auswirkungen von garantien auf inflationsbereinigte ... - ifa
TRANSCRIPT
Auswirkungen von Garantien auf
inflationsbereinigte Chancen und Risiken
langfristiger Sparprozesse
Stefan Graf, Alexander Kling und Jochen Ruß
März 2021
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
© März 2021 Seite 2 | 57
Autoren
Dr. Stefan Graf (Aktuar DAV)
Stefan Graf ist Senior Consultant bei der Gesellschaft für Finanz- und Aktuarwissenschaften mbH, Dozent der
Deutschen Aktuarakademie (DAA) und der European Actuarial Academy (EAA) und Mitglied der Arbeitsgruppe
Verbraucherschutz der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV).
PD Dr. Alexander Kling (Aktuar DAV)
Alexander Kling ist Partner der Gesellschaft für Finanz- und Aktuarwissenschaften mbH, Lehrbeauftragter der
Universität Ulm und der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie Dozent der Deutschen Aktuarvereini-
gung (DAV).
apl. Prof. Dr. Jochen Ruß
Jochen Ruß ist Geschäftsführer der Gesellschaft für Finanz- und Aktuarwissenschaften mbH, apl. Prof. für
Aktuarwissenschaften am Institut für Versicherungswissenschaften der Universität Ulm, Lehrbeauftragter an
der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie der TU München und Beirat des Munich Risk and Insurance
Center.
Gesellschaft für Finanz- und Aktuarwissenschaften mbH
Lise-Meitner-Str. 14
89081 Ulm
Sitz und Registergericht Ulm, HRB 3014 | USt-IdNr. DE161390148
Geschäftsführer: apl. Prof. Dr. Jochen Ruß, Dr. Andreas Seyboth
Vorsitzender des Kuratoriums: apl. Prof. Dr. Hans-Joachim Zwiesler
http://www.ifa-ulm.de
Auftraggeber
Wir bedanken uns bei der Union Investment Privatfonds GmbH, in deren Auftrag wir die vorliegende Studie
erstellen konnten.
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Aktuarwissenschaften mbH keine Gewähr.
Informationsstand: März 2021
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
© März 2021 Seite 3 | 57
Inhalt
1 Executive Summary ....................................................................................... 4
2 Motivation und Beschreibung der Fragestellung ................................................... 8
2.1 Aktuelle Rahmenbedingungen für Garantien in der Altersvorsorge ................. 8
2.2 Anstehende Veränderungen gesetzlicher und regulatorischer
Rahmenbedingungen ............................................................................ 10
2.3 Fragestellung dieser Studie und Relevanz der Ergebnisse ............................ 12
2.4 Aufbau dieser Studie ............................................................................. 13
3 Qualitative Diskussion der Chancen und Risiken von Altersvorsorgeprodukten mit
unterschiedlichen Garantiehöhen ..................................................................... 14
3.1 Zusammenhang zwischen Garantiehöhe und Renditepotenzial ...................... 14
3.2 Zusammenhang zwischen Garantiehöhe und Risiko: die Rolle der Inflation ..... 17
3.3 Exkurs: Illustration der Zusammenhänge an einem einfachen Beispiel ........... 21
4 Quantitative Analyse der Chancen und Risiken von Altersvorsorgeprodukten mit
unterschiedlichen Garantiehöhen ..................................................................... 23
4.1 Grundidee des verwendeten Kapitalmarktmodells ...................................... 23
4.2 Erläuterung der betrachteten Produkte ..................................................... 24
4.3 Analyse der Chancen und Risiken auf Basis nominaler und realer Renditen ..... 27
5 Sensitivitätsanalysen ..................................................................................... 37
5.1 Laufzeit des Vertrags ............................................................................ 37
5.1.1 Laufzeit 20 Jahre ...................................................................... 37
5.1.2 Laufzeit 40 Jahre ...................................................................... 40
5.2 Höheres Zinsniveau .............................................................................. 43
6 Fazit und Bedeutung für die Praxis ................................................................... 47
Literatur ........................................................................................................... 50
Anhang ............................................................................................................ 52
A Modellierung ................................................................................................ 52
A.I Kapitalmarktmodell und abgeleitete Anlageklassen ..................................... 52
A.II Verwendete Parameter .......................................................................... 54
B Kostenparameter der betrachteten Produkte...................................................... 57
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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1 Executive Summary
Für die meisten Verbraucher ist eine kapitalgedeckte
Altersvorsorge erforderlich, um den Lebensstandard im Alter
zu erhalten. Wie die entsprechenden Produkte allerdings in
Bezug auf Chancen und Risiken der Kapitalanlage
ausgestaltet sein sollten, ist nicht offensichtlich.
Die meisten
Verbraucher brauchen
eine kapitalgedeckte
Altersvorsorge.
Der Wunsch nach Sicherheit ist tief in der menschlichen Natur
verankert. Garantieprodukte spielen daher in der
Altersvorsorge in Deutschland eine wichtige Rolle. Produkte,
bei denen man mindestens die eingezahlten Beiträge
zurückbekommt, entsprechen dem natürlichen Wunsch vieler
Verbraucher. Im aktuellen Zinsumfeld sind Garantien von
100% der Beiträge allerdings kaum noch sinnvoll darstellbar.
Eine Garantie der
eingezahlten Beiträge
entspricht dem Wunsch
vieler Verbraucher, ist
aber im aktuellen
Umfeld kaum
darstellbar.
Bei Riesterprodukten und in der Beitragszusage mit
Mindestleistung im Rahmen der betrieblichen
Altersversorgung sind Garantien gesetzlich vorgeschrieben,
die derzeit kein Renditepotenzial zulassen, welches für einen
langfristigen Sparprozess angemessen ist.
Hohe Garantien, wie
z.B. bei der Riester-
rente, lassen derzeit
kein angemessenes
Renditepotenzial zu.
Wir diskutieren in dieser Studie zunächst qualitativ die
Auswirkungen von Garantien auf Chancen und Risiken von
langfristigen Sparprozessen. Gemeinhin bekannt ist die
Tatsache, dass eine Erhöhung der Garantie stets das
Renditepotenzial reduziert und dass dieser Effekt bei
niedrigen Zinsen besonders stark ausgeprägt ist.
Eine Erhöhung von
Garantien reduziert
stets das
Renditepotenzial.
Auch wird üblicherweise angenommen, dass hohe Garantien
stets mehr Sicherheit bieten als geringe Garantien. Eine reine
Betrachtung der Euro-Werte der Leistungen bestätigt das
auch. Dies lässt aber außer Acht, dass Garantien von
Finanzprodukten in aller Regel nominal (also in Euro)
ausgesprochen werden, wogegen für Verbraucher die
Chancen und Risiken in Bezug auf die Kaufkraft der Leistung
(also reale bzw. inflationsbereinigte Chancen und Risiken)
relevant sind.
Für Verbraucher sind
Chancen und Risiken in
Bezug auf die Kaufkraft
der Leistung relevant.
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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Für die Wirkung von Garantien auf inflationsbereinigte
Chancen und Risiken ist ein grundlegender Zusammenhang
wichtig: Die Gesamtrendite von Aktien über einen langen
Zeitraum weist eine positive Korrelation mit der Inflation über
denselben Zeitraum auf. Bei der Wirkung von Garantien (in
Euro) auf das relevante Risiko (in Bezug auf die Kaufkraft)
gibt es daher zwei gegenläufige Effekte: Hohe Garantien
reduzieren das Risiko, das aus Schwankungen der
Aktienmärkte resultiert, erhöhen aber im Gegenzug das
Risiko, das aus der Inflation resultiert. Eine rein nominale
Betrachtung berücksichtigt nur den ersten, ignoriert aber den
zweiten Effekt.
Über einen langen
Zeitraum gibt es eine
positive Korrelation
zwischen Aktien und
Inflation. Hohe
Garantien reduzieren
somit zwar das
Schwankungsrisiko,
erhöhen aber das
Inflationsrisiko.
Die risikoreduzierende Wirkung von Garantien fällt
inflationsbereinigt deshalb geringer aus als bei einer rein
nominalen Betrachtung und kann in manchen Fällen sogar
ausbleiben. Sicherheit und Garantie ist daher nicht dasselbe.
Sicherheit und Garantie
ist nicht dasselbe.
Um die erläuterten Effekte quantitativ zu analysieren,
betrachten wir drei marktübliche Altersvorsorgeprodukte (ein
versicherungsförmiges statisches Hybridprodukt, ein
versicherungsförmiges dynamisches Hybridprodukt sowie ein
rein fondsbasiertes I-CPPI-Produkt) mit laufender
Beitragszahlung – zunächst für eine Laufzeit von 30 Jahren.
Wir analysieren diese Produkte in einem Kapitalmarktmodell
mit stochastischen Aktien, Zinsen und Inflation.
Wir führen quantitative
Analysen für drei
marktübliche
Altersvorsorgeprodukte
durch.
Im aktuellen Zinsumfeld sind hierbei Garantien von mehr als
90% der Beiträge nicht mehr sinnvoll darstellbar. Werden die
Produkte mit dieser Garantie ausgestattet, so ist die
inflationsbereinigte mittlere Rendite eher gering. Ausgehend
von diesem Garantieniveau erhöht ein Absenken der Garantie
die mittlere Rendite und die Chance aller betrachteten
Produkte in signifikantem Umfang. Dies gilt nominal und real
ungefähr gleich stark. Bei nominaler Betrachtung führt ein
Absenken der Garantie gleichzeitig auch zu einer relativ
starken Zunahme des Risikos. Bei inflationsbereinigter
Betrachtung steigt das Risiko hingegen in deutlich
geringerem Umfang an. In manchen Fällen wird das Risiko
durch eine Absenkung der Garantie sogar geringer.
Insbesondere steigt in allen Fällen real die Chance stärker als
das Risiko, oft sogar deutlich stärker.
Bei einer hohen
Garantie ist die
inflationsbereinigte
mittlere Rendite gering.
Ein Absenken der
Garantie erhöht die
Chance nominal und
real ungefähr im selben
Umfang. Das Risiko
steigt real hingegen
deutlich weniger als
nominal.
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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Der „Preis“ einer Garantie (also die Reduktion der Chance) ist
somit real ähnlich hoch wie nominal. Der „Nutzen“ der
Garantie (also die resultierende Risikoreduktion) ist hingegen
real deutlich geringer als nominal. Bei einer rein nominalen
Betrachtung wird das Risiko, das aus einer Absenkung von
Garantien resultiert, also überschätzt.
Der „Preis“ einer
Garantie ist real
ähnlich hoch wie
nominal. Der „Nutzen“
ist real deutlich
geringer als nominal.
Betrachtet man die für den Verbraucher relevanten Chancen
und Risiken in Bezug auf die Kaufkraft der Leistung, so führt
im aktuellen Zinsumfeld eine Absenkung von Garantien zu
einer starken Erhöhung von Chancen bei relativ geringer (in
manchen Fällen sogar gar keiner) Zunahme des Risikos. Im
aktuellen Zinsumfeld sind somit Produkte mit abgesenkter
Garantie auch für sicherheitsorientierte Verbraucher
bedarfsgerecht.
Produkte mit
abgesenkter Garantie
sind auch für
sicherheitsorientierte
Verbraucher
bedarfsgerecht.
Bemerkenswert ist hierbei jedoch, dass (ausgehend vom
höchsten betrachteten Garantieniveau) ein Absenken der
Garantie zunächst sehr viel und dann nach und nach immer
weniger zusätzliche reale Renditechancen bewirkt, wogegen
das reale Risiko nach und nach immer stärker zunimmt,
zumindest wenn eine eher hohe Volatilität der Aktienmärkte
unterstellt wird. Bis zu einem Garantieniveau von ca. 70%
der gezahlten Beiträge steigt beim dynamischen
Hybridprodukt und beim I-CPPI-Produkt dabei die reale
Chance deutlich stärker an als das reale Risiko. Bei einer
weiteren Absenkung steigt dann das Risiko ähnlich stark oder
sogar stärker als die Chance. Auch wenn die konkreten
Zahlenwerte von der angenommenen Volatilität und dem
betrachteten Risikomaß abhängen, zeigt dies, dass bei einer
eher hohen Volatilität der Nutzen von wohldosierten Garan-
tien relativ hoch ist. Da man bei langfristigen Sparprozessen
nicht wissen kann, wie hoch die Volatilität während der
Laufzeit sein wird, sollten Garantien für sicherheitsorientierte
Verbraucher demnach nicht zu weit abgesenkt werden.
Garantien sollten aber
für sicherheits-
orientierte Verbraucher
nicht zu weit abgesenkt
werden.
Wenn eine kürzere (bzw. längere) Laufzeit unterstellt wird,
so fallen zwar alle Renditen geringer (bzw. höher) aus. Die
Effekte, die aus einem Absenken der Garantie resultieren,
sind jedoch sehr ähnlich wie bei der ursprünglich
betrachteten Laufzeit. Insbesondere wird auch hier bei einer
rein nominalen Betrachtung das Risiko, das aus einer
Absenkung von Garantien resultiert, überschätzt.
Bei einer Variation der
Laufzeit der
betrachteten Verträge
beobachten wir
dieselben Effekte.
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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Unterstellt man ein höheres Zinsniveau, wie es beispielsweise
Ende des Jahres 2014 vorherrschte, so ergeben sich gänzlich
andere Ergebnisse. Eine Garantie von 100% der Beiträge war
bei diesem Zinsniveau problemlos möglich und erlaubte
dennoch vergleichsweise attraktive Renditen. Insbesondere
hätte damals ein Absenken der Garantie (ausgehend von
100%) die Chancen deutlich weniger und das Risiko deutlich
stärker erhöht als heute (ausgehend von 90%). Daher waren
Produkte mit einer Garantie von 100% im damaligen
Zinsumfeld für sicherheitsorientierte Kunden durchaus
sinnvoll, wogegen heute die Diskussion über niedrigere
Garantieniveaus dringend geführt werden muss.
Unterstellt man ein
höheres Zinsniveau, so
ändern sich die
Ergebnisse stark: Bei
höheren Zinsen waren
höhere Garantien als
heute möglich. Sie
brachten mehr
Sicherheit und kosteten
weniger Rendite als im
heutigen Umfeld.
Insgesamt zeigen unsere Ergebnisse sehr deutlich, dass die
hohe Garantieerfordernis bei Riesterprodukten und in der
bAV im aktuellen Zinsumfeld sehr kritisch zu sehen ist. Bei
einer Diskussion zukünftiger Anforderungen sollte daher
unbedingt berücksichtigt werden, dass ein (moderates)
Absenken der Garantieerfordernis beim aktuellen Zinsniveau
besonders viel Renditepotenzial bewirkt und das
inflationsbereinigte Risiko – wenn überhaupt – nur in
geringem Umfang erhöht. Aber auch bei nicht staatlich
geförderter Altersvorsorge ist eine höhere Akzeptanz von
Produkten mit geringeren Garantien erstrebenswert. Daher
sind unsere Ergebnisse auch für Verbraucher und deren
Finanzberater relevant.
Die hohe Garantie-
erfordernis z.B. bei
Riesterprodukten ist im
aktuellen Umfeld sehr
kritisch zu sehen Aber
auch bei nicht staatlich
geförderter
Altersvorsorge ist eine
höhere Akzeptanz von
Produkten mit
geringeren Garantien
erstrebenswert.
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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2 Motivation und Beschreibung der Fragestellung
2.1 Aktuelle Rahmenbedingungen für Garantien in der Alters-
vorsorge
Es besteht weitgehend Einigkeit, dass die meisten Verbraucher eine kapitalgedeckte
Altersvorsorge betreiben müssen, um den gewünschten Lebensstandard im Alter finan-
zieren zu können. Der aktuelle Rentenversicherungsbericht des Bundesministeriums für
Arbeit und Soziales1 betont in diesem Zusammenhang zwar einerseits, dass die gesetz-
liche Rente weiterhin die zentrale Säule der Altersvorsorge bleiben wird, sagt aber an-
dererseits auch sehr deutlich, dass „für die Versicherten Handlungsbedarf besteht, die
Einkommen im Alter zu verbessern“. Nur so ist ein Erhalt des Lebensstandards möglich.
Wie die langfristigen Sparprozesse in Altersvorsorgeprodukten jedoch ausgestaltet wer-
den sollten – insbesondere in Bezug auf Chancen und Risiken der Kapitalanlage – ist
deutlich weniger offensichtlich. Hier muss derzeit im Spannungsfeld der folgenden Rah-
menbedingungen für jeden Verbraucher eine individuelle Lösung gefunden werden.
Wunsch der Verbraucher nach Garantien: Der Wunsch nach Garantien ist in der
Natur des Menschen tief verankert. Hierauf gehen wir in Abschnitt 3.1 genauer ein.
„Kosten“ von Garantien: Der oft gehörte Satz „Garantien kosten Geld“ beschreibt
die Tatsache, dass Garantien nicht nur Risiken begrenzen, sondern „als Nebenwir-
kung“ das Renditepotenzial eines Sparprozesses bzw. eines Altersvorsorgeprodukts
reduzieren. Diese und die nächsten beiden Rahmenbedingungen erläutern wir in
Kapitel 3 qualitativ. Die quantitativen Auswirkungen werden jeweils in Kapitel 4
untersucht.
Einfluss des Zinsniveaus: Je niedriger die Zinsen sind, desto geringer ist einerseits
die „maximal mögliche“ Garantie, die in Altersvorsorgeprodukte überhaupt inte-
griert werden kann, und desto stärker ist der renditemindernde Effekt einer be-
stimmten Garantiehöhe. Mit anderen Worten: Garantien kosten besonders viel
Geld, wenn die Zinsen niedrig sind.
