf warum schnelle Erfolge eine positive Rolle spielen
bdquoQuick Winsldquo beweisen zuumlgig dass es der finanzielle Aufwand und die Opfer zur Um-setzung der Veraumlnderungsmaszlignahmen wert sind ndash Kritikern wird der Wind aus den Segeln genommen Wenn sichtbare Erfolge vorliegen wird der Widerstand der Zyniker
220 5 Change Management ndash das Motoroumll der operativen Exzellenz
bei der Wurzel gepackt Weiter bieten schnelle Erfolge Raum und Zeit das bisher Er-reichte zu feiern Die erfrischende Auswirkung auf Moral und Motivation der Betei-ligten ist nicht zu unterschaumltzen sondern zu nutzen Dieses positive Feedback eignet sich zusaumltzlich dafuumlr eine Feinabstimmung von Vision und Strategie vorzunehmen So koumlnnen Probleme fruumlher erkannt und die Ausrichtung der geplanten Maszlignahmen neu uumlberdacht werden Das Signal an die obersten Hierarchieebenen ist bei schnellen Er-folgen offensichtlich Es wird also nicht nur die Motivation der unmittelbar beteiligten Projektteams gestaumlrkt sondern auch die Unternehmensfuumlhrung gewinnt den Glauben an die Sache Grundsaumltzlich lassen sich nicht alle Zweifler uumlberzeugen aber echte Er-folgsgeschichten bauen das notwendige Momentum auf Die Dynamik wenn abwar-tende Beobachter des Veraumlnderungsprozesses zu uumlberzeugten Unterstuumltzern werden ist erfolgskritisch
7 Erfolge konsolidieren und weitere Veraumlnderungen einleiten Kotter argumentiert an dieser Stelle dass viele Veraumlnderungsprozesse ihre Zielvorgaben nicht erreichen da zu fruumlh vom Erfolg der Initiative gesprochen wird So fuumlhrt er das Scheitern etlicher Ver-aumlnderungsprojekte in einer amerikanischen Bank auf das zu ausgiebig gefeierte Bankett zum alljaumlhrlichen Management Meeting zuruumlck Die Top 100 Manager wurden auf-wendig geehrt es wurde heroisch von den Errungenschaften gesprochen waumlhrenddes-sen man in luxurioumlsen Raumlumlichkeiten dinierte und einem beruumlhmten Saumlnger lauschte Obwohl dem CEO sicherlich bewusst war dass viel mehr Einsatz notwendig war um die Transformation abzuschlieszligen wollte er seinen Managern aufrichtig danken und das Erreichte gebuumlhrend feiern um sie zu motivieren Die Botschaft war aber kontra-produktiv denn Erfolg macht selbstgefaumlllig und traumlge ndash erst recht wenn er ausufernd zelebriert wird In den folgenden Jahren wurden Initiativen gestoppt finale Phasen von Restrukturierungsprozessen verschoben und anstehende Aufgaben ignoriert ndash Zweifel uumlber die vereinbarte Vorgehensweise machte sich breit
Damit sich der Wandel tiefgreifend entfalten kann muumlssen in dieser Phase entschei-dende Impulse gesetzt werden Die durch die erzielten bdquoQuick Winsldquo entstandene Aufbruchsstimmung ist fuumlr den Start von groumlszligeren Veraumlnderungen zu nutzen ndash mehr Wandel nicht weniger Zusaumltzliche frische Kraumlfte sind in den Fortschritt der Prozesse zu integrieren und zu befoumlrdern sodass die Veraumlnderung auch von bdquountenldquo gefoumlrdert wird Das Topmanagement hat die Dringlichkeit zur Erreichung der ausgerufenen Ziele aufrechtzuerhalten um zu verhindern dass sich gewohnte Verhaltensweisen wieder einpendeln
8 Neue Ansaumltze in der Kultur verankern Die Kultur eines Unternehmens bestimmt die Art und Weise der Wertschoumlpfung Der Begriff Kultur fasst Verhaltensnormen ndash vorherrschende Handlungsweisen ndash und gemeinsame Werte zusammen Wenn sich die (noch jungen) Manager eines Unternehmens beim Treppenlaufen alle am Handlauf festhalten manifestiert sich die durch das Produkt gepraumlgte Kultur Seit je her stellt das Unternehmen Sprengstoff her ndash Sicherheit wurde in der hundertjaumlhrigen Geschichte zur Obsession Wenn sich Mitarbeiter in einem anderen Unternehmen welches sich als zu-kunftsorientiert und innovativ beschreibt kennenlernen und umgehend nach der Person
22153 Erfolgsfaktoren des Change Managements 1994 bis 2008
erkundigen an die der andere berichtet wird die Bedeutung von Hierarchie und Macht in der Kultur deutlich ndash als Auszligenstehender erkennt man schnell dass die Organisation wie eine Armee funktioniert
Neue Arbeitsweisen und Verhaltensmuster die sich aus einer Veraumlnderungsinitiative entwickeln muumlssen in der vorhandenen Kultur verankert werden ndash sonst wird nachhal-tige Veraumlnderung unerreichbar bleiben Um diesen tiefen Eingriff zu ermoumlglichen soll-ten die meisten Umgestaltungen von Normen und Werten zum Ende des Wandlungs-prozesses stattfinden ndash ein aumlhnliches Unterfangen in Phase 1 ist nach Kotter aufgrund der Komplexitaumlt des Gegenstandes zum Scheitern verurteilt Dies liegt auch daran dass sich neue Handlungsweisen und Einstellungen vor dem Hintergrund bewaumlhrter Me-thoden im Unternehmen erst einmal beweisen muumlssen Erfolgskritisch ist schlieszliglich dass bei Befoumlrderungsmaszlignahmen und Neueinstellungen entsprechend der veraumlnderten Unternehmenskultur entschieden wird Im Ernstfall sind gewisse Schluumlsselspieler aus-zutauschen
