bauhausstadt die zeitung zur ausstellung

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bauhausstadt zeitung zur ausstellung im bauhaus dessau 6. dezember 2009 bis 7. märz 2010 Editorial 4. Dezember 1926. Eröffnung des Bau- hausgebäudes. Markiert dieses Datum den hoffnungsvollen Beginn einer au- ßergewöhnlichen Liaison zwischen der aufstrebenden Industriestadt und der wichtigsten Gestaltungshochschule des 20. Jahrhunderts? Selbst in Dessau empfand manch einer das Bauhaus als einen elitären Fremdkörper. Gleich- wohl gehörte es für viele bereits nach wenigen Jahren zum Kernbestand städ- tischer Identität. Und das ist auch nicht überraschend: Als ein Bündnis aus Politik (Fritz Hesse), Kultur (Ludwig Grote) und Wirtschaft (Hugo Junkers) das Bauhaus nach Dessau holte, woll- te man mit ihm eine progressive Mo- dernisierung der boomenden Indust- riestadt initiieren und gestalten. Auch wenn manche Ziele nicht in Erfüllung gingen, entfaltete sich das Bauhaus hier zur vollen Blüte und wirkte auf viel- fältige Weise in die Stadt hinein. Aber bereits nach sieben Jahren war Schluss mit dieser engen Allianz. Die NSDAP gewann 1932 auch mit ihren Angriffen auf das Bauhaus die Wahlen in Anhalt und die Schule der Moderne wurde aus der Stadt verdrängt. Erst mit der Wie- dereröffnung des Gebäudes im Jahr 1976 stellte sich eine Frage aufs Neue, die gerade in letzter Zeit wieder akut geworden ist: Welche Rolle spielt das Bauhaus für die Stadt und die Stadt für das Bauhaus? Dem wollen wir mit dieser Zeitung, der Ausstellung und einem breiten Veranstaltungsprogramm nachgehen. Dies alles entstand inner- halb weniger Wochen, ist skizzenhaft und soll ein städtisches Gespräch entfa- chen. Über jede Form der Teilnahme – ob zustimmend oder kritisch – würden wir uns freuen. PHILIPP OSWALT Ist Dessau-Roßlau eine Bauhaus- stadt? Für den internationalen Besucher mutet die Frage seltsam an, denn es ist vor allem das weltweit bekannte Bau- haus, für das sich architekturbegeisterte Touristen hierher begeben. Dabei war die Stadt nur kurze Zeit ein progressi- ver Nährboden für die Etablierung der international renommierten Avantgar- deschule. Während die Bauhausmeis- ter und -Schüler diesen Ort mit in die Welt nahmen, nach Cambridge, Chica- go, Moskau oder Mexiko City, erfuhr das Bauhaus in Dessau unterschiedlichs- te Nutzungen; als Hausfrauenschule, Krankenhaus, Berufsschule, Museum und Kulturort. Mit der turbulenten Nutzungsgeschichte hat sich auch die Bedeutung des Gebäudes verändert: Viele Dessauer kennen das Bauhaus als Schule, hier haben sie einen Beruf als technischer Zeichner oder Kranken- schwester erlernt. Heute steht die Ikone der Moder- ne auf der Unesco-Welterbeliste und ist eine Pilgerstätte für Architekturfans. Meist beschränkt sich deren Besuch al- lerdings auf die Westseite des Bahnhofs, nur wenige verirren sich auf die andere Seite und suchen dann vergebens das Stadtzentrum. Dessau-Roßlau, vielfach zerstört und wiederaufgebaut, hat heute mit den Folgen des Zusammenbruchs der Industrie und den damit verbunde- nen Abwanderungsprozessen zu kämp- fen. Offensichtlich existiert inzwischen eine Kluft zwischen der schrumpfenden Stadt und dem weltberühmten Bauhaus. Zugleich ist man sich aber in Dessau- Roßlau einig, dass eine Pro�lierung der Stadt nach innen wie nach außen nur mit dem Bauhaus gelingen kann. Die Bauten der klassischen Moderne allein machen jedoch noch keine Bauhausstadt. Ist das Bauhaus als Marke vielleicht n eine Nummer zu groß für Dessau? Die Ausstellung „Bauhausstadt“ hat die Suche Dessau-Roßlaus nach einem plausiblen Leitbild zum Anlass genom- men, das Verhältnis zwischen Bauhaus und Stadt in drei Zeitabschnitten ge- nauer auszuleuchten. Drei Perioden wurden gewählt, die Umbrüche mar- kieren und in denen dem Bauhaus als Motor, als Katalysator und als Referenz für den städtischen Wandel eine be- sondere Rolle zukam. Richtet man die Perspektive auf das Bauhaus in der an- haltischen Residenzstadt, dann entdeckt man, wie viel das Bauhaus zur Trans- formation Dessau-Roßlaus hin zu einer modernen Industriestadt beigetragen hat. Die Neugründung des Bauhauses als Zentrum für Gestaltung in den 1980er Jahren fand in einem Klima der kultu- rellen Öffnung der späten DDR statt: Im Spagat zwischen staatlicher Indienst- nahme und kritischer Kulturszene wurde das Bauhaus eine Referenz für Offenheit und Experimentiergeist. Und schließlich diskutiert Dessau-Roßlau heute über die „Bauhausstadt“ als Leitbild. Zwischen Bauhaus und Stadt existier- te immer auch ein Spannungsverhältnis. Kritische Praxis und die Lust am Ex- periment konnten die Stadt beflügeln, führten aber auch zu Abstoßungen und Blockaden. So versteht sich die Ausstellung als Beitrag zur städtischen Selbstverständi- gung; es gibt vielfältige lokale Bauhaus- bezüge in Dessau-Roßlau, die mit dem ikonischen Welterbe zu vermitteln sind, will die Bauhausstadt auch Legitimität vor Ort �nden. Aber dessen Ankunft in Dessau-Roßlau ist nur gegeben, wenn die kleine Großstadt aus der eigenen Geschichte lernt: Schließlich lagen Welt- geltung und Provinzialität in Dessau im- mer im Zwist miteinander. Dessau-Roßlau erbt modern Die Ausstellung im Bauhaus zeigt, wie die Stadt zwischen Vergangenheit und Zukunft nach einer neuen Identität sucht VON REGINA BITTNER Fritz Hesse im Interview Dessaus legendärer Oberbürgermeister erzählt, wie er den Grundstein für die Bauhausstadt gelegt hat. Seite 4 Eine Frage der Kultur Die Doppelstadt debattiert über dörf- liche Brunnen, Parkplätze und ange- strahlte Häuserfassaden. Walter Prigge vermisst eine Kultur der Stadt. Seite 5 Paradies Dessau Livia Meyer-Klee verbrachte ihre ersten Lebensjahre in der Meisterhaussiedlung. Seite 6 Collage: Tobias Steinert, 2009

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BauhausstadtAusstellung im Bauhaus Dessau5. Dezember 2009 bis 7. März 2010

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Page 1: bauhausstadt  die zeitung zur ausstellung

bauhausstadtzeitung zur ausstellung im bauhaus dessau 6. dezember 2009 bis 7. märz 2010

Editorial4. Dezember 1926. Eröffnung des Bau-hausgebäudes. Markiert dieses Datum den hoffnungsvollen Beginn einer au-ßergewöhnlichen Liaison zwischen der aufstrebenden Industriestadt und der wichtigsten Gestaltungshochschule des 20. Jahrhunderts? Selbst in Dessau empfand manch einer das Bauhaus als einen elitären Fremdkörper. Gleich-wohl gehörte es für viele bereits nach wenigen Jahren zum Kernbestand städ-tischer Identität. Und das ist auch nicht überraschend: Als ein Bündnis aus Politik (Fritz Hesse), Kultur (Ludwig Grote) und Wirtschaft (Hugo Junkers) das Bauhaus nach Dessau holte, woll-te man mit ihm eine progressive Mo-dernisierung der boomenden Indust-riestadt initiieren und gestalten. Auch wenn manche Ziele nicht in Erfüllung gingen, entfaltete sich das Bauhaus hier zur vollen Blüte und wirkte auf viel-fältige Weise in die Stadt hinein. Aber bereits nach sieben Jahren war Schluss mit dieser engen Allianz. Die NSDAP gewann 1932 auch mit ihren Angriffen auf das Bauhaus die Wahlen in Anhalt und die Schule der Moderne wurde aus der Stadt verdrängt. Erst mit der Wie-dereröffnung des Gebäudes im Jahr 1976 stellte sich eine Frage aufs Neue, die gerade in letzter Zeit wieder akut geworden ist: Welche Rolle spielt das Bauhaus für die Stadt und die Stadt für das Bauhaus? Dem wollen wir mit dieser Zeitung, der Ausstellung und einem breiten Veranstaltungsprogramm nachgehen. Dies alles entstand inner-halb weniger Wochen, ist skizzenhaft und soll ein städtisches Gespräch entfa-chen. Über jede Form der Teilnahme – ob zustimmend oder kritisch – würden wir uns freuen. PhiliPP Oswalt

Ist Dessau-Roßlau eine Bauhaus-stadt? Für den internationalen Besucher mutet die Frage seltsam an, denn es ist vor allem das weltweit bekannte Bau-haus, für das sich architekturbegeisterte Touristen hierher begeben. Dabei war die Stadt nur kurze Zeit ein progressi-ver Nährboden für die Etablierung der international renommierten Avantgar-deschule. Während die Bauhausmeis-ter und -Schüler diesen Ort mit in die Welt nahmen, nach Cambridge, Chica-go, Moskau oder Mexiko City, erfuhr das Bauhaus in Dessau unterschiedlichs-te Nutzungen; als Hausfrauenschule, Krankenhaus, Berufsschule, Museum und Kulturort. Mit der turbulenten Nutzungsgeschichte hat sich auch die Bedeutung des Gebäudes verändert: Viele Dessauer kennen das Bauhaus als Schule, hier haben sie einen Beruf als technischer Zeichner oder Kranken-schwester erlernt.

Heute steht die Ikone der Moder-ne auf der Unesco-Welterbeliste und ist eine Pilgerstätte für Architekturfans. Meist beschränkt sich deren Besuch al-lerdings auf die Westseite des Bahnhofs, nur wenige verirren sich auf die andere Seite und suchen dann vergebens das

Stadtzentrum. Dessau-Roßlau, vielfach zerstört und wiederaufgebaut, hat heute mit den Folgen des Zusammenbruchs der Industrie und den damit verbunde-nen Abwanderungsprozessen zu kämp-fen. Offensichtlich existiert inzwischen eine Kluft zwischen der schrumpfenden Stadt und dem weltberühmten Bauhaus. Zugleich ist man sich aber in Dessau-Roßlau einig, dass eine Pro�lierung der Stadt nach innen wie nach außen nur mit dem Bauhaus gelingen kann. Die Bauten der klassischen Moderne allein machen jedoch noch keine Bauhausstadt. Ist das Bauhaus als Marke vielleicht n eine Nummer zu groß für Dessau?

Die Ausstellung „Bauhausstadt“ hat die Suche Dessau-Roßlaus nach einem plausiblen Leitbild zum Anlass genom-men, das Verhältnis zwischen Bauhaus und Stadt in drei Zeitabschnitten ge-nauer auszuleuchten. Drei Perioden wurden gewählt, die Umbrüche mar-kieren und in denen dem Bauhaus als Motor, als Katalysator und als Referenz für den städtischen Wandel eine be-sondere Rolle zukam. Richtet man die Perspektive auf das Bauhaus in der an-haltischen Residenzstadt, dann entdeckt man, wie viel das Bauhaus zur Trans-

formation Dessau-Roßlaus hin zu einer modernen Industriestadt beigetragen hat. Die Neugründung des Bauhauses als Zentrum für Gestaltung in den 1980er Jahren fand in einem Klima der kultu-rellen Öffnung der späten DDR statt: Im Spagat zwischen staatlicher Indienst-nahme und kritischer Kulturszene wurde das Bauhaus eine Referenz für Offenheit und Experimentiergeist. Und schließlich diskutiert Dessau-Roßlau heute über die „Bauhausstadt“ als Leitbild.

Zwischen Bauhaus und Stadt existier-te immer auch ein Spannungsverhältnis. Kritische Praxis und die Lust am Ex-periment konnten die Stadt beflügeln, führten aber auch zu Abstoßungen und Blockaden.

