artists unlimited zeitung nr.4

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Artists Unlimited Texte, Bilder und Interview Index 2 Editorial 4 Stipendiaten 10 Programm 20 Momentaufnahme 22 Ansichten I 26 Rückblick 46 Interview 48 Ansichten II 56 Veranstaltungskalender 56 Impressum

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Artists Unlimited Zeitung 2011/2012

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Page 1: Artists Unlimited Zeitung Nr.4

Artists Unlimited Texte, Bilder und InterviewIndex2 Editorial4 Stipendiaten10 Programm20 Momentaufnahme 22 Ansichten I26 Rückblick 46 Interview48 Ansichten II56 Veranstaltungskalender56 Impressum

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Wenn Sie diese Zeitung in der Hand halten, ist es bereits passiert: Artists Unlimited hat die 250. Ausstellung in der hauseigenen Galerie präsentiert – die WeihnArt 2011, zu der diese Publikation erschienen ist. Mit der Gruppenausstellung Beckmann begann die Geschichte der Galerie im Dezember 1987, zwei Jahre nach der Gründung von Artists Unlimited. Sie etablierte sich als Präsentationsort und Experimentierfeld für nationale und internationale Künstler.

Aufgaben wie die Organisation von Ausstellungen, Pressearbeit, Gestaltung von Werbe-mitteln, Betreuung der Galerieräume und vieles mehr werden ehrenamtlich von den Artists Unlimited-Mitgliedern übernommen. Sie sorgen dafür, dass in dem ehemals feuchten Wasch-keller ein abwechslungsreiches Programm zu sehen ist – über Künstlergespräche bis hin zu Performances, Lesungen und natürlich Ausstellungen aus den unterschiedlichsten Kunst- und Design-Bereichen.

Unsere Galerie ist nicht perfekt. Das macht sie so einzigartig. Der alte Fußboden, die un-ebenen Wände, die Gruft und die Möglichkeit, sie um „versteckte Räume“ zu ergänzen, machen ihren besonderen Charakter aus. Die Anzahl der Ausstellungen – zum Teil 15 in einem Jahr! – bestätigt uns, dass viele Künstler dies ähnlich sehen.

Unsere Galerie ist flexibel. Sowohl im Programm, das oft spontan erweitert wird, als auch in der Nutzung der Räume: Mal ist sie Präsentationsfläche, mal finden Foto-Shootings statt, manchmal nisten sich FH Studenten mit ihrer Druckwerkstatt ein und einmal im Jahr ist sie Tanzfläche. Für uns ist sie eine wichtige Schnittstelle zur Öffentlichkeit und eine der Grundsäu-len von Artists Unlimited.

Ein weiteres Hauptprojekt aller Artists-Mitglieder ist die Organisation des Gastkünstler-stipendiums, das seit 1986 dreimal jährlich an meist ausländische Künstler vergeben wird. Drei Monate stehen dem Stipendiaten das im Haus integrierte Gastatelier und die Gastkünstlerwoh-nung zur Verfügung. Finanziert wird das Stipendium, für das der Verein im Jahr etwa 10.000 Euro aufbringt, durch unsere Benefizveranstaltungen – die Sommerparty und die WeihnArt.

Einmal im Jahr gibt es eine Durchsicht der Bewerbungen, die über die nächsten Gäste entscheidet und mittlerweile mehrere Tage dauert. Zum Abschluss des Aufenthalts präsentie-ren die Künstler die entstandenen Arbeiten in der Galerie. Wir sind gespannt auf unsere nächs-ten Gäste aus Argentinien, den USA, Kanada und Japan!

Der letzte und vermutlich wichtigste Baustein, ohne den die Galerie und das Gastkünst-ler-Programm so nicht möglich wären: wir leben und arbeiten unter einem Dach. Das war das Hauptanliegen der Menschen, die den Verein Artists Unlimited 1985 gründeten, und es ist das Hauptanliegen der 24 Menschen, die heute Artists Unlimited sind. In den Räumen der alten Papierfabrik Opitz verteilen sich Maler, Illustratoren, Grafiker, Fotografen, Video-, Installations- und Skulpturkünstler auf vier Etagen im Haupthaus und vier Etagen in den „Flügeln“. Dort leben und arbeiten sie in WGs oder alleine, ergänzen und bereichern sich untereinander in ihren Ideen und Ansichten, schaffen einen Ort für freie und angewandte Künste.

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Dieser besondere Ort mitten in Bielefeld, der Austausch untereinander und die Begeg- nungen mit spannenden Gastkünstlern und Besuchern bestärken uns in der ehrenamtlichen Arbeit, die nötig ist, um das Projekt voranzutreiben. Die Energie für jedes Getränkekisten schlep-pen, jeden unterkühlten Galeriedienst, für das Abkratzen der Plakatwand, das Etiketten kleben von über 4.000 Einladungen (knapp 300 für jede Ausstellung), für die nervenaufreibenden Diskussionen bis spät in die Nacht. Und für das panische Druckdaten schreiben, alle Jahre wie-der, für die Artists-Zeitung.

Artists Unlimited-Mitglieder, Stand Dezember 2011:Klaus D. Braun, Steffen Budke, Steffen Bunte, Rebecca Butzlaff, Meller Ehlert, Ricarda

Enderweit, Cathleen Falckenhayn, Christine Gensheimer, Jenna Gesse, Cecilia Herrero, Hein-rich Holtgreve, Jann van Husen, Angelika Höger, Timo Katz, Michael Kohls, Ele Krekeler, Antje Löbel, Lucie Marsmann, Irini Metz, Harriet Esther Muntean, Lars Rosenbohm, Uwe Schweer-Lambers, Tim Sürken, Reiner Tintel

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Wie in jedem Jahr haben wir auch 2011 aus den zahlreichen Bewerbungen um ein dreimona-tiges Gastkünstlerstipendium bei Artists Unlimited mehrere Künstler ausgewählt. Insgesamt erreichten uns dieses Mal fast160 Bewerbungen aus der ganzen Welt. Ende Oktober entschie-den wir uns nach intensiver Durchsicht der Unterlagen für die folgenden drei Künstler:

Antoine Lefebvre / 15. April – 15. JuliAb April 2012 wird der Amerikaner Antoine Lefebvre als Gastkünstler für drei Monate

bei Artists Unlimited sein. Lefebvre lebt in New York, wo er auch studiert hat. Seine skulpturalen Werke sind Kombinationen aus industriellen Materialien, Dingen aus dem Alltag und persönli-chen Gegenständen. In Bielefeld möchte er gern zu den Skulpturen 3-D-Animationen hinzufü-gen. Antoine Lefebvre geht es dabei um die Frage, welchen Effekt die Schaffung des virtuellen Raumes auf unsere Wahrnehmung des realen Raumes hat. Die abschließende Ausstellung von Antoine Lefebvre wird vom 29. Juni bis zum 8. Juli stattfinden. (Bilder auf Seite 5)

Steve Bishop / 15. August – 15. NovemberAus Kanada stammt Steve Bishop, der den New Yorker im August „ablöst“. Sein Gastkünst-

leraufenthalt wird Bishop zu einer Auseinandersetzung mit den jeweilig vorgefundenen Räum-lichkeiten führen. Er kreiert seine oft geometrisch-reduzierten Skulpturen aus Materialien, die typisch für den Raum sind und arbeitet z.B. auch mit Handwerkern aus der Region, in der er sich gerade aufhält. Steve Bishop lebt seit einiger Zeit in London. Dort studierte er auch am Royal College of Art. Vom 2. bis zum 11. November wird Steve Bishop die Ergebnisse seines Gastkünstleraufenthalts in den Galerieräumen zeigen. (Bilder auf Seite 6)

Mari Ota / 1. Dezember 2012 – 28. Februar 2013Die japanische Performancekünstlerin Mari Ota bedient sich Darstellungsformen, die

sie aus ihrem Alltag und den Erfahrungen im Leben oftmals recht spontan entwickelt. Schon während ihres Studiums in Tokio und Kyoto hat Mari Ota bei vielen Gelegenheiten ihre Kunst gezeigt. Die Performances, die sie auch mit Zeichnungen kombiniert, sind überschwängliche Choreographien. Auch als Gastkünstlerin von Artists Unlimited wird sie ab Dezember 2012 sicher Flüssigkeiten verschütten, Sägespäne aufhäufen oder in immer wiederkehrenden Hand-lungen den vergeblichen Versuch, etwas zu erreichen, verbildlichen. Mari Ota zeigt ihre Arbei-ten zum Ende ihres Aufenthalts vom 15. bis zum 24. Februar 2013. (Bilder auf Seite 7)

Den Anfang macht allerdings Paulo Ahumada Rovai aus Argentinien, der vom 1. Januar bis 31. März 2012 bei Artists Unlimited leben und arbeiten wird. Ein Text zu ihm und seiner Arbeit befindet sich auf Seite 11.

