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29. März 2018 509 Der Vatikan plant für Venedig eine heilige Mini-IBA LOBET DEN BAUHERRN CHARLES JENCKS ÜBER DIE AKTUALITÄT DER POSTMODERNE Das Querformat für Architekten

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29. März 2018

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Der Vatikan plant für

Venedig eine heilige

Mini-IBA

LOBET DEN

BAUHERRN

CHARLES JENCKSÜBER DIE AKTUALITÄT DER POSTMODERNE

Das Querformat für Architekten

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5 Interview mit Charles Jencks Über die Aktualität der Postmoderne

Von Stephan Becker und Friederike Meyer

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oche Zwischen Louvre Abu Dhabi und Hamburgs Elbphilharmonie: Ein Interview mit Charles Jencks

über die Aktualität der Postmoderne, Herzog & de Meurons besondere Fähigkeiten und Snøhettas kontroverse Umbaupläne für das AT&T-Gebäude von Philip Johnson.

19 Bild der Woche

3 Architekturwoche

4 News

Titel: Charles Jencks im November 2017

oben: Interview beim World Architecture Forum in Berlin

Fotos von Erik-Jan Ouwerkerk

BauNetz Media GmbH

Geschäftsführer: Dirk Schöning

Chefredaktion: Friederike Meyer

Gestaltung / Artdirektion : Natascha Schuler

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Seriöse Institution, seriöser Kurator: Erstmalig wird in diesem Jahr der Vatikan mit einem eigenen Projekt bei der Architekturbiennale in Venedig vertreten sein, und verantwortlich ist mit Francesco Dal Co einer der wichtigsten Architekturhistoriker Italiens. Geladen sind zehn Architekten und Büros, die auf der Klosterinsel San Giorgio Maggiore kleine Kapellen aus Holz errichten werden. Den Ausgangspunkt dieser heiligen Bauausstellung bildet Gunnar Asplunds Stockholmer Woodland Chapel. Für deren Präsentation entsteht ein eigener Pavillon, wie Dal Co vergan-gene Woche bei einer Pressekonferenz in Rom berichtete. sb

DIENSTAG

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Asplund Pavilion von MAP Studio/ALPI

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NEWS

Als erster Parlamentsbau in der noch jungen Bundesrepublik gilt das Haus des Landtags in Stuttgart als wichtiges Zeugnis deutscher Nachkriegsarchitek-tur. Der kompakte Bau – errichtet von Erwin Heinle und Horst Linde nach ei-nem Entwurf des Mainzer Architekten Kurt Viertel – ist im Erdgeschoss allsei-tig eingerückt, sodass die beiden oberen Etagen mit großen Verglasungen und einer noblen Bronzehülle zu schweben scheinen. Herzstück des Hauses ist der neuneckige, holzvertäfelte Plenarsaal, der nach der behutsamen Sanierung durch Staab Architekten von Tageslicht erfüllt ist und den Abgeordneten auch während einer Sitzung Ausblick zum Himmel ermöglicht.

www.baunetzwissen.de/bauphysik

MIT BEZUG ZUM HIMMEL OBJEKT IM BAUNETZ WISSEN

2018 wird der Freistaat Bayern 100 Jah-re alt. Das Architekturmuseum Mün-chen beteiligt sich an den Feierlichkei-ten mit der Ausstellung „Wohnungen, Wohnungen, Wohnungen!“. Sie erzählt die Geschichte von den staatlichen Initiativen nach dem Ersten Weltkrieg bis zu aktuellen Förderkonzepten. Die Kuratorin Hilde Strobl hat 40 Beispiele zusammen getragen, die vom Eigen-heim über die Kleinsiedlung und den mehrgeschossigen Zeilenbau bis hin zur Großsiedlung reichen und unter anderem über Modelle und alte Filme dargestellt werden. Einen Schwerpunkt bilden die Bau- und Siedlungsprogram-me des sozialen Wohnungsbaus. Bis 13. Mai 2018

