anspruch auf nachträglichen lärmschutz

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DOI: 10.1007/s10357-012-2222-3 Anspruch auf nachträglichen Lärmschutz BImSchG §§ 41, 42 Abs. 1; VwVfG § 74 Abs. 2, § 75 Abs. 2 Ein Anspruch auf Gewährung nachträglichen Lärm- schutzes nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG setzt voraus, dass der Lärmbetroffene bereits nach der dem unan- fechtbar gewordenen Planfeststellungsbeschluss zu- grunde liegenden Rechtslage einen Anspruch auf Schutzvorkehrungen vor Lärmeinwirkungen gehabt hätte, wenn diese Einwirkungen im Zeitpunkt der Planfeststellung bereits voraussehbar gewesen wären. Ein solcher Anspruch scheidet daher jedenfalls für sol- che baulichen Anlagen aus, die bei Erlass des Planfest- stellungsbeschlusses weder vorhanden noch planerisch hinreichend verfestigt waren. BVerwG, Beschluss vom 19. 10. 2011 – 9 B 9.11 – [1] Die Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Die mit ihr erhobene Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) greift nicht durch. [2] Die Beschwerde macht einen grundsätzlichen Klä- rungsbedarf für die folgende Frage geltend: Setzt die Geltendmachung eines Anspruchs auf Gewährung nach- träglichen Lärmschutzes nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG (in Verbin- dung mit § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG) durch einen Betroffenen – un- terhalb der Schwelle der nachträglichen Lärmsanierung – zwingend voraus, dass eine bauliche Anlage auf dessen Grundstück zum Zeit- punkt des Planfeststellungsbeschlusses bereits vorhanden oder durch Baugenehmigung hinreichend konkretisiert gewesen ist oder genügt vielmehr, dass die bauliche Anlage zum Zeitpunkt des Vorliegens nicht voraussehbarer Wirkungen des Vorhabens auf dem Grundstück vorhanden oder, wenn nicht vorhanden, zumindest durch Baugeneh- migung hinreichend konkretisiert gewesen ist? [3] Diese Frage bedarf nicht der Klärung in einem Revi- sionsverfahren, weil sie sich ohne weiteres anhand des Ge- setzes und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge- richts beantworten lässt. [4] Zur Auslegung des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG hat der Senat in seinem Urteil vom 7. 3. 2007 – 9 C 2.06 – (BVerwGE 128, 177) grundlegend Stellung genommen und dabei den engen Sinnzusammenhang betont, der zwi- schen dieser Norm und § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG besteht. Dieser Zusammenhang ist für die hier aufgeworfene Frage von maßgeblicher Bedeutung. Wie der Senat in der zi- tierten Entscheidung ausgeführt hat (a. a. O., Rdnr. 19 ff.), sind sowohl § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG als auch § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG Ausprägungen des für hoheitliche Planun- gen geltenden Grundsatzes der Problembewältigung. Nach der erstgenannten Vorschrift hat die Planfeststellungsbe- hörde in der Planfeststellung Schutzauflagen zu treffen, die der Erfüllung des materiellrechtlichen Anspruchs des Be- troffenen auf Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkun- gen von Straßen und Schienenwegen im Sinne von § 41 BImSchG dienen. Dieser Schutzanspruch findet seine ver- fahrensrechtliche Begrenzung durch § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG; dessen an den Eintritt der Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses anknüpfende Ausschlusswir- kung umfasst auch das Begehren von Schutzauflagen. Im Planfeststellungsbeschluss können freilich nur solche Ein- wirkungen durch Schutzauflagen bewältigt werden, die bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses voraussehbar sind. Ohne Korrektiv hätte § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG des- halb zur Folge, dass dem Betroffenen ein Schutz vor nicht voraussehbaren Wirkungen verwehrt bliebe. Um dies zu verhindern, gewährt § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG dem Be- troffenen einen Anspruch auf Anordnung nachträglicher Schutzvorkehrungen zum Ausschluss nicht voraussehbarer nachteiliger Wirkungen. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es also, den Betroffenen so zu stellen, als ob die nach- träglich aufgetretenen Wirkungen des Vorhabens bereits bei der Planung vorausgesehen und im Planfeststellungsbe- schluss berücksichtigt wären (Urt. v. 1. 7. 1988 – 4 C 49.86, BVerwGE 80, 7/11 und vom 7. 3. 2007 a. a. O., Rdnr. 24 und 30). Ein Anspruch auf nachträglichen Schutz nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG kommt mithin nur in Betracht, wenn der Betroffene bereits nach der dem unanfechtbar gewordenen Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegen- den Rechtslage einen Anspruch auf Schutzvorkehrungen gehabt hätte, sofern die später aufgetretenen schädlichen Umwelteinwirkungen schon damals vorauszusehen gewe- sen wären. Diese Auffassung hat die Vorinstanz ausdrück- lich zugrunde gelegt. [5] Hiervon ausgehend ist die von der Beschwerde auf- geworfene Frage dahin zu beantworten, dass ein An- spruch auf nachträglichen Lärmschutz nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG jedenfalls für solche bauliche Anlagen ausscheidet, die bei Erlass des unanfechtbar gewordenen Planfeststellungsbeschlusses weder vorhanden noch auch nur planerisch hinreichend verfestigt waren. Ein An- spruch auf Schutzvorkehrungen gegen Lärm gemäß § 41 BImSchG in Verbindung mit der Verkehrslärmschutzver- ordnung (16. BImSchV), über den im Planfeststellungsbe- schluss zu entscheiden ist, setzt nämlich eine zumindest planerisch bereits konkretisierte Anlage voraus. Dafür spricht vor allem das Regelungsgefüge des § 41 BImSchG in Verbindung mit der Verkehrslärmschutzverordnung. Der Anspruch auf aktiven Lärmschutz ist nach Grund und Ausmaß anhand einer immissionsortbezogenen Berech- nung zu bestimmen (§ 3 der 16. BImSchV i. V. m. Anla- gen 1 und 2 dieser Verordnung). Eine solche Berechnung lässt sich verlässlich nur durchführen, wenn das Schutzob- jekt nach Lage, Höhe, Raumaufteilung und Position der Fenster feststeht. Ohne eine zumindest verfestigte Ob- jektplanung fehlt es hingegen an den erforderlichen Aus- gangsdaten, anhand deren Notwendigkeit und Dimensi- onierung aktiven Lärmschutzes ermittelt werden können. Für Schutzansprüche von Gemeinden, die aus der kom- munalen Planungshoheit folgen und baugebietsbezogen zu bestimmen sind, mag Abweichendes gelten, doch kommt es darauf für die im Streitfall maßgebliche Fragestellung, die sich allein auf Schutzansprüche privater Betroffe- ner bezieht, nicht an. Eine zusätzliche Bestätigung fin- det diese Auslegung in dem systematischen Zusammen- hang des § 41 Abs. 1 BImSchG mit § 42 Abs. 1 BImSchG, der auf eine konkret betroffene bauliche Anlage abstellt. Dass ein Grundstück lediglich baureif ist, löst demgemäß noch keine Ansprüche auf aktiven Lärmschutz aus (in die- sem Sinne auch Schulze-Fielitz, in: Koch/Pache/Scheuing, GK-BImSchG, Stand Oktober 2010, § 41, Rdnr. 52; Bra- cher , in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. III, Stand April 2011, § 41, Rdnr. 50); diesem Umstand kann allen- falls im Rahmen der planerischen Abwägung Bedeutung zukommen. Ob der systematische Zusammenhang zwi- schen § 41 Abs. 1 und § 42 Abs. 1 BImSchG dazu führt, auch den Schutz nach § 41 Abs. 1 BImSchG auf solche Anlagen zu beschränken, die bei Auslegung der Pläne im Planfeststellungsverfahren entweder schon bestanden (§ 42 Abs. 1 Satz 1) oder bauaufsichtlich genehmigt wa- ren (§ 42 Abs. 1 Satz 2), oder ob es für die Anwendung des § 41 BImSchG insoweit auf den Zeitpunkt des Erlas- ses des Planfeststellungsbeschlusses ankommt (so Storost, in: Ule/Laubinger, BImSchG, Stand August 2011, § 42, Rdnr. C 7), braucht hier nicht entschieden zu werden, da das Wohnhaus des Klägers erst lange nach dem letztge- nannten Zeitpunkt geplant und errichtet worden ist. [6] Eine andere Auslegung des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG lässt sich nicht etwa aus § 75 Abs. 2 Satz 5 VwVfG ablei- ten. Nach dieser Vorschrift hat der Eigentümer eines der immittierenden Anlage benachbarten Grundstücks grund- sätzlich die Kosten für nachträglichen aktiven Schallschutz zu tragen, der dadurch notwendig wird, dass auf seinem Grundstück Veränderungen eingetreten sind. Diese Rege- Rechtsprechung 123 124 NuR (2012) 34: 124–125