Einfluss der Inflation: Für den Verbraucher ist die Leistung, die ein Altersvorsorge-
produkt in Euro erbringt, weniger relevant als die Kaufkraft, die diese Leistung dann
(inflationsbereinigt) aufweisen wird. In der Diskussion nahezu aller Aspekte der Al-
tersvorsorge wird die Inflation als relevantes Risiko allerdings bisher entweder gar
nicht oder nur in Form einer deterministischen, erwarteten Inflation berücksichtigt.2
Die Unsicherheit der zukünftigen Inflation wird hingegen meist ausgeblendet. Ein
1 Vgl. https://www.bmas.de/DE/Soziales/Rente-und-Altersvorsorge/rentenversicherungsbericht-art.html,
abgerufen am 6.2.2021.
2 Eine der wenigen Ausnahmen findet sich in Graf et al. (2014).
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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zentrales neues Argument, welches wir mit dieser Studie in die aktuelle Diskussion
zur Ausgestaltung langfristiger Sparprozesse einbringen, besteht darin, dass Ga-
rantien auf die inflationsbereinigten Chancen und Risiken eines Altersvorsorgepro-
dukts anders wirken können als auf die nominalen Chancen und Risiken, also die
Chancen und Risiken, die sich bei einer reinen Betrachtung der Eurowerte der Leis-
tung ergeben.
Gesetzliche und regulatorische Rahmenbedingungen: Der Höchstrechnungszins für
die Lebensversicherung, welcher faktisch eine Obergrenze für den Garantiezins dar-
stellt, beträgt derzeit 0,9%. Die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) empfiehlt ab
Januar 2022 eine Senkung dieses Höchstrechnungszinses auf 0,25% (siehe Ab-
schnitt 2.2).3 Die Aufsichtsbehörde BaFin hat darüber hinaus in den vergangenen
Monaten mehrfach betont, dass eine Anwendung des aktuellen Höchstrechnungs-
zinses als Garantiezins ohne weitere Begründung nicht mehr akzeptabel ist.4 Gleich-
zeitig sind jedoch bei Riesterprodukten sowie im Rahmen der Beitragszusage mit
Mindestleistung (BZML) in der betrieblichen Altersversorgung (bAV) nach wie vor
hohe Garantien für das Ende der Ansparphase gesetzlich vorgeschrieben, welche
mit diesem Höchstrechnungszins (bzw. bei nicht versicherungsförmigen Produkten
mit den derzeit vorherrschenden Kapitalmarktzinsen) kaum noch dargestellt wer-
den können.
Diese Rahmenbedingungen zeigen bereits deutlich, wie schwierig es derzeit in vielen
Fällen sein kann, vom Verbraucher gewünschte oder vom Gesetzgeber geforderte Ga-
rantien mit einem langfristig attraktiven Renditepotenzial zu kombinieren.
In naher Zukunft stehen relevante Änderungen gesetzlicher und regulatorischer Rah-
menbedingungen an, auf welche wir im folgenden Abschnitt etwas genauer eingehen.
Die Analysen in dieser Studie – insbesondere die Analysen zur Wirkung von Garantien
auf inflationsbereinigte Chancen und Risiken – sollen unter anderem einen Beitrag zur
Diskussion leisten, wie diese Änderungen sinnvoll ausgestalten werden können.
3 Vgl. DAV (2020b).
4 Vgl. hierzu beispielswese den Vortrag von Frank Grund (Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensions-
fondsaufsicht der BaFin) beim Strategiemeeting Lebensversicherung am 20. Oktober 2020 in Düsseldorf.
Hier sagte er wörtlich: „Gegenwärtig setzen wir darauf, dass die Risikomanagementprozesse dafür sorgen,
dass die Unternehmen keine zu hohen Garantien aussprechen. […] Der Verantwortliche Aktuar muss sich
intensiv mit den Sicherheiten in der Rechnungsgrundlage „Zins“ beschäftigen und wir erwarten, dass er
dabei auch den Rechnungszins im Neugeschäft analysiert. […] Auch die versicherungsmathematische
Funktion muss sich dem Vorstand gegenüber zum Preis-/Leistungsverhältnis der Produkte äußern. Beide
sollten die künftig in der Neu- und Wiederanlage zu erwartenden Kapitalerträge berücksichtigen und nicht
nur auf den jeweils geltenden Höchstrechnungszins verweisen, von dem ich übrigens nicht weiß, ob und
wann ihn der Verordnungsgeber senken wird.“ Der vollständige Vortrag findet sich unter
https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Reden/re_201020_Strategiemeeting_Lebens-
versicherung_EDVA.html, abgerufen am 6.2.2021.
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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2.2 Anstehende Veränderungen gesetzlicher und regulatori-
scher Rahmenbedingungen
Absenkung des Höchstrechnungszinses in der Lebensversicherung
Der Höchstrechnungszins in der Lebensversicherung wird – abhängig vom vorherr-
schenden Marktzinsniveau – regelmäßig vom Bundesministerium für Finanzen durch
eine Änderung der Deckungsrückstellungsverordnung angepasst. In der Vergangenheit
folgte das BMF hierbei meist einer entsprechenden Empfehlung der Deutschen Aktuar-
vereinigung (DAV). Bereits im Dezember 2019 hatte die DAV eine Senkung des Höchst-
rechnungszinses in der Lebensversicherung zum 1.1.2021 auf 0,5% empfohlen.5 Da
bisher noch keine Absenkung erfolgte, empfahl die DAV im Dezember 2020 in Anbe-
tracht der im Jahr 2020 weiter gesunkenen Zinsen eine Senkung auf 0,25% zum
1.1.2022.6 Vor diesem Hintergrund wäre zum 1.1.2022 eine relativ starke Absenkung
des Höchstrechnungszinses zu erwarten. Selbst wenn keine Absenkung erfolgen sollte,
ist aufgrund der oben geschilderten Aussagen der BaFin davon auszugehen, dass ein
großer Teil der Lebensversicherer im Neugeschäft Garantiezinsen unterhalb des aktuell
gültigen Höchstrechnungszinses von 0,9% verwenden wird. Lebensversicherungspro-
dukte mit garantiertem Beitragserhalt könnten dann faktisch nicht mehr angeboten wer-
den. Einige Anbieter bieten bereits jetzt Produkte mit 100% Beitragsgarantie nur noch
dort an, wo diese Garantie gesetzlich gefordert ist. Andere haben sich aufgrund der
Garantieerfordernis aus dem Geschäft mit Riesterprodukten zurückgezogen. Unabhän-
gig von der Höhe des Höchstrechnungszinses in der Lebensversicherung sind im aktu-
ellen Niedrig- bis Negativzinsumfeld Produkte mit garantiertem Beitragserhalt auch öko-
nomisch nicht mehr risikolos darstellbar. Dies betrifft insbesondere Produkte, die Ga-
rantien direkt am Kapitalmarkt ohne Verwendung eines klassischen Sicherungsvermö-
gens erzeugen, wie beispielsweise das Angebot aus der Fonds- oder Bankenbranche.
Reform der Riesterrente
Im Koalitionsvertrag zur 19. Legislaturperiode7 ist das Ziel einer zügigen Entwicklung
eines attraktiven standardisierten Riester-Produkts genannt. In diesem Kontext sind na-
turgemäß zahlreiche Fragestellungen relevant, die hier den Rahmen sprengen würden.
5 Vgl. Pressemitteilung der DAV unter https://aktuar.de/politik-und-presse/pressemeldungen/Pressemittei-
lungen/2019-12-10_PM_HRZ-Empfehlung2021_final.pdf, abgerufen am 30.12.2020.
6 Vgl. Pressemitteilung der DAV unter https://aktuar.de/politik-und-presse/pressemeldungen/Pressemittei-
lungen/2020_12_02_Empfehlung_HRZ_final.pdf, abgerufen am 30.12.2020.
7 Vgl. Seite 93 in https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975226/847984/5b8bc23590d4cb2892-
b31c987ad672b7/2018-03-14-koalitionsvertrag-data.pdf?download=1, abgerufen am 30.12.2020. Kurz
vor Fertigstellung dieser Studie berichtete die Bildzeitung und danach zahlreiche andere Medien, dass die
Regierung in der aktuellen Legislaturperiode die Reform der Riesterrente nicht mehr anzugehen plant (vgl.
https://www.bild.de/politik/inland/politik/riester-rente-regierung-stoppt-geplante-reform-
75063992.bild.html, abgerufen am 6.2.2021). Die im weiteren Verlauf dieser Studie diskutierten Aspekte
bleiben unabhängig davon relevant, welche Regierung in welcher Legislaturperiode das Thema angehen
wird.
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Ein wichtiger Aspekt ist jedoch die Frage, wie künftig Garantien bei Riester-Produkten
ausgestaltet sein sollen. Aufgrund der in Abschnitt 2.1 geschilderten Rahmenbedingun-
gen verwundert es nicht, dass derzeit vermehrt gefordert wird, die Anforderung der
vollständigen Beitragsgarantie zu reformieren. So plädiert die DAV in der bereits zitier-
ten Pressemitteilung8 dafür, „zusammen mit der Absenkung des Höchstrechnungszinses
auch den vollständigen Beitragserhalt bei der Riesterrente […] zu reformieren und die
Garantien abzusenken“. Auch der Bundesverband Investment und Asset Management
e.V. (BVI) fordert in seiner „Position zum Standard-Riester-Produkt“9 eine „Flexibilisie-
rung der Beitragsgarantie“ und führt aus: „Die 100%-Garantiezusage erschwert eine
uneingeschränkte Partizipation an den Chancen des Kapitalmarktes für Anleger, die dies
wünschen. Es ist daher erforderlich, Garantieelemente im Einvernehmen mit dem Kun-
den seinen Bedürfnissen entsprechend gestalten zu können […]. Alternativ zur Brutto-
beitragsgarantie sollten auch anteilige Beitragserhaltungszusagen (bspw. 70%-Garan-
tie) […] ermöglicht werden. So kann jeder Kunde […] die für ihn richtige Balance zwi-
schen Sicherheit und Renditechance wählen.“ Auch Verbraucherschützer, die Alternati-
ven zur Riesterrente vorschlagen, plädieren teilweise für Varianten ohne Garantie. So
sagt beispielsweise die Verbraucherzentrale Bundesverband über ihr Konzept der
„Extrarente“: „Die Extrarente enthält keine Garantie, dass das eingezahlte Kapital zu
Rentenbeginn mindestens zur Verfügung steht. Verbraucher erhalten bei der Extrarente
stattdessen die Kapitalmarktrenditen, die mit der Anlage erzielt werden. Dabei werden
anfangs durch einen hohen Aktienanteil bewusst hohe Risiken eingegangen.“10 Auch ein
Vertreter der BaFin betonte in einem Interview im Dezember 2020 (wenngleich nicht
explizit im Kontext der Riesterreform), dass es inzwischen „sehr, sehr schwierig“ sei,
eine Beitragsgarantie zu gewährleisten. Er führte weiter aus: „Kunden sind per se nicht
schlechter dran, wenn es weniger Garantie gibt und die Versicherer dadurch mehr Frei-
heit bei der Anlage am Kapitalmarkt haben. Das kann die Chance auf höhere Renditen
eröffnen.“11
Handlungsbedarf bei der bAV
Die im Kontext der Riesterreform diskutierten Nachteile einer (im derzeitigen Zinsumfeld
sehr hohen) Garantie von 100% der eingezahlten Beiträge sind natürlich auch bei der
Beitragszusage mit Mindestleistung in der bAV relevant. Daher stellt sich die Frage, ob
– spätestens im Zuge der Absenkung des Höchstrechnungszinses – auch hier die Ga-
rantieerfordernis flexibilisiert werden sollte. Hier werden von Marktteilnehmern im
8 Vgl. https://aktuar.de/politik-und-presse/pressemeldungen/Pressemitteilungen/2020_12_02_Empfeh-
lung_HRZ_final.pdf, abgerufen am 30.12.2020.
9 Vgl. https://www.bvi.de/fileadmin/user_upload/Regulierung/Positionen/Altersvorsorge/2019-09-09_BVI-
Position_Standard-Riester-Produkt.pdf, abgerufen am 30.12.2020.
10 Vgl. https://www.vzbv.de/pressemitteilung/vzbv-stellt-extrarente-vor, abgerufen am 30.12.2020.
11 Vgl. https://www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/versichern-und-schuetzen/lebensversiche-
rung-bafin-erwartet-broeckelnde-garantien-17121355.html, abgerufen am 30.12.2020.
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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Prinzip identische Argumente angeführt wie im Kontext der Riesterreform, sodass wir
nur exemplarisch die Forderung des Instituts der Versicherungsmathematischen Sach-
verständigen für Altersversorgung (IVS) und der DAV zitieren: „Für die Zukunft steht es
nach Überzeugung des IVS und der DAV außer Frage, dass sowohl für staatlich geför-
derte Produkte wie die Riester-Rente als auch für die vergleichbare Beitragszusage mit
Mindestleistung (BZML) in der bAV-Welt ein neues Garantieniveau unterhalb des bishe-
rigen Beitragserhalts definiert werden sollte.“12
2.3 Fragestellung dieser Studie und Relevanz der Ergebnisse
Vor dem Hintergrund der geschilderten Rahmenbedingungen und insbesondere der an-
stehenden Veränderungen ist die Frage von großer Bedeutung, in welchem Umfang Ga-
rantien in langfristigen Sparprozessen sinnvoll sind. In dieser Studie analysieren wir
daher, wie bei Produkten, die in der Altersvorsorge in Deutschland oft zur Anwendung
kommen, Garantien unterschiedlicher Höhe die Chancen und Risiken aus Verbraucher-
sicht beeinflussen. Wir legen hierbei ein besonderes Augenmerk auf inflationsbereinigte
Werte, also auf „reale“ Chancen und Risiken (in der Dimension „Kaufkraft der Leistung“)
und nicht nur auf „nominale“ Chancen und Risiken (in der Dimension „Eurobetrag der
Leistung“).
Wir analysieren hierzu drei verschiedene Arten von Altersvorsorgeprodukten: zwei
fondsgebundene Lebensversicherungsprodukte und ein reines Fondsprodukt, jeweils mit
unterschiedlicher Garantiehöhe. Hierbei verwenden wir verschiedene Chance- und Risi-
komaße und untersuchen, wie sich nominale und reale Chancen und Risiken ändern,
wenn die Höhe der Garantie variiert wird.
Der zentrale Beitrag dieser Studie zur bisher existierenden Literatur ist die Analyse der
unterschiedlichen Wirkung von Garantien auf reale im Vergleich zu nominalen Risiken.
Hierbei berücksichtigen wir das oft ignorierte Risiko, dass die während der Vertragslauf-
zeit vorherrschende Inflation aus heutiger Sicht unbekannt ist. Während höhere Garan-
tien nominal typischerweise zu einer Risikoreduktion aus Kundensicht führen, gilt dies
inflationsbereinigt nicht mehr notwendigerweise bzw. nicht im selben Umfang. Der Ef-
fekt, dass eine Erhöhung der Garantie real zu einer geringeren Risikoreduktion führt als
bei nominaler Betrachtungsweise ist bei niedrigen Zinsen besonders stark ausgeprägt.
Eine Erhöhung der Garantie kann im Extremfall sogar zu einer Erhöhung des realen
Risikos führen. Eine zentrale Erkenntnis unserer Analysen ist daher, dass im aktuellen
Umfeld Produkte mit (im Vergleich zur derzeit bei der Riesterrente geforderten Garantie)
abgesenkter Garantiehöhe auch für sicherheitsorientierte Verbraucher bedarfsgerecht
sein können. Dies sollte einerseits bei den aktuellen Diskussionen zur Riesterreform und
zur Frage, ob die derzeitige Garantieerfordernis im Rahmen der BZML noch zeitgemäß
12
Vgl. Aktuar Aktuell (2020): Weniger ist mehr: neue Garantiekonzepte für die betriebliche Altersversor-
gung; Ausgabe 51, September 2020, 14-15.
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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ist, berücksichtigt werden. Andererseits sind die Erkenntnisse auch für die Altersvor-
sorge und Ruhestandsplanung generell relevant und richten sich daher auch an Ver-
braucher sowie deren Finanzberater.
2.4 Aufbau dieser Studie
Diese Studie ist im weiteren Verlauf wie folgt gegliedert: In Kapitel 3 führen wir zunächst
eine qualitative Diskussion des Zusammenhangs aus Garantiehöhe, Renditepotenzial
und Risikoreduktion und betrachten dabei insbesondere die Rolle der Inflation. In den
Kapiteln 4 und 5 stellen wir dann die zentralen Ergebnisse unserer quantitativen Analy-
sen dar. Hier betrachten wir die Chancen und Risiken unterschiedlicher Altersvorsorge-
produkte unter Berücksichtigung verschiedener Garantiehöhen und arbeiten die rele-
vanten Unterschiede zwischen nominaler und inflationsbereinigter Betrachtungsweise
heraus. Wir schließen mit einem Fazit und einer Einordung unserer Ergebnisse für die
Praxis in Kapitel 6.
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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3 Qualitative Diskussion der Chancen und Risiken von
Altersvorsorgeprodukten mit unterschiedlichen Ga-
rantiehöhen
3.1 Zusammenhang zwischen Garantiehöhe und Renditepo-
tenzial
Der Wunsch nach Garantien liegt in der Natur des Menschen
Der Wunsch nach Sicherheit ist tief in der menschlichen Natur verankert. Bei finanziellen
Entscheidungen äußert sich dies durch die sogenannte Verlustaversion, welche in der
Verhaltensökonomie umfassend erforscht wurde.13 Vereinfacht gesagt bedeutet Verlust-
aversion, dass bei Entscheidungen mögliche Verluste höher bewertet werden als mögli-
che Gewinne.14 Die Verlustaversion zeigt sich schon an einfachen Beispielen: Werden
einer Person 100 € weggenommen, die man ihr zuvor geschenkt hat, so ist sie üblicher-
weise unglücklicher als vor dem Geschenk, obwohl sie immer noch genauso viel Geld
besitzt wie zuvor. Bei finanziellen Entscheidungen führt Verlustaversion zu einer Präfe-
renz für Produkte, die mindestens die eingezahlten Beiträge garantieren und zu einer
geringen Akzeptanz von Produkten, bei denen ein Verlust grundsätzlich möglich ist.
