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Arkæologi i Slesvig Archäologie in Schleswig 14 2012 0 Titelei.indd 1 27.06.13 15:13

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Arkæologi i SlesvigArchäologie in Schleswig

14 • 2012

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Jens G. LauridsenBearbejdet oldtidsrav fra kysten omkring Blåvandshuk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Klaus HirschEggebæk . Eine Siedlung des frühen Mittelneolithikumsmit Funden von Helgoländer Flint . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Julia GoldhammerStein in der Bronzezeit: Lithische Inventareaus Siedlungen Nord- und Südschleswigs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

Scott Robert DollarHustomter fra senneolitikum og tidligste bronzealder i Vejen kommune . . . . . . . . . 39

Martin Egelund PoulsenTreskibede langhuse fra ældre bronzealder ved Vejen i Sydjylland –bebyggelsen på Kongehøj II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

Jutta Kneisel und Signe RodeBredenbek LA 29 – Ein älterbronzezeitlicher Grabhügelund seine Nutzung durch die Zeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Jens-Peter SchmidtEs gibt sie doch! – Der Periode V-zeitliche Gefäßhort von Norderstapel, Kr . Schleswig-Flensburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

Lars Chr. BentsenYngre bronzealder i Oksbøl-området . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

Per Ethelberg und Pernille KruseDas Osterrönfeld-Haus: Status nach 10-jähriger Untersuchung . . . . . . . . . . . . . 103

Morten SøvsøEnkeltgården syd for Kalvslund Kirke – dens historie og udvikling gennem yngre germansk jernalder og vikingetid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

Indhold / Inhalt

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Silke EisenschmidtSyvsig – Eine Siedlung der jüngeren römischen Kaiserzeitund Wikingerzeit bei Vojens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

Bettina BraunmüllerWikingerzeitliche Opferfunde in Schleswig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

Michael Alrø JensenUdgravningerne i Sct . Nicolaj Gade –nyt om Ribes markedsplads i det 9 . og 10 . århundrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

Anders Hartvig og Signe Lützau PedersenHvinderupgård og Stagebjerggård –Bebyggelser fra vikingetid og middelalder omkring Kolding . . . . . . . . . . . . . . . 189

Erich Halbwidl und Martin SegschneiderEine mittelalterliche Seesperre in der Förde bei Flensburg . . . . . . . . . . . . . . . . 211

Anne Birgitte SørensenResultater fra bearbejdningen af Østergård . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

Katja Grüneberg-Wehner und Donat WehnerEin barockes Frauengrab im Chor der St . Catharinenkirche zu Jellenbek, Lkr . Rendsburg-Eckernförde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

Susanne ØstergaardBrovold på Als – En nytolkning af den befæstede plads Brovolds formål med udgangspunkt i en analyse af dyreknoglematerialet . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

Tenna R. KristensenMuseum Sønderjyllands tilsyn med fredede fortidsminder og beskyttede diger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247

Forfattere/Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259

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Arkæologi i Slesvig, 14, 2013, S. 227–236

UNTER DIESEM STEINRUHEN IN GOTTHERR PETRUS STRUVEXXVIII. IAEHRIGER PREDIGERDIESER GEMEINEGESTORBEN DEN XIV. APRIL:AO: MDCCXXIV.UNDFRAUANNA ELISABETH STRUVENGEBORENE DOSSERNGESTORBEN DEN XVIII. MAY:AO: MDCCXXII

So lautet die Inschrift auf einer Grab-platte aus Quarzit (Abb. 2), die während der Lehrgrabung des Kieler Instituts für Ur- und Frühgeschichte im Jahr 2010 in der ländlichen Kirchwüstung St. Cathari-na zu Jellenbek (Abb. 3) geborgen werden konnte. Der Stein lag leicht angekippt im Chor, direkt südwestlich neben den aufge-deckten Bauresten des Altars und schien dem ersten Eindruck nach sekundär verla-gert worden zu sein. Nach Abhub der Plat-te zeigte sich darunter jedoch eine Grab-grube (Abb. 4; 6).

Die vorgefundene Situation wirft zu-nächst drei Fragen auf, die im Folgenden behandelt werden sollen. Zunächst ist zu klären, ob sich die Grabplatte mit dem darunter befindlichem Grab verknüpfen

lässt. Ist dies der Fall, stellt sich die Frage wer von den genannten Personen dort an-zutreffen ist und letztendlich wie sich der Befund in die barockzeitliche Sepulkral-kultur fügt.

