axel praefcke – ein leben für die 1950er

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Fast überall hat unweigerlich die Moderne Einzug gehal- ten, aber es gibt sie noch, die ungebrochenen Traditio- nalisten: In Berlin sitzt Axel Praefcke, der die Vergangenheit in die Gegenwart bringen will. Es sind diese kurzen Augenblicke, in denen man einen Einblick in eine Szene erhascht, die einem von außen nur wie eine undurchdringliche Scheinwelt vorkommt. Bei einem Schulausflug auf einem Rummelplatz hat Praefcke als Zehnjähriger ein Elvis-Poster gesehen, an einem Schießstand. Den kannte er zwar noch nicht, wusste aber, dass er es haben musste – und blieb so lange, bis er das Poster gewonnen hatte. Sein Vater erklärte ihm, wer das war, spielte ihm seine alten Tonbänder vor, mit „Jailhouse Rock“. Axel Praefcke kam eigentlich über die Ästhetik zu Rock’n’Roll, blieb dann bei der Musik hängen, die ihn gleichermaßen begeisterte. Seit 1994 hat sich Praefcke ganz dem Rock’n’Roll verschrieben, den letzten „normalen“ Job gekündigt. Mittlerweile hat alles, was Praefcke macht, mit Rock’n’Roll zu tun; der Enddreißiger spielt im Moment INTERVIEWS 104 grand gtrs Cherry Casino & The Gamblers live im Februar 2012: Gitarrist Axel Praefcke alias Cherry Casino, 3. v. links Axel Praefcke – Ein Leben für die 1950er Axel Praefcke lebt die Rock’n’Roll-Vergangenheit: Mit seinen Bands Cherry Casino & The Gamblers, The Round Up Boys und Ike & The Capers sowie seinem „Lightning Recorders“-Tonstudio zeigt er, dass man sich nicht jedem modernen Trend ergeben muss – sondern auch dem ganz eigenen folgen kann. Von Nicolay Ketterer. Fotos: A. Praefcke

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Fast überall hat unweigerlich die Moderne Einzug gehal-ten, aber es gibt sie noch, die ungebrochenen Traditio-nalisten: In Berlin sitzt Axel Praefcke, der dieVergangenheit in die Gegenwart bringen will. Es sinddiese kurzen Augenblicke, in denen man einen Einblickin eine Szene erhascht, die einem von außen nur wieeine undurchdringliche Scheinwelt vorkommt.

Bei einem Schulausflug auf einem Rummelplatz hatPraef cke als Zehnjähriger ein Elvis-Poster gesehen, aneinem Schießstand. Den kannte er zwar noch nicht,

wusste aber, dass er es haben musste – und blieb so lange,bis er das Poster gewonnen hatte. Sein Vater erklärteihm, wer das war, spielte ihm seine alten Tonbänder vor,mit „Jailhouse Rock“. Axel Praefcke kam eigentlich überdie Ästhetik zu Rock’n’Roll, blieb dann bei der Musikhängen, die ihn gleichermaßen begeisterte. Seit 1994 hatsich Praefcke ganz dem Rock’n’Roll verschrieben, denletzten „normalen“ Job gekündigt.

Mittlerweile hat alles, was Praefcke macht, mitRock’n’Roll zu tun; der Enddreißiger spielt im Moment

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Cherry Casino & The Gamblers live imFebruar 2012: Gitarrist Axel Praefckealias Cherry Casino, 3. v. links

Axel Praefcke – Ein Leben für die 1950erAxel Praefcke lebt die Rock’n’Roll-Vergangenheit: Mit seinen Bands Cherry Casino & The Gamblers,The Round Up Boys und Ike & The Capers sowie seinem „Lightning Recorders“-Tonstudio zeigt er, dassman sich nicht jedem modernen Trend ergeben muss – sondern auch dem ganz eigenen folgen kann.Von Nicolay Ketterer. Fotos: A. Praefcke

in drei Rock’n’Roll-Bands und betreibt ein Tonstudio, das„Lightning Recorders“, entwirft Cover-Grafiken für La-bels, dazu verdingt er sich als Songwriter. Der Mann mitder Berliner Schnauze ist vorsichtig und zurückhaltend,bis er sich in seinem Element befindet. Er redet vom„Rock’n’Roll“, redet sich in Fahrt, nimmt Tempo auf – sowie die Musik selbst.