Wandel herbeizufuumlhren ist schwer Aus diesem Grund skizziert John Kotter nicht drei oder sechs sondern acht Stufen Veraumlnderung benoumltigt viel Zeit und ist auf das Wirken vieler Menschen angewiesen Kotters zeitloser Bestseller fuumlhrt das Gefuumlhl der Dringlichkeit den Aufbau einer Fuumlhrungskoalition die Entwicklung einer Vision und Strategie die Kom-munikation der entwickelten Version die Befaumlhigung der Mitarbeiter auf breiter Basis das Erzielen von schnellen Erfolgen die Konsolidierung der Erfolge und die Verankerung des Wandels in der Kultur als acht chronologische Schritte zur erfolgreichen Veraumlnderung einer Unternehmensorganisation auf
533 Die IBM Making-Change-Work-Studie (2008)
Die Studie (MCW-Studie) ermoumlglicht sowohl einen Ruumlckblick ndash wie erfolgreich setzten Unternehmen Veraumlnderungen um ndash als auch einen Ausblick ndash wie kann die Umsetzung ver-bessert werden Im Mittelpunkt stand die quantitative und qualitative Befragung von welt-weit 1500 Praktikern ndash wie Projektleiter Change-Manager und Projektsponsoren Aus-schlaggebend fuumlr die systematische Untersuchung war die Identifizierung des bdquoChange-Gapldquo im Zuge der IBM CEO Studie (CEO-Studie) Von 2006 bis 2008 verdreifachte sich der Anteil der CEOs der umfassende Veraumlnderungen in der Zukunft erwartete sich aber aufgrund von vergangenen Misserfolgen nicht imstande sah diese Herausforderung zu meistern ndash es teilten 22 der Befragten diese Befuumlrchtung Das Ziel der MCW-Studie war die Evaluierung von Erkenntnissen und Entwicklung von Handlungsempfehlungen wie das bdquoChange-Gapldquo die Umsetzungsluumlcke bei Veraumlnderungsprojekten zu schlieszligen sei
20 der 1500 befragten Change-Praktiker konnten von uumlberdurchschnittlich guten Projektergebnissen berichteten ndash 80 der Projektaktivitaumlten waren bei diesen sogenann-ten Change-Experten von Erfolg gekroumlnt d h die Ziele wurden innerhalb der Zeit- Bud-get- und Qualitaumltsanforderungen erfuumlllt Gleichzeitig konnten aber weitere 20 ndash die so-
222 5 Change Management ndash das Motoroumll der operativen Exzellenz
genannten Change-Novizen ndash eine Erfolgsquote von nur 8 aufweisen Die ermittelte Diskrepanz ist enorm Ausgangspunkt der Studie war folglich die Frage wie das Ausmaszlig dieser Divergenz zustande kommen kann
Zur Klaumlrung dieser Frage wurden die groumlszligten Herausforderungen bei der Implemen-tierung von Veraumlnderungen identifiziert Abbildung 53 dokumentiert die entsprechende Auswertung und spricht eine eindeutige Sprache Die weichen Faktoren sind hart
Obwohl die Veraumlnderung von Geschaumlftsprozessen bedingt durch die Umsetzung neuer technologischer Implikationen an sich anspruchsvoll erscheint uumlberwiegt die Schwierig-keit bei weniger greifbaren Faktoren Die Veraumlnderung von Denkweisen Einstellungen
8
12
15
16
18
20
32
33
35
49
58Veraumlndern von Denkweisenund Einstellungen
Unternehmenskultur
Unterschaumltzung der Komplexitaumlt
Ressourcenknappheit
Mangelndes Committment deshoumlheren Managements
Mangelndes Change-Management-Know-how
Mangelnde Transparenz aufgrundfehlender oder falscher Informationen
Mangelnde Motivationder betroffenen Mitarbeiter
Veraumlndern von Prozessen
Veraumlndern von IT-Systemen
Technologische Barrieren
Weiche Faktoren
Harte Faktoren
Abb 53 Herausforderungen bei der Implementierung von Veraumlnderungen
22353 Erfolgsfaktoren des Change Managements 1994 bis 2008
und der Unternehmenskultur ist demnach das Schluumlsselelement ndash dieses Ergebnis unter-streichen insbesondere die Uumlberlegungen des Kap 4
Die Quintessenz spiegelt sich auch in der Liste der kritischen Erfolgsfaktoren wider Wie in Abb 54 ersichtlich unterscheiden die Autoren der MCW-Studie wieder in har-te und weiche Faktoren Mit dem Zitat des ehemaligen IBM CEO Lou Gerstner (2003) bdquoCulture isnacutet just one aspect of the game it is the gameldquo hebt die Studie die Bedeutung von Soft Facts hervor Wenn die Unterstuumltzung durch das Topmanagement fast fuumlnf Mal wichtiger als eine finanzielle Anreizstruktur ist wird deutlich auf welche Maszlignahmen und Schritte innerhalb eines Veraumlnderungsprozesses besonders zu achten ist
Die Studie konsolidiert diese Ergebnisse und Erkenntnisse im sogenannten Change-Diamanten Darunter versteht sich die wirkungsvolle Zusammensetzung der Kernberei-che die den Change-Experten den uumlberdurchschnittlichen Erfolg mit Veraumlnderungen er-moumlglichen Diese positive Korrelation kennzeichnet vier Facetten des Diamanten Um die Umsetzungsluumlcke bei Veraumlnderungsprojekten zu schlieszligen und die Erfolgswahrscheinlich-keit zu erhoumlhen muumlssen alle vier Facetten zum Glaumlnzen gebracht werden (vgl Abb 55)
19
33
36
38
48
55
65
70
72
92Unterstuumltzung durch das Top -Management
Einbindung der Mitarbeiter
Ehrliche und rechtzeitige Kommunikation
Motivierende und veraumlnderungs-freundliche Unternehmenskultur
bdquoChange-Agentsldquo(Pioniere der Veraumlnderung)
Unterstuumltzung von Veraumlnderungen durch die Unternehmenskultur
Effiziente Schulungsprogramme
Neuausrichtung der Leistungsbewertung
Effiziente Organisationsstruktur
Finanzielle und sonstige Anreize
Weiche Faktoren
Harte Faktoren
Abb 54 Die Bedeutung von Soft Facts
224 5 Change Management ndash das Motoroumll der operativen Exzellenz
1 Klares Bewusstsein ndash konkrete Maszlignahmen Es gilt sicherzustellen dass sich alle Stakeholder der anstehenden Herausforderung
