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Social Gambling Neue Suchtgefahren?
Dr. Tobias Hayer Institut für Psychologie und Kognitionsforschung
Universität Bremen
Symposium Glücksspiel 2017 Hohenheim, 16.03.2017
spielen „glücksspielen“
playing gambling
dient dem Aufbau emotionaler, kommunikativer, sozialer, kognitiver und motorischer Kernkompetenzen
fördert die Persönlichkeitsentwicklung, leistet einen wesentlichen Beitrag für
das kindliche Lernen
ubiquitär, zweckfrei, Als-ob-Realität
primärer Spielanreiz: Geldgewinne
demeritorisches Gut
Jugendschutzbestimmungen
Dr. Tobias Hayer Hohenheim, 16.03.2017
Allgemeine Vorbemerkungen
gaming
Glücksspielverhalten Jugendlicher in Deutschland
Hurrelmann et al. (2003)
Baum-gärtner (2009)
Duven et al. (2011)
Walther et al. (2012)
Ludwig et al. (2012)
Müller et al. (2014)
Rehbein et al. (2015)
Stöver et al. (2014)
Stichprobe 5.009
Schüler (13-19 Jahre)
1.132 Schüler
(14-18 Jahre)
3.967 Schüler
(12-18 Jahre)
2.553 Schüler
(12-25 Jahre)
6.192 Schüler (9./10. Klasse)
5.976 Schüler
(12-19 Jahre)
11.003 Schüler
(13-18 Jahre)
1.401 Jugendliche
(14-17 Jahre)
Prävalenz Lebenszeit
(%) 62,0 82 64,3 --- --- 69,2 --- ---
Prävalenz 12 Monate
(%) 39,9
20 (letzten 30
Tage) 41,2 33,4 44,3 43,7 23,1 40
Anteil Problem-
spieler (%)
2,96 DSM-IV-MR-J
--- 2,2
DSM-IV-MR-J 1,3
SOGS-RA ---
1,7 DSM-IV-MR-J
0,3 DSM-IV-MR-J
0,7 DSM-IV
Dr. Tobias Hayer Hohenheim, 16.03.2017
Exkurs: Glücksspiele: Erstkontaktalter Richmond-Rakerd et al. (2013)
Prävalenz der Spielteilnahme in den USA (N=9.282)
Kohorte 1 (60-98 Jahre)
Kohorte 2 (45-59 Jahre)
Kohorte 3 (30-44 Jahre)
Kohorte 4 (18-29 Jahre)
Lebenszeit- Prävalenz (%)
71,5 82,1 82,4 77,3
Erstkontaktalter (unter 18 Jahre; %)
13,8 19,7 25,7 40,2
Erstkontaktalter (unter 15 Jahre; %)
7,6 10,7 14,4 18,3
Erstkontaktalter (Jahre; M)
32,8 25,7 20,9 16,9
Dr. Tobias Hayer Hohenheim, 16.03.2017
… Digital Natives …
Dr. Tobias Hayer Hohenheim, 16.03.2017
Erste Kontakte mit echten Glücksspielen, glücksspielähnlichen Produkten oder entsprechender Werbung erfolgt bei den jüngeren
Alterskohorten zunehmend im Internet
Dr. Tobias Hayer Hohenheim, 16.03.2017
JIM-Studie (2016) (I) Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger (N=1.200)
https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2016/JIM_Studie_2016.pdf (S. 8)
Dr. Tobias Hayer Hohenheim, 16.03.2017
JIM-Studie (2016) (II) Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger (N=1.200)
https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2016/JIM_Studie_2016.pdf (S. 11)
Dr. Tobias Hayer Hohenheim, 16.03.2017
JIM-Studie (2016) (III) Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger (N=1.200)
https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2016/JIM_Studie_2016.pdf (S. 29)