Stipendiaten 2012

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9. – 18. DezemberJoo-Hee Yang und Jean-Baptiste Engler

Sie sucht, sie sammelt, arbeitet sich durch Sperrmüllberge auf dem Bürgersteig und unterhält sich mit den Bauarbeitern von der Baustelle auf der anderen Straßenseite über die Möglichkeit, Betonelemente in ihr Atelier zu schaffen. So erlebt man Joo-Hee Yang, südkoreanische Gast-künstlerin von Artists Unlimited, während der Vorbereitungsphase ihrer installativen Arbeit, die sie für ihre Abschlussaustellung des Stipendienaufenthalts in Bielefeld zusammen mit Jean-Baptiste Engler konsturiert. Eine größere Anzahl von Staubsaugern, Laubbläsern und elektri-schem Heckenschneidewerkzeug werden von ihr ebenfalls integriert. Der Einkaufswagen, aus dem nahegelegenen Supermarkt entliehen, steht jederzeit für eine weitere Tour durch Bielefelds Straßen bereit. Was genau Joo-Hee Yang, die seit etwa zehn Jahren in Frankreich lebt, und ihr Künstlerkollege daraus in den Galerieräumen und dem Gastatelier entstehen lassen und welche Inhalte sie dem Betrachter vermitteln möchten, wird sich erst nach der Arbeitsphase, die mit Sicherheit bis kurz vor Ausstellungseröffnung andauern wird, zeigen.

Programm 2011

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13. – 22. JanuarSteffen Budke, Cathleen Falckenhayn, Lucie Marsmann, Anna Louisa Wolff

Die Figur der Medusa ist uns aus der griechi- schen Mythologie bekannt. In zahlreichen Dar- stellungsformen wurde ihre ursprünglich be- törende Schönheit und ihre Verwandlung in ein geflügeltes Ungeheuer mit Schlangenhaa- ren, langen Eckzähnen, Schuppenpanzer und vor allen Dingen den glühenden Augen, die jeden, dessen Blick sie treffen, zu Stein erstar-ren lassen, interpretiert.

17. – 26. FebruarSatomi Edo

Eine sehr intim wirkende und doch von jedem direkt einsehbare Erlebniswelt gestaltet Satomi Edo in ihren Installationen. Wohnräume sind das zentrale Thema ihrer Arbeiten. Die Japa- nerin sagt, dass die Gestaltung von Räumlich- keiten Zeugnis ihres kulturellen Hintergrundes sind. In Japan steht das Haus bzw. der bewohnte Raum mit der Familie ganz eng in Verbindung. Und das sowohl auf einer privaten wie auch auf einer öffentlichen Ebene. Somit stellen die Behausungen, die Satomi Edo kreiert, auch Aus- züge aus dem Tagebuch ihres Lebens dar. Sie sind Ausdruck ihrer Lebenserfahrungen.

Vor acht Jahren kam Satomi Edo, nach-dem sie Bildhauerei an der Kunsthochschule in Kyoto studierte und als Lehrbeauftragte an diversen Institutionen tätig war, nach Deutsch-land, um an der Kunstakademie Münster bei Maik und Dirk Löbbert ihren künstlerischen Ausdruck weiterzuentwickeln. 2010 hat sie ihr Studium als Meisterschülerin der beiden Brü-der abgeschlossen.

war 2010 Gastkünstlerin – erarbeiten aus einer spontanen Idee heraus individuelle Sichtwei-sen auf die Geschichten um Medusa.

Für die künstlerische Kollaboration die- nen die Erzählungen als Grundlage, um be-stimmte Fragestellungen zu entwickeln: Was bedeuten heute die Zeichen um Medusa und was Medusa als Zeichen selbst? Welche Bedeu- tung haben Verführung, Neid und Verderben gegenwärtig? Wie lässt sich der Mythos auf-lösen und auf die moderne Gesellschaft über-tragen? Viele dieser Fragen werden unbeant- wortet bleiben. Die Auseinandersetzung findet trotzdem statt und wird sich eigenwillig, expe-rimentell und offen zeigen.

Auch das von Perseus abgeschlagene Haupt der Medusa ist Motiv für viele Künst-ler gewesen. Dieser Mythos bietet heute noch reichlich Stoff, um ihn in einer zeitgemäßen Art umzusetzen oder sich von ihm inspirieren zu lassen. Steffen Budke, Cathleen Falcken-hayn und Lucie Marsmann, die alle bei Artists Unlimited leben und Anna Louisa Wolff – sie

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2. – 18. März Paulo Ahumada Rovai und Dto. 6

Der Argentinier Paulo Ahumada Rovai wird ab Januar 2012 Gastkünstler von Artists Unlimi-ted sein. Der 1975 in einer kleinen Stadt in der Nähe von Cordoba geborene Künstler hat ein sehr breites Betätigungsfeld. Er ist in fast allen Medien zu Hause. Seit Jahren malt er, gestaltet Objekte aus Fundstücken, macht Filme, erstellt

Satomi Edo fühlt sich immer als Rei-sende. Sie hat ständig das Gefühl, dass der jeweilige Ort, an dem sie sich befindet nur eine Zwischenstation ist. Die Titel ihrer Werke ver-deutlichen das, z.B. die Arbeit Nomade. Es tauchen Campingplätze mit kleinen Wohnwa- gen und zeltähnlichen Objekten auf, deren Form Edo, inspiriert durch Hütten von Ob-dachlosen in Japan, entwickelt hat. Die kleinen Behausungen dienen als Unterschlupf. Sie wachsen aus Dachlattenkonstruktionen und Pappkartons oder sind auf einem aufgeschla-genen Heft angelegt. Licht spenden Schreib-tischleuchten oder integrierte Videoprojek- tionen. Alles ist schnell wieder entfernbar, umbaubar. Die Reise kann also weitergehen.

Blogs und drückt sich im Bereich des Graffi- ti sowohl im Innen- wie im Außenraum aus. Schriftzeichen, intensive Farben und oft chao-tisch wirkende Überlagerungen auf Leinwand, Holz und Häuserwänden sind einige für seine künstlerische Arbeit typische Elemente.

Seine expressiv-wilden Bilder erinnern teilweise an die Werke von Jean-Michel Basquiat, andere auch an Arbeiten der Cobra-Künstler oder an Informelle Malerei. Kräftige Rot-, Gelb- und Orangetöne wechseln sich mit collagierten Buchstaben ab. Die Lebensumstände in Argen-

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tinien, gesammelte Medienbilder von anderen Ländern und Gesellschaften, Poesie und Magie inspirieren Paulo. Dazu kommt noch eine gan-ze Menge Humor. Als Teil der Künstlergruppe Dto. 6 kreiert er eine für alle offene und expe-rimentelle Kunst zwischen Dada, Performance und Event. Dieses überraschende, medienüber- greifende Tun werden auch die Bielefelder erleben: In den letzten vier Wochen des drei- monatigen Stipendiums werden vier weitere Mitglieder von Dto. 6 zusammen mit Paulo Ahumuda Rovai ein Projekt weiterführen, das sie bereits in Argentinien gezeigt haben. Der Titel Exodus deutet sowohl auf den Migrati-onshintergrund der meisten Argentinier hin, als auch darauf, dass die argentinischen Künst-ler ihre Kultur mit nach Ostwestfalen-Lippe bringen. Auf einem Internetblog der Gruppe kann man bereits sehen, dass die künstlerische

„Vorarbeit“ in Bezug auf Bielefeld begonnen hat. Plakatähnliche Entwürfe, auf denen die Wortneuschöpfung „Bielefest“ zu lesen ist und von „heimischer und sehr zeitgenössischer argentinischer Kunst“ die Rede ist, machen neugierig.

Programm 2012

20. – 29. AprilLucie Marsmann

Zu den 11. Bielefelder Nachtansichten, die im April 2012 stattfinden, werden wieder zahl- reiche Museen, Galerien und Kirchen ihre Räumlichkeiten öffnen, Konzerte veranstalten und spannende Ausstellungen und Inszenie-rungen zeigen. Die Artists Unlimited Galerie zeigt Arbeiten von Lucie Marsmann. Die 1982 in Wuppertal geborene Fotografin und Video- künstlerin hat bis 2010 an der FH Bielefeld studiert. Als Thema ihrer Diplomarbeit griff sie die Geschichte einer jungen, im Kosovo ge- borenen Frau auf, die heute in den USA lebt.

Lucie Marsmann hat diese Frau, die sie aus der Grundschulzeit kennt, in Amerika besucht und ihr Leben zwischen zwei Kulturen beobachtet. Es entstand daraus die erzählerische Raumin-stallation Following Merita.