Zur Beantwortung der ersten Frage trägt eine dänische Ein-Skilling-Münze bei (Abb. 5), die aus der Regierungszeit Frederiks IV, genauer aus dem Jahr 1720 stammt. Der Silbergehalt dieser Münze beträgt 24 %, womit sie den geringsten Sil-bergehalt der auf der Grabung gefundenen Münzen hat. Das Gewicht beläuft sich auf

Ein barockes Frauengrab im Chor der St. Catharinenkirche zu Jellenbek, Lkr. Rendsburg-Eckernförde

Katja Grüneberg-Wehner und Donat Wehner

50 km

St. CatharinaSt. Catharina

Abb. 1. Lage von St. Catharina, Kreis Rends-burg-Eckernförde.

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0,7 g. Geschlagen wurde sie in der Münze-rei von Rendsburg unter dem Münzmeis-ter Bastian Hille (Hede 1978, 180).

Die Münze wurde direkt unter der Grabplatte aus dem Jahr 1724, dem ein-gemeißelten Sterbedatum des Predigers Peter Struve, im oberen Bereich der Grab-verfüllung gefunden (Abb. 6). Auch wenn die Platte das Grab nicht exakt abdeckt, erscheint ein Konnex doch höchstwahr-scheinlich, womit wir bei der zweiten Frage nach der Identifizierung der dort be-statteten Person angelangt wären.

Glaubt man der Inschrift auf der Grab-platte, so müssten sowohl Peter als auch Elisabeth Struve unter diesem Stein ru-hen. Feststellen ließ sich dort jedoch nur eine Bestattung. Da der Prediger zwei Jahre später verstarb als seine Frau, die Platte also anlässlich seines Todes gefer-tigt und angebracht worden sein muss, war zunächst davon auszugehen, dass die Positionierung eher mit seiner als mit ihrer Grablege übereinkommt. Diese Hy-pothese lässt sich allerdings eindeutig widerlegen. Zunächst haben sich Textil-reste und Stecknadeln einer Haube am Schädel erhalten, die mit der Totentracht einer Frau in Verbindung zu bringen ist (vgl. Agthe 2011, 36). Weiterhin zeigte die anthropologische Bearbeitung durch Barbara Teßmann, Berlin, dass es sich um das Skelett eines weiblichen Individuums handelt. Die zierlichen Knochen ohne aus-geprägte Muskelansatzmarken deuten auf einen grazilen Körperbau. Die leicht nach rechts verschobenen Brustwirbelkörper und die degenerativen Veränderungen am rechten Daumen charakterisieren die Verstorbene als Rechtshänderin. Bemer-kenswert ist, dass an den großen Gelenken und an den Wirbeln keine altersbedingten pathologischen Veränderungen diagnos-tiziert werden konnten. Die Frau musste

zu Lebzeiten offensichtlich keine schwe-ren körperlichen Arbeiten verrichten, was sich in das Bild einer Predigergattin fügt. Darüber hinaus stimmt das Knochenalter gut mit dem kalendarischen Alter der Eli-sabeth Struve von etwa 58 Jahren überein.

Ist somit das Grab der Elisabeth Struve mit hoher Wahrscheinlichkeit zu loka-lisieren, stellt sich gleichzeitig die Frage nach der Lage des Grabes von Peter Stru-ve. Dieses befindet sich mutmaßlich un-weit westlich, da die Sargbestandteile die-ser Bestattung, insbesondere die Griffe, in ganz ähnlicher Ausführung gehalten sind wie diejenigen des „letzten Möbels“ der Elisabeth Struve. Die zunächst anschei-nend nach Westen verschobene Lage der Grabplatte, ist somit keine Verlagerung, sondern durch die hintereinander und

Abb. 2. Die freigelegte Grabplatte von Peter und Elisabeth Struve (Foto: D. Wehner).

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nicht nebeneinander angelegten Gräber bedingt (Abb. 4).

