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Hochschule für Angewandte Wissenschaften
Hamburg
Fakultät Wirtschaft und Soziales
Department Pflege & Management
Dualer Studiengang Pflege (BA)
Prävention von Medikamentenabhängigkeit
in der Gesundheits- und Krankenpflege
Evidenzüberprüfung von einer Intervention der
betrieblichen Suchtprävention
Tag der Abgabe: 01.06.2015
Vorgelegt von: Marie-Rohini Raatz
Betreuender Prüfer: Herr Prof. Dr. Stratmeyer
Zweite Prüfende: Frau Dehning
Marie- Rohini Raatz Bachelorthesis
Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
1
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ...................................................................................................................... 2
Abbildungsverzeichnis ....................................................................................................................... 2
1. Einleitung ....................................................................................................................................... 3
1.1 Ziel der Bachelorarbeit ............................................................................................................. 6
2. Betriebliche Suchtprävention ......................................................................................................... 6
3. Theoretischer Hintergrund des Motivational Interviewing .......................................................... 10
3.1 Vorstellung der Methode ........................................................................................................ 10
3.2 Begründung der Auswahl ....................................................................................................... 12
4. Aktueller Forschungsstand zu Motivational Interviewing ........................................................... 14
4.1 Literaturrecherche .................................................................................................................. 14
4.2 Ergebnisse .............................................................................................................................. 16
4.2.1 Zielsetzungen der eingeschlossenen Studien................................................................... 16
4.2.2 Personengruppe ............................................................................................................... 19
4.2.3 Substanz/ Suchtmittel ...................................................................................................... 19
4.2.4 Intervention ..................................................................................................................... 20
4.2.5 Wirkzeitraum ................................................................................................................... 21
4.2.6 Konsumverhalten ............................................................................................................ 21
4.2.7 Effektivität ....................................................................................................................... 23
5. Beurteilung der Evidenzen ........................................................................................................... 25
5.1 Diskussion .............................................................................................................................. 27
5.2 Limitationen der vorliegenden Bachelorarbeit ....................................................................... 35
6. Schlussfolgerung .......................................................................................................................... 36
7. Literarturverzeichnis .................................................................................................................... 39
8. Anhang ......................................................................................................................................... 41
9. Eidesstattliche Erklärung.............................................................................................................. 42
Marie- Rohini Raatz Bachelorthesis
Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
2
Abkürzungsverzeichnis AC ‘aftercare’ Nachsorge Patientengruppe
AMI Adapted Motivational Interviewing
BtMG Betäubungsmittelgesetz
DHS Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen
DV Dienstvereinbarung
EBN Evidence-based Nursing
GKV gesetzliche Krankenversicherung
HIV Human Immunodeficiency Virus = HI-Virus
MeSH-Terms ‚medical subheadings‘
MI Motivational Interviewing
MET Motivational Enhancement Therapy
RCT Randomized controlled trail
SC Self-Change
SOMI Spirit Only MI
SR Systematic Review
OP ‚outpatient‘ ambulante Patientengruppe
Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Handlungsfelder der betrieblichen Prävention bzw.
Gesundheitsförderung S. 8
Abb. 2: Aspekte der Stufengespräche S.13
Abb. 3: Hauptbegriffe der Literaturrecherche S.15
Marie- Rohini Raatz Bachelorthesis
Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
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1. Einleitung Psychische Erkrankungen sind in Deutschland sehr verbreitet, nach Jakobi u.a. (2014) sind
etwa 27,7% der 18- bis 79-jährigen Erwachsenen in Deutschland betroffen.
„Angststörungen stell[t]en mit insgesamt 15,3% die größte Störungsgruppe dar, gefolgt von
unipolaren Depressionen (7,7%) und Störungen durch Alkohol- oder Medikamentenkonsum
(5,7%)“ (Jakobi, 2014, S.81). 3,7 Millionen Bundesbürger von 64,1 Millionen Deutschen
zwischen 18 und 79 Jahren nehmen regelmäßig Substanzen zu sich. Der Substanzgebrauch
(ohne Nikotin) wird aktuell mit 5,7 % der deutschen Bevölkerung in der Literatur angegeben.
(vgl. Jakobi u.a., 2014) Insbesondere bei Medikamentenabhängigkeit und
Medikamentenmissbrauch sind die Frauen insgesamt häufiger betroffen als die Männer.
Jakobi u.a. (2014) stellen in ihrer Studie heraus, dass die Zwölf-Monatsprävalenz von
Medikamentenmissbrauch bzw. Medikamentenabhängigkeit insgesamt bei 2,1 % (eigene
Berechnung1) liegt, d.h. es sind rund 1,3 Millionen (eigene Berechnung) Deutsche zwischen
18 und 79 Jahren betroffen.
Im beruflichen Kontext sind Gesundheits- und Krankenpfleger2 täglich im Kontakt mit
Medikamenten, Opioiden u. ä., denn sie sind befugt, beispielsweise auch Medikamente, die
unter das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) fallen, dem Patienten mit ärztlicher Anordnung
zu verabreichen. (vgl. Klie & Stascheit, 2011) Lag die Anzahl des nichtärztlichen Personals
im Jahr 1991 insgesamt noch bei 780.608 Vollzeitkräften, so arbeiteten 2012 nur noch
703.111 Vollzeitkräfte in deutschen Krankenhäusern, davon 316.275 in der Gesundheits-
und Krankenpflege (vgl. Statistisches Bundesamt, 2011; Statistisches Bundesamt, 2013).
Wie durch die dargestellten Zahlen deutlich wird, gibt es erhebliche Einsparungen beim
nichtärztlichen Personal in den Krankenhäusern. Dadurch steigt die Arbeitsbelastung, „Das
bedeutet, dass die zu bewältigende Arbeitsleistung für jede Pflegekraft stetig steigt: Die
Folge ist, dass die Pflegeintensität deutlich zugenommen hat. Dies belastet das
Pflegepersonal nachhaltig. Auch das Arbeitstempo steigt und körperlich schwere Arbeiten
nehmen zu. Zusätzlich weitet sich der Dokumentations- und Verwaltungsaufwand für die
Pflegekräfte drastisch aus“ (Abeler, 2013, S.151f).
Gerade im Bereich der Anästhesie- und Intensivmedizin ist die psychische und physische
Belastung durch arbeitsbedingten Stress sehr hoch. „Fast vier von fünf Befragten geben an,
1 „eigene Berechnungen“ basieren auf Zahlen, die Jakobi u.a. (2014) ermittelten und für den speziellen Themenbereich herausgezogen und bearbeitet wurden. 2 Um den Lesefluss aufrecht zu erhalten, wird in der gesamten Bachelorthesis die männliche Schreibweise des Gesundheits- und Krankenpflegers durchgehend verwendet.
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Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
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dass sie im Vergleich zum Vorjahr mehr Patienten betreuen. Das spricht für eine deutliche
Arbeitsleistungssteigerung“ (Isfort, Weidner, Kraus, Neuhaus, Köster, & Gehlen, 2009, S.
7f). „Eine hohe Arbeitsintensität hat sich als entscheidender Risikofaktor für die
Erholungsfähigkeit der Menschen in Krankenpflegeberufen erwiesen. Ebenso sind ein hoher
Grad an Erschöpfungszuständen und die Entstehung von Bluthochdruck bis hin zu
depressiven Störungen [erwiesen]“ (Abeler, 2013, S.155). Bedingt durch den
verhältnismäßig niederschwelligen Zugang zu hochdosierten Sedativa, Benzodiazepinen
und Hypnotika liegt der Verdacht nahe, dass Gesundheits- und Krankenpfleger in der
Intensivmedizin ein höheres Risiko haben, an einer Medikamentenabhängigkeit zu
erkranken.
„In einer Befragung von amerikanischem und deutschem anästhesiologisch/
intensiv[medizinischem] Personal wurde Propofol3 nach Fentanyl4/Sufentanyl5 als am
zweithäufigsten missbrauchtes Anästhetikum genannt“ (Bell; Maier zit. nach Bonnet 2011,
S.40). Belegt wurde der erhöhte Gebrauch von verschreibungspflichtigen Medikamenten im
Krankenpflegeberuf durch Trinkoff und Storr (1998). Sie fanden heraus, dass onkologische
Fachpflegekräfte die höchste Prävalenz mit 42% aufwiesen, gefolgt von psychiatrischen
Fachpflegekräften (40%) und Intensivfachkrankenpflegern in der Notfallmedizin sowie auf
der Intensivstation (jeweils 38%) (vgl. Trinkoff & Storr, 1998). Ebenfalls stellten Trinkoff
und Storr (1998) in ihrer Diskussion heraus, dass der Gebrauch von
verschreibungspflichtigen Medikamenten bei Berufstätigen in der Gesundheits- und
Krankenpflege höher einzuschätzen ist als das Rauchen oder das Einnehmen von Drogen (o.
A. zit. nach Trinkoff & Storr, 1998, S. 583f). Neben den hohen psychischen Belastungen,
die einen Teil der Arbeitsbelastungen im Krankenpflegeberuf ausmachen, können ebenso
belastende Lebensereignisse des Einzelnen (z.B. durch Trennung vom Partner) mögliche
Gründe bzw. Auslöser für eine Medikamentenabhängigkeit sein.
Medikamentenabhängigkeit wird in der Literatur als eine der substanzinduzierten Störungen
beschrieben. Substanzmissbrauch und -abhängigkeit führt bei Menschen dazu, dass sich
durch die Einnahme Stimmung und Bewusstsein des Einzelnen zeitweise verändern. Es wird
zwischen dem Substanzmissbrauch und der Abhängigkeit von Substanzen unterschieden.
Alle Erläuterungen zu den Medikamenten wurde mit Hilfe von Ruß & Endres (2013) erklärt. 3 Anwendungsbereich: Narkoseeinleitung; Narkoseaufrechterhaltung; Sedierung bei chirurgischen und diagnostischen Eingriffe; Sedierung bei Intensivbehandlung 4 Anwendungsbereich: Neuroleptanalgesie; Intubationsnarkose; Schmerztherapie z.B. in der Onkologie 5 Anwendungsbereich: Anästhesie bei Kombinationsnarkose; Monoanästhesie
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Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
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(vgl. Davison, Neale & Hautzinger, 2007). „Von Abhängigkeit spricht man, wenn der
Konsum der Droge einen zwanghaften Charakter annimmt und daraus schwerwiegende
Beeinträchtigungen folgen. Dabei kann eine körperliche Abhängigkeit (Sucht) mit
Toleranzentwicklung und Entzugserscheinungen auftreten“ (Davison u.a., 2007, S. 412).
Auch wenn Gesundheits- und Krankpfleger im Dienste der Gesundheit stehen, kann
insbesondere die Erkrankung an Medikamentenabhängigkeit vielfach auftreten. Es wird
geschätzt, dass circa 10% bis 15% des gesamten medizinischen Personals im Laufe seiner
Karriere entweder Alkohol oder Medikamente missbräuchlich einsetzt (vgl. Baldisseri,
2007). Es ist zu vermuten, dass eine mögliche Komorbidität von Alkohol- und
Medikamentenabhängigkeit besteht.
Als außerordentlich problematisch sind diese Umstände zu bewerten, wenn man sich vor
Augen führt, dass Gesundheits- und Krankenpfleger dazu neigen, Stress, Angst und Schmerz
mit Alkohol und Drogen zu bekämpfen. Die beiden Faktoren Arbeitsbedingungen, aber auch
der erleichterte Zugang zu Medikamenten tragen nach Evidenzrecherchen zur
Medikamentenabhängigkeit von Gesundheits- und Krankenpflegern bei (vgl. Baldisseri,
2007).
Zudem beschreibt die Studie weiter, dass es einen Anstieg von (Arbeits-) Unfällen unter
Einfluss von Abhängigkeitsproblemen bei Gesundheits- und Krankenpflegern gibt (vgl.
Baldisseri, 2007). Resultierend daraus besteht der Verdacht, dass es möglicherweise auch
Defizite in der Patientenversorgung gibt. Wissenschaftliche Arbeiten, die die Auswirkungen
von Medikamentenabhängigkeit auf die Patientenversorgung erforschen, kommen zu
keinem eindeutigen Ergebnis. „Häufige Folge des Substanzmissbrauchs ist die
„Beschaffungskriminalität“, sofern Betroffene im Falle der Analgetika- und Anästhetika-
Abhängigkeit Medikamente einnehmen, die für Patienten vorgesehen sind“ (Maier u.a,
2010, S. 719). Parallel dazu sind einige Symptome des Betroffenen zu nennen, die auf
langfristige Sicht die Patientensicherheit gefährden können. Beispielsweise treten mehr
Konflikte mit Patienten und Kollegen auf. Wichtige terminliche Absprachen mit dem
Patienten werden nicht mehr eingehalten, der Betroffene braucht für seine Aufgaben länger
und ist nicht mehr so gut organisiert und hat seine Patientengruppe zeitweise nicht komplett
im Blick. Hinzu kommen auch körperliche Veränderungen des Abhängigen, beispielsweise
mangelnde körperliche Hygiene, Tremor in der Hand sowie Fatigue (vgl. Baldisseri, 2007).
Es ist zu vermuten, dass ein Publikationsbias zu dieser ‘unangenehmen‘ Problematik bzw.
Thematik vorliegt. Wright, McGuiness, Moneyham, Schumacher, Zwerling, &
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Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
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Stullenbarger (2012) bestätigen diese These: ,,The sensitivity of the issue, legal issues
associated with practice, and implications for patient care are just some consequential factors
discouraging disclosure, and it is likely that any reports underestimate the scope of the
problem” (Wright u.a., 2012, S.120).
Aus diesem Grunde sollte durch betriebliche Suchtprävention diesen Mitarbeitern geholfen
werden, um Patienten, aber auch den Betroffenen, zu schützen. „Early identification of
substance-abusing anesthesia providers reduces harm to the abuser and the patients they
might care for while impaired” (Wright u. a., 2012, S.123).
1.1 Ziel der Bachelorarbeit
In der vorliegenden Bachelorthesis sollen zunächst die Aufgaben der betrieblichen
Suchtprävention als eine Antwort auf den Interventionsbedarf veranschaulicht werden. Die
Qualitätsstandards in der betrieblichen Suchtprävention von der Deutschen Hauptstelle für
Suchtfragen werden ebenfalls kurz beschrieben, um den strukturellen Rahmen der
betrieblichen Suchtprävention zu verdeutlichen. Danach wird das Motivational Interviewing
(MI) als eine Intervention der betrieblichen Suchtprävention methodisch vorgestellt. Mit
Hilfe einer systematischen Literaturrecherche in drei Datenbanken wird Literatur zur
evidenzbasierten Überprüfung von MI zusammengetragen. Die verwendeten Studien
werden im Anhang inhaltlich ausführlich dargestellt. Die Studien werden anhand von EBN-
Bewertungskriterien auf ihre Evidenz hin überprüft und der Evidenzlevel zugeordnet. In der
Diskussion sollen mögliche Limitationen der Ergebnisse beschrieben werden. Ziel der
Arbeit ist es, darzustellen, welche Evidenzen zu MI vorliegen und wie gut es sich in der
betrieblichen Suchtprävention zur Bekämpfung von Medikamentenabhängigkeit in der
Gesundheits- und Krankenpflege eignet.
Folgende Forschungsfrage soll innerhalb der Bachelorthesis bearbeitet werden:
Eignet sich Motivational Interviewing als Intervention der betrieblichen Suchtprävention zur
Bekämpfung von Medikamentenabhängigkeit in der Gesundheits- und Krankenpflege und
wie wirksam ist diese?
2. Betriebliche Suchtprävention Die Betriebliche Gesundheitsförderung kann zur Stärkung von individuellen
Gesundheitspotenzialen der Gesundheits- und Krankenpfleger beitragen und somit helfen
verschiedenen Arbeitsbelastungen vorzubeugen. „Die betriebliche Gesundheitsförderung ist
ein wesentlicher Baustein des betrieblichen Gesundheitsmanagements. Sie umfasst die
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Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
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Bereiche des Gesundheits- und Arbeitsschutzes, des betrieblichen Eingliederungs-
managements sowie der Personal- und Organisationspolitik. Sie schließt alle im Betrieb
durchgeführten Maßnahmen zur Stärkung der gesundheitlichen Ressourcen ein“
(Bundesministerium für Gesundheit, 2011, S.7).
Durch die betriebliche Suchtprävention öffnet sich ein erfolgsversprechender Weg, einen
großen Teil der erwachsenen Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahren gezielt anzusprechen.
Es handelt sich um Sucht vorbeugende Maßnahmen, die zum (gesundheits-) bewussten
Umgang mit Suchtmitteln bzw. Genussmitteln anregen. Ferner gehören betriebliche
Suchtpräventionsprogramme zum Personalmanagement, zur Personalentwicklung und zum
Gesundheitsmanagement des jeweiligen Betriebes und seiner Verwaltungen (vgl.
Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit, 2008).
„Ziele der betrieblichen Suchtprävention sind gesundheitlichen Gefährdungen der
Beschäftigten vorzubeugen, Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit zu gewährleisten,
Gleichbehandlung durch transparente Verfahren zur Intervention herzustellen und Hilfe bei
Suchtgefährdung zu bieten. Zugleich sollen durch Suchtpräventionsprogramme Störungen
am Arbeitsplatz vermieden, die Qualität von Produkten und Dienstleistungen gesteigert und
Fehlzeiten abgebaut werden“ (Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie
und Gesundheit, 2008, S.70).
Im „Leitfaden Prävention“ des GKV- Spitzenverbandes67 werden in der folgenden
Abbildung verschiedene Handlungsfelder der Betrieblichen Prävention dargestellt.
Bezogen auf die in der Bachelorarbeit angesprochenen Gefahren der
Medikamentenabhängigkeit bei Gesundheits- und Krankenpflegern, rückt die Betriebliche
Suchtprävention als ein Zweig der betrieblichen Gesundheitsförderung in den Fokus dieser
Arbeit.
Die betriebliche Suchtprävention verzeichnet Erfolge bei der Bekämpfung von
Alkoholismus am Arbeitsplatz. Ennenbach, Gass, Reinecker & Soyka (2009) beschreiben in
ihrer Evaluationsstudie, dass es nach dreijähriger individueller Suchtprävention in einer
6 Der GKV-Spitzenverband ist die zentrale Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Deutschland und auf europäischer sowie internationaler Ebene. Er gestaltet die Rahmenbedingungen für einen intensiven Wettbewerb um Qualität und Wirtschaftlichkeit in der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung (vgl. GKV Spitzenverband, 2015). 7 (vgl. GKV-Spitzenverband (Hrgs.), 2014)
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Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
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Abb. 1: Handlungsfelder der betrieblichen Prävention bzw. Gesundheitsförderung8
(GKV-Spitzenverband (Hrsg.), 2014, S.83)
Rehabilitationsklinik9 zu einer signifikanten Senkung des Alkoholismus am Arbeitsplatz
gekommen sei. Beeinflusst werden diese Veränderungen durch steigende berufliche
Zufriedenheit des Einzelnen und dem Rückgang der Arbeitsunfähigkeitstage der
Beschäftigten. Es ist anhand dieser Studienergebnisse möglich, dass es einen
Zusammenhang zwischen Nikotin- und Alkoholabhängigkeit gibt, denn neben den
rückläufigen Zahlen des Alkoholismus kann beispielsweise auch eine Senkung der
Nikotinabhängigkeit erreicht werden.
Rojatz, Merchant & Nitsch (2015) beschreiben in ihrer Studie mögliche Einflussfaktoren,
die die Arbeit der betrieblichen Suchtprävention für einen Betrieb erleichtern aber auch
erschweren können. Die vielfältigen Komponenten sind die Projektimplementierung, die
Eigenschaften des Betriebes, die Eigenschaften der Intervention, die Erwartungen der
verantwortlichen Durchführenden, sowie die Erwartungen und der Umgang der
Teilnehmenden mit der Intervention. An dieser Stelle ist erkennbar, dass viele verschiedenen
Menschen zum Gelingen einer Maßnahme der betrieblichen Suchtprävention bzw.
Gesundheitsförderung beitragen. Um für eine bundesweite und verbindliche Qualität bei der
8Die Darstellung ist komplett wörtlich zitiert (GKV-Spitzenverband (Hrsg.), 2014, S.83). 9 Zur Entwicklung des individuellen Suchtpräventionsprogamms wurde zuvor eine Mitarbeiterbefragung an der gleichen Rehabilitationsklinik durchgeführt. Die ermittelten Parameter dienten als Grundlage zur Erstellung des Präventionsprogramms (vgl. Ennenbach & Soyka, 2007).
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Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
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Erstellung verschiedener Suchtpräventionsprogrammen in den verschiedenen Betrieben zu
sorgen, gibt es umfangreiche Qualitätsstandards in der betrieblichen Suchtprävention, die
von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen entwickelt wurden.
Um eine Übersicht zu erhalten, ist der Standard in fünf inhaltliche bzw. strukturelle
Richtlinien eingeteilt. Die Qualitätsstandards in der betrieblichen Suchtprävention und
Suchthilfe der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) bilden eine Empfehlung zur
inhaltlichen und strukturellen Implementierung einer betriebseigenen Stelle für
Gesundheitsförderung und Suchtprävention. Außerdem können anhand eines
Evaluationsbogens die bereits bestehenden Angebote qualitätsorientiert bewertet und
beurteilt werden.
Die Qualitätsstandards der betrieblichen Suchtprävention sind in fünf Elemente eingeteilt.
„a) Vorbeugung von riskantem Konsum und Suchtgefährdungen im Betrieb
b) Intervention bei Auffälligkeiten und Qualifizierung der Personalverantwortlichen
c) Interne und externe Beratungsangebote, betriebliches Unterstützungssystem
d) Organisatorischer Rahmen und strukturelle Einbindung
e) Marketing und Qualitätssicherung“
(Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), 2011, S. 5-6)
Die verschiedenen dargestellten Qualitätskriterien werden im Anhang10 ausführlich
beschrieben, sie weisen auf die Komplexität der betrieblichen Suchtprävention hin. Parallel
dazu ist zu erläutern, dass die Hilfen für betroffene Mitarbeiter inhaltlich sehr vielfältig sind.
Das Beratungsprogramm im Rahmen der betrieblichen Suchtprävention umfasst folgende
Punkte:
„Information über interne und externe Beratungsangebote und falls im Weiteren
Beratung gewünscht wird;
Erstgespräche im Beratungsprozess;
Motivationsgespräche und begleitende Beratung zur Klärung weiterer Schritte;
Fachliche Begleitung bei den ersten Schritten zur Konsumreduzierung;
Vermittlung in externe Beratungs- und Therapieeinrichtungen;
Kontakte und Begleitung während der Therapie;
Vorbereitung und Begleitung der Wiedereingliederung nach der Therapie;
Beratung von Angehörigen“ 11
10 s. Anhang unter: 8.1 Die fünf Standard-Elemente von Interventionen der betrieblichen Suchtprävention der DHS 11 (Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), 2011, S. 64)
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Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
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In Bezug auf die Bachelorarbeit wird im folgenden Kapitel eine Intervention aus den
Standards begründet beschrieben, und im Weiteren einer inhaltlichen und strukturellen
Analyse anhand von Bewertungskriterien unterzogen.
3. Theoretischer Hintergrund des Motivational Interviewing
3.1 Vorstellung der Methode
Miller & Rollnick (2004) „definieren motivierende Gesprächsführung als eine
klientenzentrierte, direktive Methode zur Verbesserung der intrinsischen Motivation12 für
eine Veränderung mittels der Erforschung und Auflösung von Ambivalenz“ (Miller &
Rollnick, 2004, S. 47). Strukturiert wird die Methode durch vier Prinzipien13, sie lauten: „1.
Empathie ausdrücken. 2. Diskrepanzen entwickeln. 3. Widerstand umlenken. 4.
Selbstwirksamkeit fördern“ (Miller & Rollnick, 2004, S. 58).
Zunächst das erste Prinzip: ,Empathie ausdrücken‘ ist gekennzeichnet durch Akzeptanz,
welche die Veränderung des Betroffenen fördert. Ambivalenz wird als normaler Teil der
menschlichen Erfahrung akzeptiert. Die Grundsätze des aktiven Zuhörens sind unerlässlich.
Das zweite Prinzip ,Diskrepanzen entwickeln‘ bedeutet, dass der Klient eigene Argumente
für eine Veränderung selbstständig formuliert, dies ist nicht die Aufgabe des Therapeuten.
„Eine wahrgenommene Diskrepanz zwischen gegenwärtigem Verhalten und persönlich
wichtigen Werten und Zielen motiviert zu Veränderung“ (Miller & Rollnick, 2004, S. 62).
Das folgende dritte Prinzip ,Widerstand umlenken‘ hat zur Grundlage, dass der Therapeut
nicht für die Veränderung argumentiert und auch dem Widerstand nicht konfrontativ
begegnet. Vielmehr sollen neue Perspektiven den Widerstand des Patienten umlenken und
letztlich zur Veränderung führen. Ist Widerstand weiterhin vorhanden, so sollte die
Vorgehensweise individuell verändert werden. „Der Klient [selbst] ist die beste Quelle für
Antworten und Lösungen“ (Miller & Rollnick, 2004, S. 63). „Den Widerstand umzulenken,
beinhaltet folglich, die Person aktiv in den Prozess der Problemlösung einzubinden“ (Miller
& Rollnick, 2004, S. 63). Das vierte Prinzip ‚Selbstwirksamkeit fördern‘ beschäftigt sich mit
dem Glauben des Klienten, sich verändern zu können. Dieser Glaube stellt einen wichtigen
Motivator dar. Der Patient ist verantwortlich „für die Entscheidung zur Veränderung und
deren Umsetzung“ (Miller & Rollnick, 2004, S. 65). Der Therapeut glaubt an die
12 Hier in der Bedeutung von: aus eigenem Antrieb 13 Wenn die vier Prinzipien von weiterem Interesse sind, bitte die Originalquelle heranziehen (Miller & Rollnick, 2004, S. 57-66).
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Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
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eigenständige Veränderung des Einzelnen. Es entsteht eine ‚Selffulfilling Prophecy‘14
welche die Veränderung vorantreiben kann. Die Autoren Miller & Rollnick (2004) haben
die MI Methode schwerpunktmäßig für die Behandlung von Alkohol- und
Drogenabhängigkeit konzipiert. Die Beispiele, die in dem hier zitierten Buch zu finden sind,
beziehen sich überwiegend auf diese Personengruppen.
Die Aufgabe des Therapeuten ist es, den natürlichen Prozess der Veränderung zu fördern.
MI als Kurzintervention kann bereits zur Verhaltensveränderung führen. „Ein oder zwei
Therapiesitzungen erzeugen oft erheblich größere Verhaltensveränderungen als gar keine
Therapie“ (Miller & Rollnick, 2004, S. 19). Der Therapeut muss drei wesentliche
Bedingungen erfüllen, um „die ideale Atmosphäre für das Eintreten einer Veränderung
herzustellen“ (Miller & Rollnick, 2004, S. 21). Dies sind „Empathie (auch: einfühlendes
Verstehen), unbedingte Wertschätzung (auch: nicht wertendes Akzeptieren) und Kongruenz
(auch: Echtheit)“ (Miller & Rollnick, 2004, S. 21). „Der Therapeut versucht, eine positive
zwischenmenschliche Atmosphäre zu schaffen, die Veränderung fördert, jedoch nicht
erzwingt“ (Miller & Rollnick, 2004, S. 54). Es soll der ‚Change-talk‘ des Patienten
beeinflusst werden. „Change-talk sind die Äußerungen, mit denen Klienten ihre Fähigkeit,
ihre Bereitschaft, ihre Gründe, ihre Wünsche und ihre Selbstverpflichtung für eine
Veränderung zum Ausdruck bringen (Anm. d. Übersetzers)“ (Miller & Rollnick, 2004, S.
25).15 Die Anwendungsbereiche für die MI Methode sind vielfältig und weit verbreitet. Die
Methode wird in verschiedenen Settings verwendet. Die Autoren beschreiben MI als eine
„klinische Methode, ein[en] Stil der Beratung und Psychotherapie“ (Miller & Rollnick,
2004, S. 56). Flächendeckend eingesetzt wird MI in medizinischen Bereichen. Beispiele
dafür sind ambulante und stationäre Therapieeinrichtungen sowie betriebsinterne
Hilfsprogramme und Präventionsmaßnahmen. Mögliche Akteure sind beispielsweise
Therapeuten, Berater, Krankenpfleger, Ärzte, Seelsorger, Bewährungshelfer oder
Psychologen. (vgl. Miller & Rollnick, 2004)
„Personen, die glauben, dass es wahrscheinlich ist, dass sie sich ändern, ändern sich.
Patienten, deren Therapeuten glauben, dass es wahrscheinlich ist, dass sie sich ändern,
ändern sich. Die Personen, denen man sagt, das man nicht erwartet, dass sie sich ändern,
ändern sich tatsächlich nicht“ (Miller & Rollnick, 2004, S. 26). So fassen die Autoren
14 ,Selffulfilling Prophecy’ (Miller & Rollnick, 2004, S. 63), wird im Wörterbuch wie folgt geschrieben: ,self-fulfilling prophecy‘ = selbsterfüllende Prophezeiung 15Anmerkung des Übersetzers aus der Fußzeile komplett wörtlich zitiert. (Miller & Rollnick, 2004, S. 25)
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Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
12
mögliche Reaktionen, in Form von Verhaltensveränderungen, ihrer Klienten zusammen.