www.architekturmuseum.de

Als „spukhafte Fernwirkung“ bezeich-nete Albert Einstein das Phänomen, dass sich zwei räumlich voneinander getrennte Quantensysteme in einem gemeinsamen Zustand befinden: Zwei Teilchen sind so miteinander verbun-den, dass sich Veränderungen an einem der beiden unmittelbar und ohne zeitliche Verzögerung auf den Zustand des anderen auswirken – telepathisch sozusagen. In seiner Lichtinstallation „tele“ verweist der Künstler Carsten Nicolai auf diese Besonderheit der Quantenverschränkung: Sie besteht aus zwei Spiegelskulpturen in Form eines geteilten archimedischen Körpers, die per Laserstrahlen miteinander kommu-nizieren. Bis 3. September 2018

www.berlinischegalerie.de

WOHNUNGSBAU IN BAYERN AUSSTELLUNG IN MÜNCHEN

CARSTEN NICOLAI TELE IN DER BERLINISCHEN GALERIE

Building Information Modeling klingt für viele nach unnötigem Mehrauf-wand, doch das durchgängig digitale Planen hat das Potenzial, für die Ar-chitektur verlorene Freiräume zurück-zuerobern. Was es dafür aber braucht, sind Offenheit und die Kenntnis der Möglichkeiten. Ein neues Fachportal von Baunetz Wissen wird sich darum ab sofort mit den neuen Planungs- und Kommunikationsmethoden beschäfti-gen. Beim Einstieg hilft nicht nur ein Glossar samt Linklisten und Veranstal-tungshinweisen, sondern auch – weitaus anschaulicher – das Wissen wichtiger BIM-Pioniere bis hin zum Fokus aufs einzelne Projekt. Das Ziel bei alledem: Wieder mehr Zeit für den Entwurf.

www.baunetzwissen.de/bim

ALLES ÜBER BIM NEUES BAUNETZ WISSEN-FACHPORTAL

Foto: Marcus Ebener Schulkinder in Neuperlach, Foto: Kurt Otto, Bestand Neue Heimat Bayern

tele, © Carsten Nicolai und VG Bild-Kunst, Bonn 2018, Courtesy Galerie EIGEN + ART, Foto: Julija Stankeviciene

Stiftung Louis Vuitton in Paris von Gehry Partners, Foto: Iwan Baan

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CHARLES JENCKSÜBER DIE AKTUALITÄT DER POSTMODERNE

Foto

: Erik

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VON STEPHAN BECKER UND FRIEDERIKE MEYERPORTRAITS: ERIK-JAN OUWERKERKAUS DEM ENGLISCHEN: SOPHIE JUNG

In welcher Zeit leben wir eigentlich? Sollten postmoderne Bauten unter Schutz gestellt werden? Was gilt heute überhaupt als postmodern und was nicht? Der Architekt und Architekturtheoretiker Charles Jencks, der mit seinen Büchern über die Postmoderne weltbekannt wurde, hat klare Ant-worten. BauNetz traf ihn Ende 2017 am Rande des World Architecture Fes-tivals in Berlin. Der heute 78-Jährige sprach über Herzog & de Meuron und die Elbphilharmonie in Hamburg, Jean Nouvels Louvre in Abu Dhabi und über die kontrovers diskutierten Entwürfe von Snøhetta für den Umbau des AT&T-Gebäudes von Philip Johnson in New York City, das vielen als Ikone der Postmoderne gilt. Jencks erzählt über seinen Streit mit Norman Foster, erläutert den Unterschied zwischen Pomo und Postmoderne und besteht darauf, dass die Postmodernen keine Antimodernen sind.

CHARLES JENCKSDIE AKTUALITÄT DER POSTMODERNE

Charles Jencks beim Interview in Berlin

nächste Seite: Le Corbusiers Kirche inRonchamp, Foto: Wladyslaw CC BY-SA 3.0

Petersdom mit Fassade und Kuppel von Michelangelo, Foto: Wolfgang Stuck

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DIE POSTMODERNE WAR NIE WIRKLICH TOT – UND OHNE ES ZU WISSEN ODER SICH SO ZU BEZEICHNEN, IST HEUTE JEDER

EIN POSTMODERNER.

Herr Jencks, sehen Sie derzeit ein Revival der Ideen der Postmoderne?

