begrenztheit menschlicher erkenntnis
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Wahrheit und Wirklichkeit versus Realität. Mathematik, Physik und Metaphysik. RelativitätTRANSCRIPT
13. Wahrheit und Wirklichkeit versus Realität. Mathematik, Physik und Metaphysik. Relativität und Begrenztheit menschlicher Erkenntnis
Wieso sollte ein Mindestmass an Wissen über die Themen dieses Kapitels
über das Theoretische hinaus auch im täglichen Leben nützlich sein? Weil
wir durch dieses Wissen verstehen werden, dass wir mit den von
uns wissenschaftlich bewiesenen Erkenntnissen und umso mehr
mit unseren angeblichen Wahrheiten vorsichtig umgehen sollten.
Beide dürfen nicht absolut vertreten werden, da deren Richtigkeit
durch unser unvollkommenes menschliches Denken und durch
unsere limitierten Sinnen befangen und relativiert bleibt.
Wissenschaftlich verifizierte Erkenntnisse gelten nur solange, bis wir sie
wissenschaftlich verwerfen (falsifizieren) und durch neue Erkenntnisse
ergänzen können.
Dieses Kapitel ist das anspruchsvollste und umfangreichste. Es geht mir
dabei nicht um Quantität, sondern um nützliche Qualität. Trotzdem braucht
es zum besseren Verständnis dieser komplexen Materie ein Minimum an
inhaltlicher Erklärungs-Quantität. Nicht weil diese Thematik viel wichtiger
wäre, sondern weil sie komplexer und als Ausgangslage für alle unsere
Erkenntnisse dennoch von zentraler Bedeutung ist.
Es geht hier um die Darstellung unserer Wissensgrundlagen. Es sind
weniger die theoretischen Grundlagen, sondern vielmehr deren praktischen
Nutzen, den ich besonders hervorheben werde. Deshalb hoffe ich, dass der
Leser, trotz der schwierigen und teilweise abstrakten Materie, nicht mit dem
Lesen aufhört. Das wäre schade. Denn er würde die praktischen Folgen
unserer relativen Erkenntnisse verpassen. Wer die Anstrengung auf sich
nimmt, wird für sein Leben hoffentlich Nützliches erfahren.
Sich über die Grenzen unserer angeblichen Wahrheiten und
Erkenntnisse bewusst zu werden, ist für unser Leben wichtig und
nützlich, um falsche Schlussfolgerungen und somit Irrtümer zu
vermeiden sowie, um unser Weltbild zu erweitern.
Ist die Wirklichkeit eine Fälschung? Warum erschaffen wir uns immer wieder
neue eigene Wirklichkeiten? Woher wissen wir, was wirklich und was wahr
ist? Wie schützen wir uns vor unseren falschen Gedanken, Meinungen bzw.
vor Vorurteilen? Wie funktioniert die Wirklichkeitserschaffung in unserem
Kopf? Wie viel von der angeblichen Wirklichkeit ist nur eine von unserem
Gehirn erzeugte virtuelle Welt? Jeder erschafft sich seine eigene
Wirklichkeit. Die von den einzelnen Menschen erdachten Wirklichkeiten
müssen nicht übereinstimmen, sondern können sogar verschieden sein.
Menschliche Wahrnehmung ist in erster Linie Interpretation, die oft auch
noch falsch ist und deshalb zu Missverständnissen unter den Menschen
führt. Wir teilen gemeinsame Wirklichkeits-Schnittmengen mit anderen
Menschen, übersehen jedoch häufig deren private Wirklichkeiten. Sobald
wir unsere Mitmenschen wieder verlassen, trennen sich unsere
gemeinsamen und unrealisierten Wirklichkeiten erneut voneinander. Die
geteilte Wirklichkeit fungiert als eine Art stillschweigende Übereinkunft über
das, was als „Normalität“ betrachtet wird. Diese Schnittstellen mit anderen
Menschen brauchen wir, um als soziale Wesen miteinander auszukommen.
Nun gibt es allerdings Menschen, deren Denken und Handeln mehr oder
weniger stark von der Norm abweichen.