Bedeutsam ist zu wissen, dass Motivation durch Kommunikation und Interaktion
beinflussbar ist. „Die motivierende Gesprächsführung ist bewusst auf die Auflösung von
Ambivalenz ausgerichtet, oft in einer bestimmten Richtung der Veränderung“ (Miller &
Rollnick, 2004, S. 47). „Sie zielt auf die motivationalen Prozesse innerhalb der Person, die
eine Veränderung fördern [, ab]“ (Miller & Rollnick, 2004, S. 48). „Eine akzeptierende und
respektvolle Einstellung [des Therapeuten] hilft beim Aufbau der therapeutischen
Beziehung und unterstützt das Selbstwertgefühl des Patienten, welches wiederum die
Veränderung fördert“ (Miller & Rollnick, 2004, S. 59).
Aus Sicht des Patienten ist MI als „ein gemeinsames Betrachten eines Sachverhaltes“ (Miller
& Rollnick, 2004, S. 46) zu verstehen. Durch die Interaktion soll die intrinsische Motivation
des Betroffenen gestärkt werden und die Bereitschaft für die Veränderung eigenständig von
innen heraus entstehen (vgl. Miller & Rollnick, 2004). Während der motivierenden
Gesprächsführung entsteht Veränderung durch Empathie und Wertschätzung der
Überzeugungen des Patienten (vgl. Miller & Rollnick, 2004).
3.2 Begründung der Auswahl
Die vorliegende Bachelorarbeit beschäftigt sich mit der Gesprächsführung nach dem Bild
des ‚Motivational Interview‘. Die Methode beschreibt eine besondere Art mit Menschen
zu sprechen, die an einer Abhängigkeitserkrankung leiden, um ihre Einsicht zu fördern bzw.
sie zur eigeninitiierten Veränderung zu motivieren. MI ist ein Bestandteil der
Interventionskette.
Der Stufen-Gesprächsplan ist in den Qualitätsstandards der betrieblichen Suchtprävention
verankert. Er sieht fünf Interventionsgespräche mit verschiedenen Akteuren vor, die
beispielsweise in den klinikinternen Standard des Universitätsklinikums Freiburg, bereits
integriert sind (vgl. Universitätsklinikum Freiburg (Hrgs.), 2009). Die Ziele der Gespräche
des Stufenplans bauen aufeinander auf, je nach Zeitpunkt und Gefährdungsgrad der bereits
bestehenden Abhängigkeitsproblematik. Zur visuellen Unterstützung ist die tabellarische
Übersicht16 zum Stufenplan in den Qualitätsstandards der DHS einzusehen (vgl. Deutsche
Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), 2011, S. 133f). Nach den Qualitätsstandards der DHS
sind folgende Aspekte in den einzelnen Stufen-Gesprächen zu beachten:
16 Titel: ‚Entwurf eines Interventionsleitfadens bei Auffälligkeiten am Arbeitsplatz (Öffentlicher Dienst)‘ (vgl. Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), 2011, S. 133f).
Marie- Rohini Raatz Bachelorthesis
Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
13
Abb. 2: Aspekte der Stufengespräche17
• Auffälligkeiten, die angesprochen werden sollen, möglichst konkret mit Daten,
• Konsequenzen des Verhaltens für den Arbeitsbereich/Betrieb,
• Hinweis af den Zusammenhang zum Suchtmittelkonsum / zu suchtbedingten
Verhaltensweisen,
• Verhalten, das zukünftig vom Mitarbeiter / von der Mitarbeiterin erwartet wird, konkret
beschreiben,
• Hilfeangebot, Hinweis auf interne oder externe Beratungsangebote
• Zusage der Unterstützung durch den Betrieb
• Hinweis auf weitere Stufengespräche und ggf. Sanktionen bei Fortsetzung des
beanstandeten Verhaltens,
• Verabredung eines Rückmeldegesprächs (sofern keine erneuten Auffälligkeiten
auftreten).
(Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), 2011, S. 62)
Zielführend ist für den Arbeitgeber an dieser Stelle seine Erwartungshaltung gegenüber dem
betroffenen Arbeitnehmer zu vertreten. Es wird eine verbindliche Dienstvereinbarung (DV)
mit dem Gesundheits- und Krankenpfleger geschlossen. Den dort vermerkten
Vereinbarungen sollte der Mitarbeiter umgehend nachkommen, denn falls dies nicht der Fall
ist, werden weitere Verantwortliche von dem direkten Vorgesetzten zu den Gesprächen
hinzugezogen, um ihn in der Situation zu unterstützen und den Betroffenen zur Einsicht zu
bewegen. Der Arbeitnehmer kann bei Verweigerung der ihm auferlegten Handlungsschritte
auch gekündigt werden. Nachdem eine erfolgreiche Therapie, beispielsweise eine ambulante
oder stationäre Medikamentenentzugstherapie, nachgewiesen werde konnte, kann der
Mitarbeiter an einer Wiedereingliederungsmaßnahme des Betriebes teilnehmen.
Voraussetzung dafür ist das Einverständnis beider beteiligten Parteien.
Die Kommunikation mit dem Betroffenen ist besonders bedeutsam für den Prozess der
betrieblichen Suchtprävention, denn eine Medikamentenabhängigkeit beginnt meist sehr
früh und der betroffene Gesundheits- und Krankenpfleger lernt Verhaltensweisen, um seine
Abhängigkeit zu verbergen. Dies ist der Grund, warum viele Betroffene schwer zu
identifizieren sind (vgl. Baldisseri, 2007). Problematisch ist, dass wenn Auffälligkeiten am
Arbeitsplatz erkennbar sind und mögliche Verdachtsmomente einer
Medikamentenabhängigkeit sich häufen. Die betroffenen Gesundheits- und Krankenpfleger
sind bereits schwerwiegend und im fortgeschrittenen Stadium erkrankt. „When the
healthcare professional’s work performance is affected, the problem is usually well
advanced and severe“ (Baldisseri, 2007, S. 110). Aus Sicht der Kollegen gibt es verschiedene
17 Die Punkte in der Darstellung sind komplett wörtlich zitiert (Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), 2011, S. 62).
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Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
14
Gründe, Verdachtsmomente dem Betroffenen, aber auch dem Vorgesetzten, gegenüber,
nicht zu äußern. Beispielweise haben beteiligte Gesundheits- und Krankenpfleger Angst vor
beruflichen und finanziellen Konsequenzen, wenn sie jemanden ohne evidenten Beweis als
alkohol- oder medikamentenabhängig betiteln (vgl. Baldisseri, 2007). Die soeben
dargestellten Gründe können eine zusätzliche Barriere für Stationsleitungen und
Führungskräfte darstellen und ein notwendiges frühzeitiges Intervenieren seitens der
betrieblichen Suchtprävention verzögern.
Konnte ein Betroffener jedoch als medikamentenabhängig identifiziert werden, so versucht,
in erster Line, der direkte Vorgesetzte mit der Kommunikationsstrategie des ‚Motivational
Interview‘ eine Veränderung der Sichtweise des Betroffenen zu erwirken, und seine
Eigeninitiative zu stärken. Entscheidend beim MI ist, dass alle Beteiligten, insbesondere in
der Phase der Vorbeugung von riskantem Konsum und Suchtgefährdungen im Betrieb, oder
während der Gesprächsstufen, von der Kommunikationsstrategie Gebrauch machen. Diese
Intervention ist interessant und wirft die Frage nach dem Nutzen und der Wirksamkeit
unmittelbar auf, denn in der betrieblichen Suchtprävention und Suchthilfe hat sich die
Motivation des Betroffenen als entscheidender Faktor für die erfolgreiche Bewältigung einer
Abhängigkeitserkrankung herausgestellt.
4. Aktueller Forschungsstand zu Motivational Interviewing
4.1 Literaturrecherche
Um den aktuellen Forschungsstand zu Motivational Interviewing in Bezug auf
Medikamentenabhängigkeit sowie betriebliche Suchtprävention darstellen zu können, wurde
eine systematische Literaturrecherche durchgeführt. In den Datenbanken CINAHL, Pubmed
und Cochrane Library wurde systematisch, hauptsächlich mit den unten aufgeführten
Begriffen, gesucht. Im Zeitraum vom 17.April 2015 – 19.April 2015 wurde alle drei
Datenbanken nacheinander durchsucht.
Marie- Rohini Raatz Bachelorthesis
Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
15
Abb. 3: Hauptbegriffe der Literaturrecherche
MeSH-Terms18 Freitextbegriff/ Stichwort
Substance-Related Disorders Substance-Related Disorders
Opioid-Related Disorders Opioid-Related Disorders
Motivational Interviewing Motivational Interviewing
Health Promotion Health Promotion
Der Begriff ‚workplace health promotion‘19 konnte zwar in einigen Datenbanken gefunden
werden, jedoch wurden als MeSH-Term und Freitextbegriff ‚Health Promotion‘20 angeboten
und weiter in der Recherche verwendet. Mehrere Suchläufe in den verschiedenen
Datenbanken und die dazugehörigen Begriffskombinationen, sowie Trefferanzahlen können
im Anhang 8.2 Tabelle zur Literaturrecherche mit Trefferanzahl und Darstellung der
relevanten Studien nachvollzogen werden.
Eingeschlossen wurden Studien, die sich mit Erwachsenen und jungen Erwachsenen befasst
haben. MI sollte die Intervention sein, bzw. über MI sollte als Intervention gesprochen
werden. Artikel die vom Titel her zum Thema oder zur Fragestellung passten, wurden
eingeschlossen. Studien, die nur separierte Bestandteile von MI betrachteten wurden
ebenfalls verwendet. Es wurden in die Evidenzrecherche nur Studien von 2005-2015
eingeschlossen, um den aktuellsten Forschungsstand abzubilden. Bei einer
Begriffskombination, die mehr als 1000 Treffer lieferte, wurde als Limit eingegeben, dass
ausschließlich verfügbare Volltexte angezeigt werden. Es wurden alle Studiendesigns in die
Bachelorarbeit mit einbezogen.
Ausgeschlossen wurden Studien die Effekte von MI bei anderen psychischen Erkrankungen
wie Schizophrenie und physischen Erkrankungen wie beispielsweise HIV21 untersucht
haben. Nicht berücksichtigt wurden auch Studien, in denen die Zielgruppe beispielsweise
Jugendliche und Familien mit Kindern waren und Studien in denen Pflegende in MI geschult
wurden, um MI bei ihren Patienten anzuwenden. Auch Artikel, in denen Gesundheits- und
Krankenpfleger über die Wirkungen von MI bei ihren Patienten Auskunft gaben, wurden
nicht weiter verwendet. Publikationen, die bereits vor 2005 verfasst worden sind, konnten
18 MeSH-Terms: Dies sind Begriffe die in medizinischen Datenbanken mehrere Synonyme zu einem Themenkomplex vereinen und zu einer großflächigeren Suche befähigen. Meist ist die Trefferanzahl größer und die Suchergebnisse werden umfassender dargestellt. 19 ‚workplace health promotion‘: Betriebliche Gesundheitsförderung 20 ‚Health Promotion‘: Gesundheitsförderung 21 HIV: Human Immunodeficiency Virus = HI- Virus
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Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
16
nicht in diese Bachelorarbeit eingeschlossen werden. Ausgeschlossen von der weiteren
Betrachtung wurden ebenfalls viele Artikel, die in ihren Titeln nicht Motivational
Interviewing beinhalteten. Außerdem wurde relevante Literatur ausgeschlossen, wenn nur
ein vorläufiger Abstract einzusehen war und die Bearbeitung der Studie noch nicht
abgeschlossen war. Teilweise wurden auch Studien nicht berücksichtigt, wenn keine
Volltextversion zugänglich war.22
4.2 Ergebnisse
In den drei Datenbanken wurden in allen Suchläufen insgesamt 1.056.273 Treffer gefunden,
davon wurden insgesamt 842 Treffer den Ein- und Ausschlusskriterien unterzogen. Leider
wurden im Suchlauf neun der Cochrane Library drei von acht Studien ausgeschlossen. Diese
drei Studien waren nur durch einen vorläufigen Abstract gekennzeichnet und befanden sich
zum Zeitpunkt der Recherche noch in Bearbeitung. Es konnten in allen Datenbanken
insgesamt 18 relevante Studien herausgefiltert werden. Bei näherer Betrachtung fiel auf, dass
fünf von 18 Studien in verschiedenen Suchläufen mehrfach gefunden wurden. Zum Ende
der Literaturrecherche wurden 13 Studien zur Weiterbearbeitung herausgezogen. Zwischen
ihnen waren auch Studien zum Themenbereich Alkoholmissbrauch und Drogenmissbrauch.
In den Studien wurden Effekte von MI hinsichtlich ihres Beitrags zur Reduzierung des
Konsums evaluiert. Dies wurde vorgenommen, um den schmalen Datenfundus von nur noch
13 relevanten Studien zu erweitern. Dies bedeutet, dass der Abstract von jeweils 13 Studien
genau gelesen wurde und aufgrund dessen wurden noch einmal sechs Studien von der
Weiterbearbeitung ausgeschlossen. Aus der Recherche konnten sieben Studien, für die
Bachelorarbeit gewonnen werden. Es konnten keine Daten zum Wirkzusammenhang
zwischen MI und betrieblicher Suchtprävention gefunden werden. Im Anhang unter 8.3
Flow-Chart zur Darstellung der Studienauswahl, kann die Studienauswahl in einer
Darstellung genau verfolgt werden. Im weiteren Verlauf der Ergebnisdarstellung werden
zunächst die Zielsetzungen der sieben Studien vorgestellt. Die Reihenfolge ist nach
inhaltlichen Gesichtspunkten sowie nach den Studiendesigns vorgenommen worden.
4.2.1 Zielsetzungen der eingeschlossenen Studien
In dem Systematic Review ‘Motivational interviewing for substance abuse’ der Autoren
Smedslund, Berg, Hammerstrøm, Steiro, Leiknes, Dahl & Karlsen (2011) wurde die
Effektivität von MI für Menschen mit Alkohol-, Drogen-, bzw. Medikamentenabhängigkeit
22 Limitierung bei einem Suchbegriff der über 1000 Treffer lieferte. (siehe auch Einschlusskriterien S.15)
Marie- Rohini Raatz Bachelorthesis
Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
17
beurteilt. Ziel war es, MI hinsichtlich seiner Effekte auf den Konsum des jeweiligen
Suchtmittels zu prüfen. Des Weiteren sollen Aussagen zur Beibehaltung der Therapie und
der Bereitschaft zur Veränderung am Ende dieser Arbeit getroffen werden. In dem zweiten
eingeschlossenen SR ‘Motivational interviewing for alcohol misuse in young adults
(Review)’ der Autoren Foxcroft, Coombes, Wood, Allen & Almeida Santimano (2014) soll
die Effektivität von MI als präventive Intervention, für Alkohol- und alkoholbedingte
Probleme, evaluiert werden. Es sollen Effekte von MI, im Hinblick auf Alkoholmissbrauch
bzw. durch Alkohol verursachte Probleme, untersucht werden. Zudem soll untersucht
werden, ob sich die Effekte von MI aufgrund der Länge der Intervention verändern. MI
wurde zum einen gegenüber einem Placebo, keiner Intervention oder dem normalen
Procedere getestet und zum anderen wurde MI gegenüber einer alternativen Intervention23
geprüft. Bei dem Personenkreis handelt es sich um junge Menschen, die zwischen 15 und 26
Jahren alt sind. Die nächste eingeschlossene Studie, ‘Motivational Interviewing and
Behavior Change: How Can We Know How It Works?’, ist eine Literaturübersicht von
Nahom (2005). Sie befasst sich mit dem Ziel veröffentlichte Evaluationsstudien zu MI und
AMI, hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Verhaltensveränderungen, zu untersuchen. Es
sollen Verständnislücken in Bezug auf die Verfahren von MI/AMI herausgearbeitet werden.
Auf dieser Grundlage sollen in Zukunft die Wirksamkeit und die Effektivität überprüft
werden. Dem schließt sich das Ziel des RCT ‘Intensive Motivational Interviewing for
women with concurrent alcohol problems and methamphetamine dependence’ der Autoren
Korcha, Polcin, Evans, Bond & Galloway (2013) an. Dort sollen gezielt Effekte von
Standard MI gegenüber Intensiv MI untersucht werden. Es sollen Männer und Frauen, die
an Crystal Meth-Abhängigkeit mit zusätzlicher Alkoholabhängigkeit leiden, als
Interventionsgruppe dienen. Während der Untersuchung wurde angenommen, dass Männer
und Frauen, die dem Intensiv MI zugeordnet waren, nach sechs Monaten einen niedrigeren
Schweregrad der Alkoholerkrankung aufweisen, als die Kontrollgruppe24. Ähnliche Ziele
verfolgt auch die Pilotstudie ‘Motivational Interviewing: A Pilot Test of Active Ingredients
and Mechanisms of Change’ der Autoren, Morgenstern, Kuerbis, Amrhein, Hail, Lynch &
McKay (2012). Es soll ein experimentelles Paradigma entwickelt werden, mit dessen Hilfe,
die als ursächlich angenommenen Faktoren von MI untersucht werden sollen. Aktive
23 Alternative Interventionen sind z.B. Training zur Selbstkontrolle, praxisbezogene Trainings, konfrontatives Feedback, kompetenzorientierte Beratung, Zwölf-Stufen Förderung, kurzes Feedback, Risikominderung, Rezidiv-Prävention oder kognitive-Verhaltenstherapie (vgl. Foxcroft u.a., 2014) 24 Die Kontrollgruppe erhielt Standard MI + ein Ernährungsseminar
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Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
18
Bestandteile25 und Mechanismen, die zur Verhaltensveränderung26 beitragen können, sollen
vor dem Hintergrund der Reduzierung des Alkoholkonsums überprüft werden. Es wird
zwischen der initiierten Reduzierung des Alkoholkonsums und den eigenen Bestrebungen
(Self-Change27) des Alkoholerkrankten unterschieden. Es sind ausdrücklich Betroffene
eingeschlossen, die den Konsum reduzieren aber nicht abstinent werden wollen. Auf diesem
Erkenntnisziel baut die vorletzte eingeschlossene Studie ‘Therapist focus on ambivalence
and commitment: a longitudinal analysis of Motivational Interviewing treatment
ingredients.‘ von Magill, Stout & Apodaca (2013) auf. Die vorliegende Studie untersucht
drei vermeintlich aktive Bestandteile28 des MI im Rahmen einer angebotenen MET-
Therapie. Das erste Ziel ist es, die Tendenzen von MI im Hinblick auf eine Zeit von zwölf
Wochen, zu untersuchen. Als zweites wurde speziell auf drei Behandlungsbestandteile Wert
gelegt. Die Erwartung war es, die Ambivalenz und das Engagement, als jeweils eine positive
Wirkungsvariable für die nachträgliche Veränderung des Patientenverhaltens
herauszuarbeiten. Zum Ende hin wird geschaut, ob die Effekte der Variablen mit dem
Stadium der Veränderung der Ausgangslage variieren. Als letztes fließt der Artikel von
Lussier & Richard (2007) ‘The motivational Interview: in practice.’ in die Bachelorthesis
mit ein. Der vorliegende Artikel handelt von der kritischen Betrachtung der Leitlinien von
MI, anhand von Praxisbeispielen. Die Grundsätze des MI Therapieansatzes werden
diskutiert und Praxisbeispiele dienen zur Veranschaulichung.
Jetzt werden die zentralen Ergebnisse zur Wirksamkeit und zu den Wirkmechanismen von
MI zusammengefasst dargestellt. Es wurde über gemeinsame Inhalte der Studien versucht,
zentrale Kategorien zu bilden. Sie wurden induktiv gebildet und sollen dabei helfen, die
Fülle an Ergebnisse zu bündeln. Die sechs Kategorien dienen dazu, die Ergebnisse
zielorientiert für die vorliegende Bachelorarbeit aufzubereiten. Ebenfalls positiv ist, dass
eine strukturierte Darstellung der Ergebnisse möglich ist. Zur visuellen Unterstützung und
strukturierten Übersicht der Ergebnisse kann die angefertigte Tabelle im Anhang unter 8.6
25 Aktive Bestandteile beziehen sich auf die Strategien des Therapeuten, eine positive Veränderung zu erleichtern 26 Mechanismen zur Verhaltensveränderung beziehen sich auf Verfahren, die der Betroffene erlernt, um die Veränderung voranzubringen: gemeint sind der Kompetenzerwerb, kognitive Neubeurteilung der gegenwärtigen Situation. 27 Self-Change (SC): Resonanz in Form von Feedback, persönliche Verantwortung und Bemühungen zur Selbstwirksamkeit wurden gefördert und erfasst. Die Teilnehmer sollten versuchen, sich durch ihre eigenständigen Bestrebungen, ohne professionelle Hilfe, zu verändern. 28 Aktive Bestandteile der MI Therapie: 1) Engagement, 2) Ambivalenz/Diskrepanz, 3) generelle Ziele, wie die Vorhersage der durchschnittlichen Alkoholtrinkmenge und die Veränderung der Trinkgewohnheiten im Verhältnis zur Zeitspanne.
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Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
19
Übersicht der Ergebnisse der eingeschlossenen Studien, herangezogen werden. Eine
ausführliche Übersetzung aller sieben Studien, alphabethisch sortiert, sind im Anhang unter
8.4 Vorstellung der Literaturergebnisse, hinterlegt.
4.2.2 Personengruppe
Der der Systematic Review ‚Motivational interviewing for substance abuse‘ beschäftigte
sich hauptsächlich mit Alkoholabhängigen, sowie mit Cannabiskonsumenten und
Kokainabhängigen. Es konnten auch Personen mit mehr als einer Abhängigkeitserkrankung
mit in die Studie eingehen (vgl. Smedslund u.a., 2011). Eine ähnliche Patientengruppe wurde
ebenfalls in der Studie von Korcha u.a. (2013) angesprochen. In ihrem RCT, werden
Personen behandelt die an Crystal Meth-Abhängigkeit mit zusätzlicher Alkoholabhängigkeit
leiden. Das durchschnittliche Alter bei den Teilnehmern von Intensiv MI lag bei den Frauen
bei 40 und bei den Männern bei 36 Jahren (vgl. Korcha u.a., 2013). Diese Personengruppe
wird auch bei Lussier & Richard (2007) angesprochen. Nahom (2005) schließt
Patientenpopulationen ein, die vorwiegend an Alkohol-, Nikotin-, oder Drogenabhängigkeit
erkrankt sind. Unter anderem waren auch Studien mit Probanden eingeschlossen, die
mehrere Diagnosen29 hatten. Es sind in den eingeschlossenen Studien noch diverse andere
Patienten- bzw. Personengruppen untersucht worden, bei Interesse entnehmen sie diese dem
Originaltext (Nahom, 2005, S. 60f). Die Teilnehmer der folgenden Studie tranken viel
Alkohol, waren leicht bis mittelmäßig schwer alkoholabhängig. Sie wiesen eine
verhältnismäßig geringe Drogen- bzw. Medikamentenabhängigkeit auf (vgl. Morgenstern
u.a., 2012). Die beiden folgenden Studien beschäftigen sich ausschließlich mit
Alkoholabhängigkeit bzw. Alkoholmissbrauch. In dem zweiten SR von Foxcroft u.a. (2014)
betrug der Altersdurchschnitt in den Studien 15-26 Jahre. Es handelt sich hierbei um
Jugendliche und junge Erwachsene (vgl. Foxcroft u.a., 2014). Die Querschnittstudie von
Magill u.a. (2013) beschäftigt sich ebenfalls nur mit alkoholabhängigen Personen.
4.2.3 Substanz/ Suchtmittel
Die Wirkungen und Wirkmechanismen von MI konnten in der SR von Smedslund u.a.
(2011) zu den Suchtmitteln Alkohol, Cannabis und Kokain untersucht werden. Auch
Aussagen zur mehrfachen Abhängigkeit waren möglich. Der eingeschlossene RCT nimmt
die Droge Crystal Meth in Verbindung mit Alkoholabhängigkeit (vgl. Korcha u.a., 2013)
unter die Lupe. Das komorbide Auftreten von Alkohol- und Substanzmissbrauch beschäftigt
auch Lussier & Richard (2007). Die Literaturübersicht zeigt das weiteste Spektrum der
29 Doppeldiagnosen: dual diagnoses
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Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
20
behandelten Substanzabhängigkeiten. Sie beinhaltet hauptsächlich Alkohol-, Nikotin- oder
Drogenabhängigkeit bis hin zu Mehrfach-Abhängigkeiten (vgl. Nahom, 2005).
Alkoholabhängigkeit in mittelmäßiger bis schwerer Form waren Thema in der Studie von
Morgenstern u.a. (2012). Es konnten auch Drogen bzw. Medikamente in verhältnismäßig
geringem Maße als Substanzen mit berücksichtigt werden (vgl. Morgenstern u.a., 2012). Die
Effekte von MI ausschließlich gegenüber Alkohol konnte in zwei Studien betrachtet werden
(vgl. Foxcroft u.a., 2014; Magill u.a., 2013).
4.2.4 Intervention
Es konnten Effekte von MI gegenüber keiner Kontrollintervention erhoben werden und es
konnten Effekte von MI gegenüber einer Beurteilung bzw. Feedbackgesprächen erhoben
werden (vgl. Smedslund u.a., 2011). Es ist in der Metaanalyse erkennbar gewesen, dass ein
Effekt zu Gunsten von MI als wirksame Präventionsintervention gegenüber
Alkoholmissbrauch von jungen Erwachsenen beschrieben werden kann (vgl. Foxcroft u.a.,
2014). Alle acht untersuchten Interventionen30 der beiden MI/AMI Konzepte, kommen zu
dem Ergebnis, dass sie weder notwendig noch ausreichend sind, um eine
Verhaltensveränderung zu beeinflussen. Bei dem Element ‚Rat‘, konnte keine Verbindung
zu einer Verhaltensveränderung festgestellt werden. Kam es während einer Intervention
doch zu einer Verhaltensveränderung des Studienteilnehmers, so ist diese Veränderung nicht
ausschließlich nur auf die MI/AMI Intervention zurückzuführen. Bei dem Umgang mit dem
Widerstand des Patienten durch seine Überzeugungen konnte herausgefunden werden, dass
es wohl Gestaltungsspielraum dieses Elementes gibt (vgl. Nahom, 2005). Standard MI und
Intensiv MI haben beide prozentual eine erhöhte Abstinenzrate der Teilnehmer zwischen
dem ersten Interview und den folgenden sechs Monaten bestätigt (vgl. Korcha, 2013). 1)
Eine angepasste Form von MET wurde komplett angeboten. 2) SOMI31,32- MI mit nicht-
direktiven Elementen und der Haltung des Therapeuten wurde angeboten. 3) Self-Change
(SC33)- Resonanz in Form von Feedback, persönlicher Verantwortung und Bemühungen zur
Selbstwirksamkeit wurden gefördert und erfasst. Die Teilnehmer sollten versuchen, sich
30 Die acht Interventionen, wurden aus den Konzepten von MI und AMI ableiten. Die Elemente heißen: Feedback, Verantwortung, Rat, Auswahl an Optionen, Empathie ausdrücken, Unterstützung der Selbstwirksamkeit sowie der Umgang mit Widerstand und die Entwicklung von Diskrepanzen, sie wurden zusammengefasst. 31 SOMI: Spirit Only MI, ist eine entwickelte Abkürzung der Autoren, damit sie sich besser von MI abhebt und das Verständnis erleichtert. 32 SOMI: Spirit Only MI, innerhalb dieser Intervention sind direktive und technische Elemente, die eine Verhaltensveränderung initiieren oder begünstigen könnten, untersagt. 33 SC: Self-Change, nach Abschluss der Studie wurde den SC Teilnehmern ebenfalls eine MI Therapie zuteil.
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Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
21
durch ihre eigenständigen Bestrebungen, ohne professionelle Hilfe, zu verändern (vgl.
Morgenstern u.a. 2012). MET Therapie 1) Ambivalentes Verhalten und Diskrepanzen,
wurden in der OP Patientengruppe etwas höher eingeschätzt. 2) Im MET war der Bezug auf
das Engagement wesentlich. Der höchste Effekt konnte nach zwei Wochen ermittelt werden.
Die AC Patientengruppe profitierte stärker von dem Schwerpunkt ‚Commitment34‘ als die
OP Patientengruppe. 3) Erkennbar war dies an den höher eingeschätzten Effekten bei dem
Erreichen der individuellen Ziele (vgl. Magill u.a., 2013). Im letzten Artikel werden die
Strukturen von MI mit Hilfe von Praxisbeispielen einer medizinischen Beratung diskutiert
(vgl. Lussier & Richard, 2007).
4.2.5 Wirkzeitraum
Zu den Zeitpunkten direkt nach dem Beenden von MI und sechs bzw. zwölf Monate nach
der Intervention, konnten Effekte zu Gunsten von MI nachgewiesen werden. MI wies erst
nach einer Zeit von sechs bis zwölf Monaten effektivere Ergebnisse, im Gegensatz zu
Feedbackgesprächen, auf (vgl. Smedslund u.a., 2011). Es konnten zu beiden Messpunkten
‚< als vier Monate‘ und ‚> als vier Monate‘ nach der MI Intervention Effekte nachgewiesen
werden (vgl. Foxcroft u.a., 2014). Zum Wirkzeitraum kann seitens Nahom (2005) keine
Aussage erfolgen. Beide Interventionsformen35 haben prozentual, eine erhöhte
Abstinenzrate der Teilnehmer zwischen dem ersten Interview und den folgenden sechs
Monaten bestätigt (vgl. Korcha, 2013). Der größte positive Effekt in Form von
Konsumreduzierung konnte in den ersten zwei Wochen nach der Randomisierung, zu
Gunsten von MI, festgestellt werden. Nach zwölf Wochen konnten gleichwertige Ergebnisse
zur Reduzierung des Alkoholkonsums zwischen MI und SOMI, im Vergleich zur
Ausgangslage, festgestellt werden (vgl. Morgenstern, 2012). Die Querschnittsstudie
beschreibt Auswirkungen der aktiven Bestandteile der MI Therapie nach ein, zwei, sechs
und zwölf Wochen. Mit diesem therapeutischen Fokus auf ‚Engagement‘ konnte der höchste
Effekt nach zwei Wochen ermittelt werden (vgl. Magill, 2013). In den Artikel von Lussier
& Richard (2007), konnten dazu keine Angaben gemacht werden.