So versteht sich die Ausstellung als Beitrag zur städtischen Selbstverständi-gung; es gibt vielfältige lokale Bauhaus-bezüge in Dessau-Roßlau, die mit dem ikonischen Welterbe zu vermitteln sind, will die Bauhausstadt auch Legitimität vor Ort �nden. Aber dessen Ankunft in Dessau-Roßlau ist nur gegeben, wenn die kleine Großstadt aus der eigenen Geschichte lernt: Schließlich lagen Welt-geltung und Provinzialität in Dessau im-mer im Zwist miteinander.

Dessau-Roßlau erbt modernDie Ausstellung im Bauhaus zeigt, wie die Stadt zwischen Vergangenheit und Zukunft nach einer neuen Identität sucht VOn Regina BittneR

Fritz Hesse im InterviewDessaus legendärer Oberbürgermeister erzählt, wie er den Grundstein für die Bauhausstadt gelegt hat. Seite 4

Eine Frage der KulturDie Doppelstadt debattiert über dörf-liche Brunnen, Parkplätze und ange-strahlte Häuserfassaden. Walter Prigge vermisst eine Kultur der Stadt. Seite 5

Paradies DessauLivia Meyer-Klee verbrachte ihre ersten Lebensjahre in der Meisterhaussiedlung. Seite 6

Collage: Tobias Steinert, 2009

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seite 2 • bauhausstadt • 12 I 2009

Inhalt

1 Editorial

1 Zur Leitbilddebatte in Dessau

2 Dessau ohne das Bauhaus

4 Interview mit Fritz Hesse

5 Kultur der Stadt – Ein Kommentar

6 Kindheit im Meisterhaus

7 Palucca kehrt zurück

8 Das deutsch-deutsche Bauhaus

9 „New York Times“ nach der Wende

10 Bernd Junkers über seinen Großvater

11 Nachrichten aus der Zukunft

12 Die letzte Werkstatt des Bauhauses

13 Kinderseite

14 Service und Programm

15 Comic

ImpressumStiftung Bauhaus Dessau, Gropiusallee 38, 06846 Dessau-Roßlau, Tel. + 49 (0) 3 40-65 08-250, Fax + 49 (0) 3 40-65 08-226,www.bauhaus-dessau.deAusstellung Kuratoren: Regina Bittner, Philipp Oswalt, Andreas Butter, Günter Ziegler, Walter Prigge Ausstellungsgrafik/Aus stellungs ar chi tek tur: Stefan Müller, Tobias Steinert Projektma-nagement: Kerstin Gust, Katja Klaus Re-cherche: Martin Brück, René Weizbarth, Jill Leciejewski, Dorothea Bethke, mit Unter-stützung von Wolfgang Thöner und Monika Markgraf Modellbau: Henning Seilkopf, Holger Ziolkowski Ausstellungsaufbau: Sebastian Czerny, Torsten Pauer, Ilona Riske Interviews: Regina Bittner, Thomas Stein-berg, Ingolf Kern, Andreas Kühnlein Film-produktion: Marcus Nebe, Stephan Murer Hörproduktion/Sprecher: Silke Wallstein,Teo Vadersen Beiprogramm: Walter Prigge Anzeigen: Katja Klaus, Silvia Gildner, Henning Brüning, Jutta Stein Spon soring: Katja Klaus, Ingolf Kern | Wir danken dem Mitteldeutschen Rundfunk für die freundliche Unterstützung. Zeitung Herausgeber: Stiftung Bauhaus Dessau Redaktion: Ingolf Kern, Andreas Kühnlein, Jutta Stein Gestaltung: Yvonne Tenschert Schlussredaktion: Dorothea Beth-ke, Benita Weise Zeichnungen: Tim Dinter, Christophe Badoux Bildrecherche: Margot Rumler Druck: Mitteldeutsches Druck- und Ver-lagshaus GmbH & Co. KG Halle.

Dessau ist die Stadt des Bauhauses. Tatsächlich aber kann diese „Bauhaus-stadt“ bei genauer Betrachtung nur auf einen kurzen Zeitraum zurückblicken, in dem sich die Schule in der Stadt befand und in dem sie einen aktiven Part in den gesellschaftlichen Beziehungen spiel-te. Mit Beginn des Sommersemesters am 1. April 1925 nahm das Bauhaus Dessau seine Arbeit auf, zunächst provisorisch an drei verschiedenen Standorten, nämlich in der Kunstgewerbe- und Handwer-kerschule, dem ehemaligen Seiler’schen Versandhaus und der ehemaligen Anhal-tischen Kunsthalle, dem heutigen Muse-um für Naturkunde und Vorgeschichte. Man traf auf eine wirtschaftlich erfolg-reiche und industriell hoch entwickel-te Stadt, in der seit 1888 der Techniker und Er�nder Hugo Junkers wirkte, seit 1895 auch als Unternehmer. Bereits vierzig Jahre vorher, als die Deutsche Continental-Gas-Gesellschaft gegründet wurde, hatte in der Stadt die Industri-alisierung Fuß gefasst. Viele Industrie-unternehmen sollten daraus entstehen: Die „Conti“ eröffnete eine eigene „Cen-tralwerkstatt“ und Produktionsstätte für Gasgeräte, beteiligte sich an der Finan-zierung der Berlin-Anhaltischen Maschi-nen AG (BAMAG) errichtete ein Elek-trizitätsanstalt und gründete schließlich die Deutsche Gasbahn-Gesellschaft. Von Dessau gingen von nun an bedeutende Innovationen aus. Auf die Ansiedlung der Gasindustrie folgten der Maschinen-bau und mit der Zuckerraf�nerie auch die chemische Industrie. Sogar als Ort des industriellen Bierbrauens machte man sich einen Namen.

Zu diesem Zeitpunkt war Dessau eine deutsche Mittelstadt mit etwa 50.000 Einwohnern, von denen sich 12.000 als Lohnarbeiter in den Betrieben verdingten. Hinzu kamen viele Pend-ler. So wandelte sich Dessau von einer Residenz- in eine Industriestadt, in der vor allem Junkers den Ton angab. Aus einem Versuchslabor hatte er längst ein großes Unternehmen entwickelt.

Auf wissenschaftlichem oder akade-mischem Gebiet dagegen erreichte die Stadt eine solch führende Rolle nicht. Die eher operettenhaft daherkommen-den Duodezfürsten der kleineren und kleinsten Territorien des deutschen Kai-serreiches, die im Spiel der Großen – vor allem mit Preußen – keine Rolle zu erfüllen hatten, suchten ihre eigenen „Spielwiesen“, auf denen sie ihre Selbst-ständigkeit behielten. In Dessau profi-tierte vor allem das Hoftheater von der Zuneigung der anhaltischen Herzöge.

Nach der Revolution von 1918 wurden die Untertanen zwar republikanisch, be-kannten sich aber zur herzoglichen Blü-tezeit und benannten das Theater nach Friedrich.

Anders als in Weimar ging die Grün-dung der Kunstgewerbe- und Hand-werkerschule in Dessau auf eine private Initiative zurück. Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, der Baumeister des Des-sau-Wörlitzer Gartenreiches, schlug schon 1796 die Errichtung einer Kunstschule vor. Doch nach seinem Tod mangelte es an einem fähigen und einsatzwilligen Kopf, und das Projekt wurde auf Eis gelegt. Erst hundert Jahre später sollte das Vorhaben gelingen, die Handwerker- und Gewerbeschule wurde in der Mau-erstraße eröffnet.

Von den Erfolgen der Dessauer Wirt-schaft seit der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeu-gen bis heute beeindruckende Indust-riebauten. Trotz der Zerstörungen von 1945 trifft man noch immer auf die „Ka-thedralen der Industrie“, aber auch auf Wohnhäuser aus der Gründerzeit und Jugendstilvillen. Mit dem wiederher-gestellten Wohnquartier Dessau-Nord verfügt die Stadt über ein zusammen-hängendes Gründerzeitviertel. An den Fassaden lässt sich ablesen, wie Kunst und Kultur von der Industriealisierung pro�tierten. Theater, Musik und nun auch die bildende Kunst nahmen einen beachtlichen Aufschwung.

Vor allem nach der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert entwickelte sich die Stadt zu einem modernen, zeitgemä-

ßen Gemeinwesen: Leben und Arbeiten in Dessau funktionierten. Indus trielle wie Wilhelm Oechelhaeuser, Generaldi-rektor der Conti, und Richard Roesicke, Chef der Schultheiß-Brauerei, vertraten Anhalt als liberale Abgeordnete im Deutschen Reichstag. Sie schufen mit ei-nem eigenen sozialpolitischen Programm die Basis für ein erfolgreiches Zusam-mengehen von Liberalen und Sozialde-mokraten – ein Bündnis, das in Anhalt und Dessau bis 1932 funktionierte. Ge-nau diese politische Konstellation sorg-te 1925 auch für die Ansiedlung des Bauhauses in Dessau. Nach der letz-ten Kommunalwahl hatten SPD und Linksliberale (DDP) mit zusammen 20 von 36 Abgeordneten eine klare Mehrheit. Wäre das „Projekt Bauhaus“ bei der entscheidenden Abstimmung am 23. März 1925 im Gemeinderat ge-scheitert, hätte der Freistaat einspringen können, denn auch im Landtag gab es eine Mehrheit für Gropius‘ Schule. So jedenfalls ist jener Ausspruch des Landtagspräsidenten und Mitglieds des Reichstags Heinrich Peus (SPD), zu deuten, der Bürgermeister Fritz Hesse (DDP) in einer denkwürdigen Episo-de zurief: „Wenn Ihr es nicht macht, dann machen Wir es!“ Der Gemeinde-rat entschied sich daraufhin mit deut-licher Mehrheit für das Bauhaus, nur die Rechte stimmte geschlossen dage-gen. Damit konnte der „Übergang vom alten zum neuen Dessau“ (Hesse) be-ginnen. Die Stadt wie auch das Bau-haus setzten große Hoffnungen in die gemeinsame Zukunft. Mit einem Trick begann ab 1. April 1925 die Arbeit des Bauhauses. Man vereinigte die kunstge-werbliche Abteilung sowie die Werk-stätten der Heydeckschen Anstalt mit

Dessau ohne das Bauhaus Als Gropius und die Seinen nach Anhalt ziehen, existiert hier bereits ein modernes Gemeinwesen, in dem Arbeit und Leben funktionieren VON GüNTeR ZIeGLeR

Suchbild 1: Was fehlt am August-Bebel-Platz?

Kunst und Kultur profitierten von der Industriealisierung

Foto: Juergen.Hohm

[email protected], Bearbeitung: Y. Tenschert, 2009, Stiftung Bauhaus D

essau

Wir danken für die freundliche Unterstützung von: Miele & Cie. KG, debolon dessauer bodenbeläge GmbH & Co. KG, AHLSA GmbH, ABC Recycling GbR, AeM Anhalti-sche elektromotoren Dessau GmbH, Kreis der Freunde des Bauhauses e. V., Stadtarchiv Dessau-Roßlau, Veltins, Vet-ter Möbelbau

Page 3: bauhausstadt  die zeitung zur ausstellung

12 I 2009 • bauhausstadt • seite 3

1926Am 4. Dezember wird das Bauhaus mit Feier und Festlichkeiten eröffnet. Aus ganz Deutschland kommen geladene Gäste zusammen. Sie wollen auch ein Bekenntnis ablegen und für den Geist eintreten, der sich hier eine Wohnung geschaffen hat. (…) Sicherlich ist das manchen Bürgern nicht recht. Künstle-rische Verpflichtungen sind unbequem. Und wer weiß, ob nicht in gestörter Ruhe die Hauptkeime zur Unzufrieden-heit lagen, die das Bauhaus schließlich aus Weimar vertrieben hat? Möge Des-sau sich hüten, in solche unrühmliche Fußstapfen zu treten!Anhalter Anzeiger, 4. Dezember 1926

1976Das Bauhaus ist die bekannteste Kunst-schule unseres Jahrhunderts. Seine bahnbrechenden, von revolutionären Hoffnungen geprägten Leistungen und Ideen waren wie ein utopischer Vor-griff auf sozialistische Verhältnisse. (…) Im Zuge der Industrialisierung des Bauwesens in der DDR und unseres gigantischen Wohnungsbauprogramms werden die Erinnerungen an die Bau-häusler stärker wach. Wir sind die Er-ben ihrer progressiven Arbeiten, die an den Schranken des Kapitalismus nicht vorbeikamen, im Sozialismus aber ihre Fruchtbarkeit erweisen.Junge Welt, 2. Dezember 1976

2009„Es hat sich ausgeweimart, meine Her-ren“, sagte Lyonel Feininger im Jahr 1925, „wir gehen jetzt dessauern.“ Mit diesem Satz werben seit einiger Zeit drei Zugereiste für einen Aufbruch in Dessau, einen Neubeginn mit den Mitteln der Kultur. Die drei haben etwa zur gleichen Zeit ihre Ämter in Dessau übernommen: Philipp Oswalt das Bauhaus, Michael Kaufmann das Kurt-Weill-Fest und André Bücker das Anhaltische Theater. Neu ist vor allem, dass man in Dessau wieder einen Auf-bruch wagt. (…) Philipp Oswalt, will vieles anders machen als sein Vorgän-ger: Streitlust statt akademischer Ab-

geklärtheit, Verankerung in der Stadt und in der Region sowie lustvolles Bewirtschaften touristischer Interessen. „Dessau ist die Stadt der Moderne“, sagt Philipp Oswalt. „Hier liegt ihr Po-tential. Sie braucht einen Ort, an dem dieser Reichtum sichtbar wird.“ (…) Was Deutschland groß und liebenswür-dig gemacht hat, sei es die Reformation, die Klassik, der Idealismus, entstammt kleinstädtischer Kultur. (…) In Dessau kann man nun ein kulturpolitisches Modell erproben, wie mit dieser Klein-teiligkeit wieder Großes zu erreichen wäre.Süddeutsche Zeitung, 17. November 2009

dem Bauhaus und unterstellte sie der Leitung von Walter Gropius. Der vor-malige Direktor Walter Kieser wurde in den Ruhestand versetzt. Die anderen Abteilungen der Schule wie Maschinen-bau-, Bau- und Handwerker abteilung wurden weitergeführt. Doch die Zu-sammenarbeit zwischen Bauhaus und Kunstgewerbeschule funktionierte nicht lang, und ab November 1926 ging man wieder getrennte Wege. Die Handwer-kerschule wurde unter der Bezeichnung „Technische Lehranstalten der Stadt Des-sau“ weitergeführt, zum Direktor berief die Stadt Prof. Wilhelm Danz.