Bemerkenswert ist dabei, dass unser Unterbewusstsein die Wahrscheinlichkeit, mit der
ein Verlust eintreten kann, nur sehr schlecht verarbeiten kann: Ob ein Verlust mit einer
Wahrscheinlichkeit von 0,1%, 1% oder 10% auftreten kann, spielt für die intuitive Be-
urteilung eines Finanzprodukts nur eine untergeordnete Rolle.15 Dies bedeutet aber
auch, dass Menschen, die sich auf ihre Intuition bzw. das Unterbewusstsein verlassen,
nur eine „harte“ Garantie als wirklich sicher wahrnehmen. Dies führt dazu, dass bei
Finanzprodukten die Begriffe „Sicherheit“ und „Garantie“ (fälschlicherweise) oft syno-
nym verwendet werden.
Auch der Gesetzgeber hat in der Vergangenheit sehr starke Signale gesendet, dass hohe
Garantien – insbesondere in der Altersvorsorge – wünschenswert sind. So ist die staat-
liche Förderung bei Riesterprodukten sowie der Steuervorteil in manchen Segmenten
der bAV an das Vorhandensein von Garantien mindestens in Höhe der eingezahlten Bei-
träge geknüpft. Es konnte daher der Eindruck entstehen, dass der Staat Produkte, bei
13
Vgl. Kahneman und Tversky (1984).
14 Empirische und experimentelle Untersuchungen zeigen, dass der „Schmerz“ über einen Verlust typischer-
weise etwa doppelt so stark wahrgenommen wird wie die „Freude“ über einen Gewinn in gleicher Höhe.
Die Ergebnisse der meisten Arbeiten kommen auf „Verlustaversionsraten“ zwischen 1,5 und 2,5 (vgl. z.B.
Tversky und Kahneman, 1992).
15 Dies liegt an einer verzerrten Wahrnehmung von Wahrscheinlichkeiten. Der Unterschied zwischen 0% und
1% Wahrscheinlichkeit (bzw. zwischen 100% und 99%) wird viel größer wahrgenommen als er tatsächlich
ist. Vgl. Allais, M. (1953) für ein Experiment, das belegt, dass Menschen zwar „sicher“ und „unmöglich“
sehr gut verstehen, die Wahrscheinlichkeiten dazwischen aber „verzerrt“ wahrnehmen.
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denen auch nur die Möglichkeit eines (nominalen) Verlusts besteht, als ungeeignet für
die Altersvorsorge einstuft.16
Aber auch Produktanbieter haben in der Vergangenheit ihre Produkte mit langfristigen
Sparprozessen oft über die Höhe der Garantie beworben und so den Fokus der Kunden
auf die garantierte Leistung gelenkt.
Diese Punkte sind sicher nicht vollständig, belegen aber bereits, dass im Kontext von
langfristigen Sparprozessen ein Wunsch nach Garantien mindestens in Höhe der einge-
zahlten Beiträge in der Natur des Menschen verankert ist, und dass dieser Wunsch in
der Vergangenheit durch Produktanbieter und den Gesetzgeber noch verstärkt wurde.
Warum beeinflusst eine Garantie das Renditepotenzial?
Die Finanzbranche hat in der Vergangenheit auf den Wunsch von Verbrauchern nach
Garantien mit dem Angebot von Produkten mit entsprechenden Garantien reagiert. Im
aktuell sehr niedrigen Zinsniveau ist dies allerdings – sofern überhaupt noch möglich –
mit unter Umständen starken Nachteilen für die Verbraucher verbunden. Die Ursachen
hierfür werden im weiteren Verlauf dieser Studie erläutert. Intuitiv kann man das bereits
verstehen, wenn man betrachtet, wie Garantien „konstruiert“ werden. Die folgende Dar-
stellung ist stark vereinfacht, vermittelt aber die wichtigsten Zusammenhänge.17
Ein Anbieter von Finanzprodukten muss Garantien, die er seinen Kunden gegenüber
ausgesprochen hat, geeignet absichern. Diesen Absicherungen liegt im Wesentlichen
stets eines der folgenden Grundprinzipien (oder eine Kombination von beiden) zu-
grunde: Entweder man investiert umso mehr in sichere Kapitalanlagen und somit umso
weniger in chancenreiche Kapitalanlagen, je höher die Garantie ist, oder man erwirbt
geeignete Absicherungsinstrumente, die den fehlenden Betrag erstatten, wenn die Ka-
pitalanlage, die man für seine Kunden tätigt, die Garantie nicht erwirtschaftet. Der Preis
solcher Absicherungsinstrumente ist umso höher, je höher die Garantie ist. In beiden
Fällen ist es somit offensichtlich, dass das Renditepotenzial eines Finanzprodukts mit
Garantie umso niedriger ist, je höher die Garantie ist. Eine Erhöhung der Garantie re-
duziert also stets das Renditepotenzial.
Man kann aus diesen Grundprinzipien ebenfalls bereits ableiten, dass keine beliebig ho-
hen Garantien angeboten werden können. Wenn die Garantie so hoch ist, dass aus-
schließlich in sichere Kapitalanlagen (bzw. ausschließlich in Absicherungsinstrumente)
investiert werden kann, dann ist eine weitere Erhöhung der Garantie nicht mehr mög-
lich. Es gibt also eine maximal mögliche Garantie. Darüber hinaus ist ein signifikantes
16
Allerdings ist anzumerken, dass in jüngerer Vergangenheit hiervon abgewichen wurde. So ist bei der staat-
lich geförderten Basisrente (Rüruprente) keine Kapitalgarantie am Ende der Ansparphase erforderlich und
bei der in jüngster Vergangenheit eingeführten reinen Beitragszusage in der bAV eine Garantie sogar
unzulässig.
17 Wir verwenden hier insbesondere die Begriffe „sichere Kapitalanlage“, „chancenreiche Kapitalanlage“ und
„Absicherungsinstrumente“ in einem intuitiven Sinne, da eine formal korrekte Darstellung und vollständige
Erläuterung für diesen Zweck den Rahmen sprengen würde.
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Chancenpotenzial nur dann möglich, wenn die tatsächliche Garantie signifikant unter
der maximal möglichen Garantie liegt.
Wir werden in den quantitativen Analysen in Kapitel 4 sehen, dass bei manchen in der
Praxis häufig vorkommenden Garantieprodukten eine Erhöhung der Garantie um einen
gewissen Betrag nicht immer gleich viel Renditepotenzial kostet (bzw. eine Absenkung
der Garantie nicht immer gleich viel zusätzliches Renditepotenzial bringt). Wenn die
Garantie signifikant unterhalb der maximal möglichen Garantie liegt, führt eine Verän-
derung der Garantie bei solchen Produkten nur zu einer relativ geringen Veränderung
des Renditepotenzials. Liegt eine Garantie allerdings in der Nähe der maximal möglichen
Garantie, so ist die Auswirkung größer. Insbesondere führt eine Reduktion der Garantie
dann zu einer starken Erhöhung des Renditepotenzials.
Warum ist das Thema aktuell besonders relevant?
Für unsere weiteren Überlegungen ist von hoher Relevanz, wie hoch die maximal mög-
liche Garantie ist und wie diese zustande kommt. Auch hier ist das Grundprinzip recht
einfach: Die maximal mögliche garantierte Leistung ergibt sich vereinfacht dargestellt
aus den Beiträgen des Kunden abzüglich aller Kosten, verzinst mit einem „sicheren
Zins“. Dieser sichere Zins ist bei Produkten eines Lebensversicherers ein vom Versiche-
rer festgelegter Garantiezins, der in aller Regel höchstens so hoch ist wie der Höchst-
rechnungszins bei Vertragsabschluss. Bei Produkten, welche die Garantie direkt am Ka-
pitalmarkt erzeugen, handelt sich um einen geeigneten laufzeitkongruenten Marktzins.
Hieraus folgt unmittelbar, dass die maximal mögliche Garantie nur dann mindestens so
hoch sein kann wie die eingezahlten Beiträge, wenn der sichere Zins mindestens so hoch
ist wie die Renditereduktion, die sich aus allen Kosten des Produkts ergibt. Bei einem
Marktzinsniveau um 0% und einem Höchstrechnungszins von derzeit noch 0,9% und
möglicherweise bald nur noch 0,25% (vgl. Abschnitt 2.2), ist darüber hinaus selbst mit
kostengünstigen Produkten eine Garantie der einbezahlten Beiträge entweder nicht
möglich oder eine solche Garantie lässt kein Renditepotenzial zu, welches für einen
langfristigen Sparprozess angemessen ist.
Darüber hinaus kostet dieselbe Garantie umso mehr Renditepotenzial, je niedriger die
Zinsen sind. Als Zinsen hoch waren, waren Garantien weit über 100% der eingezahlten
Beiträge möglich. Eine Garantie von 90% oder 100% der Beiträge lag somit deutlich
unterhalb der maximal möglichen Garantie und war somit „preiswert“; sie hat also wenig
Renditepotenzial gekostet. In Zeiten niedriger Zinsen sind Garantien in dieser Höhe hin-
gegen sehr „teuer“ – sie führen zu einer sehr starken Renditereduktion. Hohe Garantien
sind aktuell also eine stärkere „Renditebremse“ als jemals zuvor. Daher ist es wichtig,
dass gerade jetzt diskutiert wird, ob die hohen gesetzlich geforderten Garantien noch
zeitgemäß sind.
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Bedeutung von Garantien
Trotz der geschilderten nachteiligen Auswirkungen von Garantien auf das Renditepoten-
zial möchten wir betonen, dass unsere Ausführungen keinesfalls als generelles Plädoyer
gegen Garantien verstanden werden sollen. Beispielsweise können wohldosierte Garan-
tien die Akzeptanz von Altersvorsorgeprodukten erhöhen und so dazu beitragen, dass
mehr Menschen überhaupt für das Alter vorsorgen. Garantien können auch dazu beitra-
gen, dass (irrationales) Storno nach starken Kursrückgängen vermieden wird.
Fazit
Der Wunsch nach Sicherheit ist tief in der menschlichen Natur verankert. Sicherheit wird
hierbei oft fälschlicherweise mit Garantie gleichgesetzt.
Eine Erhöhung der Garantie reduziert stets das Renditepotenzial. Dieser Effekt ist bei
niedrigen Zinsen besonders stark ausgeprägt. Insbesondere ist im aktuellen Zinsumfeld
eine Garantie von 100% der gezahlten Beiträge sehr teuer bis unmöglich. Produkte mit
sehr hohen Garantien lassen kein Renditepotenzial zu, welches für einen langfristigen
Sparprozess angemessen ist.
Die bei Riesterprodukten und in der Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) gefor-
derten Garantien verursachen also im derzeitigen Zinsumfeld große Nachteile für Ver-
braucher. Aber auch bei nicht staatlich geförderter Altersvorsorge ist vor diesem Hin-
tergrund eine höhere Akzeptanz von Produkten mit geringeren Garantien erstrebens-
wert.
Garantien in angemessener Höhe können aber dennoch sinnvoll sein. Was eine ange-
messene Höhe ist, hängt insbesondere auch vom vorherrschenden Zinsniveau ab.
3.2 Zusammenhang zwischen Garantiehöhe und Risiko: die
Rolle der Inflation
In diesem Abschnitt erweitern wir den Blick vom bisher dargestellten Zusammenhang
zwischen Garantien und Renditepotenzial um zwei weitere Aspekte: die Auswirkungen
von Garantien auf das Risiko und die Rolle der Inflation. Während allgemein bekannt
ist, dass Garantien grundsätzlich eine risikoreduzierende Wirkung haben, werden wir
herleiten, dass diese risikoreduzierende Wirkung unter Berücksichtigung der Inflation
geringer ausfällt als bei einer rein nominalen Betrachtung (also ohne Berücksichtigung
der Inflation). In manchen Fällen können Garantien das inflationsbereinigte Risiko sogar
erhöhen. Die entsprechenden Zusammenhänge sind für unsere weiteren Ausführungen
zentral und stellen das bedeutendste neue Argument dar, das wir mit dieser Studie in
die aktuelle Diskussion zum Thema einbringen.
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Warum sind für Verbraucher inflationsbereinigte Chancen und Risiken relevant?
Garantien von Finanzprodukten werden in aller Regel nominal (also in Euro) ausgespro-
chen. Relevant für den Verbraucher ist allerdings weniger die „Stückzahl“ von Euros, die
er am Ende eines Sparprozesses (einmalig oder als lebenslange Rente) ausbezahlt be-
kommt, sondern die Kaufkraft dieser Leistung.18 Daher sind für Verbraucher die Chancen
und Risiken von Finanzprodukten in Bezug auf die Kaufkraft relevant. Ein Finanzprodukt
ist also dann „sicherer“ als ein anderes, wenn es geringere Risiken in der Dimension
„Kaufkraft der Leistung“ aufweist.
Für die Frage, welche Garantien sinnvoll sind, muss daher unseres Erachtens zwingend
analysiert werden, wie eine Garantie (in Euro) die Chancen und Risiken in Bezug auf die
Kaufkraft beeinflusst. Es ist nicht ohne quantitative Analysen klar, ob die oftmals als
selbstverständlich betrachtete Aussage, dass eine Erhöhung der Garantie zwar Rendite-
potenzial kostet, dafür aber die Sicherheit erhöht, auch dann noch gilt, wenn Garantien
in Euro ausgesprochen werden, Sicherheit aber inflationsbereinigt gemessen wird. Ins-
besondere muss untersucht werden, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine
höhere Garantie in Euro überhaupt Sicherheit im obigen Sinne erzeugt (also Risiken in
Bezug auf die Kaufkraft reduziert).
In diesem Kontext ist ein grundlegender Zusammenhang zwischen Aktienrendite (bzw.
Realwerten allgemein) und Inflation von entscheidender Bedeutung, den wir im Folgen-
den erläutern.
Grundlegender Zusammenhang zwischen Aktienperformance und Inflation
Sowohl Aktienkurse als auch die Höhe der Inflation ändern sich laufend. Kurzfristig gibt
es zwischen der Veränderung der Inflation und der Schwankung von Aktienkursen kaum
einen systematischen Zusammenhang. Die Gesamtrendite von Aktien über einen langen
Zeitraum weist hingegen eine positive Korrelation mit der Inflation über denselben Zeit-
raum auf. Wenn also über einen langen Zeitraum eine eher hohe Inflation vorherrscht,
dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich in diesem Zeitraum Aktien überdurch-
schnittlich gut entwickeln und umgekehrt. Dieser Zusammenhang gilt natürlich nicht
nur für Aktien, sondern auch für andere Assetklassen mit „Realwertbezug“.
Dies kann man sich zunächst stark vereinfacht wie folgt vorstellen: Nach 30 Jahren mit
hoher Inflation kostet eine Butterbrezel vielleicht 15 €. Nach 30 Jahren mit niedriger
Inflation hingegen nur 2 €. Das Verhältnis zwischen dem Wert einer börsennotierten
Bäckerei und dem Preis einer Brezel sollte aber in beiden Szenarien etwa gleich sein
(sofern die Bäckerei in beiden Fällen ähnlich gut gemanagt wird). Dasselbe gilt für das
18
Reale Garantien (also Garantien in der Dimension Kaufkraft) sind bei Altersvorsorgeprodukten faktisch
nicht anzutreffen. Produkte mit garantiertem Inflationsausgleich sind aktuell gegen laufende Beiträge im
Prinzip unmöglich und gegen Einmalbeitrag schwierig und nicht zu jedem Zeitpunkt darstellbar, vgl. Graf
et al. (2014).
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Verhältnis zwischen dem Preis einer Rasierklinge und dem Aktienkurs des Herstellers,
etc.
Dieser Zusammenhang wurde auch wissenschaftlich analysiert. Frühe Analysen fokus-
sierten auf kurzfristige Zusammenhänge zwischen Aktienrenditen und Inflation und fan-
den sogar eine negative Korrelation.19 Die erste uns bekannte hochkarätig publizierte
Arbeit, die den langfristigen Zusammenhang zwischen Aktienrenditen und Inflation un-
tersucht, stammt von Boudoukh und Richardson (1993). Anhand von Daten aus Groß-
britannien und den USA weisen sie eine positive Korrelation über lange Zeiträume
nach.20 Auch Lothian und McCarthy (2001) kommen auf Basis einer Analyse von Aktien-
und Inflationszeitreihen aus 14 entwickelten Ländern zu dem Schluss, dass über lange
Zeiträume Aktieninvestments einen Inflationsschutz bieten.21 Weitere Arbeiten haben
diesen Zusammenhang bestätigt, exemplarisch nennen wir Rapach (2002) mit der Aus-
sage, dass der Wert eines Aktieninvestments langfristig nicht durch Inflation aufgezehrt
wird.22
Was bedeutet dies für das Risiko bzw. die Sicherheit von Garantieprodukten?
Wie bereits in Abschnitt 3.1 erläutert, führt bei Garantieprodukten eine höhere Garantie
dazu, dass ein geringerer Teil des Geldes chancenreich angelegt werden kann. Hohe
Garantien gehen also mit einem geringeren Anteil chancenreicher Kapitalanlagen einher
und umgekehrt. Hieraus kann man nun bereits qualitativ ableiten, wie Garantien in Euro
das Risiko in Bezug auf die Kaufkraft beeinflussen. Dabei sind zwei gegenläufige Effekte
relevant:
Garantieeffekt 1: Das Risiko, das aus (zufälligen) Wertschwankungen chancen-
reicher Anlagen (z.B. Aktien) resultiert, wird höher, wenn die Garantie gesenkt und
somit der Anteil chancenreicher Kapitalanlagen erhöht wird.