4.2.6 Konsumverhalten
Im Zeitraum direkt nach der Intervention und sechs bzw. zwölf Monate nach der Intervention
konnte der Konsum reduziert werden. Auch in der Zeit zwischen sechs bis zwölf Monaten
konnten Effekte der Abstinenz und der Reduzierung ermittelt werden (vgl. Smedslund u.a.,
34 Commitment: Engagement 35 Beide Interventionsformen: Standard MI und Intensiv MI
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Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
22
2011). In dem nächsten SR Foxcroft u.a. (2014) konnten jeweils ein geringerer Konsum und
eine Reduzierung der Häufigkeit des Alkoholkonsums beeinflusst werden. Bei der
durchschnittlichen Alkoholkonzentration im Blut können minimale Effekte von MI, anhand
von insgesamt sechs Studien, nachgewiesen werden. Probleme, die durch den Alkohol
verursacht werden, können durch MI nicht wirksam beeinflusst werden (vgl. Foxcroft u.a.,
2014). Es können keine Aussagen zum Konsumverhalten seitens der Literaturübersicht von
Nahom (2005) getroffen werden. Die Frauen in Intensiv MI zeigten über den
Studienzeitraum einen verstärkten und stetigen Rückgang des Alkoholkonsums. Parallel
blieb der Alkoholkonsum bei den Männern im Intensiv MI gleich dem der Frauen im
Standard MI. Im Vergleich von Standard und Intensiv MI der Frauen, konnte ein
signifikanter Rückgang des Alkoholkonsums bei den Frauen, die Intensiv MI erhalten haben,
festgestellt werden. Dieses Einzelergebnis wird entkräftet durch den Vergleich aller
Teilnehmer von Standard und Intensiv MI, da dort keine Differenzen zu den jeweiligen
Messpunkten ermittelt werden konnten. Erkennbar ist jedoch, dass die Männer des Standard
MI nach vier Monaten weniger Alkohol konsumierten als die Männer in der Intensiv MI
Therapiegruppe (vgl. Korcha, 2013). Der größte positive Effekt in Form von
Konsumreduzierung konnte in den ersten zwei Wochen nach der Randomisierung, zu
Gunsten von MI, festgestellt werden. Entgegen der Erwartungen, konnten keine
Unterschiede zum Konsumverhalten beim Follow-Up nach vier Wochen (nach der
Intervention) vermerkt werden. Es gibt dennoch positive Ergebnisse im Vergleich der
Follow-Up Erhebung und der Ausgangslage hinsichtlich einer Konsumreduzierung in allen
drei Gruppen. MI und SOMI Teilnehmer reduzierten erkennbar weiterhin ihren
Alkoholkonsum, es können aber keine überlegenen Erkenntnisse zur Unterstützung von MI
gefunden werden. Es konnten keine signifikanten Effekte der Bestandteile von MI
gegenüber SOMI und SC gefunden werden. Am Ende der Studie konnten gleichwertige
Ergebnisse zur Reduzierung des Alkoholkonsums festgestellt werden. Im Verlauf näherten
sich die Angaben zur Alkoholkonsumreduzierung an (vgl. Morgenstern, 2012). In Bezug auf
die durchschnittliche Abstinenz konnte festgestellt werden, dass sie bei der AC
Patientengruppe mit 93,5 % höher lag, als bei der OP Patientengruppe mit durchschnittlich
79,5% Abstinenztagen innerhalb der zwölf Wochen36. Frequenz und Häufigkeit des
Alkoholkonsums stiegen über die Zeit in der AC Patientengruppe an. Im Unterschied zu der
AC Patientengruppe, zeigte die OP Patientengruppe keine signifikante Reduzierung der
36 Diese Prozentzahlen beziehen sich auf den Zeitraum zwischen den Therapiesitzungen.
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Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
23
Häufigkeit des Alkoholkonsums. Jedoch an Tagen, an denen sie konsumierten, wurde
quantitativ mehr Alkohol zu sich genommen, im Gegensatz zur AC Patientengruppe.
Ermittelt werden konnte außerdem, dass in beiden Gruppen die Frequenz und die Quantität
des Alkoholverbrauches über die Zeit anstiegen. Im Vergleich zu der AC Patientengruppe,
war der Schwerpunkt Ambivalenz und Diskrepanz in der OP Patientengruppe kontraindiziert
und führte zur Verschlechterung des Trinkverhaltens im Vergleich zum Ausgangswert.
Konträr zu den Erwartungen der Forscher ist das negative Ergebnis (steigende Quantität des
Alkoholkonsums) hinsichtlich des Fokus Ambivalenz und Diskrepanz zu sehen. Dieser
Schwerpunkt verschlechtert das Konsumverhalten der Patienten und zeigt sich als
kontraindiziert. Betroffen waren OP Patienten und AC Patienten, vorausgesetzt sie verfügten
über eine geringe Motivation (vgl. Magill u.a., 2012). Zu diesem Themenbereich können
keine Angaben von Lussier & Richard (2007) erfolgen.
4.2.7 Effektivität
Effekte zeigt MI am eindrucksvollsten, wenn die Bereitschaft etwas zu verändern bei den
Betroffenen besteht. Nach Smedslund u.a. (2011) kann auf Grundlage einer Studie, jedoch
keine Aussage getroffen werden. Es konnte ein minimale klinische Differenz für junge
Erwachsene und ihren Alkoholmissbrauch ermittelt werden, da die Menge des
Alkoholkonsums und die Häufigkeit beeinflussbar waren durch MI (vgl. Foxcroft u.a.,
2014). Der herausragende Erfolg vom MI/AMI gegenüber anderen Intervention bleibt
unklar. Es konnten keine statistisch signifikanten Ergebnisse gefunden werden, die klar
zeigen, wie eine Verhaltensveränderung durch eine der MI/AMI Interventionen erfolgt. Über
die Entstehungsmechanismen der Verhaltensveränderung kann nichts ausgesagt werden. Es
können keine Aussagen zur Wirksamkeit von MI/AMI gemacht werden. MI/AMI ist nahezu
ähnlich effektiv wie andere Interventionen in der Psychotherapie (vgl. Nahom, 2005). Es
konnte herausgestellt werden, dass die Zusammenarbeit mit dem Therapeuten37 einen
eindeutigen Einfluss auf die Reduzierung der Schwere der Alkoholabhängigkeit, nach sechs
Monaten, hatte (vgl. Korcha u.a., 2013). Das Verhalten des Therapeuten kann die Motivation
zur Verhaltensveränderung des Einzelnen steigern und somit hat die Beziehung zwischen
den Beteiligten einen Einfluss auf die Reduzierung des Alkoholkonsums. Es können aber
keine überlegenen Erkenntnisse zur Unterstützung von MI gefunden werden. Es konnten
37 Die Zusammenarbeit mit den Therapeuten gemessen über alle Therapiesitzungen an dem ‚Helping Alliance Questionaire‘ beurteilten bzw. schätzten die Frauen deutlich höher ein, als die Männer im Intensiv MI.
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Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
24
keine Vorhersagen über den weiteren Verlauf des Alkoholkonsums gemacht werden.
Entgegen der Erwartungen der Forscher, konnten keine signifikanten Effekte der
Bestandteile von MI gegenüber SOMI und SC gefunden werden (vgl. Morgenstern u.a.,
2012). Die Autoren konnten keine signifikanten Effekte der Bestandteile von MI gegenüber
SOMI und SC ermitteln. Am Ende der Studie konnten gleichwertige Ergebnisse zur
Reduzierung des Alkoholkonsums festgestellt werden. Eine Interpretation der Wirksamkeit
von MI, SOMI und SC ist somit schwierig. SC ist weniger effektiv als MI und SOMI, aber
die Differenzen sind nicht signifikant (vgl. Morgenstern u.a., 2012). Von dem Schwerpunkt
Engagement hingegen konnten beide Patientengruppen profitieren. Die drei gemessenen
therapeutischen Wirkvariablen nehmen keinen Einfluss auf die Veränderung des
Patiententrinkverhaltens38 beider Patientengruppen. Der Schwerpunkt in der Therapie auf
das ‚Engagement‘ zu setzen war wesentlich. Mit diesem therapeutischen Fokus konnte der
höchste Effekt nach zwei Wochen ermittelt werden. Die Motivation entsteht durch die
Interaktion zwischen Therapeut und Patient. Dagegen nimmt der Therapeut nicht an, dass
die Motivation eine Voraussetzung für den Erfolg von MI ist (vgl. Magill u.a. 2013). Der
Fokus auf das Engagement zur Veränderung kann als aktiver Bestandteil der MI Therapie
ermittelt werden, denn beide Untersuchungsgruppen profitierten davon und eine
Verhaltensveränderung trat nachhaltig ein (vgl. Magill u.a., 2013). Lussier & Richard
(2007), können zur Effektivität ihrer beschriebenen Beispiele ebenfalls keine Aussagen
machen.
Die nun folgenden Ergebnisse beziehen sich gesondert auf den Artikel von Lussier &
Richard (2007). Inhaltlich beschreiben die Ergebnisse die Anwendung von MI zur
regelmäßigen Tabletteneinnahme. Der Arzt soll seinen persönlichen Standpunkt gegenüber
der vorgeschlagenen Therapie darstellen. Seine Aussage soll unter Beachtung des
medizinischen Fachwissens dargelegt werden. In der zweiten Phase von MI soll der Patient
so alltagsbezogen wie möglich informiert werden. Der Arzt muss dem Patienten
Anleitungshilfen zur Verfügung stellen. Er ist dazu angehalten, eine individuelle und
geeignete Lösung vorzuschlagen. Als nächster Schritt ist es wichtig, den Patienten dazu zu
animieren bzw. zu motivieren, die ihm vorgeschlagene Behandlung auszuprobieren. Der
Arzt sollte sich vergewissern, dass die Anforderungen für den Patienten zu meistern sind.
Um dem letzten Prinzip von MI Folge zu leisten, muss innerhalb einer medizinischen
38 Die Veränderung des Patiententrinkverhaltens, ist meist zusätzlich abhängig von der Motivation des Einzelnen.
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Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
25
Beratung auf mögliche ambivalente Äußerungen des Patienten geachtet werden. Die
Aufgabe des Behandlers ist es, dessen Zweifel ernst zu nehmen, um den Patienten im
Gespräch zu den positiven Aspekten der anstehenden Veränderung zurückzuleiten. Erst das
Begreifen und die Motivation des Patienten bilden die Grundlage für die tatsächliche
Veränderung. Falls keine Veränderung erfolgt ist, sollte der Arzt gemeinsam mit seinem
Patienten die möglichen Gründe besprechen und gegebenenfalls sollte das eigene
Selbstvertrauen bzw. die Überzeugungen zur Umsetzung der Veränderung berücksichtigt
werden (vgl. Lussier & Richard, 2007).
5. Beurteilung der Evidenzen Die dargestellten Ergebnisse der sieben eingeschlossenen Studien werden für die Diskussion
noch ein weiteres Mal aufbereitet. Es ist nicht nur interessant zu wissen, zu welchem
Ergebnis die einzelnen Studien gekommen sind, sondern auch, wie aussagekräftig und
belastbar die dargestellten Ergebnisse sind. Um die Aussagekraft der überprüften Studien
besser einschätzen zu können, gibt es je nach Studiendesign bestimmte Bewertungskriterien,
die jeweils in der Form von Listen im Anhang unter 8.7 Beurteilungskriterien zur kritischen
Bewertung der eingeschlossenen Studien, einzusehen sind. Je nach Studie wird die passende
Liste mit den Bewertungskriterien herausgesucht und die eingeschlossene Studie kann im
Hinblick auf die methodische wissenschaftliche Arbeit sowie auf inhaltliche und
darstellerische Leistung hin überprüft werden. Es werden die verschiedenen Evidenzgrade
der berücksichtigten Studien kurz vorgestellt. Die Anzahl der vergebenen Sterne39 deuten
auf den Evidenzgrad der Studie hin. Im Anhang unter 8.5 Übersicht der Bias Risiken der
eingeschlossenen Studien kann eine Tabelle zur visuellen Unterstützung herangezogen
werden. Die Reihenfolge der Studien ist in Anlehnung an den Ergebnisteil übernommen
worden.40
In dem zu Beginn vorgestellten Systematic Review von Smedslund u.a. (2011) gehen die
Autoren selbst von einem hohen Bias Risiko in Bezug auf die Zuteilung der Teilnehmer
sowie bei der Verblindung der Probanden, der durchführenden Personen und den
Ergebnisgutachtern aus. Es werden zusätzlich einige Bias Risiken in Bezug auf
unvollständige bzw. selektive Studienberichte vermutet. Nun wurde die systematische
39 Die Anzahl der vergebenen Sterne symbolisieren die Gesamtbewertung der Aussagekraft der jeweiligen Studie. Die dazugehörige Bedeutung kann der jeweiligen Liste der Beurteilungskriterien entnommen werden. (s. Anhang: 8.7 Beurteilungskriterien zur kritischen Bewertung der eingeschlossenen Studien) 40 Im Anhang unter 8.4 Vorstellung der Literaturergebnisse, können zu jeder Studie die ausführlichen Kritikpunkte eingesehen werden. (s. Kritische Bewertungen)
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Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
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Übersichtsarbeit einer kritischen Bewertung unterzogen. Insgesamt wurde die vorliegende
Studie mit drei von vier Sternen ausgezeichnet. Grund dafür waren zum einen die hohe
Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Vorgehensweise im SR, zum anderen wurde
anhand der zugesendeten Audio- und Videoaufnahmen überprüft, ob MI fachgerecht in den
Primärstudien angewendet wurde. Dadurch konnte der Durchführungsbias auf ein geringes
Risiko gesenkt werden. Zuteilung und Verblindung in den verschiedenen eingeschlossenen
Studie bilden die höchsten Risiken (vgl. Smedslund, 2011).
In der zweiten systematischen Übersichtsarbeit von Foxcroft u.a. (2014) können ebenfalls
nach Aussage der Autoren nur minimale bis moderate Evidenzen für die Effekte von MI bei
der Prävention des Alkoholmissbrauchs bei jungen Erwachsenen nachgewiesen werden. Die
Autoren vermuten, dass diese Ergebnisse bedeutungslos sind und bestehende Richtlinien in
denen MI vorkommt nicht beeinflussen können. Es bedarf weiterer Evidenzuntersuchungen,
die MI als Gegenstand in Präventionsmaßnahmen prüfen, um die Inhalte gezielt auf junge
Erwachsene auszurichten. Es wird ein strengerer Evaluationsprozess für die Ermittlung der
Effekte von MI durch die Autoren gefordert (vgl. Foxcroft u.a., 2014).
Die dritte eingeschlossene Studie von Nahom (2005) wurde mit Hilfe der
Beurteilungskriterien einer systematischen Übersichtsarbeit bewertet. Die Bewertung der
Studie gestaltete sich schwierig, da im Primärtext klar formuliert ist, dass die Autorin die
Kriterien einer systematischen Übersichtsarbeit bewusst nicht benutzt. Dennoch wurde eine
Bewertung vorgenommen. Es wurde einer von vier möglichen Sternen vergeben.
In dem RCT von Korcha u.a. (2013) sind bei der kritischen Bewertung einige Aspekte
aufgetreten, die insgesamt den Evidenzgrad der Ergebnisse auf zwei von vier Sternen
reduzieren. Laut den Autoren müssen die Ergebnisse mit Vorsicht betrachtet werden, da sie
auf Selbsteinschätzung und individuellen Aussagen der Teilnehmer basieren. Außerdem
standen im Fokus der Studie eigentlich die Effekte von MI auf die Crystal Meth-
Abhängigkeit, jedoch konnten am Ende nur Aussagen zur Reduzierung des Alkoholkonsums
untersucht werden (vgl. Korcha, u.a., 2013).
Die Pilotstudie von Morgenstern u.a. (2012) ist aufgrund ihrer Charakteristika schwer zu
beurteilen. Es wurden zur Bewertung dieser Studie die Bewertungsraster für einen RCT und
eine Interventionsstudie herangezogen, um die Pilotstudie möglichst umfassend zu
betrachten. Bei der Bewertung konnte insgesamt nur einer von vier Sternen vergeben
werden. Aus Sicht der Autoren sollten die Ergebnisse aufgrund der Charakteristika einer
Marie- Rohini Raatz Bachelorthesis
Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
27
Pilotstudie mit Bedacht interpretiert werden. Die experimentellen Annahmen zeigen den
Nutzen der Herangehensweise für die Zukunft. MI sollte hinsichtlich seiner aktiven
Bestandteile (therapeutische Elemente) weiterhin überprüft werden (vgl. Morgenstern,
2012).
Bei der vorletzten eingeschlossenen Studie von Magill, Stout & Apodaca (2013) stellt sich
die Beurteilung ebenfalls als schwierig heraus. Die Studie wurde anhand der
Bewertungskriterien einer Interventionsstudie und einer RCT beurteilt. Durch die
Berücksichtigung beider Bewertungsraster sollte bei Unsicherheiten eine zweite Einstufung
der Studienaspekte helfen, zu einer Entscheidung zu finden (vgl. Morgenstern u.a., 2012).
Das Design dieser Querschnittsstudie genügt nicht den Ansprüchen einer RCT. Trotz der
erkennbaren methodischen Mängel und Kritikpunkte wurde sich aufgrund der
Hauptergebnisse für zwei von vier möglichen Sternen entschieden.
Die Ergebnisse des Artikels ‚The motivational Interview: in practice.’ der Autoren Lussier
& Richard (2007) sind in Bezug auf die kritische Bewertung nur als Expertenmeinung zu
bewerten. Trotz einer Vielzahl von Bewertungskriterien der Studien (s. Anhang 8.7
Beurteilungskriterien zur kritischen Bewertung der eingeschlossenen Studien) konnte keine
der Listen vollständig ausgefüllt werden. Inhaltliche Kritikpunkte sind, dass nur Annahmen
über Wirkungen von MI in verschiedenen medizinischen Beratungsgesprächen gemacht
werden können (vgl. Lussier & Richard, 2007).
5.1 Diskussion
In der folgenden Diskussion werden die erarbeiteten Ergebnisse gebündelt diskutiert. Die
sechs inhaltlichen Schwerpunkte werden im Anschluss mit einigen Bias Risiken verknüpft.41
Es sollen Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet werden und ebenso Bezüge
zwischen den Studien hergestellt werden. Zur visuellen Unterstützung der diskutierten
Aspekte sind im Anhang zwei Ergebnistabellen einzusehen.42,43
Da die Datenlage in Bezug auf die Fragestellung wenig aussagekräftig ist, ist es nicht
möglich, präzise Ergebnisse darzustellen. Es können keine Ergebnisse zur Wirksamkeit von
MI in der betrieblichen Suchtprävention generiert werden. An den Patientengruppen ist
41 Im Anhang unter 8.4 Vorstellung der Literaturergebnisse, können zu jeder Studie die ausführlichen Kritikpunkte (Kritische Bewertungen) und die jeweiligen Schlussfolgerungen der Autoren begleitend zur Diskussion eingesehen werden. 42 s. Anhang: 8.6 Übersicht der Ergebnisse der eingeschlossenen Studien 43 s. Anhang: 8.5 Übersicht der Bias Risiken der eingeschlossenen Studien
Marie- Rohini Raatz Bachelorthesis
Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
28
erkennbar, dass MI überwiegend bei Alkoholabhängigen getestet wurde. Alle
eingeschlossenen Studien beschäftigen sich mit dieser Personengruppe. Interessant ist, dass
nur Nahom (2005) und Smedslund u.a. (2011) sich mit allen drei Patientengruppen
beschäftigen. Die Komorbidität zwischen Alkohol- und Drogenabhängigkeit spiegelt sich in
den Studien Korcha u.a. (2013) und Lussier & Richard (2007) wieder. Morgenstern u.a.
(2012) beschreiben als einzige Studie gesondert, dass die Patienten neben der
Alkoholabhängigkeit auch an Drogen- und Medikamentenabhängigkeit im geringen Maße
litten. Zum Alter der Klienten ist festzuhalten, dass Aussagen zu jungen Erwachsenen bis
hin zu allen Altersstufen44 getroffen werden können. Es ist erkennbar, dass Studierende oder
Schüler, die sich im höheren Bildungssystem qualifizieren wollen, eher zu der gefährdeten
Personengruppe gehören. Sie sind oft Zielgruppe von Alkoholpräventionsmaßnahmen (vgl.
Foxcroft u.a., 2014; Smedslund u.a., 2011). Hinsichtlich der Bias Risiken kann an dieser
Stelle zusammengetragen werden, dass der jeweilige Schweregrad der Erkrankung bei den
Probanden sehr unterschiedlich war (vgl. Magill u.a., 2013). Morgenstern u.a. (2012)
beschreiben einen höheren Grad der Erkrankung, während Korcha u.a. (2013) darstellen,
dass ihre Teilnehmer an einer leichteren Form der Crystal Meth- Abhängigkeit litten.
Smedslund u.a. (2011) konnten keine Aussagen zum jeweiligen Schweregrad formulieren.
Die Autoren halten ebenfalls fest, dass der Schweregrad der Abhängigkeit Einfluss auf die
Wirksamkeit von MI zu nehmen scheint. Dieser Aspekt muss mit Zurückhaltung betrachtet
werden, da diese Annahme nur auf einer Studie (vgl. Smedslund, 2011) beruht. Die
Stichprobengrößen der verschiedenen Studien, aber auch die der eingeschlossenen
Primärstudien der SR, variieren sehr stark (vgl. Foxcroft u.a., 2014; Nahom, 2005;
Morgenstern u.a., 2012). Magill u.a. (2013) haben keine Stichprobenkalkulation
vorgenommen und Korcha u.a. (2013) konnten die Kalkulation nicht transparent
beschreiben. In der Querschnittsstudie von Magill u.a. (2013) sind auch Differenzen
zwischen den Stichproben erkennbar. Es liegt in allen bewerteten Studien ein unklares
Risiko des Attrition-Bias vor. Im eingeschlossenen RCT beispielsweise werden keine
Angaben zum Verlust bzw. Zulauf von Teilnehmern beschrieben. Bestätigt werden kann
dies durch Magill u.a. (2013), hier liegt keine Begründung dafür vor, dass fast 20% der
Teilnehmer nicht mehr am Follow-Up teilnahmen. Oftmals liegen zu geringe
Stichprobengrößen und damit ebenfalls verbunden zu geringe Effektgrößen in den
betrachteten Studien vor. Sie mindern die Aussagekraft der Ergebnisse erheblich (vgl.
44 Insbesondere zwischen 30 und 40 Jahren (vgl. Korcha u.a., 2013)
Marie- Rohini Raatz Bachelorthesis
Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
29
Korcha u.a. 2013; Morgenstern u.a., 2012; Nohom, 2005). Die Übertragbarkeit der
dargestellten Ergebnisse auf andere Patientengruppen sind in drei von sieben Studien mit
Schwierigkeiten behaftet (vgl. Korcha u.a. 2013; Lussier & Richard, 2007; Morgenstern u.a.,
2012). Magill u.a. (2013) fordern deswegen, dass ihr Studiendesign auf andere
Patientengruppen übertragen werden sollte.
Als Substanz wurde hauptsächlich Alkohol untersucht. Er wird in allen vorliegenden Studien
benannt. Smedslund u.a. (2011) sowie Korcha u.a (2013) konnten zusätzlich Aussagen zu
Drogen- bzw. Medikamentenabhängigkeit machen. Das komorbide Auftreten von Alkohol-
und Substanzmissbrauch beschäftigt auch Lussier & Richard (2007) sowie teilweise auch
Morgenstern u.a. (2012). Die Literaturübersicht zeigt das breiteste Spektrum der behandelten
Substanzabhängigkeiten über Alkohol-, Nikotin-, oder Drogenabhängigkeit bis hin zu
mehrfach Abhängigkeiten (vgl. Nahom, 2005). Interessant an dieser Stelle ist, dass Korcha
u.a. (2013) zum Ziel hatten, die Auswirkungen von MI in Bezug auf die Crystal Meth-
Abhängigkeit zu prüfen. Jedoch konnten sie am Ende nur Aussagen zur Reduzierung des
Alkoholkonsums beschreiben. Weitere Aspekte zur Substanz bzw. dem Suchtmittel werden
in Bezug auf das Konsumverhalten im Verlauf der Diskussion noch dargestellt. Für die
Schlussfolgerung der Bachelorarbeit bedeutet dies, dass nur vage Vermutungen zu den
Wirkungen von MI in Bezug auf die Medikamentenabhängigkeit der Gesundheits- und
Krankenpfleger formuliert werden können.
Alle Studien haben gemeinsam, dass sie sich ganz oder teilweise mit der Intervention von
MI beschäftigen. In drei Studien kamen weiterentwickelte MI-Konzepte in Form von MET,
AMI und Intensiv MI zum Einsatz (vgl. Korcha u.a. ,2013; Magill u.a., 2013; Nahom, 2005).
Fünf von sieben Studien gaben andere Interventionen als Vergleich zur MI-Therapie an
(Foxcroft u.a., 2014; Korcha u.a., 2013; Magill u.a., 2013; Morgenstern u.a., 2012;
Smedslund u.a., 2011). Im letzten Artikel werden die Strukturen von MI mit Hilfe von
Praxisbeispielen einer medizinischen Beratung diskutiert (vgl. Lussier & Richard, 2007).
Die Bias Risiken sind auch an dieser Stelle nicht außer Acht zu lassen. Verknüpfend lässt
sich sagen, dass in den Studien die (verdeckte) Zuordnung der Studienteilnehmer oft nicht
transparent bzw. nachvollziehbar dargestellt war (vgl. Smedslund u.a., 2011; Foxcroft u.a.,
2014). Es war oftmals keine Verblindung der Teilnehmer und der Behandler möglich und
die Verblindung des Ergebnisgutachters wurde nur bedingt eingehalten (vgl. Smedslund u.a.,
2011; Foxcroft u.a., 2014; Korcha u.a., 2013; Magill u.a., 2013). Es ist methodisch fraglich,
ob die Randomisierung computerstützt erfolgte und ob eine verdeckte Zuordnung möglich
Marie- Rohini Raatz Bachelorthesis
Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
30
war bzw. eine Verblindung von Teilnehmern und durchführendem Personal möglich
gewesen wäre (vgl. Morgenstern u.a., 2012). In den Studien von Smedslund u.a. (2011),
Magill u.a. (2013), Morgenstern u.a. (2012) und Korcha u.a. (2013) wurde sich bemüht, den
Durchführungs-Bias gering zu halten. Entweder wurde eine standardisierte und einheitliche
Durchführung der Interventionen gewährleistet oder durch Audio- und Videoaufnahmen die
fachgerechte Durchführung von MI sichergestellt (vgl. Smedslund u.a., 2011). Positiv
anzumerken ist, dass Foxcroft u.a (2014), Smedslund u.a. (2011) sowie Korcha u.a. (2013)
sich dennoch bemühen, transparent und nachvollziehbar vorzugehen und dies in ihren
Studien auch genau zu dokumentieren. Es gab bei den verschiedenen Studien auch die
Problematik, dass Einzel- und Gruppentherapien angeboten wurden. Hier wird es schwierig,
die Verhaltensveränderung der Patienten ausschließlich auf MI zurückzuführen. (vgl.
Smedslund u.a. 2011; Foxcroft u.a., 2014). Hinzu kommt auch noch, dass die
Kontrollinterventionen in den Studien sehr verschieden waren. Die Settings sowie die Dauer
der MI-Intervention wichen teilweise ab (vgl. Smedslund u.a. 2011; Nahom, 2005; Foxcroft
u.a. 2014). Die beiden Systematic Reviews von Smedslund u.a. (2011) und Foxcroft u.a.
(2014) beschreiben eine hohe Heterogenität der eingeschlossenen Primärstudien. Bestätigt
werden kann dies durch Nahom (2005). Der RCT von Korcha u.a. (2013) zeigt
beispielsweise die bestehenden Schwierigkeiten in der Bewertung bzw. der Vergleichbarkeit
der Ergebnisse der Primärstudien in den SR auf. Erkennbar ist dies dadurch, dass selbst
innerhalb der einzelnen Studie die Vergleichbarkeit der Ergebnisse erschwert wird.
Ausgelöst beispielsweise durch verschiedene Behandlungsinhalte (Ernährung + Standard MI
gegenüber Intensiv MI) innerhalb einer Studie (vgl. Korcha u.a., 2013).