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Page 1: Anspruch auf nachträglichen Lärmschutz

DOI: 10.1007/s10357-012-2222-3

Anspruch auf nachträglichen Lärmschutz

BImSchG §§ 41, 42 Abs. 1; VwVfG § 74 Abs. 2, § 75 Abs. 2

Ein Anspruch auf Gewährung nachträglichen Lärm-schutzes nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG setzt voraus, dass der Lärmbetroffene bereits nach der dem unan-fechtbar gewordenen Planfeststellungsbeschluss zu-grunde liegenden Rechtslage einen Anspruch auf Schutzvorkehrungen vor Lärmeinwirkungen gehabt hätte, wenn diese Einwirkungen im Zeitpunkt der Planfeststellung bereits voraussehbar gewesen wären. Ein solcher Anspruch scheidet daher jedenfalls für sol-che baulichen Anlagen aus, die bei Erlass des Planfest-stellungsbeschlusses weder vorhanden noch planerisch hinreichend verfestigt waren. BVerwG, Beschluss vom 19. 10. 2011 – 9 B 9.11 –

[1] Die Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Die mit ihr erhobene Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) greift nicht durch.

[2] Die Beschwerde macht einen grundsätzlichen Klä-rungsbedarf für die folgende Frage geltend:

Setzt die Geltendmachung eines Anspruchs auf Gewährung nach-träglichen Lärmschutzes nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG (in Verbin-dung mit § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG) durch einen Betroffenen – un-terhalb der Schwelle der nachträglichen Lärmsanierung – zwingend voraus, dass eine bauliche Anlage auf dessen Grundstück zum Zeit-punkt des Planfeststellungsbeschlusses bereits vorhanden oder durch Baugenehmigung hinreichend konkretisiert gewesen ist oder genügt vielmehr, dass die bauliche Anlage zum Zeitpunkt des Vorliegens nicht voraussehbarer Wirkungen des Vorhabens auf dem Grundstück vorhanden oder, wenn nicht vorhanden, zumindest durch Baugeneh-migung hinreichend konkretisiert gewesen ist?

[3] Diese Frage bedarf nicht der Klärung in einem Revi-sionsverfahren, weil sie sich ohne weiteres anhand des Ge-setzes und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge-richts beantworten lässt.

[4] Zur Auslegung des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG hat der Senat in seinem Urteil vom 7. 3. 2007 – 9 C 2.06 – (BVerw GE 128, 177) grundlegend Stellung genommen und dabei den engen Sinnzusammenhang betont, der zwi-schen dieser Norm und § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG besteht. Dieser Zusammenhang ist für die hier aufgeworfene Frage von maßgeblicher Bedeutung. Wie der Senat in der zi-tierten Entscheidung ausgeführt hat (a. a. O., Rdnr. 19 ff.), sind sowohl § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG als auch § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG Ausprägungen des für hoheitliche Planun-gen geltenden Grundsatzes der Problembewältigung. Nach der erstgenannten Vorschrift hat die Planfeststellungsbe-hörde in der Planfeststellung Schutzauflagen zu treffen, die der Erfüllung des materiellrechtlichen Anspruchs des Be-troffenen auf Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkun-gen von Straßen und Schienenwegen im Sinne von § 41 BImSchG dienen. Dieser Schutzanspruch findet seine ver-fahrensrechtliche Begrenzung durch § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG; dessen an den Eintritt der Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses anknüpfende Ausschlusswir-kung umfasst auch das Begehren von Schutzauflagen. Im Planfeststellungsbeschluss können freilich nur solche Ein-wirkungen durch Schutzauflagen bewältigt werden, die bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses voraussehbar sind. Ohne Korrektiv hätte § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG des-halb zur Folge, dass dem Betroffenen ein Schutz vor nicht voraussehbaren Wirkungen verwehrt bliebe. Um dies zu verhindern, gewährt § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG dem Be-troffenen einen Anspruch auf Anordnung nachträglicher Schutzvorkehrungen zum Ausschluss nicht voraussehbarer nachteiliger Wirkungen. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es also, den Betroffenen so zu stellen, als ob die nach-träglich aufgetretenen Wirkungen des Vorhabens bereits