bewusst sind und den damit verbundenen Aufwand anschlieszligend mit konkreten Maszlig-nahmen in Angriff nehmen
2 Standardisierte Methoden ndash solide Ergebnisse Es gilt die Veraumlnderungsmanagement-Aktivitaumlten an die Projektmanagement-Methodik
anzupassen um sie in der Organisation systematisch zu etablieren3 Konzentrierte Faumlhigkeiten ndash erfolgreiche Veraumlnderungen Es gilt Ressourcen optimal einzusetzen und Verantwortlichkeiten klar zu bestimmen
damit die jeweiligen Beteiligten Verantwortung uumlbernehmen koumlnnen um die Veraumlnde-rung aktiv zu gestalten
4 Gezielte Investitionen ndash Positive Wirkung Es gilt die ertragreichen Veraumlnderungsmanagementaktivitaumlten nicht nur grundsaumltzlich
sondern gezielt mit finanzieller Schlagkraft auszustatten
54 Blick in die Praxis ndash Beispiel AXA SA
Nachdem die noch immer zeitgemaumlszligen Ansaumltze von Doppler und Lauterburg aus dem Jahr 1994 das Modell zur Darstellung sukzessiver Veraumlnderungsprozesse von Kotter (1996) und die in einer praxisnahen Studie erfasste Momentaufnahme durch die IBM (2008) einen aussagekraumlftigen Eindruck des Change Managements vermittelt haben soll im Wei-teren ein Einblick in die Praxis die praktische Tiefe dieses Kap 5 gewaumlhrleisten In diesem Zuge wird zunaumlchst die Six-Sigma-Implementierung eines franzoumlsischen Versicherungs-konzerns nachvollzogen um im Nachgang die fuumlr eine Operational-Excellence-Initiative kritischen Change-Management-Faktoren zu identifizieren Es wird sich zeigen dass die
Gezielte Investitionen Positive Wirkung
Klares Bewusstsein Konkrete Maszlignahmen
Konzentrierte Faumlhigkeiten Erfolgreiche Veraumlnderungen
Standardisierte Methoden
Solide Ergebnisse
Abb 55 Der Change-Diamant
22554 Blick in die Praxis ndash Beispiel AXA SA
neu gewonnen Erkenntnisse in jedem Fall sowohl inhaltlich als auch grafisch anschluss-faumlhig an die bereits ermittelten Erfolgsfaktoren aus Kap 4 sind
541 Unternehmensprofil
Die Axa SA (AXA) ist ein franzoumlsisches Unternehmen mit Hauptsitz in Paris und einer der groumlszligten internationalen Versicherungskonzerne und Kapitalverwalter fuumlr Privatper-sonen und Unternehmen der Welt4 Die Axa-Gruppe erwirtschaftet bei einem Umsatz von 901 Mrd euro einen Gewinn von 42 Mrd euro (Stand 2012) und ihre Geschaumlftstaumltig-keit beinhaltet bdquoVorsorge Vermoumlgensmanagement und Versicherungldquo der Kunden Dazu zaumlhlen Schadens- und Unfallversicherungen private Vorsorgeformen wie Lebens- und Krankenversicherungen betriebliche Altersvorsorgeloumlsungen sowie Vermoumlgensanlagen Das Portfolio richtet sich an Privatpersonen und Unternehmen Unter der Fuumlhrung des franzoumlsischen Gruumlnders Claude Beacutebeacutear reifte das Unternehmen von einer kleinen Ver-sicherung zu einem globalen Giganten mit Schwerpunkten in Westeuropa Nordamerika und dem asiatisch-pazifischen Raum Beacutebeacutears Motto kann durch bdquoThink global act localldquo kurz und buumlndig auf den Punkt gebracht werden Die Erfolgsgeschichte war gepraumlgt von Akquisitionen Im Jahr 2000 zog sich der Gruumlnder Beacutebeacutear aus der operativen Taumltigkeit zuruumlck sodass von da an Henri de Castries die Geschicke des Versicherungsunternehmens als CEO und Praumlsident leiten sollte Er initiierte die Fokussierung und geschickte Kon-solidierung der Geschaumlftstaumltigkeiten durch den Verkauf der amerikanischen Investment-bank DLJ an die Credit Suisse Weiter akquirierte er den Versicherer The Equitable und den Asset-Manager Sanford Bernstein in den USA die Versicherungskonkurrenz UAP in Frankreich die Guardian Royal Exchange in Groszligbritannien und den Lebensversicherer Nippon Dantai in Japan Des Weiteren richtete er seine Aufmerksamkeit auf die Kernpro-zesse der Unternehmung ndash die strategische Planung des Unternehmens nahm einen hohen Stellenwert ein So wurde erstmals im Jahr 2000 die Kundenzufriedenheit der gesamten Unternehmensgruppe ermittelt ndash das Ergebnis war mehr als ernuumlchternd Fuumlr de Castries war klar dass sich die Wertschoumlpfung der 140000 Mitarbeiter in Zukunft grundlegend aumlndern muumlsse um wettbewerbsfaumlhig zu bleiben
542 Ausgangslage
Der aus der Automobilindustrie stammende Ford-Manager Claude Brunet wurde 2001 von de Castries in der Funktion als COO zu AXA geholt Seine Aufgabe war es die Kern-
4 Die aufgefuumlhrten Informationen gehen zu einem groszligen Teil auf die von Baillot und Weeks (2009) erstellte Fallstudie bdquoAXA WAY The Pursuit Of Excellence Through Quality Serviceldquo des Internatio-nal Institute for Management Development der IMD Business School Lausanne Schweiz zuruumlck Zielgerichtete On- und Offline-recherchen vervollstaumlndigen das Bild aus heutiger Sicht
226 5 Change Management ndash das Motoroumll der operativen Exzellenz