Zu den Zeitpunkten direkt nach dem Beenden von MI, sechs bzw. zwölf Monate nach der
Intervention, konnten Effekte zu Gunsten von MI nachgewiesen werden. MI wies erst nach
einer Zeit von sechs bis zwölf Monaten effektivere Ergebnisse, im Gegensatz zu
Feedbackgesprächen, auf (vgl. Smedslund u.a., 2011). Es konnten zu beiden Messpunkten,
,< als vier Monate‘ und ,> als vier Monate‘, nach der MI Intervention Effekte nachgewiesen
werden (vgl. Foxcroft u.a., 2014). Beide Interventionsformen45 haben prozentual eine
erhöhte Abstinenzrate der Teilnehmer zwischen dem ersten Interview und den folgenden
sechs Monaten bestätigen können (vgl. Korcha u.a., 2013). Der größte positive Effekt in
Form von Konsumreduzierung konnte in den ersten zwei Wochen nach der Randomisierung,
zu Gunsten von MI, festgestellt werden. Nach zwölf Wochen konnten gleichwertige
45 Beide Interventionsformen: Standard MI und Intensiv MI
Marie- Rohini Raatz Bachelorthesis
Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
31
Ergebnisse zur Reduzierung des Alkoholkonsums zwischen MI und SOMI, verglichen mit
der Ausgangslage, ermittelt werden (vgl. Morgenstern, 2012). Die Querschnittsstudie
beschreibt Auswirkungen der aktiven Bestandteile der MI-Therapie nach ein, zwei, sechs
und zwölf Wochen. Der höchste Effekt konnte nach zwei Wochen aufgezeigt werden,
vorausgesetzt der therapeutische Fokus lag auf Engagement (vgl. Magill, 2013). Als
Diskussionspunkt kann angeführt werden, dass die Messzeitpunkte in den beiden SR aus den
verschiedenen Primärstudien zusammengefasst wurden (vgl. Smedslund u.a. 2011; Foxcroft
u.a. 2014). Foxcroft u.a. (2014) teilten die Follow-Up Messzeitpunkte in ,< als vier Monate
nach der Intervention‘, ,> als vier Monate nach der Intervention‘ oder nach der Anzahl der
stattgefundenen Therapieeinheiten ein. In der Pilotstudie von Morgenstern u.a. (2012) ist zu
bemängeln, dass der Follow-Up Zeitpunkt mit vier Wochen bzw. zwölf Wochen (vgl. Magill
u.a., 2013) nach der Intervention zu früh gewählt wurde. Die Messzeitpunkte der Follow-Up
sind in der weiteren Bachelorthesis schwer zu beurteilen, da sie in den vorliegenden Studien
nicht einheitlich gewählt sind. Der Vergleich der Effekte von MI zu verschiedenen
Zeitpunkten ist schwierig zu übertragen, daher können hier nur teilweise Effekte vermutet
werden (vgl. Smedslund u.a. 2011; Foxcroft u.a., 2014). Schwierig zu vergleichen ist der
Zeitraum, in dem MI zu wirken beginnt. Es ist ebenfalls problematisch, Wechselwirkungen
mit anderen Interventionen komplett auszuschließen (vgl. Korcha u.a 2007; Morgenstern
u.a., 2007). Diese Erschwernis schildern auch Morgenstern u.a. (2007) und Korcha u.a.
(2013). Die Wirkungen, die möglicherweise durch TFS und CBT entstehen und Einfluss auf
den Veränderungsprozess nehmen können, werden erwähnt, aber nicht detailliert
beschrieben. Dies ist auch in der SR von Foxcroft u.a. (2014) der Fall.
Die eingeschlossenen Studien beschreiben positive Effekte von MI, gehäuft zwischen zwei
Wochen (vgl. Magill u.a., 2013; Morgenstern u.a., 2012), zwei Monaten (vgl. Korcha u.a.,
2013; Morgenstern u.a., 2012) bis hin zu sechs Monaten (vgl. Foxcroft u.a., 2014; Magill
u.a., 2013; Smedslund u.a., 2011). Zu den Effekten der MI Interventionen kann
zusammenfassend gesagt werden, dass fünf von sieben Studien von einer
Konsumreduzierung sprechen (vgl. Smedslund u.a., 2011; Foxcroft u.a., 2014; Korcha u.a.,
2013; Morgenstern, 2012; Magill u.a., 2013). Der RCT untersuchte ursprünglich die Effekte
von MI hinsichtlich der Crystal Meth-Abhängigkeit, es können aber nur Ergebnisse zur
Reduzierung des Alkoholkonsums ermittelt werden (vgl. Korcha u.a., 2013). Ähnlich wie
beim RCT ist es auch hier der Fall, dass vorwiegend Konsumreduzierungen im Rahmen der
Alkoholabhängigkeit stattfinden. Die Reduzierung der verhältnismäßig geringen Drogen-
Marie- Rohini Raatz Bachelorthesis
Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
32
und Medikamentenabhängigkeit der Teilnehmer kann nicht bestätigt werden (vgl.
Morgenstern, 2012). Zu steigenden Abstinenzraten während der Therapie können Aussagen
in drei von sieben Studien festgehalten werden (vgl. Korcha u.a., 2013; Magill u.a., 2012;
Smedslund u.a., 2011). Magill u.a. (2012), beschreiben in ihrer Studie Reduzierungen und
Erhöhungen des Substanzgebrauchs. Beispielsweise zeigte die OP Patientengruppe keine
signifikante Reduzierung der Häufigkeit des Alkoholkonsums. Die Autoren begründen dies
als Ausdruck von Verunsicherung der Betroffenen. Sie kämpfen vermutlich mit der
Motivation zur Veränderung und damit, ob die Therapie wirklich zum gewünschten Ziel
führt (vgl. Magill u.a., 2013). Aus Sicht der Beurteilung der Evidenzen zu dem
Themenbereich Konsumverhalten muss kritisch angemerkt werden, dass Morgenstern u.a.
(2012) die Codierung der Gesprächsinhalte des ‚Client Change Talk‘ nicht transparent genug
dargestellt haben. Es sind Risiken zu vermuten, die auf eine unverhältnismäßige Selektion
der Äußerungen hindeuten könnten. Die Möglichkeit besteht, dass Faktoren, die zur
Reduzierung des Alkoholkonsums führten, stärker gewichtet wurden.
Zum letzten inhaltlichen Punkt kann zusammen getragen werden, dass Effekte von MI in
sechs von sieben Studien beschrieben werden. Drei von sieben Studien können positive
Effekte beschreiben (vgl. Foxcroft u.a., 2014; Korcha u.a., 2013; Smedslund u.a., 2011). Es
konnte eine minimale klinische Differenz für junge Erwachsene und ihren
Alkoholmissbrauch ermittelt werden, da die Menge und die Häufigkeit des Alkoholkonsums
durch MI beeinflussbar waren (vgl. Foxcroft u.a., 2014). Konträr dazu stehen die Ergebnisse
von Nahom (2005), denn der herausragende Erfolg von MI/AMI gegenüber anderen
Interventionen bleibt unklar. Es konnten keine statistisch signifikanten Ergebnisse gefunden
werden, die klar zeigen, wie eine Verhaltensveränderung durch eine der MI/AMI
Interventionen erfolgt. Über die Entstehungsmechanismen der Verhaltensveränderung kann
nichts ausgesagt werden. Es können keine Aussagen zur Wirksamkeit von MI/AMI gemacht
werden. MI/AMI ist nahezu ähnlich effektiv wie andere Interventionen in der
Psychotherapie (vgl. Nahom, 2005). Ebenfalls keine signifikanten Ergebnisse konnten von
Magill u.a (2013) und Morgenstern u.a. (2012) beschrieben werden. Im Hinblick auf die
Effektivität von MI wird in mehreren Studien die Beziehung zum Therapeuten bzw. das
Verhalten des Therapeuten als ein entscheidender zusätzlicher Faktor beschrieben. Es konnte
herausgestellt werden, dass die Zusammenarbeit mit dem Therapeuten46 einen eindeutigen
46 Die Zusammenarbeit mit den Therapeuten gemessen an dem ‚Helping Alliance Questionaire‘ im Intensiv MI über alle Therapiesitzungen beurteilten bzw. schätzten die Frauen deutlich höher ein als die Männer.
Marie- Rohini Raatz Bachelorthesis
Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
33
Einfluss auf die Reduzierung der Schwere der Alkoholabhängigkeit nach sechs Monaten
hatte (vgl. Korcha u.a., 2013). Dieses Ergebnis kann bestätigt werden durch Morgenstern
u.a. (2012), denn das Verhalten des Therapeuten kann die Motivation zur
Verhaltensveränderung des Einzelnen steigern. Dies bedeutet, dass die Beziehung zwischen
den Beteiligten einen Einfluss auf die Reduzierung des Alkoholkonsums hat (vgl.
Morgenstern u.a., 2012). Die Motivation entsteht durch die Interaktion zwischen Therapeut
und Patient. Dagegen nimmt der Therapeut nicht an, dass die Motivation eine Voraussetzung
für den Erfolg von MI ist. MI wird in diesem Fall als dynamischer Prozess verstanden (vgl.
Magill u.a., 2013). Es können aber keine überlegenen Erkenntnisse zur Unterstützung von
MI gefunden werden. Es konnten keine Vorhersagen über den weiteren Verlauf des
Alkoholkonsums gemacht werden. Eine Interpretation der Wirksamkeit von MI, SOMI und
SC ist schwierig. SC ist weniger effektiv als MI und SOMI, aber die Differenzen sind nicht
signifikant (vgl. Morgenstern u.a., 2012). Die drei gemessenen therapeutischen
Wirkvariablen, die von Magill, u.a. (2013) erhoben wurden, nahmen keinen Einfluss auf die
Veränderung des Patiententrinkverhaltens47 beider untersuchter Patientengruppen. Der
Fokus auf das Engagement zur Veränderung kann als aktiver Bestandteil der MI Therapie
herausgestellt werden, denn beide Untersuchungsgruppen profitierten davon und eine
Verhaltensveränderung trat nachhaltig ein (vgl. Magill u.a., 2013).
Die ermittelten Effekte von MI aller Studien müssen vor dem Hintergrund der nun mehrfach
dargestellten Bias Risiken mit Bedacht behandelt werden. Nahom (2005) hält fest, dass in
der Literaturübersicht keine der eingeschlossenen Studien transparent darlegen kann, wie sie
zu einigen Ergebnissen gelangt ist. Problematisch ist hier, dass keine einheitlichen
Messinstrumente für die einzelnen Interventionen angewendet wurden. Die Autorin
bemängelt ebenfalls, dass die gegenwärtige Literatur nicht die Möglichkeit bietet,
Interventionsverfahren in Verbindung mit dem Patienten Outcome zu beurteilen (vgl.
Nahom, 2005). Foxcroft u.a. (2014) beschreiben es als hilfreich, wenn es in Zukunft
einheitliche Berichterstattungen der Studien gäbe, dies würde die Vergleichbarkeit der
Ergebnisse und deren Effekte erleichtern. Ebenfalls negativ an dieser Stelle ist bei Foxcroft
u.a. (2014) anzumerken, dass sehr viele Outcome Parameter im Ergebnisteil betrachtet
wurden. Ein kleineres Ergebnisspektrum hätte die Resultate möglicherweise präzisiert und
komprimiert. Eine Schwierigkeit stellt die Vergleichbarkeit der Ergebnisse dar, denn die
47 Die Veränderung des Patiententrinkverhaltens ist meist zusätzlich abhängig von der Motivation des Einzelnen.
Marie- Rohini Raatz Bachelorthesis
Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
34
verschiedenen Behandlungsinhalte48 können die Ergebnisse zu beiden Seiten verzerren. Zum
einen zu Gunsten von Intensiv MI, da der gemeinsame Autor Galloway an der Entwicklung
von Intensiv MI sowie der vorliegenden Effektivitätskontrollstudie des Intensiv MI beteiligt
ist.49 Zum anderen aufgrund des Ernährungsseminars, welches Motivationen zu einer
gesunden Lebensweise erzeugen könnte und somit zu einer Reduzierung des
Suchtmittelkonsums beitragen könnte. Es sind einseitige Effekte zu Gunsten des Intensiv MI
durch 75 % Frauenanteil zu vermuten (vgl. Korcha u.a., 2013). Morgenstern u.a. (2012)
stellen fest, dass die bisher durchgeführten Studien über ein mangelhaftes Design verfügen.
Daher ist es auf dieser Grundlage schwer zu sagen, wie die Elemente funktionieren und wem
sie nutzen können. Magill u.a. (2013) konnten zwar den Fokus des Engagements als aktiven
Bestandteil beschreiben, aber es bleibt fraglich, ob dieses Ergebnis ausschließlich auf die
Wirksamkeit von MET zurückzuführen ist.
Der beschriebene Beziehungsaspekt zwischen Patient und Therapeut kann mit Hilfe des
Artikels von Lussier & Richard (2007) weiterführend erläutert werden. Der
patientenorientierte Umgang, im Hinblick auf die vorgeschlagene Therapie, und der
Umgang mit der Veränderung muss begleitet und unterstützt werden. Die Hilfen sollten
alltagsbezogen ausgewählt werden und den Betroffenen nicht überfordern. Der Therapeut
übernimmt die Rolle des Motivators. Gleichzeitig motiviert er auch den Erkrankten.
Ambivalente Äußerungen des Patienten sollten beachtet werden. Es zeigt sich im MI Prozess
als förderlich, die Zweifel und Konflikte zu lösen (vgl. Magill u.a., 2013). Erst das Begreifen
und die Motivation des Patienten bilden die Grundlage für die tatsächliche Veränderung.
Falls keine Veränderung erfolgt ist, sollte der Arzt gemeinsam mit seinem Patienten die
möglichen Gründe besprechen und gegebenenfalls sollte das eigene Selbstvertrauen bzw.
die eigenen Überzeugungen zur Umsetzung der Veränderung berücksichtigt werden (vgl.
Lussier & Richard, 2007). Der Artikel von Lussier & Richard (2007) konnte nicht anhand
der Beurteilungskriterien bewertet werden, deswegen sind seine Ergebnisse kritisch zu
betrachten. Inhaltliche Kritikpunkte sind, dass nur Annahmen über Wirkungen von MI in
verschiedenen medizinischen Beratungsgesprächen getroffen werden können. Außerdem
lässt sich sagen, dass das kontinuierliche Bemühen des Behandlers und die individuelle
Unterstützung des Einzelnen zum langfristigen Erfolg führen. Entscheidend ist, immer
48 Ernährungsseminar + Standard MI gegenüber Intensiv MI (vgl. Korcha u.a., 2013) 49Vergleiche dazu auch Nahom (2005), sie stellt ein eigens entwickeltes Modell zur Erfassung von Mechanismen die zur Verhaltensveränderung führen vor. Hier kommt es möglicherweise auch zur selektiven Betrachtung von MI/AMI.
Marie- Rohini Raatz Bachelorthesis
Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
35
wieder die Motivation des Patienten zu mobilisieren und ihn zu ermutigen, dass mühsam
erlernte Verhalten zur Routine werden zu lassen (vgl. Lussier & Richard, 2007).
Abschließend lässt sich sagen, dass die Ergebnisse der eingeschlossenen Studien teilweise
nachvollziehbar sind. Interessante Ergebnisse konnten ebenfalls gefunden werden. Jedoch
ist erkennbar, dass viele Ergebnisse durch die unklaren bis teilweise hohen Bias Risiken an
Gewichtung verlieren. Sowohl die hohe Heterogenität der beurteilten Studien, aber auch die
hohe Heterogenität der Primärstudien, innerhalb der SR erschweren die Vergleichbarkeit der
Ergebnisse (vgl. Foxcroft u.a., 2014; Smedslund u.a., 2011). In Bezug auf die Fragestellung
können in der Schlussfolgerung nur Annahmen bis vage Vermutungen geäußert werden.
Leider ist es aufgrund der geringen Datenlage nicht möglich präzise Ergebnisse zu
formulieren.
5.2 Limitationen der vorliegenden Bachelorarbeit
Hinsichtlich der geringen Datenlage sind einige methodische Limitationen der
Bachelorarbeit zu nennen. Möglicherweise wurden zu wenige Begriffe in den Datenbanken
eingegeben. Zum anderen besteht die Gefahr, dass es durch die Groß- und Kleinschreibung
zu weniger Treffern kam. Minimale Begriffszusätze bei den einzelnen Suchdurchläufen
haben vermutlich ebenfalls zur Reduzierung der Treffer geführt. MeSH-Terms erfassen viele
Begriffe. Vielleicht hätten eine gezieltere Freitextsuche und die Kombinationen noch einmal
zu anderen Trefferanzahlen geführt. Nicht in allen Datenbanken wurde mit dem kompletten
Begriffsbaum der MeSH-Terms gearbeitet. Die Synonyme variierten von Datenbank zu
Datenbank. Ein möglicher Aspekt ist auch, dass zu wenige Datenbanken durchsucht wurden.
Kritisch ist zu sehen, dass der Großteil der Studien die Wirkungen von MI im
Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum anspricht. Die verwendeten Bewertungskriterien
sind zwar standardisiert jedoch nur bei SR und RCT verlässlich anwendbar. Bei einigen
Studien wurden mehrere Bewertungslisten zur Einstufung angewendet. Ziel war es durch
mehrere Schemata die Transparenz der Entscheidung herzustellen. Die Evidenzeinstufung
und das Zusammenführen der Ergebnisse erfolgte auf der Basis von unterschiedlichen
Studiendesigns50. Verschiedene Studiendesigns erschweren die Vergleichbarkeit der
Ergebnisse sowie die der Evidenzen. Einschlusskriterien für die systematische Recherche
waren zu Beginn vermutlich zu eng gefasst. Dadurch sind aufgrund der Fragestellung viele
interessante Artikel zur Reduzierung des Alkoholkonsums durch MI im Vorfeld
50 Studiendesigns der eingeschlossenen Studien: zweimal SR, RCT, Literaturreview, Pilotstudie, Querschnittsstudie, Expertenmeinung
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Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
36
ausgeschlossen worden. Die alleinige Volltextansicht bei über 1000 Treffern, sowie die
zeitliche Eingrenzungen der eingeschlossenen Studien von 2005-2015, limitierte die geringe
Studienanzahl zusätzlich. Zu bedauern ist der Ausschluss der drei relevanten Systematic
Reviews, da nur ein vorläufiger Abstract jeweils vorhanden war.51 Anders als bei
Systematischen Übersichtarbeiten erfolgte die Ergebniseinschätzung und Darstellung nur
durch eine Autorin.
6. Schlussfolgerung Keines der Studienresultate kann aussagekräftige Ergebnisse zum Anwendungsbereich der
betrieblichen Suchtprävention leisten. Es konnten innerhalb der systematisch angelegten
Recherche keine Studien zu MI und seiner Wirkung in der betrieblichen Suchtprävention
gefunden werden. Aufgrund der geringen Datenlage können nur Annahmen zur Wirksamkeit
von MI im Bereich der betrieblichen Suchtprävention formuliert werden. Die Begründung
für die Anwendung der MI-Methode als Intervention der Betrieblichen Suchtprävention
wurde vor dem Hintergrund des Stufenplans52 erläutert.
Für das Erstgespräch, ‚Einstieg in den Stufenplan‘, scheint die MI Intervention nicht sinnvoll
zu sein. Zu diesem Zeitraum ist der betroffene Gesundheits- und Krankenpfleger sich
vermutlich noch nicht bewusst, dass seine Abhängigkeitserkrankung aufgefallen ist. Wie in
der Einleitung bereits deutlich wurde, neigen Gesundheits- und Krankenpfleger dazu, Stress,
Angst und Schmerz mit Alkohol und Drogen zu bekämpfen (vgl. Baldisseri, 2007). In den
vorliegenden Studien wurde oft berichtet, dass keine Aussagen zur Bereitschaft zur
Veränderung getroffen werden konnten, da diese Resultate nicht hinreichend beschrieben
wurden. Nahom (2005) konnte Wissens- und Verständnislücken in Bezug auf MI/AMI
beleuchten und zukünftige Forschungsziele formulieren. Sie schlägt beispielsweise
Analysen zur Wirksamkeit von MI/AMI vor. Diese Ergebnisse könnten die Praxis nachhaltig
verbessern. Sie stellte heraus, dass zu wenig darüber bekannt sei, wie die Interventionen
funktionieren und wie durch diese eine Verhaltensveränderung erreicht wird. Es ist zu
diesem frühen Zeitpunkt im Stufenplan fraglich, ob der Betroffene bereit ist, Rat
anzunehmen. Es gibt Hinweise darauf, dass es unterschiedliche situative Motivationsmuster
der Betroffenen gibt (vgl. Lussier & Richard, 2007). Um wirksam in der betrieblichen
51 s. Anhang: 8.2.3 Datenbank Cochrane Library, Suchlauf neun. 52 Die Strukturierung der Schlussfolgerung ist angelehnt an den Stufenplan der DHS. Titel: ‚Entwurf eines Interventionsleitfadens bei Auffälligkeiten am Arbeitsplatz (Öffentlicher Dienst)‘ (Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), 2011, S. 133-134).
Marie- Rohini Raatz Bachelorthesis
Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
37
Suchtprävention vorzugehen, erscheint es sinnvoll, individuelle Ziele zu formulieren, damit
die Motivation des Betroffenen steigt.
In dem darauf folgenden zweiten Gespräch wäre ein Beginn mit MI denkbar, denn auf
Wunsch des erkrankten Mitarbeiters können Ansprechpersonen für Suchtfragen bzw.
Ansprechpartner der Mitarbeiterberatung mit in den Interventionsprozess integriert werden.
Es fällt auf, dass der Mitarbeiter ab diesem Zeitpunkt und zu allen weiteren Gesprächen,
einschließlich Gespräch vier, mit seinem Fehlverhalten konfrontiert wird. Eine vage
Vermutung, basierend auf einer Studie (vgl. Magill u.a., 2013) besagt, dass gerade der Fokus
auf Ambivalenz und Diskrepanz als kontraindiziert gilt, MI scheint sich nicht als Maßnahme
zur Konfliktbewältigung zu eignen. Die Übertragbarkeit an dieser Stelle ist schwierig, da
diese Aussage (vgl. Magill u.a., 2013) in einem anderen Therapiezusammenhang ermittelt
worden ist. MI könnte in der Phase zu Erfolgen führen, vorausgesetzt, der betroffene
Gesundheits- und Krankenpfleger sieht seine Erkrankung ein und zeigt auch den Willen bzw.
ist motiviert, sich helfen zu lassen.
Zum Zeitpunkt des dritten Gespräches ist die Teilnahme an MI-Therapiesitzungen sinnvoll
bis notwendig. Dadurch könnte ein Gegenpol geschaffen werden. Schwerpunkt des
Therapeuten könnte an dieser Stelle sein, sich erst den inneren Konflikten des Erkrankten
durch den Aufbau von Diskrepanz zu widmen. Im darauf folgenden Schritt kann versucht
werden, den Konflikt zu lösen. Ziel ist es, Stärken des Betroffenen zu intensivieren, um
daraus Motivation für die angedachte Veränderung zu schaffen (vgl. Magill u.a., 2013).
Vielleicht kann durch diesen Schwerpunkt versucht werden, dem Betroffenen eine
Perspektive zur Selbsterkenntnis zu geben. Wirksam ist das Wiederholen der Anforderungen
bis das veränderte Verhalten einsetzt und routiniert in den Alltag des Betroffenen integriert
ist (vgl. Lussier & Richard, 2007). In Zukunft ist es wichtig, ein Augenmerk auf die
Gemeinsamkeiten und auf die Wirkweise von MI zu legen (vgl. Morgenstern u.a., 2012).
Denn die vorliegende Literatur bietet nicht die Möglichkeit, Interventionsverfahren in
Hinblick auf die Patienten Outcomes zu beurteilen (vgl. Nahom, 2005).
Auffallend ist, dass der Rückmeldezeitraum von sechs bis acht Wochen innerhalb des
Stufenplans für den Wirkzeitraum von MI problematisch gewählt ist. Die eingeschlossenen
Studien beschreiben positive Effekte von MI gehäuft zwischen zwei Wochen (vgl. Magill
u.a., 2013; Morgenstern u.a., 2012), zwei Monaten (vgl. Korcha u.a., 2013; Morgenstern
u.a., 2012) bis hin zu sechs Monaten (vgl. Foxcroft u.a., 2014; Magill u.a., 2013; Smedslund
Marie- Rohini Raatz Bachelorthesis
Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
38
u.a., 2011). Abschließend lässt sich sagen, dass die evidente Anwendung von MI in der
betrieblichen Suchtprävention noch durch Studien belegt werden muss.53 Es bleibt trotz der
Annahmen unklar, ob die MI-Therapie auch signifikante Effekte bei
Medikamentenabhängigen zeigt. Die Wirksamkeit von MI in Bezug auf diese
Patientengruppe muss näher erforscht werden.
Hinsichtlich der zentralen Fragestellung konnte beantwortet werden, dass MI in der
betrieblichen Suchtprävention, zu den hier dargestellten Zeitpunkten, positive Effekte zeigen
kann. Durch die ermittelten Ergebnisse ist MI im Rahmen des Stufenplans umsetzbar und
eignet sich, unter Berücksichtigung der geringen Datenlage, als Intervention der
betrieblichen Suchtprävention. Es kann eine Wirksamkeit von MI, in Bezug auf die
Medikamentenabhängigkeit, vermutet werden. Es ist mehr Forschung in Bezug auf die MI-
Therapie innerhalb der betrieblichen Suchtprävention notwendig (vgl. Foxcroft u.a., 2014;
Magill u.a., 2013; Morgenstern u.a., 2012; Nahom, 2005).54 Im zweiten Schritte könnte
anhand des zeitlichen Rahmens des Stufenplans ermittelt werden, wann MI gezielt die
Motivation steigern soll, damit die Ziele der betrieblichen Suchtprävention, aber auch die
des betroffenen Gesundheits- und Krankenpflegers, erfolgreich verfolgt werden können.
Im Anhang unter 8.4 Vorstellung der Literaturergebnisse können zu jeder eingeschlossenen Studie 53die Schlussfolgerung der jeweiligen Autoren, aber auch die Kritische Bewertung, Ideen für den Forschungsansatz in der Betrieblichen Suchtprävention bieten. 54die Begründungen in der jeweiligen Schlussfolgerung der Autoren nachgelesen werden.
Marie- Rohini Raatz Bachelorthesis
Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
39
7. Literarturverzeichnis
ABELER, J. (2013). Sucht unter Pflegekräften. In B. Badura (Hrsg.), Fehlzeiten-Report
2013: Verdammt zum Erfolg-die süchtige Arbeitsgesellschaft?, o.A. (S. 155; S.159).
Berlin, Heidelberg: Springer Verlag.
BALDISSERI, M. R. (2007). Impaired healthcare professional. Critical Care Medicine,Vol.
35, No. 2, S. 106-116.
BONNET, U. (2011). Unstillbares Verlangen nach einem Anästhetikum. Neurologie &
Psychiatrie; Vol. 13, Nr. 4, S.40-44.
BUNDESMINISTERIUM FÜR GESUNDHEIT (2011). Unternehmen unternehmen Gesundheit:
Betriebliche Gesundheitsförderung im Fokus der kleinen und mittleren Unternehmen. 2.
Auflage, Niestetal: Silber Druck ohG, S.7.
DAVISON, G. C., NEALE, J. M. & HAUTZINGER, M. (2007). Klinische Psychologie., 7.
vollständig überarbeitete und .erweiterte Ausgabe, Weinheim, Basel: Belz Verlag. S. 412.
DEUTSCHE HAUPTSTELLE FÜR SUCHTFRAGEN (DHS).(Hrsg.). (2011). Qualitätsstandards in
der betrieblichen Suchtprävention und Suchthilfe der Deutschen Hauptstelle für
Suchtfragen (DHS): Ein Leitfaden für die Praxis. 2. aktualisierte und ergänzte Auflage
Januar 2011
Verfügbar unter:
http://www.dhs.de/fileadmin/user_upload/pdf/Arbeitsfeld_Arbeitsplatz/Qualitaetsstandards
_DHS_2011.pdf
Zuletzt überprüft am: 27.03.2015 um 11:42h
ENNENBACH, M. & SOYKA, M. (2007). Identifikation von pathogenem Alkoholkonsum und
Suchtprävention: Ergebnisse einer Mitarbeiterbefragung an einer Rehabilitationsklinik.
Der Nervenarzt.2007/78. S. 530-535.
ENNENBACH, M. GASS, B., REINECKER, H. SOYKA, M. (2009). Wirksamkeit betrieblicher
Suchtprävention: Ergebnisse einer empirischen Untersuchung. Der Nervenarzt. 2009/80:
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Kriterien des GKV-Spitzenverbandes zur Umsetzung der §§ 20 und 20a SGB V vom 21.
Juni 2000 in der Fassung vom 10. Dezember 2014
Verfügbar unter:
http://www.gkv-
spitzenverband.de/krankenversicherung/praevention_selbsthilfe_beratung/praevention_und
_betriebliche_gesundheitsfoerderung/leitfaden_praevention/leitfaden_praevention.jsp
Zuletzt überprüft am: 27.03.15 um 11:18h.
Marie- Rohini Raatz Bachelorthesis
Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
40
GKV-SPITZENVERBAND. (2015). Wir über uns.
Verfügbar unter:
http://www.gkv-spitzenverband.de/gkv_spitzenverband/wir_ueber_uns/wir_ueber_uns.jsp
Zuletzt überprüft am: 12.04.15 um 16:01h.
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Marie- Rohini Raatz Bachelorthesis
Thema: Prävention von Medikamentenabhängigkeit
41
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abellen/KrankenhaeuserJahreVeraenderung.html
Zuletzt überprüft am: 07.01.2015 um 10:44h.
TRINKOFF, A. M. & STORR, C. L. (1998). Substance Use among Nurses: Differences
between Specialties. American Journal of Public Health, Vol. 88, No. 4, S. 581-585.
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Drogenabhängigkeit bei Medizinischem Personal: Ergänzung des Handlungskonzeptes
zum Umgang mit sucht- und substanzbezogenen Störungen bei Mitarbeiterinnen und
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STULLENBARGER, N. E. N. (2012). Opioid Abuse Among Nurse Anesthetists and
Anesthesiologists. American Association of Nurse Anesthetists Journal, Vol. 80, No. 2 S.
120-128.
8. Anhang
1
8. Anhang 8.1 Die fünf Standard-Elemente von Interventionen der betrieblichen Suchtprävention der DHS .... 2
8.2 Tabelle zur Literaturrecherche mit Trefferanzahl und Darstellung der relevanten Studien .......... 4
8.2.1 Datenbank CINAHL ............................................................................................................... 4
8.2.2 Datenbank Pubmed ................................................................................................................. 7
8.2.3 Datenbank Cochrane Library ................................................................................................. 9
8.3 Flow-Chart zur Darstellung der Studienauswahl......................................................................... 13
8.4 Vorstellung der Literaturergebnisse ............................................................................................ 14
8.4.1 ‘Motivational interviewing for alcohol misuse in young adults (Review)’ .......................... 14
Autoren: Foxcroft, D.R., Coombes, L., Wood, S., Allen, D. & Almeida Santimano, N.M.L.