Bis zu seiner Vertreibung aus Des-sau prägte das Bauhaus die Stadt und hinterließ zahlreiche Spuren: vom Bau-hausgebäude über die Meisterhäuser und das Arbeitsamt bis hin zur Siedlung Törten, von der Ausstattung der 1927 eröffneten Anhaltischen Gemäldegalerie und des Naturkundemuseums bis zur Zweiggalerie im Schloss Oranienbaum.

Bei den folgenden Gemeinderatswah-len verkleinerte sich die Mehrheit der Bauhausbefürworter zusehends: Verfüg-ten SPD und DDP 1927 zusammen über 19 Mandate, so waren es 1931 nur noch 13 für die SPD. Die Lage für das Bau-haus wurde immer bedrohlicher. Hatten

die Nationalsozialisten schon im Wahl-kampf davon gesprochen, die Schule zu schließen und das Gebäude abzureißen, wurden die Parolen nun Programm. Ei-nen ersten Antrag brachten die Nazis am 21. Januar 1932 in den Gemeinderat ein, erhielten jedoch eine Abfuhr. Ma-nipulationen bei der Zusammensetzung des Gemeinderates und die verschärft geführte Propaganda ließen die NS-Funktionäre den Antrag am 22. August erneut zur Abstimmung stellen. Bür-germeister Hesse und Bauhausdirektor Mies van der Rohe versuchten durch verschiedene Aktionen, die Schließung zu verhindern; sie veranstalteten eine

Pressestimmen

Durch Arkadien in die ModerneAn unbekannte Orte und zu oft über-sehenen Kleinoden der Bauhausstadt führt Wolfgang Thöner am 12. Dezem-ber 2009 (mehr zum Beiprogramm der Ausstellung auf Seite 14). Professionell geführte Rundgänge in die spannende Geschichte der Stadt zwischen Fürsten-residenz und Moderne bietet auch das Reisewerk an (www.reisewerk.de).

Suchbild 2: Was vermissen Sie in der Gropiusallee?

40 Jahre ohne Bauhaus

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So berichten Zeitungen aus acht Jahrzehnten Bauhausgeschichte

Ausstellung, führten durch die Werk-stätten und boten Gespräche mit den Abgeordneten an. Es half nichts. Auch von der Landesebene war keine Un-terstützung mehr zu erwarten: Hier regierte seit dem 24. Mai ein national-sozialistischer Ministerpräsident.

Trotz großem persönlichen Einsatz gelang es nicht, das Unheil abzuwen-den. Mit klarer Mehrheit – nur fünf Abgeordnete, OB Hesse und die vier Kommunisten, stimmten für das Bau-haus, die 13 SPD-Stadtverordneten ent hielten sich der Stimme – wurde das Bauhaus zum Ende des Sommer-semesters 1932 geschlossen. Immerhin: Abgerissen wurde das Gebäude nicht, dafür bald mit der Landesfrauenar-beitsschule, später mit der Gauamts-walterschule und dem Gauschulungs-amt der SA belegt.

Erneut begann eine Zeit ohne Bauhaus – sie sollte über vierzig Jahre dauern. Erst dann besann sich die DDR wieder auf das Dessauer Erbe. Nach dem Krieg hatte es noch einen kurzen Versuch ge-geben, das Bauhaus neu zu beleben: 1946 begann der von den Amerika-nern wieder eingesetzte und von den Russen akzeptierte Oberbürgermeister Fritz Hesse damit, das Bauhaus im Schloss Großkühnau neu einzurichten. Doch der hoffnungsvolle Neuanfang scheiterte ebenso wie die Aussicht auf demokratische Verhältnisse. Hesse trat von seinem Amt zurück, die SED über-nahm das Ruder und sollte es bis 1989 nicht wieder aus der Hand geben. Erst als die Demonstranten auch in Dessau „Wir sind das Volk“ riefen, schien es auch für den Bauhaus-Gedanken eine wirklich neue Perspektive zu geben.

„es geht jeden Deutschen verdammt an, daß in Dessau Gutes entsteht.” LYONeL FeININGeR, 1926

Page 4: bauhausstadt  die zeitung zur ausstellung

seite 4 • bauhausstadt • 12 I 2009

Herr Hesse, Sie gelten als Erfin-der der Bauhausstadt. Wie konnten Sie Gropius damals überzeugen, von Weimar nach Dessau zu ziehen? Ging es nur um Geld?Nein, überhaupt nicht. Die Mitteilung, dass das Bauhaus seine Arbeit in Wei-mar aufgeben werde, musste in allen interessierten Kreisen Überraschung auslösen. Ich hatte im Stillen damals Weimar ein wenig um die Gunst des Schicksals beneidet, die es in die Lage versetzt hatte, die alte kulturelle Tradi-tion in neuer Form fortzuführen. Beim Lesen des Artikels im „Berliner Tage-blatt“ war mir eines klar: Der durch die rechtsorientierte Thüringische Landes-regierung provozierte Bruch mit dem Bauhaus war irreparabel. Aber nicht weniger klar war mir: Für die Entwick-lung der Stadt Dessau könnten sich aus dieser Situation Möglichkeiten ergeben, wie sie sich ihr kaum je wieder bieten würden. Neben dem traditionsverpflich-teten Theater das Bauhaus mit seinem Elan und seinen Entwicklungsmöglich-keiten, die schon durch die Namen der Unterzeichner des Manifestes gewähr-leistet schienen! Waren Sie mit Ihrer Idee allein?Keineswegs. Ich rief sofort den Lan-deskonservator Dr. Grote an, um sei-ne Meinung zu hören. Der Sturm und Drang der Wandervogelbewegung hat-te sich bei Grote in einen Elan um-gesetzt, der in allem spürbar war, was er unternahm und der sein Wirken in Dessau so erfolgreich machte. Der kaum mittelgroße Mann, der noch ju-gendlicher wirkte, als es seinen Jahren entsprach, war sozusagen immer auf

Draht. ‚Das ist ein großartiger Gedan-ke‘, sagte er. Es war ersichtlich, dass ihn die Aussicht, das Bauhaus mit Gropius an der Spitze und mit Künstler-Persön-lichkeiten wie Kandinsky, Klee und Feininger nach Dessau zu verpflanzen, geradezu faszinierte.Im Winter 1925 erhielten Sie folgenrei-chen Besuch. Richtig, am 19. Februar erschienen Kan-dinskys in Dessau. Am Nachmittag folg-ten sie einer Einladung von meiner Frau und mir zu einer Tasse Tee in meiner Dienstwohnung im Messelhaus. Wir ka-men bald in ein angeregtes Gespräch. Be-sonders von der Landschaft um Dessau zeigten sich beide sehr angetan. Der Aus-blick auf die Elbe, wie sie sich, unweit vom Stadtrand, im Lichte des ausneh-mend schönen Februartages als breites Band durch das Auengelände schlängel-te, hatte Kandinsky geradezu elektrisiert. Unser Gespräch kam auf Gropius, mit dem sich Kandinsky aufs engste verbun-den fühlte. Als wir uns trennten, hatte ich den Eindruck, dass der innere Kon-takt mit dem Bauhaus hergestellt war.Wann sind sie zum ersten Mal Gropius begegnet?Nach einer ersten Diskussion im Ge-meinderat fuhr ich zu einer vorheri-gen Fühlungnahme mit Gropius nach Weimar. Ich ließ mich im Bauhaus bei Gropius melden. Von der italienischen Sonne gebräunt, kam er in seinem Di-rektionszimmer mit elastischen Schrit-ten auf mich zu und begrüßte mich. Gropius war – das war mein, durch alle künftigen Unterredungen mit ihm be-stätigter Eindruck – auch im Gespräch kein Freund von Arabesken. Das Feuer,

das in seinem Innern brannte, hütete er sorglich. Auch bei großer innerer Er-regung war in dem von seiner hohen Stirn beherrschten Gesicht davon kaum eine Spur zu entdecken. Was hatte nach Ihrer Meinung das Gro-piussche Feuer entfacht? Und wofür brannte es in ihm?Gropius hatte zwei Ziele: Eines lag in der geistigen, handwerklichen und technischen Durchbildung schöpferisch begabter Menschen zu bildnerischer Gestaltungsarbeit. Das andere in der Durchführung praktischer Versuchs-arbeit sowie in der Entwicklung von Modellen für die industrielle und handwerkliche Produktion. Das Bau-haus gab sowohl dem künftigen Hand-werker wie dem künftigen Künstler die Möglichkeit zur Ausbildung ihrer Fähigkeiten. Was versprachen Sie sich vom Bauhaus für die Entwicklung Dessaus?Die kulturelle Blüteperiode der Resi-denzstadt Dessau war vor mehr als 100 Jahren mit dem Tode des Fürsten Franz zu Ende gegangen. Nur auf dem Gebiet des Theaters wurde unter den Nachfol-gern des Fürsten durch die besondere Pflege der Oper die Tradition als Ver-pflichtung empfunden. Wenn man dem Bauhaus in den Mauern von Dessau Asyl und Arbeitsmöglichkeit bot, konn-te man dann nicht auch die Stimmen anderer Künstler wieder zum Klingen bringen? Was Sie erzählen, klingt, als wäre alles glatt gelaufen. Gab es gar keine Wider-stände zu überwinden?Durchaus. Bauhausgegnerische Kreise der Dessauer Intelligenz hatten sich mit

einem geistig armen und nur auf seinen Pro�t bedachten Spießbürgertum zu ei-ner Gemeinschaft zusammengeschlossen, die in der Befehdung des Bauhauses ihre Hauptaufgabe erblickte. Die zugkräf-tigen Kampfparolen eines ungleichen, schon äußerlich ein wenig an Sancho Pansa und Don Quichote erinnernden Paares aus einem Dessauer Kohlenhänd-ler und dem rustikalen Generalsekretär der Anhaltischen Landwirtschaftskam-mer waren starker Gegenwind. Letztlich konnten Sie all Ihre Gegner aus dem Feld schlagen. Ist denn heute, 80 Jahre später, eingetreten, was Sie sich damals für die Stadt erhofften?Im Prinzip schon. Letztlich ist es so, wie die „Dessauer Zeitung“ schon 1926 über den Neubau schrieb: „Man wird sich mit der Tatsache ab�nden.“ Ein Stück weit haben sich die Dessauer schlicht mit der Tatsache abgefunden. Dennoch war der kulturelle und öko-nomische Gewinn für die Stadt un-übersehbar – auch wenn das Verhältnis zwischen Dessau und dem Bauhaus nie ganz einfach war. Es ist meine Über-zeugung, dass sich die Bürger und ihr Bauhaus gegenseitig schätzen lernen müssen – heute wie damals. Es kommt darauf an, das Werk der Vorgänger zu ehren, in dem man es als notwendigen Anfang betrachtet, der einer lebendigen Entwicklung bedarf.