funktionen und -prozesse quer durch die gesamte Wertschoumlpfung der Organisation auf Verbesserungspotenzial hin zu untersuchen Brunet hatte sich in seinem Berufsleben schon haumlufig gewundert wie die Produktivitaumltsunterschiede zwischen der Automobil- und der Finanzindustrie zustande kommen konnten Als ihm zu Beginn seiner Amtszeit als COO auffiel dass Prozesse mit einer Fehlerquote von 20 keine Seltenheit waren erklaumlrte sich einiges von selbst ndash das Service-Level und die Vertriebsleistung mussten schnell gestei-gert werden Brunet wies den CEO darauf hin dass wie in Abschn 2231 beschrieben die unregelmaumlszligige Performance ausschlaggebend fuumlr die Unzufriedenheit der Kunden war ndash der Kunde spuumlrt nicht den Durchschnitt der Performance sondern die Varianz Er war sich sicher dass eine systematische Prozessrestrukturierung fuumlr AXA unerlaumlsslich sei um die Zufriedenheit der Kunden so zu steigern dass sie dem Anspruch eines der groumlszligten Versicherer weltweit entspreche Zum ersten Mal fiel in diesem Zusammenhang auch das Stichwort einer bdquounternehmenskulturellen Veraumlnderungldquo
Daruumlber hinaus wurde der Beginn von de Castries Wirken als CEO erheblich durch die Vorkommnisse des 11 September 2001 in New York und Washington beeinflusst Die Erschuumltterung der globalen Wirtschaft hinterlieszlig auch im Versicherungswesen Spuren und fuumlhrte zu Zahlungsforderungen in Houmlhe von 70 Mrd US-Dollar und einem Umsatzruumlck-gang von ca 7 ndash die Axa-Gruppe sah sich einer Belastung von 550 Mio US-Dollar ausgesetzt Die gewohnte Reaktion auf dieses oumlkonomische Beben auf das niemand Ein-fluss nehmen und dessen Auspraumlgungen niemand abschaumltzen konnte war ein massives und flaumlchendeckendes Kostensenkungsprogramm nach dem bdquoRasenmaumlherprinzipldquo Das Unternehmensmotto bdquoThink global act localldquo welches sich in einer siloartigen und de-zentralisierten Organisationsstruktur manifestierte erschwerte dabei Brunets Aufgabe eine nachhaltige prozessorientierte Denk- und Arbeitsweise zu etablieren AXA funktio-nierte bis dato vertikal ndash die Zukunft lag jedoch in einer horizontalen Ausrichtung
Zuletzt ist die lange Historie an Unternehmensuumlbernahmen nicht zu vergessen De Castries Vorgaumlnger hinterlieszlig ein wild und schnell gewachsenes Alltagsgeschaumlft das durch diverse management- rechts- und integrationstechnische Probleme gepraumlgt war Die Schwierigkeit mit dieser expansiven Unternehmenspolitik und den folgenden Kon-sequenzen umzugehen wurde von Tag zu Tag kniffliger zumal das Wachstum des Unter-nehmens mittlerweile stagnierte
Unzufriedene Kunden wirtschaftliche Turbulenzen und die Tatsache dass der Konzern nicht aus einem Kollektiv bestand sondern sich uumlber die Addition von vielen kleinen Einzelteilen definierte ndash so laumlsst sich der Status quo im Jahr 2001 umreiszligen Der Konzern-umsatz belief sich auf rund 75 Mrd euro und das Unternehmen konnte einen Gewinn nach Steuern von 12 Mrd euro vorweisen Viele Topmanager der Versicherung waren zufrieden und in erster Linie stolz auf die erfolgreiche Wachstumsgeschichte und die internationale Relevanz des Unternehmens Nur wenige erkannten Defizite und waren uumlberzeugt dass wenn die Gruppe ihr globales Potenzial nicht zeitnah besser nutzte die Erfolgsgeschichte ein jaumlhes Ende finden koumlnnte
Es benoumltigte die Vision von Henri de Castries und die erfahrene Distanz zur Branche eines Claude Brunet um die aufgefuumlhrten Problemfelder im Zuge von bdquoAXA WAY ndash The
22754 Blick in die Praxis ndash Beispiel AXA SA
Pursuit of Excellence Through Quality of Serviceldquo in Angriff zu nehmen ndash im Mittelpunkt stand von nun an die Kundennaumlhe und nicht wie zuvor die radikale Kostensenkung Die beiden hatten sich zum Ziel gesetzt den bdquoVirtuous Circle of Good Customer Serviceldquo mithilfe von Six Sigma zu perfektionieren Hohe Mitarbeitermotivation fuumlhrt demnach zu besserem Kundenservice und zufriedene Kunden sorgen fuumlr mehr Geschaumlfte indem sie beispielsweise AXA weiterempfehlen Erfolgreiche Geschaumlfte fuumlhren zur Optimierung des wettbewerbskritischen Jahresergebnisses wovon letztendlich der Mitarbeiter u a in Form eines sicheren Arbeitsplatzes wieder profitiert und die Motivation positiv beein-flusst wird Mit der daraus resultierenden Verbesserung des Kundenservice schlieszligt sich der Kreislauf Im Februar 2002 wurde AXA WAY im Rahmen eines Meetings der obersten 300 Manager durch Philippe Fort den Group Chief AXA WAY Officer ins Leben gerufen
543 Die Initiative
Claude Brunet war kein Novize in groszligangelegten Initiativen so eine wie sie bei AXA gestartet wurde Als er im Februar 2002 den 300 Topmanagern des Unternehmens AXA WAY praumlsentierte uumlberraschte es ihn nicht dass die meisten trotz ausfuumlhrlicher bereits bekannter Informationen keine Vorstellung davon hatten was die Substanz der Initiative ausmachen sollte Seine Rechnung fuumlr ein erfolgreiches Vorhaben war leicht nachzuvoll-ziehen
7 Unzufriedenheit + Vision + erste Erfolge gt Widerstand
Er identifizierte den konstruktiven Umgang mit Widerstaumlnden gegen die anstehende Ver-aumlnderung als seine Hauptaufgabe In anderen Worten bedeutete dies dass der Mehrwert der durch AXA WAY generiert wuumlrde die antizipierte Skepsis gegenuumlber den Neuheiten uumlberwiegen muumlsste Als Indikatoren fuumlr eine erfolgreiche Implementierung dienten
1 die Ausrichtung der Initiative an die Unternehmensstrategie2 eine heruntergebrochene und aussagekraumlftige Kosten-Nutzen-Analyse pro Projekt