(2014) ............................................................................................................................................ 14
8.4.2 ‘Intensive Motivational Interviewing for women with concurrent alcohol problems and
methamphetamine dependence’ .................................................................................................... 17
Autoren: Korcha, R. A.,Polcin, D.L., Evans, K., Bond, J. C. & Galloway, G.P. (2013) .............. 17
8.4.3 ‘The motivational Interview: in practice.’ ............................................................................ 20
Autoren: Lussier, M.-T., Richard, C. (2007) ................................................................................. 20
8.4.4 ‘Therapist focus on ambivalence and commitment: a longitudinal analysis of Motivational
Interviewing treatment ingredients.’ ............................................................................................. 22
Autoren: Magill, M., Stout, R. L. & Apodaca, T. R. (2013). ........................................................ 22
8.4.5 ‘Motivational Interviewing: A Pilot Test of Active Ingredients and Mechanisms of Change’
....................................................................................................................................................... 26
Autoren: Morgenstern, J., Kuerbis, A., Amrhein, P., Hail, L., Lynch, K. & McKay, J.R. (2012) 26
8.4.6 ‘Motivational Interviewing and Behavior Change: How Can We Know How It Works?’ .. 30
Autor: Nahom, D. (2005) .............................................................................................................. 30
8.4.7 ‘Motivational interviewing for substance abuse’ ................................................................. 33
Autoren: Smedslund, G., Berg, R.C., Hammerstrøm, K. T., Steiro, A., Leiknes, K.A., Dahl, H.M.
& Karlsen, K. (2011) ..................................................................................................................... 33
8.5 Übersicht der Bias Risiken der eingeschlossen Studien .............................................................. 36
8.6 Übersicht der Ergebnisse der eingeschlossenen Studien ............................................................. 37
8.7 Beurteilungskriterien zur kritischen Bewertung der eingeschlossenen Studien .......................... 38
2
8.1 Die fünf Standard-Elemente von Interventionen der betrieblichen Suchtprävention
der DHS1
„a)
Vorbeugung von riskantem Konsum und Suchtgefährdungen im Betrieb
Information und Aufklärung der Beschäftigten über einen riskanten Konsum von
Suchtmitteln oder ein riskantes Verhalten, aus dem negative gesundheitliche und soziale
Folgen resultieren, u.a.Suchtgefährdungen entstehen können, über Möglichkeiten,
Besonderheiten und Verlauf von therapeutischen und beraterischen Hilfen insbesondere
für Suchtgefährdete und -kranke;
Veränderung der Konsumkultur, Punktnüchternheit: Arbeiten im nüchternen
Zustand,Vorbildverhalten von Schlüsselpersonen, Stärkung positiver Modelle,
Reduzierung der Zugriffsmöglichkeiten, einschränkende Regelungen für den Konsum
bzw. Verbot der Arbeit unter Einfluss von Suchtmitteln;
Angebot verhaltensbezogener Maßnahmen zur Unterstützung der Konsumreduzierung,
u.a. Kurse zum Nichtrauchen, Kontrolliertes Trinken, gesunde Ernährung;
Abbau von Suchtmittelkonsum fördernden und Gesundheit gefährdenden
Arbeitsbedingungen, Reduzierung psychischer Belastungen, Unterstützung in
belastenden Arbeitssituationen, Präventionsmaßnahmen in Verbindung mit
Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung, Ausbau salutogener Arbeitsbedingungen;
Erweiterung der Gesundheitskompetenz der Beschäftigten zur Bewältigung der
Anforderungen aus Arbeit und Freizeit, Hilfen zur Stressbewältigung, Qualifizierung zu
gesundheitsorientiertem Führen.
b)
Intervention bei Auffälligkeiten und Qualifizierung der Personalverantwortlichen
Vereinbarung eines Interventionsleitfadens als Handlungsanleitung für
Vorgesetzte mit a)Fürsorge- und b) Klärungsgespräch sowie c) einer gestuften
Gesprächsfolge zur Intervention bei suchtmittelbedingten Auffälligkeiten von
Beschäftigten am Arbeitsplatz;
Handlungsanleitung für das Vorgehen bei Gefährdung der Arbeitssicherheit nach
BGV A1 / GUV V A1 § 7 und §15;
Qualifizierung und Sensibilisierung der Personalverantwortlichen, insbesondere
der Vorgesetzten,für die Wahrnehmung von Veränderungen im Arbeits- und
Leistungsverhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Ermutigung zur
frühzeitigen Intervention, Beratung und Coaching von Führungskräften in
Verbindung mit lösungsorientierten Interventionen;
Unterstützung der Vorgesetzten zur Entwicklung einer gesundheits- und
mitarbeiterorientierten Führungskultur, Ansätze zur Verbesserung der
Kommunikationsstrukturen im Arbeitsumfeld, Erweiterung der Kompetenz,
Probleme sachgerecht ansprechen und bei Konflikten oder Fehlentwicklungen
korrigierend eingreifen zu können.
c)
Interne und externe Beratungsangebote, betriebliches Unterstützungssystem Angebot von Beratung und Hilfe für Beschäftigte mit gesundheitsriskantem Verhalten,
Suchtgefährdeten und Suchtkranken auf professioneller Basis, ggf. mit besonderer
Ausrichtung auf spezifische Beschäftigtengruppen;
Einsatz haupt- oder nebenamtlicher Beratungskräfte und Ansprechpersonen, welche die
Beschäftigten informieren, die Personalverantwortlichen qualifizieren und coachen
sowie die Suchtgefährdeten und -kranken beraten und begleiten;
1 Die folgende Darstellung (S.2+3) ist komplett wörtlich zitiert. (Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), 2011, S. 5+6)
3
Abstimmung verbindlicher Grundlagen für die Arbeit der Beratungskräfte im Betrieb,
Schaffung eines angemessenen Rahmens für eine professionelle Beratungstätigkeit;
Einsatz ressourcen- und lösungsorientierter Beratungsansätze, Hilfe zur Selbsthilfe und
Stärkung der Selbstwirksamkeit als Ziel in der Beratungstätigkeit;
Sicherstellung der Qualität und Aktualität des internen Beratungsangebotes durch
einschlägige Qualifizierung, Weiterbildung und Supervision der Fachkräfte, aktive
Mitarbeit in fachbezogenen Netzwerken;
Sicherstellung eines qualifizierten Case Managements für auffällig gewordene
Beschäftigte, die dies wünschen; gute Vernetzung im internen Unterstützungssystem mit
Betriebsärzten und anderen Fachkräften sowie mit dem regionalen Facheinrichtungen;
Bei Einsatz externer Dienstleister: qualifizierte Auswahl der Anbieter entlang der hier
beschriebenen Standards, Zusammenarbeit auf der Basis von Kontrakten und Evaluation
der Arbeit.
d)
Organisatorischer Rahmen und strukturelle Einbindung Bildung einer Steuerungsgruppe (Arbeitskreis Suchtprävention/Gesundheit), die für die
konzeptionelle Gestaltung und praktische Umsetzung, für die Budgetierung, für die
Evaluation, Qualitätssicherung und die Weiterentwicklung des Suchtpräventions- und
Suchthilfeprogramms verantwortlich ist;
Schriftliche Vereinbarung des Programms bzw. der Maßnahmen zur Suchtprävention-
und -hilfe, möglichst in Form einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung;
Positionierung der Suchtprävention und Suchthilfe als Teil des präventiven
Arbeitsschutzes zur Vorbeugung und Einschränkung gesundheitlicher Gefährdungen am
Arbeitsplatz durch einen riskanten Konsum von Suchtmitteln oder suchtbedingten
Verhaltensweisen;
Einbindung in das betriebliche Gesundheitsmanagement, Verknüpfung mit der
Gesundheitsförderung, dem Betrieblichen Eingliederungsmanagement, mit der Personal-
sowie Organisationsentwicklung und - wenn möglich - auch mit dem
Qualitätsmanagement.
e)
Marketing und Qualitätssicherung Koordination der Aktivitäten und Maßnahmen durch eine(n)
Programmverantwortliche(n);
Innerbetriebliches Marketing: Ermittlung der Unterstützungsbedarfe, besonders auch
von Personalverantwortlichen, Präsentation des Dienstleistungs-, Beratungsangebotes,
Öffentlichkeitsarbeit im Betrieb und darüber hinaus;
Einbindung in betriebliche Präventionsaktivitäten des Arbeits- und Gesundheitsschutzes
und der Gesundheitsförderung, z.B. Information über Risiken und Angebote bei der
Einweisung in die Arbeitssicherheit, Präsenz auf dem Gesundheitstag;
Beteiligung an fachlichen Netzwerken u.a. Regionale Arbeitskreise Suchtprävention;
Qualitätssicherung der Dienstleistungen der betrieblichen Suchtprävention und -hilfe,
u.a. regelmäßige Überprüfung der Aktualität der praktizierten Standards, Supervision
und Weiterbildung;
Evaluation der Maßnahmen und des Programms, Auswertung der Ergebnisse zur
konzeptionellen Weiterentwicklung, Bericht an Steuerkreis und/oder Leitung.“
(Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), 2011, S. 5+6)
4
8.2 Tabelle zur Literaturrecherche mit Trefferanzahl und Darstellung der relevanten Studien
8.2.1 Datenbank CINAHL
Name der
Datenbank
Datum
Suchlauf
Verwendete
Freitextbegriffe/Stichworte
MeSH- Terms/
Kombinationen
Treffer Ausschlusskriterien
Titel
Interventionsgruppe
Erscheinungsjahr vor
2005
*bei mehr als 1000
Treffern nur
verfügbare Volltexte
anzeigen
Ausgeschlossen
e Studien
Ausgewählte
Studien um
den Abstract
zu lesen
Relevante Studien
CINAHL
12 Suchläufe 1936 387/1936 Treffern
durchsucht
381/387 6
17.April 201 5
9:30h- 13:30h
1)
Substance-Related Disorders
mit
Chemically Induced/CI AND
Prevention AND Control/PC AND Substance- Related
Disorders
1 0 0 1 1
Titel:
Trauma & addiction: implications
for helping professionals.
Autoren: Cross CL1, Ashley L.
2) Substance-Related Disorders
AND
Substance-Related Disorders
21 7/21 13/14 1 1
Titel:
Trauma & addiction: implications
for helping professionals.
Autoren: Cross CL1, Ashley L.
3) Opioid-Related Disorders
(MeSH-Term nicht vorhanden)
2 0 1/2 1 0
4) Motivational Interviewing
mit Adverse Effects AE AND
Evaluation EV
AND Motivational
Interviewing
46 1/46 42/45 2/3 1
Titel:
Strategies in health-promoting
dialogues - primary healthcare
nurses' perspectives - a qualitative
study.
5
Autoren: Hörnsten Å, Lindahl K,
Persson K, Edvardsson K.
5) (MH "Health Promotion")
AND (MH "Health Promotion
(Saba CCC)") AND (MH
"Mental Health Promotion
(Saba CCC)")
67 0 67 0
6) 4 +5 (MH "Motivational
Interviewing/AE/EV") AND
Motivational Interviewing
AND (MH "Health
Promotion") AND (MH
"Health Promotion (Saba
CCC)") AND (MH "Mental
Health Promotion (Saba
CCC)")
0 0 0 0
7) 6+2 (MH "Motivational
Interviewing/AE/EV") AND
Motivational Interviewing
AND (MH "Health
Promotion") AND (MH
"Health Promotion (Saba
CCC)") AND (MH "Mental
Health Promotion (Saba
CCC)") AND Substance-
Related Disorders AND
Substance-Related Disorders
0 0 0 0
8) (MH "Substance Use
Disorders/CI/PC") OR "Substance-Related
Disorders" AND (MH
"Health Promotion") AND
(MH "Health Promotion (Saba
CCC)") AND (MH "Mental
Health Promotion (Saba
22 22 0 0 0
6
CCC)") AND(MH
"Motivational
Interviewing/AE/EV") AND
"Motivational Interviewing"
9) Motivational Interview AND
Substance abuse
7 3/7 3/4 1 0
10) Motivational Interview 51 8/51 38/43 3/5 2
1)
Titel:
Communication tips: the
motivational interview.
Autoren:
Lussier, M.- T., Richard, C.
2)
Titel:
The motivational interview: in
practice.
Autoren:
Lussier, M.- T., Richard, C.
11) Motivational interviewing 1718 127/1718 169*/1591 168/169 1
Titel:
Motivational Interviewing
and Behavior Change:
How Can We Know How It
Works?
Autor:
Nahom, D.
12)) Motivational
Interviewing AND chemical
dependency
1 1 0 0 0
7
8.2.2 Datenbank Pubmed
Name der
Datenbank
Datum
Suchlauf
Verwendete
Freitextbegriffe/Stichworte
MeSH- Terms/
Kombinationen
Treffer Ausschlusskriterien
Titel
Interventionsgruppe
Erscheinungsjahr
vor 2005
*bei mehr als 1000
Treffern nur
verfügbare Volltexte
anzeigen
Ausgeschlossene
Studien
Ausgewählte
Studien um
den Abstract
zu lesen
Relevante Studien
Pubmed
13 Suchläufe 1.025.202 358/1.025.202
Treffern durchsucht
355/358 3
18.04.15
13:45- 16:15h
1)
Substance-Related Disorders 227774
2) Opioid-Related Disorders 19323
3) Motivational Interviewing 402
4) 1+2+3 Substance-Related
Disorders"[Mesh]) AND
Opioid-Related
Disorders[MeSH Terms])
AND Motivational
Interviewing[MeSH Terms]
1 1 0 0 0
5) "Substance-Related
Disorders"[Mesh]) AND
Motivational
Interviewing[MeSH Terms]
135 130/135 5/5 1 1)
Titel:
Therapist Focus on Ambivalence
and Commitment: A
Longitudinal Analysis of
Motivational Interviewing
Treatment
Ingredients
Autoren: Magill, M., Stout, R. L.
& Apodaca,T. R.
6) workplace health promotion 2442
8
7) 3+6 Motivational Interviewing AND workplace health
promotion
2 2 0 0 0
8) health promotion[MeSH
Terms]
56218
9) 7 +8 (health promotion[MeSH
Terms]) AND Motivational
Interviewing[MeSH Terms]
51 50/51 1 1 0
10) effectiveness, treatment[MeSH
Terms]
685826
11) 3+10 (effectiveness,
treatment[MeSH Terms])
AND Motivational
Interviewing[MeSH Terms]
125 125 122/125 2/3 1.
Titel:
Therapist focus on ambivalence
and commitment: a longitudinal
analysis of Motivational
Interviewing treatment
ingredients.
Autoren: Magill, M., Stout, R. L.
& Apodaca,T. R.
12) workplace 32859
13) 8+10+12 ((health promotion[MeSH
Terms]) AND effectiveness,
treatment[MeSH Terms]))
AND workplace
44 0 43/44 1 1.
Titel:
Health Promotion in Small
Business
A Systematic Review of Factors
Influencing Adoption and
Effectiveness
of Worksite Wellness Programs
Autoren:
McCoy, K., Stinson, K., Scott, K.,
Tenney, L. Newman, L. S.
9
8.2.3 Datenbank Cochrane Library
Name der
Datenbank
Datum
Suchlauf
Verwendete
Freitextbegriffe/Stichworte
MeSH- Terms/
Kombinationen
Treffer Ausschlusskriterien
Titel
Interventionsgruppe
Erscheinungsjahr
vor 2005
*bei mehr als 1000
Treffern nur
verfügbare Volltexte
anzeigen
Ausgeschlossene
Studien
Ausgewählte
Studien um
den Abstract
zu lesen
Relevante Studien
Cochrane Library
14 Suchläufe 29.135 97/29.135 Treffern
durchsucht
88/97 9
19.04.15
10:50- 13.30
1)
Substance-Related Disorders 9634
2) Opioid-Related Disorders 1248
3) Motivational Interviewing 143
4) Health Promotion 4075
5) Substance-Related Disorders 4407
6) Opioid-Related Disorders 804
7) Motivational Interviewing 1277
8) Health Promotion 7210
9) 1+3 Substance-Related Disorders
AND Motivational
Interviewing
54 46/54 3/8
Nur der
Abstract:
1)Evidence
based
psychosocial
interventions
in substance
use
(Provisional
abstract)
2)
5
1)
Titel:
Motivational interviewing for
alcohol misuse in young adults
(Review)
Autoren:
Foxcroft, D.R., Coombes, L.,
Wood, S., Allen, D., & Almeida
Santimano, N.M.L.
2)
Titel.
10
Patient
attitudes
towards
change in
adapted
motivational
interviewing
for substance
abuse: a
systematic
review
(Provisional
abstract)
3)Motivational
interviewing
for adolescent
substance use:
a review of the
literature
(Structured
abstract)
Motivational Interviewing: A Pilot
Test of Active Ingredients and
Mechanisms of Change
Autoren.
Morgenstern, J.,Kuerbis, A.,
Amrhein, P., Hail, L., Lynch,
K.,& McKay, J.R.
3)
Titel:
Ethnic Differences in the Effect of
Drug Use and Drug
Dependence on Brief Motivational
Interventions Targeting
Alcohol Use
Autoren:
Field, C. A., Cochran, G. &
Caetano, R.
4)
Titel:
Intensive Motivational
Interviewing for women with
concurrent
alcohol problems and
methamphetamine dependence
Autoren:
Korcha, R. A.,Polcin, D.L., Evans,
K., Bond, J. C., Galloway, G.P.
5)
Titel:
Therapist Focus on Ambivalence
and Commitment: A
Longitudinal Analysis of
Motivational Interviewing
Treatment
Ingredients
11
Autoren: Magill, M., Stout, R. L.
& Apodaca,T. R.
10) 2+3 Opioid-Related Disorders
AND
Motivational Interviewing
0 0 0 0 0
11) 7+8 Motivational Interviewing
AND Health Promotion
240
12) 5+11 Motivational Interviewing
Health Promotion AND
Substance- related disorders
42 39/42 3 3
1)
Titel:
Motivational interviewing for
substance abuse
Autoren:
Smedslund, G., Berg, R.C.,
Hammerstrøm, K. T., Steiro, A.,
Leiknes, K.A., Dahl, H.M.,
Karlsen, K.
2)
Titel:
Motivational interviewing for
alcohol misuse in young adults
(Review)
Autoren:
Foxcroft, D.R., Coombes, L.,
Wood, S., Allen, D., & Almeida
Santimano, N.M.L.
3)
Titel:
Supported employment for adults
with severe mental illness
(Review)
Autoren:
Kinoshita, Y., Furukawa, T.A.,
Kinoshita, K., Honyashiki, M.,
Omori, I.M., Marshall, M., Bond
12
G.R.,Huxley, P., Amano, N.,&
Kingdon, D.
13) 1+2+3+4 Substance-Related Disorders
AND
Opioid-Related Disorders
AND
Motivational Interviewing
AND
Health Promotion
0
14) 5+6+7+8 Substance-Related Disorders
AND
Opioid-Related Disorders
AND
Motivational Interviewing
AND
Health Promotion
1 1)
Titel:
Mentoring adolescents to prevent
drug and alcohol use
(Review)
Autoren:
Thomas, R.E., Lorenzetti, D., &
Spragins, W.
13
8.3 Flow-Chart zur Darstellung der Studienauswahl
Durch Kombination
der Begriffe wurden
schließlich 842 Treffer
durchsucht
13 relevante Studien durch das Lesen
des Abstracts genauer gesichtet
5 Studien
aufgrund von
Duplikaten
ausgeschlossen
5 Studien
aufgrund des
Inhalts,
Interventions-
gruppe oder
Outcomes
ausgeschlossen
7 relevante Studien gehen als
wissenschaftliche Texte in die
Bachelorarbeit ein
Insgesamt 1.056.273
Treffer in allen
durchsuchten
Datenbanken
18 relevante Studien passen nach den
Ein- und Ausschlusskriterien zur
Bachelorarbeit
14
8.4 Vorstellung der Literaturergebnisse
8.4.1 ‘Motivational interviewing for alcohol misuse in young adults (Review)’
Autoren: Foxcroft, D.R., Coombes, L., Wood, S., Allen, D. & Almeida Santimano, N.M.L. (2014)
Studiendesign Systematic Review
Ziel Der vorliegende systematische Review möchte die Effektivität von MI als Interventionen als Teil der Präventionsmaßnahme für
Alkohol- und alkoholbedingte Probleme evaluieren. Es sollen Effekte von MI, in Bezug auf Alkoholmissbrauch bzw. durch Alkohol
verursachte Probleme untersucht werden. Bei dem Personenkreis handelt es sich um junge Menschen die zwischen 15 und 26 Jahren
alt sind.
Die speziellen Ziele der Studie lauten wie folgt:
1) Es soll der aktuelle Stand der Evidenzen zu den Effekten von MI zusammengefasst dargestellt werden. Schwerpunktmäßig sollen
Alkohol- und alkoholbedingte Probleme bei jungen Menschen untersucht werden. Die MI Intervention soll entweder mit einer
weiteren Intervention verglichen oder einzeln überprüft werden. Weitere Ergebnisparameter können der Vergleich zum
Alkoholkonsum oder anderen inhaltlich-materiellen Outcomes sein.
2) Ebenfalls soll untersucht werden, ob sich die Effekte von MI aufgrund der Länge der Intervention verändern.
Folgende Vergleiche wurden vorgenommen:
1) MI wurde gegenüber einem Placebo, keiner Intervention oder dem normalen Procedere getestet.
2) MI wurde gegenüber einer alternativen Intervention geprüft. (z.B. Training zur Selbstkontrolle; praxisbezogene Trainings;
konfrontatives Feedback; kompetenzorientierte Beratung, Zwölf-Stufen Förderung, kurzes Feedback; Risikominderung; Rezidiv-
Prävention oder kognitive-Verhaltenstherapie)
Ziele der eingeschlossenen Studien:
Primärergebnisse: Der Alkoholmissbrauch wird über verschiedene standardisierte Assessmentinstrumente gemessen, parallel wurde
die Blutalkoholkonzentration erhoben, sie gilt als objektiv messbar. Erhoben werden diese Ergebnisse zu verschiedenen
Messzeitpunkten (Follow-Up), zum einen in dem Zeitraum von weniger als vier Monaten nach der Intervention (MI) und zum anderen
im Zeitraum von mehr als vier Monaten bzw. nach anzahlmäßig mehreren Interventionen.
Sekundärergebnisse: Diese beziehen sich auf kriminelle Handlungen, als Konsequenz aus dem Alkoholmissbrauch. Unangemessenes
Verhalten, ungewollter oder ungeschützter Geschlechtsverkehr, der Konsum von weiteren Drogen sowie das Rauchen sind von
Bedeutung. Als drittes wird bei den Sekundärergebnissen ein Augenmerk auf Verletzungen gelegt, die durch den Alkoholmissbrauch
verursacht werden. Beispiele dafür sind Ertrinken, Abstürze, Verbrennungen, offene Wunden, Weichteilverletzungen, Knochen- und
Gesichtsverletzungen, Vernachlässigung, Alkoholvergiftungen und Suizide.
Durchführung Die systematische Literaturrecherche erfolgte in fünf elektronischen Datenbanken. Die Recherche erfolgte mit einer Suchstrategie, die
in allen Datenbanken angewendet wurde. Die ursprüngliche Suchstrategie von Medline wurde für jede weitere Datenbank angemessen
überarbeitet. Zudem wurden in einer Handsuche nach unveröffentlichten Berichten, Dissertationen, Abstracts gesucht und die
Referenzlisten von anderen systematischen Übersichtsarbeiten durchgegangen.
15
Die Recherche erfolgte im Oktober 2013. Es wurden alle Daten von 1985- 2013 in die Recherche eingeschlossen, die Suche wurde
limitiert auf RCT2 und Cluster- Randomized controlled trails. Die Altersspanne der Teilnehmer sollte bis zu 25-Jahre betragen. MI
wurde in den Primärstudien in verschiedenen Settings anwendet. a) Effekte von MI wurden gegenüber keiner weiteren Intervention
überprüft oder MI wurde gegenüber einer anderen Präventionsmaßnahme getestet. Zwei unabhängige Autoren haben alle Titel und
Abstracts der gefundenen Studien gelesen, zwei weitere Autoren lasen die relevanten Studien im Volltext und haben diese beurteilt,
ob sie den Einschlusskriterien der Übersichtsarbeit entsprachen. Zwei Autoren abstrahierten die Ergebnisse indem sie die Studien mit
Hilfe eines standardisierten Assessmentinstruments beurteilten. Wenn es Abweichungen in der Studienbewertung unter den Autoren
gab, so erfolgte eine Diskussion. Jede eingeschlossene Studie wurde auf ihr Bias Risiko einzeln, anhand des Cochrane Handbook,
überprüft. Die Ergebnisse wurden in Vergleiche aufgeteilt.
Ergebnisse Aus 93 herausgefilterten Volltexten wurden insgesamt 66 RCT eingeschlossen und davon waren vier Cluster- Randomized controlled
trails. Der Altersdurchschnitt in den Studien betrug 15-26 Jahre. Die Settings in denen MI getestet wurde und die Dauer der einzelnen
MI-Interventionen variierten. Oftmals wurde in den Studien nach der Förderung des Bewusstseins, keinen Alkohol mehr zu trinken,
gefragt. Ebenfalls wurde auch nach Effekten und Risiken gefragt, somit sollte das Verständnis überprüft werden.
Bias Risiken bei den eingeschlossenen Studien: In weniger als der Hälfte der Studien wurden die Zuteilungsverfahren nur erläutert. Es
ist erkennbar, dass die meisten eingeschlossenen Studien über keine Verblindung der jeweiligen Teilnehmergruppen verfügen.
Schwierig ist auch, eine Verblindung der durchführenden Personen durchzuführen. Die Verblindung stellt insgesamt die höchsten
Bias Risiken dar. Der Ergebnisgutachter konnte oftmals auch nicht adäquat verblindet werden. Am häufigsten fehlten Angaben zum
Zulauf und Verlust von Teilnehmern (Attrition Bias).Es wurde eine Metaanalyse von insgesamt 55 RCT vorgenommen, diese wurden
in verschiedene inhaltliche Vergleiche eingeteilt. Es lag meist eine hohe Heterogenität der verschiedenen Studien vor. Einige
Vergleiche beinhalten Studien in denen die Heterogenität keine Rolle spielt, jedoch war die Anzahl der betrachteten Studien dann
meist sehr gering.
Die Ergebnisse wurden nach acht Ergebnisparametern aufgeteilt, Messungen wurden jeweils zu zwei Messzeitpunkten erhoben. (< als
vier Monate und > als vier Monate). Die Outcomes waren wie folgt: 1) Quantität des Alkoholkonsums, 2) Häufigkeit des
Alkoholkonsums, 3) Binge-Drinking3 , 4) durchschnittliche Blutalkoholkonzentration4, 5) Höchstwerte der Blutalkoholkonzentration5,
6) Alkoholprobleme, 7) Trunkenheit am Steuer und 8) riskantes Verhalten.
Primäre und sekundäre Ergebnisse:
Es war in der Metaanalyse erkennbar, dass ein Effekt zugunsten von MI als wirksame Präventionsintervention gegenüber
Alkoholmissbrauch von jungen Erwachsenen beschrieben werden kann. Es konnten zu beiden Messpunkten < als vier Monate und >
als vier Monate nach der MI Intervention Effekte nachgewiesen werden. Beeinflusst werden konnten jeweils ein geringerer Konsum
und eine Reduzierung der Häufigkeit des Alkoholkonsums. Es konnten zu den gesetzten Messpunkten keine Aussagen zum Binge-
2 RCT: Randomized controlled trail 3 binge drinking (engl.) = Binge-Drinking, Komasaufen, Rauschtrinken 4,4 die Kalkulationen der blood alcohol concentration (BAC) erfolgte auf Grundlage von: Alkoholkonsum, Geschlecht und Gewicht.
16
Drinking, erarbeitet werden. Bei der durchschnittlichen Alkoholkonzentration im Blut können minimale Effekte von MI, anhand von
insgesamt sechs Studien nachgewiesen werden. Probleme, die durch den Alkohol verursacht werden, können durch MI nicht wirksam
beeinflusst werden. Die Heterogenität der vierzig Studien lag bei diesem Vergleich sehr hoch. Aufgrund der geringen Datenlage bei
den Vergleichen über Trunkenheit am Steuer und dem risikoreichen Verhalten im Umgang mit Alkohol können zu beiden
Messzeitpunkten keine Ergebnisse zur Wirksamkeit von MI festgestellt werden.
Es konnte eine minimale klinische Differenz für junge Erwachsene und ihren Alkoholmissbrauch ermittelt werden, da die Menge des
Alkoholkonsums und die Häufigkeit beeinflussbar waren durch MI.
Die Übertragbarkeit auf Bereiche außerhalb des Colleges oder der Universität ist schwierig. Jedoch ist erkennbar, dass Studierende
oder Schüler, die sich im höheren Bildungssystem qualifizieren wollen, eher zu der gefährdeten Personengruppe gehören.