Ich sehe beides, ein Überleben und ein Wiederaufleben. Vielleicht ist es wie das gleichzeitige Überleben und Wiederaufleben der gotischen Architektur zwischen dem 17. und dem 19. Jahrhundert. Wenn Sie das Beispiel von Giorgio Vasari nehmen und seinen Lebenszyklus der Künste mit Geburt, Reifung und Tod, dann führt uns das diese alte Idee des Westens vor Augen, die Kultur als lebenden Organismus zu begreifen, der sterben kann. Aber selbst eine so kraftvolle Metapher wie diese, die eine bedeutende Rolle für den Zerfall des Westens einnimmt, ist nur eine Metapher, während die Realität doch sehr viel komplexer ist. Die Postmoderne war nie wirklich tot, auch wenn sie in den Neunzigern sehr aus der Mode geraten war. Vor allem heute blüht sie wieder auf, wo doch jeder ein Postmoderner ist – ohne es zu wissen oder sich so zu bezeichnen. Sie hat überlebt. Ebenso wurde sie – unbewusst – von den Jüngeren wiedergeboren, die sie eigentlich nie kannten.

Woran machen Sie das fest?

Nun ja, es ist in fast allen Bereichen augenscheinlich, aber in der Architektur beson-ders. Es gab in diesem Jahr in Großbritannien drei Bücher über die Postmoderne, und gerade sind neun Bücher über den Brutalismus auf Englisch herausgekommen.

Ist Brutalismus für Sie gleich Postmoderne?

Nein, der Brutalismus gehört zur Spätmoderne. Aber er hat postmodernde Tenden-zen. Der Brutalismus ist eine manierierte Form der Übertreibung in Stahlbeton. Le Corbusier selbst wurde postmodern in Ronchamp, in Chandigarh, und sogar, als er sich für den Philips Pavillon in Brüssel das neue Paradigma der computergestützten Errechnung von Architektur aneignete. Le Corbusier wie auch Michelangelo machten die frühe, mittlere und späte Phase mit. Michelangelo durchschritt alle Kategorien. Er war Frührenaissance, Hochrenaissance und Spätrenaissance, Manierismus und Barock. Dann hat er den Petersdom geschaffen. Titanen überwinden die Kategorien. Sie überqueren unterschiedliche Begriffe und öffnen den Geist. Niemand übernimmt die Aufsicht für Geschichte.

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DIE ELBPHILHARMONIE IST WAHRSCHEINLICH DAS BESTE POSTMODERNE GEBÄUDE, DAS

JEMALS GEBAUT WURDE – WENN AUCH 50 JAHRE SPÄTER.

Wer sind denn die Titanen unserer Zeit?

Herzog & de Meuron vertreten in jeglicher Hinsicht eine typisch postmoderne Praxis – symbolisch, ornamental, zeitprägend wie Rem Koolhaas und selbst David Chipper-field. Sie alle schaffen Gebäude ihrer Zeit, postmodern, widersprüchlich, symbolisch. Jacques Herzog und Pierre de Meuron sind sehr kluge und engagierte Architekten. Und sie verstehen, dass nur ein Stil oder nur eine Herangehensweise nicht für alles gut ist. Sie haben sich langsam von einer minimalistischen zu einer ornamentalen, dann zu einer symbolischen Architektur gearbeitet, bis sie schließlich zu einem wirklich komplexen, widersprüchlichen Stil fanden. Und deswegen, denke ich, sind sie die besten Postmodernen, die es derzeit gibt.

Man sollte noch hinzufügen, dass die wichtigsten Gebäude der Postmoderne eigent-lich von Vertretern der Moderne in einem Moment des Rückzugs entworfen wurden, während eines Urlaubs oder im Austausch mit einer anderen Kultur. Viele der großen Architekten wie Norman Foster oder Richard Rogers geben an, Moderne zu sein und die Postmoderne zu hassen. Aber das ist egal. Aus der Perspektive eines Kunsthistori-kers oder Kritikers machen sie bisweilen postmoderne Architektur. Das ist ein wei-terer Grund, warum ich sage, dass die Postmoderne nie aufgehört hat zu existieren. Entschuldigen Sie, dass ich jetzt meine eigene Arbeit erwähne, aber 2011 schrieb ich The Story of Postmodernism, wo ich all das aufführe, und niemand schickte sich nur irgendwie an, mir zu widersprechen – so offensichtlich ist es.

War die historische Postmoderne in diesem Sinne einfach eine Laune einiger Architekten?