Die Fragen stellten Ingolf Kern und Andreas Kühnlein. Hesses Antwor-ten sind dem Buch „Von der Residenz zur Bauhausstadt“ entnommen. Zeichnung: Tim Dinter.

Als Dessauer Oberbürgermeister eine Legende, als Förderer des Bauhauses der Moderne zugewandt: Fritz Hesse – ein Gespräch über Kandinskys Liebe zur Elbe, Gropius‘ Feuer und örtliche Kohlenhändler

Herr Hesse, wie haben Sie das gemacht?

Page 5: bauhausstadt  die zeitung zur ausstellung

12 I 2009 • bauhausstadt • seite 5

Die Diskussionen um die „Bau-hausstadt Dessau“ führen zur Diagnose: Die Kultur in der Stadt ist gut bestellt, Dessau-Roßlau mangelt es jedoch an einer Kultur der Stadt. Die Roßlauer fürchten zu unrecht Verluste, stellen sie doch die halbe Regierung. Diese jedoch entfaltet noch zu wenig Dynamik, vor allem in den Bereichen Kultur und Pla-nung, die zu Nebensachen der Sozial- und Wirtschaftspolitik erklärt wurden. Sichtbare Erfolge sind noch rar.

Daher wünschen sich einige die alte „Kombinatsleitung“ zurück, die nach der Wende die Nachkriegsmodernisierung mit den Schwerpunkten Industrie und Technik, Verkehr und Sport fortsetz-te. Die Stadt ist jedoch kein Betrieb, der – wie in der DDR die Kombinate – nebenbei auch für Soziales und Kul-turelles zuständig ist. Daher ver�elen die Städte in der DDR als Raum von Gemeinschaft und Kultur. Städte ge-horchen jedoch anderen Rationalitäten als denen der ökonomischen Ef�zienz. Zwar müssen Stadtverwaltungen von marktwirtschaftlichen Prinzipien lernen (Projektorientierung, strategisches Han-deln in Kooperationen); man kann Städte jedoch nicht mit betrieblichen Managementmethoden regieren: Stadt-politik muss heute auf soziale Kultur und Urbanität setzen, will sie die zu-nehmende Städtekonkurrenz bestehen.

Von solcher Kultur hat Dessau-Roß-lau zu wenig. Die zivile Gesellschaft wurde nicht gestärkt und daher nicht von jedem mitgetragen; der Austausch mit der Welt funktionierte nicht, weil lokale Interessen nicht mit globa-len Ansprüchen vermittelt wurden; Fremden gegenüber ist Dessau-Roßlau überaus misstrauisch und die talentier-te Jugend wird von Großstädten wie Leipzig durch attraktive Urbanität ab-geworben. Mit einem Wort: Dessau-Roßlau hat zu wenig von dieser Kultur der Stadt, die wir an anderen Städten schätzen. Dabei gibt es heute Dynamik in der Stadt: Die neuen Leiter von Theater, Bauhaus und Kurt-Weill-Fest kooperieren und wirken in die Stadt hinein. Sie müssen zudem helfen, eine neue und vor allem parteiunabhängige

Kulturamtsleitung im Sozialdezernat zu �nden. Denn das Kulturamt hat die wichtige Aufgabe, die urbanen Impulse dieser Kulturinstitutionen aufzunehmen und in die Kultur der Stadt zu über-setzen. Auf ähnliche Weise muss das Wirtschaftsdezernat seine Arbeit an der Stadtplanung in einer neuen Stabsstel-le für Stadtentwicklung reorganisieren: Mit diesen neuen strategischen Aus-richtungen können beide Dezernate bei der Steuerung des Schrumpfungspro-zesses zusammenarbeiten.

Denn absehbar ist, dass Dessau und Roßlau, nach dem bisherigen Verlust von 30.000 Einwohnern, bis 2050 noch einmal 40.000 verlieren werden. Das Zentrum der Stadt wird sich weiter nach Westen jenseits des Bahnhofs verschie-ben, wo heute schon die wichtigsten Bildungsinstitutionen angesiedelt sind. Denn die Zukunft wird in der „Wis-senschaftsstadt“ liegen: In der etablierten Dienstleistungsgesellschaft werden Kul-tur, Bildung und Wissenschaft die Leit-branchen von Dessau-Roßlau sein. Zu dieser Zukunft gehört eine andere Kul-tur der Stadt, die auf Kreativität, Talent und Toleranz zielt. Alberne militaristi-sche Unkulturen auf Leopold-Festen, pseudotraditionelle Retroarchitekturen im Stile der 1930er Jahre oder dörfliche Debatten über die „gute Stube“ Zerbster Straße sind kontraproduktiv und lenken

von den großen Problemen der Stadt ab. Wo liegt dann die Zukunft der Innen-stadt? Das Rathauscenter wird 2050 leerstehen, bei etwa 40.000 Einwohnern lohnen sich weder Karstadt noch Peek & Cloppenburg. Die Frage wird also sein: Was kommt nach der gegenwärti-gen Phase der enormen Konzentration des Einzelhandels auf innerstädtische Shopping Malls und Versandhandel im Internet? Beides verdrängt den klei-nen Einzelhandel vom Markt. Zudem breiten sich heute die Ein-Euro-Läden aus, die soziale Polarisierung verstärkt sich durch Schrumpfungsprozesse: Die Viertel der oberen Mittelschichten in den sozial abgeschlossenen und kultu-rell standardisierten Einfamilienhaus-siedlungen und die Quartiere der sozial Schwachen in den unsanierten Platten-bauten trennen sich heute schärfer im Raum als bisher. Für diese sozialräum-lichen Probleme braucht die Stadt eine andere Politik von Kultur und Planung als in der zu Ende gehenden Industrie-gesellschaft. Mit dörflichen Brunnen und unsinnigen Debatten über Park-plätze auf der Zerbster Straße, mit re-konstruierten oder angestrahlten Häu-serfassaden aus früheren Jahrhunderten, mit weiteren Konsumcentern und Um-gehungsstraßen an leerstehenden Ge-werbegebieten vorbei kommt die Stadt jedenfalls nicht weiter.

Beachten Sie auch unser Beiprogramm zur Ausstellung auf Seite 14-

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Der Austausch mit der Welt funktioniert nicht

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Kultur der Stadt Dessau-Roßlaus Zukunft liegt in Kreativität, Talent und Toleranz eIN KOMMeNTAR VON WALTeR PRIGGe

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Foto: Martin Brück, 2009, Stiftung Bauhaus D

essau

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Am Anfang steht eine große, glän-zende Kugel. Verschwommen wird in ihr die Zukunft sichtbar: ein seltsames Haus, kein einziger rechter Winkel, die Wän-de gebogen und krumm. Die Zukunft des Bauens manifestiert sich in diesem Haus, der Inbegriff moderner Geradli-nigkeit. Es ist eines von Walter Gropius’ Meisterhäusern, dessen klare Formen sich eigentümlich verzerrt auf der Ku-geloberfläche widerspiegeln. Jene Kugel ist ein Spielzeug, ihr Lieblingsspielzeug, erinnert sich Livia Meyer-Klee, die heu-te 87 Jahre alt ist und damals zusammen mit Familie und Nachbarn unter hohen Kiefern im Gras saß.

Livia Meyer-Klee trägt ihren Dop-pelnamen mit Stolz, und in der Tat, es sind große Namen, die er vereint. Meyer, das steht für ihren Vater Han-nes Meyer, den zweiten Direktor des Bauhauses, der zwischen 1927 und 1930 in Dessau war und die Schule ab 1928 leitete. Klee ist der Name ihres Man-nes, Felix Klee, Sohn und Erbe des Malers und Bauhausmeisters Paul. Livia Meyer-Klee legt Wert auf ihre beiden Namen, doch jene Überheblichkeit, die man manchmal sieht bei den Nach-fahren bedeutender Persönlichkeiten, ist ihr fremd. Kaum mag sie glauben, dass jemand ihretwegen aus dem fer-nen Dessau angereist ist, um sie in der Schweiz zu besuchen.

Livia kommt 1922 als zweites Kind von Hannes Meyer und Louise Bian-ca Natalie Herkert zur Welt. Sie wächst zunächst in Basel auf und zieht 1927, als Hannes Meyer ans Bauhaus beru-fen wird, mit Vater, Mutter, Schwester (Claudia Meyer-Herkert) nach Dessau. Hier lebt sie in engem Kontakt mit den Kindern der anderen Meister und den Bauhäuslern selbst in Gropius‘ Meister-haussiedlung. Sie lernt die „ein bisschen extravagante„ Ise Gropius kennen, sieht Tut Schlemmer dabei zu, wie sie „vom Velo �el“, und isst Birchermüesli mit einem „verhungerten Burschen“ namens Max Bill. Als ihr Vater 1928 zum Di-rektor der Schule ernannt wird, ist sie sechs Jahre alt. Schon zwei Jahre spä-ter muss Meyer das Bauhaus verlassen, 1930 geht er mit einigen Schülern, der „Brigade Meyer“, nach Russland.

In der Rezeption des Bauhauses wird Hannes Meyer ewig das Schicksal des „Zweitgeborenen“ anhaften. Selbst al-les andere als mittelmäßig, ist er doch die Mitte, eingerahmt und nicht selten verdeckt von Gropius und Mies van der Rohe. Immerhin zwei der sieben Dessauer Jahre des Bauhauses aber ist Hannes Meyer sein Direktor–. Und es ist keine bedeutungslose Zeit, in der er die Leitung der Hochschule übernimmt, sondern deren Blüte, in der vieles zur Entfaltung kommt, was das Bauhaus und sein Erbe nachhaltig prägen soll. Das Diktum „Volksbedarf statt Luxus-

bedarf“ zum Beispiel, das bereits im Grundgedanken des Bauhauses angelegt gewesen sein mag, aber erst von Meyer als höchstes Ziel formuliert wird. Die wissenschaftliche Baulehre, der sozio-logische Blick auf die Architektur, der die erste echte Bauabteilung bestimmt – all dies sind Verdienste des gebürtigen Schweizers und überzeugten Sozialde-mokraten. Für Livia Meyer-Klee aber ist er in erster Linie ein besorgter und um-sichtiger Vater, stets auf ihre Förderung und ihre Zukunft bedacht – auch über die Scheidung der Eltern 1930 hinaus, auch aus der Ferne des Exils in Russ-land und Mexiko. Seine Tochter vergisst Hannes Meyer nie.

Von ihrer Zeit in Dessau spricht Li-via Meyer-Klee mit Freude: „Ich habe eine so schöne Erinnerung an Dessau, für mich war das ein Paradies.“ Im-mer wieder gerät sie ins Schwärmen von den „weißen Häusern“, und ihre Erinnerungen daran sind erstaunlich lebendig. Immerhin acht Jahrzehnte trennen sie von einem Loch im Garten-zaun, durch das die Kinder zum nahen Laden schlüpften, acht Jahrzehnte von der geheimnisvoll verzerrten Welt in jener Kugel. Aus ihrem Mund klingt es, als wäre es gerade ein paar Wochen her. „Wir wurden immer angewiesen, möglichst viel Zirkussachen selber zu machen“, erzählt sie aus dieser Kindheit,

„zu balancieren, verrückte Sprünge zu wagen – Mutproben eben.“ Überhaupt scheint den Bauhäuslern jenseits ihrer Schule auch an Kindern viel gelegen zu haben, an ihrer Entwicklung und Förderung, ihrer freien Entfaltung. Li-via erinnert sich an ein selbstgemachtes Daumenkino, das ihr Kurt Schwitters bei einem Besuch am Bauhaus schenkt, an die „Kasperle“ des damaligen Büh-nenstudenten Felix Klee und an ernste Gespräche über ihre Zukunft. All die Bauhäusler, die sie erlebt hat, seien kin-derlieb gewesen, „alle waren sie daran interessiert, uns zu helfen, uns weiter-zubringen in irgendetwas.“

Ihre eigene Zukunft führt Livia nach der Scheidung der Eltern zunächst zu-rück in die Schweiz, wo sie Schneiderin wird. Doch es hält sie nur kurz in der Heimat, nach dem Krieg geht sie nach Amsterdam, arbeitet in einer jüdischen Schneiderei und fertigt sogar der Köni-gin eine Robe an, die diese – es sind karge Jahre, auch für Monarchen – ein ganzes Jahr lang zu öffentlichen Anläs-sen trägt. Hier wird Livia so etwas wie die Impresaria eines Musikertrios, mit dem sie 1950 nach Südafrika geht. „Sie wollten, dass ich auch dort wäre“, sagt sie lakonisch. In Kapstadt bekommt sie eine Anstellung, schneidert und orga-nisiert die Auftritte des Trios. Vierein-halb Jahre lebt sie dort, nebenbei �ndet

einer der drei, „der Geiger vom Trio“, Gefallen an ihr. Als sie ihn heiraten soll und nicht will, ist ihre Zeit in Afrika vorbei. Sie lässt Kapstadt, Trio und Gei-ger hinter sich und kehrt kurzerhand zurück in die Schweiz, diesmal wohl für immer. „Dann kam langsam, aber sicher der Felix“, fasst sie die folgenden 30 Jahre unprätentiös zusammen. Die beiden, die sich seit den Jahren in Des-sau kennen, heiraten 1982. Da ist Livia Meyer 60.