Garantieeffekt 2: Das Risiko, dass die Wertentwicklung die Inflation nicht ausglei-
chen kann, wird – wegen der gerade erläuterten Korrelation – geringer, wenn die
Garantie gesenkt und der Anteil chancenreicher Kapitalanlagen erhöht wird.
Hohe Garantien reduzieren also das Risiko, das aus Schwankungen der Aktienmärkte
resultiert, erhöhen aber das Risiko, das aus der Inflation resultiert. Die Frage, welcher
19
Dies wurde in der Literatur oft als „Puzzle“ betrachtet, da es insbesondere der Fisher-Hypothese (vgl.
Fisher, 1896) widerspricht.
20 Das sehr deutliche Fazit lautet: „In conjunction with (i) the evidence across subperiods, (ii) the consistency
in results using both ex ante and ex post inflation, and (iii) the similarities using different sets of instru-
ments, this paper provides strong support for a positive relation between nominal stock returns and infla-
tion over long horizons”.
21 Die Autoren stellen insbesondere fest, dass frühere Arbeiten, die einen solchen Zusammenhang nicht ge-
funden haben, zu kurze Zeiträume betrachtet haben. „The puzzle therefore is not that equities fail the test
as inflation hedges, as had been quite widely believed, but that they take so long to pass.”
22 „Overall, our results indicate that inflation does not erode the long-run real value of stocks.“
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Effekt in welchen Fällen überwiegt, kann nur mit quantitativen Analysen beantwortet
werden.
Eine Vernachlässigung der Unsicherheit der Inflation, wie es bei Analysen von Chance-
Risiko-Profilen in der Altersvorsorge üblich ist, berücksichtigt naturgemäß ausschließlich
den Garantieffekt 1 und ignoriert Garantieeffekt 2.23 Daher führt bei einer nominalen
Betrachtung eine höhere Garantie zu weniger Risiko, also zu mehr Sicherheit. Berück-
sichtigt man allerdings die Unsicherheit der zukünftigen Inflation, so ist Sicherheit in der
Dimension Kaufkraft und Garantie in der Dimension Euro nicht mehr dasselbe. Bei einer
Analyse der Wirkungsweise von Garantien sollte man daher nicht ausschließlich nomi-
nale Chance-Risiko-Profile betrachten.
Folgende Aussagen können aus diesen qualitativen Überlegungen abgeleitet werden:
Höhere Garantien reduzieren auch bei inflationsbereinigter Betrachtung das Rendi-
tepotenzial.
Unter welchen Voraussetzungen eine Erhöhung der Garantie das Risiko in Bezug
auf die Kaufkraft der Leistung überhaupt reduziert und in welchem Umfang dies
dann geschieht, ist hingegen nicht unmittelbar klar. Deshalb stellen wir hierzu
quantitative Analysen in Kapitel 4 an.
Fazit
Garantien von Finanzprodukten werden in aller Regel nominal ausgesprochen, während
für den Verbraucher insbesondere die Kaufkraft der Leistung des jeweiligen Produkts
relevant ist. Bei der Beurteilung der Wirkungsweise von Garantien sollten daher inflati-
onsbereinigte Chancen und Risiken von Finanzprodukten – also die Chancen und Risiken
in Bezug auf die Kaufkraft der Leistung – betrachtet werden.
Die Gesamtrendite von Aktien über einen langen Zeitraum weist eine positive Korrela-
tion mit der Inflation über denselben Zeitraum auf. Bei der Wirkung von Garantien in
Euro auf das Risiko in Bezug auf die Kaufkraft gibt es daher zwei gegenläufige Effekte:
Hohe Garantien reduzieren das Risiko, das aus Schwankungen der Aktienmärkte resul-
tiert, erhöhen aber im Gegenzug das Risiko, das aus der Inflation resultiert.
Garantien haben somit zwar grundsätzlich eine risikoreduzierende Wirkung. Diese risi-
koreduzierende Wirkung fällt inflationsbereinigt allerdings geringer aus als bei einer rein
nominalen Betrachtung (und kann in manchen Fällen sogar ausbleiben). Sicherheit und
Garantie ist daher nicht dasselbe.
23
Dies gilt für alle uns bekannten Methoden zur Analyse von Chancen und Risiken von Altersvorsorgepro-
dukte, insbesondere auch bei der Ermittlung von Risiko-Klassen von Versicherungsanlageprodukten in den
sogenannten PRIIP-KIDs, bei der Ermittlung von Chance-Risiko-Klassen für staatlich geförderte Altersvor-
sorgeverträge in Deutschland sowie für alle uns bekannten Modelle, die von verschiedenen Analysehäusern
bei Produktvergleichen eingesetzt werden.
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3.3 Exkurs: Illustration der Zusammenhänge an einem einfa-
chen Beispiel
Bevor wir in Kapitel 4 typische Altersvorsorgeprodukte betrachten, erläutern wir nun die
oben dargestellten Zusammenhänge kurz an einem einfachen Beispiel. Wir betrachten
hierzu zwei Geldanlagen, die oft als Synonym für sicher bzw. riskant gelten: Im ersten
Fall wird das Geld sprichwörtlich „unters Kopfkissen gelegt“. Der nominale Betrag bleibt
also erhalten; es kommt nominal weder zu einer Verzinsung noch zu einem Wertverlust.
Im zweiten Fall betrachten wir die Wertentwicklung des Aktienmarkts.
Wir haben diese beiden Anlagemöglichkeiten für einen Anleger, der 30 Jahre lang jeden
Monat 100 € investiert, analysiert und dabei das stochastische Modell aus Kapitel 4
verwendet, welches der Leser für dieses einfache Beispiel noch nicht im Detail kennen
muss. Wir betrachten für beide Anlagemöglichkeiten als Renditemaß die mittlere Rendite
p.a. (in der Tabelle als „Mean“ bezeichnet) sowie als Risikomaß die Rendite p.a. in einem
schlechten Szenario („Bad“) misst.24 Die entsprechenden Werte sind sowohl auf nomi-
naler Basis als auch auf realer Basis in Tabelle 1 dargestellt.
nominale Renditen reale Renditen
Anlage Kopfkissen Aktienmarkt Kopfkissen Aktienmarkt
Mean 0,00% 6,68% -1,54% 4,46%
Bad 0,00% -1,68% -3,81% -3,09%
Tabelle 1 Nominale und reale Renditen (p.a.) beim Vergleich der Geldanlage „Kopfkissen“
mit einer Investition in den Aktienmarkt
Wir sehen im linken Teil von Tabelle 1, dass bei einer Betrachtung nominaler Renditen
das Kopfkissen wie erwartet keinerlei Unsicherheit aufweist. Sowohl die mittlere Rendite
als auch die Rendite im schlechten Szenario betragen 0%. Die Aktie ist hingegen mit
Unsicherheit behaftet: Die mittlere Rendite beträgt zwar attraktive 6,68%, im schlech-
ten Szenario tritt aber ein Verlust auf. Die Rendite beträgt hier -1,68%. Betrachtet man
die realen (d.h. inflationsbereinigten) Renditen im rechten Teil der Tabelle, so fallen
mehrere Dinge auf: Einerseits liegen die inflationsbereinigten mittleren Renditen nun
auf einem geringeren Niveau (-1,54% für das Kopfkissen und 4,46% für das Aktienin-
vestment). Dies überrascht nicht, da die erwartete Inflation in unseren Analysen positiv
ist. Das Kopfkissen weist bei inflationsbereinigter Betrachtung aber nicht nur in Bezug
auf die mittlere Rendite einen Verlust auf. Es ist nun zusätzlich noch mit einer signifi-
kanten Unsicherheit behaftet: Die Rendite im schlechten Szenario beträgt -3,81% und
24
Dieselben Kennzahlen werden auch in Kapitel 4 verwendet und dort genauer erläutert. Die konkrete Aus-
gestaltung des Rendite- und Risikomaßes ist für das Verständnis dieses einfachen Beispiels aber nicht
relevant.
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weicht von der mittleren Rendite um 2,27% nach unten ab. Dies verdeutlicht, dass no-
minale Garantie nicht gleichbedeutend mit Sicherheit ist. Bei einem Vergleich der realen
Chancen und Risiken der beiden Produkte fällt außerdem auf, dass die Rendite des Kopf-
kissens im schlechten Szenario nun sogar geringer ist als die Rendite des Aktieninvest-
ments im schlechten Szenario (-3,09%). Das Kopfkissen weist inflationsbereinigt in die-
sem Beispiel also ein höheres Risiko als ein Aktieninvestment auf. Ebenfalls auffällig ist,
dass die „Unsicherheit“, worunter wir hier die Abweichung der Rendite im schlechten
Szenario von der mittleren Rendite verstehen, beim Kopfkissen real größer ist als no-
minal (2,27% vs. 0%), wogegen sie beim Aktieninvestment real geringer ist als nominal
(7,54% vs. 8,36%). Die vermeintlich sichere Kapitalanlage ist also bei realer Betrach-
tung weniger sicher als bei nominaler Betrachtung. Die riskante Kapitalanlage ist hin-
gegen bei realer Betrachtung weniger riskant als bei nominaler Betrachtung.
Abbildung 1 verdeutlicht dies, indem für die beiden Anlagemöglichkeiten eine größere
Auswahl an Chancen- und Risikokennzahlen visualisiert wird. Auch diese Kennzahlen
werden in Kapitel 4 genauer erläutert. Man kann sich hier intuitiv die Rendite in einem
sehr guten Szenario (Very Good Case, obere Kante der Säule), in einem guten Szenario
(Good Case, obere Grenze zwischen dunklem und hellem Bereich), im mittleren Szena-
rio (Mean, roter Balken), in einem schlechten Szenario (Bad Case, untere Grenze zwi-
schen dunklem und hellem Bereich) und in einem sehr schlechten Szenario (Very Bad
Case, untere Kante der Säule) vorstellen.
Abbildung 1 Nominale und reale Renditen (p.a.) beim Vergleich der Geldanlage „Kopfkissen“
mit einer Investition in den Aktienmarkt
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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4 Quantitative Analyse der Chancen und Risiken von
Altersvorsorgeprodukten mit unterschiedlichen Ga-
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4.1 Grundidee des verwendeten Kapitalmarktmodells
Alle folgenden Analysen wurden mittels eines Kapitalmarktmodells durchgeführt, wel-
ches auf dem Modell basiert, das von der Produktinformationsstelle Altersvorsorge (PIA)
zur Chance-Risiko-Klassifizierung von geförderten Altersvorsorgeprodukten verwendet
wird (vgl. Korn und Wagner, 2018). Dieses Modell, welches Aktien und Zinsen stochas-
tisch modelliert, wurde von uns um einen Baustein zur stochastischen Modellierung der
Inflation erweitert. Hierbei wurde durch einen „kaskadenartigen“ Modellaufbau sicher-
gestellt, dass das Modell die in Abschnitt 3.2 erläuterte positive Korrelation zwischen
der Gesamtrendite von Aktien über einen langen Zeitraum und der Inflation über den-
selben Zeitraum aufweist.
Als Basis des Modells werden in der ersten Kaskade zwei stochastische Prozesse model-
liert: Die Inflation wird über ein sogenanntes Vasiçek-Modell (vgl. Vasiçek, 1977) be-
schrieben und der Realzins über dasjenige Modell mit zwei stochastischen Treibern (so-
genanntes G2++-Modell), mit dem im PIA-Modell die Nominalzinsen modelliert wer-
den.25 In der zweiten Kaskade wird der Nominalzins als Summe aus Realzins und Infla-
tion bestimmt. In der dritten Kaskade wird dann (wie im PIA-Modell) die erwartete Ak-
tienrendite als Summe aus Nominalzins und der Risikoprämie von Aktien festgelegt und
die Zufallsschwankung der Aktien über ein verallgemeinertes Black-Scholes-Modell (vgl.
Black und Scholes, 1973) modelliert. Weitere Details zum Modell und eine Übersicht der
verwendeten Parameter finden sich in Anhang A.
Im weiteren Verlauf betrachten wir Ergebnisse unter verschiedenen Parametrisierungen
des Modells. Um den Einfluss der Aktienvolatilität auf die Ergebnisse herauszuarbeiten,
betrachten wir zwei verschiedene Niveaus der Aktienvolatilität, eine eher geringe sowie
eine eher hohe Volatilität. Neben einem Zinsniveau, das sich am aktuellen Zinsniveau
orientiert, analysieren wir im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse in Abschnitt 5.2 zusätz-
lich ein höheres Zinsniveau. Hiermit können wir analysieren, wie sich die Auswirkungen
von Garantien im aktuellen Zinsniveau von den Auswirkungen unterscheiden, die in Zei-
ten höherer Zinsen vorherrschten. Auch für die detaillierte Ausgestaltung dieser ver-
schiedenen Parametrisierungen verweisen wir auf Anhang A.
25
Die Parameter wurden für die Kombination des Zinsmodells mit dem Inflationsmodell geeignet angepasst.
Insbesondere verwenden wir als mittleres Niveau der Realzinsen in etwa die Differenz des entsprechenden
Niveaus der Nominalzinsen und der erwarteten Inflation.
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4.2 Erläuterung der betrachteten Produkte
Wir betrachten drei verschiedene Garantieprodukte, die in langfristigen Sparprozessen
(insbesondere auch bei Riesterprodukten) häufig vorkommen. Dabei handelt es sich um
zwei Versicherungsprodukte, welche die Beiträge des Kunden jeweils teilweise klassisch
und teilweise fondsgebunden investieren, sowie ein reines Fondsprodukt.26 Am Markt
gibt es verschiedene konkrete Ausgestaltungen dieser Produkttypen. Wir betrachten je-
weils eine Standardvariante.
Statisches Hybridprodukt
Funktionsweise
Statische Hybridprodukte stellen eine Kombination aus einer klassischen und einer
fondsgebundenen Versicherung dar: Ein Teil eines Beitrags wird klassisch angelegt, der
Rest fondsgebunden. Es handelt sich um eine statische Allokation. Spätere Umschich-
tungen finden nicht statt.27 Der klassische Teil ist dabei gerade so bemessen, dass er
die Garantie des Produkts selbst dann finanziert, wenn alle Fondsanteile auf einen Wert
von Null fallen würden.
Auswirkung der Garantie auf das (nominale) Renditepotenzial
Es ist offensichtlich, dass bei diesem Produkt die sichere Anlage proportional mit der
Garantie wächst. Umgekehrt steigt damit der Anteil der chancenreichen Anlage und so-
mit auch das Renditepotenzial „gleichmäßig“, wenn die Garantie reduziert wird.
Dynamisches Hybridprodukt
Funktionsweise
Auch dynamische Hybridprodukte sind eine Kombination aus einer klassischen und einer
fondsgebundenen Versicherung. Die garantierte Leistung wird bei diesen Produkten
nicht vollständig über einen klassischen Baustein abgesichert. Stattdessen wird kunden-
individuell regelmäßig ermittelt, wie hoch der Fondsanteil maximal sein kann, sodass
selbst nach einem angenommenen schlimmstmöglichen Wertverlust des Fonds (soge-
nannter Worst Case) immer noch genug Geld vorhanden ist, um die Garantie danach
klassisch abzusichern.28 Dies führt zu regelmäßigen Umschichtungen zwischen Fonds
(chancenreiche Kapitalanlage) und klassischer Versicherung (sichere Kapitalanlage).
26
Wir beschreiben die Produkte relativ knapp. Eine detailliertere Beschreibung der Produkte findet sich in
Priebe (2020) und den dort genannten Quellen.
27 Natürlich gibt es Abweichungen dieser einfachen Regel. So schichten manche Anbieter alle Überschüsse
aus dem klassischen Teil in den fondsgebundenen Teil um oder erlauben eine spätere Veränderung der
Aufteilungsquote zwischen klassischem und fondsgebundenem Teil.
28 Diese Vorgehensweise basiert auf dem Konzept des CPPI (Constant Proportion Portfolio Insurance), vgl.
Black und Perold (1992).
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Bei den meisten derartigen Produkten wird (wie auch in unserem Modell) monatlich
umgeschichtet und ein Worst-Case-Verlust des Fonds von 20% angenommen. Um das
Risiko abzusichern, dass der Fonds mehr als 20% verliert, verwenden viele Versicherer
sogenannte Wertsicherungsfonds, bei denen eine Fondsgesellschaft garantiert, dass der
Fonds innerhalb eines Monats nicht mehr als 20% verliert.29
Der Worst-Case-Verlust von 20% innerhalb eines Monats führt dazu, dass der Anteil des
Kundenguthabens, das in Fonds investiert werden kann, fünf Mal so hoch ist, wie bei
einem statischen Hybridprodukt, welches zum Betrachtungszeitpunkt das gleiche Ge-
samtguthaben und die gleiche Garantie aufweist.30
Oft wird bei dynamischen Hybridprodukten von sogenannten „Töpfen“ gesprochen. Bei
der häufigsten Variante wird der klassische Baustein als „erster Topf“, der Wertsiche-
rungsfonds als „zweiter Topf“ und weitere Fonds ohne Garantie als „dritter Topf“ be-
zeichnet. Bei guter Wertentwicklung wird in der Regel vom ersten in den zweiten und
später vom zweiten in den dritten Topf umgeschichtet. Denn nach einer guten Wertent-
wicklung kann chancenreicher (und damit auch risikoreicher) angelegt werden, da auch
ein größerer zukünftiger Verlust die Garantie des Produkts nicht gefährden würde.