Im Nachhinein fand der Vater das gut, dass er – als Ju-gendlicher in den frühen 1980ern – nicht Pop oder Punk,die unmögliche Musik in den Augen der Eltern, hörte.Seine Mutter war Friseurin, hat sich um die entspre-chende Rock’n’Roll-Frisur gekümmert, die passendeElvis-Tolle.

„Wenn mein Vater über Rock’n’Roll redet, meint er ei-gentlich die 1960er mit den Beatles und den Rolling Sto-nes. Meine Interessen lagen früher, in den 1950er Jahren.“Ihn begeisterten vor allem die rauen Anfänge, der Ur-sprung des Rock’n’Roll, damals, als meist noch Kontra-bass statt E-Bass auf den Bühnen Einzug hielt.

Der Gitarrist und Sänger will den Anfängen nachgehen,grenzt sich ab von Surf-Musik und Beat. „Die Musik, diewir selbst auf der Bühne spielen, hätten wir gerne so, wiees damals gemacht wurde: mit wenig Technik, ohne Um-wege. Nach Möglichkeit noch mit authentischen Instru-menten – alte Gitarren, alte Schlagzeuge mit Naturfellen,alte Mikrofone.“ Das sei nicht immer umsetzbar, aberwenn sie mit ihrer eigenen Anlage unterwegs sind, funk-tioniere es ganz gut.

Die 2003 gegründete Band Cherry Casino & The Gamb-lers, bei der Praefcke Gitarre spielt und singt, liefert dieswing- und blueslastige Variante von Rock’n’Roll, orien-tiert am Rhythm & Blues der 1950er, mit Saxofon, so, wieihn Arthur Crudup und Big Joe Turner geprägt haben.Seine beiden anderen Formationen teilen sich das Perso-nal. Ike & The Capers existiert seit 1995, ist die ältesteTruppe: Das Trio beleuchtet die Ursprünge von Rockabillyim Stile von Elvis Presley, ganz am Anfang, mit zwei Be-gleitmusikern an Kontrabass und E-Gitarre. Folglich nen-nen Ike & The Capers ihre Show auch die „Elvis, Scotty& Bill Show“, als Reminiszenz an die Elvis-BegleiterScotty Moore und Bill Black. Als Folge entstanden einJahr später noch die Round Up Boys, die sich dem späte-ren Rockabilly widmen, mit Schlagzeug. Oft spielen sieim Doppelpack, bei manchen Rock’n’Roll-Shows tretengar alle drei Formationen an, da spielt Axel Praefcke danndrei Gigs am Abend.

Am Wochenende war er in Schweden, für Konzerte amFreitag und Samstag. Zuerst ein Club-Gig mit Cherry Ca-sino & The Gamblers, am nächsten Tag ein größeres Fes-tival, das 20. „Live & Jive Festival“ in Katrinenholm, mitzehn Bands auf zwei Bühnen. Sie haben schon das erste

Festival gespielt, zum Jubiläum sollten Cherry Casino &The Gamblers und die Round Up Boys wieder mit dabeisein. Sie sind oft in Europa unterwegs, manchmal auchin den USA. 2011 hat er Wanda Jackson als Gitarrist beieinem Auftritt begleitet, eine einmalige Gelegenheit. Die„Let’s Have A Party“-Sängerin hat großen Wert auf Detailsgelegt, das fand er klasse.