Unsere subjektive Wirklichkeit entspricht nicht der Realität (der objektiven
Wirklichkeit), sondern sie ist nur eine Annäherung an die Realität. Sie ist
das Ergebnis der Interpretation unseres Gehirns der von ihm nur begrenzt
erfassten Informationen durch unsere beschränkten Sinne. Das Gehirn
empfängt die Realität bei allen Menschen zwar ähnlich. Die Interpretation
der empfangenen Informationen durch das Gehirn der einzelnen Menschen
ist jedoch von ähnelnd bis sehr verschieden. Jedes menschliche Gehirn
erstellt seine eigene Wirklichkeit, aus der sich wiederum subjektive
Wahrheiten ergeben.
Dazu kommen noch psychische Einwirkungen wie Traumata und andere
mechanische Verletzungen an bestimmten für die Informationsweitergabe 2
wichtigen Schnittstellen des Gehirns. Häufig sind es Störungen zwischen
den Zentren “objektiver“ Wahrnehmung im visuellen Kortex und dem
Gefühlszentrum im limbischen System, der Amygdala, die die Realität
verfälschen; Signalübertragungsfehler, die dem Betroffenen eine ganz
andere Wirklichkeit schaffen. Dies ist der Grund, um nur ein Beispiel unter
vielen anderen zu erwähnen, warum manche hirnlädierte Menschen
Gegenstände wie etwa Parkuhren ansprechen: Prosopagnosie ist die
Unfähigkeit, Gesichter zu erkennen, und führt häufig dazu, dass Dinge, die
halbwegs menschenähnlich aussehen (Parkuhr=schmale Gestalt, runder
“Kopf“), mit Menschen verwechselt werden, und der lädierte Betroffene sich
von nichts als tellerförmigen Scheiben angeblickt fühlt. Dabei ist die
visuelle Aufnahme der Umwelt nicht gestört; nur die Weiterverarbeitung im
Gehirn endet beim Betrachten von Gesichtern in einem unidentifizierbaren
Einheitsbrei. Auch Teile der Grosshirnrinde sind besonders anfällig für
“Realitäts“-Verlust. Störungen der Selbstwahrnehmung haben hier häufig
ihre Ursache. In solchen Fällen sagen dann die meisten spontan „Der ist
geisteskrank“. Denn der Mensch, der ja bekanntlich ein soziales Wesen ist,
reagiert verunsichert auf eine fremde Denkweise, die markant von der
eigenen abweicht.
Doch die Abgrenzung zwischen krank und gesund ist nicht immer ganz
eindeutig: Häufig ist es nur eine Schwelle, die man übertritt, um ein
zumindest teilweise anderes Realitätsbild zu entwickeln als die breite
Mehrheit. Das genügt schon, um anzustossen. – Das Besondere an
sämtlichen Wahrnehmungsstörungen: Den meisten Betroffenen ist zu
keinem Zeitpunkt bewusst (und deshalb leiden sie glücklicherweise nicht
so, wie wir als gesunde Aussenstehende annehmen), dass sie in einer selbst
erschaffenen anderen Wirklichkeit gefangen sind. Etwas, das geistig
Gesunden nie passieren würde. Nicht oder doch? Denn: Wo liegt die
Schwelle zwischen gesundem und krankem Empfinden?
Hirnforscher Wolf Singer: „Das Gehirn präsentiert uns die Welt nur in sehr
begrenztem Umfang. Aus dem riesigen Spektrum prinzipiell verfügbarer
Signale nehmen wir nur einen kleinen Teil auf.“
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Wir leben nicht in der realen Welt, sondern in dem Bild, das wir uns
von der Welt machen.
Von den angeblichen Wahrheiten ist die subjektive Wirklichkeit zu
unterscheiden: Diese ist die von unserem Gehirn begrenzte und
durch unsere beschränkte Wahrnehmung (durch unsere limitierten
Sinne) verzerrte Interpretation der von uns nur annähernd
erfassbaren Realität. Die von uns begrenzten Menschen nur
annähernd interpretierte und nur subjektiv erfassbare objektive
Wirklichkeit (Realität) existiert, so nehmen wir an, unabhängig von
uns.