Auswirkung der Garantie auf das (nominale) Renditepotenzial
Bei diesem Produkt führt (ausgehend von der maximal möglichen Garantie) ein Absen-
ken der Garantie zu einem deutlich stärkeren Anstieg der (erwarteten) Fondsquote und
somit des Renditepotenzials als bei statischen Hybridprodukten. Je weiter die Garantie
abgesenkt wird, desto größer ist die Anzahl der möglichen Szenarien, in welchen die
Fondsquote in manchen Monaten 100% beträgt. Eine weitere Absenkung der Garantie
führt dann zu einer geringeren Erhöhung der (erwarteten) Fondsquote, da die Fonds-
quote ja nur noch in den anderen Szenarien bzw. Monaten steigen kann. Daher ist bei
dynamischen Hybridprodukten der zusätzliche Anstieg (Rückgang) des Renditepotenzi-
als, der von einer Reduktion (Erhöhung) der Garantie ausgelöst wird, besonders groß,
wenn die aktuelle Garantie in der Nähe der maximal möglichen Garantie liegt.
I-CPPI-Produkt
Funktionsweise
Das I-CPPI-Produkt basiert auf derselben Grundidee wie das dynamische Hybridpro-
dukt.31 Da es sich hier allerdings um ein reines Fondsprodukt und kein
29
Bei den meisten derartigen Fonds handelt es sich um Garantiefonds, da die Fondsgesellschaft eine ent-
sprechende Garantie ausspricht. Wir verwenden dennoch die am Markt übliche Bezeichnung „Wertsiche-
rungsfonds“.
30 Bei den in der Praxis anzutreffenden Produkten wird maximal 100% des vorhandenen Guthabens in Fonds
investiert, auch wenn dieser rechnerische Wert 100% des Guthabens übersteigen sollte – es wird also kein
„gehebeltes“ Fondsinvestment vorgenommen.
31 Wie der Name schon suggeriert, kommt auch hier das Konzept der Constant Proportion Portfolio Insurance
zum Einsatz, vgl. Fußnote 28.
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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Versicherungsprodukt handelt, wird als sichere Kapitalanlage ein festverzinsliches Wert-
papier (Bond) oder ein bondähnliches Investment verwendet, dessen Fälligkeit oder Du-
ration mit der Fälligkeit der garantierten Leistung übereinstimmt. Wie in der Praxis üb-
lich, verwenden wir hier keinen Wertsicherungsfonds (und daher nur zwei Töpfe) und
gehen von einer täglichen Umschichtung zwischen diesen beiden Töpfen aus. Aus Grün-
den der Vergleichbarkeit mit dem Dynamischen Hybridprodukt verwenden wir ebenfalls
einen Worst-Case-Verlust von 20%.32
Auswirkung der Garantie auf das (nominale) Renditepotenzial
Da I-CPPI-Produkte auf derselben Grundidee basieren wie dynamische Hybridprodukte,
scheint es naheliegend, dass auch hier der zusätzliche Anstieg (Rückgang) des Rendi-
tepotenzials, der von einer Reduktion (Erhöhung) der Garantie ausgelöst wird, beson-
ders groß ist, wenn die Garantie in der Nähe der maximal möglichen Garantie liegt. Dies
ist bei I-CPPI-Produkten gegen Einmalbeitrag auch der Fall.
Bei I-CPPI-Produkten gegen laufende Beiträge ergeben sich aber die folgenden beiden
Besonderheiten. Erstens ist die maximal mögliche Garantie, die zum Zeitpunkt einer
bestimmten Beitragszahlung mit diesem Beitrag „erworben“ werden kann, abhängig
vom dann vorherrschenden Zinsniveau. Ob eine bereits bei Vertragsabschluss ausge-
sprochene Garantie von beispielsweise 90% oder 100% der Beiträge somit in der Nähe
der maximal möglichen Garantie oder weit darunter liegt, ist erst zum Zeitpunkt der
Beitragszahlung bekannt und unterscheidet sich in verschiedenen möglichen Szenarien
für Aktien- und Zinsentwicklung.33 Daher verteilt sich der Effekt, dass sich das Rendite-
potenzial in der Nähe der maximal möglichen Garantie stark ändert, auf einen relativ
großen Bereich potenzieller Werte für die maximal mögliche Garantie. Zweitens kann es
– insbesondere bei eher hohen Garantieniveaus – vorkommen, dass die bei Vertragsab-
schluss ausgesprochene Garantie während der Laufzeit mit den laufenden Beiträgen
nicht abgesichert werden kann. In diesem Fall müsste der Produktanbieter am Ende der
Laufzeit dennoch die Garantie leisten und würde einen Verlust erleiden.34 Bis zu welchem
Garantieniveau ein Anbieter dieses Verlustrisiko in Kauf nimmt (und ob ein Anbieter sich
dieses Verlustrisiko beispielsweise durch eine Beteiligung an Erträgen in positiven Sze-
narien vergüten lässt) ist eine unternehmerische Entscheidung. Wir gehen aus Gründen
der Vergleichbarkeit vereinfachend davon aus, dass ein Anbieter eines I-CPPI-Produkts
32
Wir haben zusätzlich eine in der Praxis ebenfalls anzutreffende Variante dieses Produkts mit einem Worst-
Case-Verlust von 33% modelliert. Da die Ergebnisse strukturell sehr ähnlich waren, zeigen wir im weiteren
Verlauf nur Ergebnisse für den Worst-Case-Verlust von 20%.
33 In der Theorie könnte sich ein Anbieter auf Basis des zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorherr-
schende Zinsniveaus (genauer: auf Basis der hieraus resultierenden Forward Rates) die maximal mögliche
Garantie auch für zukünftige Beiträge absichern. In der Praxis ist das kaum zu sinnvollen Preisen umsetz-
bar, da die Kunden ein Recht auf Beitragsfreistellung und Storno haben und somit das Volumen der zu-
künftigen Beiträge unbekannt ist. Nach unserem Kenntnisstand muss auf eine derartige Absicherung daher
verzichtet werden, was in den beiden hier genannten Besonderheiten resultiert.
34 Sofern die Zinsen nie unter 0% fallen, wäre der Verlust bei einer Garantie von 100% der Beiträge auf die
in das Produkt einkalkulierten Kosten beschränkt. Bei negativen Zinsen sind noch höhere Verluste möglich.
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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bereit ist, Garantieniveaus bis zu dem Niveau anzubieten, welches auch bei versiche-
rungsförmigen Produkten möglich ist, und dass keine gesonderte Gebühr für das ge-
schilderte Verlustrisiko anfällt.
Musterverträge
Wir betrachten von jedem Produkt Musterverträge mit einer Laufzeit von 30 Jahren,
einem monatlichen Beitrag von 100 € und jeweils unterschiedlichen Garantieniveaus.
Wir führen unsere Analysen unter der Annahme eines Rechnungszinses von 0,25% (vgl.
Abschnitt 2.2) und den Kostenparametern aus Anhang B durch. Ein Garantieniveau von
100% der Beiträge ist dann bei den betrachteten Produktausgestaltungen nicht mehr
darstellbar. Vielmehr liegt die maximal mögliche Garantie nur sehr knapp über 90%.
Wir betrachten daher Garantieniveaus von 60%, 70%, 80% und 90%. In Abschnitt 5.2
betrachten wir im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse ein höheres Zinsniveau, welches
auch eine Garantie von 100% zulässt.
4.3 Analyse der Chancen und Risiken auf Basis nominaler und
realer Renditen
Wie messen wir nominale Chancen und Risiken?
Alle nun folgenden Analysen basieren auf einer Simulation der erläuterten Produkte im
beschriebenen Kapitalmarktmodell. Wir haben dabei jeweils 10.000 Zufallsszenarien er-
zeugt und aus den zugehörigen Ablaufleistungen der Produkte folgende Kennzahlen ab-
geleitet, um das Renditepotenzial sowie die Chancen und Risiken zu beschreiben:35
Als naheliegende Kennzahl für das Renditepotenzial betrachten wir die mittlere Ren-
dite, die wir als Rendite der durchschnittlichen Ablaufleistung aller 10.000 Szena-
rien bestimmen und in den nachfolgenden Tabellen und Grafiken mit „Mean“ be-
zeichnen.
Um Chancen und Risiken ober- bzw. unterhalb der mittleren Rendite zu analysieren,
betrachten wir zusätzlich die folgenden Chance- und Risikomaße:
Als Chancenmaß verwenden wir standardmäßig die Rendite, die zur durchschnittli-
chen Ablaufleistung der 20% besten Szenarien gehört. Diese Rendite bezeichnen
wir auch vereinfachend als Rendite im „Good Case“ und kürzen sie in den folgenden
Tabellen mit „Good“ ab. In den Abbildungen zeigen wir als weiteres Chancenmaß
noch die Rendite, die zur durchschnittlichen Ablaufleistung der 10% besten Szena-
rien gehört. Diese Rendite bezeichnen wir als Rendite im „Very Good Case“.
35
Alle diese Kennzahlen sind als Renditen nach Kosten berechnet.
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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Analog betrachten wir als Risikomaße die Rendite in einem „Bad Case“ (in den Ta-
bellen mit „Bad“ abgekürzt) und einem „Very Bad Case“.36 Hier bilden wir den
Durchschnitt der 20% (bzw. 10%) schlechtesten Szenarien.
Wie messen wir reale (inflationsbereinigte) Chancen und Risiken?
Auch bei der Analyse realer Chancen und Risiken betrachten wir die mittlere Rendite
sowie die Rendite in einem Good Case, Very Good Case, Bad Case und Very Bad Case.
Hier werden allerdings die simulierten nominalen Ablaufleistungen zuerst in reale (infla-
tionsbereinigte) Ablaufleistungen umgerechnet. Aus diesen werden dann die Chance-
und Risikomaße berechnet.
Die realen Ablaufleistungen bestimmen wir dabei in jedem simulierten Szenario wie
folgt:
Wir bestimmen die zur simulierten nominalen Ablaufleistung gehörige annualisierte
Rendite 𝑛⋆.
Wir berechnen die annualisierte Inflation 𝑖⋆, die sich in diesem Szenario durch ein
Investment der Beiträge in den Inflationsindex (vgl. Anhang A.I) ergeben hätte.
Die reale Rendite 𝑟⋆ ergibt sich daraus als 𝑟⋆ =1+𝑛⋆
1+𝑖⋆ − 1. 37
Die reale (d.h. inflationsbereinigte) Ablaufleistung ergibt sich durch „Verzinsung“
der vom Kunden geleisteten Beiträge mit dieser Rendite 𝑟⋆.
Warum betrachten wir im Folgenden verschiedene Volatilitäten?
Die Volatilität der Aktienmärkte ist (neben dem Zinsniveau, dessen Einfluss wir in Ab-
schnitt 5.2 genauer betrachten) naturgemäß einer der wichtigsten Treiber für Chancen
und Risiken von Altersvorsorgeprodukten. Da die Produkte oft eine lange Laufzeit auf-
weisen, ist das Volatilitätsniveau während der Laufzeit mit Unsicherheit behaftet. Wir
betrachten daher im Folgenden zwei verschiedene Varianten: Ein eher geringe sowie
eine eher hohe Volatilität.
Ergebnisse für geringere Aktienvolatilität
Tabelle 2 zeigt die Ergebnisse für die betrachteten Produkte bei unterschiedlichen Ga-
rantieniveaus unter der Annahme einer Aktienvolatilität von 15%. Für jedes Produkt
wird neben der mittleren Rendite (Mean) die Rendite im oben erläuterten Good Case
bzw. Bad Case als Chancen- bzw. Risikomaß dargestellt.
36
Die PIA verwendet bei der Klassifizierung von staatlich geförderten Altersvorsorgeprodukten in Chance-
Risiko-Klassen als Risikomaß ebenfalls die Rendite zur durchschnittlichen Ablaufleistung der 20% schlech-
testen Szenarien. Solche Kennzahlen werden oft als Conditional Tail Expectation bezeichnet.
37 Diese Definition der realen Rendite ist in der wissenschaftlichen Literatur üblich und wird beispielsweise in
Ibbotson und Sinquefield (1976) verwendet.
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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nominale Renditen reale Renditen
Garantieniveau 60 70 80 90 60 70 80 90
SHP
Good 5,89% 5,09% 4,15% 3,08% 3,55% 2,83% 2,04% 1,23%
Mean 2,68% 2,21% 1,69% 1,14% 0,73% 0,31% -0,15% -0,63%
Bad -0,64% -0,51% -0,40% -0,33% -2,32% -2,35% -2,46% -2,66%
DHP
Good 9,00% 8,82% 8,37% 7,14% 6,48% 6,29% 5,83% 4,55%
Mean 4,74% 4,51% 4,03% 2,96% 2,57% 2,34% 1,87% 0,88%
Bad -1,79% -1,76% -1,26% -0,62% -3,01% -2,99% -2,90% -2,86%
I-CPPI
Good 9,00% 8,75% 8,25% 7,41% 6,43% 6,13% 5,52% 4,52%
Mean 4,66% 4,30% 3,65% 2,78% 2,46% 2,06% 1,39% 0,57%
Bad -2,12% -2,06% -1,43% -0,71% -3,22% -3,26% -3,23% -3,18%
Tabelle 2 Chancen und Risiken von Produkten auf Basis nominaler und realer Renditen für
unterschiedliche Garantieniveaus (in % der Beiträge) für Aktienvolatilität 15%
Zahlreiche Effekte, die man in Tabelle 2 erkennen kann, fallen wie erwartet aus: Die
nominalen Renditen sind höher als die realen Renditen, die mittlere Rendite und die
Rendite im Good Case nehmen mit zunehmender Garantie ab, wogegen die Rendite im
Bad Case mit zunehmender Garantie meist (aber nicht immer – hierauf kommen wir
gleich zurück) zunimmt. Mehr Garantie geht also mit einer geringeren Chance und in
der Regel mit einem geringeren Risiko einher. Ebenfalls nicht überraschend ist, dass das
statische Hybridprodukt (SHP – hier und in allen folgenden Tabellen und Grafiken in
gelber Farbe dargestellt) geringere Chancen, aber auch ein geringeres Risiko aufweist
als die beiden dynamischen Produkte, nämlich das dynamische Hybridprodukt (DHP,
blau dargestellt) bzw. das I-CPPI-Produkt (I-CPPI, grün dargestellt). Die beiden dyna-
mischen Produkte unterscheiden sich in ihren Chancen und Risiken nur relativ geringfü-
gig.
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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Für die Analyse der Wirkungsweise unterschiedlicher Garantiehöhen ist besonders inte-
ressant, wie sich die jeweiligen Werte ändern, wenn sich die Garantie ändert. Hierfür
zeigt Tabelle 3, welche Änderungen sich bei einer Absenkung des Garantieniveaus von
90% auf 60% der Beiträge ergeben. Zusätzlich geben wir jeweils die Werte an, die sich
bei einer schrittweisen Absenkung von 90% auf 80%, von 80% auf 70% und von 70%
auf 60% ergeben. Im Regelfall steigt bei einer Absenkung der Garantie die Chance und
das Risiko. Daher zeigen wir jeweils die Zunahme der Chance (gemessen als Erhöhung
der Rendite im Good Case), die Zunahme der mittleren Rendite sowie die Zunahme des
Risikos (gemessen als Rückgang der Rendite im Bad Case) jeweils in Prozentpunkten.38
Falls sich bei der Absenkung des Garantieniveaus eine Reduktion des Risikos ergibt,
heben wir die entsprechenden Werte in roter Farbe hervor.
nominale Renditen reale Renditen
Änderung
Garantieniveau 90->60 90->80 80->70 70->60 90->60 90->80 80->70 70->60
Zunahme Chance 2,80% 1,06% 0,94% 0,80% 2,32% 0,80% 0,80% 0,72%
Zunahme Mean 1,55% 0,55% 0,52% 0,47% 1,36% 0,49% 0,46% 0,42%
Zunahme Risiko 0,31% 0,07% 0,11% 0,13% -0,34% -0,20% -0,10% -0,03%
Zunahme Chance 1,85% 1,23% 0,45% 0,18% 1,93% 1,28% 0,46% 0,18%
Zunahme Mean 1,78% 1,06% 0,48% 0,23% 1,69% 1,00% 0,47% 0,23%
Zunahme Risiko 1,17% 0,63% 0,50% 0,03% 0,15% 0,05% 0,08% 0,02%
Zunahme Chance 1,59% 0,84% 0,51% 0,24% 1,91% 1,00% 0,61% 0,31%
Zunahme Mean 1,88% 0,86% 0,65% 0,36% 1,89% 0,82% 0,67% 0,39%
Zunahme Risiko 1,41% 0,72% 0,63% 0,06% 0,03% 0,05% 0,03% -0,04%
Tabelle 3 Veränderung von Chancen und Risiken von Produkten auf Basis nominaler und
realer Renditen bei unterschiedlichen Garantieniveaus (in % der Beiträge) für
Aktienvolatilität 15%
Die Werte in Tabelle 3 machen die – teilweise überraschenden – Auswirkungen einer
Garantieabsenkung auf die Chancen und Risiken der betrachteten Altersvorsorgepro-
dukte transparent. Nominal bestätigen die Resultate die allgemein vorherrschende Mei-
nung: Eine Absenkung der Garantie erhöht die Chance im Good Case sowie die mittlere
Rendite. Dasselbe Ausmaß an Garantieabsenkung (hier um 10 Prozentpunkte der Bei-
träge) bringt dabei umso mehr, je höher das Ausgangsniveau der Garantie ist. So erhöht
38
Aus Gründen der Lesbarkeit sprechen wir im Folgenden bei der Beschreibung der Zunahme der Rendite
vereinfacht von einer „Zunahme von x%“ statt „von x Prozentpunkten“.