Auch in ihren anderen Arbeiten setzt sich Lucie Marsmann mit Kindheitserinnerun-gen, Träumen oder der Beziehung zwischen Mensch und Natur auseinander. Oft inszeniert sie dabei ihren eigenen Körper, um eine The- matik zu interpretieren, sei es mit tänzerischen Bewegungen oder in eine Art Cocon gehüllt.Ein weiterer Schwerpunkt ihrer künstlerischen Arbeit ist die Kollaboration mit anderen Künst- lern. In mehreren Ausstellungen wurden die Ergebnisse des Zusammenarbeitens bereits gezeigt. Lucie Marsmann lebt seit 2006 bei Artists Unlimited.

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4. – 13. MaiMatthias Arndt und Klaus Seelig

Einen ganz besonderen Bezug zu Artists Unli-mited haben Matthias Arndt und Klaus Seelig: Beide haben hier gelebt und gearbeitet. Seelig von 1985 bis 1997. Arndt von 1988 bis 1994. Besonders geschätzt an dieser Umgebung hat Klaus Seelig die Koexistenz von Kunst und Design unter einem Dach. Im goldenen Buch, das zum 20-jährigen Bestehen des Künstler-hauses erschien, erzählt er von dem für die Entwicklung eines Gestalters idealen Nährbo-den und den vielen Küchen in den einzelnen Wohnbereichen, die die Schaltzentralen des kreativen El Dorado waren.

Matthias Arndt erwähnt Ähnliches: Die Selbstverständlichkeit des Neben- und Mitein- ander der diversen künstlerischen Disziplinen. Als besonders inspirierend empfand er die persönlichen Bindungen zu den Akteuren und die damit verbundene Auseinandersetzung mit deren künstlerischer Arbeit.

1992 gründeten beide auf einer der Fabriketagen das Designbüro, gemeinsam mit Katharina Künkel und Regina van Laak-Béren- ge. Sieben Jahre später machten sie sich mit dem Designbüro Arndt und Seelig selbststän-dig. Ihre Arbeits-Schwerpunkte liegen im In-formationsdesign, der Kulturwerbung sowie der Ausstellungs- und Museumsgestaltung.

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Klaus Seelig war vor sechs Jahren der Meinung, dass die Grenze zwischen Kunst und Design zwischen den Denkräumen liegt und beide Disziplinen von gesteuerten Zufällen le- ben. Matthias Arndt ging damals noch einen Schritt weiter und sagte: „Grenzen interessie-ren mich eigentlich nicht, Verbindungen schon eher.“

Ob diese Aussagen für die beiden heute noch gültig sind, kann der Besucher in der ge-planten Ausstellung Ich räume das morgen auf in der Artists Unlimited Galerie überprüfen. Bisher halten sich die beiden Gestalter noch eher bedeckt, machen es spannend und sind selbst gespannt. Auf die Versuchsanordnun- gen ihrer Chiffren und Zeichen in den Gale- rieräumen.

18. – 27. MaiSusan Feind und Martin Gensheimer

gensheimersfeind.de heißt die Internetseite von Susan Feind und Martin Gensheimer. Das lässt zunächst auf eine nicht so positiv ge- stimmte Zusammenarbeit schließen. Schaut man sich dann aber die gemeinsamen Arbei-ten und Projektbeschreibungen der beiden an, merkt man recht schnell, dass beide sich sehr gut ergänzen und konstruktiv miteinander

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gestalten. Beide kommen aus dem Bereich der Fotografie. Susan Feind, die 1970 in Duisburg geboren wurde, hat zunächst Architektur an der Universität Dortmund und anschließend Kom-munikationsdesign mit dem Schwerpunkt Fotografie an der FH Dortmund studiert. Seit 2006 arbeitet sie als freie Fotografin und Künstlerin. Der 1978 in Frankfurt am Main geborene Martin Gensheimer studierte ebenfalls an der FH Dortmund Fotodesign. 2010 beendete er das Studium mit seinem Diplom.

Für ihre gemeinsame Ausstellung bei Artists Unlimited haben Feind und Gensheimer schon recht konkrete Vorstellungen – zumindest für einen der Galerieräume. Sie möchten gern ein typisches Fotoladen-Studio mit diversen Deko-Utensilien einrichten. Fototapeten, Säulen auf die sich die zu Fotografierenden stützen können, eben Requisiten, die zu einer solchen Kulisse gehören, werden den Raum „schmücken“. Die Besucher der Ausstellung haben die Möglich-keit, sich fotografieren zu lassen. Der Hintergrund für diese Arbeit ist das Interesse der beiden Künstler an einer Inszenierung der Porträtierten, die einem vorgefassten Schema folgt und die Frage, wieviel Freiheit jedem innerhalb dieses festgelegten Vorgehens noch bleibt.

Susan Feinds Fokus ist auf den Zusammenhang von Mensch, Raum und Ort gerichtet, auf das Menschliche im Dinglichen. Martin Gensheimer fotografiert, zeichnet, collagiert das Belanglose. Banale Details aus Alltagsbeobachtungen, die in etwas neues transformiert werden, findet er spannend. In ihren gemeinschaftlichen Arbeiten vereinen Susan Feind und Martin Gensheimer ihre künstlerischen Positionen zu vielschichtigen, untersuchenden und humorvol-len Projekten.

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18. – 27. MaiKlasse Geilen

Zu einem wahren Dauerbrenner entwickelt sich die temporäre Druckwerkstatt der Klasse Geilen, denn bereits zum vierten Mal sind die Studie-renden und ihr Lehrer vor Ort und verwandeln die Artists Unlimited Galerie für zwei Wochen in einen belebten und kreativen Arbeitsbereich. Jeder der jungen Künstler richtet sich ganz persönlich ein, um dann anhand von Skizzen, Notizen oder auch aus der bloßen Erinnerung, Motive auf die Holz- oder die Kupferplatte zu bringen. Mittendrin der Professor, der – genau wie seine Studenten – fasziniert ist von manuel-len Techniken und ihren Möglichkeiten.

Der markante Geruch der Druckfarben trägt einiges zur Werkstattatmosphäre bei. An den Wänden die Ergebnisse des Arbeitsprozes-ses. Den Besuchern wird ein lebendiger und in-formativer Einblick in die Welt der Druckgrafik geboten.

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7. – 16. SeptemberAnja Schaffner

„Es gibt Momente im Leben, in denen ich alles entschleunigen möchte. Ich starre ins Leere und stelle mir vor, diese Momente festzuhalten. Es ist, als ob jemand ‚passt’ sagen würde und du hältst für einen kurzen Moment inne und lauschst. Danach geht alles weiter wie gewohnt.“

Dieses Zitat von Anja Schaffner sagt be- reits viel über ihre künstlerische Arbeit aus. Ihre Fotografien, die sie sehr oft in Buchform

präsentiert, strahlen eine einnehmende Ruhe aus und wirken geheimnisvoll – wie Szenen aus einer Parallelwelt. Details des gewählten Motivs verschwinden im Dunkel. Unterstützt werden diese Wirkungen durch die malerische Qualität der Fotoarbeiten.

Anja Schaffner gönnt sich im Moment eine Auszeit in eher ländlicher Umgebung in ihrer Heimatstadt. Dort, in ihrem Elternhaus, feilt sie an einem neuen Projekt und arbeitet mit den Erträgen aus ihrem sechsmonatigen DAAD-Stipendiumsaufenthalt in Los Angeles.

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Sie ist viel in der Natur unterwegs, ver-bringt Zeit im Wald und an den Externsteinen. Dort sammelt sie Eindrücke und entwickelt, wie sie es nennt, „kleine Mythen“. Diese Eindrü-cke überträgt sie auch in Texte, die man unter Anderem in ihrer tagebuchähnlichen Rubrik almost finden kann.

Unter dem Datum 23. Oktober 2011 ist dort zu lesen: „Die letzten warmen Sonnen-strahlen sind weg und I. schlägt ein Feuer im Wald vor. Er geht ein Stück über den Kamm, dann rechts vom Weg ab. Der alte Wolfshund legt sich aufs Schafsfell im Moos und wird mit einem Schlafsack bedeckt. In einem alten hoh-len Baumstamm sind Brennspiritus und ein paar Zweige gelagert, eine Reihe Steine sichert die kleine Feuerstelle. Es wird immer dunkler und der tiefe Ton des Uhus schwingt durch den Waldraum. Ich frage I. nach den Uhus. Er hätte einen gesehen, wie ein brauner Wollpulli hätte er über einem Ast gehangen.“

Anja Schaffner hat bis zu ihrem Diplom- abschluss 2001 an der FH Bielefeld Visuelle Kommunikation studiert. 2008 schloss sie ihr Master-Studium am Royal College of Art in London ab.