Im spanischen Wortschatz kennt man übrigens nur die Bezeichnungen
Wahrheit (verdad) und Realität (realidad) und nicht das deutsche Wort
Wirklichkeit, die in der geläufigen deutschen Sprache Synonym von Realität
ist. Einige Philosophen und Hirnforscher unterscheiden weiter zwischen
subjektiver Wirklichkeit und objektiver Wirklichkeit (Realität), um
ihre Gedanken besser erklären zu können.
Als Wahrheiten verstehe ich die aus unserer subjektiven
Wirklichkeit abgeleiteten Gedanken und Schlüsse, die mit der
subjektiven Wirklichkeit übereinstimmen können, aber auch
solche, die zur subjektiven Wirklichkeit keinen direkten Bezug
haben. Denn nicht alle Wahrheiten lassen sich mit unserer
subjektiven Wirklichkeit vereinbaren und nicht alle Wahrheiten
sind in ihrem Wahrheitsgehalt haltbar oder zutreffend. - Es ist wahr
und mag sogar der Realität entsprechen, dass wir z. B. geboren werden,
denken, sehen, laufen, essen, sterben usw. Wir ersinnen uns andererseits
angebliche Wahrheiten, die mit unserer subjektiven Wirklichkeit nicht
unbedingt übereinstimmen müssen, wie, dass wir gerecht sind, nicht lügen,
lieb sind, nicht stehlen usw. Entsprechen diese Wahrheiten tatsächlich
unserem wirklichen Verhalten?
Man sagt Dinge, an die man glaubt und für wahr bzw. wirklich hält. Davon
mögen subjektive Wahrheiten und Wirklichkeiten anderer Menschen
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differieren. Die objektive Wirklichkeit (Realität) bleibt eine von uns (als
unvollkommene, begrenzte Menschen) nie ganz erfassbare Wirklichkeit.
Manche unserer erdachten Wahrheiten entsprechen nicht immer, sondern
nur teilweise unserem tatsächlichem Verhalten bzw. den Tatsachen unserer
subjektiv erfassten Wirklichkeit. Und einige unserer subjektiven Wahrheiten
mögen wohl wenig oder überhaupt nichts mit der Realität zu tun haben, der
wir uns durch unsere subjektiv erfasste Wirklichkeit anzunähern versuchen.
Die objektive Wirklichkeit ist die von uns angenommene Realität,
die unabhängig von uns existiert. Objektiv von wem aus gesehen?
Von uns und von einem anderen menschlichen oder
weiterentwickelten Wesen aus betrachtet. Sie ist unsere subjektive
Annahme, von der wir in unserem Denken nun mal ausgehen. Die
Annahme einer realen externen, von uns unabhängig existierenden
Aussenwelt mag zutreffen oder nicht, so wie bestimmte abstrakte
Axiome, von denen die Mathematik ausgeht. Wir gehen bei unserer
Annahme davon aus, dass andere gegenüber uns Menschen
weiterentwickelte Wesen in dem angenommenen realen Universum sich der
von uns angenommenen objektiven Wirklichkeit (Realität) subjektiv viel
weiter annähern dürften als wir. Eine sinnvolle Annahme, die auf unsere
subjektive nur annähernde Interpretation der Realität beruht. Je weiter
entwickelt die Sinne und das Gehirn eines Wesens sind, desto mehr wird
sich seine erdachte subjektive Wirklichkeit der objektiven Wirklichkeit
(Realität) annähern.