Die Band benutzt bei Club-Gigs ihre kleine Gesangsan-lage als PA, mit 250 Watt. Sie verstärken den Gesang,platzieren auf der Bühne noch zwei Mikrofone linksund rechts, „Ambient-Mikrofone“, wie er sie nennt, dieden „Raumklang“ der Band, das Ambiente, einfangen.In den 1950er Jahren wurde meist nur der Gesang aufder Bühne verstärkt. Die Mikrofonierung dient der Un-terstützung des Gesamtsounds, die Mikrofone könnenaufgrund von Rückkopplungen nur in Grenzen ver-stärkt werden. „Die Leute waren damals noch andereLautstärken gewohnt.“ Sie verwenden alte dynamischeElectro-Voice 664-Mikrofone aus den 1950ern. Wennsie auf größeren Bühnen mit Monitoren spielen, setzensie Electro-Voice RE-10 oder RE-15 aus den 1960ernein, die sind etwas unempfindlicher gegen Rückkopp-lungen. Für Praefcke gilt: So nah am Original wie mög-lich, so modern wie nötig.

„Der Saxofonist von ‚Cherry Casino & The Gamblers‘stellt sich immer in die Nähe eines der beiden Mikro-fone und hat es dadurch selbst in der Hand, wie laut eram Ende ist.“ Die Live-Umsetzung ist auch typisch fürdie Positionierung in den Studios damals, wo die Mu-siker „gestaffelt“ aufgestellt wurden hinter das oder dieHauptmikrofone, um die gewünschte Lautstärke undRäumlichkeit zu erzeugen. Sie richten die beiden Mi-krofone je nach Club aus, passen die Positionierung andie Frequenzwiedergabe vor Ort an: „Manche Räumehaben eine reduzierte Basswiedergabe, dann drehenwir die Mikros mehr zum Bassverstärker hin – oderumgekehrt.“

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Mit den Round Up Boys beim „Rockabilly Rave“:Axel Praefcke spielt Kontrabass (links)

Projektion auf der BühneFrüher waren Konzertsäle so konzipiert,den Klang von der Bühne zu projizieren– etwa in Amphitheatern, wo Schauspie-ler selbst bei leisen Passagen noch in denletzten Reihen zu hören sein sollten,oder im Theater, in der Oper, wo Solis-ten ohne Verstärkung präsent ankom-men sollten, der Zuschauerraum warbedämpft. Moderne Clubs sind opti-miert für aktuelle Anforderungen, dasei es beinahe umgekehrt. „Die Bühneist sehr bedämpft, damit die Instru-mente gut mikrofonierbar sind mitmöglichst wenig Übersprechungen.“Der Zuschauerraum klinge dagegenlebendig. Da müssen sie dann Kom-promisse machen. „Wenn der Raumzu tot ist, hängen wir manchmalnoch Overheads übers Schlagzeug.“Manche Techniker könnten damitnichts anfangen können, mit wenigMikros viel Sound zu machen, er-zählt Praefcke, nicht zuletzt, weildamit die üblichen Lautstärkennicht erreicht werden. In dem Mo-ment sei, anstatt einen passendenSound zu haben, die Lautstärkewichtiger – das sei nicht immer

leicht zu vermitteln. „Viele Leute haben sich daran ge-wöhnt, Lautstärke mit Qualität gleichzusetzen.“ DieRock’n’Roll-Fans, die an der Epoche interessiert sind,würden sich jedoch auch auf die damaligen Gegebenhei-ten einlassen, meint er.

„Lightning Recording Services“-StudioDie Idee mit ihrem eigenen Studio kam schleichend, er-zählt er, aber dafür umso nachhaltiger. „Als wir selbstmit der alten Musik angefangen haben, suchten wir diepassenden Mikros.“ Auf Flohmärkten fanden sie die dieersten Raritäten, in Paris. Eine Bandmaschine kamdazu, dann die zweite, für einen Bandecho-Effekt. Vonden dynamischen Mikrofonen haben sie sich langsamzur Studiotechnik vorgearbeitet, mit alten RCA- undWestern-Electric-Bändchen-Mikrofonen. Da war derTraum, die eigene Musik, die sie so authentisch wiemöglich machen wollten, auch passend aufzunehmen.Der Probenraum wurde umgebaut, mit Kontrollraumund optimierter Raumakustik.