bei der Planung vorausgesehen und im Planfeststellungsbe-schluss berücksichtigt wären (Urt. v. 1. 7. 1988 – 4 C 49.86, BVerw GE 80, 7/11 und vom 7. 3. 2007 a. a. O., Rdnr. 24 und 30). Ein Anspruch auf nachträglichen Schutz nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG kommt mithin nur in Betracht, wenn der Betroffene bereits nach der dem unanfechtbar gewordenen Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegen-den Rechtslage einen Anspruch auf Schutzvorkehrungen gehabt hätte, sofern die später aufgetretenen schädlichen Umwelteinwirkungen schon damals vorauszusehen gewe-sen wären. Diese Auffassung hat die Vorinstanz ausdrück-lich zugrunde gelegt.

[5] Hiervon ausgehend ist die von der Beschwerde auf-geworfene Frage dahin zu beantworten, dass ein An-spruch auf nachträglichen Lärmschutz nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG jedenfalls für solche bauliche Anlagen ausscheidet, die bei Erlass des unanfechtbar gewordenen Planfeststellungsbeschlusses weder vorhanden noch auch nur planerisch hinreichend verfestigt waren. Ein An-spruch auf Schutzvorkehrungen gegen Lärm gemäß § 41 BImSchG in Verbindung mit der Verkehrslärmschutzver-ordnung (16. BImSchV), über den im Planfeststellungsbe-schluss zu entscheiden ist, setzt nämlich eine zumindest planerisch bereits konkretisierte Anlage voraus. Dafür spricht vor allem das Regelungsgefüge des § 41 BImSchG in Verbindung mit der Verkehrslärmschutzverordnung. Der Anspruch auf aktiven Lärmschutz ist nach Grund und Ausmaß anhand einer immissionsortbezogenen Berech-nung zu bestimmen (§ 3 der 16. BImSchV i. V. m. Anla-gen 1 und 2 dieser Verordnung). Eine solche Berechnung lässt sich verlässlich nur durchführen, wenn das Schutzob-jekt nach Lage, Höhe, Raumaufteilung und Position der Fenster feststeht. Ohne eine zumindest verfestigte Ob-jektplanung fehlt es hingegen an den erforderlichen Aus-gangsdaten, anhand deren Notwendigkeit und Dimensi-onierung aktiven Lärmschutzes ermittelt werden können. Für Schutzansprüche von Gemeinden, die aus der kom-munalen Planungshoheit folgen und baugebietsbezogen zu bestimmen sind, mag Abweichendes gelten, doch kommt es darauf für die im Streitfall maßgebliche Fragestellung, die sich allein auf Schutzansprüche privater Betroffe-ner bezieht, nicht an. Eine zusätzliche Bestätigung fin-det diese Auslegung in dem systematischen Zusammen-hang des § 41 Abs. 1 BImSchG mit § 42 Abs. 1 BImSchG, der auf eine konkret betroffene bauliche Anlage abstellt. Dass ein Grundstück lediglich baureif ist, löst demgemäß noch keine Ansprüche auf aktiven Lärmschutz aus (in die-sem Sinne auch Schulze-Fielitz, in: Koch/Pache/Scheuing, GK-BImSchG, Stand Oktober 2010, § 41, Rdnr. 52; Bra-cher, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. III, Stand April 2011, § 41, Rdnr. 50); diesem Umstand kann allen-falls im Rahmen der planerischen Abwägung Bedeutung zukommen. Ob der systematische Zusammenhang zwi-schen § 41 Abs. 1 und § 42 Abs. 1 BImSchG dazu führt, auch den Schutz nach § 41 Abs. 1 BImSchG auf solche Anlagen zu beschränken, die bei Auslegung der Pläne im Planfeststellungsverfahren entweder schon bestanden (§ 42 Abs. 1 Satz 1) oder bauaufsichtlich genehmigt wa-ren (§ 42 Abs. 1 Satz 2), oder ob es für die Anwendung des § 41 BImSchG insoweit auf den Zeitpunkt des Erlas-ses des Planfeststellungsbeschlusses ankommt (so Storost, in: Ule/Laubinger, BImSchG, Stand August 2011, § 42, Rdnr. C 7), braucht hier nicht entschieden zu werden, da das Wohnhaus des Klägers erst lange nach dem letztge-nannten Zeitpunkt geplant und errichtet worden ist.