Eine nachhaltige Prägung, so scheint es, hat Livia aus ihrer Verbindung mit dem Bauhaus behalten. Ihr Lachen ist verschmitzt, ihr Geist wach, ihr Haar ist kurz wie das der Bauhäuslerinnen, ihr Kleid geometrisch bunt wie ein Entwurf von Gunta Stölzl. Zeit ihres Lebens, das merkt man ihr an, hat Livia Meyer-Klee sich für Kunst und Archi-tektur begeistert. Ihre Erinnerungen an Max Bills letzte Ausstellung sind noch frisch, und da ist sie wieder, die glän-zende Kugel. In eine solche habe „der Bill„ damals reinfotogra�ert, erzählt sie, ein improvisiertes Fischauge, das allein die ganze Ausstellung auf einmal zu er-fassen imstande war. Und auch für zeit-

Im Vorgarten der Moderne Livia Meyer-Klee ist die Tochter Hannes Meyers und war mit dem Sohn Paul Klees verheiratet – die heute 87jährige hat sich die gedankliche Frische des Bauhauses für ihr Leben bewahrt VON ANDReAS KüHNLeIN

Livia Meyer-Klee (2. v. l.) mit Familie, Nachbarn und ihrem Lieblingsspielzeug im Meisterhausgarten.

„Ich habe eine so schöne er-innerung an Dessau, für mich war das ein Paradies.“

Ihr Kleid ist geometrisch bunt wie ein entwurf von Gunta Stölzl.

Foto: Wolfgang Thöner, 2009, Stiftung Bauhaus D

essau

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genössische Architektur kann sie sich begeistern, Daniel Libeskinds Einkaufs-zentrum „Westside“, 2008 in Bern eröff-net, würde sie zu gerne einmal sehen.

Heute lebt Livia Meyer-Klee im Bur-gerspital, einem schönen Wohnheim im Herzen Berns. Hier hat sie ein kleines, schlichtes Zimmer mit vielen Büchern. Die meisten tragen den Namen eines Künstlers auf dem Rücken, nicht we-nige verweisen aufs Bauhaus. Sie alle beschreiben Seitenlinien aus ihrer eige-nen Biographie, einer Lebensgeschichte, die sich liest wie eine Geschichte der Kunst des 20. Jahrhunderts. Unzählige Namen tauchen darin auf, denen Livia Meyer-Klee nicht nur Werke zuordnen kann, sondern auch Gesichter, Stim-men, Begegnungen. Zwei davon sind ihre eigenen, sind fast 80 Jahre nach ihrer Zeit in Dessau noch immer le-bendig. Zum Abschied sagt sie: „Und Grüße, ich kann nicht sagen, für wen, sondern einfach – an Dessau!“

„Das isch’ es!“ – Viele der Bauhäusler hat Livia Meyer-Klee persönlich kennengelernt.

Moholy-Nagy fotografi ert Palucca in Dessau vor einem der Meisterhäuser, 1927 (Fotograf unbekannt)

November 1987. Der Architekt und Stadtplaner Jos Weber sollte sei-ne Antrittsvorlesung im Bauhaus Des-sau halten. Der Bauhausdirektor Rolf Kuhn hatte „mit sozialistischem Gruß“ auch Gret Palucca eingeladen, über die ich damals einen Film drehte. In einer Ausstellung sollte „Fortschritt, für je-den zum Anfassen“ präsentiert werden.

Die Leiterin der berühmten Dresdner Tanzschule, ein Idol der DDR, verspür-te keine Lust, der Einladung nach Des-sau zu folgen. Sozialistischer Baufort-schritt interessiere sie nicht, beschied sie knapp. Das sei alles so langweilig. Die schönen Zeiten des Bauhauses sei-en vorbei. Die Bauhausfeste, die freien Diskussionen, der Aufbruch in Kunst, Kultur und Architektur, nichts davon habe die DDR bewahren können.

Dennoch konnte ich Gret Palucca überreden, mit mir nach Dessau zu fah-ren. Unser Filmporträt sollte diese Tän-zerin mit Courage in allen Lebenslagen zeigen, und ihre Verbindungen zum Bauhaus gehörten für mich dazu.

Herzlich war die Begrüßung der Menschen in Dessau, als sie „ihre Paluc-ca“ leibhaftig wiedersahen. Verklemmt und steif geriet die Hausbegleitung und Betreuung von „of�zieller Seite“. Dazu gehörten Herren in grau-blauen Dede-ron-Blousons. Was, so fragte sich die Stasi, wollte der ARD-Korrespondent in Dessau? Die Verspannungen lösten sich erst, als ich deutlich machen konnte, dass es mir wirklich um Palucca ging. Der Renovierungsstau des Bauhau-

ses war ein ganz anderes Kapitel. Ich durfte auf der Bauhausbühne mit Pa-lucca drehen. Dort kam ich mit ihr ins Gespräch.

Börner: „Machen wir mal etwas, was wir überhaupt noch nicht ge-macht haben in unserem Film. Wir beide stehen auf einer Bühne. Ich will von Ihnen wissen, wie oft sie hier getanzt haben?“

Palucca: „Wie oft? Ich hab´ vielleicht zwei-, dreimal getanzt, eigentlich die Bühne eröffnet. Ich kann mich noch genau entsinnen, ich hab gedacht, das ist ziemlich klein für einen Tanzabend. Dann hatten sie mir hier so eine klei-ne Garderobe aufgebaut, weil ich erst nicht soweit laufen konnte. Die Stu-denten hatten mir sehr schöne Kostü-me gemacht. Es kam auf die Farben an und da haben sie entsprechend die Vorhänge hinten immer wieder anders gestellt, neu gefärbt. Das war natürlich ein sehr schöner Abend. Ich hatte tüch-tiges Lampen�eber.

Am Schluss ist Kandinsky dann aufgestanden und hat gesagt, ‘so nun erklär uns mal, wie ist denn dieser Rosenkavalier-Walzer entstanden?’ Da-vor hatte ich furchtbare Angst, weil das sehr schwer in Worten zu erklären ist,

wie ein Tanz entsteht. Eigentlich kann man das gar nicht.“

Die Vergangenheit war wieder le-bendig geworden. Nun wollte sie auch noch die Dessauer Meisterhäuser sehen, die sie seit Jahrzehnten gemieden hat-te. Denn die „lustigen Stunden“, die sie mit Klee, Kandinsky, deren Frauen, ihrem Pianisten Trantow und anderen dort verlebt hatte, sollten ungestört in Erinnerung bleiben. Erschrecken und Verzweiflung standen Palucca ins Ge-sicht geschrieben, als sie die verfalle-nen Häuser ansehen musste. Sie hatte sich immer wieder nach ihrem Zustand erkundigt. Irgendwann, so wurde ihr beschieden, sollten sie renoviert und als Museum genutzt werden. „Das erlebe ich nicht mehr“, sagte mir Pa-lucca nach dem Dreh bei einem Glas Meißner Wein. „Schrecklich, die lassen alles verkommen.“ Starke Worte einer DDR-Nationalpreisträgerin, zu mir im Vertrauen gesprochen und von mir da-mals nicht veröffentlicht.

Der Autor war von 1986 bis 1989 ARD-Korrespondent in der DDR.

Palucca zwischen Dederon

„Am Schluss ist Kandinsky dann aufgestanden und hat gesagt, so nun erklär uns mal, wie ist denn dieser Rosenkava-lier-Walzer entstanden.“

BuchtippDer Lebensgeschichte dieser Jahrhun-dertfrau nähert sich auch Susanne Beyer in ihrem Buch „Palucca – Die Biographie“ (AvivA-Verlag, 24,80 €). Dafür hat sie die bislang gesperrte Pri-vatkorrespondenz gesichtet. eng befreundet mit den Bauhäuslern,

hingerissen von deren Ideen – Livia Meyer-Klee spricht noch heute mit Begeisterung von ihren Begegnungen. Heute versammeln sich Interessierte und Förderer, die die Arbeit der Stif-tung Bauhaus Dessau unterstützen wollen, im Kreis der Freunde des Bauhauses (weitere Informationen unter www.bauhaus-freunde.de).

A N Z e I G e

Stiftung Bauhaus Dessau / D

resden, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr.: D

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Wie ein ARD-Korrespondent mit der Tanzlegende nach Dessau kommt und den sozialis tischen Baufortschritt kennenlernt eIN VeRSPÄTeTeR DReHBeRICHT VON HANS-JüRGeN BÖRNeR

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Es war ein Jahr vor dem Fall der Mauer, als das Bauhaus zu einem Sym-bol der Annäherung zwischen Ost und West werden sollte. Vom 7. August bis 25. September 1988 fand in Dessau die Ausstellung „Experiment Bauhaus“ statt. Das West-Berliner Bauhaus-Archiv gas-tierte im historischen Bauhausgebäude. Die westdeutschen Bestände kehrten damit an ihren ostdeutschen Entste-hungsort zurück. Bereits zwei Jahre vorher war das Kulturabkommen zwi-schen der DDR und der Bundesrepub-lik unterzeichnet worden. Darin wurde die Ausstellung bereits als Leuchtturm-projekt aufgeführt. „Experiment Bau-haus“ war, ihrem politischen Auftrag gemäß, durchaus angemessen dimensi-oniert. Rund 350 Exponate traten den Weg von West-Berlin nach Dessau an. Dennoch stand nicht die inhaltliche Konzeption im Fokus: Im Kern ging es um die Frage, welche politischen Si-gnale von der Ausstellung in Ost und West ausgehen würden.

Zunächst einmal war „Experiment Bauhaus“ ein deutliches Bekenntnis bei-der deutscher Staaten zu einer gemeinsa-men Kulturnation: So schrieb das „Neue Deutschland“: „In Dessau wird gemein-same Geschichte wieder erlebbar“, die Ausstellung habe zur „weiteren Norma-lisierung des Verhältnisses zwischen der DDR und West-Berlin“ beigetragen. Die politische Vorgeschichte der Aus-stellung erfuhr man hingegen vor allem

aus westdeutschen Presseberichten. Die West-Feuilletonisten stellten mehrheit-lich die kulturelle Annäherung heraus und berichteten über das diplomatische Tauziehen: Hier ist besonders die An-wesenheit des Regierenden Bürgermeis-ters von Berlin, Eberhard Diepgen, als Eröffnungsredner für die westdeutsche Seite zu nennen, außerdem die Teilnah-me von Bonns Ständigem Vertreter in Ost-Berlin, Staatssekretär Hans-Otto Bräutigam. Die gleichzeitige Teilnahme beider Politiker führte im Vorfeld zu massiven Protesten auf ostdeutscher Sei-te. Gelöst wurde die Irritation dadurch, dass sie getrennt anreisten und bei den Eröffnungsfeierlichkeiten voneinander entfernt Platz nahmen.

Dass gerade das Bauhaus als Inte-grationsmoment für die deutsche Kul-tur herhalten musste, ist umso bemer-kenswerter, als die Bauhaus-Rezeption über Jahre hinweg in den kulturellen Debatten zwischen Ost und West zer-rieben wurde und seine Bewertung maßgeblich zur Schärfung des jeweili-gen kulturellen Pro�ls beigetragen hat: Während der Westen den verlorenen

Faden des Bauhauses nach dem Krieg zügig wieder aufnahm – prominentes-tes Beispiel ist sicherlich die Hochschu-le für Gestaltung in Ulm, die sich selbst als Bauhaus-Nachfolger auf deutschem Boden verstand – wurde im Osten das kulturelle Erbe der bedeutenden deutschen „Kunstschule“ vorerst aus-geschlagen. Mehr noch: Im Rahmen der so genannten Formalismus-Debatte musste es als Sinnbild für die Verfalls-erscheinungen kultureller Dekadenz

im Kapitalismus herhalten. Diese Po-sition änderte sich nur sehr allmählich und mündete schließlich in einer genuin ostdeutschen Rezeptionshaltung, die im Vergleich zur Bundesrepublik wesentlich stärker in der Idee und der Theorie des Bauhauses seine Orientierung �ndet, rein formal-ästhetische Aspekte jedoch weit-gehend ausklammert. In der langsamen, aber steten ostdeutschen Annäherung an das Bauhaus lag eine wesentliche Bedin-gung, ohne die eine deutsch-deutsche Ko-operation nicht möglich gewesen wäre.