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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beispielsweise eine Absenkung der Garantie von 90% auf 80% der Beiträge die mittlere
Rendite beim dynamischen Hybridprodukt um 1,06%. Eine weitere Absenkung von 80%
auf 70% bringt mit 0,48% nicht einmal halb so viel zusätzliche Rendite. Wird von 70%
auf 60% gesenkt, reduziert sich die Zusatzrendite erneut um mehr als die Hälfte auf
0,23%. Dieser Effekt ist grundsätzlich bei der Chancenkennzahl und bei der mittleren
Rendite zu beobachten und ist (wie in Abschnitt 4.2 bei der Erläuterung der Produkte
bereits dargestellt) beim statischen Hybridprodukt am geringsten und beim dynami-
schen Hybridprodukt am stärksten ausgeprägt. Ferner erhöht eine Absenkung der Ga-
rantie nominal auch stets das Risiko.
Bei einer Betrachtung von realen, also inflationsbereinigten, Werten, ergeben sich hin-
gegen wichtige Unterschiede zur nominalen Betrachtung: Während sich bei einer Ab-
senkung der Garantie die Chance im Good Case sowie die mittlere Rendite in ähnlichem
Umfang erhöhen wie nominal, erhöht sich das Risiko in einem deutlich geringeren Um-
fang. Betrachten wir exemplarisch die Absenkung der Garantie von 90% auf 60% beim
I-CPPI-Produkt: Hier steigt real die Chance um 1,91% und die mittlere Rendite um
1,89%. Die Werte sind relativ ähnlich zu den beobachteten nominalen Anstiegen von
1,59% bzw. 1,88%. Das Risiko erhöht sich hingegen real praktisch nicht. Während die
Garantieabsenkung nominal eine Risikoerhöhung um 1,41% auslöst, steigt das Risiko
real nur um 0,03%.
In Bezug auf die Zunahme der Chance, die durch eine Garantieabsenkung ausgelöst
wird, liefern also die nominale Betrachtung und die reale Betrachtung ähnliche Ergeb-
nisse. Die Zunahme des Risikos wird hingegen bei einer nominalen Betrachtung stark
überschätzt. Dies liegt daran, dass eine nominale Betrachtung lediglich den in Abschnitt
3.2 erläuterten Garantieeffekt 1 misst, welcher bei realer Betrachtung durch den Ga-
rantieeffekt 2 abgeschwächt wird. Beim statischen Hybridprodukt überwiegt Garantie-
effekt 2 den Garantieeffekt 1 sogar: Hier sinkt nämlich das reale Risiko bei Absenkung
der Garantie. Das bedeutet umgekehrt, dass eine Erhöhung der Garantie, welche von
Verbrauchern ja in der Regel gewünscht wird, um das Risiko eines Produkts zu reduzie-
ren, real den gegenteiligen Effekt hat und das Risiko erhöht. Derselbe Effekt tritt auch
beim I-CPPI-Produkt bei einer Absenkung der Garantie von 70% auf 60% der Beiträge
auf.
In Abbildung 2 werden die erläuterten Effekte nochmals grafisch dargestellt. Der dunkle
Bereich der Grafik zeigt jeweils die Spanne zwischen dem Bad Case und dem Good Case.
Der untere (obere) Rand des gesamten Balkens entspricht zusätzlich dem Very Bad Case
bzw. dem Very Good Case, sodass hier auch extremere Chancen und Risiken dargestellt
sind. Die mittlere Rendite wird jeweils durch den roten Balken repräsentiert.
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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Abbildung 2 Chancen und Risiken von Produkten auf Basis nominaler und realer Renditen bei
unterschiedlichen Garantieniveaus (in % der Beiträge) für Aktienvolatilität 15%
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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Ergebnisse für höhere Volatilität
Tabelle 4 zeigt die nominalen und realen Renditen für die betrachteten Produkte bei
unterschiedlichen Garantieniveaus unter der Annahme einer Aktienvolatilität von 20%.
nominale Renditen reale Renditen
Garantieniveau 60 70 80 90 60 70 80 90
SHP
Good 6,50% 5,64% 4,61% 3,41% 4,21% 3,42% 2,51% 1,55%
Mean 2,73% 2,26% 1,75% 1,20% 0,76% 0,35% -0,10% -0,57%
Bad -1,16% -0,86% -0,59% -0,36% -2,95% -2,82% -2,76% -2,80%
DHP
Good 9,64% 9,33% 8,70% 7,30% 7,19% 6,87% 6,21% 4,76%
Mean 4,60% 4,24% 3,66% 2,65% 2,40% 2,05% 1,50% 0,59%
Bad -3,15% -2,28% -1,43% -0,67% -4,55% -4,15% -3,75% -3,39%
I-CPPI
Good 9,68% 9,33% 8,67% 7,60% 7,16% 6,74% 5,96% 4,71%
Mean 4,57% 4,14% 3,44% 2,58% 2,32% 1,87% 1,16% 0,36%
Bad -3,26% -2,34% -1,48% -0,71% -4,62% -4,22% -3,88% -3,58%
Tabelle 4 Chancen und Risiken von Produkten auf Basis nominaler und realer Renditen für
unterschiedliche Garantieniveaus (in % der Beiträge) für Aktienvolatilität 20%
Im Vergleich zu den Werten für eine geringere Volatilität von 15% aus Tabelle 2 be-
obachten wir nun in Tabelle 4 wie erwartet nominal und real höhere Chancen und Risi-
ken, während sich die mittleren Renditen nur in geringem Umfang unterscheiden.39 In-
teressanter als die absoluten Höhen der Renditen sind jedoch erneut die Auswirkungen,
die sich bei einer Variation des Garantieniveaus ergeben. Diese sind in Tabelle 5 darge-
stellt.
39
Die mittlere Rendite fällt beim statischen Hybridprodukt ein wenig höher und bei den beiden dynamischen
Produkten ein wenig niedriger aus als in Tabelle 2.
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nominale Renditen reale Renditen
Änderung
Garantieniveau 90->60 90->80 80->70 70->60 90->60 90->80 80->70 70->60
Zunahme Chance 3,09% 1,20% 1,03% 0,86% 2,66% 0,96% 0,91% 0,79%
Zunahme Mean 1,53% 0,55% 0,52% 0,47% 1,33% 0,47% 0,45% 0,41%
Zunahme Risiko 0,80% 0,23% 0,27% 0,30% 0,15% -0,04% 0,06% 0,13%
Zunahme Chance 2,34% 1,40% 0,64% 0,31% 2,42% 1,44% 0,66% 0,32%
Zunahme Mean 1,95% 1,01% 0,59% 0,36% 1,81% 0,91% 0,55% 0,35%
Zunahme Risiko 2,48% 0,76% 0,85% 0,87% 1,16% 0,35% 0,40% 0,41%
Zunahme Chance 2,08% 1,07% 0,66% 0,35% 2,45% 1,24% 0,78% 0,42%
Zunahme Mean 2,00% 0,86% 0,70% 0,43% 1,96% 0,80% 0,71% 0,45%
Zunahme Risiko 2,55% 0,77% 0,85% 0,92% 1,04% 0,30% 0,34% 0,40%
Tabelle 5 Veränderung von Chancen und Risiken von Produkten auf Basis nominaler und
realer Renditen bei unterschiedlichen Garantieniveaus (in % der Beiträge) für
Aktienvolatilität 20%
Auch bei höherer Volatilität steigen nominal die mittlere Rendite und die Rendite im
Good Case, wenn die Garantie abgesenkt wird. Eine Reduktion der Garantie führt sogar
zu einem deutlich stärkeren Anstieg der Chance als bei einer Volatilität von 15%. Die
mittlere Rendite erhöht sich hingegen in ähnlichem Umfang. Die Zunahme von Chance
und mittlerer Rendite ist erneut umso stärker ausgeprägt, je höher das Ausgangsniveau
der Garantie ist. Der Effekt ist jedoch geringer als bei einer Volatilität von 15%, ist aber
auch hier beim statischen Hybridprodukt am geringsten und beim dynamischen Hybrid-
produkt am stärksten ausgeprägt. Der Anstieg des nominalen Risikos bei Absenkung
der Garantie fällt bei höherer Volatilität erwartungsgemäß stärker aus als zuvor. Außer-
dem ist der Anstieg des nominalen Risikos nun umso größer, je niedriger die Garantie
vor der Absenkung schon war.
Auch real verursacht eine Garantieabsenkung eine Zunahme der mittleren Rendite sowie
der Chance. Die Zunahme der mittleren Rendite ist bei den dynamischen Produkten real
ungefähr so hoch wie nominal, beim statischen Produkt hingegen etwas geringer. Die
Zunahme der Chance ist hingegen bei den dynamischen Produkten real höher als nomi-
nal, beim statischen Hybridprodukt hingegen geringer. Die Zunahme von Chance und
mittlerer Rendite ist auch real umso stärker ausgeprägt, je höher das Ausgangsniveau
der Garantie ist. Das reale Risiko steigt bei hoher Volatilität bei einer Absenkung der
Garantie fast immer an. Hier dominiert also der in Abschnitt 3.2 beschriebene Garantie-
effekt 1. Der Anstieg des Risikos ist real aber erneut deutlich geringer als nominal, da
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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er durch Garantieeffekt 2 abgemildert wird. Auch der Anstieg des realen Risikos ist bei
hoher Volatilität umso größer, je niedriger die Garantie vor dem Absenken schon war.
Wenn die Garantie also schon relativ weit abgesenkt wurde, bringt eine weitere Absen-
kung bei hoher Volatilität auch real immer weniger zusätzliche Chance und immer mehr
zusätzliches Risiko. Da man bei langfristigen Sparprozessen nicht ausschließen kann,
dass die Volatilität während der Laufzeit des Produkts steigt, sollten Garantien daher
zumindest bei sicherheitsorientierten Verbrauchern nicht zu weit abgesenkt werden.
Abbildung 3 visualisiert die beschriebenen Effekte.
Abbildung 3 Chancen und Risiken von Produkten auf Basis nominaler und realer Renditen bei
unterschiedlichen Garantieniveaus (in % der Beiträge) für Aktienvolatilität 20%
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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Fazit
Wir betrachten drei marktübliche Altersvorsorgeprodukte mit laufender Beitragszah-
lung, zunächst für eine Laufzeit von 30 Jahren. Wir analysieren diese Produkte in einem
Kapitalmarktmodell mit stochastischen Aktien, Zinsen und Inflation. Im aktuellen Zins-
umfeld sind hierbei Garantien über 90% der Beiträge nicht mehr sinnvoll darstellbar.
Werden die Produkte mit einer Garantie von 90% der Beiträge ausgestattet, so ist die
mittlere Rendite eher gering und liegt inflationsbereinigt in allen betrachteten Fällen
unter 1% p.a., bei einer Produktvariante sogar unter 0%.
Ein Absenken der Garantie erhöht die mittlere Rendite und die Chance aller betrachteten
Produkte in signifikantem Umfang. Dies gilt nominal und real ungefähr im selben Um-
fang. Bei nominaler Betrachtung führt ein Absenken der Garantie gleichzeitig auch zu
einer relativ starken Zunahme des Risikos. Bei inflationsbereinigter Betrachtung steigt
das Risiko hingegen in deutlich geringerem Umfang an, in manchen Fällen wird das
Risiko durch eine Absenkung der Garantie sogar geringer. Insbesondere steigt in allen
Fällen real die Chance stärker als das Risiko, oft sogar deutlich stärker.
Betrachtet man also die für den Verbraucher relevanten Chancen und Risiken in Bezug
auf die Kaufkraft der Leistung, so führt im aktuellen Zinsumfeld eine Absenkung von
Garantien zu einer starken Erhöhung von Chancen bei relativ geringer (in manchen Fäl-
len sogar gar keiner) Zunahme des Risikos. Bei einer rein nominalen Betrachtung wird
dieses Risiko, das aus einer Absenkung von Garantien resultiert, überschätzt. Im aktu-
ellen Zinsumfeld sind somit Produkte mit abgesenkter Garantie auch für sicherheitsori-
entierte Verbraucher bedarfsgerecht.
Bemerkenswert ist hierbei jedoch, dass (ausgehend vom höchsten betrachteten Garan-
tieniveau) ein Absenken der Garantie zunächst sehr viel und dann nach und nach immer
weniger reale Zusatzrendite bewirkt, wogegen das reale Risiko nach und nach immer
stärker zunimmt, zumindest wenn eine eher hohe Volatilität unterstellt wird. Bis zu ei-
nem Garantieniveau von ca. 70% der gezahlten Beiträge steigt beim dynamischen Hyb-
ridprodukt und beim I-CPPI-Produkt dabei die reale Chance deutlich stärker an als das
reale Risiko. Bei einer weiteren Absenkung steigt dann das Risiko ähnlich stark oder
sogar stärker als die Chance. Auch wenn die konkreten Zahlenwerte von der angenom-
menen Volatilität und dem betrachteten Risikomaß abhängen, zeigt dies, dass bei einer
eher hohen Volatilität der Nutzen von wohldosierten Garantien relativ hoch ist. Daher
sollten Garantien für sicherheitsorientierte Verbraucher nicht zu weit abgesenkt werden.
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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5 Sensitivitätsanalysen
In diesem Kapitel führen wir ausgewählte Sensitivitätsanalysen durch. Aus Gründen der
Übersichtlichkeit beschränken wir uns hierbei auf Ergebnisse mit der höheren Volatilität
von 20%. Die zentrale Erkenntnis unserer Analysen (nämlich die Tatsache, dass die
Zunahme des Risiko, die aus einer Absenkung der Garantie resultiert, real geringer aus-
fällt als nominal) ist bei der geringeren Volatilität von 15% stets noch stärker ausgeprägt
und führt in einigen Fällen sogar dazu, dass das Risiko bei einer Absenkung der Garantie
sogar sinkt.
5.1 Laufzeit des Vertrags
Wir analysieren nun, wie sich die Effekte ändern, wenn die Laufzeit der betrachteten
Verträge variiert wird. Hierzu betrachten wir eine im Vergleich zum obigen Standardfall
um 10 Jahre kürzere Laufzeit von 20 Jahren sowie eine um 10 Jahre längere Laufzeit
von 40 Jahren.
5.1.1 Laufzeit 20 Jahre
Tabelle 6 zeigt die nominalen und realen Werte für die mittlere Rendite sowie die Rendite
im Good Case bzw. Bad Case für die verschiedenen Produkte und Garantieniveaus bei
einer Laufzeit von 20 Jahren.
nominale Renditen reale Renditen
Garantie-
niveau 60 70 80 90 60 70 80 90
SHP
Good 5,97% 4,96% 3,82% 2,52% 3,92% 3,04% 2,10% 1,23%
Mean 1,88% 1,49% 1,07% 0,63% 0,17% -0,18% -0,54% -0,93%
Bad -1,90% -1,44% -1,01% -0,62% -3,65% -3,39% -3,23% -3,20%
DHP
Good 10,05% 9,69% 8,88% 6,92% 7,72% 7,35% 6,51% 4,58%
Mean 3,64% 3,28% 2,66% 1,71% 1,71% 1,37% 0,80% -0,05%
Bad -4,68% -3,38% -2,13% -1,01% -6,01% -5,24% -4,52% -3,84%
I-CPPI
Good 10,21% 9,88% 9,06% 7,44% 7,82% 7,39% 6,41% 4,61%
Mean 3,75% 3,35% 2,61% 1,71% 1,78% 1,37% 0,63% -0,18%
Bad -4,69% -3,40% -2,17% -1,06% -5,96% -5,20% -4,52% -3,90%
Tabelle 6 Chancen und Risiken von Produkten auf Basis nominaler und realer Renditen für
unterschiedliche Garantieniveaus (in % der Beiträge) für Aktienvolatilität 20%
und Laufzeit 20 Jahre
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Das Niveau der mittleren Rendite fällt wie erwartet bei einer Laufzeit von 20 Jahren in
allen Fällen geringer aus als bei einer Laufzeit von 30 Jahren (vgl. Tabelle 4). Interes-
santer als die absoluten Höhen der Renditen sind allerdings erneut die Veränderungen
der mittleren Rendite sowie der Chancen und Risiken, die sich bei einer Absenkung der
Garantie ergeben. Diese Veränderungen zeigen wir in Tabelle 7.
nominale Renditen reale Renditen
Änderung
Garantieniveau 90->60 90->80 80->70 70->60 90->60 90->80 80->70 70->60
Zunahme Chance 3,44% 1,29% 1,15% 1,00% 2,69% 0,88% 0,93% 0,88%
Zunahme Mean 1,25% 0,43% 0,42% 0,40% 1,10% 0,38% 0,37% 0,35%
Zunahme Risiko 1,28% 0,39% 0,43% 0,46% 0,45% 0,04% 0,16% 0,26%
Zunahme Chance 3,12% 1,95% 0,82% 0,35% 3,14% 1,93% 0,85% 0,36%
Zunahme Mean 1,94% 0,95% 0,62% 0,36% 1,76% 0,84% 0,57% 0,34%
Zunahme Risiko 3,66% 1,12% 1,25% 1,30% 2,17% 0,68% 0,72% 0,77%
Zunahme Chance 2,78% 1,62% 0,82% 0,34% 3,21% 1,79% 0,98% 0,43%
Zunahme Mean 2,04% 0,90% 0,74% 0,40% 1,96% 0,82% 0,74% 0,41%
Zunahme Risiko 3,63% 1,11% 1,23% 1,29% 2,06% 0,62% 0,67% 0,76%
Tabelle 7 Veränderung von Chancen und Risiken von Produkten auf Basis nominaler und
realer Renditen bei unterschiedlichen Garantieniveaus (in % der Beiträge) für
Aktienvolatilität 20% und Laufzeit 20 Jahre
Eine Absenkung der Garantie führt bei den beiden dynamischen Produkten zu einer Zu-
nahme der mittleren Rendite in ähnlichem Umfang wie bei der ursprünglichen Laufzeit
von 30 Jahren (vgl. Tabelle 5), beim statischen Hybridprodukt steigt die mittlere Rendite
hingegen bei kurzer Laufzeit in etwas geringerem Umfang. Eine Garantiabsenkung be-
wirkt darüber hinaus bei kürzerer Vertragslaufzeit sowohl eine signifikant stärkere Zu-
nahme der Chancen als auch der Risiken als bei Laufzeit 30 Jahre. Nach wie vor steigt
das reale Risiko durch eine Garantieabsenkung aber deutlich weniger an als das nomi-
nale Risiko. Bei einer rein nominalen Betrachtung wird also auch hier das Risiko, das
aus einer Absenkung von Garantien resultiert, überschätzt. Bei realer Betrachtung steigt
in allen Fällen die Chance stärker als das Risiko, oft sogar deutlich stärker.