(AXA Way Project Net Income ndash AWPNI)3 die Schulung von 1 der gesamten Arbeitskraumlfte zum Black Belt bis zum Jahr 20064 die Anzahl der abgeschlossenen Projekte
Es war wichtig dass AXA WAY stets ganz oben auf der Agenda stand ndash insbesondere bei den vierteljaumlhrlich stattfindenden Management-Meetings sollte der Initiativenfortschritt anhand der vier Indikatoren ermittelt werden um entsprechende strategische Maszlignahmen abzuleiten
Die Implementierung begann mit einer Pilotphase bei der sich zehn Geschaumlftseinhei-ten freiwillig fuumlr die ersten Six-Sigma-Projekte zur Verfuumlgung stellten Der Fokus lag auf der Generierung von bdquoQuick Winsldquo durch die bdquolow hanging fruitsldquo uumlberschaubarer
228 5 Change Management ndash das Motoroumll der operativen Exzellenz
Vorzeigeprozesse Fuumlr Fort als Initiativenleiter waren gerade in dieser Anfangsphase das Commitment des Topmanagements die Uumlbertragung von Verantwortung auf die beteilig-ten Mitarbeiter und klar definierbare und messbare Ziele wichtig Mit Beginn des Jahres 2003 wurde die Systematik auf alle Geschaumlftseinheiten ausgerollt Eine globale Entwick-lungsuumlberwachung und die Moumlglichkeit von bereits erfolgreich durchgefuumlhrten und do-kumentierten Piloten inhaltlich zu profitieren wurde etabliert
Brunet hatte die in 2001 begonnene Konstitution seines zehnkoumlpfigen Kernteams zum Beginn der Implementierung erfolgreich abgeschlossen Ausschlaggebend fuumlr die Wahl eines Kandidaten waren die Kriterien wie Six-Sigma-Erfahrung (i d R bei Ford und General Electric) Branchendistanz Lernfaumlhigkeit und eine gesunde Mischung aus In-spiration Uumlberzeugungskraft und Diplomatie ndash letztendlich suchte er nach potenziellen bdquopositive agents of changeldquo Wenn ein Top-Executive sich uumlber das strategische Vorhaben aumluszligerte wie bdquoSix Sigma kann ja gut fuumlr produzierende Unternehmen sein aber unser Ge-schaumlft ist sehr speziellldquo dann brauchte es belastbare Mitstreiter die bei der Belegschaft angehoumlrt und akzeptiert werden wuumlrden Diesen Anforderungen entsprechende Mitarbei-ter wurden als bdquoAXA WAY Leaderldquo jeder Geschaumlftseinheit zugewiesen Sie fungierten als Vermittler zwischen der Basisarbeit im Projekt und der Konzernfuumlhrung in direktem Austausch mit dem CEO de Castries
Brunet und Fort planten die Initiative in drei Phasen umzusetzen und orientierten sich dabei stark an der im Theorieteil dieses Buches beschriebenen Vorgehensweise des DMAIC-Zyklus Die zunaumlchst im Vordergrund stehende erste Phase (DMAIC Define ndash Measure ndash Analyse ndash Improve ndash Control) konzentrierte sich primaumlr auf die Verbesse-rung von bestehenden Prozessen ndash in Abb 216 wurde die Systematik bereits dargestellt Die zweite Phase legte den Schwerpunkt auf das Management von bestehenden Prozes-sen (DMO Define ndash Manage ndash Operate) Die dritte Phase legte das Augenmerk auf die Entwicklung von neuen Prozessen (DIDVO Define ndash Innovate ndash Design ndash Validate ndash Operate)
Zwischen 2003 und 2005 ndash unabhaumlngig von der jeweiligen Phase ndash wurde die interne Kommunikation umfangreich forciert Im Mittelpunkt stand die Botschaft was eine kun-denfokussierte und prozessorientierte Zukunft fuumlr die Organisation bedeutet Ausfuumlhrliche Kundenfeedbacks wurden in internen Magazinen und Newslettern prominent hervorgeho-ben Es sollte sich zeigen dass trotz des erheblichen Aufwandes das Verstaumlndnis und das Commitment der relevanten Manager stark voneinander abwich
544 Zwischenergebnis
Fort merkte fruumlh an dass etliche Manager die Dringlichkeit der Initiative nach wie vor nicht einsahen Es fehlte schlichtweg an Engagement Dies fuumlhrte dazu dass sobald der Black Belt seine Arbeit abgeschlossen hatte die Beteiligten schnell ihr Interesse an syste-matischer Prozessoptimierung verloren Selbst die zustaumlndigen Linienmanager schienen zu vergessen dass das bdquoCldquo im DMAIC-Zyklus fuumlr bdquoControlldquo steht Fuumlr viele war Six Sig-
22954 Blick in die Praxis ndash Beispiel AXA SA
ma ein hochspezialisiertes Vorgehen womit sie sich nicht unbedingt auseinander setzen mussten Zuletzt haftete der Initiative die Stimmung der Kostensenkungen aus dem Kri-senjahr 2001 noch an ndash fuumlr viele war die damalige bdquoRasenmaumlheraktionldquo gleich bedeutend mit Six Sigma Aus AXA WAY wurde dann schnell bdquoAxe Awayldquo Dieses Anzeichen war eine eindeutiges Signal ndash Six Sigma war alles andere als ein Teil der Unternehmens-DNA
Bevor die Initiative in die zweite Phase uumlbergehen konnte beschaumlftigte das zentrale Team und die Personalabteilung von AXA ein anderes Problem Je mehr BBs ausgebildet wurden und kostbare praktische Erfahrung sammeln konnten desto intensiver waren die Versuche der Konkurrenz die jeweiligen aufstrebenden Projektmanager abzuwerben Um dem entgegenzuwirken wurde die bdquoAxa Way Charterldquo ein Vertrag mit starker psychologi-scher Wirkung zwischen der Versicherung und ihren BBs verfasst Der Deal war einfach Auf der einen Seite verpflichteten sich die BBs fuumlr mehr Training und langfristige Loyali-taumlt und auf der anderen Seite garantiert der Arbeitsgeber eine solide Karriereentwicklung im Unternehmen Es war also essenziell den Betroffenen nicht nur den sozialen Aufstieg im Rahmen der Initiative sondern auch eng verknuumlpft mit dem Konzern zu ermoumlglichen