Ohne unsere oben erwähnte Annahme bliebe die objektive Wirklichkeit
(Realität) undefiniert. Die von unserem Gehirn aus angenommene,
unabhängig von uns existierende Realität ist wiederum ein subjektives
Konstrukt unseres Gehirns. Ohne die Existenz eines subjektiv denkenden
Wesens (Gehirns) kann es keine Herleitung bzw. annäherndes Abbild
(subjektive Wirklichkeit) der Realität geben. Wie wir noch aus den
nachfolgenden Erläuterungen über die Quantenphysik sehen werden: Es
hängt von unserer Messung der äusseren Welt durch unsere
Wahrnehmungs-Sinne und deren Auswertung durch unser denkendes
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Gehirn ab, wie weit das Gehirn ein annäherndes subjektives Abbild der
äusseren Welt wiedergibt. Ohne die Existenz eines denkenden Gehirns
würden sich Fragen über die Realität und sonst andere existenzielle Fragen
erst überhaupt nicht stellen. Die Frage nach Realität stellt sich erst, wenn
ein denkendes Gehirn existiert und, aktiviert durch die Sinnesreize der
Wahrnehmungen, über dessen Ergebnisse nachdenkt.
Wir begehen den Fehler, unseren Wahrheiten zu viel Gewicht und
sogar absolute Gültigkeit zu gewähren. Diese Feststellung ist für
uns in unserem täglichen Leben wichtig und auch von Nutzen: Wir
sollten die Gültigkeit unserer angeblichen Wahrheiten prüfen und
relativieren, bevor wir fragliche Wahrheiten applizieren. Viele
angebliche Wahrheiten haben mit unserer subjektiven und der
objektiven Wirklichkeit nichts oder nur wenig zu tun. Es sind von
unserem Gehirn erdachte, hoffentlich sinnvolle, uns glücklich
machende ethische Konstrukte, die aber vielleicht nur teilweise
zutreffen. Deshalb sollten wir diese immer wieder infrage stellen.
Es gibt viele angebliche Wahrheiten, die eindeutig oder zweideutig sind.
Wie z. B., dass es Menschen und Tiere gibt. Aber wo liegen die
Unterschiede? Wie erfassen uns wohl die Tiere aus ihrer Sicht, wenn sie
überhaupt ein eigenes konkretes Weltbild haben? Verschiedene Farben?
Welche und wie viele Farben erfasst die Tierwelt gegenüber den von
Menschen gesehenen Farben? Es gibt Tag und Nacht, jedoch keine
Tageshelligkeit im Winter in der Arktis und auch nicht für die gesamte
Tierwelt, z. B. nicht für Meerestiere in der ewigen Dunkelheit der grössten
Meerestiefen. Wie erfassen Vögel und Fische ihre Welt im Gegensatz zu
uns? Es gibt noch weitere solche Beispiele. Je nach Stand- und
Gesichtspunkt der Menschen bzw. anderer Lebewesen sind deren
subjektiven Wahrheiten bzw. subjektive Wirklichkeiten verschieden.
Zudem sind Wahrheiten unter den Menschen kulturell, religiös, politisch
oder sonst wie vom Zeitgeist einseitig angehaucht und deshalb subjektiv,
relativ und eigen. Vieles glauben wir zu wissen, obwohl wir es nicht wissen.
Darüber sollten wir uns immer wieder bewusst sein.
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Der Schriftsteller Mark Twain formulierte es einst treffend: „In
Schwierigkeiten bringt uns nicht das, was wir nicht wissen.
Stattdessen sind es diejenigen Dinge, die wir zu wissen glauben,
die in Wirklichkeit aber falsch sind.“
Trotzdem sind unsere subjektiven Wahrheiten Bestandteile unserer
subjektiven Wirklichkeit. Diese wird nämlich nicht allein durch unsere
wissenschaftlichen Erkenntnisse gestaltet, sondern auch durch die von uns
erdachten Wahrheiten. Die Inhalte dieser Wahrheiten sind, unabhängig
davon, ob sie stimmen, nur dann ethisch vertretbar und sinnvoll, wenn sie
dem Gemeinwohl der Menschen dienen: indem sie die Menschen, die
danach leben, glücklich werden lassen. Man lebt auch von unwahren
Illusionen, jedoch hoffentlich nicht von den falschen.