Abschließend soll das spätbarocke Frau-engrab im Chor der ländlichen Pfarrkirche näher vorgestellt und mit der Sepulkral-kultur seiner Zeit kontextualisiert werden (Abb. 7). Hinsichtlich der Lage innerhalb der Kirche ist zunächst festzuhalten, dass die Reformation, die im hier betreffen-den Gebiet spätestens 1542 Einzug erhielt (Sommer 2010, 18), zu einem Wandel im Bestattungswesen führte. Dem bis dato vorherrschenden Totenkult wurde in vie-len Belangen die Grundlage entzogen: Die Existenz des Fegefeuers wurde be-stritten, die Totenfürbitten bekämpft und dem Kult um die armen Seelen die Exis-tenzberechtigung entzogen. Beinhäuser,

Friedhofskreuze, Totenleuchten, Weih-wasserbecken wurden nach Möglichkeit abgeschafft und die Trennung von Kirche und Begräbnisstätte angestrebt. Wenn auch in der Anzahl vergleichsweise ge-ring wurden allerdings dessen ungeachtet weiterhin Bestattungen in Kirchen vorge-nommen, wobei die meisten in das 17. und 18. Jahrhundert datieren. Diese zeugen von einem in barocker Zeit beginnenden Stan-desprivileg. In Kirchen beigesetzt wurden Pfarrherren und Familienangehörige, An-gehörige des lokalen Patriziats, Persön-lichkeiten des öffentlichen Lebens sowie Notable (vgl. Eggenberger u. a. 1983, 230 – 231; Kenzler 2011, 16 – 17; Klamm/Schulz 2012, 426 – 427; Ulrich-Bochs-ler 1997, 40 – 43).

Abb. 3. Die Lage der spätmittelalterlichen bis frühneuzeitlichen Kirchenwüstung St. Catharina an der südlichen Eckernförder Bucht (Dankwerthschen Karte von 1649 – Danckwerth 1652).

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Abb. 4. Der Lageplan der im Text besprochenen Befunde (Zeichnung: H. Dieterich/D. Weh-ner).

15,00m DHNN

14,20m DHNN

15,28m DHNN

15,30m DHNN

14,09m DHNN

0 4m

N

Altar

Feldsteinfundament

Chor

„Peter Struve“

„Elisabeth Struve“

Gra

bkap

elle

?

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Abb. 5. Eine dänische Ein-Skilling-Münze aus dem Jahr 1720 (Foto: A. Heitmann).

Abb. 6. Die Grabgrube, in deren Verfüllung die dänische Ein-Skilling-Münze aus dem Jahr 1720 gefunden wurde (Foto: D. Weh-ner).

Abb. 7. Das bis auf das Skelett freigelegte Frauengrab im Chor der St. Catharinen-kirche (Foto: D. Wehner).

Abb. 8. Das bis auf die Sarggriffe freigeleg-te Frauengrab im Chor der St. Catharinen-kirche (Foto: D. Wehner).

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Barocke Frauengräber im Kircheninne-ren und vor allem im Chorbereich finden sich selten. Als Vergleich kann das Grab der Maria Magdalena Lochner in der Kirche zu Nennslingen (Brückner 1983, 183 – 187) und das Grab der Maria Mag-dalena Langhans in der Kirche zu Hindel-bank bei Bern (Ulrich-Bochsler 1997, 42) genannt werden. Maria Magdalena Lochner starb am 5. Januar 1758 und wur-de von ihrem Ehemann, dem Pastor der Nennslinger Kirche, vor den Stufen des Altars bestattet. Maria Magdalena Lang-hans, ebenfalls Ehefrau eines Pastors, in diesem Fall von Georg Langhans, verstarb mit ihrem Neugeborenen im Wochenbett am 10. April 1751. Sie wurde im Chor unter einer ebenerdig eingelassenen Grabplatte beerdigt (Weidner 1995, 51). Verallge-meinert lässt sich sagen, dass die wenigen Frauen, die im Kircheninneren beigesetzt wurden vor allem Gattinnen und Witwen angesehener Männer aus dem Bereich Po-litik, Kirche und Wirtschaft waren (Ul-rich-Bochsler 1997, 42).