Allerdings hatte die ostdeutsche Bevöl-kerung 1988 gegenüber dem Westen noch erheblichen Nachholbedarf, was das historische Wissen über das Bauhaus anbelangt. Zu lange waren die Ideen und Methoden tabuisiert worden. Die-ser Eindruck wurde durch die ostdeut-sche Presse erhärtet: Zumeist wurden – weil politisch unverfänglich – die ge-zeigten Exponate sorgfältig aufgezählt.

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Ausstellung aus heutiger Sicht

als Vorspiel für das Zusammenwachsen zu einer deutschen Kulturnation ver-standen werden muss. Das „Experiment Bauhaus“ besteht hier in der deutsch-deutschen Arbeit am gemeinsamen Projekt, wobei der Osten den Rahmen und der Westen die Inhalte lieferte. Und dieses Experiment ist geglückt, weil es mit dem Rückgriff auf unver-dorbene deutsche Zwischenkriegsge-schichte eine kulturpolitische Annähe-rung erwirkte. Wie wir heute wissen, sollte die Ausstellung in Dessau erst

der Prolog für eine Entwicklung sein, die sich nicht allein im kulturellen Aus-tausch erschöpfen wollte. Aber dass es eine friedliche Wiedervereinigung ge-ben konnte, dafür war die Ausstellung retrospektiv ein hoffnungsvolles Signal: Das Bauhaus als deutsch-deutsche Be-gegnungsstätte wurde zum Markstein erfolgreicher stiller Diplomatie.

Heute stehen die Vorzeichen freilich anders: Die Zukunft des Bauhauses liegt nicht in seiner Musealisierung und

Archivierung, sondern in der Analy-se der zentralen Wesenmerkmale der Hochschule. Es ist die kreative Experi-mentierfreude des historischen Bauhau-ses, in der wohl der Schlüssel für die kün�ige Rezeption liegt.

Der Autor hat 2006 seine Dissertation „Von der Idee zum Mythos. Die Re-zeption des Bauhauses in beiden Tei-len Deutschlands in Zeiten des Neu-anfangs (1945 und 1989)“ vorgelegt.

Der Mauerfall von DessauTriumph der stillen Diplomatie beim deutsch-deutschen Klassentreffen: Die Ausstellung „Experiment Bauhaus“ aus West-Berlin wird 1988 zum Symbol für die Unteilbarkeit der Kulturnation VON MARTIN BOBeR

1988 treffen sich ehemalige Bauhäusler zum „experiment Bauhaus“ in Dessau. Hintere Reihe: Anneliese Itten, Carl Marx, Max Bill, ernst Kanow, Waldemar Adler, Rudolf Ortner, Walter Funkat, Kurt Kranz, Hermann exner (v. l.). Vordere Reihe: Konrad Püschel, Gertrud Arndt, Hubert Hoffmann, Ute Jaina Schlemmer (v. l.).

Hotel-Pension „An den 7 Säulen“ Ebertallee 66 • 06846 Dessau • Tel. 0340-619620 • www.pension7saeulen.de

50 Meter bis zum Dessau-Wörlitzer Gartenreich400 Meter bis zum Bauhaus

Die Pension an den MeisterhäusernA N Z e I G eA N Z e I G e

Foto: Peter Kühn

Diplomatisches Tauziehen bis zur eröffnung

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Zwei Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung besucht Stephen Kin-zer von der „New York Times“ gemein-sam mit der deutschen Fotogra�n Herlin-de Koelbl die Bauhausorte und kommt auch nach Dessau. Hier stößt er auf eine Stadt, die dabei ist, ihr Erbe zu begreifen. Wir veröffentlichen Auszüge aus Kinzers Reportage, die im Juni 1992 erschien.

Der kulturelle Einfluss der nur kur-ze Zeit bestehenden Designhochschule Bauhaus ist so tiefgreifend, dass viele von uns sich dessen gar nicht mehr be-wusst sind. In fast jeder europäischen und amerikanischen Stadt gibt es Ge-bäude, die in jenem kühlen, glatten Stil entworfen sind, dem die Bauhausarchi-tekten den Weg bereiteten. Bis heu-te war es Besuchern aber so gut wie unmöglich, die Orte selbst zu sehen, an denen das Bauhaus seine Erfolgsge-schichte begann. Weimar als die Stadt, in der die Schule ins Leben gerufen wurde, und Dessau als jene, in der sie zur Reife gelangte, wurden nach dem Zweiten Weltkrieg Teile der Sowjeti-schen Besatzungszone und anschließend der DDR, die den Tourismus strengen Vorschriften unterwarf. Obwohl viele führende Bauhausmitarbeiter politisch links standen, war die kommunistische Regierung, die sich in Ostdeutschland entwickelte, der Bauhaustradition nicht wohlgesinnt. Die Ideale des Bauhauses wurden als zu frei betrachtet, sein Stil als zu sehr vom Westen beeinflusst, um den Bedürfnissen der orthodoxen sta-linistischen Ideologie zu entsprechen. Man ließ die Tradition im Land ihrer Entstehung verblassen, und die Gebäu-de, die ihre Architekten hinterlassen hatten, ver�elen.

Zwei Jahre nach der deutschen Wie-dervereinigung gibt es immer noch keine öffentliche Initiative, die sich des physischen Erbes des Bauhauses wieder annehmen will. Kein Reiseführer enthält

eine vollständige Liste der Standorte und eine Reise durch das Land auf der Suche nach ihnen ist immer noch vom Zufall bestimmt. Aber für den Reisen-den, der an der Geschichte des Designs und an der Rolle interessiert ist, die das Bauhaus bei der Formung so vieler Be-reiche unserer modernen Welt spielte, hält die Reise viele lohnende Überra-schungen bereit.

In Dessau erreichte die Schule ihren kreativen Höhepunkt. Das fabelhaf-te Gebäude, in dem sie untergebracht war, wurde von alliierten Bomben im Zweiten Weltkrieg beschädigt, und seine nüchterne moderne Fassade war jahrelang hinter einer Verkleidung ver-schwunden, die die kommunistischen Behörden anbringen ließen. Aber es wurde in späteren Jahren der DDR re-stauriert und steht heute triumphierend an der Ecke Gropiusallee/Bauhaus-straße. Wie es dort die tristen Reihen von Wohnblocks überragt, wirkt das modernistische Bauhaus wie ein riesi-ges Raumschiff, das gerade von einem entfernten Planeten gekommen ist. Das Gebäude wurde in den vergangenen 40 Jahren unterschiedlich genutzt, aber seit kurzem steht es wieder in der Tra-dition des Bauhauserbes. Jetzt ist hier eine innovative Hochschule für Archi-tekten und Stadtplaner untergebracht. Dabei vergibt diese Institution keine Abschlüsse. Stattdessen verbringen hier Studenten in fortgeschrittenen Semes-tern sechs Monate mit der intensiven

Arbeit an Gruppenprojekten. Zum Kummer der Besucher sind nun auch die wenigen Bauhausobjekte, die früher in der Hochschule ausgestellt waren, verschwunden. Die Dessauer Samm-lung wird nach Jahren der Vernach-lässigung katalogisiert, und die Mitar-beiter hoffen, im Dezember eine neue und erweiterte Ausstellung eröffnen zu können.

Der Besuch der Bauhausstätten in Des-sau kann einen ganzen Tag in Anspruch nehmen. Abenteuerlustige oder deutsch sprechende Reisende können sich mit-hilfe eines Stadtplans zurechtfinden, aber bequemer ist es, die Tour mit dem Taxi zu unternehmen. Das der Öffent-lichkeit zugängliche Bauhausgebäude bietet sich als logischer Anfangspunkt an. Der nächste Halt könnte die Grup-pe von Wohnhäusern an der nahe ge-legenen Ebertallee sein, die 1925/26 für die Professoren der Hochschule gebaut wurden. Von den vier in den 1920er Jahren gebauten Häusern sind zwei-einhalb erhalten. Die Bauhausklassiker, die nach Plänen von Gropius gebaut wurden, be�nden sich heute in einem erschreckend maroden Zustand. Viele Details sind verbaut, Graf�ti verschan-deln mehrere Wände.

Der wahrscheinlich imposanteste Bauhausbau in Dessau nach der Schule selbst ist das ehemalige Arbeitsamt am August-Bebel-Platz, ein rundes Büroge-bäude mit Glasdach, das Gropius 1928 entwarf. Heute ist es Sitz einer privaten

Krankenversicherung. Das Erdgeschoss steht Besuchern offen. Sie können den runden Korridor entlanggehen, um sich eine Meinung darüber zu bilden, ob es dem Architekten gelungen ist, einen angenehmen und einladenden Ort zum Arbeiten zu schaffen.

Ein Ortsteil von Dessau, Törten, war der Standort eines gewagten Bauhaus-experiments. Architekten der Hoch-schule wollten hier ein ganzes Viertel bauen und zeigen, wie Wohnhäuser und Arbeitsplätze in einer eigenstän-digen Siedlung zusammengebracht werden konnten. Zwischen 1926 und 1928 wurden mehr als 300 Gebäude er-richtet. Viele von ihnen stehen noch, obwohl Törten nun seinen besonderen Charakter verloren hat und aus einer Mischung von Stilen besteht. Die meis-ten der Bauhausbauten in Törten sind in einem schlechten Zustand. Die Ver-waltung des Bauhauses versucht, das dortige Konsumgebäude mit einem La-den und drei Wohnungen darüber, zu kaufen und als Zentrum zu benutzen, von dem aus die Siedlung erfasst und ein Renovierungsplan entworfen wer-den kann. Die größten Kopfschmerzen wird in Dessau den Denkmalschützern wahrscheinlich die Südstraße bereiten, nicht weit von Törten, wo die einstmals bezaubernden Bauhausbauten standen. Eines von ihnen, das Gropius’ Partner Carl Fieger 1926 als Wohnhaus für sich selbst baute, ist nun Sitz einer Bau�rma, deren Außenwerbung die ganze Fassa-de bedeckt. Das andere als „Stahlhaus“ bekannte Gebäude ist unbewohnt, ver-rostet und steht kurz vor dem Zusam-menbruch.

Die deutsche Wiedervereinigung be-deutet nicht nur, dass Touristen nun endlich den ganzen „Bauhausweg“ be-reisen können, sondern auch, dass das reiche Erbe vielleicht in ein paar Jahren all jenen frei zugänglich sein wird, die seinen Einfluss auf das Leben im 20. Jahrhundert verstehen möchten.

Moderne per Zufall

überbaut, abgewirtschaftet, verschandelt: die Ruinen der Meisterhäuser in Dessau, 1992.

Fotos: Herlinde Koelbl für N

ew York Tim

es, 1992

Wie sich ein Amerikaner nach dem Fall der Mauer auf die Suche nach den Klassikern der Moderne begibt und gemeinsam mit den Denkmal schützern auf bessere Zeiten hofft VON STePHeN KINZeR

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Herr Junkers, Ihr Großvater wird in Dessau-Roßlau immer noch kultisch verehrt. Was reizt Sie an dieser Stadt, die nur zu zwanzig Prozent so aussieht, wie Hugo Junkers sie gekannt hat? Ich hatte in West-Berlin Wirtschafts-ingenieurwesen studiert und fuhr auf dem Heimweg nach München immer an Dessau vorbei. Einmal habe ich es gewagt, hier abzubiegen, und wur-de von Vopos aufgehalten. Ich wusste natürlich, dass in Dessau die Junkers-Werke gewesen waren, aber was nach der Enteignung meines Großvaters 1933 damit passiert war, davon hatte ich kei-ne Ahnung. Ich fühle mich heute Des-sau-Roßlau sehr verbunden. Vor allem, weil Junkers eben den Grundstein für den Aufschwung dieser Stadt gelegt hat. Andererseits bedrückt es mich natürlich sehr, dass auch die Zerstörung Dessaus während des Zweiten Weltkrieges in-direkt mit Junkers zu tun hatte. Seine Werke, um die er von den Nazis ge-bracht wurde, wurden schließlich zum Grund für die Bombardierung der Stadt.