Praktische Beispiele von Subjektivität: In einem Experiment wurde ein
Kandidat auf seine Eignung für eine Stelle von mehreren Personen
gleichzeitig beurteilt. Die Urteilenden differierten höchst signifikant in ihrer
positiven Beurteilung, je nachdem, ob sie vorher durch die Einnahme eines
kalten oder heissen Getränkes als absichtlich gestellte Testbedingungen
beeinflusst wurden. Die Hälfte der Urteilenden, die kurz vorher warme
Getränke eingenommen hatten, beurteilten den Kandidaten fast zu 100%
positiv. Die andere Hälfte der Urteilenden mit den kalten Getränken nur zu
40%. Ähnliches geschieht bei Lohnverhandlungen mit dem Chef. Die
Aussichten von positiv ausgehenden Verhandlungen sind nach dem
Mittagessen deutlich besser als eine Stunde davor. Dies wurde
experimentell ebenfalls nachgewiesen. Und noch besser, wenn man dem
Chef vorher ein warmes Getränk trinken lässt? Letzteres müsste
experimentell noch getestet werden. Wie dem auch sei, dies zeigt wie
sachliche Entscheidungen durch eine Wohlfühl-Atmosphäre und durch
andere emotionale Stimmungen (Hintergrundmusik, Gerüche,
Lichtverhältnisse, entspannte Ambiance und so fort) sowie auffallende
Eindrücke, wie beispielsweise Kleidung, teilweise eher unsachlich
beeinflusst werden.
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Wir tendieren, seltsame Erscheinungen, wie die ernsthafte, medizinisch
anerkannte und angewandte Hypnose, den fraglichen sechsten oder
siebten Sinn beim Menschen (und insbesondere bei den Tieren), das
angebliche Gedankenlesen sowie andere wissenschaftlich umstrittene
parapsychologische Psi-Phänomene, von vorneherein überheblich zu
negieren. Warum? Erstens, weil angebliche parapsychologische Gaben von
zahlreichen Scharlatanen zum Geldverdienen missbraucht werden.
Zweitens, weil wir solche Phänomene nicht erklären und wissenschaftlich
nicht beweisen können. Wir negieren sie, obwohl wir einige dieser
Phänomene wissenschaftlich auch nicht falsifizieren können. Die Hypnose
wird zudem öfters mit Magie durchmischt, mit Showeffekten, die eher mit
Magietricks und kaum mit echter Hypnose zu tun haben. Deshalb werden
Hypnose und Psi-Phänomene von manchen mit Recht nicht mehr ernst
genommen, äusserst skeptisch betrachtet oder sogar lächerlich gemacht.
Als Brücke bzw. Verbindung zwischen Körper bzw. Gehirn und den mit
diesem zusammenhängenden psychischen und geistigen Erscheinungen
öffnen die erwiesenen hypnotischen Trancezustände neue
Bewusstseinsebenen (in anderen subjektiven Wirklichkeiten?): Eigene
geistige Ressourcen werden aktiviert, unterschiedliche Störungen therapiert
oder krank machende Muster verändert. Nachdem die Hypnose in der
Psychotherapie lange Zeit keine grosse Bedeutung mehr gehabt hatte, wird
sie heute wiederentdeckt – auch von Ärzten und Zahnärzten. Hoch
suggestible Menschen können sich sogar ohne Narkose von speziell dazu
ausgebildeten Ärzten operieren lassen, ohne dass solche Patienten Schmerz
empfinden.
Nur 10 bis 15 Prozent der Menschen sind hochsuggestibel, d. h. fähig zu
tiefen Trancezuständen und vom Hypnotiseur beeinflussbar. Rund 5 Prozent
sind nicht oder kaum hypnosefähig. Der Rest der Menschen ist mehr oder
weniger suggestibel. Die Hypnosewirkung ist ein Abtauchen ins
Unbewusste, wo die Ratio keinen Zutritt hat. Während der Trancezustände
erlebt man sozusagen einen inneren Film und blendet gleichzeitig störende
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Reize aus. Die inneren und äusseren Wirklichkeiten verwischen sich, wie
beim Träumen im Schlaf und wie beim Meditieren. Die Umgebung und das
Jetzt werden ausgeblendet. Der “eigene Wille“ ist nie ganz ausgeschaltet.