Dass es sich im hiesigen Fall nicht um ein Unterschichtengrab handelt, beweisen auch die Überreste des Sarges. Ein Sarg blieb vermutlich in vielen Landstrichen für den Großteil der Bevölkerung bis weit ins 19. Jahrhundert hinein unerschwing-lich (Diefenbach/Sörries 1994, 37; kri-tisch dazu Kenzler 2011, 18 – 19). Das vor-liegende Exemplar ist für den ländlichen Raum überdurchschnittlich aufwendig ausgeführt (Abb. 8). Durch die Lage von Sargnägeln und die Schatten vergange-nen Holzes konnte in den dokumentierten Plana ein Dachtruhensarg mit einer Länge von 1,60 m und einer Breite von 0,47 m am Fußende und 0,55 m am Kopfende rekon-struiert werden. An beiden Enden befand sich je ein massiver eiserner Griff, an den Längsseiten jeweils zwei. Die stark kor-

rodierten Exemplare besitzen eine ellip-tische, längliche Form mit einem Nodus in ihrer Mitte. Den Übergang vom Griff zum Sargkörper bilden Vierblattornamen-te. Vergleichbare Särge sind von Bürgern/Patriziern (Kühlborn 2002, 74; Rathert 1997), Geistlichen (Ströbl/Vick 2007, 51) und Adeligen (Schuchard 1993, 127 – 128; Neumannn 1994, Taf. VIIIb) bekannt. Durch die im Barock gängig werdende Aufbahrung war der Sarg öffentlich sicht-bar und gewann zunehmend an repräsen-tativer Bedeutung (Kenzler 2011, 19, 24).

Sozialarchäologisch auswertbare Bei-gaben, wie sie aus der Barockzeit vielfach bekannt sind (vgl. Kenzler 2011, 23 – 39; Klamm/Schulz 2012, 418 – 421), fanden sich nicht. In der 2,00 m langen, 0,74 m breiten und 1,20 m eingetieften Grabgrube wurden lediglich Beifunde, so die bereits erwähnte Münze, durch Eingriffe in an-dere Bestattungen verlagerte Menschen-knochen, Scherben von Fensterglas und Ziegelbruch angetroffen.

Die körperbestattete Tote lag in der für die frühe Neuzeit üblichen gestreck-ten Rückenlage mit im Brustbereich

1cm

Abb. 9. Die Stecknadeln der Haube aus Ei-chenseide (Foto: A. Heitmann).

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über Kreuz positionierten Händen (Des-coeudres 1995, 70; Kenzler 2011, 21; Witte 2003, 69 –70). Der im Westen gele-gene Schädel ist „nach hinten abgekippt“, so dass bei der Freilegung zuerst das Hin-terhauptsloch sichtbar wurde. Das könnte für ein vergangenes Polster als Kopfstütze sprechen, welches einst den Blick nach Osten gewährleistete. Textile Kissenreste mit Hopfenfüllung sind beispielsweise aus den Gräbern des Detlev von Ahlefeldt zu Lindau († 1644) und der Brigitte von Ahle-feldt († 1632) bekannt. Beide wurden in der nur ca. 15 km südwestlich der St. Cathari-nenkirche gelegenen St. Jürgen Kirche zu Gettorf beigesetzt (Zöllner 1974). Weite-re barockzeitliche Kopfpolsternachweise liegen u. a. aus der Gruft der Sibylla von der Ölßnitz im Zeitzer Dom aus dem 17. Jh., aus Bürger- und Beamtengräbern der Parochialkirche in Berlin-Mitte zwischen 1700 und der Mitte des 19. Jhs., aus der Grablege der Familie von Stockhausen in der evangelischen Kirche zu Trendelburg aus der Zeit des 17. bis 19. Jhs. und aus der Fürstengruft des Ludwig von Nassau, der 1768 in der Schlosskirche von Nassau bei-

gesetzt worden war, vor. Die Kissen waren in der Regel mit Hobelspänen oder Stroh und mit Duftpflanzen wie Hopfenblüten, Lavendel, Rosmarin und Oregano gefüllt (Bogner 2012; Jungklaus u. a. 2009; Kenzler 2011, 19; Klamm/Schulz 2012, 419; Linnebach 1994; Rosinski 2007; Ströbl/Vick 2005, 23; Wiethold 2005)