Wenn es Junkers gut ging, ging es auch Dessau gut, sagt man noch heute. Woher kommt dieser Stolz auf ihn?Hugo Junkers war ein technisches Genie, ein Visionär. Er ist verantwortlich für un-zählige technische Neuerungen, die seine Firmen und die Stadt berühmt gemacht haben. 1928 wurden vierzig Prozent des Weltluftverkehrs mit Junkers-Flugzeugen betrieben! Und seine Innovationen waren damit nicht erschöpft, sondern erfassten auch ganz andere Bereiche. Denken Sie zum Beispiel an den Metallhausbau. Zu-gleich hat Junkers Arbeitsbedingungen geschaffen, die in dieser Zeit absolut un-üblich waren. Fast väterlich sorgte er für seine Mitarbeiter. Das haben die Dessau-Roßlauer bis heute nicht vergessen.

Sozial verantwortliche Unternehmer gab es in dieser Zeit einige, wo aber lag das Geheimnis dieses Mannes?Junkers fühlte sich allein durch seine Begabung dazu berufen, diese Firma zu führen. Was ihn besonders machte, war weder sein Geld, noch seine ge-sellschaftliche Position, sondern allein seine außergewöhnliche Fähigkeit, den Dingen auf den Grund zu gehen. Er war mit ganzem Herzen eigentlich ein Forscher. Alles andere hat ihn nicht in-teressiert, er lebte äußerst spartanisch.Inwiefern?Eigentlich lebte er mehr oder weniger in seinem Büro am heutigen Theaterplatz. Dort stand ein Feldbett und nach dem Aufstehen kochte er sich seinen Apfel-tee. Im Flur machte er täglich Klimm-züge und Turnübungen. Man fragt sich natürlich, wie er bei diesem Lebenswan-del zwölf Kinder haben konnte. (Lacht)Der Drang, Neues zu schaffen, verband ihn mit dem Bauhaus-Direktor Walter Gropius. Waren zwei solche Geister nicht zuviel für diese Stadt?

Man muss sich vorstellen, der dama-lige Oberbürgermeister Hesse war ein moderner, ziemlich liberaler Mensch. Aber die breite Bevölkerung in Des-sau galt wie überall als dem Modernen gegenüber weniger aufgeschlossen. Da fanden sich die, die sich der Avantgarde verschrieben hatten, zu einer Geistesge-meinschaft zusammen. Junkers hat seine Firma als Forschungs- und Versuchsan-stalt für Neuerungen bezeichnet – ganz ähnlich wie Gropius das Bauhaus. Existierte keine Konkurrenz zwischen den beiden?Das glaube ich eigentlich nicht. Gropius erkannte in Junkers den visionären For-scher und innovativen Techniker. Jun-kers dagegen schätzte Gropius für sein

modernes Denken und seine Bereit-schaft, das Althergebrachte hinter sich zu lassen. Darin waren sich die beiden tief verbunden. In Konkurrenz zu Jun-kers stand wohl eher Georg Muche mit seinen Stahlhäusern, aber auch er war der Familie Junkers verbunden. Beide schätzten sich nicht nur auf fachlichem Gebiet, sondern auch persönlich. Gab es nicht doch eine Kontroverse zwi-schen dem Bauhaus und Junkers um das Material für den industriellen Hausbau, sprich: Beton gegen Metall?Es stimmt, Gropius hielt Beton für ein zukunftsweisendes Baumaterial. Jun-kers hingegen setzte auf Metall, auf pro�lierte Wände, deren Stabilität den gleichen Kriterien unterliegt wie der Flugzeugbau. Seine Versuche mit dem Metallbau führten zu interessanten Pro-totypen, doch zur industriellen Serien-reife gelangten sie nicht mehr. Hugo Junkers starb zu früh. Gropius hat nach einem Spaziergang mit Junkers über dessen „ethische Ansprüche und Bestrebungen“ räsoniert. Im Ganzen

hielt er ihn für einen unmodern denken-den Menschen, „aber mit Persönlichkeit“. Wie passt das zusammen?Ich glaube, Junkers war sehr reflektiert und hat sehr über den Sinn des Lebens und die Aufgabe des Menschen nach-gedacht. Immerzu suchte er nach einer Rechtfertigung für den Einsatz, den er von seinen Mitarbeitern forderte. Diese sagten fast unisono, es sei wunderbar gewesen, für Hugo Junkers zu arbeiten, aber zugleich unvorstellbar anstrengend. Wenn man soviel von seinen Mitarbei-tern verlangt, braucht man dafür eine Begründung. Man muss selbst Vorbild sein – das war Junkers in jedem Fall. Es ist notwendig, seinen Leuten einen Grund für ihr Tun zu vermitteln. Im-

mer ging es ihm um die Verantwor-tung für das Ganze. Für Hugo Junkers’ Kinder war das nicht ganz einfach. Als Vater war Junkers meistens abwesend. Unsere Ausstellung heißt „Bauhaus-stadt“ und vermittelt auch die beinhar-te Debatte, die Dessau im vergangenen Jahrzehnt um sein Leitbild geführt hat. Hätte es eine „Junkersstadt“ leichter?Ich glaube nicht, das ist eine sehr heikle Sache. Der Name Junkers ist national wie international belastet, weil er noch immer mit dem Luftkrieg verbunden ist. Es wäre eine Aufgabe, hier zur Auf-klärung beizutragen und vor aller Welt klarzustellen, dass Hugo Junkers ein Opfer der Nationalsozialisten war und kein Mittäter. Seine Vision war eine ganz andere. Er wünschte sich ein ver-eintes Europa, das nicht aus National-staaten besteht, und glaubte daran, dass der Flugverkehr das einigende Band sein könnte. Das müsste auch in dem Denkmal zum Ausdruck kommen, das die Stadt Dessau-Roßlau gerade für ihn plant. Komischerweise sind von Gropius und Junkers nur gemeinsame Spaziergän-ge überliefert, aber keine gemeinsamen Flüge. Wie kommt das?Bei aller Begeisterung für die Luftfahrt und den Flugzeugbau versuchte Jun-kers, Flugreisen so weit als möglich zu vermeiden. Ihm wurde in der Luft ganz einfach meistens schlecht.

Die Fragen stellten Ingolf Kern und Andreas Kühnlein.

Hugo blieb lieber am BodenDer Enkel spricht über seinen berühmten Großvater, dessen technische Visionen, über modernes Unternehmertum, die Spaziergänge mit Gropius und über Hugo Junkers‘ Liebe zum Apfeltee

Bernd Junkers ist der enkel des berühmten Dessauer Luftfahrtpioniers. Der studierte Wirt-schaftsingenieur hat sich die Verwaltung des Nachlasses zur Lebensaufgabe gemacht.

Hugo Junkers wurde als Pionier der Luftfahrt bekannt. Doch er interessierte sich auch für das moderne Wohnen: Prototypen für Metallhäuser.

Foto: Andreas Kühnlein, 2009, Stiftung Bauhaus D

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Fotos: Archiv Bernd Junkers

Page 11: bauhausstadt  die zeitung zur ausstellung

12 I 2009 • bauhausstadt • seite 11

Kretschmann wird Tatort-Kommissar. Der 58 Jahre alte Schauspieler Thomas Kretschmann hat seine Hollywood-Kar-riere unterbrochen und wird in seine Heimatstadt Dessau zurückkehren, um dort künftig als Tatort-Kommissar Han-nes Breuer zu ermitteln. Wie der MDR mitteilte, soll der neue Kommissar für seine Verbrecherjagd keinen Dienstwa-gen, sondern eine JU 52 benutzen.

Pool am Prellerhaus. Die Rasenfläche unterhalb der Balkone des Atelier-gebäudes am Bauhaus wird zu einer Poollandschaft umgestaltet. Wie die Stadtverwaltung bekanntgab, stehen aufgrund der jährlich ansteigenden und inzwischen als mediterran geltenden Temperaturen in Dessau nicht genügend Badestellen zur Verfügung. Die Kosten für den Umbau trägt ein nicht genann-ter Sponsor aus dem Wüstenstaat Katar.

Fünfmillionster Besucher. Das vor ei-nem Jahrzehnt eröffnete „Walter Gropius Center“ der Stiftung Bauhaus Dessau er-wartet den fünfmillionsten Gast. Das Be-sucher- und Sammlungszentrum hat sich zu einer Attraktion im Land der Mo-derne entwickelt, sagte der neugewählte Ministerpräsident Paul Biedermann.

Neue Dessauer Schule. Der Maler Neo Rauch trägt sich mit der Absicht, eine neue Schule für Malerei im Des-sauer Bauhausgebäude zu gründen. Wie Rauch sagte, sei er sich mit der Bau hausstiftung weitgehend einig. Mit dem Sommersemester solle der Lehrbe-trieb in Dessau beginnen. Erstes Presti-geprojekt ist das Farbfest 2021.

Streit ums Junkers-Denkmal. Um das geplante Denkmal für den Luftfahrt-pionier Hugo Junkers gibt es weiter Streit. Die Erben und weite Teile der Stadtöffentlichkeit lehnten den Entwurf eines angesehenen Architekturbüros ab, im Stadtpark einen unterirdisch begeh-baren Badeofen zu schaffen. Die Unesco wird sich mit dem Fall befassen.

Junkers-Werke werden wiedereröff-net. Wie die Airbus GmbH mitteilte, soll der Hauptsitz des Unternehmens im kommenden Jahr von Toulouse, Frankreich, nach Dessau verlegt wer-den. Pressesprecher John Leahy gab au-ßerdem die Umbenennung des größten europäischen Flugzeugbauers in „Hugo Junkers Worldwide“ bekannt. Neuer Chef des Unternehmens wird der frü-here Airbus-Chef Hartmut Mehdorn.

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Bauhausstadt 2020Ein satirischer Blick in die Zukunft

Zeichnung: Tim Dinter

Uschi Heß wieder an der Bar. Die agile 92jährige mixt ab August 2020 wieder Klassiker wie „Blondes Gift“ und „Schlurfke Drink“ im renovierten Tanzca-fé am Bauhaus. Mit ihrer Rückkehr beugt sich die Lokalgröße dem Drängen der Bi-bliotheksleitung im Stockwerk darunter.

Vier-Millionen-Marke geknackt. Dank konsequenter Eingemeindungspolitik ist die Bauhausstadt Dessau-Roßlau-Witten-berg-Bitterfeld-Köthen die größte Me-tropole Deutschlands. Der Bundestag berät derzeit über eine Verlegung des Re-gierungssitzes in den sachsen-anhaltischen Stadtstaat.

Hallervorden eröffnet Showküche. In einer aufsehenerregenden Aktion kaufte der Entertainer das neu errichtete Meis-terhaus Gropius (bauhausstadt berich-tete). Hier will der 85jährige im Herbst eine Showküche eröffnen, seine Show soll bundesweit live übertragen werden.

Luftbrücke nach Dessau. Nach häufi-gen Beschwerden über Verspätungen im ICE-Verkehr zwischen Dessau und Ber-lin sieht sich Deutsche-Bahn-Chef Grube zu einem unerwarteten Schritt gezwun-gen: Zusammen mit den Junkers-Werken soll eine ständige Flugverbindung in die Bundeshauptstadt eingerichtet werden.

Page 12: bauhausstadt  die zeitung zur ausstellung

seite 12 • bauhausstadt • 12 I 2009die eigene Person machen. Ein Berufs-alltag mit von Jahr zu Jahr knapperen Kassen hat sie zu Meistern der Impro-visation gemacht. Oft müssen sie retten, was sich die Vordenker der Stiftung theoretisch aus-, aber nicht vollends zu Ende gedacht haben. Dabei sind die An-forderungen, mit denen sich das Duo bei seiner täglichen Arbeit konfrontiert sieht, nach wie vor die gleichen, wie bei ihren historischen Vorgängern: „Es darf nichts kosten, es muss leicht sein – und am besten noch gut aussehen.“ Pragmatischer könnte man das Bauhaus-programm kaum zusammenfassen.