[6] Eine andere Auslegung des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG lässt sich nicht etwa aus § 75 Abs. 2 Satz 5 VwVfG ablei-ten. Nach dieser Vorschrift hat der Eigentümer eines der immittierenden Anlage benachbarten Grundstücks grund-sätzlich die Kosten für nachträglichen aktiven Schallschutz zu tragen, der dadurch notwendig wird, dass auf seinem Grundstück Veränderungen eingetreten sind. Diese Rege-

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lung geht zwar davon aus, dass auch Veränderungen, die auf dem durch nicht voraussehbar gewesene nachteilige Ein-wirkungen betroffenen Grundstück selbst vorgenommen worden sind, Schutzansprüche (gegen Kostenerstattung) nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG auslösen können. Ange-sichts der vorstehenden Ausführungen spricht aber nichts für die Annahme, mit den genannten Veränderungen sei die nachträgliche Errichtung zu schützender Objekte ge-meint. Vielmehr bezieht § 75 Abs. 2 Satz 5 VwVfG sich nur auf solche Veränderungen, die die Ausbreitung der nachtei-ligen Einwirkungen betreffen.

Beeinträchtigung der Erhaltungsziele eines FFH-Gebiets; Einbeziehung von Plänen und Projekten in die Verträglichkeitsprüfung

RL 92/43/EWG (FFH-RL) Art. 6 Abs. 3; BNatSchG § 34 Abs. 1; BayNatSchG Art. 13c Abs. 2; FStrG § 17

Aus Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-RL ergibt sich, dass die FFH-Verträglichkeitsprüfung Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele eines FFH-Gebiets einzubeziehen hat, die sich durch ein Zusammenwirken mit anderen Plä-nen oder Projekten ergeben können. Dazu müssen die Auswirkungen der anderen Pläne oder Projekte und damit das Ausmaß der Summationswirkung aber ver-lässlich absehbar sein. Das ist grundsätzlich erst dann der Fall, wenn die hierfür erforderliche Zulassung er-teilt ist ( BVerwG, Urt. v. 14. 7. 2011 – 9 A 12.10, NuR 2011, 866, Rdnr. 81).

– Nichtamtlicher Leitsatz – BVerwG, Beschluss vom 9. 12. 2011 – 9 B 44/11 –

[1] 1. Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Be-deutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ge-stützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

[2] a) Die Frage,

„Inwieweit sind Summationswirkungen eines noch nicht geneh-migten Vorhabens im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung zu berücksichtigen?“,

bedarf keiner Entscheidung in einem Revisionsverfah-ren. Sie lässt sich, soweit sie über den vorliegenden Fall hi-naus überhaupt verallgemeinerungsfähig ist, ohne Weiteres anhand des Gesetzes und der höchstrichterlichen Recht-sprechung beantworten.

[3] Aus Art. 13c Abs. 2 BayNatSchG, § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG, Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-RL ergibt sich, dass die FFH-Verträglichkeitsprüfung Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele eines FFH-Gebiets einzubeziehen hat, die sich durch ein Zusammenwirken mit anderen Plänen oder Projekten ergeben können. Dazu müssen die Auswirkun-gen der anderen Pläne oder Projekte und damit das Ausmaß der Summationswirkung aber verlässlich absehbar sein. Das ist grundsätzlich erst dann der Fall, wenn die hierfür erfor-derliche Zulassung erteilt ist (Urt. v. 21. 5. 2008 – 9 A 68.07, Buchholz 406.400 § 34 BNatSchG 2002 Nr. 1, Rdnr. 21 und vom 14. 7. 2011 – 9 A 12.10, NuR 2011, 866, Rdnr. 81). An der gebotenen Gewissheit fehlt es, wenn bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses noch nicht absehbar ist, ob und wann das weitere Projekt realisiert werden wird. Das ist in der Regel der Fall bei Straßen, die im gültigen Bedarfs-plan für Bundesfernstraßen von 2004 als Straße des „wei-teren Bedarfs“ dargestellt sind (vgl. Beschl. v. 4. 12. 2008 – 9 VR 19.08, Buchholz 407.4 § 17 e FStrG Nr. 4, Rdnr. 9). So liegt es hier. In einem solchen Fall kommt es auch nicht darauf an, dass eine Straße des weiteren Bedarfs mit festge-