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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Abbildung 4 stellt die Chancen und Risiken bei einer Laufzeit von 20 Jahren zusätzlich
grafisch dar.
Abbildung 4 Chancen und Risiken von Produkten auf Basis nominaler und realer Renditen bei
unterschiedlichen Garantieniveaus (in % der Beiträge) für Aktienvolatilität 20%
und Laufzeit 20 Jahre
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5.1.2 Laufzeit 40 Jahre
Bei einer längeren Laufzeit von 40 Jahren beobachten wir genau die gegenteiligen Ef-
fekte wie bei der kürzeren Laufzeit von 20 Jahren. Tabelle 8 zeigt die realen und nomi-
nalen Werte für die mittlere Rendite sowie die Rendite im Good Case bzw. Bad Case für
die verschiedenen Produkte und Garantieniveaus.
nominale Renditen reale Renditen
Garantieniveau 60 70 80 90 60 70 80 90
SHP
Good 6,68% 5,96% 5,09% 4,08% 4,27% 3,59% 2,78% 1,90%
Mean 3,31% 2,83% 2,30% 1,73% 1,20% 0,78% 0,32% -0,17%
Bad -0,74% -0,52% -0,34% -0,19% -2,48% -2,39% -2,36% -2,41%
DHP
Good 9,12% 8,85% 8,32% 7,17% 6,63% 6,34% 5,80% 4,61%
Mean 5,04% 4,73% 4,20% 3,24% 2,73% 2,43% 1,92% 1,03%
Bad -2,35% -1,71% -1,07% -0,51% -3,74% -3,48% -3,22% -3,00%
I-CPPI
Good 9,07% 8,73% 8,15% 7,33% 6,50% 6,12% 5,43% 4,51%
Mean 4,93% 4,52% 3,86% 3,08% 2,56% 2,12% 1,44% 0,71%
Bad -2,49% -1,78% -1,12% -0,54% -3,92% -3,67% -3,47% -3,30%
Tabelle 8 Chancen und Risiken von Produkten auf Basis nominaler und realer Renditen für
unterschiedliche Garantieniveaus (in % der Beiträge) für Aktienvolatilität 20%
und Laufzeit 40 Jahre
Das Niveau der mittleren Rendite fällt wie erwartet bei einer Laufzeit von 40 Jahren in
allen Fällen höher aus als bei einer Laufzeit von 30 Jahren (vgl. Tabelle 4). Interessanter
sind aber auch hier die Veränderungen der mittleren Rendite sowie der Chancen und
Risiken, die sich bei einer Absenkung der Garantie ergeben. Diese sind in Tabelle 9
dargestellt.
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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nominale Renditen reale Renditen
Änderung
Garantieniveau 90->60 90->80 80->70 70->60 90->60 90->80 80->70 70->60
Zunahme Chance 2,59% 1,01% 0,87% 0,71% 2,36% 0,87% 0,81% 0,68%
Zunahme Mean 1,58% 0,57% 0,54% 0,47% 1,37% 0,49% 0,47% 0,42%
Zunahme Risiko 0,54% 0,15% 0,19% 0,21% 0,07% -0,04% 0,03% 0,09%
Zunahme Chance 1,95% 1,15% 0,53% 0,27% 2,01% 1,18% 0,55% 0,28%
Zunahme Mean 1,80% 0,96% 0,53% 0,31% 1,70% 0,88% 0,51% 0,31%
Zunahme Risiko 1,83% 0,56% 0,64% 0,63% 0,73% 0,21% 0,26% 0,26%
Zunahme Chance 1,74% 0,82% 0,58% 0,34% 2,00% 0,92% 0,68% 0,39%
Zunahme Mean 1,85% 0,78% 0,66% 0,42% 1,86% 0,73% 0,68% 0,44%
Zunahme Risiko 1,95% 0,58% 0,66% 0,71% 0,62% 0,17% 0,20% 0,24%
Tabelle 9 Veränderung von Chancen und Risiken von Produkten auf Basis nominaler und
realer Renditen bei unterschiedlichen Garantieniveaus (in % der Beiträge) für
Aktienvolatilität 20% und Laufzeit 40 Jahre
Eine Absenkung der Garantie führt hier bei allen Produkten zu einer Zunahme der mitt-
leren Rendite in ähnlichem Umfang wie bei der ursprünglichen Laufzeit von 30 Jahren
(vgl. Tabelle 5). Eine Garantiabsenkung bewirkt darüber hinaus bei längerer Laufzeit
sowohl eine geringere Zunahme der Chancen als auch der Risiken als bei Laufzeit 30
Jahre. Auch hier steigt das reale Risiko deutlich weniger an als das nominale (beim
statischen Hybridprodukt sogar faktisch gar nicht). Bei einer rein nominalen Betrachtung
wird erneut das Risiko, das aus einer Absenkung von Garantien resultiert, überschätzt.
Bei realer Betrachtung steigt in allen Fällen die Chance stärker als das Risiko, oft sogar
deutlich stärker.
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Abbildung 5 stellt die Chancen und Risiken bei einer Laufzeit von 40 Jahren zusätzlich
grafisch dar.
Abbildung 5 Chancen und Risiken von Produkten auf Basis nominaler und realer Renditen bei
unterschiedlichen Garantieniveaus (in % der Beiträge) für Aktienvolatilität 20%
und Laufzeit 40 Jahre
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5.2 Höheres Zinsniveau
Für alle bisherigen Ergebnisse haben wir eine Kalibrierung unseres Modells passend zum
aktuellen Zinsniveau verwendet und einen Rechnungszins von 0,25% p.a. angenom-
men. In diesem Abschnitt legen wir nun das zum Ende des Jahres 2014 vorherrschende
Zinsniveau zugrunde und verwenden den ab 1.1.2015 geltenden Höchstrechnungszins
von 1,25% p.a. (vgl. Anhang A.II für Details zu den verwendeten Parametern).
Bei diesem Zinsniveau waren Garantien in Höhe von 100% der Beiträge noch problemlos
darstellbar. Daher zeigen wir in den folgenden Tabellen Garantieniveaus zwischen 70%
und 100% (im Vergleich zu bisher 60% bis 90%).
Tabelle 10 zeigt die nominalen und realen Renditen für die genannten Garantieniveaus.
nominale Renditen reale Renditen
Garantie-
niveau 70 80 90 100 70 80 90 100
SHP
Good 8,58% 7,97% 7,29% 6,48% 6,21% 5,63% 4,99% 4,26%
Mean 4,56% 4,19% 3,80% 3,37% 2,51% 2,19% 1,85% 1,47%
Bad 0,11% 0,33% 0,53% 0,72% -1,60% -1,48% -1,40% -1,36%
DHP
Good 11,40% 11,25% 10,99% 10,52% 8,91% 8,75% 8,47% 7,97%
Mean 6,35% 6,15% 5,83% 5,35% 4,11% 3,90% 3,59% 3,13%
Bad -1,90% -1,29% -0,61% 0,04% -3,19% -2,92% -2,62% -2,32%
I-CPPI
Good 11,53% 11,46% 11,33% 11,09% 9,01% 8,91% 8,74% 8,43%
Mean 6,46% 6,33% 6,11% 5,78% 4,19% 4,04% 3,80% 3,45%
Bad -1,99% -1,37% -0,67% 0,00% -3,17% -2,90% -2,62% -2,36%
Tabelle 10 Chancen und Risiken von Produkten auf Basis nominaler und realer Renditen für
unterschiedliche Garantieniveaus (in % der Beiträge) für Aktienvolatilität 20%
bei höherem Zinsniveau
Auffällig und wenig überraschend ist, dass alle Werte signifikant höher sind als im ak-
tuellen Zinsniveau. Ein Vergleich mit den Werten aus Tabelle 4 zeigt insbesondere, dass
die mittleren Renditen (sowohl nominal als auch real) damals bei einer Garantie von
100% der gezahlten Beiträge höher waren als heute bei einer Garantie von nur 60%.
In Zeiten höherer Zinsen konnten höhere Garantien somit ohne signifikant nachteilige
Auswirkungen auf Chancen und Risiken angeboten werden.
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Zusätzlich zu den absoluten Höhen der Renditen betrachten wir in Tabelle 11 erneut die
Veränderungen der Renditen, die aus einer Absenkung der Garantie resultieren.
nominale Renditen reale Renditen
Änderung
Garantieniveau
100
->70
100
->90 90->80 80->70
100
->70
100
->90 90->80 80->70
Zunahme Chance 2,10% 0,81% 0,69% 0,60% 1,95% 0,74% 0,64% 0,57%
Zunahme Mean 1,18% 0,43% 0,39% 0,36% 1,05% 0,38% 0,35% 0,32%
Zunahme Risiko 0,61% 0,19% 0,20% 0,22% 0,24% 0,04% 0,08% 0,12%
Zunahme Chance 0,88% 0,48% 0,26% 0,15% 0,94% 0,51% 0,28% 0,15%
Zunahme Mean 1,00% 0,48% 0,32% 0,20% 0,98% 0,46% 0,32% 0,20%
Zunahme Risiko 1,94% 0,65% 0,69% 0,61% 0,87% 0,30% 0,30% 0,28%
Zunahme Chance 0,43% 0,24% 0,13% 0,07% 0,57% 0,31% 0,17% 0,09%
Zunahme Mean 0,68% 0,33% 0,22% 0,13% 0,74% 0,35% 0,24% 0,16%
Zunahme Risiko 1,99% 0,67% 0,70% 0,62% 0,81% 0,25% 0,28% 0,27%
Tabelle 11 Veränderung von Chancen und Risiken von Produkten auf Basis nominaler und
realer Renditen bei unterschiedlichen Garantieniveaus (in % der Beiträge) für
Aktienvolatilität 20% bei höherem Zinsniveau
Die in Tabelle 11 dargestellten Werte zeigen, dass eine Absenkung der Garantie im da-
maligen Zinsumfeld – zumindest für die dynamischen Produkte – nur relativ wenig zu-
sätzliches Renditepotenzial bewirkte. Die Zusatzrendite, die damals aus einer Absen-
kung der Garantie in 10%-Schritten (ausgehend von 100%) resultierte, ist insbesondere
geringer (bei den dynamischen Produkten sogar deutlich geringer) als die Zusatzrendite,
die im aktuellen Zinsumfeld aus einer Absenkung der Garantie in 10%-Schritten (aus-
gehend von 90%) resultiert (vgl. Tabelle 5). Das Risiko stieg hingegen real in ähnlichem
Umfang wie die Chance und nominal sogar deutlich stärker als die Chance. Daher waren
Produkte mit einer Garantie von 100% im damaligen Zinsumfeld für sicherheitsorien-
tierte Verbraucher durchaus sinnvoll, wogegen heute die Diskussion über geringere Ga-
rantieniveaus dringend geführt werden muss.
Abbildung 6 stellt die Chancen und Risiken der betrachteten Produkte bei höherem Zins-
niveau zusätzlich grafisch dar.
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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Abbildung 6 Chancen und Risiken von Produkten auf Basis nominaler und realer Renditen bei
unterschiedlichen Garantieniveaus (in % der Beiträge) für Aktienvolatilität 20%
bei höherem Zinsniveau
Abschließend möchten wir noch anmerken, dass eine Garantie von 100% der Beiträge
zwar im betrachteten höheren Zinsniveau problemlos möglich war. Im aktuellen Zinsni-
veau (und bei einem Rechnungszins von 0,25%) wäre sie hingegen in unserem Beispiel
selbst dann nicht darstellbar, wenn die Anbieter alle Kosten halbieren würden. So wich-
tig eine Diskussion über kostengünstige Produkte auch ist: Das Problem, dass hohe
Garantien nicht mehr darstellbar sind, wird primär durch das Zinsniveau ausgelöst.
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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Fazit
Wenn man die Laufzeit der Verträge variiert, so fallen alle Renditen geringer (bzw. hö-
her) aus, wenn eine kürzere (bzw. längere) Laufzeit unterstellt wird. Die Effekte, die
aus einem Absenken der Garantie resultieren, sind sehr ähnlich wie bei der ursprünglich
betrachteten Laufzeit: Nominal bewirkt ein Absenken der Garantie sowohl ein höheres
Chancenpotenzial als auch ein höheres Risiko. Real steigt das Chancenpotenzial in ähn-
lichem Umfang wie nominal, das Risiko allerdings in deutlich geringerem Umfang. Bei
einer rein nominalen Betrachtung wird das Risiko, das aus einer Absenkung von Garan-
tien resultiert, also auch hier überschätzt.
Unterstellt man ein höheres Zinsniveau, wie es Ende des Jahres 2014 vorherrschte, so
ergeben sich gänzlich andere Ergebnisse. Eine Garantie von 100% war bei diesem Zins-
niveau problemlos möglich und erlaubte dennoch vergleichsweise attraktive Renditen.
Insbesondere hätte damals ein Absenken der Garantie (ausgehend von 100%) die Chan-
cen deutlich weniger und das Risiko deutlich stärker erhöht als heute (ausgehend von
90%). Daher waren Produkte mit einer Garantie von 100% im damaligen Zinsumfeld
für sicherheitsorientierte Verbraucher durchaus sinnvoll, wogegen heute die Diskussion
über niedrigere Garantieniveaus dringend geführt werden muss.
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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6 Fazit und Bedeutung für die Praxis
Fazit
Garantieprodukte spielen in der Altersvorsorge in Deutschland eine wichtige Rolle. Pro-
dukte, bei denen man mindestens die eingezahlten Beiträge zurückbekommt, entspre-
chen dem natürlichen Wunsch vieler Verbraucher. Im aktuellen Zinsumfeld sind Garan-
tien von 100% der Beiträge allerdings kaum noch sinnvoll darstellbar.
Es ist inzwischen zwar weitgehend bekannt, dass Garantien stets – und bei niedrigen
Zinsen sogar besonders stark – die Chancen eines Produkts reduzieren. Darüber hinaus
gibt es aber weitere – weniger bekannte – Auswirkungen von Garantien auf Chancen
und Risiken von Altersvorsorgeprodukten, welche im Umfeld niedriger Zinsen besonders
relevant sind. Es wird beispielsweise üblicherweise angenommen, dass hohe Garantien
stets mehr Sicherheit bieten als geringe Garantien. Übliche Chance-Risiko-Analysen be-
stätigen dies auch. Diese betrachten aber nur nominale Werte. Für den Verbraucher
relevant ist hingegen die Kaufkraft der Leistung. Deshalb sollten bei der Beurteilung der
Wirkungsweise von Garantien auch reale, also inflationsbereinigte, Chancen und Risiken
betrachtet werden.
Da über lange Zeiträume die Gesamtrendite von Aktien eine positive Korrelation mit der
Inflation über denselben Zeitraum aufweist, sind für inflationsbereinigte Chancen und
Risiken von Garantieprodukten zwei gegenläufige Effekte zu beobachten: Eine hohe Ga-
rantie reduziert das Risiko, das aus Schwankungen der Aktienmärkte resultiert, erhöht
aber im Gegenzug das Risiko, das aus der Inflation resultiert. Eine rein nominale Be-
trachtung der Chancen und Risiken berücksichtigt allerdings nur den ersten der beiden
Effekte.
Unsere quantitativen Analysen zeigen ein sehr deutliches Muster, auch wenn die Effekte
nicht für alle betrachteten Produkte, Laufzeiten und Aktienvolatilitäten gleich stark aus-
geprägt sind: Bei nominaler Betrachtung führt eine Absenkung der Garantie stets zu
einem Anstieg der Chance und des Risikos. Das Risiko steigt dabei meist in ähnlicher
Größenordnung wie die Chance (und in vielen Fällen sogar in einem stärkeren Umfang
als die Chance). Bei realer Betrachtung steigt die Chance in ähnlichem Umfang wie no-
minal. Das reale Risiko steigt hingegen in deutlich geringerem Umfang – in manchen
Fällen (insbesondere bei geringerer Volatilität) sinkt es sogar. In solchen Fällen kann
also eine höhere Garantie die Sicherheit sogar reduzieren.
Der „Preis“ einer Garantie (also die Reduktion der Chance) ist somit real ähnlich hoch
wie nominal. Der „Nutzen“ der Garantie (also die resultierende Risikoreduktion) ist hin-
gegen real deutlich geringer als nominal. Dies belegt deutlich, dass Garantie (in Euro)
nicht dasselbe ist wie Sicherheit (in Bezug auf die Kaufkraft der Leistung). Daher muss
die Frage, welche Garantien für welche Verbraucher bedarfsgerecht sind, im aktuellen
Zinsumfeld grundlegend neu diskutiert werden.
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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Bedeutung für die Praxis und Grenzen der Übertragbarkeit der Ergebnisse in die Praxis
In einem Umfeld mit höheren Zinsen haben auch relativ hohe Garantien vergleichsweise
attraktive Renditen zugelassen. Ein Absenken der Garantie hätte bei höheren Zinsen die
Chancen deutlich weniger und das Risiko deutlich stärker erhöht als bei heutigen Zinsen.