Zur Zeit sind die beiden Tischler wieder mit einer großen Ausstellung beschäftigt, zeichnen, sägen und schrau-ben an der „Bauhausstadt“, der sich die Stiftung Bauhaus Dessau als Abschluss ihres Jubiläumsprogramms widmet. Auf einem kleinen Brettchen macht Seilkopf Skizzen, den Entwurf der Oktogo-ne, die später die „Bauh-ausstadt“ tragen werden. Von der aufgeregten Hek-tik, in der die Ausstellung vorbereitet wird, ist hier kaum etwas zu spüren – Seilkopf und Ziolkowsi haben schon zu viele Aus-stellungen miterlebt, um noch Herzflattern zu be-kommen vom Zeitdruck.Und wenn der Handwer-

ker mit geschultem Auge auf die Entwürfe des his-torischen Bauhauses sieht? Natürlich funktioniere das nicht alles perfekt, und manche Dinge sind eben

nicht von professionellen Konstruk-teuren entworfen, sondern stammen sichtbar aus der Feder von Künstlern. Der Lattenstuhl zum Beispiel, den Marcel Breuer 1922 entwarf und des-sen schwächste Stelle ausgerechnet am Ort der stärksten Belastung sitzt. Eine ungewollte Sollbruchstelle beinah, „aber das macht nichts“, verteidigt Seilkopf den Meister, „dafür war das eben eine Versuchswerkstatt, ein Laboratorium, das Prototypen herstellte.“ In dieses würde er gerne einmal eine Zeitreise unternehmen: Neues zu entwickeln und auszuprobieren, wie die Bauhäus-ler, das würde auch ihn reizen. Seine tatsächliche Arbeit entspricht vielleicht nicht ganz der Entwurfspraxis, die die Werkstätten der zwanziger Jahre aus-machte. Aber er ist doch immerhin sehr nahe dran.

Holger Ziolkowsi und Henning Seilkopf sind moderne Bauhausmeister. Ihr Arbeitsplatz ist die Modellwerkstatt am Bauhaus in Dessau-Roßlau. Freilich meint der Zusatz „Modell“ heute Ande-res als zu Gropius’ Zeiten. Was einst die Werkstatt selbst als modellhafte Versuchs-anstalt beschrieb, ist heute deren Haup-terzeugnis. Für die Projekte der Stiftung Bauhaus Dessau entstehen hier Modelle im Wortsinn, maßstabsgetreue Miniatur-bauhäuser zum Beispiel. Daneben fertigen die Tischler Ausstellungssysteme und Vi-trinen, gestalten Bühnenbilder und repa-rieren ab und an eine quietschende Tür im Bauhausgebäude selbst.

Ihren Weg ans Bauhaus beschreiben die beiden Handwerker ziemlich lapidar. „1986 hing so ein Zettel an einer Säu-le vor dem Bauhaus“, erzählt Seilkopf. ‘Modelltischler gesucht’, stand da. Da wird Kunst und Kultur gemacht, hab ich mir gesagt, da bewerb’ ich mich.“ Am Bauhaus zu arbeiten, sei schon et-was Besonderes, auch wenn der histo-rische Hintergrund wohl erstmal nicht ausschlaggebend war. „Man ist da so reingewachsen“, meint Ziolkowski nur, aber als er über die Arbeit der Bauhäus-ler spricht, beginnen seine Augen doch zu leuchten.

Ihre Werkstatt ist eine Fundgrube für sich, eine Mischung aus Arbeits-

raum und Kuriositätenkabinett. Schwere Maschinen stehen zwischen halben Vi-trinen und unde�nierbaren Holzteilen, zwischen Kisten, Podesten und �ligra-nen Modellen – Überbleibseln aus den Ausstellungen, die die beiden auf- und wieder abgebaut haben. Aus den Res-ten haben sie sich ihre eigene „Bauh-aussammlung“ gezimmert; in jeder Ecke stehen, hängen, liegen Dinge, die „ein-fach zu schade waren zum Wegwerfen.“ Auch wenn nicht so ganz klar wird, welche Ausstellung eigentlich das höl-zerne Damenbein in der Ecke hinterlas-sen hat, in die Sammlung Seilkopf / Ziol-kowski passt es – zusammen mit dem Hirschkopf an der Wand und einem echten Kriegertotem aus Neuguinea, das sich Seilkopf gerade bei eBay ersteigert hat. Nicht alles also sind Zufallsfunde; die Prunkstücke verraten vielmehr ein sehr feines Gespür für Kurioses – und eine gehörige Portion Selbstironie. Die fällt schon am Eingang ins Auge, wo der Bauhausgründer höchstselbst von einem etwas verblassten Schild grüßt. „Du bist Walter Gropius“, heißt es da. Stimmt das?

Zweifellos hat diese Tischlerei den viel-leicht handfestesten Zugang zum Bau-haus, den es heute gibt. Keine Ausstel-lung am Haus, kaum eine Veranstaltung ist denkbar ohne die Arbeit der beiden Holzexperten, die wenig Aufhebens um

Aus welchem Holz ist das Bauhaus?Von den Werkstätten in Dessau ist eine einzige noch heute in Betrieb – ein Besuch in der Tischlerei der Stiftung Bauhaus Dessau VON ANDReAS KüHNLeIN

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Fotos: Yvonne Tenschert, 2009, Stiftung Bauhaus Dessau

Page 13: bauhausstadt  die zeitung zur ausstellung

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Rätsel1. Wo arbeitete Gunta Stölzl?2. Welches Material liebten die Bauhäusler sehr und bauten es in den verschiedensten Varianten im Bauhausgebäude ein?3. Wie hieß der erste Bauhaus-Direktor?4. Wie heißt das Fest, das jedes Jahr in der ersten Septemberwoche am Bauhaus gefeiert wird?5. Welchen Beruf hatte Walter Gropius?6. Wie heißt das Hochhaus mit den Balkonen neben der Mensa?7. Wie hieß der zweite Bauhaus-Direktor?

VerbindungsdingWas entsteht, wenn man die Zahlen der Reihe nach verbindet?

Kinderseite

Radierung von Hanna, 8 Jahre, entstanden 1997 im Rahmen der Kinderwerkstatt am Bauhaus

„es war einmal ein Bauhaus. es wurde zu Fasching gebaut. Walter Gropius hat es entworfen. Darin arbeiteten Studenten. Weil sie gerne Feste feierten, ist es am Fa-schingstag fertig geworden. Für das Fest haben sie das ganze Bauhaus verwandelt.“ Malte, 8 Jahre, aus dem „Reisebuch von Kindern für Kinder der Region Dessau-Bitterfeld-Wittenberg“, 1997

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Schreibt das Lösungswort auf eine Postkarte und schickt diese an die Stiftung Bauhaus Dessau: Stiftung Bauhaus Dessau // Stichwort: Rätsel Bauhauszeitung // Gropiusallee 38 // 06846 Dessau-Roßlau // Einsendeschluß ist der 7. März 2010.Unter den richtigen Einsendungen werden 3 Gedächtnisspiele verlost.

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Wie sieht Dessau-Roßlau 2020 aus?Plakatwettbewerb für Schüler der 8. bis 12. KlassenGemeinsam mit der „Mitteldeutschen Zeitung“ sucht die Stiftung Bauhaus Dessau nach Visionen junger Menschen aus Dessau-Roßlau für die Zukunft ih-rer Stadt. Schüler sind aufgerufen, ihre Wünsche und Ideen unter dem Titel „Visionen Dessau 2020“ als Plakat zu gestalten. Wohin soll sich Dessau-Roß-

lau in den nächsten zehn Jahren entwi-ckeln? Was soll sich verändern? Ent-würfe können bis zum 14. März 2010 im Servicebereich der Stiftung Bauhaus Dessau abgegeben werden. Mehr zum Wettbewerb unter www.bauhaus-des-sau.de oder bei Heike Donath (Tel. 03 40-65 08-320).

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Page 14: bauhausstadt  die zeitung zur ausstellung

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Samstag, 5. Dezember 2009 bis Sonntag, 7. März 2010täglich 10 bis 18 Uhreröffnung: Samstag, 5. Dezember 2009 um 17 Uhr durch Staatssekretär Valentin Gramlich – ab 19 Uhr Büh-nenprogramm und Fest Ort: Bauhausgebäude

Begleitprogramm

Unbekannte Bauhaus-Orte Stadtspaziergang durch Dessau-Roßlau. Samstag, 12. Dezember 2009 um 14 Uhr, Treffpunkt: Altes Arbeitsamt/Ver-kehrsamt (August-Bebel-Platz)

DDR-Bauhaus: Staatstragend oder subversiv? Gespräch. Mon-tag, 14. Dezember 2009 um 19 Uhr, Klub im Bauhaus (Gropiusallee 38)

Bauhaus im Kino Dokumentar�lm „bauhaus – modell und mythos“ von Kerstin Stutterheim und Niels Bolbrin-ker. Sonntag, 10. Januar 2010 um 17 Uhr, UCI-Kinowelt (Wolfgangstraße 14), Ein-tritt: ab 6,50 €

Blick hinter den eisernen Vor-hang Vortrag. Donnerstag, 14. Januar 2010 um 19 Uhr, Klub im Bauhaus (Gropiusallee 38)

Perspektive Bauhausstadt Dessau Podium. Donnerstag, 21. Janu-ar 2010 um 19 Uhr, Ratssaal im Rathaus Dessau-Roßlau (Zerbster Straße 4)

Raumpioniere aus dem Bauhaus Vorträge. Freitag, 29. Januar 2010 um 19 Uhr, Depot der Alten Brauerei (Brau-ereistraße 1–2) Bauhausstadt Dessau?Gespräch. Montag, 1. Februar 2010 um 19 Uhr, Ratssaal im Rathaus Dessau-Roßlau (Zerbster Straße 4)

Bauhausstadt und Junkers Veranstaltungsabend. Mittwoch, 3. Fe-bruar 2010 ab 21 Uhr, Bauhausgebäude (Gropius allee 38)

Was denkt die Welt über die Bauhausstadt? Podium. Frei-tag, 5. Februar 2010 um 19 Uhr, Klub im Bauhaus (Gropiusallee 38)

Wie geht es weiter mit den Bauhausbauten? Podium. Don-nerstag, 11. Februar 2010 um 19 Uhr, Kornhaus (Kornhausstraße 146)

Bauten der Moderne: Erhal-tung und Pflege Workshop. Sams-tag und Sonntag, 13. und 14. Februar 2010, Bauhausgebäude (Gropius allee 38)

Region der Moderne Podium.Donnerstag, 18. Februar 2010 um 19 Uhr, Technikmuseum „Hugo Junkers“ (Kühnauer Straße 161 a)

Wende war anders?! Filmischer Rückblick. Samstag, 20. Februar 2010 um 19 Uhr, Aula im Bauhausgebäude (Gropiusallee 38)

Bauhausbauten aus der Sicht von Anwohnern Diskussion. Mon-tag und Dienstag, 22. und 23. Febru-ar 2010 jeweils um 16 Uhr, Siedlung Törten. Mittwoch, 24. Februar 2010 um 16 Uhr, historisches Arbeitsamt. Don-nerstag, 25. Februar 2010 um 16 Uhr, Kornhaus (Kornhausstraße 46)

Die Entdeckung von Kurt Weill 1992 in Dessau Filme und Gespräche. Sams tag, 6. März 2010 um 17 Uhr, Kurt-Weill-Zentrum, Meister-haus Feininger (Ebertallee 63)

Schulprojekt Radio-Feature[funk]projekt. Januar bis April, Präsen-tation am Mittwoch, 28. April 2010

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„Heimatcontainer – deutsche Fertighäuser in Israel“Ausstellung im Meisterhaus Schlemmer bis 7. März 2010

Berlin, Ende der zwanziger Jahre. Die Hirsch Kupfer- und Messingwerke AG sind Deutschlands wichtigster Herstel-ler von Halbzeugen. Doch die im Ers-ten Weltkrieg auf Rüstungsproduktion spezialisierte Fabrik ist nicht ausgelastet, neue Geschäftsfelder müssen her. Hirsch entwickelt ein Fertighaus aus Kupfer.

Äußerlich wirken die Häuser traditio-nell, technisch sind sie hoch modern. 1931 wird Walter Gropius mit der Verfeine-rung der Entwürfe beauftragt, ein Jahr

später feiert die Bauausstellung „Sonne, Luft und Haus für alle!“ seine Entwürfe.

Nach der Machtübernahme Hitlers sind viele jüdische Mitbürger gezwungen, nach Palästina zu emigrieren. Die Kupferhäu-ser sind nun eine Referenz an die alte Heimat. Die in der Ausstellung gezeigten künstlerischen Arbeiten spüren den Ge-schichten der Kupferhäuser in Deutsch-land und Israel nach und reflektieren, was heute Heimat ist und sein könnte. Eröffnung am 5. Dezember um 15 Uhr.

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Das Leben des Malers Paul Klee am Bauhaus in Dessau: Der Auszug auf dieser Seite stammt aus der Comic-Biografie „Klee“ von Christophe Badoux, die im Verlag „edition Moderne“ erschienen ist. Der Nachdruck erfolgte mit freundlicher Genehmigung des Zentrums Paul Klee, Bern. Das Buch ist unter www.paulkleezentrum.ch für 19,80 euro erhältlich.

Page 16: bauhausstadt  die zeitung zur ausstellung

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