Heute verwenden sie professionelle alte Bandmaschinen,eine Telefunken M-10- und eine M-15A. Es gibt fast keinePost Production, nur eine Live-Stereoaufnahme oder al-ternativ maximal eine Achtspur-Aufnahme, für einenLive-Track plus ein paar Overdubs. Für das Studio habensie ein Röhren-Mischpult angeschafft, eine Sonderanfer-tigung der Berliner Firma Tigris Elektronik nach ihrenVorgaben. Mittlerweile nehmen sie alle möglichen Bands

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Alte Instrumente gehören dazu: eine 1954er Gretsch „Duo-Jet“ samt1960er Jahre Schaller Amp

Gibson 1956er „Les Paul Goldtop“ Re-Issue mit P-90-Pickups

Stilechte 1950er Jahre Autogrammkarte: Cherry Casino

auf, die den klassischen 1950er Jahre Sound suchen.Durch Trennwände, die etwa 1,50 Meter hoch sind, teilensie sich Räume und Nischen ab in dem großen Raum, wiefrüher in den großen Studios der Labels, bei Capitol oderColumbia Records, bilden Räume im Raum. Die Raum-akustik haben sie optimiert, die Nachhallzeit sei mit zweiSekunden recht deutlich. „Das kommt bei der Aufnahmenicht als deutlicher Effekt zur Geltung. Am Ende klingtes immer noch direkt, aber nicht tot.“

Die Übersprechungen auf dem Gesangsmikrofon, dasvorne steht, sind ein Teil des Sounds, sie bedeuten auchKlang, sagt er. Abbey Road wurde schließlich so gebaut,um Übersprechungen sinnvoll nutzbar zu machen. Ernennt „Twist And Shout“ als Beispiel, die Räumlichkeit,die Laufzeitverzögerung der Becken, das sei klasse. Frü-her sei eine Vision vom Endergebnis nötig gewesen, ein-fach, weil auch wenig Spuren vorhanden waren.

Die allerersten Live-Übertragungen im Radio waren demgleichen Konzept geschuldet – eine Feldaufnahme, einGesamtmitschnitt. So arbeiten sie auch in ihrem „Light-ning Records“-Studio – mit Weniger mehr machen, sagter, „sodass die Dynamik der Band erhalten bleibt.“ Bei mo-dernen Abnahmen habe etwa der Schlagzeuger wenigerEinfluss auf die Spieldynamik, die entstehe am Mischpult.Bei dem minimalistischen Ansatz der 1950er müsse derSchlagzeuger die Entscheidungen selbst fällen, wie seinSchlagzeug effektvoll innerhalb der Gruppe klingt, Be-

cken, Snare und Bassdrum im Gesamtkontext ausbalan-cieren. Die Dynamik der Aufnahme wird vorher mit denMusikern abgeklärt. „Die Musiker müssen darauf achten,sich an die besprochenen Levels zu halten.“

GitarrenDer Minimalismus gilt auch für seine Gitarre; direkt inden Verstärker, ohne Effektpedale und Verzerrer, die esdamals auch nicht gab. Das Einzige, was er für mancheSongs benutzt, ist ein Echoplex, ein röhrenbetriebenesBandecho aus den frühen 1960ern. „Das war das ersteportable Echo-Gerät.“ Davor gab es nur ein Binson „Echo-rette“, ein Scheiben-Echo, das in Italien seit Ende der1950er gebaut wird, aber das sei nicht bühnentauglich,erzählt er, sondern wurde nur bei Aufnahmen eingesetzt.Zu seinen Gitarren zählen eine 1954er Gretsch „Duo Jet“,passend zu seiner Lieblingsdekade. Die hat er vor sechsJahren von einem Freund gekauft. „Ich hatte mich in dasgute Stück verliebt.“ Eine 1956er Gibson Les Paul V.O.S.Re-Issue besitzt er, weil er immer schon eine Gitarre mitP-90-Tonabnehmern haben wollte. Unter den älteren Sel-tenheiten findet sich dann noch eine Bigsby „Standard“aus den 1950ern. Als Allrounder nutzt er eine Telecaster.Die ist neu, er hat sie aus Teilen zusammengebaut, mitleichtem Korpus und passendem Hals. Wenn sie mit derBand fliegen, nimmt er oft die Tele mit, weil sie robustund klein ist, da könne nichts passieren. Eine 60 Jahrealte Gitarre mitzunehmen und die als Gepäckstück auf-zugeben, wäre eher ungünstig. Zur Not könne er die zweiStücke auseinanderschrauben, Hals und Korpus getrenntmitnehmen, da wären die Fluggesellschaften inzwischenrecht kleinlich. Eine große Gibson L-5 Halbakustik sollirgendwann noch her, aber da muss er wohl noch ein biss-chen sparen, meint er.