Die Postmoderne hat als Bewegung in den Sechzigern angefangen, in der Zeit der Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg, der Zeit des Feminismus, der schwarzen Bürgerrechtsbewegung und der Regenbogenkoalition. Kurz gesagt: Die Postmoderne ist Pluralismus, in der Literatur, in der Philosophie und in allen Künsten. Wir leben in einer pluralistischen Kultur. Das ist also nicht nur die Laune einiger Architekten. Aber wir leben nicht in einem wahren Pluralismus. Vielmehr in einer Kultur des Verkaufs, des Marktpluralismus, der oft wirkliche Freiheit fehlt. In diesem Sinne bin ich eine Art Dino-saurier der originalen Postmoderne. Man nannte mich auch Papst der Postmoderne, ironischerweise versteht sich.

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Dach der Elbphilharmonie, Foto: Michael ZapfVoherige Seite: Elbphilharmonie von Herzog & de Meuron, Foto: Sophie WolterNeues Museum von Friedrich August Stüler, Umbau von David Chipperfield Architects, Foto: Janericloebe / gemeinfrei

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te, die die Robin Hood Gardens jetzt zerstören, könnte man gut darauf verwenden, Leon Krier dafür zu gewinnen, ein paar Luxusvillen auf den Dächern zu entwerfen und das Innere umzugestalten. Als ich ihn selber einmal fragte, sagte er allerdings: Nein, er würde diese Art von Architektur hassen. Nun, nicht jeder ist ein passionierter Pluralist, wenn es darum geht, zu handeln – obwohl Leon sich manchmal für den Pluralismus einsetzt.

In New York wird das AT&T-Gebäude von Philip Johnson von 1978 gerade von Snøhetta umgebaut. Ihr Entwurf hat eine große Diskussion hervorgerufen. Wie kommentieren Sie die Pläne?

Ich mochte dieses Gebäude nie. Ein Mausoleum? Ein Grabstein? Obwohl es als post modern verteidigt wird, hat es nicht die Weltgewandtheit und die urbanen Werte. Die New Yorker möchten es als Landmarke behalten, aber Snøhetta will es wirklich postmodernisieren und hat dafür einen sehr durchdachten Entwurf vorgelegt. Na-türlich wird das Büro für die Glaswand kritisiert, aber an dieser Stelle der Madison Avenue kann man kein Gebäude haben, das kein Licht, keinen Rückzug, kein Leben erlaubt. Selbst Philip Johnson hat 1994 zugegeben, dass es nicht funktioniert, und dass es geöffnet werden muss. Snøhettas Lösung ist sehr smart für beides, die Typo-lolgie und die urbane Mischnutzung, die all die lokalen und öffentlichen Erfordernisse verbindet. In diesem Sinne ist der Umbau wirklich ein Beispiel für die Wiedergeburt der Postmoderne. Aber die Reaktionen darauf sind derart stark, dass selbst gute Freunde wie Paul Goldberger und Robert Stern das AT&T-Gebäude retten wollen. Das ist verrückt, denn es ist wirklich nicht postmodern, um es mal so zu wenden. Es hat eine postmoderne Spitze, okay, aber selbst die ist nur eine gebrochene Parabel. Johnson hatte mal die Idee, dass aus ihrem Halbkreis richtige Rauchringe rauskom-

Welche sind die postmodernen Ikonen des 21. Jahrhunderts?

Die Elbphilharmonie von Herzog & de Meuron ist wahrscheinlich das beste postmo-derne Gebäude, das jemals gebaut wurde (wenn auch 50 Jahre später). Das Neue Museum ist auch ein gutes Beispiel. Und David Chipperfield ist ein später Moderner. So wie Jean Nouvel, dessen Louvre in Abu Dhabi offensichtlich postmoderne Etiketten trägt. Das zeigt sich nicht nur in den Details wie den vier unterschiedlichen Metall-strukturen für die Kuppel. Nouvel sagte einmal in einem Interview mit der Financial Times: „Ich arbeite kontextuell, ich habe die Struktur versteckt, es ist total symbolisch“. Die Kuppel des Baus stellt auch eine Verbindung zur sakralen Architektur der arabi-schen Kultur her und ist zugleich ein Tribut an die Kirche, das „Museum als Kathed-rale“. Diese doppelte Kodierung setzt sich mit den 55 „vernakulären“ Kuben fort, die die Ausstellung beherbergen und die – unter dieser fast schon Albert-Speer-gleichen Kuppel – eine „Stadt der Kultur“ bilden. Das ist eine überzogene Form der Karikatur, eine Art Disney-Postmoderne. Aber wir werden sehen, wie der Louvre Abu Dhabi mit seiner Kultur altert – schließlich lernen und verändern sich Gebäude wie Menschen.