Mit der Zeit wurden auch MBBs ausgebildet um umfangreichere Projekte die von mehreren BBs gesteuert wurden durchzufuumlhren CEO Henry de Castries war sich der Sym-bolik der Zertifizierungsfeiern bewusst und war stets zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Zum Ende des Jahres 2004 wurde die zweite Phase in sechs Pilotprojekten gestartet Der Schritt von DMAIC zu DMO fuumlhrte unweigerlich zu weniger bdquolow hanging fruitsldquo und zu mehr zeit- und lernaufwendigerem Prozessmanagement Die DMO-Phase beinhal-tete ein tieferes Verstaumlndnis in Form einer bdquoEnd-to-Endldquo-Darstellung der Geschaumlftstaumltig-keiten um die AXA-WAY-Vorgehensweise zu verankern
Ein paar Projektbeispiele die unternehmensweit kommuniziert wurden und die als Best-Practice-Beispiele dienten sollen an dieser Stelle auszugsweise aufgefuumlhrt werden
bull Die Versicherungsmakler in Frankreich profitierten von einem AXA-WAY-Projekt welches den Bearbeitungsprozess im Neukundengeschaumlft zum Inhalt hatte Nach er-folgreicher Projektdurchfuumlhrung dauerte das gesamte Prozedere nur noch 3 Tage Dar-aus resultierte eine Verbesserung der Motivation in den Maklerteams die Zufriedenheit der Makler stieg um 17 und der Auftragseingang von Neukunden um 14
bull Die Gesundheitsversicherungssparte aus Groszligbritannien meldete Probleme bei der Akquise von privaten Kunden Der bisherige Prozess bestand aus der Kontaktaufnah-me der spezifischen Datensammlung einer detaillierten Risikouumlberpruumlfung und dem Versand eines Willkommenspakets inklusive eines Angebotes welches unterschrieben zuruumlckgeschickt werden musste Zeitlicher Aufwand 40 Tage AXA WAY vereinfachte den Prozess durch die Anwendung von automatisierten IT-gestuumltzten Prozessen signi-fikant Die Dauer des Prozesses wurde um 25 reduziert und die Umsaumltze stiegen um 30 15 aller Angebote erfolgten papierlos und nahmen 8 Tage fuumlr den gesamten Prozess in Anspruch
bull Die deutsche Tochter des AXA-Konzerns war der Meinung dass die Qualitaumltsverbes-serungen fuumlr den Kunden spuumlrbar sein muumlssten Unter dieser Praumlmisse wurden rund
230 5 Change Management ndash das Motoroumll der operativen Exzellenz
40 Kernprozesse des Vertriebs und Marketings auf Verbesserungspotenziale hin unter-sucht Das Ergebnis war dass ein neues Versicherungsprodukt mit dem Serviceverspre-chen dass alle Antragstellungen innerhalb von 24 h bearbeitet werden lanciert werden konnte Das Feedback des Kunden war eindeutig Die schnelle Bearbeitung war das kaufentscheidende Alleinstellungsmerkmal Schon nach einigen Monaten verdoppelte sich die Anzahl der neuen Antraumlge
Bis Mai 2005 wurden 90 des Konzernumsatzes durch Geschaumlftsbereiche generiert die AXA WAY implementiert hatten 400 Projekte wurden abgeschlossen und 400 weitere befanden sich noch mitten in der Projektarbeit Es wurden bis dahin 330 BBs (04 der Belegschaft) ausgebildet und 6000 Mitarbeiter hatten bis zu diesem Zeitpunkt an AXA-WAY-Schulungen teilgenommen 125 Mio euro an AXA WAY Project Net Income (AWPNI) waren bis dahin vorzuweisen und das Jahr 2005 sollte weitere 160 Mio euro einsparen Die Kundenzufriedenheit stieg allein zwischen 2004 und 2005 von 68 auf 76 Fuumlr die Initiatoren von Six Sigma waren diese Anzeichen eine Genugtuung Kunden nicht nur zufriedenzustellen sondern zu begeistern ndash Six Sigma konnte bis dato zumindest aus Sicht dieser Momentaufnahme das Leistungsversprechen halten
545 Fazit
Nicht zu vernachlaumlssigen ist unter dem Strich der durch die Implementierung bedingte Aufwand Auch Fort war sich sicher dass Operational-Excellence-Bemuumlhungen keine Selbstlaumlufer sind Trotz etlicher Erfolgsgeschichten aus dem Hause AXA sind zahlreiche Baustellen zu identifizieren
So wurde die Verwendung der Six-Sigma-Sprache von Anfang an intensiviert Nicht nur bei Immigranten ist die Sprache der kritischste Aspekt fuumlr eine erfolgreiche Assimi-lation an neue Kulturkreise ndash ohne eine gemeinsame Sprache kann man nicht zusammen-leben geschweige denn gemeinsam arbeiten Es stellte sich jedoch heraus dass es ein schmaler Grat war eine neue Sprachwelt zu verinnerlichen ohne von einem exzessiven Gebrauch methodisch gepraumlgter Fachbegriffe abgeschreckt zu werden ndash Feingefuumlhl in der Form und im Umfang der Kommunikation ist gefragt
Gleichzeitig taten sich hochrangige Manager mit Projekten schwer die auf eine mitt-lere bis lange Perspektive ausgelegt waren Von auf Bauchgefuumlhl und Geschaumlftsintuition beruhenden bdquoAbkuumlrzungenldquo bei der Umsetzung der DMAIC-Zyklen ist aus Six-Sigma-Sicht abzusehen ndash dies widerspricht aber haumlufig der gewohnten Entscheidungsfindung von erfahrenen Managern Besonders dann wenn das Ergebnis eines Projektes die Vermutung des jeweiligen Managers bestaumltigte wurde es fuumlr die Zukunft immer schwerer die Grund-idee von Six Sigma ndash eine auf Daten und Analysen gestuumltzte Prozessverbesserung ndash zu verinnerlichen Durchsetzungsvermoumlgen und Ausdauer waren gefragt