Daher sind unsere Ergebnisse gerade im aktuellen Zinsumfeld besonders relevant für
die Praxis.
Unsere Ergebnisse zeigen sehr deutlich, wie das niedrige Zinsniveau in Kombination mit
der Unsicherheit der zukünftigen Inflation auf reale Chancen und Risiken von langfristi-
gen Sparprozessen mit Garantie wirkt. Insbesondere erhöht sich durch ein Absenken
der Garantie real die Chance deutlich stärker als das Risiko. Damit sind im aktuellen
Umfeld Produkte mit abgesenkter Garantie auch für sicherheitsorientierte Verbraucher
bedarfsgerecht. Dies ist die zentrale Erkenntnis dieser Studie, die unseres Erachtens
nicht nur für Verbraucher und deren Finanzberater relevant ist, sondern auch bei der
Diskussion von Rahmenbedingungen – insbesondere einer angemessenen Garantiehöhe
– staatlich geförderter Altersvorsorge berücksichtigt werden muss.
Sicherheitsorientierte Verbraucher sollten aber dennoch nicht komplett auf Garantien
verzichten. Neben verschiedenen psychologischen Gründen ist hierfür ein etwas kom-
plexerer Zusammenhang verantwortlich: Ausgehend von einer relativ hohen Garantie
führt eine schrittweise Absenkung der Garantie zunächst zu einer relativ starken Zu-
nahme der realen Chance. Nach und nach bringt ein weiteres Absenken der Garantie
aber immer weniger zusätzliche Chance. Umgekehrt bewirkt – wiederum ausgehend von
einer relativ hohen Garantie – ein Absenken der Garantie anfangs eher wenig oder gar
kein zusätzliches reales Risiko, bei weiterer Absenkung der Garantie steigt das Risiko
zumindest bei höherer Volatilität aber nach und nach immer stärker an. Bei hoher Vola-
tilität ist der Nutzen von wohldosierten Garantien also relativ hoch. Da man bei langfris-
tigen Sparprozessen nicht wissen kann, wie hoch die Volatilität während der Laufzeit
sein wird, sind Garantien in einer Höhe, die noch angemessene Chancen zulässt, für
sicherheitsorientierte Verbraucher durchaus sinnvoll.
Bei einer über diese beiden Erkenntnisse hinausgehenden Interpretation unserer Ergeb-
nisse sollte sich der Leser aber bewusst sein, dass die konkreten Zahlenwerte von zahl-
reichen Annahmen abhängen. Man könnte beispielsweise geneigt sein, demjenigen Ga-
rantieniveau eine besondere Bedeutung beizumessen, unterhalb dessen eine weitere
Absenkung der Garantie das Risiko stärker erhöht als die Chance. Dieser konkrete Wert
würde sich aber ändern, wenn beispielsweise eine andere Volatilität unterstellt würde
oder andere Chance- und Risikomaße verwendet werden. Daher sollten aus unseren
Analysen dezidiert keine konkreten Zahlenwerte für sinnvolle oder gar „optimale“ Ga-
rantieniveaus abgeleitet werden (zumal solche Niveaus auch von der Risikoneigung und
Risikotragfähigkeit des individuellen Verbrauchers abhängen).
Dennoch zeigen unsere Ergebnisse sehr deutlich, dass die derzeitige hohe Garantieer-
fordernis bei Riesterprodukten und in der bAV im aktuellen Zinsumfeld extrem kritisch
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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zu sehen ist. Bei einer Diskussion zukünftiger Anforderungen sollte daher unbedingt
berücksichtigt werden, dass ein (moderates) Absenken der Garantieerfordernis beim
aktuellen Zinsniveau besonders viel Renditepotenzial bewirkt und das inflationsberei-
nigte Risiko – wenn überhaupt – nur in geringem Umfang erhöht.
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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Literatur
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Kahneman, D. und Tversky, A. (1984). Choices, values, and frames. American Psy-
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Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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Anhang
In Anhang A beschreiben wir das verwendete Kapitalmarktmodell. Dabei stellen wir ei-
nerseits die Modellierung der betrachteten Anlageklassen dar und fassen andererseits
die verwendeten Parameter zusammen. Anhang B stellt die in den betrachteten Produk-
ten angenommenen Kostenparameter dar.
A Modellierung
A.I Kapitalmarktmodell und abgeleitete Anlageklassen
Kapitalmarktmodell
Die stochastische Modellierung des Kapitalmarkts basiert auf dem Modell, das im Rah-
men der Berechnungen für das Basisinformationsblatt (sog. PRIIP-KID) nach DAV
(2020a) als Branchenstandard vorgeschlagen wird. Dieses Modell wird ebenfalls bei
Chance-Risiko-Klassifizierungen durch die Produktinformationsstelle Altersvorsorge
(„PIA“) verwendet und ist beispielsweis in Graf und Korn (2020) dargestellt. In diesem
Modell werden sowohl (Nominal-)Zinsen als auch Aktienentwicklungen stochastisch mo-
delliert. Für die vorliegende Studie haben wir dieses Modell um einen stochastischen
Inflationsprozess erweitert. Dabei modellieren wir nun zunächst Inflationsraten und Re-
alzinsen stochastisch, leiten daraus Nominalzinsen ab und entwickeln hiermit schließlich
ein Modell für die Entwicklung von Aktienrenditen.
Wir verwenden folgende Ansatz für die Modellierung der Zinsen:
Die Realzinsmodellierung erfolgt wie in Graf und Korn (2020) beschrieben mithilfe
von zwei stochastischen Prozessen 𝑥(𝑡) und 𝑦(𝑡) unter Verwendung des sogenann-
ten G2++-Modells (vgl. Brigo und Mercurio, 2006).40 Für die stochastische Dynamik
von 𝑥(𝑡) und 𝑦(𝑡) gilt folglich
𝑑𝑥(𝑡) = 𝑎(𝜆𝑥 − 𝑥(𝑡))𝑑𝑡 + 𝜎𝑑𝑊𝑥(𝑡), 𝑥(0) = 0
𝑑𝑦(𝑡) = 𝑏 (𝜆𝑦 − 𝑦(𝑡)) 𝑑𝑡 + 𝜂𝑑𝑊𝑦(𝑡), 𝑦(0) = 0,
wobei 𝑊𝑥(𝑡) und 𝑊𝑦(𝑡) sogenannte Wiener-Prozesse mit instantaner Korrelation 𝜌
sind. Die Parameter 𝑎, 𝑏, 𝜎, 𝜂 beschreiben dabei die Schwankung der betrachteten
Prozesse, während 𝜆𝑥 und 𝜆𝑦 den jeweils langfristigen Erwartungswert darstellen.
Die letztgenannten Parameter werden in der Literatur zu diesem Modell häufig auch
als Risikoprämien aufgefasst und entsprechend bezeichnet.
40
Dieser Ansatz zur Zinsmodellierung entspricht dem genannten Modell der PIA. Hier werden allerdings mit
dem G2++-Modell direkt Nominalzinsen beschrieben, während eine Modellierung der Inflation nicht vor-
gesehen ist.
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Die Inflationsrate 𝑖(𝑡) wird durch einen Vasiçek-Prozess (vgl. Vasiçek, 1977) abge-
bildet und folgt somit der stochastischen Dynamik
𝑑𝑖(𝑡) = 𝑎𝑖(𝜃𝑖 − 𝑖(𝑡))𝑑𝑡 + 𝜎𝑖𝑑𝑊𝑖(𝑡), 𝑖(0) = 𝑖0,
wobei 𝑊𝑖(𝑡) einen von 𝑊𝑥(𝑡) und 𝑊𝑦(𝑡) unabhängigen Wiener-Prozess darstellt. Dabei
ist 𝜃𝑖 die langfristig erwartete Inflationsrate, während 𝑎𝑖 und 𝜎𝑖 die Schwankung der
Inflationsrate beschreiben.
Der Nominalzins, d.h. die nominale Short Rate 𝑟(𝑡) ergibt sich schließlich als Summe
aus Realzins und Inflation zu
𝑟(𝑡) = 𝑥(𝑡) + 𝑦(𝑡) + 𝑖(𝑡) + 𝜓(𝑡).
Auf Basis dieser Short rate bzw. den zugrundeliegenden Prozessen kann zu jedem Zeit-
punkt 𝑡 die gesamte (nominale) Zinsstrukturkurve ermittelt werden. Die deterministi-
sche Funktion 𝜓(𝑡) ist dabei so ausgestaltet, dass das Modell eine vorgegebene initiale
Zinsstrukturkurve treffen kann.41 Für die Spezifikation der initialen Zinsstrukturkurve
verwenden wir eine sogenannte Nelson-Siegel-Svensson-Parametrisierung, wie sie ins-
besondere von der Deutschen Bundesbank verwendet wird (vgl. Schich, 1997). Darüber
hinaus verwenden wir bei der initialen Zinsstrukturkurve ab Laufzeit 20 Jahre eine kon-
stante Spot Rate.
Aufbauend auf der Modellierung der Nominalzinsen wird die Entwicklung einer Aktie
durch ein verallgemeinertes Black-Scholes-Modell (vgl. Black und Scholes, 1973) dar-
gestellt, d.h. es gilt
𝑑𝑆(𝑡) = 𝑆(𝑡) ⋅ ((𝑟(𝑡) + 𝜆𝑆)𝑑𝑡 + 𝜎𝑆𝑑𝑊𝑆(𝑡)).
Dabei bezeichnen 𝜆𝑆 die Risikoprämie des Aktienprozesses, also die erwartete Überren-
dite über die Short Rate 𝑟(𝑡), und 𝜎𝑆 die Volatilität des Aktienprozesses. Der Wiener
Prozess 𝑊𝑆(𝑡) ist hierbei unabhängig zu den bereits eingeführten Prozessen 𝑊𝑖(𝑡), 𝑊𝑥(𝑡)
und 𝑊𝑦(𝑡).
Abgeleitete Anlageklassen
Aus dem Modell lassen sich weitere Anlageklassen ableiten. Zur Bestimmung inflations-
bereinigter Kenngrößen (vgl. Abschnitt 4.3) ist eine Modellierung eines entsprechenden
Inflationsindex notwendig. Die betrachteten Produkte (vgl. Abschnitt 4.2) erfordern zu-
dem eine Modellierung von Aktien- und Wertsicherungsfonds, sowie des klassischen Si-
cherungsvermögens.
41
Zur Spezifikation von 𝜓(𝑡) ist in Ergänzung zum G2++-Modell zur direkten Modellierung nominaler Zinsen
zusätzlich eine Anpassung aufgrund der modellierten Inflation notwendig.
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Inflationsindex
Durch Modellierung der Inflationsrate 𝑖(𝑡) erhält man den Inflationsindex (Consumer
Price Index, 𝐶𝑃𝐼(𝑡)) als 𝐶𝑃𝐼(𝑡) = 𝑒∫ 𝑖(𝑠)𝑑𝑠𝑡
0 .
Aktien- und Wertsicherungsfonds
Sowohl der betrachtete Aktien- als auch der Wertsicherungsfonds investieren in die oben
genannte Aktie des Kapitalmarktmodells. Der Wertsicherungsfonds, der bei den be-
trachteten dynamischen Hybridprodukten im zweiten Topf eingesetzt wird, weist zudem
ein monatliches Garantielevel von 80% auf.
Klassisches Sicherungsvermögen
Das klassische Sicherungsvermögen ist analog zum Vorgehen aus DAV (2020a) model-
liert. Dabei ergibt sich die Gesamtverzinsung unter Berücksichtigung des Rechnungs-
zinses als geglättete Mischung aus Aktienrenditen und den Kupons festverzinslicher
Wertpapiere.
A.II Verwendete Parameter
Kapitalmarktmodell
Für die Parameter des Kapitalmarktmodells orientieren wir uns an Graf et al. (2021).
Dort wird analog zu Graf und Korn (2020) ein Modell ohne Inflation betrachtet. Daher
passen wir die Volatilität der Realzinsen so an, dass sich im hier verwendeten Modell
unter zusätzlicher Berücksichtigung der Inflation eine vergleichbare Verteilung der No-
minalzinsen wie in Graf et al. (2021) ergibt.
Wir haben unterschiedliche Annahmen an die Volatilität der Aktie 𝜎𝑆 in Höhe von 15%
bzw. 20% getroffen.42 Die weiteren Parameter des Kapitalmarktmodells sind in Tabelle
12 zusammengefasst.
42
Im Gegensatz zur Vorgehensweise der PIA halten wir bei einer Modifikation der Volatilität die Risikoprämie
einer Aktienanlage konstant. Wir betrachten damit nicht den Effekt, der daraus resultiert, dass chancen-
reichere bzw. weniger chancenreiche Kapitalanlagen verwendet werden, sondern den Effekt, der daraus
resultiert, dass in den nächsten Jahrzehnten eine vergleichsweise hohe oder vergleichsweise niedrige Vola-
tilität an den Aktienmärkten vorherrscht.
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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Parameter Wert
Risikoprämie der Aktien 𝜆𝑆 4,00%
Risikoprämie der Short Rate für 𝑥(𝑡) 𝜆𝑥 -0,33%
Risikoprämie der Short Rate für 𝑦(𝑡) 𝜆𝑦 2,55%
Mean Reversion Speed von 𝑥(𝑡) 𝑎 39,12%
Mean Reversion Speed von 𝑦(𝑡) 𝑏 7,85%
Volatilität von 𝑥(𝑡) 𝜎 1,24%
Volatilität von 𝑦(𝑡) 𝜂 0,83%
Korrelation zwischen 𝑥(𝑡) und 𝑦(𝑡) 𝜌 -64,50%
Mean Reversion Speed von 𝑖(𝑡) 𝑎𝑖 10,00%
Volatilität von 𝑖(𝑡) 𝜎𝑖 1,00%
Langfristig erwartete Inflationsrate 𝜃𝑖 2,00%
Startwert der Inflationsrate 𝑖0 0,80%
Tabelle 12 Parametrisierung des Kapitalmarktmodells
Tabelle 13 stellt schließlich die verwendeten Annahmen zur initialen Zinsstrukturkurve
dar. Mit den Bezeichnungen aus Graf und Korn (2020) ergibt sich:
Parameter Basisszenario Zinssensitivität
𝛽0 0,27173 2,14449
𝛽1 -0,37865 -2,37645
𝛽2 -2,5003 26,11241
𝛽3 -1,43785 -29,99782
𝜏1 2,95077 1,8297
𝜏2 0,21103 1,99969
Spot Rate ab Laufzeit 20 Jahre -0,1649% 1,3176%
Tabelle 13 Parametrisierung der initialen Zinsstrukturkurve
Das Basisszenario haben wir in den Analysen in Abschnitten 4.3 und 5.1 verwendet,
während die Zinssensitivität in Abschnitt 5.2 verwendet wurde.
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Abgeleitete Anlageklassen
Aktien- und Wertsicherungsfonds
Der betrachteten Aktien- bzw. Wertsicherungsfonds investieren jeweils in die Aktie des
Kapitalmarktmodells.
Klassisches Sicherungsvermögen
Mit den Bezeichnungen aus DAV (2020a) ist das klassische Sicherungsvermögen wie
folgt parametrisiert:
Parameter Wert
Aktienrendite vor einem Jahr 𝐹(−1) 3,00%
Aktienrendite vor zwei Jahren 𝐹(−2) 3,00%
Aktienquote Ψ 10,00%
Duration 𝑑 10
Kapitalanlagekosten 𝐾 0,10%
Gesamtverzinsung im ersten Jahr 𝑔(0) 2,50%
Beteiligung der Kunden an der „Deckungsstockrendite“ 𝐵𝑄𝑀𝑖𝑛𝑑𝑍𝑉 90%
Tabelle 14 Parametrisierung des klassischen Sicherungsvermögens
Der Aktienanteil des klassischen Sicherungsvermögens investiert ebenfalls in die Aktie
des Kapitalmarktmodells.
Den Analysen in den Abschnitten 4.3 und 5.1 liegt ein Rechnungszins von 0,25% p.a.
zugrunde. Zudem werden als historische Realisierung der im Modell verwendeten Ku-
pons festverzinslicher Wertpapiere Daten aus den Kalenderjahren 1998 bis 2018 ver-
wendet. Bei der Analyse in Abschnitt 5.2 zur Zinssensitivität verwenden wir einen Rech-
nungszins von 1,25% p.a. und leiten die realisierten Kupons aus den Kalenderjahren
1993 bis 2013 ab.
Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse
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B Kostenparameter der betrachteten Produkte
In unseren Analysen haben wir ein statisches und ein dynamisches Hybridprodukt sowie
ein I-CPPI-Produkt betrachtet (vgl. Abschnitt 4.2).
Tabelle 15 fasst die verwendeten Kosten der Produkte zusammen:
Parameter Hybridprodukte I-CPPI-Produkt
Abschlusskosten (in % der Beitragssumme) 2,5% 0,0%
Verteilung der Abschlusskosten über 5 Jahre –
Kosten in % des Beitrags 5% 5%
Volumenabhängige Kosten in % des Gutha-bens (p.a.) für die Anlage im klassischen Sicherungsvermögen / risikolose Anlage
0,4% 0,5%
Volumenabhängige Kosten in % des Gutha-bens (p.a.) für die Anlage im Wertsiche-
rungsfonds und freien Fonds
1,2% 1,4%
Tabelle 15 Kosten der betrachteten Produkte
Wir haben das I-CPPI-Produkt zusätzlich unter der Annahme der Kosten für die Hybrid-
produkte analysiert. Die Ergebnisse waren sehr ähnlich, sodass wir im Hauptteil der
Studie auf eine Darstellung dieser Ergebnisse verzichtet haben.