21. – 30. SeptemberFranz Reimer

„Das Leben inmitten visueller Medien ist be-herrscht von einem permanenten Druck, feh-lende Bildlichkeit zu kompensieren, nichtvisu- elle Praktiken und Prozesse zu visualisieren. Dies ist das Regime der Sichtbarkeit.“ Dieses Zitat von Camiel van Winkel ist schon eine gewaltige Ansage. Franz Reimer nutzt diese Aussage als Ausgangspunkt für seine multime- diale Arbeit mit dem Titel Mind and Matter. Was zunächst kompliziert und verschroben in- telektuell klingt, zerlegt der Medienkünstler in ganz einfache Begriffe: Prinzip, Methode, Zielsetzung.

Franz Reimer nimmt sich komplexe The- matiken vor, die er dann Stück für Stück hin- terfragt und dekonstruiert. Besonders deutlich wird diese Vorgehensweise an seiner Konzept- arbeit A public picture poetry machine, eine Arbeit an einer autonomen Poesie der öffentli- chen Bilder. Das zentrale Medium hierbei sind mythische Bilderwelten der Werbung, aus Ma- gazinen, Talkshows und Nachrichtensendun-gen. Franz Reimer geht es um Medien zwischen Realität und medialer Funktion. Kurz gesagt, um die Überpräsenz der Medien, den bloßen Schein und die Unterscheidung von Realität und Fiktion. Unser Leben in einer medialen Routine.

In den Arbeiten Franz Reimers werden die medialen Bildwelten zur allmächtigen Zei-chenmaschine der Bedürfnisse des Menschen nach authentischen Bildern. Es geht ihm um Welt und Wirklichkeit, Erfüllung und Glück sowie die Logik des Fatalen.

Reimer bedient sich ganz bewusst des öffentlichen Bildmaterials um damit frei zu arbeiten und die Bilderflut zu dekonstruieren. Er selbst beschreibt es als das Prinzip der Lust

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– die Lust des Betrachtens und die Trunkenheit des Funktionierens.

Nach seinen Studien an der Humboldt Universität Berlin (Neue Deutsche Literatur und Philosophie) und einem Kommunikations-design-Studium an der FH Düsseldorf kreiert der Ostberliner seinen freien Arbeitsprozess pendelnd zwischen Multimediaarbeiten, Skulp- tur, Malerei und Zeichnung.

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16. – 25. NovemberUschi Jung

Schaut man sich den Lebenslauf von Uschi Jung etwas näher an, ist dort von vielen Orts-wechseln und einigen doch recht unterschied- lichen Ausbildungen und Studienschwerpunk-ten zu lesen. Jung hat sowohl in Deutschland als auch in den USA gelebt, hat den Beruf der Chemisch Technischen Assistentin erlernt und sich im Fernstudium mit Mathematik, Infor-matik, Erziehungswissenschaften, Philosophie und Psychologie beschäftigt. All das, bevor sie sich dann intensiv mit Malerei und Zeichnung während ihres Studiums am Fachbereich Ge-staltung der FH Bielefeld auseinandersetzte.

„Wie passt das zusammen?“ fragt man sich da vielleicht. Uschi Jung sagt treffend:

„Ich muss mich in Ruhe bringen – Hektik able- gen“. Das mag für Manche nach einem hobby- mäßig-kreativen Abschalten klingen, nach dem Entspannen vom Alltag. Ihre künstlerische Tätigkeit liegt jedoch auf einer ganz anderen Ebene.

Uschi Jung verbindet in ihren Arbeiten vielmehr die eigentlich sehr gegensätzlichen Themen und Stationen ihres Lebens und ihre eigene Befindlichkeit. Sie nimmt sich Zeit und schafft Verknüpfungen zwischen Sachlichkeit und Emotion. Sie taucht in eine farbintensive, sinnliche Welt ein, ohne ihr Wissen und ihre klare Beobachtung außen vor zu lassen. Es scheint fast ein Hin- und Herlaufen zu sein. Sowohl impulsiv als auch leise. Auf jeden Fall planerisch, aber auch den Zufall integrierend.

Ihre Malereien und Zeichnungen, die meistens auf Papier entstehen, haben etwas Untersuchendes. Dass die Arbeiten nicht ins Dekorative abrutschen, liegt an dem Mut zum Risiko, den Jung durch ungewöhnliche Formen- kombinationen aufzeigt. „In der Ruhe liegt die Kraft“ wird ja bekanntermaßen gesagt. Diese Kraft setzt Uschi Jung wieder in Bewegung um.

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Bühne sind mehr Kameras als vor der Bühne. Ha. Danach wieder an die Häppchen.

Großes Rührei-Frühstück nach dem morgendlichen Prüfungsmarathon von Exa-mina. Das Gehirnwäschen-Gefühl, nach dem ewigen Einsprechen von „Brautkleid bleibt Brautkleid“ in der Filmhaus-Tonkabine. Die spontane Umnutzung der leerstehenden Woh- nung. Als Fotostudio, als Ausstellungsraum, als Drehort des Filmhaus-Workshops. Brand-schutz. Immer wieder. Begehungen vom ISB. Begehungen von Frauen, die geheimnisvoll in ihr Diktiergerät flüstern. „Wir sind hier in einem Bad. Die Wände sind gefliest …“. Das Haus wird neu vermessen. Und noch mehr Leute wollen es sehen. Das NRW Kultursekre-tariat besucht uns mit einer Abordnung von Kuratorinnen aus Israel, Indien und Taiwan. Wieder einmal die Feststellung, dass sich im ganzen Haus keine einzige Glaskaraffe auftrei- ben lässt, in der man Leitungswasser gesell-schaftstauglich servieren kann. Nur einen Tag

Artists Unlimited 2011 war nicht da sein. Für mich zumindest. Nur drei Monate nicht im Haus sein, in der Zeit vier Ausstellungen ver-passen und das Gefühl für die Stimmung im Haus verlieren – trotz regem E-Mail-Verkehr. Artists Unlimited 2011 war wiederkommen. Sofort wieder voll einsteigen. Sommerparty, Brandschutz, Gastkünstler – es gibt immer was zu tun.

Momentaufnahme 2011 Jenna Gesse

Unsere Gastkünstler. Die kleine blonde Anna, die mit ihrem schnaubenden Hund durch das Haus zog. Ich wusste nicht, dass man eine Wurst an einer Leine führen kann. Riccardo, unser Gastkünstler aus Italien, der kurzzeitig die Live-Musik in unserem Haus einführte, gemeinsam mit der Teufelsgeigerin.

„One more sad Italian lovesong!“ Schöne Som-merabende. Joo-Hee, unsere zierliche Korea-nerin, die in der Recyclingbörse ihr Paradies fand. Unmengen an Vorwerk-Staubsaugern und Glasplatten im Gastatelier. Held des Tages: Udo von der Recyclingbörse, der geduldig mit ihr von einer Börse zur nächsten fuhr.

Der Stern des Jahres von der NW, der an Artists Unlimited verliehen wurde – rück-wirkend für 25 Jahre Kulturarbeit. Theatralisch schreiten wir mit 20 aktuellen und ehemaligen Artists zur Titelmelodie von Star Wars (!) die Showtreppe in der Hechelei herab. Auf der

danach die Invasion der Erstsemester vom Fachbereich Gestaltung. 60 Leute mehr im Haus. Sie umzingeln plötzlich Schreibtische und Leinwände und finden die expandierte Galerieführung offensichtlich sehr spannend. Glaskaraffen spielen zu diesem Zeitpunkt kei-ne Rolle mehr.

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Eine Anfrage von RTL2: Die Redaktion einer Reality-Show möchte bei uns ein Model einquartieren, das – laut Drehbuch – nach kur- zer Zeit feststellt, dass eine Künstlerhaus-WG nicht das Richtige für sie ist. Viel Spaß bei den Artists beim Ausmalen der Szenen, bei der Ver-gabe der Charaktere und Drehorte. Wir sagen ab. WDR west.art darf rein. Der Kultur TÜV für Bielefeld. Stundenlanges Filmen, zum Teil mit zu viel Konzept. Begrüßungsszenen müs-sen dreimal gespielt werden. Das Filmteam liebt den Fahrstuhl.

Bunga Bunga täterä. Die Party ist puffig, das Haus erstrahlt rosa. Die Bands und DJs geben alles, unsere Helfer sowieso. Mal wieder Glück mit dem Wetter gehabt. Zwar nicht besonders warm aber immerhin trocken. Am nächsten Tag können wir über den Innenhof

Momentaufnahme 2011

schwimmen. Der Abbau ist ein einziges Voll-bad. Ich spüre meine Socken nicht mehr.