Auch wenn die Generierung von bdquoQuick Winsldquo erfolgreich und zeitnah erfolgte wunderten sich manche Manager dass dies nicht umgehend in Zahlen der Kundenzu-
23154 Blick in die Praxis ndash Beispiel AXA SA
friedenheit abzubilden war Brunet erlaumluterte immer wieder aufs Neue dass dies nichts Ungewoumlhnliches sei Denn entweder waren so fruumlh keine ausreichend repraumlsentativen Datensaumltze vorhanden oder die ersten Projekte loumlsten eher akute Probleme ndash in Form von bdquoFeuerwehreinsaumltzenldquo ndash als dass sie sich auf die langfristige Bindung von Kunden an das Unternehmen konzentrierten Fuumlr eine realistische Erwartungshaltung der Betroffenen zu sorgen sei wichtig
Auch wenn es sich bei diesen Baustellen um reparable Beeintraumlchtigungen handelte so fuumlhrten viele davon in der Summe irgendwann zu einem irreparablen Schaden Im Mai 2005 forcierte CEO Henri de Castries die Zielerreichung von AXA WAY bei einem Meeting der Topmanager und formulierte seine Vision bdquoAmbition 2012ldquo ndash um AXA an die Spitze der Versicherungen zu bringen Was hinsichtlich dieser Zielsetzung den Unter-schied zur Konkurrenz ausmachte war eine klare Differenzierung durch die Qualitaumlt der Kundenbeziehung Stellschrauben dafuumlr waren seiner Einschaumltzung nach eine fehlerfreie Beratung passende Loumlsungen die Faumlhigkeit auf Leistungsversprechen zuverlaumlssig Ta-ten folgen zu lassen und die Liefertreue einzuhalten Die Mitarbeiter fungierten dabei als wichtigster Treiber und sollten durch aussichtsreiche Karrierepotenziale das Uumlbernehmen von Verantwortung und ausgesprochene Anerkennung motiviert werden Durch die Schaf-fung von Transparenz sollte das Vertrauen der Aktionaumlre ausgebaut werden Trotz erfreu-licher Projektergebnisse in den ersten vier Jahren der Initiative musste die Infrastruktur der Initiative dafuumlr in Zukunft einen staumlrkeren Einfluss auf die Aufbauorganisation des Konzerns haben ndash die Silostrukturen waren nach wie vor zu stark ausgepraumlgt und der Kundenfokus ndash als houmlchstes Gebot ndash zu haumlufig nicht verinnerlicht Den Initiatoren der Six-Sigma-Implementierung war klar dass dieses Defizit die Intensivierung der Change-Management-Maszlignahmen nach sich ziehen wuumlrde
Terry Leahy der von 1997 bis 2011 CEO des britischen Einzelhaumlndlers Tesco war bezifferte den Zeitraum den das Unternehmen fuumlr die vollstaumlndige Ausrichtung auf den Kunden benoumltigten wuumlrde auf zehn Jahre British Airways benoumltigte Ende des letzten Jahrtausends einen aumlhnlichen Zeitraum um eine kundenfreundliche Service-Kultur zu eta-blieren ndash und deutlich weniger Zeit um den erarbeiteten Ruf wieder zu zerstoumlren Unter Beruumlcksichtigung dieses Zeithorizonts fuumlr eine realistische Kulturveraumlnderung befand sich AXA 2005 auf der Haumllfte der Strecke Wie sah dies im Jahr 2013 aus
Im Jahr 2012 beschaumlftigte der Konzern rund 20000 Mitarbeiter mehr (163000) er-wirtschaftete mit 102 Mio Kunden in 57 Laumlndern einen Umsatz von knapp uumlber 90 Mrd euro (im Vergleich zu 75 Mrd euro Jahr 2001) und stritt sich mit der deutschen Allianz um die Vorherrschaft am Markt Die Jahre seit 2008 haben gezeigt dass der Konzern eher Krisen-stabil aufgestellt ist Auch wenn es aufgrund von Sanierungsmaszlignahmen finanzielle Ein-schnitte gab so ist die Situation fuumlr den franzoumlsischen Konzern nie kritisch gewesen ndash an-ders ist es dagegen beispielsweise beim italienischen Konkurrenten Generali Es laumlsst sich schwer ermitteln welchen Beitrag die Six-Sigma-Methodik im Detail leistet ndash hinsichtlich des Leistungsvermoumlgens der Operational-Excellence-Bemuumlhungen bewahrt der Konzern Stillschweigen Es laumlsst sich aber festhalten dass die Implementierung von AXA WAY Spuren hinterlassen hat Die Kundennaumlhe ist heute immer noch entscheidend und opera-
232 5 Change Management ndash das Motoroumll der operativen Exzellenz
tive Exzellenz und die Einbeziehung der Mitarbeiter sind nach wie vor essenziell ndash und das ganz offiziell Es spiegelt sich deutlich in der Auszligendarstellung des Konzerns wider bdquoUnsere Strategie vereinbart internes und externes Wachstum um die Herausforderung der operativen Exzellenz in folgenden Bereichen anzunehmen Produktinnovation Kern-geschaumlftsgutachten (Abschluss Schadensbearbeitung und -abwicklung) Vertrieb Dienst-leistungsqualitaumlt und Produktivitaumlt Alle Mitarbeiter der Gruppe sind Akteure der opera-tiven Exzellenz und werden in dieser Vorgehensweise von dem AXA Way Programm fuumlr staumlndige Prozessverbesserung unterstuumltzt Durch die Hebelwirkung der Zugehoumlrigkeit zu einer Gruppe setzen die 174935 Maumlnner und Frauen die AXA darstellen diese auf unse-re Werte und Verpflichtungen fundierte Strategie umldquo (Baillot und Weeks 2009)