stelltem hohen ökologischen Risiko bewertet wurde. Denn diese Bewertung bedeutet nur, dass ökologische Konflikte erkannt sind, aber auf der Ebene der Bundesverkehrswe-geplanung nicht ausgeräumt werden konnten und auf der Ebene der Fachplanung zu bewältigen sind. Die einer sol-chen Bewertung zu Grunde liegende FFH-Verträglich-keitseinschätzung auf der Ebene der Bundesverkehrswege-planung hat zudem andere Inhalte zum Gegenstand als die formelle FFH-Verträglichkeitsprüfung auf der Ebene der Planfeststellung (vgl. dazu Urt. v. 19. 5. 1998 – 4 A 9.97, BVerw GE 107, 1, 9 f. [NuR 1998, 544] sowie die Begrün-dung zur Fünften Änderung des Fernstraßenausbaugeset-zes, BT-Drs. 15/1657, S. 12). Demzufolge sind auch die Wirkungen, die von einer solchen Straße auf die Erhal-tungsziele des FFH-Gebietes „Isental mit Nebenbächen“ ausgehen können, nicht abzuschätzen.

[4] Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass im Planfeststellungsbeschluss für die Verkehrsprognose 2025 die Belastungen durch die B 15 neu zwischen BAB 92 und BAB 94 berücksichtigt sind (S. 177). Abgesehen davon, dass die Beschwerde in diesem Zusammenhang einen fallüber-greifenden Klärungsbedarf nicht konkret aufzeigt, fehlt es an dem von ihr beanstandeten Wertungswiderspruch. Auch in eine Verkehrsprognose müssen Maßnahmen, deren Rea-lisierung nicht absehbar ist, nicht eingestellt werden. Wird gleichwohl im Interesse des Schutzes von Planbetroffenen höchst vorsorglich („Worst-case“-Betrachtung) eine Prog-nose erstellt, die die von einer solchen Straße ausgehende Lärmbelastung berücksichtigt, zwingt dies nicht zu der Annahme, bei einer FFH-Verträglichkeitsprüfung müssten in ähnlicher Weise potentielle Beeinträchtigungen prog-nostiziert werden.

[5] b) Auch die weitere Frage,

„Inwieweit sind im Rahmen eines Trassenvergleiches Kosten aus dem Blickwinkel des ‚Blicks nach vorn‘ im Sinne eines ‚Worst-case-Szenarios‘ in die Abwägungsentscheidung einzustellen?“,

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, weil sie sich nicht im Sinne eines allgemein gültigen Rechtssatzes, sondern nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Um-stände des Einzelfalles beantworten lässt.

[6] Die Beschwerde möchte geklärt wissen, ob bei ei-nem Vergleich verschiedener Trassenvarianten die Kosten berücksichtigt werden müssen, die sich in einem Folgeab-schnitt ergeben können, wenn sich ein von der Planfeststel-lungsbehörde zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele eines FFH-Gebietes entwickeltes „Worst-case-Szenario“ realisieren würde.

[7] In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge-richts ist geklärt, dass die Auswahl unter verschiedenen für ein Vorhaben infrage kommenden Trassenvarianten ungeachtet hierbei zu berücksichtigender rechtlich zwin-gender Vorgaben eine fachplanerische Abwägungsent-scheidung ist, in die alle Belange eingestellt werden, die nach Lage der Dinge in sie einzustellen sind. Dabei ist ge-setzlich weder vorprogrammiert, welche Belange bei der Planung abwägungsrelevant sind, noch, mit welchem Ge-wicht sie bei der Abwägung zu Buche schlagen. Vielmehr bleibt es dem Planungsträger vorbehalten, die jeweils po-sitiv oder negativ betroffenen Belange zu ermitteln und mit dem Gewicht, das ihnen im Einzelfall zukommt, in die Abwägung einzustellen (Urt. v. 7. 3. 1997 – 4 C 10.96, BVerw GE 104, 144, 148). Es liegt danach auf der Hand, dass die Frage, ob bei der Kostenermittlung eine „Worst-case-Betrachtung“ anzustellen ist, von den Umständen des Einzelfalles abhängt, insbesondere davon, für wie wahr-scheinlich der Eintritt eines bestimmten, die Kosten be-einflussenden Ereignisses gehalten wird. Hierauf hat auch der Verwaltungsgerichtshof abgestellt, der bei der Beur-teilung des Kostenvergleichs der jeweils aus mehreren Ab-schnitten bestehenden Trassenvarianten Dorfen und Haag eine teilweise Einhausung im Abschnitt Heldenstein der

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