Schlussfolgerung
der Autoren
MI als Präventionsmaßnahme kann hinsichtlich seiner Effekte nur auf minimale bis moderate Evidenzen zurückgeführt werden. Es
konnten präventive Effekte von MI bei der Prävention des Alkoholmissbrauchs junger Erwachsener nachgewiesen werden. Die
Autoren vermuten, dass diese Ergebnisse bedeutungs- und nutzlos sind, um bestehende Richtlinien in denen MI vorkommt zu
beeinflussen. Es bedarf weiterer Evidenzuntersuchungen um MI als Gegenstand in Präventionsmaßnahmen zu überprüfen. Ziel ist es,
die Inhalte von MI auf junge Erwachsene auszurichten. Es wird ein strengerer Evaluationsprozess für die Effekte von MI gefordert. Es
sollte in der Zukunft der hier ermittelten minimalen klinischen Differenz nachgegangen werden. Eine einheitliche Berichterstattung,
anhand von anerkannten Orientierungshilfen, könnte die Vergleichbarkeit zukünftiger Ergebnisse verbessern.
Kritische
Bewertung
Positiv
Unterschiede der Primärstudien werden beschrieben
(Gruppen- und Einzel-MI Therapiesitzung)
Limitierung zur Anwendbarkeit/Übertragbarkeit der
Ergebnisse wird von Autoren beschrieben
in der Diskussion werden die jeweiligen Vergleiche und die
Anzahl der eingeschlossenen Studien dargestellt (Hinweise
auf methodische Einschränkungen)
viele Outcome Parameter werden beleuchtet. Das zeigt die
umfassende Herangehensweise an diesen Themenbereich
Studierende und junge lernende Menschen können als
Risikogruppe für pathogenen Alkoholkonsum identifiziert
werden (oftmals Zielgruppe der Intervention)
minimale klinische Differenz für junge Erwachsene konnte
gefunden werden
geringe Reporting Bias
nachvollziehbare Entscheidungen wurden von den Autoren
beschrieben und die Kriterien einer transparent Systematic
Review eingehalten
Negativ
Publikationsbias, aufgrund von erhöhten Effektgrößen zu
Gunsten von MI wird vermutet, dass die unzureichende
Datenlage in einigen Vergleichen der Metaanalyse ursächlich
ist, da die Effekte nicht aussagekräftig sind
Teilnehmeranzahlen und Follow-Up Messzeitpunkte variieren
stark in den Primärstudien
hohe Heterogenität der Studien in der Metaanalyse
nur englischsprachige Texte wurden in den SR aufgenommen,
die durchsuchten Datenbanken waren nur auf englische
Literatur ausgelegt, die Beeinflussung von anderssprachigen
Studien auf das Fazit können nicht ausgeschlossen werden
zu viele Outcome Parameter im Ergebnisteil
Dauer und Setting der Intervention variieren
keine Überprüfung, ob MI korrekt in den Primärstudien
angewendet worden ist
zu wenig Datenbanken wurden durchsucht
Suchstrategie auf mehrere Sprachen ggf. ausweiten
hohe bis unklare Bias Risiken auf allen vier Ebenen
17
8.4.2 ‘Intensive Motivational Interviewing for women with concurrent alcohol problems and methamphetamine dependence’
Autoren: Korcha, R. A.,Polcin, D.L., Evans, K., Bond, J. C. & Galloway, G.P. (2013) Studiendesign RCT
Ziel Es soll die Effektivität von Standard MI6 (1x 90 min. MI Therapiesitzung) gegenüber Intensiv MI7 (über neun Wochen 1x wöchentl.
50 min. MI Therapiesitzung) untersucht werden. Es sollen Männer und Frauen, die an Crystal Meth-Abhängigkeit mit zusätzlicher
Alkoholabhängigkeit (75% der Probanden) leiden, als Interventionsgruppe dienen. Während der Untersuchung wurde angenommen,
dass Männer und Frauen, die dem Intensiv MI zugeordnet waren, einen niedrigeren Schweregrad der Alkoholerkrankung nach sechs
Monaten aufweisen als die Kontrollgruppe, deren Probanden das Standard MI erhielten.
Durchführung Es handelt sich um Betroffene, die 18 Jahre und älter sind. Sie erfüllen seit zwölf Monaten die Diagnosekriterien des DSM-IV der
Methamphetamin-Abhängigkeit. Englisch Kenntnisse sind die Voraussetzung zur Studienteilnahme. Nach einer Studieninformation
müssen die Teilnehmer eine Einverständniserklärung abgeben. Sie mussten angeben, dass sie wahrscheinlich sechs Monate
(Untersuchungszeitraum) in der Region Northern California leben werden. Den Probanden wurde ein finanzieller Anreiz geschaffen
an der Studie teilzunehmen. Die Studienteilnehmer wurden durch das Personal der ambulanten Einrichtung auf schwerwiegende
psychologische und medizinische Probleme überprüft. Falls die Probleme zu schwerwiegend waren, wurden diese Teilnehmer von der
Studie ausgeschlossen. Für Teilnehmer, die zwar psychisch beeinträchtigt waren, jedoch geeignet waren sich ambulant therapieren zu
lassen, wurden zusätzliche psychologische Hilfen für die Zeit der Studienteilnahme zur Seite gestellt. In diesen Fällen ist die
zusätzliche psychologische Betreuung als eine Voraussetzung zur Studienteilnahme definiert. Die Studie wurde mit Teilnehmern einer
ambulanten Gruppentherapie durchgeführt, die gleichzeitig auch den organisatorischen Rahmen der Studie bildete. Die dort
angebotene kognitive-Verhaltenstherapie wurde ergänzt durch die Interventionen der Studie. Um gleiche Bedingungen für beide
Gruppen herzustellen, wurden die Studienteilnehmer des Standard MI, neben der einmaligen 90 min. MI Therapiesitzung, in den
folgenden acht Wochen 1x wöchentlich zu einer parallelen Veranstaltung zum Thema ‚Ernährung‘ geschult. Die Studienteilnehmer
der Intensiv MI Intervention haben während dieser acht Wochen weitere MI Therapiesitzungen erhalten. Die Studienteilnehmer
wurden randomisiert den vier Gruppen Standard MI (m/w) und Intensiv MI (m/w) zugeordnet. Die Teilnehmer wurden bei der ersten
MI Therapiesitzung nach ihrem Datensatz durch eine zulässige Schichtungsmethode den beiden Gruppen zugeordnet, damit die
Anzahl von Geschlecht und Schwere der Crystal Meth-Abhängigkeit ausgeglichen war. Die Schwere der Crystal Meth-Abhängigkeit
wurde bestimmt durch > 10 Tage Konsum gegenüber < 10 Tage Konsum innerhalb der letzten 30 Tage. Es folgten während den ersten
neun Wochen wöchentlich kurze Interviews und nach zwölf Wochen endete die ambulante Behandlung der Standard bzw. der
Über diese beiden Quellen kann nachvollzogen werden, wie die beiden MI Therapiesitzungen in der oben benannten Studie (vgl. Korcha, Polcin, Evans, Bond & Galloway, 2013). strukturiert waren. 6,, Martino, S., Ball, S. A., Gallon, S. L., Hall, D., Garcia,, M. d. M., Ceperich, S., et al. (2006). Motivational Interviewing Assessment: Supervisory tools for enhancing proficiency (pp. 242). Salem, OR: Northwest Frontier Addiction Technology Transfer Center, Oregon Health and Science University [Accessed: 2013-02-05. Archived by WebCite® at http://www.webcitation.org/6EDD4BNKM].” (Korcha u.a., 2013, S.118). 7 ,,Galloway, G. P., Polcin, D. L., Kielstein, A., Brown, M.,& Mendelson, J. (2007). A nine session manual of motivational enhancement therapy for methamphetamine dependence: adherence and efficacy. Journal of Psychoactive Drugs, SARC, (Suppl 4), 393–400.” (Korcha u.a., 2013, S.118).
18
Intensiv MI. Zwei, vier und sechs Monaten nach der Intervention, egal ob Standard oder Intensiv MI, erfolgten jeweils
umfangreichere Interviews. Mit verschiedenen bereits gängigen Assessmentinstrumenten: ‚DSM-IV checklist for drug and alcohol
dependence‘, ASI8, ‚Helping Alliance Questionaire‘ und demographischen Angaben wurden Informationen zu verschiedenen
Ergebnisparametern zu allen Messzeitpunkten (Follow-Ups) erhoben. Die Datenanalyse erfolgte durch SPSS, mit Hilfe von
Durchschnittswerten der einzelnen Assessmentinstrumente. So konnte die durchschnittliche Wirkung der Standard MI gegenüber der
Intensiv MI ermittelt werden. Die Trennung zwischen den Geschlechtern und den beiden Gruppen konnte durch SPSS beibehalten
werden. Mit dem Random-Effekt Modell wurden Berechnungen zu Langzeiteffekten, von Standard MI und Intensiv MI durchgeführt.
Ergebnisse Es nahmen 83 Teilnehmer an der Standard MI Therapiesitzung, bestehend aus 36 Männern und 47 Frauen, teil. An der Intensiv MI
Therapiesitzung nahmen insgesamt 80 Probanden, aufgeteilt in 40 Männer und 40 Frauen, teil. Das durchschnittliche Alter bei den
Teilnehmern von Intensiv MI lag bei den Frauen bei 40 und bei den Männern bei 36 Jahren. Beide Interventionsformen haben
prozentual eine erhöhte Abstinenzrate der Teilnehmer zwischen dem ersten Interview und den folgenden sechs Monaten bestätigt. Es
war erkennbar, dass die Teilnehmer häufiger bei den Intensiv MI Therapiesitzungen anwesend waren, als die Teilnehmer der Standard
MI Gruppe bei dem Ernährungsseminar. Die Frauen in Intensiv MI zeigten einen verstärkten und stetigen Rückgang des
Alkoholkonsums über den Studienzeitraum. Parallel blieb der Alkoholkonsum bei den Männern im Intensiv MI gleich dem der Frauen
im Standard MI. Im Vergleich von Standard und Intensiv MI der Frauen, konnte ein signifikanter Rückgang des Alkoholkonsums bei
den Frauen, die Intensiv MI erhalten haben, festgestellt werden. Dieses Einzelergebnis wird entkräftet durch den Vergleich aller
Teilnehmer von Standard und Intensiv MI, da dort keine Differenzen zu den jeweiligen Messpunkten ermittelt werden konnten.
Erkennbar ist jedoch, dass die Männer des Standard MI nach vier Monaten weniger Alkohol konsumierten als die Männer in der
Intensiv MI Therapiegruppe. Die Zusammenarbeit mit den Therapeuten, gemessen an dem ‚Helping Alliance Questionaire‘,
beurteilten bzw. schätzten die Frauen deutlich höher ein, als die Männer im Intensiv MI über alle Therapiesitzungen. Es konnte
herausgestellt werden, dass die Zusammenarbeit mit dem Therapeuten einen eindeutigen Einfluss auf die Reduzierung der Schwere
der Alkoholabhängigkeit, nach sechs Monaten, hatte.
Schlussfolgerung
der Autoren Die Ergebnisse müssen mit Vorsicht betrachtet werden, da sich auf der Selbsteinschätzung und den individuellen Aussagen
der Teilnehmer basieren. Im Fokus der Studie standen eigentlich die Effekte von MI auf die Crystal Meth-Abhängigkeit, jedoch
konnten am Ende nur Aussagen zur Reduzierung des Alkoholkonsums getroffen werden. Bei dem verwendeten Assessmentinstrument
ASI war das Augenmerk oftmals nur auf die Alkoholabhängigkeit gerichtet. Durch die zeitlich und inhaltlich intensivere Betreuung
der Intensiv MI Therapiegruppe ist zu vermuten, dass mehrere Probleme, die mit der Crystal Meth-Abhängigkeit verbunden sind, dort
in den Vordergrund gerückt sind, beispielsweise die Alkoholabhängigkeit. Schwer zu sagen ist, ob die Reduzierung des
Alkoholkonsums ein spezieller Punkt der Erholung ist oder ob dies zu einem größeren Erholungsprozess zählt. Die Ergebnisse lassen
sich nur limitiert auf andere Frauengruppen übertragen. In Zukunft sollte die Kontrollgruppe ohne MI behandelt werden, dies führt
möglicherweise zu einer zuverlässigen Bewertung der Verbesserung durch Intensiv MI. Die Ergebnisse zeigen, dass Intensiv MI in
Bezug auf alkoholabhängige Frauen, sowie in Verbindung mit anderen Patientengruppen, weiterer Forschung bedarf. Auch den
Potenzialen der Zusammenarbeit mit dem Therapeuten während des Intensiv MI, sollte zukünftig Aufmerksamkeit geschenkt werden.
8 ASI: Addiction Severity Index-Lite
19
Kritische
Bewertung
Positiv
keine Unterschiede in der Behandlung der beiden
Interventionsgruppen, ausgenommen Standard MI plus
Ernährungsseminar und Intensiv MI
Bemühung um eine transparente Randomisierung der
verschiedenen Studiengruppen (keine computergestützte
Randomisierung)
die Interviews zur Erhebung von Informationen haben
direkt nach den Therapiesitzung stattgefunden, d.h. die
Angaben basieren nicht auf Gedächtnisprotokollen, es
können nur wenige Informationen verloren gehen
standardisierte und einheitliche Durchführung von Standard
MI und Intensiv MI
Datenanalyse erfolgte nach dem ‚intention to treat‘ Prinzip
Hypothese mit den geplanten Ergebnissen ist beschrieben
worden
finanzielle Anreize für die Teilnehmer durch Bezahlung
von verschiedenen Geldbeträgen zu den verschiedenen
Zeitpunkten (90% Datenerhebung zu allen
Messzeitpunkten) weiterhin an der Studie teilzunehmen
3/8 Ergebnisvergleiche zeigen statistisch auffällige Werte
Negativ
Schwierigkeit der Vergleichbarkeit der Ergebnisse durch
verschiedenen Behandlungsinhalte (Ernährungsseminar +
Standard MI gegenüber Intensiv MI)
Ernährungsseminar für die Teilnehmer der Standard MI
Therapiegruppe ergaben, möglicherweise Motivationen der
Veränderung, die durch eine gesündere Lebensweise
hervorgerufen wird statt durch Standard MI
wenige Testpersonen im Intensiv MI schlossen alle neun
Therapiesitzung ab (Attrition Bias)
der Wechsel von Teilnehmern zwischen den Standard MI und
Intensiv MI kann nicht ausgeschlossen werden, da dies nicht
beschrieben ist.
es sind einseitige Effekte zugunsten von 75 % der Frauen im
Intensiv MI zu vermuten
die Teilnehmer waren häufiger bei den Intensiv MI
Therapiesitzungen anwesend als die Teilnehmer der Standard
MI Gruppe bei dem Ernährungsseminar
eingeschlossene Probanden leiden überwiegend an einer
leichteren Form der Crystal Meth-Abhängigkeit
Übertragbarkeit auf andere Frauengruppe ist limitiert
keine computergestützte Randomisierung
verdeckte Zuordnung ist fraglich bzw. nicht ausdrücklich
beschrieben
keine Verblindung der Teilnehmer und der Behandler möglich,
Verblindung des Ergebnisgutachters nicht beschrieben
positive Verzerrung der Ergebnisse durch finanziellen Anreiz
Stichprobenkalkulation wird nicht transparent beschrieben
bzw. errechnet (n=163)
20
8.4.3 ‘The motivational Interview: in practice.’
Autoren: Lussier, M.-T., Richard, C. (2007) Studiendesign Kritische Betrachtung der Leitlinien von MI anhand von Praxisbeispielen
Ziel Die Grundsätze des Therapieansatzes von MI sollen diskutiert werden und mit Hilfe von Praxisbeispielen veranschaulichen werden.
Durchführung Es werden die Strukturen von MI für Patienten mit Alkohol- und Substanzmissbrauch nach Miller et. al.9 und Rollnick et. al.10 zu
Grunde gelegt. Nach einer kurzen Definition von MI, wird die Reduzierung von ambivalentem Verhalten als Kern des
Therapieansatzes beschrieben. Ziel sei es, die Dispositionen zur Veränderung zu intensivieren. Diese Stärken sollen als Motivation zur
Veränderung benutzt werden. Es wird angenommen, dass die Veränderung natürlich eintritt und durch die Interaktion zwischen den
Beteiligten begünstigt wird. Der Ausdruck von Empathie kann den Weg, bis hin zur Veränderung, positiv beeinflussen. Die
Beziehung zwischen dem Betroffenen und dem Behandler soll das Selbstbewusstsein stärken und den Ansporn bilden sich
eigenständig verändern zu wollen. Es sind vier Grundlagen des hier diskutierten MI-Ansatzes definiert.
1) Aufzeigen der patientenbezogenen Nachteile gegenüber dem Ist-Zustand
2) Aufzeigen der positiven Vorzüge wenn es zu einer Veränderung des Betroffenen kommt
3) Aufzeigen, dass die Veränderung möglich ist
4) Unterstützung und Ermutigung des Einzelnen bei deren Vorsatz sich zu verändern
Die nun folgenden Beispiele beschreiben Situationen der medizinischen Beratung. Ziel ist es dem Patienten zu helfen, eine neue
Verhaltensform zu erlernen und anzuwenden.
Ergebnisse Die Ergebnisse werden anhand der regelmäßigen Tabletteneinnahme dargestellt.
1) Der Arzt soll seinen persönlichen Standpunkt gegenüber der vorgeschlagenen Therapie darstellen. Seine Aussage soll unter
Beachtung des medizinischen Fachwissens dargelegt werden.
2) In dieser Phase geht es darum, den Patienten so alltagsbezogen wie möglich zu informieren. Der Arzt muss dem Patienten
Anleitungshilfen zur Verfügung stellen bzw. er soll eine individuelle und geeignete Lösung vorschlagen.
3) Als nächstes ist es wichtig, den Patienten zu animieren und zu motivieren, die ihm vorgeschlagene Behandlung auszuprobieren.
Der Arzt sollte sich vergewissern, dass die Anforderungen für den Patienten zu meistern sind.
4) An dieser Stelle innerhalb einer medizinischen Beratung soll der Behandler auf mögliche ambivalente Äußerungen des Patienten
achten. Seine Aufgabe ist es die Zweifel ernst zu nehmen, um dem Patienten im Gespräch zu den positiven Aspekten der
anstehenden Veränderung zurückzuleiten. Erst das Begreifen und die Motivation des Patienten bilden die Grundlage für die
tatsächliche Veränderung.
Falls keine Veränderung erfolgt ist, sollte der Arzt gemeinsam mit seinem Patienten die möglichen Gründe besprechen und
gegebenenfalls sollte das eigene Selbstvertrauen bzw. Überzeugungen zur Umsetzung der Veränderung berücksichtigt werden.
Über diese beiden Quellen kann nachvollzogen werden, auf welcher Grundlage die MI Therapie in dem oben benannten Artikel (vgl. Lussier & Richard, 2007) diskutiert wurde. 9,,Miller RW, Rollnick S. Motivational interviewing: preparing people to change addictive behavior. New York, NY: The Guilford Press; 1991.” (Lussier & Richard, 2007, S. 2118) 10,,Rollnick S, Mason P, Butler C. Health behavior change: a guide for practitioners. New York, NY: Churchill Livingstone; 2000.” (Lussier & Richard, 2007, S. 2118)
21
Schlussfolgerung
der Autoren
Gerade im klinischen Alltag variieren die Beratungsgespräch stark. Es ist schwierig in Akutsituationen auf die sofortige
Verhaltensveränderung zu bestehen, auch wenn es die Umstände erfordern. Die akute Verschlechterung (Notfallsituation) kann eine
Motivation zur gezielten Veränderung hervorrufen. Handelt es um eine langfristige Prävention, so fungiert der Behandler immer
wieder als Ansprechpartner im Veränderungsprozess. Es muss eine Wiederholung der Anforderung erfolgen, bis das veränderte
Verhalten einsetzt und routiniert in den Alltag des Patienten integriert ist. Abschließend lässt sich sagen, dass das kontinuierliche
Bemühen des Behandlers und die individuelle Unterstützung des Einzelnen zum langfristigen Erfolg führen. Entscheidend ist, immer
wieder die Motivation des Patienten zu mobilisieren und ihn zu ermutigen das mühsam erlernte Verhalten zur Routine werden zu
lassen.
Kritische
Bewertung
Der vorliegende Artikel ist an dieser Stelle als Expertenmeinung zu bewerten. Die in der Bachelorarbeit verwendeten Listen zur
Studienbewertung11 können nicht vollständig angewandt werden. Fraglich ist hier, ob Aussagen zu Gunsten von MI zu erwarten sind,
da die Autoren eingangs auf einen eigens formulierten Artikel verweisen. Positiv ist jedoch anzumerken, dass die genannten
Praxisbeispiele gut nachvollziehbar sind. Sie geben einen Einblick über die möglichen Inhalte, passend zu den verschiedenen
Intentionen von MI. Die Übertragbarkeit der praktischen Beispiele ist aufgrund der niedrigen Evidenz nur begrenzt möglich. Gut
dargestellt wurde die Rolle des Behandlers und Tipps auf was er zu achten hat.
11 Diese können jeweils eingesehen werden im Anhang unter: 8.7 Beurteilungskriterien zur kritischen Bewertung der eingeschlossenen Studien
22
8.4.4 ‘Therapist focus on ambivalence and commitment: a longitudinal analysis of Motivational Interviewing treatment ingredients.’
Autoren: Magill, M., Stout, R. L. & Apodaca, T. R. (2013). Studiendesign Querschnittsstudie
Ziel Die vorliegende Studie untersucht drei vermeintliche aktive Bestandteile des MI im Rahmen einer angebotenen MET. Die Studie baut
auf verschiedene Hinweise der bisherigen Forschung auf. Das erste Ziel ist es, die Tendenzen von MI im Hinblick auf eine Zeit von
zwölf Wochen zu untersuchen. Als zweites wurde speziell auf drei Behandlungsbestandteile Wert gelegt. 1) Engagement, 2)
Ambivalenz/ Diskrepanz, 3) generelle Ziele, wie die Vorhersage der durchschnittlichen Alkoholtrinkmenge und die Veränderung der
Trinkgewohnheiten im Verhältnis zur Zeitspanne. Es wurde erwartet, dass die Ambivalenz und das Engagement, als jeweils eine
positive Wirkungsvariable für die nachträgliche Veränderung des Patientenverhaltens herauszuarbeiten. Als letztes wird geschaut, ob
die Effekte der Variablen mit dem Stadium der Veränderung, der Ausgangslage, variieren.
Durchführung Innerhalb des Projektes MATCH konnten zwei Patientengruppen für diese Querschnittstudie gewonnen werden. Die Mehrheit der
eingeschlossenen Personen sind nach dem ‚Structured Clinical Interview‘12 alkoholabhängig. Die Personen wurden wohnortsbezogen
oder nach einer Alkoholentgiftungsmaßnahme rekrutiert. Es gibt eine Nachsorge ‚aftercare‘ (AC) und eine ambulante
‚outpatient‘(OP) Patientengruppe. Die AC (n=261) Stichprobe ist dadurch gekennzeichnet, dass die Teilnehmer schwerer betroffen
waren als in der OP (n=316) Stichprobe. Die Personen wurden randomisiert drei verschiedenen Interventionen zugeteilt: 1) CBT13, 2)
TSF14, 3) MET. Die Ergebnisse, sowie die angegebenen Stichprobengrößen, beziehen sich im Weiteren nur auf die MET Intervention.
Die Intervention bestand aus vier individuellen MET Sitzungen, basierend auf den vier Grundsätzen des MI, die in den Wochen eins,
zwei, sechs und zwölf abgehalten worden sind. In Session eins und zwei wurden ein individuelles Feedback gegeben und die
Erhöhung der Motivation initiiert. In den darauffolgenden Sitzungen drei und vier wurde die Motivation zur Veränderung verstärkt
und ein Plan zur Verhaltensveränderung überarbeitet. Die durchführenden Akteure waren im Hinblick auf die Anwendung von MET
zertifiziert und bereits erfahren im Umgang mit Alkoholabhängigen. Es wurden 14 Therapeuten für die Behandlung der AC und 13
Therapeuten für die Behandlung der OP Patientengruppe gewonnen. Etwa ein Drittel der Therapiesitzungen wurden durch eine
externe Stelle15 überprüft. Die genaue Umsetzung von MET wurde untersucht und mit einem monatlichen Feedback versehen. Dazu
kommt auch noch die wöchentliche Supervision der durchführenden Kräfte vor Ort. Die Ausgangslage wurde mit Hilfe der Werte des
Projektes MATCH hergeleitet und teilweise mit verschiedenen Assessmentinstrumenten erhoben. Von Interesse war der
Alkoholkonsum 30 Tage vor Studienbeginn, die Motivation des Einzelnen zu Beginn der Erhebung16. Während der Behandlung
wurden drei Ergebnisparameter, anhand von Likert Skalen17, erhoben. 1) In welchem Umfang legt der Therapeut Wert auf die
12 dies ist ein Assessmentinstrument 13 CBT: cognitive-behavioral therapy, kognitive-Verhaltenstherapie 14 TSF: Twelve-Step Facilitation Therapy 15 externe Stelle = coordinating center 16 erhoben wurde dies mit Hilfe des Assessmentinstrumentes: URICA 17 Assessmentinstrument bestehend aus einer 32-item Likert Skala mit vier Unterskalen, bei näherem Interesse der Inhalte den Originaltext heranziehen. (vgl. Magill, Stout, & Apodaca, 2013).
23
Bearbeitung von Ambivalenz a) 18 und Diskrepanz b); sowie auf den Umgang mit Widerstand c). 2) In welchem Umfang versucht der
Therapeut die Eigenmotivation a) zu stärken und ermutigt b) den Patienten zum nächsten Schritt der Veränderung. In welchem Umfang
wird über der Engagement c) zur Abstinenz gesprochen. 3) Wie beurteilt der Therapeut die Behandlungsziele a) und die Veränderung
des Patiententrinkverhaltens b) zwischen den Therapiesitzungen. Alle drei Ergebnisparameter wurden über die vier Therapiesitzungen
erhoben. Als letztes wurde noch 4) der Alkoholkonsum über zwölf Wochen beurteilt, zum einen die Tage der Abstinenz in Prozent a)
und zum anderen die Anzahl der Drinks pro Tag b), an denen die Teilnehmer Alkohol konsumierten. Die Ausgangslage wurde mit den
Wirkungsvariablen zusammen, anhand von Mittelwerten, Standardabweichungen und Häufigkeiten, im Vergleich dargestellt. Die
Daten während der Therapiesitzung werden auch zum exakten Zeitpunkt festgehalten. Der Alkoholkonsum und seine Veränderungen
zwischen den Therapiesitzungen wurden ebenfalls dargestellt. Die Auswirkungen von MET auf den Alkoholkonsum wurden linear
der Zeit, von der Ausgangslage bis zum Ende der Studie nach zwölf Wochen untersucht. Am Ende versuchten die Forscher, alle
Wirkungsvariablen hinsichtlich des Studienzeitraums zu ermitteln. Wenn entscheidende Unterschiede festgestellt wurden, wurde die
einfache Steigung der einzelnen Variable erstellt, um den alleinigen Effekt darzustellen.
Ergebnisse Die Ergebnisse, sowie die angegebenen Stichprobengrößen, beziehen sich im Weiteren nur auf die MET Intervention. Über 80 % der
Teilnehmer beider Stichproben haben die zwölf Wochen die MET Therapie beibehalten. 1) Ambivalentes Verhalten und
Diskrepanzen wurden in der OP Patientengruppe etwas höher eingeschätzt. 2) Im MET war der Bezug auf das Engagement
wesentlich. Der höchste Effekt konnte nach zwei Wochen ermittelt werden. Die AC Patientengruppe profitierte stärker von dem
Schwerpunkt ‚Commitment19‘ als die OP Patientengruppe. 3) Erkennbar war dies an den höher eingeschätzten Effekten, bei dem
Erreichen der individuellen Ziele. 4) In Bezug auf die durchschnittliche Abstinenz konnte festgestellt werden, dass sie bei der AC
Patientengruppe mit 93,5 % höher lag, als bei der OP Patientengruppe mit durchschnittlich 79,5% Abstinenztagen innerhalb der zwölf
Wochen20. Frequenz und Häufigkeit des Alkoholkonsums stiegen über die Zeit in der AC- Patientengruppe an. Im Unterschied zu der
AC Patientengruppe, zeigte die OP Patientengruppe keine signifikante Reduzierung der Häufigkeit des Alkoholkonsums. Jedoch an
Tagen an denen sie konsumierten, wurde quantitativ mehr Alkohol zu sich genommen, im Gegensatz zur AC Patientengruppe.
Ermittelt werden konnte außerdem, dass in beiden Gruppen die Frequenz und die Quantität des Alkoholverbrauches über die Zeit
anstiegen. Mit dem Schwerpunkt der Ambivalenz und Diskrepanz konnten keine Vorhersagen über das Trinkverhalten der AC
Patientengruppe seitens des Therapeuten erfolgen. Im Gegensatz dazu, war dieser Schwerpunkt in der OP Patientengruppe
kontraindiziert und führte zur Verschlechterung des Trinkverhaltens im Vergleich zum Ausgangswert. Von dem Schwerpunkt
Engagement konnten beide Patientengruppen profitieren. Die drei gemessenen therapeutischen Wirkvariablen beeinflussen nicht die
Veränderung des Patiententrinkverhaltens21 beider Patientengruppen. Der gegenseitige Prozess die Motivation zu steigern zeigt keine
signifikanten Besonderheiten, eine Ausnahme stellt sich im Hinblick auf Bearbeitung der Ambivalenz und der Diskrepanz bei minder
motivierten AC Patienten dar. Die Motivation entsteht durch die Interaktion zwischen Therapeut und Patient. Dagegen nimmt der
18 Die kleinen hochgestellten Buchstaben a);b);c) , weisen auf die einzelnen Elemente der abgefragten Behandlungsbestandteile hin. 19 Commitment = Engagement 20 Diese Prozentzahlen beziehen sich auf den Zeitraum zwischen den Therapiesitzungen. 21 Die Veränderung des Patiententrinkverhaltens, ist meist zusätzlich abhängig von der Motivation des Einzelnen.