Während aus Ihrer Sicht neue postmoderne Bauten entstehen, sind viele der „historischen“ postmodernen Gebäude von Verfall oder Abriss bedroht. Sollten wir sie besser schützen?

Ja, auf jeden Fall, jeder braucht Schutz. Eine Gruppe aus Leizpg kam neulich nach London und befragte mich zu den Robin Hood Gardens, den brutalistischen Bauten von Alison und Peter Smithson, die gerade abgerissen werden. Und ich sagte, dass es einfach nur bescheuert ist, diese Gebäude abzureißen. Sie wären eine gute Basis für eine Postmodernisierung und die Korrektur einiger Mängel: Die gleichen Marktkräf-

ES IST EINFACH NUR BESCHEUERT, ROBIN HOOD GARDENS ABZUREISSEN. SIE WÄREN EINE GUTE BASIS FÜR EINE

POSTMODERNISIERUNG BEISPIELSWEISE DURCH LEON KRIER.

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Louvre Abu Dhabi von Jean Nouvel, Foto: Tor SeidelNächste Seite: AT&T Building von Philip Johnson und John Burgee, Foto: David Shankbone / Wikimedia / CC BY 2.5

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men wie bei dem Typen aus der Camel-Werbung am Times Square. Wenn sie das umgesetzt hätten, wäre der Bau mehr als ein gebrochener Ziergiebel, der an das 18. Jahrhundert erinnert. Aber sie haben ihren Mut verloren, eigentlich ungewöhnlich für Amerikaner. Man muss dazu sagen: AT&T wusste damals sowieso nicht, was die 42. Straße bedeutete.

Was meinen Sie, wenn Sie sagen, Snøhettas Entwurf stehe für eine Renais-sance der Postmoderne?

Nun ja, jenseits seiner steinernen Erscheinung ist das AT&T-Gebäude nur ein Stahl-bau, der seine außergewöhnlich weiten, neo-romanischen, gekreuzten Träger unter pinkfarbenem Granit versteckt – das habe ich bereits 1984 geschrieben, als das Ge-bäude gerade fertiggestellt war. Aber es gibt in der Postmoderne keinen Grund, die Struktur ihrer Bauten zu verhüllen, vor allem nicht, wenn sie ein Tragwerk besitzen, das so schön ist, wie es seit dem Eiffelturm nicht mehr gesehen wurde. Sie zu verstecken bezeichnet man als Lüge, obwohl sie gar nicht nötig ist. Wie Umberto Eco sagt: Post-moderne dreht sich um die Frage, wie „das bereits Gesagte in einem kommerziellen Zeitalter” noch einmal gesagt werden kann. Und die Antwort ist, es in Anführungsstri-chen zu sagen. Eco hat die Ironie gut verstanden, die so zentral für die Postmoderne ist. Warum also nicht wie Snøhetta die gekreuzten Träger hinter Glas setzen und das Licht in das Atrium lassen, um die Straße zu beleben und die tolle Struktur darunter offenzulegen? Das war immer Teil der Postmoderne: Strukturelle Ehrlichkeit und struk-turelle Lüge zusammen zu nehmen, und zu wissen, warum.

Es geht für Sie also auch darum, etwas über die Konstruktion eines Gebäudes zu erzählen?

Ja, und da hilft oft die Intelligenz der Modernisten. Die Postmoderne braucht Leute, die wissen wollen, wie ein Gebäude gebaut ist und warum. Leute, die Dinge tun wollen, die in keinem anderen Zeitalter möglich waren. In diesem Sinne sind all diese Archi-tekten Teil der postmodernen Nachricht. Aber Künstlichkeit und Symbolismus sind ebenso wichtig, nur nicht der totale Symbolismus eines Jean Nouvel, nicht Nouvelle-Cuisine-Symbolismus, vergessen Sie das. Symbolismus kann nicht total sein, oder man endet mit Albert Speer, der alles hinter schweren Steinwänden verbergen wollte. Ich habe Norman Foster – einen alten Freund – okay, manchmal streiten wir uns, aber

ICH MOCHTE DAS AT&T-GEBÄUDE NIE. EIN MAUSOLEUM? EIN GRAB-STEIN? SNØHETTAS ENTWURF IST HINGEGEN SEHR DURCHDACHT.