Jenna Gesse

Grillabende mit der Druckwerkstatt und unseren Party-Helfern. Wenn wir etwas kön-nen, dann Büffet! Und Hausversammlungen – fast 20 in diesem Jahr.

Im Hof wird eine Weltkugel mit Hoch-druck gereinigt und eine Miniatur der Galerie Kurt im Hirsch gebaut. Artists Unlimited stellt dort aus, am Prenzlauer Berg, und bringt mit einem Sprinter die Gruppenausstellung nach Berlin. Wir sitzen im romantisch verfallenen Innenhof in der Sonne, klappernde Bewegungs- melder begrüßen die Besucher.

Einzüge, Auszüge und Zwischenmieter. Transporter, Tränen, hallo sagen. Das Haus ver- ändert sich immer, mit jedem der geht, mit jedem der kommt. Die Artists sind auf Reisen. Irgendwo zwischen Korea und Israel, irgend-wo zwischen Basketball und Stricken. Irgend-wo und immer am selben Platz – an den man zurückkehren kann.

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7. – 16. JanuarAnna Louisa Wolff, órói

Das Galeriejahr 2011 begann mit unserer 76. Gastkünstlerin Anna Louisa Wolff und ihrer Aus-stellung órói. Dieser isländische Begriff bezeichnet sowohl eine Skulptur oder ein Arrangement hängender Elemente als auch Unruhe, Ruhelosigkeit und Rastlosigkeit. Diese Rastlosigkeit be-stimmte in ihrer Zeit bei Artists Unlimited sowohl ihre künstlerische Arbeit als auch ihren per-sönlichen Alltag: Anna blieb länger bei uns, wollte erst ganz bleiben, zog als Zwischenmieterin durch das Haus und entschied sich letztendlich – und leider – doch für die große Stadt, die mit B anfängt.

Künstlerisch bezeichnet sie sich selbst als „Nomadin“ und ist immer neugierig auf neue Techniken. Ihre órói-Arbeiten fertigte sie z.B. aus Ministeck, Bügelperlen und Fimo an – Mate-rialien, die ihrer Kunst etwas Spielerisches, Unbeschwertes und durch und durch Glückliches gaben. Ein Glück, das Anna in Island, wo sie seit 2005 hauptsächlich gelebt hat, empfunden hat und nun mit dem Betrachter teilte. Alle Arbeiten waren durch reale Orte auf der Insel inspiriert, durch Wasserfälle oder Bergpanoramen.

Aus der Eröffnungsrede von Matthias Albrecht (Kunsthalle Bielefeld): „Anna Louisa Wolff erzählt uns vom Glück. Jedoch nicht dokumentarisch oder fotografisch genau, sondern mit jener rätselhaften Ungenauigkeit, die mit der Übertragung eines Motivs in ein eher unübliches Medium einhergeht. Ich denke, es ist diese Ungenauigkeit, die die Arbeiten für uns Betrachter öffnet. Eine nicht exakte Darstellungsweise bietet mehr Interpretationsspielraum für den Einzelnen … Wir können uns hinsetzen und glücklich sein. Ausruhen, die Wolke betrachten. Worte sind da gar nicht nötig.“

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18. – 27. MärzKatja Böhme, Posieren und Hasenohren machen

Christiane Heuwinkel (Kunsthalle Bielefeld) begann ihre Eröffnungsrede in der Artists Un-limited Galerie und arbeitete sich nach und nach durch die Werke und Räume. „Von einem Felshang ergießt sich ein Wasserfall in eine Felsspalte. Der befestigte Weg und das eiser- ne Geländer bezeugen die Eindrücklichkeit dieser Szenerie, die für den gefahrlosen, tou-ristischen Gang inszeniert worden ist. Vom sicheren Halt aus in den Höllenschlund sehen zu können ist eine voyeuristische Grunddispo-sition – und Ausgangspunkt der künstlerisch-konzeptionellen Überlegungen Katja Böhmes.“

18. Februar – 6. MärzKarsten Habighorst, Von Geist und Zustand: Kopfbilder

Viele poetische Worte, begleitet von Gitarren- klängen, gab es bei der Ausstellungseröffnung Von Geist und Zustand: Kopfbilder mit Arbei-ten von Karsten Habighorst. Der 1963 in Bie-lefeld geborene Künstler sieht sich „von der Suche nach dem perfekten Abbild“ getrieben. Dabei wechselte er bereits vom für ihn „abso- luten Realismus der Holographie“ zu einer „ex-pressiv-abstrakten, direkten Malerei“. 22 groß- formatige und farbintensive Gemälde aus der Werkreihe Kopfbilder stammen aus dieser Schaffensphase und wurden in der Artists Unlimited Galerie präsentiert. Irritationen schafften die Wechsel zwischen fotorealisti-scher Genauigkeit, die Plastizität und Materia-lität zitierte, und affektiven, kraftvollen Pinsel-strichen, die das Motiv wieder zu allen Seiten öffneten.

Habighorst lehrte von 1996 bis 1999 an der FH Bielefeld Holographie – Darstellen mit Licht. Seit 1999 unterrichtet er an der Musik- und Kunstschule Bielefeld.

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In Posieren und Hasenohren machen präsentierte Katja Böhme Arbeiten zum The-ma Erinnerung – zu der Veränderung, dem Konservieren und Archivieren von „Zeitzeug-

nissen“, dem Ergänzen und Löschen von Ver-gangenem. Und zu dem Abbilden dieser Pro-zesse. Dabei bediente sie sich unterschiedlicher Medien und Techniken, wie etwa Zeichnungen, Vergrößerungen von Fotografien, alten Doku- mente, die zu kleinen Faltobjekten wurden, und Projektionen. Alle Arbeiten verband eine sehr zurückhaltende Farbigkeit, eine Klarheit und Ruhe, die dazu aufforderte, weitere Details zu entdecken und Geschichten weiter zu denken. Momente nach zu zeichnen und nach den Er-innerungen zu suchen, die ein Bild formen und aufladen. Nach Zurückliegendem zu greifen.

Katja Böhme wurde 1984 in Halle an der Saale geboren und studierte Kunst und Ger-manistik. Von 2009 bis 2011 war sie Mitglied von Artists Unlimited.

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30. März – 20. AprilKlasse Geilen, Druckwerkstatt 3

Wenige Tage nach Posieren und Hasenohren machen wurden auch bei den Artists Erinnerun-gen wach, als Professor Jochen Geilen (FH Bielefeld, Fachbereich Gestaltung) mit seiner Klasse und schwerem druckgrafischen Gerät vor den Türen unserer Galerie stand. Bereits zum dritten Mal wurden die Ausstellungsräume als temporäre Druckwerkstatt genutzt, in der skizziert, ge-schnitten und gekratzt wurde – und in der es „geballte Auseinandersetzung“ gab. Mit den Räumen, mit der Situation und mit der Öffentlichkeit, die den ganzen Tag über Zugang zu den Arbeitsräumen hatte.

Von der dreiwöchigen Arbeitszeit „schenkte“ Geilen sich die erste und verbrachte sie alleine in der Galerie, wo er sich voll und ganz seinem eigenen Schaffen widmen konnte. Ab der zweiten Woche kamen die Studierenden hinzu und verwandelten die 90 Quadratmeter in ein lebendiges Gemeinschafts-Atelier. Zur Finissage stellte jeder Künstler seine eigene Arbeit vor, die in der Galerie entstanden war.

Im Oktober 2011 wurde Jochen Geilen nach 15-jähriger Tätigkeit als Professor am Fachbereich Gestaltung in den Ruhestand verabschiedet. Wir freuen uns, dass er dennoch auch im nächsten Jahr eine Offene Druckwerkstatt plant und sind gespannt auf die Fortsetzung im Juni 2012.

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29. April – 8. MaiCecilia Herrero, Mujeres

Dem impulsiven Jochen Geilen folgte nur eine Woche später eine nicht weniger temperament-volle Frau in die Galerie: Cecilia Herrero mit ihrer Ausstellung Mujeres (Frauen), in der sie Malereien, Skulpturen und – zum ersten mal – auch Videoarbeiten zeigte. „Das Medium Film reizt mich, weil man mehr zeigen kann. Mehr Bewegung und Geste.“ Von einigen Skulpturen produzierte sie Stop-Motion-Sequenzen, bevor sie die Figuren durch das Brennen erstarren und zur Ruhe kommen ließ.

Frauen in ihrem Alltag, häufig bei der Arbeit, interessieren Cecilia Herrero schon lange. Fasziniert zieht sie mit ihrer Kamera umher, um zu skizzieren, zu jagen und zu sammeln. Seien es nun Frauen in einer Zigarrenfabrik in Nicaragua oder in einer deutschen Großküche. In einem Ausstellungsraum gab es eine gemeinschaftliche Zigarettenpause von mehreren Skulp-turen. Der kleine Moment der Freiheit und der Ruhe zwischen hektischen Arbeitsphasen.