24
Therapeut nicht an, dass die Motivation, eine Voraussetzung für den Erfolg von MI ist. Konträr zu den Erwartungen der Forscher ist
das negative Ergebnis (steigende Quantität des Alkoholkonsums) hinsichtlich des Fokus Ambivalenz und Diskrepanz zu sehen. Dieser
Schwerpunkt verschlechtert das Konsumverhalten der Patienten und zeigt sich als kontraindiziert. Betroffen waren OP Patienten und
AC Patienten, vorausgesetzt sie verfügten über eine geringe Motivation. Der Fokus auf das Engagement zur Veränderung kann als
aktiver Bestandteil der MI Therapie ermittelt werden, denn beide Untersuchungsgruppen profitierten davon und eine
Verhaltensveränderung trat nachhaltig ein. Die Therapeuten beider Patientengruppen fokussierten sich mehr auf das Engagement als
förderlicher Schwerpunkt. Die Schwerpunktlegung auf Ambivalenz und Diskrepanz ist geringer über den Studienzeitraum. Eine
Handlungsempfehlung für den Therapeuten ist es, sich erst den inneren Konflikten durch den Aufbau von Diskrepanz zu widmen. Im
zweiten Schritt soll versucht werden den Konflikt zu lösen, um daraus Motivation für die angedachte Veränderung zu schöpfen. Zur
dritten Ergebnisvariable können keine signifikanten Aussagen getroffen werden.
Schlussfolgerung
der Autoren
Die steigende Quantität des Alkoholkonsums ist möglicherweise auf die Verunsicherung der betroffenen Patienten zurückzuführen.
Sie kämpfen möglicherweise mit der Motivation zur Veränderung und damit ob die Therapie wirklich zum gewünschten Ziel führt.
Weitere Forschung ist notwendig, um herauszufinden, wie die Ausdrucksweise der Betroffenen durch MI verändert wird. Ebenfalls
sollten die Ansätze dieser Studie in Bezug auf weitere Personengruppen Anwendung finden. Eine Schlussfolgerung ist nur mit
Vorsicht zu äußern, da noch viel Forschung hinsichtlich der Wirksamkeit von MI erforderlich ist. Es konnte als herausragendes
Ergebnis herausgestellt werden, dass der Fokus auf das Engagement zum Therapieerfolg von den Patienten führt und als ein aktiver
Bestandteil von MI identifiziert werden kann. Fraglich ist nur, ob dieses Ergebnis ausschließlich auf die Wirksamkeit von MET
zurückzuführen ist. Abschließend lässt sich sagen, dass MI sich nicht als Maßnahme zur Konfliktbewältigung eignet und die
vorliegende Studie sieht den Therapiefokus auf Ambivalenz und Diskrepanz als kontraindiziert an. Diese Annahmen sollen durch
zukünftige Studien gestützt werden.
Kritische
Bewertung
Positiv
Motivationsstadien des Betroffenen als hinderlicher oder
begünstigender Faktor für die Behandlung der
Alkoholabhängigkeit werden beschrieben
zentraler Aspekt von MI: die Motivation wird nicht durch den
Therapeuten angenommen, sondern entsteht vielmehr durch
die Interaktion zwischen Therapeut und Patient.
der Fokus auf das ‚Commitment‘ kann als aktiver Bestandteil
der MI Therapie identifiziert werden.
das hier angewendete angepasste MET zeigt einen
erkennbaren Nutzen bzw. Wirksamkeit
das hier angewendete Protokoll stellt neben der
Durchführung von MET die Stärken dieser Studie dar.
die gemessenen Ergebnisparameter sind gut abgestimmt mit
den Zielen der Studie
Negativ
Differenzen zwischen den Stichproben: die OP
Patientengruppe war möglicherweise größeren
Motivationsschwankungen ausgesetzt, weil sie mit der
Therapie direkt nach einer Alkoholentgiftungsmaßnahme
begonnen haben
AC Patienten hatten hingegen schon eine Vorbehandlung
ihrer Alkoholerkrankung und waren mit dieser Behandlung
unzufrieden
einige Ergebnisse können nicht erreicht werden, da die zwölf
Woche eine zu begrenzte Zeit sind, Follow-Up zu zeitnah
gewählt
die Prozessmessung gestaltet sich schwierig, da nicht ganz
klar ist, ob die aktiven Bestandteile ausschließlich auf MET
25
die Studie zeigt, dass die Interventionen von MI als
dynamischer Prozess zu verstehen sind
Anwendbarkeit nur bei alkoholabhängigen Patientengruppen
möglich
MI eignet sich nicht als Maßnahme zur Konfliktbewältigung
die vorliegende Studie sieht den Schwerpunkt Ambivalenz
und Diskrepanz als kontraindiziert an.
randomisierte Zuteilung, jedoch nicht computergestützt
zurückzuführen sind oder zusätzlich bedeutend waren in TSF
und CBT.
Verblindung von Teilnehmern und Ergebnisgutachtern nicht
beschrieben
Attrition Bias, keine Begründung für die fast 20% die pro
Stichprobe nach zwölf Wochen weggefallen sind
Herleitung der Ausgangswerte teilweise über das MATCH
Projekt, Verweis an eine andere Studie um mehr zur
Rekrutierung herauszufinden
keine Stichprobenkalkulation
Anstieg der Frequenz und der Häufigkeit des
Alkoholkonsums in beiden Gruppe über Zeitspanne der
Studie im Vergleich zum Ausgangswert
keine Konfidenzintervalle dargestellt
26
8.4.5 ‘Motivational Interviewing: A Pilot Test of Active Ingredients and Mechanisms of Change’
Autoren: Morgenstern, J., Kuerbis, A., Amrhein, P., Hail, L., Lynch, K. & McKay, J.R. (2012) Studiendesign Pilotstudie
Ziel Es soll ein experimentelles Paradigma entwickelt werden, mit Hilfe dessen, die als ursächlich angenommenen Faktoren von MI
untersucht werden sollen. Aktive Bestandteile22 und Mechanismen, die zur Verhaltensveränderung23 beitragen können, sollen vor dem
Hintergrund der Reduzierung des Alkoholkonsums überprüft werden. Es wird zwischen der initiierten Reduzierung des
Alkoholkonsums und den eigenen Bestrebungen (Self-Change) des Alkoholerkrankten, unterschieden. Es sind ausdrücklich
Betroffene eingeschlossen, die den Konsum reduzieren wollen aber nicht abstinent werden wollen.
Durchführung Durch lokale und im Internet geschaltete Werbung konnten 89 Teilnehmer für diese neunwöchige Studie rekrutiert werden. Die
potenziellen Teilnehmer wurden telefonisch zu einigen soziodemographischen Angaben befragt. Eingeschlossen wurden Teilnehmer
die zwischen 18 und 65 Jahren alt waren. Ihr wöchentlich durchschnittlich geschätzter Alkoholkonsum sollte im Vorfeld der Studie,
mehr als 15 Drinks bei Frauen und mehr als 24 Drinks bei Männer betragen. Personen die bereits eine vorhandene alkoholbedingte
Erkrankung haben, wurden ebenfalls eingeschlossen. Ausgeschlossen wurden Betroffene, die drogen-, nikotin- oder
medikamentenabhängig waren. Teilnehmer, die eine schwere psychische Erkrankung hatten, suizidgefährdet oder gewaltbereit waren,
wurden ebenfalls nicht einbezogen. Menschen mit schwerem Alkoholismus, einhergehend mit körperlichen Entzugserscheinungen,
und Personen, die durch gesetzliche Regelungen einen Entzug machen sollten, wurden in der Studie nicht berücksichtigt. Teilnehmer,
die den Wunsch hatten abstinent zu werden oder sich äußerten, dass sie eine zusätzliche Behandlung noch während den acht Wochen
haben wollten, konnten ebenfalls nicht aufgenommen werden. Ausgeschlossen wurden auch Menschen mit instabilen
Wohnverhältnissen und Personen, die von schweren Entzugserscheinungen am Telefon berichteten. Wurden die Einschlusskriterien
im ersten Schritt erfüllt, so folgte eine individuelle Beurteilung durch einen wissenschaftlichen Mitarbeiter. Konnte eine Eignung
festgestellt werden, wurden die 89 Teilnehmer mit dem TLFB24 eingestuft. Danach wurden sie mit den Fragen der täglichen Umfrage,
mit Hilfe des IVR25, vertraut gemacht. Im Vorfeld und während der acht Wochen wurden die Probanden mit Hilfe von verschiedenen
Assessmentinstrumenten26, hinsichtlich der Schwere ihrer Erkrankung eingestuft. Es wurden, beispielsweise TLFB, AUDIT-C27,
ADS28, SIP29 angewendet, um verschiedene Informationen standardisiert zusammenzutragen. Nachdem die Ausgangswerte aller
22 Aktive Bestandteile, beziehen sich auf die Strategien des Therapeuten eine positive Veränderung zu erleichtern 23 Mechanismen zur Verhaltensveränderung, beziehen sich auf Verfahren, die der Betroffene erlernt, um die Veränderung voranzubringen, gemeint sind der Kompetenzerwerb, kognitive Neubeurteilung der gegenwärtigen Situation. 24 TLFB: Timeline Followback Interview 25 IVR: Interactive voice recording 26 In der Übersetzung sind wichtige Assessmentinstrumente genannt, bei weiterem Interesse kann der Volltext verwendet werden. (vgl. Morgenstern u.a., 2012) 27 AUDIT-C: Alcohol Use Disorders Identification Test- C 28 ADS: Alcohol Dependence Scale 29 SIP: Short Inventory of Problems
27
Studienteilnehmer in der ersten Woche erfasst waren, wurden die Teilnehmer zwei verschiedenen Interventionsgruppen und einer
Kontrollgruppe randomisiert zugeordnet.
1) MI- Eine angepasste Form von MET wurde komplett angeboten. 2) SOMI30,31- MI mit nicht-direktiven Elementen und der Haltung
des Therapeuten, wurde angeboten. Die durchführenden Therapeuten wurden geschult, um die Genauigkeit der durchgeführten
Therapiesitzungen unter den besonderen Anhaltspunkten zu beurteilen. Dazu haben sie jeweils in Übungsgruppen mit einem
erfahrenen MINT Trainer geübt. Die Therapeuten erhielten ebenfalls ein dreistündiges Training für die Anfertigung der speziellen
Protokolle. Um das Protokoll und das Vorgehen bei der SOMI Intervention zu verbessern, wurden vier Therapie-Sitzungen durch ein
Video aufgezeichnet und beurteilt. Außerdem fand einmal wöchentlich eine Supervision mit den MINT32 Spezialisten statt.
3) Self-Change (SC33)- Hier wurden alle anderen in der Literatur beschriebenen Elemente, die zur Verhaltensveränderung beitragen
können, abgedeckt. Ausgenommen waren die Faktoren der Patienten-Therapeuten-Beziehung und der Techniken, die in MI und
SOMI gesondert geprüft wurden. Resonanz erfolgte in Form von Feedback. Die persönliche Verantwortung und die Bemühungen zur
Selbstwirksamkeit wurden gefördert und erfasst. Die Teilnehmer sollten versuchen sich durch ihre eigenständigen Bestrebungen, ohne
professionelle Hilfe, zu verändern. Nach Abschluss der Studie wurde den SC Teilnehmern ebenfalls eine MI Therapie zuteil.
Die Messzeitpunkte und die individuellen Beurteilungen erfolgten, vor der Randomisierung, sowie in der ersten, vierten und achten
Woche. Über die acht Wochen wurde IVR täglich erhoben. Nach zwölf Wochen erfolgte ein telefonischer Follow-Up bei den
Teilnehmern der MI und der SOMI Therapiegruppe. Die verschiedenen Interventionen wurden aus Sicht des Betrachters und aus Sicht
des Betroffenen evaluiert. Die Beobachter konnten mit Hilfe des MITI34 die Therapiesitzungen, hinsichtlich der Reliabilität und der
Validität ihrer Ergebnisse, auswerten. Dort wurde das Verhalten des Therapeuten bzw. des Behandlers beurteilt. Für die Rubrik
‚Client Change Talk‘ haben zwei verblindete wissenschaftliche Mitarbeiter die Codierung der Äußerungen der Patienten und des
Therapeuten vorgenommen. Es wurden Aussagen, die aus einzelnen Worten bis hin zu mehreren Sätzen bestanden, in die Auswertung
mit aufgenommen und bestimmten Themenbereichen zugeordnet.
Es wurden zwei Ebenen anhand zweier Matrizen (Zehntel-Segment) analysiert. 1) Häufigkeit die Aussagen zur
Verhaltensveränderung seitens des Patienten, verglichen mit dem errechneten Mittelwert. 2) Wert35 der Äußerungen, im Vergleich mit
den durchschnittlichen Werten der Programmierer. Auf der anderen Seite steht die Auswertung der Patientenperspektive, bezogen auf
die Beziehungsaspekte zu dem Therapeuten bzw. der direkten Elemente, die in MI und SOMI integriert waren. Mit Hilfe des TSR36
und einer sechs- und einer vier-Punkte Likert Skala konnten die folgenden beiden Fragen eingeschätzt werden: „Wie hilfreich war ihr
Therapeut?“, ,,Hat ihr Therapeut Ihnen ausdrücklich Anleitung und Rat zur Reduktion des Alkohols gegeben?“ und „Hat er Ihnen
30 SOMI: Spirit Only MI, ist eine entwickelte Abkürzung der Autoren, damit sie sich besser von MI abhebt und das Verständnis erleichtert. 31 SOMI: Spirit Only MI, innerhalb dieser Intervention sind direktive und technische Elemente, die eine Verhaltensveränderung initiieren oder begünstigen könnten, untersagt. 32 MINT: Motivational Interviewing Network of Trainers 33 SC: Self-Change 34 MITI: Motivational Interviewing Treatment Integrity Code 35 Hier in der Bedeutung Gewichtung, Wertigkeit verwendet. 36 TSR: Therapy Session Report
28
Vorschläge zur Veränderung des Trinkverhaltens gemacht?“. Anhand Wiederholungsmessungen37 soll über neun Wochen dargestellt
werden, ob Personen vor der Randomisierung ihren Alkoholkonsum im Verlauf reduzieren. TLFB zeichnet von Anfang bis Ende der
Studie die Menge an Drinks auf, die schätzungsweise jeweils von den Teilnehmern getrunken wurden, diese Verlaufswerte werden
mit der Ausgangslage verglichen.
Ergebnisse Die Teilnehmer tranken viel Alkohol, waren leicht bis mittelmäßig schwer alkoholabhängig. Sie wiesen eine verhältnismäßig geringe
Drogen- bzw. Medikamentenabhängigkeit auf. Eine Komorbidität zu anderen psychischen Erkrankungen wurde im Vorfeld
ausgeschlossen und die Teilnehmer nahmen zum ersten Mal an einer Intervention zur Reduzierung ihres Alkoholkonsums teil. Die
Wiederholungsmessungen ergaben keine statistisch signifikanten Ergebnisse. Eine Mittelwertdifferenz bezüglich des MI ergab, dass
die Teilnehmer in der MI-Therapiegruppe schwerer betroffen waren als die Probanden der anderen beiden Gruppen. Die Auswertung
von MITI und TSR hat ergeben, dass die Zusammenarbeit signifikant höher eingeschätzt wurde als bei SOMI. Zurückzuführen ist dies
vermutlich auf die zusätzlichen Ratschläge und die Anleitungen zum Vorgehen bei der Konsumreduzierung38, dies war innerhalb des
SOMI untersagt. Die TSR Ergebnissen schließen sich an. Demnach wurde die Bindung zum Therapeuten während des MI und des
SOMI als gleichwertig positiv sowie hilfreich empfunden. Unterschiede sind zu vermerken bei den Fragen nach Anleitung und
Ratschlägen. Bei Anleitungen und Ratschlägen wurde die Unterstützung des Therapeuten bei MI erwartungsgemäß höher eingestuft
als bei SOMI. Im Verlauf näherten sich die Angaben zur Alkoholkonsumreduzierung an und zur zweiten Therapiesitzung von SOMI
wurde bereits die Einstufung positiver. Der größte positive Effekt auf die Konsumreduzierung konnte in den ersten zwei Wochen nach
der Randomisierung, zu Gunsten von MI, festgestellt werden. Entgegen den Erwartungen der Forscher, konnten keine signifikanten
Effekte der Bestandteile von MI gegenüber SOMI und SC gefunden werden. Nach zwölf Wochen konnten gleichwertige Ergebnisse
zur Reduzierung des Alkoholkonsums zwischen MI und SOMI, im Vergleich zur Ausgangslage, festgestellt werden. Es gibt dennoch
positive Ergebnisse im Vergleich der Follow-Up Erhebung und der Ausgangslage hinsichtlich einer Konsumreduzierung in allen drei
Gruppen. MI und SOMI Teilnehmer reduzierten erkennbar weiterhin ihren Alkoholkonsum. Es konnten aber keine überlegenen
Erkenntnisse zur Unterstützung von MI gefunden werden. Auf die Vermittlung der Ergebnisse zwischen MI und SOMI am Ende der
Studie wurde verzichtet. Dieser Vergleich wurde bereits nach zwei Wochen durchgeführt. Dies führte zu keinen aussagekräftigen
Ergebnissen. Es konnten keine Vorhersagen über den weiteren Verlauf des Alkoholkonsums gemacht werden.
Eine Interpretation der Wirksamkeit von MI, SOMI und SC ist schwierig. SC ist weniger effektiv als MI und SOMI, aber die
Differenzen sind nicht signifikant. Das Verhalten des Therapeuten kann die Motivation zur Verhaltensveränderung des Einzelnen
steigern und somit hat die Beziehung zwischen den Beteiligten einen Einfluss auf die Reduzierung des Alkoholkonsums.
Schlussfolgerung
der Autoren
Die Ergebnisse sollten aufgrund der Charakteristika einer Pilotstudie mit Bedacht interpretiert werden. Die experimentellen
Annahmen zeigen den Nutzen der Herangehensweise für die Zukunft, MI hinsichtlich seiner aktiven Bestandteile zu überprüfen.
Überraschend ist, dass SOMI und SC am Ende gleichwertige Ergebnisse wie MI hervorbringen. In Zukunft wird es wichtig, die
therapeutischen und die nicht- therapeutischen Faktoren zur Alkoholkonsumreduzierung zu überprüfen. Die bisher durchgeführten
Studien verfügen über ein mangelhaftes Design, deswegen ist es auf Grundlage dessen schwer zu sagen, wie die Elemente
37 Wiederholende Messungen: repeated measures ANOVA 38 Siehe auch Erläuterung 14Aktive Bestandteile
29
funktionieren und wem sie nutzen können. Um eine Unterscheidung zwischen MI und der eigenständigen Veränderung zu erreichen,
wäre eine Erweiterung des MI Konzeptes wünschenswert. Die Erarbeitung des Paradigmas war erfolgreich. Es konnte nicht
nachgewiesen werden, dass das komplette MI effektiver ist als eine angepasste oder eine separierte Intervention des MI oder der SC.
In Zukunft ist es wichtig, ein Augenmerk auf die Gemeinsamkeiten und auf die Wirkweise von MI zu legen.
Kritische
Bewertung
Positiv
die Genauigkeit und die Unterscheidbarkeit vom MI und
SOMI wurde mehrfach und standardisiert erfasst
zwei Ausreißer wurden in der Untersuchung erkannt,
entsprechend wurden zwei Berechnungen durchgeführt, zum
einen mit und zum anderen ohne ihre Aussagen zu
berücksichtigen
die Ergebnisse unterstützen die Durchführbarkeit und den
Nutzen der Pilotstudie
die Studie zeigt einen Lösungsweg auf, wie man aktive
Mechanismen des MI, getrennt voneinander, überprüfen kann
Übertragung auf andere alkoholerkrankte Patientengruppen
ist möglich
unerwartete Ergebnisse, Analyseplan wurde angepasst
Ergebnisgutachter waren verblindet
Studienteilnehmer waren gleichmäßig auf die Gruppen
verteilt
weiterer Forschungsbedarf wird erwähnt und die Pilotstudie
kann einen Beitrag zur Entwicklung zukünftiger
Studiendesigns leisten
Negativ
die Gewichtung der kategorisierten Themenbereiche birgt
Risiken der unverhältnismäßigen Selektion von Faktoren, die
zum weiteren Alkoholkonsum führten und die Reduktion des
Alkoholkonsums begünstigten
schwierige Codierung der ‚Client Change Talk‘ Äußerungen,
dies führt zur Limitierung der Ergebnisse
Teilnehmer der MI-Interventionsgruppe waren etwas
schwerer betroffen als die Personen in den anderen beiden
Gruppen
zu geringe Stichprobe, Effektgrößen zu gering
Randomisierung erfolgte nicht computergestützt
SC Gruppe wurde nicht gleichbehandelt wie sie MI und
SOMI Gruppe
Follow-Up nach den zwölf Wochen schwierig zu beurteilen,
Follow-Up zu zeitnah gewählt
nur MI und SOMI wurden nach zwölf Wochen telefonisch
evaluiert
schwierig zu beurteilen sind die SC Effekte, da die Gruppe zu
diesem Zeitpunkt MI nachträglich erhält
der experimentelle und MI zerlegende Charakter der Studie
muss berücksichtigt werden
freiwillige Teilnahme
Konsequenzen am Arbeitsplatz und im Sozialleben sehr
gering
Ursachen für den Verlust von Studienteilnehmern bis zum
Follow-Up nicht bekannt (n=9)
verdeckte Zuordnung ist fraglich
Verblindung der Teilnehmer fraglich
30
8.4.6 ‘Motivational Interviewing and Behavior Change: How Can We Know How It Works?’
Autor: Nahom, D. (2005) Studiendesign Literatur Übersicht
Ziel Der Artikel soll die bereits veröffentlichten Evaluationsstudien zu MI und AMI, hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf
Verhaltensveränderungen, untersuchen. Es sollen Verständnislücken in Bezug auf die Verfahren von MI/AMI herausgearbeitet
werden. Auf dieser Grundlage sollen in Zukunft die Wirksamkeit und die Effektivität überprüft werden. Erst dieser Schritt führt uns
zu einem Wissenszuwachs, wie genau und warum die Interventionen von MI/AMI funktionieren.
Durchführung Es wurden die Internetseite des Motivational Interviewing (http://motivationalinterview.org/library/biblio.html) und die Datenbank
PsychINFO durchsucht. Es wurden 60 veröffentlichte Artikel zwischen 1986 und 2002 in die Literaturarbeit eingeschlossen.
Eingeschlossen wurden Studien, die den Effekt von MI/AMI/MET untersuchten. Besonders ist, dass hier auch auf Erfahrung
basierende Studien, kleine Pilotstudien und Fallstudien eingeschlossen wurden. Es wurde versucht, nur Studien einzuschließen, die ein
bestimmtes Element der MI/AMI Therapie genauer betrachteten. Die Patientenpopulationen waren in den eingeschlossenen Studien
vorwiegend an Alkohol-, Nikotin-, oder Drogenabhängigkeit erkrankt. Unter anderem waren auch Studien mit Probanden
eingeschlossen, die mehrere Diagnosen39 hatten. Es sind in den eingeschlossenen Studien noch diverse andere Patienten- bzw.
Personengruppen untersucht worden, bei Interesse entnehmen sie diese dem Originaltext.40 Ausgeschlossen wurden
Übersichtsarbeiten mit Metaanalysen, die mehr als eine Intervention untersuchten. Die MI/AMI Interventionen bestehen zum einen
aus sechs gängigen Elementen der MI Kurzintervention (FRAMES41). Zum anderen bestehen sie aus vier Grundsätzen des MI
(Kernprinzipien42). Die einzelnen Interventionen von MI/AMI wurden hinsichtlich ihrer Effekte untersucht.
Ergebnisse Zusammengefasst wurden acht Interventionen, die sich aus den Konzepten von MI und AMI ableiten lassen.
Die Elemente: Feedback, Verantwortung, Rat, Auswahl an Optionen, Empathie ausdrücken, Unterstützung der Selbstwirksamkeit
sowie der Umgang mit Widerstand und die Entwicklung von Diskrepanzen wurden zusammenfassend beschrieben.
Alle acht untersuchten Interventionen der beiden MI/AMI Konzepte kommen zu dem Ergebnis, dass sie weder notwendig noch
ausreichend sind, um eine Verhaltensveränderung zu beeinflussen. Bei dem Element ‚Rat‘, konnte keine Verbindung zu einer
Verhaltensveränderung festgestellt werden. Kam es während einer Intervention doch zu einer Verhaltensveränderung des
Studienteilnehmers, so ist diese Veränderung nicht ausschließlich nur auf die MI/AMI Intervention zurückzuführen. Dies belegt auch
das Element ‚Auswahl an Optionen‘. Hier wird deutlich, dass es zwar sinnvoll ist die Optionen in Form von Empfehlungen
aufzuzeigen. Doch ist eine möglicherweise folgende Verhaltensveränderung nicht den MI/AMI Interventionen ausschließlich
zuzuschreiben. Beim Ausdrücken der Empathie sowie bei der Unterstützung der Selbstwirksamkeit wurden zwar Messungen
durchgeführt, jedoch nie in Bezug auf die Auswirkungen für den Patienten berichtet. Bei dem Umgang mit dem Widerstand des
Patienten durch seine Überzeugungen konnte herausgefunden werden, dass es wohl Gestaltungsspielraum dieses Elementes gibt.
39 Doppeldiagnosen: dual diagnoses 40 vgl. Nahom, 2005, S.60 f. 41 FRAMES: Feedback, Verantwortung, Rat, Auswahl an Optionen, Empathie und Selbstwirksamkeit (vgl. Nahom, 2005, S.59) 42 Kernprinzipien: Empathie ausdrücken, Entwicklung von Diskrepanz, Umgang mit Widerstand und Unterstützung der Selbstwirksamkeit (vgl. Nahom, 2005, S.59)
31
Keine eingeschlossene Studie kann genau benennen, wie sie zu diesen Ergebnissen gelangt ist. Es ist zu vermuten, dass
Argumentation möglicherweise vermieden wird, um den Patienten nicht zu konfrontieren. Bei dem letzten Element ist erkennbar, dass
unklar ist, wie die Entwicklung von Diskrepanzen zu der gegenwärtigen Situation von statten ging. Auch hier wird deutlich, dass
keine alleinige Verhaltensveränderung durch den Einfluss einer MI/AMI Intervention ausgeht. MI/AMI ist nahezu ähnlich effektiv
wie andere Interventionen in der Psychotherapie. Der herausragende Erfolg vom MI/AMI gegenüber anderen Intervention bleibt
fraglich. Es konnten keine statistisch signifikanten Ergebnisse gefunden werden, die klar zeigen, wie eine Verhaltensveränderung
durch eine der MI/AMI Interventionen erfolgt. Über die Entstehungsmechanismen der Verhaltensveränderung kann nichts ausgesagt
werden. Es können keine Aussagen zur Wirksamkeit von MI/AMI gemacht werden.
Schlussfolgerung
der Autoren
In Zukunft sollten die einzelnen Teile des komplexen Zusammenspiels zwischen den beiden MI/AMI Verfahren, hinsichtlich der
angewendeten Techniken und der Wirkung von therapeutischen Interventionen, näher untersucht werden.
Erkennbar ist, dass die Zusammenarbeit bzw. die Beziehung des Therapeuten zu seinem Patienten in den Studien nicht weiter
beschrieben wird, obwohl es zu einer Verhaltensveränderung des Patienten gekommen ist. Es muss Untersuchungen zu den
gemeinsamen Grundsätzen von MI/AMI geben. Es gibt eine hohe Anzahl von Publikationen, die Interventionen und Techniken
enthalten, die nicht evidenzbasiert überprüft sind. Dadurch fällt es den Therapeuten in der Praxis schwer, dass geeignete
Behandlungsverfahren für den Betroffenen zu finden. Die vorliegende Literatur gibt nicht die Möglichkeit die Verbindung von
Interventionsverfahren und Patientenoutcomes zu beurteilen. In Zukunft sollten zwei Seiten beleuchtet werden, zum einen, ob
eine Intervention funktioniert und zum anderen wie genau sie funktioniert, um Verhaltensveränderungen hervorzurufen. Die
Interventionen sollten einzeln in Studien geprüft werden und mit geeigneten Messinstrumenten jeweils bewertet werden. Dies führt
dazu, dass erfolgsversprechende Interventionen evidenzbasiert herausgearbeitet werden können.