Außerdem ließen sich am Schädel meh-rere Stecknadeln und textile Reste als Be-standteile einer Haube identifizieren. Bei durchgeführten Röntgenfluoreszenzana-lysen an den Schäften traten sowohl Blei als auch Zink in höheren Anteilen auf. Die Stecknadeln (Abb. 9) mit kugeligem Kopf gehören zu einem einfachen Typ, der ab dem 14. Jahrhundert in großer Anzahl in fast jeder größeren Stadt in Nadlerwerk-stätten gefertigt wurde (vgl. Elser 2011, 142 – 143; Schäfer 2005, 348 – 449). Die Untersuchung der Textilfragmente ergab, dass es sich um Tussah- bzw. Eichenseide in einfacher Leinwandbindung handelt (Abb. 10). Ähnlich der echten Seide, de-ren Nachfrage in Mitteleuropa im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit enorm angestiegen war (Wunderlich 1996, 49), blieb sie sicherlich der Ober-schicht vorbehalten und wurde nur für be-sondere Kleidungsstücke verwendet. Der Eichenseidenachweis im Frauengrab der St. Catharinenkirche korrespondiert sehr gut mit der Feststellung, dass die offene Ausstellung der Verstorbenen im Barock mit einem Mehraufwand bei der Herrich-tung der Toten einherging, wobei diese oft in Festtagskleidung beigesetzt wurden (Kenzler 2011, 24). So mag es ferner nicht verwundern, dass Seide im Zusammen-hang mit Bestattungssitten, vom Strumpf bis zum Kissenamulett, häufig in Adeli-gengräbern, so zum Beispiel in der Gruft der Grafen von Sulz in Tiengen aus dem 16. und 17. Jh. oder in der Gruft der Herzö-

5mm

Abb. 10. Das Eichenseidegewebe der Haube (Foto: K. Grüneberg-Wehner).

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ge von Mecklenburg-Strelitz in der Johan-niterkirche auf der Schlossinsel in Mirow aus dem 19. Jh. (Fingerlin 1992; Ströbl 2009) festgestellt werden konnte.

Hauben als frühneuzeitliche Toten-tracht sind indes im Allgemeinen recht häufig im archäologischen Befund belegt. So zum Beispiel für eine Frau, die in der Andreas und Marienkirche in Rathenow, Lkr. Havelland, in einer Gruft bestattet wurde (Ungerath 2005, 139). Bisweilen wird eine Funktion als Totenkrone vermu-tet (Lippock 2009 44–47). Eine derartige Symbolik ist für die hier erörterte Bestat-tung jedoch eher unwahrscheinlich, da Elisabeth Struve verheiratet war und der Brauch in der Regel wohl mit ledig Ver-storbenen in Verbindung zu bringen ist (Kenzler 2011, 29 – 30; Rupp 1995; Sör-ries 2007, 7).

Zum Abschluss sei noch einmal auf die Grabplatteninschrift verwiesen. Ist die Lage im Chor Ausdruck sozial höher ge-stellter Position, so zeigt die Erstnennung des Peter Struve, gefolgt von seiner Pro-fession und schließlich die Nennung von Elisabeth Struve als seiner Vermählten, die dem Mann untergeordnete Stellung der Frau. Eine Nennung der Männer mit

Standes- oder Berufszugehörigkeit, die der Frauen nur als Gattinnen oder Wit-wen ist symptomatisch für frühneuzeitli-che Grabinschriften in ganz Mitteleuropa (Ulrich-Bochsler 1997, 42) – eine deut-liche Demonstration der patriarchalen Gesellschaftsordnung.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich im Chor der St. Catharinenkir-che zu Jellenbek, Lkr. Rendsburg-Eckern-förde, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit das spätbarocke Grab der Elisabeth Struve befand. Unter einer Steinplatte, auf der Elisabeth Struve und ihr Gatte, der Predi-ger Peter Struve genannt werden, befand sich ein Grab, dass näher untersucht wer-den konnte. Aus anthropologischer Sicht handelt es sich um eine mature bis seni-le Frau, die zu Lebzeiten keine schweren körperlichen Arbeiten verrichten muss-te. Sie war in einem Dachtruhensarg mit massiven Eisengriffen, wohl auf einem Kissen gebettet und mit einer Haube aus Eichenseide bekleidet, beigesetzt worden. Lage und Grabausstattung belegen einen hervorgehobenen Rang, wobei die Grabin-schrift auf eine dem Mann nachstehende gesellschaftliche Position verweist.

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Danckwerth 1652: C. Danckwerth, Norder-

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