Besonders präsent in der Ausstellung Mujeres war das Motiv der Putzfrau. Als Skulptur, in Collagen mit Putzmitteln oder in dem majestätischen Tryptichon in der Gruft – die Madonna mit Mopp. Herrero entdeckt die Schönheit in der Würde und der Stärke der Frauen, in ihrer Natürlichkeit. Und hält sie fest.

Cecilia Herrero stammt aus Argentinien, hat dort und in Nicaragua in den 1980ern stu-diert. 1989 gründete sie mit zwei Freunden in Managua eine Kunstwerkstatt für Kinder und Ju-gendliche, die sie bis heute regelmäßig besucht. Im Jahr 2000 kam sie für ein Wandbild-Projekt nach Bielefeld, lernte dort ihren Mann kennen und wurde 2002 Mitglied von Artists Unlimited. Bei den Bielefelder Nachtansichten 2011 konnte ihre Arbeit einem großen Publikum präsen-tiert werden.

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21. Mai – 5. JuniKlasse Friederike Feldmann, Die Barbie von Sevilla

Dem starken Künstlerin-Solo folgte eine energiegeladene Gruppenausstellung der Klasse Frie-derike Feldmann / Kunsthochschule Kassel. Die Barbie von Sevilla wurde von Prof. Friederike Feldmann und dem Künstler Renaud Regnery begleitet und war ein Gemeinschaftsprojekt von etwa 20 Studenten, die während des Ausstellungsaufbaus bei Artists Unlimited wohnten. Das Gastatelier wurde zum großen Matratzenlager und das Fassungsvermögen einiger Küchen wur- de beim morgendlichen Kaffee weit überschritten, bevor es wieder diszipliniert an die Arbeit ging. Und zu tun gab es einiges. In Bielefeld und Umgebung wurden viele Möbel und Acce-soires besorgt, um die Galerie in barocke Räumlichkeiten zu verwandeln, in die die Arbeiten der Studenten integriert wurden. Sogar ein Autowrack wurde mit einem Kran-LKW angeliefert und ergänzte die Ausstellung in der Galerie um einen wummernden Metallhaufen im Innenhof. Bereits im Januar 2011 war die Klasse Friederike Feldmann in der Artists Unlimited Galerie gewesen, um die Räume zu fotografieren, zu messen und Skizzen zu machen – was bei einem Komplett-Umbau der Räume sicher ratsam war. Die Ausstellung in Bielefeld war ein Hoch-schulprojekt mit vorherigem Seminar und einer anschließenden Publikation, die von Artists Unlimited-Mitgliedern vorbereitet und gestaltet wurde.

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In What we’ve got is gold setzte Petra Herbert sich mit ihrer Heimatstadt Pforzheim auseinander. Fragmentarisch reihten sich Por-trät, Interieur, Natur und Architektur aneinan-der und bildeten ein poppiges Gesamtbild der Pforzheimer. Die Protagonisten präsentierten sich, kulissenhaft in Szene gesetzt, wie auf ei-ner Bühne, wirkten in ihrer Selbstdarstellung gleichzeitig karikiert und authentisch. Neben ausgewählten Arbeiten, die Herbert gerahmt

1. – 3. JuliExamina

Kaum hatten die Kasseler Tapeten, Teppiche und Autowracks entfernt, begann in der Gale- rie die Deko-Vorbereitung für unsere große Benefizparty. Der mit dieser Veranstaltung ein- hergehende Alkohol- und Tanzkörper-Geruch war zum Glück wieder neutralisiert, als in den Räumen die Diplomprüfungen stattfanden.

In der Regel werden die Abschlussarbei- ten des Fachbereichs Gestaltung in der FH an der Lampingstraße geprüft und präsentiert. Da im Sommer 2011 so viele Absolventen ihr Studium im Bereich Fotografie und Medien, Grafik und Kommunikationsdesign oder Mode abschlossen, mussten weitere Räume gefunden werden, um die entstandenen Werke würdig und öffentlichkeitswirksam zeigen zu können. Ele Krekeler, Rebecca Butzlaff und Steffen Bunte (alle Mitglieder von Artists Unlimited) überlegten sich, ihre Diplom- und Bachelor-arbeiten in der Galerie und einer zufällig leer-stehenden Wohnung im Haus zu zeigen. Das Interesse an den „externen“ Ausstellungsorten stieg bei den Studenten, so dass auch die Ga-lerie van Laak und Bérenger und die galerie 61 bespielt wurden. Sieben Studenten präsen-tierten ihre Arbeit gemeinsam in der Examina-Ausstellung. Ein FH-Shuttle-Bus verband die Galerien mit dem Fachbereich Gestaltung.

In der Artists Unlimited Galerie präsen-tierten Martina Dobrusky, Petra Herbert und Matthias H. Risse ihre Abschlussarbeiten aus dem Bereich Fotografie und Medien. Dobrusky zeigte in der Gruft ihre Videoarbeit innen sein außen, ein schwarz-weiß Loop, der durch eine Rückprojektion auf eine frei schwebende Plat- te geworfen wurde. Ihr Film thematisierte eine Vermengung von Körper und Raum, von Rea-lität und Vorstellungskraft.

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terie und übertrug sie auf neue Werksttoffe, wie etwa Kupfer, Glas und Textil. Ihn interes-siert dabei das neu organisierte Form- und Materialverhältnis – oder, wie er es nennt, „die Gesetzmäßigkeit der Dinge“.

In Rebecca Butzlaffs Raum fand sich der Betrachter zwischen Filmen auf Flatscreens und Projektionen wieder, die im ersten Mo-ment wie Standbilder wirkten. Bei genauerem Hinsehen nahm man minimale Bewegungen innerhalb der Materialien war, bei noch genau-erem Hinsehen dann die Künstlerin selbst. In Florida entstanden zarte, lebende Skulpturen, deren Elemente sowohl Bühne als auch Ver- kleidung waren. Verschiedene Werkstoffe (Tex- tilien, Holz, Kunststoffe, Metall), die im Raum arrangiert und inszeniert wurden, verwandel-ten sich in den Filmen zu dreidimensionalen

zeigte, konnten sich die Galeriebesucher in einem Buch die komplette Reihe ansehen.

Matthias H. Risse beschrieb mit seiner Arbeit Korrelation die Wechselwirkung im Verhältnis zwischen Mensch und Landschaft. Seine großformatigen Pigment-Prints zeigten monumentale Landschaften, die weder zeit- lich noch geografisch einzuordnen waren.

„Möglichkeitsräume, die eine Hoffnung auf ein unerreichbares Ideal und Größe erah-nen lassen. Man fühlt sich an Ansichten der Romantik erinnert, an Nebel, Meere und die Einzelnen. (…) Der Mensch wird zu einem De-tail, hinterlässt nur Spuren in einem idealisier-ten Raum“, so eine Interpretation von Katja Böhme. Risse erhielt für seine Arbeit den Best Portfolio-Preis vom Freundeskreis des Hau-ses der Photographie e.V. (Hamburg).

Collagen – kaum erkennbar gehalten und ge- stützt von Rebecca Butzlaff. „Ich verstecke mich in dem Bild, bin aber doch präsent. Eine Form des Selbstporträts im weitesten Sinne entsteht.“ Ebenso zeigte Butzlaff eine Raum- installation aus den beschriebenen Materialien in der Galerie van Laak und Bérenger, nur ein paar Häuser weiter, wo auch Ele Krekeler ihre Diplomarbeit präsentierte.

Weiter ging es mit der Abschluss-Schau in der Etage über der Galerie: Steffen Bunte und Rebecca Butzlaff hatten die große Fläche untereinander aufgeteilt und präsentierten dort ihre Arbeiten. In Eine Möglichkeit seiner selbst beschäftigte Bunte sich mit Materialbe-schaffenheit und mit Strukturen. In Form von Fotografien und verschiedenen Objekten ar-beitete er unterschiedliche Positionen heraus, löste Strukturen von ihrer ursprünglichen Ma-

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konnten der Hochzeitstag und die besondere Atmosphäre in der Ausstellungs-Präsentation nacherlebt werden.

In der galerie 61 präsentierte Philipp Neumann seine Fotografien. Zum Abschluss seines Studiums begab er sich auf eine neun- wöchige Reise, die ihn von seiner deutschen Heimat auf dem Landweg über Westeuropa nach Nord- und Westafrika führte. Während dieser Zeit entstand seine Arbeit Perdu, zu deren Leitmotiv nächtliche Landschaften im Mondlicht wurden. Die Eindrücke eines rei-senden Fotografen zwischen romantischer Neugier und ungewisser Furcht.