Sein Haupt-Amp ist ein Gibson „Ranger“ von 1959, einkleiner Tweed-Amp mit 15, 16 Watt. Er spielt mit denRöhren herum, mit den Vorstufenröhrentypen, um im je-weiligen Club die Lautstärke anzupassen. Der Amp hatimmer seine Grundlautstärke, in der er funktioniert.Wenn Praefcke zwischen 12AX7, 12AU7 und 12AT7 wech-selt, ändert sich die Sättigung der Vorstufe und entspre-chend auch die Gesamtlautstärke.

Unprätentiöse ZeitreiseCherry Casino & The Gamblers klingen entsprechendzeitlos und unprätentiös nach der damaligen Zeit. DasAlbum „Fat Mama’s Daugther“ beispielsweise klingt so,als wäre es seiner Epoche entsprungen, inmitten der Zeitvon Fats Domino und Bill Haley, ohne den bewussten Ver-such offensichtlich werden zu lassen. Die Round Up Boyszeigen, wie lebendig und kraftvoll Rockabilly eigentlichgespielt sein kann, wie viel Energie die Musik zu vermit-teln mag, wenn man ihr die Verklärung des Zeitkoloritsnimmt, die die oftmals „zahmen“, fast Schlager-artigenVersionen inkonsequenter Nachahmer mit sich bringen.

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Alte Seltenheit: Eine Bigsby „Standard“ aus den 1950ern

Praefcke schreibt eigene Songs für die Bands. Man wollenicht immer covern, durch den Vergleich sei man auto-matisch angreifbar, schließlich könne man es nicht jedemrecht machen. „Es ist auch besser für die Musikszene ansich, wenn frische Songs da sind.“ Mit eigenen Songs ver-dienen sie auch noch mal Geld. Zum Lebensunterhaltreicht es natürlich alleine nicht, aber es hilft mit, die Lei-denschaft zu finanzieren.

FilmmusikMit Cherry Casino & The Gamblers hat Praefcke kürzlichauch Filmmusik geliefert. Waren in den 1950er Jahrenbillig produzierte Horror-Science-Fiction-Filme in denUSA populär, so versuchte sich Regisseur Martin Falter-meyer kürzlich an einer entsprechenden Adaption; in sei-nem Film „Zombies From Outer Space“ wird Bayern inden 1950er Jahren von Außerirdischen heimgesucht.Dazu wollte Faltermeyer eine Band mit authentischemSound, die in das Szenario von 1957 passt und das einfacham Filmset umsetzen konnte. Die Band fungierte als Bar-Band in der Kneipe, hat die Hintergrundmusik live ein-gespielt, mit Mikrofonen am Set.

Rockabilly & Rock’n’Roll-RevivalsMusikhistorisch existierte Rockabilly nur knapp zweiJahre, als Carl Perkins und Elvis Presley ihn berühmtmachten. So wie „Rock’n’Roll“ ursprünglich als Slang-Ausdruck für Sex stand, war Rockabilly ein Ausdruck fürTanzen, Feiern gehen. Als Presley Ende 1955 von Sun Re-cords zum Major-Label RCA wechselte, wollte die Firmaeinen massenkompatibleren Sound: Der ursprünglicheRockabilly mit Akustikgitarre, E-Gitarre und Kontrabass,wie ihn Ike & The Capers propagieren, wurde schnell er-weitert, mit Schlagzeug, Chor, Klavier und Saxofon, hinzum Mainstream-Rock’n’Roll.