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Das ehemalige AT&T Building firmiert heute unter dem Namen 550 Madison Avenue. Im Oktober 2017 hatten Snøhetta Pläne für den Umbau vorgelegt, die kontrovers diskutiert wurden. Links der ursprüngli-che Zustand, rechts nach der geplanten Öffnung des Foyers.

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eher freundschaftlich – kürzlich abends getroffen und er sagte: „Charles, wir müssen das AT&T-Gebäude schützen“. Und ich erwiderte: „Nein, müssen wir nicht. Es war nie postmodern“. „Wie kannst du das sagen“, fragte er, „ich mag Postmoderne ohnehin nicht, aber sag es mir?“. Und dann hab ich ihm die obigen Punkte genannt.

Also lieber Ironie als Albert Speer, haben wir das richtig verstanden?

Ich sage nicht, dass die Leute die Ironie der Postmoderne verstehen müssen, aber Architektur muss pluralistisch sein. Es geht um multiple Kodierungen von unterschied-lichen Aussagen für unterschiedliche Erfahrungen. Es geht um die Kommunikation auf mehreren Ebenen gleichzeitig und nicht um eine Stimme als letzte Richterin. Es geht um Beziehungen – Wer benutzt das Gebäude? Wie ist seine wirtschaftliche Konstellation? – und um die relative Wahrheit, die diese kontextuellen Widersprüche aufdecken. Venturi hat dies auch als „Pflicht zum schwierigen Ganzen“ beschrieben. Das ist ein wirklich wichtiger Teil der Postmoderne. Es ist sehr schwer, ein Pluralist zu sein und dennoch eine ganzheitliche Message zu haben. Als Architekt muss man hart arbeiten, sehr hart, um diese komplexen, gegensätzlichen und multiplen Anforde-rungen zusammenzubringen. Wir leben in einer globalen, widersprüchlichen Kultur, und wir können unsere eigene, poetische Architektur machen. Darum geht es in der Postmoderne.

Aber kann eine ironische Haltung nicht auch problematisch sein? Sean Griffiths, Mitbegründer von FAT sagte kürzlich: „Jetzt ist nicht die Zeit, nachgiebig mit einem postmodernen Revival umzugehen. Die Postmoderne zurückzubringen, einen Architekturstil, der sich aus Ironie speist, kann gefährlich in unserem heu-tigen politischen Klima sein.“

Nun, wer ist Griffiths, den Mund weit aufzumachen, nachdem er selbst zehn Jahre lang die Postmoderne hat wiederaufleben lassen? Der Grund, warum es gefährlich ist, liegt offenkundig in der Dominanz des Marktkapitalismus, zu dessen führendem Stil die Postmoderne geworden ist. Aber vielleicht geht es auch einfach nur um „Pomo“, was nicht das Gleiche ist, da hier die Widersprüche fehlen. Jeder, der ein großes Ver-sprechen abgibt und eine Architektur mit starker Aussage, aber ohne Widersprüche

ARCHITEKTUR IST EIN GROSSES GESCHÄFT, UND DAS FINANZ-KAPITAL MAG INDIVIDUALITÄT

EIGENTLICH NICHT SO GERNE – ABER DAS WIRD SICH ÄNDERN

Camel-Werbung am Times Square, Foto: John Vachon / Library of Congress

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In diesem Sinne handelt die Elbphilharmonie vom 20. Jahrhundert, aber welche Themen werden die Architektur in Zukunft beschäftigen?