In Kann man den Leviathan küssen? beschäftigte sich Krekeler mit dem Ritual der Hochzeit. Dieses Paar-Ritual übersetzte sie in eine Zeremonie für die Einzelne – indem jede der 40 Bräute sich selbst heiratete. Thema dieser aufwendigen Performance und der da-raus resultierenden Installation in der Galerie war die Begegnung mit sich selbst und das Verhältnis zwischen Individuum und Gruppe. Durch verschiedene Video- und Tonspuren

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19. – 28. AugustAngelika Höger und Lucie Marsmann, zwischen langsam und bunt

Ausgelöst durch Gespräche über Träume und Kindheitserfahrungen, machten sich Angelika Höger und Lucie Marsmann auf die Suche nach einer Visualisierung dieser diffusen Bilder. Da-für experimentierten sie über einen Zeitraum von zehn Monaten immer wieder mit verschie-denen analogen und digitalen Techniken, fan- den bei der Sichtung wieder ganz neue Effekte reizvoll und begaben sich so immer mehr in eine besondere Bildwelt. Glitzern und Blenden, Rauch und Licht, Bewegung und Schichtung – alltägliche Faszinationen, die nicht greifbar sind, wurden mit zwischen langsam und bunt erlebbar gemacht. Direkt auf die unebenen Ga- lerie-Wände oder eine Folie im Raum proje-ziert, bekam jeder Film seinen eigenen Platz. In der Gruft schien Rauch aus der Decke zu kommen – zum Glück ebenfalls nur eine Pro-jektion. Abgesehen von dieser Schreckensse-kunde hatten alle Arbeiten einen eher medi-tativen Charakter, bei dem man beinah das Rahmenprogramm im Innenhof vergaß. Dabei ging das Erleben dort mit allen Sinnen weiter.

Über den lauen Sommerabend verteilt gab es im Innenhof verschiedene Performan-ces und Musikdarbietungen – dazu selbstge-

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machten Johannisbeersirup, Holunderblüten- sekt und Popcorn. Aus unserem Galeriebüro krochen Töne nach außen, die live aus den ge- zeigten Videos bearbeitet wurden. Eine Frau im roten Kleid spielte im Fahrstuhl auf einer 70er-Jahre-Heimorgel, eine Andere sang aus dem Küchenfenster der zweiten Etage me-lancholische Melodien. Begleitet von einem Cellisten im nächsten Küchenfenster. Sägen, Gießkannen und Christbaumkugeln wurden zu Instrumenten und der Bauzaun, der auf sei-nen Einsatz bei der Filmhaus-Party wartete, wurde zur Bühne für den Butoh-Tanz einer mit Hosenträgern und Strumpfhose bekleide-ten Dame.

Angelika Höger begann 1998 ihr Studi-um der Visuellen Kommunikation am Fach-bereich Gestaltung der FH Bielefeld, wo sie zur Zeit den Masterstudiengang besucht. Sie wurde 1966 in Freiburg im Breisgau geboren und lebt seit 2009 bei Artists Unlimited.

Lucie Marsmann ist seit 2006 Mitglied von Artists Unlimited. Sie studierte bis 2010 Fotografie und Medien am Fachbereich Ge-staltung der FH Bielefeld und wurde 1982 in Wuppertal geboren.

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19. – 28. AugustRiccardo Beretta, I don’t want to live a life of episodes and fragments

Zeitgleich zur Finissage unserer Gruppenaus-stellung in Berlin eröffneten wir in unserer Galerie I don’t want to live a life of episodes and fragments, die Abschluss-Ausstellung unseres italienischen Gastkünstlers Riccardo Beretta. Bereits Anfang Juli hatte er zum Open Studio in sein Atelier eingeladen und eine sei-ner wichtigsten Arbeiten vorgestellt: Birba, ein Cembalo, das in Handarbeit produziert wurde und gleichzeitig Kunstobjekt und Musikinstru-ment ist. Berettas Erläuterungen zu seiner Ar- beitweise und seinen Ideen wurde von einer Musik untermalt, die aus einer anderen Zeit zu kommen schien – ein Student der Universität Bielefeld spielte auf Birba und verlieh dem Arbeitsraum eine merkwürdig barocke Atmos- phäre.

Sicher vermissten einige das Cembalo in Berettas Ausstellung, oder überhaupt die Objekte, mit denen man gerechnet hatte. Statt- dessen präsentierte er Fotografien aus dem Produktionsprozess. Diese funktionierten we- niger als Reportage-Bilder (dafür waren sie zu experimentell aufgenommen) sondern bar-gen eher etwas Surreales, Rätselhaftes. Eine

Empfindung, die Riccardo mit der Zusammen- arbeit mit den Handwerksspezialisten verbin-det: Er sieht sie als Zauberer.

Riccardo Beretta wurde 1982 in Mari- ano Comense geboren und stellte seine Arbei- ten u.a. in Mailand, Venedig, New York und London aus. 2011 nahm er an der Prager Biennale 5 teil und hatte eine Einzelausstel-lung im TÄT Berlin.

Wir haben ihm nach seiner Zeit bei uns einige Fragen gestellt. Das Interview finden Sie auf Seite 46.

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2. – 18. SeptemberPaul Hoss, Pinsel kaputt

Von einer Reihe abwechslungsreicher Skizzenbücher wurden die Besucher der farbintensiven Ausstellung Pinsel kaputt empfangen. In seinen Arbeiten näherte sich Paul Hoss mit den ana-chronistischen Mitteln der Malerei und Druckgrafik dem Menschen im Multimediazeitalter. Hoss interessiert die zwischenmenschliche Interaktion und die „Bühne Lebensraum“, auf der diese Interaktion stattfindet. Er lotet dabei immer wieder aufs Neue die Grenzen zwischen Figuration und Abstraktion aus. Die Menschen in seinen Bildern verschmelzen miteinander, sie stoßen sich, erstarrt, voneinander ab und rücken das Verbindende und das Trennende in den Fokus. Der Raum weist reale Bezüge auf und ist doch fiktiv, physikalisch und virtuell zugleich.

Obwohl die Bildwelt von Paul Hoss in der Galerie einen visuellen Überfluss schuf, wollte sie nicht mit der heutigen Bilderflut konkurrieren. Sie wirkte eher wie eine Rückübersetzung ohne Anspruch auf Aussage, ohne Antwort. Trotz der Wiedererkennbarkeit verschiedener Bild- elemente, verwehrten sich die Arbeiten einer eindeutigen Auslegung. Vielmehr waren sie eine Aufforderung, ein kräftig kolorierter Denkanstoß.

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7. – 16. OktoberSusan Junge, papieren

Am 7. Oktober 2011 fand das zweite Bielefelder Galerie-Hopping Artur! statt, das ein Jahr zu-vor von Artists Unlimited zum 25-jährigen Jubiläum initiiert worden war. Der Erfolg in 2010 bestärkte die sechs Galerien darin, wieder gemeinsame Sache zu machen und an einem Abend zeitgleich ihre Ausstellungen zu eröffnen bzw. zu präsentieren. Bis Mitternacht konnten in der Galerie Baal, Galerie GUM, Galerie van Laak und Bérenger, galerie 61, im Kunstraum Rampe und in der Artists Unlimited Galerie ganz unterschiedliche Arbeiten entdeckt werden.

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Bei Artists Unlimited gab es reichlich Würstchen, Kuchen und Lampignons. Zu sehen. Susan Junge nahm die Besucher ihrer Ausstellung papieren mit in ihre Kindheitserinnerungen, in den Wohnwagen der Großeltern und zu Grillparties. Ihre Objekte, ihre malerischen Arbeiten und die spielerischen Zeichnungen, die zum Großteil ungerahmt an den Wänden hingen, ver-band das Material Papier. Für Susan Junge ist dieses Material die Grundlage für das Entwickeln und Festhalten von Formen, Mustern und Dingen, die ihre Sichtweisen widerspiegeln.

Zitat Susan Junge: „Auf Papier, mit Kohle etwas hinein gekratzt oder Acryl wässrig drauf. Das Papier erträgt alles. Auf der Suche nach neuen Bildlösungen finden sich Formen und Farbe, Wiederholungen und die daraus entstehenden Abweichungen. Es gibt keine Unterscheidung zwischen Wesentlichem und Nebensächlichem. Alles ist erlaubt.”

Susan Junge wurde 1981 in Magdeburg geboren und studierte bis 2008 an der FH Biele-feld mit dem Schwerpunkt Freie Grafik bei Prof. Jochen Geilen. Zur Zeit studiert sie Bildende Kunst in der Klasse von Prof. Friederike Feldmann an der Kunsthochschule Kassel.