Bereits in den 1960ern kamen kleinere Rock’n’Roll-Revi-vals auf, die alten Helden wie Chuck Berry und Bill Haleywaren noch auf Tour. Gegen Ende des Jahrzehnts ent-stand das „Teddyboy-Rock’n’Roll“-Revival, eine gefälligeMitklopf- und Schunkel-Version etwa von „Crazy Kevin“,

mit zeitgemäßen Einflüssen wie E-Bass statt Kontrabassumgesetzt.

In den 1980ern entstand Neo-Rockabilly mit modernemSound. Die Songs wurden authentisch nachgespielt,nur mit zeitgemäßem Sound und schnellen Hardrock-Gitarren-Licks, wie etwa bei den Stray Cats. Psychobillyentsprang dem Revival, die fratzenartige, überzeichneteNeo-Rockabilly-Version mit Tätowierungen undSchmuck, neonfarbenen Punkfrisuren, geslaptem Kon-trabass, abgewetzten Jeans und Springerstiefeln. DieMusikrichtung kombiniert Punk und Rockabilly;schnell und hart gespielte, gehetzte Punkmusik, mitEcho auf der Gitarre gespielt und Rock’n’Roll-Struktu-ren aus den 1950ern.

Abgeschlossene EpocheDie Rock’n’Roll-Epoche ist unwiederbringlich vorbei,seine Aufgabe sieht Praefcke darin, dass sie nicht in Ver-gessenheit gerät. Das sei der kleine Unterschied davon,kein Abziehbild von den Ursprungsjahren zu sein, son-dern ihnen Leben einzuhauchen. Es ist ihm auch wichtig,dass der Begriff nicht verklärt wird. Das perfekte Beispielfür Rockabilly sei beispielsweise „Blue Suede Shoes“ –Country ohne Steelgitarre, Rhythm’n’Blues ohne Klavier.„Wenn Dick Brave einen Rockabilly-Song macht, dannmit Klavier, Schubi-Dubi-Chor, und das wird immer nochals Rockabilly vermarktet.“ Praefcke würde sich wün-schen, das Publikum würde das differenzierter vermitteltbekommen. „Die Sache ist damals passiert und die pas-siert heute einfach nicht mehr, es sei denn, man machtsie genauso.“ Rock’n’Roll sei nicht perfektionierbar, so wiesich ein Hammer nie weiterentwickelt hat, weil er seineAufgabe perfekt erfüllt hat. „Alles, was passiert ist, um denRock’n’Roll zu perfektionieren, mündete darin, dass Surfund Psychedelic Rock daraus wurde.“

Dass er keine Lust auf Weiterentwicklung hat, kann manihm vorwerfen. Das ist gleichzeitig sein Alleinstellungs-merkmal; würden sich seine Bands nicht stiltreu bleiben,würde die kleine Rock’n’Roll-Gemeinde das Interessedaran verlieren. Jedes Wochenende spielt er, freitags undsamstags. Sie versuchen, ein, zwei Mal im Jahr eine aus-gedehntere Tournee zu machen, zwei bis drei Wochen. DieRock’n’Roll-Gemeinde ist verschworen, ge-, nicht ver-schlossen, man kennt sich, unterstützt sich gegenseitig.

Die Anpassung an den Zeitgeist, die ständige Verände-rung, bleibt ihm dadurch erspart. So wie heutige Musiker,die Trends hinterherrennen, um relevant zu bleiben unddabei vielleicht gar nicht mehr zu sich selbst fänden,meint er. Es gehe auch anders – Blues-Musiker wie BigJoe Turner seien ein gutes Beispiel für Musiker, die ihrLeben lang nichts anderes gemacht haben als die ur-sprüngliche Musik, die ihnen gefiel. Praefcke wartet lieberdarauf, dass der Trend wieder ihn erwischt als umgekehrt,meint er zufrieden. �

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Blick aus dem Kontrollraum

www.cherry-casino.dewww.theroundupboys.de www.ikeandthecapers.de www.lrs-berlin.com

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