Das Gefühl ist ähnlich wie kurz vor dem Einschlafen.
Auch weniger suggestible Menschen können Selbsthypnose als mentales
Training nutzen. Im Spitzensport wird sie oft angewendet. Bertrand Piccard
ist Arzt und Hypnosetherapeut und hat Erfahrung in Selbsthypnose: Auf
verschiedenen Erdumrundungs-Expeditionen liess er sich manchmal über
Funk von einem befreundeten Psychiater dank Selbsthypnose in Trance
versetzen, um den Schlaf nur mit kurzen Nickerchen über mehrere Nächte
zu kompensieren.
Für chronische Schmerzpatienten sei die Hypnose eine wahre Wohltat.
Deswegen nehme vor allem die Selbsthypnose in der Schmerztherapie
einen zentralen Stellenwert ein. Die Patienten werden gezielt angeleitet,
Selbsthypnose anzuwenden, um die Schmerzen allmählich selbst, ohne
einen Therapeuten, bewältigen zu können.
In der Forschung geht man heute davon aus, dass kriminelle, zerstörerische
Handlungen durch Hypnose allein nicht bewirkt werden können. Es muss
schon zuvor ein enges Abhängigkeitsverhältnis zwischen hypnotisierenden
Auftraggeber und hypnotisierten Ausführendem bestehen, das allein schon
die Tat auch ohne Hypnose erklären könnte. Trotzdem ist es schwierig im
Fall einer zu kriminellen Zwecken missbrauchten Hypnose, den Anteil der
Hypnose von einem Abhängigkeitsverhältnis auseinanderzuhalten.
Wir neigen Psi-Phänomene nicht zu akzeptieren, weil sie in Widerspruch
stehen zu unseren bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen und damit
zu unserer subjektiven Wirklichkeit, will heißen zu unserer nur unvollständig
bzw. nur annähernd erfassten objektiven Wirklichkeit (Realität).
Darum sollten wir, gemäss dem Philosophen und Begründer des
„Kritischen Rationalismus“, Karl R. Popper, auf den ich noch
zurückkommen werde, den genannten Widerspruch als
Falsifizierungsmöglichkeit sowie die „Methode der
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Irrtumsbeseitigung“ zur Überprüfung von Thesen und Theorien
immer wieder anwenden. Nur so können wir unsere Erkenntnisse
wissenschaftlich erweitern.
Die für uns unerklärlichen Erscheinungen mögen dennoch existieren,
unabhängig davon, ob wir sie nicht akzeptieren wollen, mit unseren
limitierten Sinnen nicht erfassen, wissenschaftlich nicht beweisen und
stattdessen auch nicht falsifizieren können. Wir sollten gegenüber dem
Unerklärlichen offenbleiben und versuchen, das Unerklärliche vorurteilslos
zu untersuchen, bis wir es schliesslich wissenschaftlich entweder beweisen
oder verwerfen. Es sei denn, die Erscheinungen wären von vorneherein
allzu unwahrscheinlich, zu unglaubhaft, zu trügerisch oder sogar
betrügerisch, sodass es sich nicht lohnt, sie überhaupt ernst zu nehmen
und wissenschaftlich zu untersuchen.
Die von uns Menschen erfasste subjektive Wirklichkeit ist nur eine
Annäherung an die Realität, die durch unsere limitierten Sinne eben nur
subjektiv und unvollständig oder sogar verzerrt erahnt wird. Sogar unsere
wissenschaftlich bewiesenen subjektiven Erkenntnisse geben bloss ein nur
annäherndes Abbild der Realität wieder. Sie entsprechen nicht ganz der
objektiven Wirklichkeit (Realität), der sich ein höher entwickeltes Wesen mit
einer grösseren Anzahl Sinne und einem weiter entwickelten Gehirn noch
mehr annähern dürfte als wir begrenzte Menschen.