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„Viola Friedrich braucht die Auseinan-dersetzung mit dem Material. Mit den zarten Blüten, die berührt werden müssen, um ihren Platz zu finden. Sie mag den Geruch und die Haptik von Metall- und Elektronikgegenstän- den, aus denen die Räume des „Instituts“ auf- gebaut sind und sie schätzt es, bestimmte Stimmungen des natürlichen Tageslichts für ihre Aufnahmen nutzen zu können“, erklärte Matthias Albrecht in seiner Eröffnungsrede.

Auch den Betrachter forderte sie auf, aktiv zu werden, indem sie die Geschichten, die in den Bildern erzählt wurden, nicht vor-weg nahm. Was im Einzelnen geschehen sein mochte oder noch geschehen sollte, überließ sie der Vorstellungskraft der Besucher.

Viola Friedrich hat an der FH Bielefeld Fotodesign studiert und ihr Diplomstudium im Jahr 2002 bei Prof. Karl Martin Holzhäuser abgeschlossen.

28. Oktober – 6. NovemberViola Friedrich, Moonrakers – Heartbreakers

Vom Papieren ging es zum Fotografieren und Inszenieren. In ihrer Ausstellung Moonrakers – Heartbreakers thematisierte Viola Friedrich mit fotografischen Mitteln Situationen erfüll- ter wie auch unerfüllter Sehnsucht. Ihre Bilder zeigten intime Porträts unbekannter Schönheiten inmitten einer märchenhaften Natur oder Liebesdramen in einem geheimen Laboratorium. Neu komponierte Urlaubsauf-nahmen schickten ihre Großeltern auf eine spektakuläre Urlaubsreise. Aber wie wird neu komponiert?

Die abgebildeten Menschen in Viola Friedrichs Arbeiten stammen aus gefundenen Fotografien. Aus diesen ausgeschnitten wer-den sie zu ihren Akteuren, die in den selbstge-bauten Szenarien platziert werden. Pflanzen, Mineralien und Technikschrott – ebenfalls ge-fundene Dinge – werden zum Bühnenbild für Science Fiction und gebrochene Herzen. Eine dieser Aufbauten wurde in der Gruft gezeigt, um den Produktiosprozess und die Größe der

„Bühnen“ zu veranschaulichen. Aber ist diese analoge Bildkomposition heute nicht überholt und durch Programme wie Photoshop wesent-lich einfacher zu realisieren?

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11. – 27. NovemberMarion Denis, Determination

Wie unterschiedlich ein Medium wie Fotografie genutzt werden kann und wie absolut gegen-sätzlich die Ergebnisse sein können, zeigte die anschließende Ausstellung Determination mit den Arbeiten von Marion Denis. Nur eine Woche später war alles Romantische, Blumige in der Galerie einem sehr nüchternen fotografischen Blick gewichen.

Beim Betrachten der Serie double blind rätselte man über die Beweggründe, warum genau diese Gegenstände und Räumlichkeiten als Bildmotiv gewählt und in das Zentrum der Aufmerksamkeit gestellt wurden. Die Irritation verstärkte sich, als offenbar wurde, dass nicht Marion Denis den Auslöser betätigt hat, nicht einmal vor Ort war, sondern die Bilder von der Leiterin eines humangenetischen Labors aufgenommen wurden. Die monochromen Fotografien dokumentieren nur einen Teilaspekt von Marion Denis Fragestellung zur Erkennung und Fest-legung des biologischen Geschlechts. Mit künstlerischen Mitteln untersucht sie den Ursprung von Wissen im biologisch-medizinischen Bereich. Wie werden wissenschaftliche Tatsachen her- gestellt? Womit nehmen Forschende wahr? Wie produzieren sie Bilder, Ordnungssysteme und Normierungen? Und mit welcher Wirkung?

Marion Denis wurde 1973 in Aachen geboren. Schon während ihres Fotografie-Studi-ums an der FH Bielefeld, das sie 2009 bei Prof. Katharina Bosse und Prof. Axel Grünewald mit der Diplomarbeit Index abschloss, waren diese Themen relevant. Ein Projektstipendium der Kunststiftung NRW ermöglichte ihr ein Jahr später eine noch intensivere Auseinandersetzung mit der vielschichtigen Thematik. Die Ausstellung Determination dokumentierte diese Prozesse.

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Lars: Riccardo, when you arrived in Bielefeld, you brought your work Birba with you and it seemed that it is a very important work for you. You told us that it took about two years to finish the piece. Would you say that this cem-balo is your most significant work so far?

L: You exhibited Birba in numerous cities in Germany and Italy. In every exhibition another person played on the instrument. Can you de-scribe your experiences or your feelings du-ring these „performances“? Did the audience react differently in Bielefeld than in Berlin or in Milan? Did you notice any peculiarities, bound to the places?

R: That is a good question! Travelling with Birba, one of my aims was to test several au-diences and musicians. Everytime I was exci-ted because I didn’t know what could happen. The first time I’ve shown Birba publicly was in Berlin during the Gallery Weekend, so a lot of people were around to see exhibitions and du-ring the opening people came to play and see the show. It was interesting to see how peo-ple reacted – either in the role of players or viewers. On the other hand, I wanted to lose control of the situation a little bit. I was scared and curious. I enjoyed to see how Birba’s face changes, due to the environment and music produced by it.

L: When you exhibited in Bielefeld, it was the first time that you have shown photographs as a part of your creative workflow. If possible, please tell me what role the images play in your creative process before and after Birba.

R: I’ve started to work in the field of photo-graphy early, when I was still a student in the Academy. I always considered pictures impor-tant, because even if you just make sculptures or whatever, you know that most of the peop-le could have just the opportunity to see your works through images. The live experience is a privilege. With that said, I consider the pic-tures of my works as part of my work process.However, the ten pictures that I showed in

Interview R. Beretta / L. Rosenbohm

Riccardo: Birba puts together different as-pects that I’ve wanted to study in deep. It’s an artwork conceived and built expressively in-side a very small area in the North of Milan. This place is named Brianza and, historically, it’s where a big slice of Italian design was born. In Brianza I could find several materials from all over the world (e.g. natural and dyed ve-neers) and it’s crowded with excellent crafts-men. My approach for this work was „local“. On the other hand, Birba is an artwork made to travel. Its vocation is to meet musicians ab-road. I consider this work important even if I decided to show something new for my final exhibition.

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Artists Unlimited Gallery are a series, they have a title, a size and they are objects. They are not pictures that I did for documentation.For me they are a new piece, a new way to ex-tend my own world and to formulate a story.

L: I know that it was difficult for some of the visitors of your exhibition in our gallery to be greeted with only ten framed photographs. The people – mainly photographers – argued about your work and its quality. It looked un-professional in some people‘s eyes. What can you say about this?

R: I don’t know what’s professional or not. I think it’s important to be flexible in this regard. I’ve tried to catch the atmosphere of the work in progress behind my sculptures. I think they closely resemble my feelings that I experi-enced during the workshop.

R. Beretta / L. Rosenbohm

These photographs are wrong and burnt. They are a meeting point: Me and the crafts-man. I watch and follow their actions, but the-re is still something missing.I had the urge to put a focus on this relation-ship. Was it visible in the sculptures before? Maybe not.

L: What did you do since you returned from your stay at Artists Unlimited? What are your plans for the future?

R: My latest work is titled Museum arazzetti. It’s composed of several small embroidered velvet tapestries. On each one you read a name of an Italian artist. This work was commis- sioned by an Italian collector for an exhibition in Verona. I’m planning to do something simi-lar with American artist names for an exhibi-tion at Marianne Boesky Gallery in New York next year. At the moment I’m also working for a solo project that will be presented in Galle-ria Zero in Milan next Spring.

Interview

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13. – 22. JanuarBudke, Falckenhayn, Marsmann, Wolff

17. – 26. FebruarSatomi Edo

2. – 18. MärzPaulo Ahumada Rovai und Dto. 6

20. – 29. AprilLucie Marsmann

28. AprilNachtansichten

4. – 13. MaiMatthias Arndt und Klaus Seelig

18. – 27. MaiSusan Feind und Martin Gensheimer

4. – 15. JuniKlasse Geilen

23. Juni Benefizparty

29. Juni – 8. JuliAntoine Lefebvre

7. – 16. SeptemberAnja Schaffner

21. – 30. SeptemberFranz Reimer

Anfang OktoberArtur!

2. – 11. NovemberSteve Bishop

16. – 25. NovemberUschi Jung

7. – 9. DezemberWeihnArt

Veranstaltungskalender 2012

Herausgeber: Artists Unlimited e.V.Gestaltung und Redaktion: Jenna Gesse, Lars Rosenbohm, Tim SürkenSchrift: Fortescue Pro, Colophon FoundryDruck: Küster Pressedruck, Bielefeld

Alle Bild- und Textrechte bei den Autoren.

Artists Unlimited e.V.August-Bebel-Straße 9433602 BielefeldGermany

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