Es ist Fakt, dass sich ein neues Paradigma in der Architektur erst über lange Zeit entwickeln muss. Als wir zu Beginn die Postmoderne diskutierten, war das Argument, dass die Moderne und insbesondere der soziale Wohnungsbau tot waren aufgrund der Ablehnung der Arbeiterklasse, die nicht als Teil einer Maschine behandelt werden wollte. Das andere Argument war, dass die moderne Maschinenproduktion selbst tot war. In den Sechzigern sagte Marshall McLuhan, die elektronische Produktion mache es möglich, 18 verschiedene Auspuffrohre für Mercedes-Benz so einfach, schnell und effizient herzustellen wie vorher nur ein einziges Modell. Und damit wurde ein zentraler Glaube der Moderne überflüssig, nämlich der Glaube an die Architektur, die Kräfte der Industrialisierung ausgleichen zu können, indem sie diese ästhetisch offenlegt. Interessanterweise gewinnt die Frage der Produktion heute wieder mehr und mehr an Bedeutung.

Wegen neuer Technologien wie 3D-Druckern?

Genau, weil McLuhans Idee nun ein höheres Level der dreidimensionalen Anfertigung erreicht hat. Le Corbusier, Gropius, Mies – sie alle glaub-ten, dass die industrielle Mas-senproduktion überwältigende Effekte haben wird, dass sie zu Anonymität (und Entfremdung) führen wird, weil alles gleich aussieht. Dann kam McLuhan und sagte, dass alles auch ganz einfach anders sein kann.

macht, ist ein bisschen pomo – aber nicht gleich postmodern. Und das ist gefährlich. Keine Frage. Das ist auch dekadent. Also ja: Es ist schwierig. Wir sollten uns auch damit beschäftigen, was nach der Postmoderne kommt.

Mit der Postmoderne wurde Architektur zur symbolischen Ware.

Es ist wahr, wir leben heute in einem Pluralismus des globalen Markts. Wenn Sie zu einer Kunstmesse gehen, sehen Sie 110 Stile. Der Pluralismus des globalen Markts hat bewirkt, dass es keinen dominierenden Weltstil gibt. Und darum sind ikonische Gebäude definitiv ein entscheidender postmoderner Trend unter den Supermächti-gen, den Reichen und Berühmten und Großen. Aber vergleichen Sie diese Situation mal mit einem wirklich postmodernen Bau wie der Elbphilharmonie, die ich für ich das Gebäude dieses Jahrzehnts halte. Weil dieser Bau sehr komplex und widersprüchlich ist, was seine Aufgaben angeht, die sich auf Musik, die Geschichte der Hanse, den Ursprung des Geldes und mit Hamburg auf eine Stadt beziehen, die von den Ameri-kanern und Briten furchtbar zerbombt wurde. Die Elbphilharmonie ist auf verschiedene Weise ein Symbol der Wiedergeburt, für die Stadt und die Deutschen.

Links: Bell-Flugzeugfabrik Anfang der Vierziger-jahre, Foto: Wikimedia / Public DomainRechts: Halle Neustadt, Foto: Bundesarchiv, Bild 183-1982-0430-008 / CC-BY-SA 3.0

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Und plötzlich verlor der Versuch der Modernen, die Massenproduktion ästhetisch zu überziehen, seine Bedeutung. Die Moderne wollte sich den Taylorismus und Fordis-mus aneignen. Und McLuhan war einer der ersten, der verstanden hat, dass diese Art der Produktion obsolet und folglich auch die Moderne als Notwendigkeit tot war.

Gleichzeitig gibt es aber auch neue Rufe nach einer Massenproduktion von Wohnraum.

Aber das ist nicht das Gleiche, seit es heutzutage möglich ist, diese tödliche Anfer-tigung in der Masse von der Massenproduktion zu trennen. Sie können individuell anpassen. Sie können jedes Zimmer eines Hotels auf genauso billige und effiziente Art anders aussehen lassen, als sie alle gleich zu lassen. Natürlich ist Architektur ein gro-ßes Geschäft, und das Finanzkapital mag Individualität eigentlich nicht so gerne, aber das wird sich ändern. Schauen Sie mal, was die jüngere Generation mit ihren Compu-

Links: Fließbandarbeit bei Ford, um 1913, Foto: Wikimedia / Public DomainRechts: Individualisierter 3D-Druck nach hochauflösendem Scan,

Foto: Fred Hsu / Wikimedia / CC BY-SA 3.0

EIN NEUES PARADIGMA IN DER ARCHITEKTUR BRAUCHT ZEIT.