Social Gambling – Begriffsannäherung (I)
Glücksspiele im engeren Sinn: Geldeinsatz + Geldgewinnmöglichkeit
+ überwiegender Zufallseinfluss
Glücksspiele im weiteren Sinn: - Geldeinsatz plus Geldgewinnmöglichkeit (z.B. „Skill Games“)
- Verfügbarkeit strukturell identischer Echtgeldspiele (z.B. Demospiele) - Existenz eines überwiegenden Zufallseinflusses (z.B. einzelne
Komponenten bestimmter Computerspiele)
kein Glücksspiel, aber „free to play/pay to win-Modell“: Optionaler (i.d.R. geringer) Geldeinsatz ohne
Geldgewinnmöglichkeit und ohne überwiegenden Zufallseinfluss
Dr. Tobias Hayer Hohenheim, 16.03.2017
x
Gambling
Gaming
Social Non-social
z.B. Roulette z.B. Zynga-Poker
z.B. Stand-alone-Spiele z.B. Farmville
Social Gambling – Begriffsannäherung (II)
Dr. Tobias Hayer Hohenheim, 16.03.2017
Simuliertes Glücksspiel im Internet („Glücksspiel-Surrogate“):
digitale interaktive Glücksspielaktivität, die keinen direkten Einsatz von Geld erfordert, aber ansonsten aufgrund des Einsatzes virtueller Währung und des als
zufallsbedingt wahrgenommenen Spielausgangs strukturell identisch mit klassischen Glücksspielformaten ist
Social Gambling – Begriffsdefinition
Meyer, G., Brosowski, T., von Meduna, M. & Hayer, T. (2015)
Hierunter fallen im Wesentlichen:
(1) entsprechende Spielangebote in sozialen Netzwerken (2) Demoversionen kommerzieller Internet-Glücksspielangebote
(3) simulierte Glücksspiele im Zuge von Videospielen
Dr. Tobias Hayer Hohenheim, 16.03.2017
Social Gambling – Versuch einer Taxonomie modifiziert nach Gainsbury et al. (2014)
Social Casino Gambling
Online-Spiele mit glücksspielbezogener Thematik
Geldeinsatz?
Gewinn mit Vermögenswert?
Geschicklichkeitsbasierter Spielausgang?
Internet-Glücksspiel
+
+
-
-
Einbindung in soziales Netzwerk?
+ -
Glücksspielthema zentral? Glücksspielanbieter?
+ + -
Social Game (mit Glücksspielbezug)
Demospiel bzw. Trainingsseite
Dr. Tobias Hayer Hohenheim, 16.03.2017
Social Gambling – Ausgewählte Problemfelder
Erhöhte Ausschüttungsquoten / besondere Spielalgorithmen
Normalisierung des Glücksspiels (direkte / indirekte Werbung)
Verschmelzung „Gaming“ und „Gambling“
Teilnahme als Türöffner für Spielerkarriere (Migration)
Monetarisierungsstrategien / In-App-Käufe
Inhärentes Suchtpotenzial
Dr. Tobias Hayer Hohenheim, 16.03.2017
Rückfallgefährdung für Problemspieler
Social Gambling – Potenzielle Positiveffekte
Dr. Tobias Hayer Hohenheim, 16.03.2017
pädagogischer Nutzen als „Serious Game“
harmloses Substitut für Problemspieler
Erwerb bestimmter Kern-Skills (z.B. Risikokompetenz)
Funktion eines Schutzfaktors bzw. Puffereffekt
…
Dr. Tobias Hayer Hohenheim, 16.03.2017
Teilnahmemotive als Differenzierungsmerkmale?