Auch nachdem Claude Brunet aufgrund personeller Umstrukturierungen im Konzern 2010 wieder in die Automobilindustrie zuruumlckkehrte steht Henri de Castries immer noch in der ersten Reihe und predigt den Grundgedanken von Six Sigma Um in schwierigen Zeiten wettbewerbsfaumlhig zu bleiben muss sich gemaumlszlig de Castries ein Unternehmen erst recht staumlrker auf seine Kunden einstellen und transparenter werden ndash das Personalma-nagement ist der kritische Erfolgsfaktor Auch heute noch werden in Stellenausschreibun-gen angehende Black Belts gesucht die das Prozessmanagementteam dabei unterstuumltzen sollen das Zusammenspiel des bdquoAxa-Motorsldquo zu optimieren und die Aufbauorganisation unter Effizienzgesichtspunkten zu untersuchen
Wenn man in turbulenten Jahren nur uumlber finanzielle Ziele nachdenkt ist das Ende der Fahnenstange schnell erreicht ndash der Wettbewerbsvorteil liegt aber im Management des Menschen (vgl de Castries 2009) Seit der Ernennung Henri de Castries zum CEO im Jahr 2000 ist diese Auffassung die mitunter wichtigste Konstante in der Wertschoumlpfung des Versicherers
55 Erfolgsfaktoren von Change Management in Operational Excellence
Die Ausfuumlhrungen machen deutlich So wie Operational Excellence mehr ist als die technokratische Umsetzung einer Methodik ist auch Change Management mehr als die sorgfaumlltige Strukturierung und Abarbeitung eines Kommunikationsplans Zusaumltzlich wird unmissverstaumlndlich klar dass die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Initiative auf den Menschen als Motor von Veraumlnderungen angewiesen ist (damit kommt es auf die genaue Dosierung von Motoroumll an) Die Ursachen fuumlr einen Kolbenfresser bei einem Verbren-nungsmotor sind die uumlberhoumlhten Temperaturunterschiede zwischen Kolben und Zylinder mangelnde oder falsche Schmierung und Konstruktionsfehler bei der Herstellung oder Wartung Zur Gewaumlhrleistung eines funktionsfaumlhigen Zusammenspiels zwischen Metho-dik und Mensch ndash bzw Unternehmen und Mitarbeiter ndash ist es die Aufgabe des Change Managements Temperaturunterschiede auszugleichen die Feinmechanik zu schmieren und Konstruktionsfehler rechtzeitig zu erkennen Verschiedene Ansaumltze wie dies vonstat-tengehen soll wurden sowohl praxisorientiert als auch theoriebasiert dargestellt
23355 Erfolgsfaktoren von Change Management in Operational Excellence
Die Schlussfolgerung darf nicht lauten Auf jede strategische Initiative muss man einen Haufen Change-Berater loslassen Im Ergebnis wuumlrden sich fragmentierte Change-Ak-tivitaumlten punktuell auswirken ndash hier mal mehr und dort mal weniger Solange es auf der einen Seite das Lager der Operational-Excellence-Berater und auf der anderen Seite das der Change-Berater gibt sind Reibung und Verschleiszlig vorprogrammiert Das Stichwort an dieser Stelle ist bdquoEmbedded Changeldquo ndash die Trennung zwischen operativem Management und Change Management ist in der Praxis kuumlnstlich ndash beides muss Hand in Hand gehen Die Schlussfolgerung muss daher lauten Jede strategische Initiative sollte von Experten gefuumlhrt werden die die methodischen Anforderungen sowohl der Operational Excellence als auch des Change Managements erfuumlllen Aus diesem Grund lassen bereits die in Kap 4 diskutierten Erfolgsfaktoren der Operational Excellence zahlreiche Change-Aspekte die in Kap 5 deutlich werden durchschimmern
Wenn Doppler und Lauterburg die Bedeutung des bdquoLernen Sicherstellenldquo fuumlr einen er-folgreichen Unternehmenswandel hervorheben liegt dies in der Natur einer strategischen Initiative wie der Operational Excellence die auf den Ausbau der Mitarbeiterfaumlhigkeiten ausgelegt ist In Zusammenhang mit bdquoRichtige Projekte machen ndash Projekte richtig ma-chenldquo wurde auf die Sicherstellung des Wissenstransfers auf den Prozesseigner und auf die Relevanz des Auf- und Ausbaus der methodischen Expertise hingewiesen
Wenn CEO Henri de Castries die Vision bdquoAmbition 2012ldquo formuliert ist das nicht zwangslaumlufig auf eine Change-Management-Maszlignahme zuruumlckzufuumlhren die sich auf den dritten Schritt von Kotter (Vision und Strategie entwickeln) bezieht Schon das Leistungs-versprechen der Six-Sigma-Methodologie verlangt einen langen Atem wodurch die Ge-staltung eines langfristigen und erstrebenswerten Zielzustandes unentbehrlich ist Auch bdquoVision und Commitment leben ndash Kommunikation etablierenldquo ist ein passendes Beispiel fuumlr einen Erfolgsfaktor der Methodik von Operational Excellence der sich mit Change-Inhalten uumlberschneidet
Eine absolut trennscharfe Darstellung von Erfolgsfaktoren der Operational-Excel-lence-Methodik und der Change-Management-Logik waumlre also vermessen Uumlberschnei-dungen lassen sich nicht vermeiden Viel bedeutender ist die Integration dieser Faktoren in das Alltagsgeschaumlft einer strategischen Initiative wie Lean Management Six Sigma oder Lean Sigma ndash da kann es nicht schaden wenn die wesentlichen Stellschrauben fuumlr eine erfolgreiche Umsetzung mehrmals betont werden Im Folgenden werden also die fuumlr den Lebenszyklus einer Operational-Excellence-Initiative relevanten Change-Faktoren identi-fiziert und diskutiert Abb 56
551 Reflexion ermoumlglichen
5511 Was ist die QuintessenzReflexion bedeutet immer wieder neu nachzudenken und seine eigenen Entscheidungen infrage zu stellen Kann an der urspruumlnglichen Ausrichtung der Initiative festgehalten werden Sind die fuumlr den Fortschritt der Initiative zugrunde gelegten Praumlmissen und die