INTERESSANTERWEISE GEWINNT DIE FRAGE DER PRODUKTION

HEUTE WIEDER AN BEDEUTUNG.

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tern macht. Sie zeigten uns, wie unterschiedlich alles mit nur ein paar Klicks aussehen kann. Und dann denken Sie mal an die Prä-Moderne, als fast jeder von John Ruskin und Charles Herbert Moore beeinflusst war, selbst das frühe Bauhaus. Deren ganzes Ding war es, eine neue Art des Bauens zu etablieren, mit dem Handwerk, Individualität und das Versprechen der Demokratie gleichsam gewürdigt werden. Es ging alles um das Individuum. Das war die Idee, aber sie hat nie das Jahr 1922 überlebt, als Gropius sagte: „Nein! Kunst und Technologie sind eine neue Einheit“. Vereine beide und bilde den Durchschnitt. Le Corbusier schreibt 1922 in „Kommende Baukunst“, dass Mas-senproduktion industriell sein soll, repetitiv sogar. Und daran haben wir alle geglaubt, selbst ich, als ich jung war.

Für die Generation, die in den Achtzigern geboren ist, bleibt die Moderne aber eine Art Sehnsuchtsort. Es war die letzte Bewegung in der Architektur, die sich ihrer Ziele gewiss war und die daraus eine große Intensität entwickeln konnte. Wir sind vielleicht alle Postmoderne, aber uns fehlt die Entschiedenheit der Moderne.

Ich stimme zu, das ist eine sehr gute Diagnose. Aber wenn Sie analysieren, was Sie wirklich mit Intensität meinen, ist es doch recht komplex. Auf eine Art setzen Sie eine visionäre, vorwärtsschauende, futuristische, nahezu spirituelle, post-nietzscheanische, dynamische Kultur voraus, an die es wert ist, zu glauben. Und während ich keine Antwort habe, die jemals für alle zufriedenstellend sein könnte, denke ich, dass es trotzdem eine gute Frage ist. Für die Moderne, ja, war die Antwort da. Daran zweifle ich nicht. Immer noch ist es schwierig, solch einen Geist fortleben zu lassen, und das kann sehr gut ein Defizit innerhalb des Gerüsts der Postmoderne sein. Ein Problem ist, dass es nicht viele Leute gibt, die ernsthaft über das Spirituelle und Kulturelle reden können. Die andere Sache ist, dass viele Spätmodernen glauben, dass weil die eigentlichen Intentionen gut waren, auch die Moderne eine positive Kraft sein muss. Ohne Frage vermissen wir diese Haltung in der gegenwärtigen Architektur. Aber es ist auch wichtig, sich – mit Colin Rowe – daran zu erinnern, dass gute Absichten nicht notwendigerweise zu guten Ergebnissen führen. Auf jeden Fall will ich darauf beste-hen, dass die Postmodernen nicht Antimoderne sind. Und während ich dem Gedan-ken ausweiche, ein echter Moderner zu sein, bin ich doch ziemlich froh, ein Postmo-derner zu sein, was mir die Möglichkeit gibt, die Parteigrenzen bei klarem Bewusstsein und mit ausgereiftem, theoretischem Fundament zu übertreten.

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DIE DENKRÄUME DES JOOST MEUWISSEN

„Six under a Tennis Court“, „Abstract affairs“ oder „Ulysses‘ Homecoming“, wie der Titel der obigen Zeichnungen lautet: Joost Meuwissen neigte als unangepasster Denker, Mitglied des legendären Büros One Architecture und Begründer der Zeitschrift „Wiederhall“ zu rätselhaften Titeln, hinter denen sich radikal komplexe oder schockierend ein-fache Gedanken verbergen konnten. Auch in Graz, wo er eine Professur für Städtebau und Entwerfen innehatte, war die „hochgebildete Perversität“ (Rem Koolhaas) des 2016 verstorbenen Niederländers legendär. Seit vergangener Woche präsentiert dort das Haus der Architektur die Ausstellung „Don’t Stop Thinking!“, mit der bis zum 22. April 2018 das vielseitige Werk Meuwissens gewürdigt wird. Parallel hierzu erscheint bei Park Books eine Neuausgabe seiner Karlsruher Vorlesungen. sb