Kritische
Bewertung
Positiv
der Anspruch, dass Studien, die auf Erfahrungen basieren,
kleine Pilotstudien und Fallstudien eingeschlossen werden,
trifft das Interesse der Autorin
es konnten Wissens- und Verständnislücken in Bezug auf
MI/AMI beleuchtet werden
zukünftige Forschungsziele werden formuliert (z.B. Analyse
zu den Wirkungen von MI/AMI und dem eigentlichen
Prozess können die Praxis verbessern)
es ist zu wenig darüber bekannt wie die Interventionen
funktionieren und wie durch sie eine Verhaltensveränderung
zu Stande kommt
beispielsweise wird auch ein eigens entwickeltes Modell zur
Erfassung von Mechanismen, die zur Verhaltensveränderung
führen können, vorgestellt
Negativ
die Kriterien einer systematischen Übersichtsarbeit sind nicht
erfüllt, dies limitiert die Aussagekraft
das Setting und die behandelten Personengruppen sind sehr
unterschiedlich in den eingeschlossenen Primärstudien
Kontrollinterventionen waren sehr vielfältig gewählt
auch die Interventionszeitpunkte der einzelnen MI/AMI
Interventionen variierten von Studie zu Studie
die Messparameter derselben Intervention unterschieden sich
teilweise deutlich von den jeweiligen Studien (Validität und
Reliabilität schwer zu beurteilen)
die angewendeten Messverfahren der Primärstudien sind
oftmals gar nicht oder nur unzureichend beschrieben
die Ausgestaltung der verschiedenen MI/AMI Elemente sind
unterschiedlich
es wurden zu wenige Informationsressourcen durchsucht
32
über die jeweiligen Stichprobengrößen wurde im Einzelnen
nicht berichtet
hohe Heterogenität der Studien ist zu vermuten
Bias Risiken auf allen Ebenen unklar bis hoch eingeschätzt,
da meistens dazu keine Aussagen in den Primärstudien
getroffen wird
33
8.4.7 ‘Motivational interviewing for substance abuse’
Autoren: Smedslund, G., Berg, R.C., Hammerstrøm, K. T., Steiro, A., Leiknes, K.A., Dahl, H.M. & Karlsen, K. (2011) Studiendesign Systematic Review
Ziel Der Systematic Review soll die Effektivität von MI für Menschen mit Alkohol-, Drogen-, bzw. Medikamentenabhängigkeit
beurteilen. Ziel ist es, MI hinsichtlich seiner Effekte auf den Konsum des jeweiligen Suchtmittels zu prüfen. Des Weiteren sollen
Aussagen zur Therapietreue, sowie der Bereitschaft etwas zu verändern, erzielt werden.
Die speziellen Ziele der Studie lauten wie folgt:
Es soll die Effektivität von MI als grundlegende bzw. als unterstützende Intervention für Substanzmissbrauch beurteilt werden.
Ergebnisse sollen hinsichtlich des Grades des Drogenkonsums, des Beibehaltens der Therapie und der Bereitschaft zur Veränderung
Aufschluss geben.
Ziele der eingeschlossenen Studien:
Primärergebnisse: Reduzierung, Beendigung des Konsums des jeweiligen Suchtmittels (überprüft durch Urin- und
Blutuntersuchungen).
Aussagen zur Reduzierung bzw. Beendigung des jeweiligen Konsums wurden zu vier Messzeitpunkten (Follow-Up) in den
eingeschlossenen Studien ermittelt. a) direkt nach der Beendigung von MI, b) sechs Monate nach MI, c) zwischen sechs und zwölf
Monaten nach MI und d) nachdem die Intervention mehr als zwölf Monate zurücklag. Die Reduzierung des Konsums verschiedener
Suchtmittel konnte, anhand von Assessmentinstrumenten erfasst und zu unterschiedlichen Messzeitpunkten erhoben werden.
Sekundärergebnisse beinhalten: Das Beibehalten der Therapie und das Verbessern der Motivation, um die Veränderung selbst zu
erwirken. Dies wurde gemessen anhand des ,Readiness to Change Questionaire‘ Fragebogens. Als drittes sollten Aussagen zu den
wiederkehrenden Überzeugungen gemacht werden. Dies betraf Menschen, die bereits gerichtlich verurteilt waren.
Durchführung Eine systematische Literaturrecherche erfolgte in 18 elektronischen Datenbanken, auf fünf Websites und vier Verteilerlisten des
Netzwerkes MINT43. Ebenfalls wurden Referenzlisten von bereits bestehenden Reviews mit in die Recherche aufgenommen. Die
Recherche erfolgte zwischen November 2009 und November 2010. Es wurden alle Daten von 1983- 2010 in die Recherche
eingeschlossen. Die Suche wurde limitiert auf RCT.44 Drei Autoren aus der Arbeitsgruppe übernahmen die Recherche. Die Selektion
der Studien erfolgte mit Hilfe dreier Level: a) alle Titel der Studien wurden gesichtet, b) Kategorisierung von Titeln und Abstracts und
c) die nun übrigen Studien wurden im Volltext erworben. Zwei Autoren abstrahierten die Ergebnisse indem sie die Studien ein- oder
ausschlossen. Falls sie sich nicht einigen konnten, erfolgte eine Diskussion. Wenn einer der beiden Autoren eine umstrittene Studie
eingeschlossen hatte, so wurde diese in die Datensammlung für den SR45 eingeschlossen. Bei fehlenden Informationen wurden die
Autoren der Studien mehrfach kontaktiert. Jede eingeschlossene Studie wurde auf ihr Bias Risiko einzeln, anhand des Cochrane
Handbook, überprüft. MI wurde bei allen eingeschlossenen RCT durch Audio- oder Videoaufnahmen sichergestellt.
43 MINT: Motivational Interviewing Network of Trainers 44 RCT: Randomized controlled trail 45 SR: Systematic Review
34
Ergebnisse Aus 243 Volltextartikel wurden nochmal 153 Studien ausgeschlossen, sodass der Systematic Review auf 59 eingeschlossenen RCT
basiert. 29 Studien beschäftigten sich ausschließlich mit den Effekten von MI bei Alkoholabhängigen, in acht weiteren Studien
wurden die Effekte von MI auf Cannabiskonsumenten geprüft. Vier Studien beschäftigten sich mit Kokainabhängigen und in den
letzten 18 eingeschlossenen Studien wurden Teilnehmer eingeschlossen, die mehr als eine Abhängigkeitserkrankung aufwiesen.
Bias Risiken bei den eingeschlossenen Studien: Es ist erkennbar, dass die meisten eingeschlossen Studien über keine transparente und
nachvollziehbare Zuordnung der Teilnehmer zwischen Interventions- und Kontrollgruppe verfügen. Ebenfalls schwierig ist es eine
Verblindung der Teilnehmer bzw. der Beratenden oder der durchführenden Personen zu ermöglichen. Die Verblindung war bei der
Mehrzahl der Studien unklar. In 22 Studien scheint es so, dass bei dem Gutachter eine ausreichende Verblindung bestand. Es lag eine
hohe Heterogenität der verschiedenen Studien vor. Auf die Darstellung der durchgeführten Metaanalyse, sowie die Ausarbeitung der
Subgruppenanalyse wurde verzichtet, da die Metaanalyse keine aussagekräftigen Ergebnisse lieferte.
Die Studienergebnisse wurden in vier Vergleiche unterteilt. a) Effekte von MI wurden gegenüber keiner Kontrollintervention erhoben,
b) Effekte von MI wurden gegenüber des normalen Prozedere erhoben, c) Effekte von MI wurden gegenüber einer Beurteilung und
Feedbackgesprächen erhoben, d) Effekte von MI wurden gegenüber einer anderen aktiven Interventionen erhoben.
a) Zu den Zeitpunkten direkt nach dem Beenden von MI und sechs bzw. zwölf Monate nach der Intervention konnten Effekte zu
Gunsten von MI nachgewiesen werden. Erst nach über zwölf Monaten konnten keine signifikanten Ergebnisse mehr nachgewiesen
werden.
b) Bei diesem Vergleich konnten weder bei den primären Ergebnissen noch bei den sekundären Ergebnissen Effekte oder signifikante
Unterschiede festgestellt werden.
c) MI wies erst nach einer Zeit von sechs bis zwölf Monaten effektivere Ergebnisse als die Feedbackgespräche auf. Zur Bereitschaft
etwas zu verändern konnte eine Studie in diesem Vergleich gefunden werden. Jedoch lässt sich auf Grundlage einer Studie keine
Aussage treffen.
d) Bei diesem Vergleich konnten ebenfalls keine signifikanten Ergebnisse ermittelt werden.
Es konnten aufgrund der geringen Datenlage und der hohen Heterogenität der Studien keine Aussagen zu den Sekundärergebnissen
formuliert werden. Die hierzu durchgeführten Berechnungen waren nicht signifikant.
Schlussfolgerung
der Autoren
Die Evidenz wird von den Autoren als meist gering eingeschätzt. Einige wenige Vergleiche waren von ihrer Studienqualität moderat,
jedoch liegt ein niedriger Evidenzgrad der Ergebnisse des Systematic Review vor. Dafür sind hohe Bias Risiken bei der Zuteilung
der Teilnehmer und bei der Verblindung von Teilnehmern, durchführenden Personen sowie bei den Ergebnisgutachtern,
verantwortlich. Es konnten keine Aussagen zu den sekundären Ergebnissen ermittelt werden. Es werden zusätzlich einige Bias
Risiken hinsichtlich unvollständiger bzw. selektiver Studienberichte vermutet.
35
Kritische
Bewertung
Positiv
MI wurde bei alle eingeschlossenen RCT durch Audio- oder
Videoaufnahmen sichergestellt (Durchführungsbias wurde
minimiert)
alle Altersgruppen wurden in dieser Studie abgedeckt
viele Anwendungsbereiche von MI machen deutlich wie
verbreitet die Methode ist
verschiedene Applikationsformen der Suchtmittel wurden
laut Primärstudien ebenfalls durch MI beeinflusst
hohe Transparenz der Vorgehensweise innerhalb des SR
nur Einzeltherapie mit MI wurde untersucht
hoher Reporting Bias
Studierende als Risikogruppe, da Maßnahmen der
eingeschlossenen Studien meist auf diese Personengruppe
abzielt
Negativ
sekundäre Outcomes konnten, aufgrund der hohen
Heterogenität, nicht bestimmt werden (viele Settings)
der Schweregrad der jeweiligen Abhängigkeitserkrankung der
Probanden in den eingeschlossenen Studien konnte nicht
beurteilt werden, da die Artikel dazu keine Aussage machten
Messzeitpunkte in den verschiedenen eingeschlossenen Studien
(siehe Primärergebnisse) waren unterschiedlich gewählt
Zuteilung und Verblindung in den verschiedenen
eingeschlossen Studie bilden die höchsten Risiken
Publikationsbias, aufgrund von erhöhten Effektgrößen zu
Gunsten von MI. Es wird vermutet, dass mehrere Studien, die
keine Effekte von MI nachweisen, gar nicht publiziert wurden
36
8.5 Übersicht der Bias Risiken der eingeschlossen Studien
Bias Risiko 1. Foxcroft
u.a. (2014)
SR
2. Korcha u.a.
(2013)
RCT
3. Lussier &
Richard (2007)
Expertenmeinung
4. Magill u.a.
(2013)
Querschnittsstudie
5. Morgen-
stern u.a.
(2012)
Pilotstudie
6. Nahom
(2005)
Review
7. Smedslund
u.a. (2011)
SR
Selektions-Bias gering
hoch X
unklar X X X X X
Durchführungs-
Bias
gering X
hoch
unklar X X X X X
Informations-Bias gering
hoch X X X X
unklar X X
Attrition-Bias gering
hoch
unklar X X X X X X
Gesamtbewertung
Bias Risiken
wurden
zusammen-
gefasst
Bias Risiken
nicht einzeln
beurteilbar
Bias Risiken
wurden
zusammen-
gefasst
Bias Risiken
wurden
zusammen-
gefasst
37
8.6 Übersicht der Ergebnisse der eingeschlossenen Studien
Inhaltliche
Schwerpunkte
Untergliederung 1. Foxcroft
u.a. (2014)
SR
2. Korcha
u.a. (2013)
RCT
3. Lussier &
Richard (2007)
Expertenmeinung
4. Magill u.a.
(2013)
Querschnitts-
studie
5. Morgen-
stern u.a.
(2012)
Pilotstudie
6.Nahom
(2005)
Review
7.Smedslund
u.a. (2011)
SR
Personengruppe Alkoholabhängige X X X X X
Drogen- und/oder
Medikamentenabhängige
X X
beides X X X X
Substanz Alkohol X X X X X
Drogen- und/oder
Medikamente
X X X
beides X X X X
Intervention MI X X X X X X X
MET X
AMI X
Intensiv MI X
andere Interventionen X X X X X
Wirkzeitraum
Die Follow-Up
Zeiträume wurden zur
Übersicht,effektorientiert und induktiv aus allen
eingeschlossenen Studien
gebildet.
post Intervention X
< zwei Wochen X X
zwei Monate X X
< drei Monate X
< vier Monate X
vier Monate X
> vier Monate X
< sechs Monate X X
< zwölf Monate X
keine Angabe X X
Konsumverhalten Reduzierung X X X X X
Abstinenz X X X
keine Angabe/Erhöhung X/ /X X/
Effektivität ja X X X X X
nein X
k. Angabe/n. signifikant X/ /X /X
M 23 Wahlpflichtmodul „Journal Club“ – BA Pflegeentwicklung und Management – HAW Hamburg – WS 2014/15
Anne Junghans, Susanne Krotsetis, Lübeck, Tel. (dienstl.): 0451 500-5464/-5098, E-Mail: anne.junghans@uksh.de, susanne.krotsetis@uksh.de
Anhang 2b: Leitfragen für die kritische Bewertung von systematischen Übersichtsarbeiten a) Methodische Qualität der Übersichtsarbeit
Voraussetzungen für niedriges Bias-
Risiko
Bewertung (bitte
ankreuzen)
Begründung
Sind die gewählten Ein- und Ausschlusskriterien
für die Auswahl der Studien adäquat für die
Beantwortung der Fragestellung?
adäquat
problematisch
unklar
Sind die durchsuchten Informationsressourcen
(Literaturdatenbanken etc.) ausreichend in der
Anzahl und in der inhaltlichen Ausrichtung?
adäquat
problematisch
unklar
Ist der Verlauf der Trefferauswahl nachvollziehbar
dargestellt (Angabe der ursprünglichen
Trefferzahl, Ergebnisse des weiteren
Auswahlprozesses berichtet; vorzugsweise
anhand des PRISMA Flow Chart)?
adäquat
problematisch
unklar
Erfolgte die Datenextraktion durch mindestens
zwei Personen unabhängig voneinander?
adäquat
problematisch
unklar
Erfolgte eine kritische Bewertung der Qualität der
eingeschlossenen Studien (durch mindestens
zwei Personen unabhängig voneinander)?
adäquat
problematisch
unklar
Gab es eine ausreichend hohe Übereinstimmung
zwischen den verschiedenen Autoren, welche die
eingeschlossenen Studien beurteilten?
Ist das Vorgehen bei Nichtübereinstimmung
beschrieben?
adäquat
problematisch
unklar
Sind die Charakteristika der eingeschlossenen
Studien ausreichend und nachvollziehbar in
Tabellenform dargestellt?
adäquat
problematisch
unklar
Sind die Ergebnisse der eingeschlossenen
Studien nachvollziehbar und unter
Berücksichtigung der Aussagekraft und der
Heterogenität* dieser Studien zusammengefasst?
adäquat
problematisch
unklar
Nur bei Metaanalysen: Wurde statistisch die
Heterogenität der Ergebnisse der
zusammengeführten Primärstudien kontrolliert
(X2- und I
2-Statistik) und wurde das Metaanalyse-
Verfahren** auf vorliegende Heterogenität
abgestimmt?
adäquat
problematisch
unklar
Nur bei Metaanalysen: Waren durchgeführte
Subgruppen- oder Sensitivitätsanalysen im
Vorwege (a priori) geplant?
adäquat
problematisch
unklar
Potenzielle Risiken eines Publikations-Bias sind
geprüft und benannt.
adäquat
problematisch
unklar
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*Heterogenität kann die untersuchten Populationen, Interventionen, genutzten Datenerhebungsinstrumente
und/oder die Ergebnisse der Primärstudien betreffen. **“Random effects“-Modell bei bestehender Heterogenität erforderlich. b) Gültigkeit der in die Übersichtsarbeit eingeschlossenen Primärstudien
Bias-Art Voraussetzungen für niedriges
Bias-Risiko
Bewertung (bitte
ankreuzen)
Begründung
Selektions-Bias* Die meisten der eingeschlossenen
Studien weisen ein geringes Risiko
eines Selektions-Bias auf.
geringes Bias-Risiko
hohes Bias-Risiko
unklares Bias-Risiko
Durchführungs-
Bias*
Die meisten der eingeschlossenen
Studien weisen ein geringes Risiko
eines Durchführungs-Bias auf.
geringes Bias-Risiko
hohes Bias-Risiko
unklares Bias-Risiko
Informationsbias* Die meisten der eingeschlossenen
Studien weisen ein geringes Risiko
eines Informationsbias auf.
geringes Bias-Risiko
hohes Bias-Risiko
unklares Bias-Risiko
Attrition-Bias* Die meisten der eingeschlossenen
Studien weisen ein geringes Risiko
eines Attrition-Bias auf.
geringes Bias-Risiko
hohes Bias-Risiko
unklares Bias-Risiko
*Orientierende Kriterien s. Bewertungskriterien für Verzerrungsrisiken in RCT und anderen kontrollierten Studien.
c) Präzision der Ergebnisse
Bedingungen für Sicherstellung präziser
Ergebnisse
Bewertung (bitte
ankreuzen)
Begründung
Die Stichproben in den eingeschlossenen Primärstudien
hatten augenscheinlich eine adäquate Größe gehabt.
erfüllt
nein
unklar/teilweise
Die Daten der Primärstudien für den Endpunkt oder die
Endpunkte sind valide und reliabel.
erfüllt
nein
unklar/teilweise
Für die Hauptergebnisse (Effektschätzungen wie z.B.
relatives Risiko, Odds Ratio, absolute Risikodifferenz oder
Mittelwertunterschiede) sind Konfidenzintervalle angegeben
(entweder gepoolte Ergebnisse oder Einzelergebnisse der
Primärstudien).
erfüllt
nein
unklar/teilweise
Die Konfidenzintervalle deuten auf statistisch zuverlässige
Ergebnisse (je enger die Konfidenzintervalle, desto präziser
die Ergebnisse) (entweder gepoolte Ergebnisse oder
Einzelergebnisse der Primärstudien).
erfüllt
nein
unklar/teilweise
d) Konsistenz der Ergebnisse
Voraussetzungen für konsistente Ergebnisse Bewertung (bitte
ankreuzen)
Begründung
Die Ergebnisse der Primärstudien sind konsistent, d.h.
weichen nicht auffällig bzw. statistisch signifikant
erfüllt
nein
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voneinander ab. unklar/teilweise
Nur bei Metaanalysen: A priori geplante
Subgruppenanalysen mit ausreichend großer Anzahl von
Primärstudien geben statistisch sichere Hinweise auf
Faktoren, welche die Varianz der Studienergebnisse
erklären.
erfüllt
nein
unklar/teilweise
e) Übertragbarkeit/klinische Relevanz der Ergebnisse
Bedingungen für Übertragbarkeit/klinische
Relevanz
Bewertung (bitte
ankreuzen)
Begründung
Die adressierte Population entspricht einem wesentlichen
Teil der Zielgruppe (der Intervention).
erfüllt
nein
unklar/teilweise
Die in der Übersichtsarbeit berücksichtigten Endpunkte oder
Risikofaktoren sind klinisch relevant.
erfüllt
nein
unklar/teilweise
Die sonstigen Ein- und Ausschlusskriterien hinsichtlich der
berücksichtigten Studien entsprechen den Kriterien, die aus
klinischer bzw. Betroffenen-Sicht relevant sind.
erfüllt
nein
unklar/teilweise
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Anne Junghans, Susanne Krotsetis, Lübeck, Tel. (dienstl.): 0451 500-5464/-5098, E-Mail: anne.junghans@uksh.de, susanne.krotsetis@uksh.de
f) Gesamtbeurteilung der Aussagekraft der systematischen Übersichtsarbeit
Hohe Aussagekraft: Die Ergebnisse sind nachvollziehbar, haben eine geringe
Bias-Anfälligkeit, sind präzise, konsistent und klinisch relevant. Weitere Studien
würden vermutlich das Vertrauen in die beobachteten Ergebnisse nicht
beeinflussen.
Mäßige Aussagekraft: Die Nachvollziehbarkeit ist limitiert; eine gewisse Bias-
Anfälligkeit kann nicht ausgeschlossen werden, und/oder es bestehen
Unsicherheiten hinsichtlich der Präzision, Konsistenz und/oder Relevanz der
Ergebnisse. Diese Limitationen oder Unsicherheiten machen es schwer, auf der
Grundlage dieser Übersichtsarbeit Empfehlungen für die Praxis zu formulieren;
dennoch geben die vorliegenden Ergebnisse vertrauenswürdige Hinweise, in
welche Richtung Effekte zu vermuten wären.
Niedrige Aussagekraft: Die Nachvollziehbarkeit ist stark limitiert, und/oder es
bestehen deutliche Bias-Risiken und/oder Unsicherheiten hinsichtlich der
Präzision, Konsistenz und/oder Relevanz der Ergebnisse. Diese Limitationen oder
Unsicherheiten liefern kaum vertrauenswürdige Hinweise, in welche Richtung
Effekte zu vermuten wären.
Sehr niedrige Aussagekraft: Die Ergebnisse der Übersichtsarbeit sind mit extrem
großer Unsicherheit behaftet und geben keine vertrauenswürdigen Hinweise, in
welche Richtung Effekte zu vermuten wären.
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Anne Junghans & Susanne Krotsetis, Sektion für Forschung und Lehre in der Pflege, Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck, anne.junghans@uksh.de, susanne.krotsetis@uksh.de
Kriterien für die kritische Bewertung der Qualität von RCT und nicht-randomisierten
kontrollierten Studien
a) Passt das gewählte Studiendesign zum Untersuchungsziel?
ja nein unklar
b) Bewertung von Verzerrungsrisiken (Bias-Risiken)
Bias-Art Voraussetzungen für niedriges Bias-Risiko
Bewertung (bitte ankreuzen)
Begründung
Selektions-Bias 1
Randomisierte Zuordnung nach einem standardisierten, möglichst computergeneriertem Schema
geringes Bias-Risiko hohes Bias-Risiko unklares Bias-Risiko
Selektions-Bias 2
Verdeckte randomisierte Zuordnung, sodass diese nicht beeinflusst werden konnte von Personen, die direkt an der Studie beteiligt waren (z.B. telefonische Zuordnung durch externes Forschungszentrum)
geringes Bias-Risiko hohes Bias-Risiko unklares Bias-Risiko
Selektions-Bias 3
Vergleichbarkeit der Untersuchungsgruppen zu Studienbeginn hinsichtlich wesentlicher klinischer Merkmale
geringes Bias-Risiko hohes Bias-Risiko unklares Bias-Risiko
Durchführungs-Bias 1
Standardisierte, einheitliche Durchführung der Intervention
geringes Bias-Risiko hohes Bias-Risiko unklares Bias-Risiko
Durchführungs-Bias 2
Sonstige Gleichbehandlung der Studiengruppen (abgesehen von der zu evaluierenden Intervention)
geringes Bias-Risiko hohes Bias-Risiko unklares Bias-Risiko
Durchführungs-Bias 3
Keine „Kontamination“ der Kontrollgruppe oder Wechsel von Teilnehmer der Kontrollgruppe in die Interventionsgruppe
geringes Bias-Risiko hohes Bias-Risiko unklares Bias-Risiko
Informationsbias Verblindete Erfassung der Daten zum Studienendpunkt („Outcome“)
geringes Bias-Risiko hohes Bias-Risiko unklares Bias-Risiko
Attrition-Bias 1 In beiden Studiengruppen sind ≤20 % der Teilnehmer vorzeitig ausgeschieden.
geringes Bias-Risiko hohes Bias-Risiko unklares Bias-Risiko
Attrition-Bias 2 Die Rate und/oder die Gründe für das vorzeitige Ausscheiden unterscheiden sich nicht zwischen den beiden Studiengruppen.
geringes Bias-Risiko hohes Bias-Risiko unklares Bias-Risiko
Attrition-Bias 3 Die Analyse erfolgte nach dem „intention to treat“-Prinzip.
geringes Bias-Risiko hohes Bias-Risiko unklares Bias-Risiko
Publikationsbias Die geplanten Ergebnisse sind vollständig und transparent für alle klinisch relevanten Aspekte beschrieben.
geringes Bias-Risiko hohes Bias-Risiko unklares Bias-Risiko
Wahlpflichtmodul „Journal Club“ – HAW Hamburg – WS 2014/15
Anne Junghans & Susanne Krotsetis, Sektion für Forschung und Lehre in der Pflege, Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck, anne.junghans@uksh.de, susanne.krotsetis@uksh.de
c) Präzision der Ergebnisse
Bedingungen für Sicherstellung präziser Ergebnisse Bewertung (bitte ankreuzen)
Begründung
Stichprobenkalkulation: Vor Durchführung der Studie erfolgte eine Stichprobenkalkulation auf der Grundlage plausibler Annahmen.
erfüllt nein unklar/teilweise
Die erforderliche Stichprobengröße wurde erreicht. erfüllt nein unklar/teilweise
Die Daten für den Endpunkt oder die Endpunkte sind valide und reliabel.
erfüllt nein unklar/teilweise
Für die Hauptergebnisse (Effektschätzungen wie z.B. relatives Risiko, Odds Ratio, absolute Risikodifferenz oder Mittelwertunterschiede) sind Konfidenzintervalle angegeben.
erfüllt nein unklar/teilweise
Die Konfidenzintervalle deuten auf statistisch zuverlässige Ergebnisse (je enger die Konfidenzintervalle, desto präziser die Ergebnisse).
erfüllt nein unklar/teilweise
d) Übertragbarkeit/klinische Relevanz der Ergebnisse
Bedingungen für Übertragbarkeit/klinische Relevanz Bewertung (bitte ankreuzen)
Begründung
Die untersuchte Population entspricht einem wesentlichen Teil der Zielgruppe der Intervention.
erfüllt nein unklar/teilweise
Der gewählte primäre Endpunkt ist klinisch relevant. erfüllt nein unklar/teilweise
Die Beobachtungsdauer („follow up“) ist klinisch bzw. aus Patienten-/Bewohnersicht relevant bzw. adäquat.
erfüllt nein unklar/teilweise
Die evaluierte Intervention entspricht der Durchführung/Durchführbarkeit unter Praxisbedingungen.
erfüllt nein unklar/teilweise
Sonstige Bemerkungen:
Wahlpflichtmodul „Journal Club“ – HAW Hamburg – WS 2014/15
Anne Junghans & Susanne Krotsetis, Sektion für Forschung und Lehre in der Pflege, Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck, anne.junghans@uksh.de, susanne.krotsetis@uksh.de
e) Gesamtbeurteilung der Aussagekraft der Studie
Hohe Aussagekraft: Die Studienergebnisse haben eine hohe Gültigkeit, sind statistisch sicher und klinisch relevant.*
Mäßige Aussagekraft: Die Gültigkeit und/oder statistische Sicherheit der Ergebnisse und/oder die klinische Relevanz sind limitiert. Diese Limitationen machen es schwer, auf der Grundlage dieser Studie Empfehlungen für die Praxis zu formulieren; dennoch gibt die Studie vertrauenswürdige Hinweise, in welche Richtung Effekte zu vermuten wären.*
Niedrige Aussagekraft: Die Studienergebnisse sind in ihrer Gültigkeit, statistischen Sicherheit und/oder klinischen Relevanz deutlich limitiert. Sie liefern kaum vertrauenswürdige Hinweise, in welche Richtung Effekte zu vermuten wären.
Sehr niedrige Aussagekraft: Die Studienergebnisse sind mit extrem großer Unsicherheit behaftet und geben keine vertrauenswürdigen Hinweise, in welche Richtung Effekte zu vermuten wären.
*Positive Beantwortung von Merkmal a ist Voraussetzung.
Kritische Beurteilung einer Interventionsstudie
Quelle: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Forschungsfrage: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Glaubwürdigkeit
1. Wie wurden die Teilnehmer re-krutiert und den Untersuchungs-gruppen zugeteilt?
Rekrutierung? Randomisierung? Zuteilung?
2. Wie viele Patienten, die anfangsin die Studie aufgenommen wur-den, waren am Ende noch dabei?
Wurden die Ausfallraten begründet, z. B. Umzug, Tod, Verletzung des Protokolls? Follow-up > 80%?
3. Waren die Teilnehmer, das Perso-nal und die Untersucher verblin-det?
Wenn nein: wäre eine Verblindung möglich und ethisch vertretbar gewesen?
4. Waren die Untersuchungsgrup-pen zu Beginn der Studie ähn-lich?
Geschlecht, Alter, Krankheitsstadium, Bildung, Beruf?
5. Wurden die Untersuchungsgrup-pen – abgesehen von der Inter-vention – gleich behandelt?
Unwahrscheinlich, dass andere Faktoren die Ergebnisse beeinflusst haben?
6. Wurden alle Teilnehmer in derper Randomisierung zugeteiltenGruppe bewertet?
Wechselte kein Teilnehmer die Gruppe? Intention-to-Treat-Analyse?
7. War die Größe der Stichprobeausreichend gewählt, um einenEffekt nachweisen zu können?
Fallzahlberechnung? Signifikante Effekte?
8. Stehen die Ergebnisse im Ein-klang mit anderen Untersuchun-gen auf diesem Gebiet?
Aussagekraft
9. Wie ausgeprägt war der Behand-lungseffekt?
z.B. RR, RRR, ARR, NNT? Median, Mittelwert?
10. Sind die unterschiedlichen Er-gebnisse nicht nur auf einen Zu-fall zurückzuführen?
p-Wert?
11. Wie präzise sind die Ergebnisse? Konfidenzintervalle?
Anwendbarkeit
12. Sind die Ergebnisse auf meinePatienten übertragbar?
Ähnliche Patienten, ähnliche Umgebung?
13. Wurden alle für mich wichtigenErgebnisse betrachtet?
Nebenwirkungen? Compliance?
14. Ist der Nutzen die möglichen Ri-siken und Kosten wert?
Kostenanalyse?
Benotung der Glaubwürdigkeit (Bias-Vermeidung): 1 − 2 − 3 − 4 − 5 − 6http://www.medizin.uni-halle.de/index.php?id=572 V 1.6 aus: Behrens, J., & Langer, G. (2010): Evidence-based Nursing and Caring. Hans Huber: Bern.
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