Glücksspiel Social Gambling
aus Freude, zur Unterhaltung zum Spaß
weil die Eltern oder Peers spielen
um Alltagsbelastungen auszublenden
um Geldgewinne zu erzielen aus sozialen Gründen
aufgrund der Spannung bzw. Aufregung um Zeit totzuschlagen
wegen des Wettbewerbs (z.B. Poker) als Glücksspiel-Substitut
Facebook-Apps
Dr. Tobias Hayer Hohenheim, 16.03.2017
Social Gambling – Marktvolumen
http://www.crowdpark.com/en/social-casino-market/#.VZDVHkbRnYg
„Social games have the reach, while online gambling has the money” (Yakuel, 2013)
Dr. Tobias Hayer Hohenheim, 16.03.2017
Social Gambling – Markttrends
Marktanalysen zufolge geben nur etwa 1-5% der aktiven Spieler Geld für „Social Gambling Games“ aus
Groben Schätzungen zufolge sind 10% der Kunden für 90% der Gesamtumsätze verantwortlich (sog. Wale)
Anbieter klassischer Glücksspiele haben die Attraktivität des Marktes erkannt und mehrere Unternehmen übernommen
(genuines Ziel: Erweiterung des Kundenkreises)
Glücksspielkommissionen einzelner Länder haben sich der Problematik angenommen und prüfen regulatorische Eingriffe bzw. setzen diese schon um (z.B. Belgien oder Großbritannien)
Dr. Tobias Hayer Hohenheim, 16.03.2017
Forschungsprojekt Social Gambling (laufend) (I) Eckpfeiler
Gegenstand Social Gambling im Jugendalter: Nutzungsmuster und Risiken
Kooperation mit dem Institut für Interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung, Hamburg
Finanzielle Unterstützung durch die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz in Hamburg
Methodik (Querschnitt) Standardisierte Befragung in Bremen (n=964), Hamburg (n=506) und
Lübeck (n=435) (repräsentativ angelegt; Klassen 6 bis 10)
Stichprobe N=1.905 Schüler im Alter von 11 bis 19 Jahren (M=13,9 J.; 50,9% weiblich)
Längsschnitt (Analysen in Vorbereitung) 1-Jahres-Follow-up-Messung (N=1.178; Response Rate: 61,8%)
Dr. Tobias Hayer Hohenheim, 16.03.2017
Forschungsprojekt Social Gambling (laufend) (II) Echtes Glücksspiel: Teilnahme-Prävalenzen im Querschnitt (%)
Gesamtdatensatz (ungewichtet)
Bremen (repräsentativ)
Hamburg (repräsentativ)
Lübeck (repräsentativ)
Glücksspiel -Lebenszeit
(offline) 56,9 57,6 59,3 53,3
Glücksspiel -Lebenszeit
(online) 15,8 17,2 13,8 14,9
Glücksspiel - letzte 12 Monate (offline/online)
38,5 38,3 40,0 38,7
Glücksspiel - letzte 12 Monate
(online) 7,4 8,0 5,3 9,3
Dr. Tobias Hayer Hohenheim, 16.03.2017
Forschungsprojekt Social Gambling (laufend) (III) Simuliertes Glücksspiel: Teilnahme-Prävalenzen im Querschnitt (letzte 12 Monate) (%)
Gesamtdatensatz (ungewichtet)
Bremen (repräsentativ)
Hamburg (repräsentativ)
Lübeck (repräsentativ)
Irgendein simuliertes Glücksspiel 50,1 49,3 52,0 57,3
innerhalb von Videospielen (H) 27,9 29,7 29,0 33,4
über Apps (H) 18,2 16,3 17,4 20,3
in sozialen Netzwerken (H) 13,6 13,8 12,4 12,5
als Demospiele (H) 9,0 9,2 8,7 10,3
innerhalb von Videospielen (u) 29,2 27,9 33,0 31,6
über Apps (u) 11,1 10,6 8,9 13,9
in sozialen Netzwerken (u) 5,6 5,7 4,7 5,9
als Demospiele (u) 4,1 4,8 2,9 5,3
H = von zu Hause aus gespielt; u = von unterwegs gespielt
Dr. Tobias Hayer Hohenheim, 16.03.2017
Forschungsprojekt „Social Gambling“ (laufend) (IV) Simuliertes Glücksspiel: Teilnahme-Häufigkeiten im Querschnitt (letzte 12 Monate) (%)
< 1 mal im Monat 1-4 mal im Monat 5-8 mal im Monat > 8 mal im Monat
innerhalb von Videospielen (H)
10,3 8,0 3,3 6,3
über Apps (H) 8,3 5,4 1,6 2,9
in sozialen Netzwerken (H)
7,2 4,0 0,8 1,5
als Demospiele (H) 5,6 2,5 0,4 0,4
innerhalb von Videospielen (u)
10,9 9,5 3,4 5,3
über Apps (u) 5,3 3,3 1,3 1,2
in sozialen Netzwerken (u)
3,0 1,8 0,5 0,3
als Demospiele (u) 2,9 0,9 0,1 0,2
H = von zu Hause aus gespielt; u = von unterwegs gespielt
Dr. Tobias Hayer Hohenheim, 16.03.2017
Forschungsprojekt „Social Gambling“ (laufend) (V) Erstkontaktalter (M)
Echtes Glücksspiel (offline/online) Simuliertes Glücksspiel
Rubbellose offline 10,4 innerhalb von Videospielen (u) 12,4
Lotto offline 10,9 als Demospiele (H) 12,4
Automatenspiele offline 11,2 als Demospiele (u) 12,5
andere Karten-/Würfelspiele offline 11,6 in sozialen Netzwerken (H) 12,5
Sportwetten offline 12,1 über Apps (H) 12,7
Poker offline 12,5 in sozialen Netzwerken (u) 12,7
Rubbellose online 11,4 innerhalb von Videospielen (H) 12,8
andere Karten-/Würfelspiele online 11,7 über Apps (u) 12,8
Lotto online 12,2
Automatenspiele online 12,6
Poker online 12,6
Sportwetten online 13,1
H = von zu Hause aus gespielt; u = von unterwegs gespielt
Dr. Tobias Hayer Hohenheim, 16.03.2017
Prädiktoren für Migrationsbewegungen
Kim et al. (2015): Befragung von 409 Erwachsenen im 6-Monats-Längsschnitt (M=30 Jahre)
Einschlusskriterium: Erfahrung mit Social Casino Games, nicht jedoch mit Online-Glücksspielen
26% berichteten von einer Migration auf echte Glücksspielwebsites
Prädiktor Odds Ratio
Spielzeit (Social Casino Games) 1,16 ns
Spielmotiv: Kompetenzerwerb 1,09 ns
Spielmotiv: Spannung/Erregung 0,69 ns
Mikro-Transaktionen 8,16*
Dr. Tobias Hayer Hohenheim, 16.03.2017
Aktuelle Trends (I)
Erhöhung der Ausschüttungsquoten über Einbindung von
Skill-Elementen (z.B. von 88% auf 98%)
Dr. Tobias Hayer Hohenheim, 16.03.2017
Aktuelle Trends (II)
http://www.sport1.de/esports/2016/03/esports-boomt-bei-online-wettanbietern
Dr. Tobias Hayer Hohenheim, 16.03.2017
Der erste bekannte Fall eines kriminellen Bibliomanen in Deutschland war Pfarrer Johann G. Tinius. Er veruntreute Kirchengelder und verübte mehrere Raubmordversuche, um seine Sammelleidenschaft zu
finanzieren. Hierfür wurde er 1823 zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt.
Anstelle eines Fazits: Eine kritische Relativierung
Dr. Tobias Hayer Hohenheim, 16.03.2017
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Kontaktadresse
Dr. Tobias Hayer Universität Bremen
Institut für Psychologie und Kognitionsforschung Grazerstr. 4
28359 Bremen Tel. 0421/218-68708
E-Mail: tobha@uni-bremen.de Web: http://www.tobha.de
Ausgewählte Literatur
Hayer, T., Bachmann, M. & Meyer, G. (2005). Pathologisches Spielverhalten bei Glücksspielen im Internet. Wiener Zeitschrift für Suchtforschung, 28 (1-2), 29-41.
Hayer, T. (2012). Jugendliche und glücksspielbezogene Probleme: Risikobedingungen,
Entwicklungsmodelle und Implikationen für präventive Handlungsstrategien. Frankfurt/M.: Peter Lang.
Meyer, G., Brosowski, T., von Meduna, M. & Hayer, T. (2015). Simuliertes Glücksspiel: Analyse und Synthese empirischer Literaturbefunde zu Spielen in internetbasierten
sozialen Netzwerken, in Form von Demoversionen sowie Computer- und Videospielen. Zeitschrift für Gesundheitspsychologie, 23, 153-168.
Hayer, T. & Brosowski, T. (2016). Simuliertes Glücksspiel im Internet: Anmerkungen zu möglichen (Sucht-)Gefahren aus psychologischer Sicht.
Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation, 97, 4-12.
Dr. Tobias Hayer Hohenheim, 16.03.2017
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