Das gilt ebenfalls für die Hypothese, dass es einen “Gott“ (oder was man
auch immer sich darunter vorstellen mag) gibt. Agnostiker wie ich
behaupten, dass sie es nicht wissen. Denn es lässt sich nicht
wissenschaftlich beweisen, dass es einen “Gott“ und ein “Leben“ oder
Ähnliches nach dem Tod gibt. Wir können auch nicht wissenschaftlich
beweisen, dass es keinen “Gott“ und kein “Leben“ nach dem Tod gibt. Es
bleibt somit eine weder wissenschaftlich verifizierbare noch falsifizierbare
Hypothese, an die jeder Mensch völlig frei ist, zu glauben oder nicht.
Manche Agnostiker argumentieren, dass sie sich die Frage nach einem Gott
nicht einmal stellen, weil sie sinnlos wäre. Denn eine solche
transzendentale Frage überstiege unsere beschränkten menschlichen 10
Sinnes- und Erkenntnisfähigkeiten. Unsere limitierten Fähigkeiten könnten
eine allfällige Transzendenz nicht einmal erfassen oder verstehen. Dagegen
argumentieren kann man nur mit dem persönlichen, subjektiven Glauben.
Sogar der ungläubige Atheist widerspricht sich, indem er daran glaubt, dass
es keinen Gott gibt. Beweisen kann er dies auch nicht: Er ist also auch ein
Gläubiger, der g l a u b t, dass es keinen Gott gibt. Der Atheismus ist für
mich wiederum ein nicht beweisbarer Glaube. Agnostizismus ist kein
Glaube; es beschränkt sich auf ein Nichtwissen können über das
Transzendentale.
Es wird oft behauptet, dass nur gläubige bzw. religiöse Menschen
ethisch handeln könnten. Dies, obwohl uns die Geschichte schon öfters
zeigte, wie unethisch sich Religionen gegenüber Ungläubigen
verhielten und noch verhalten.
Auch als Atheist oder Agnostiker kann man sich als unreligiöser
Ungläubiger durch ethische Grundsätze leiten lassen, indem man
moralisch ethischen Prinzipien nachlebt. Dieses moralische
Verhalten hängt allerdings davon ab, ob man allgemein an eine
langfristig positive Evolution der Menschheit glaubt, trotz der
dazwischen immer wieder auftretenden Rückschläge im Laufe der
Menschengeschichte. Insbesondere, ob man an den e i g e n e n
Beitrag zur positiven persönlichen Entwicklung (fortschreiten und
sich übertreffen) und somit auch an eine insgesamt prosperierende
Evolution der Menschen glaubt. Denn die biologische Evolution
entwickelt sich unabhängig vom positiven oder negativen Beitrag
der Menschen. Die Evolution unterscheidet nicht zwischen gut und
bös. Sie ist im Grunde neutral und unabhängig von unserer
Sinnsuche. Die biologische Evolution beruht einzig und allein auf
das Überleben und die Vermehrung der Lebewesen durch
Mutationen, Selektion bzw. Anpassung an die wechselnden
Umweltbedingungen.
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Wichtig für die menschliche Evolution sind gemäss R. Dawkins
Altruismus und Kooperation. – Falls manche Menschen nicht an
eine insgesamt positive Menschheitsentwicklung glauben, kann
ihre Lebenseinstellung eventuell zynisch oder sogar negativ
werden. Diese Menschen dürften wohl kaum glücklich werden. Im
Extremfall kann eine solche negative Einstellung zur Verneinung
ethischer Grundsätze und damit zu einem eigennützigen, ja sogar
amoralischen Verhalten führen: Es macht dann sowieso alles
keinen Sinn. Nach mir die Sintflut. Diese Menschen schauen
meistens nur noch für sich selbst. Und, falls es für sie vorteilhaft
ist, können sie sogar über Leichen gehen. Weil sie an nichts
glauben, kümmern sie sich nicht mehr über die negativen Folgen
ihres amoralischen Verhaltens. Hauptsache, es geht ihnen gut,
auch wenn ihr egoistisches Verhalten zulasten anderer Menschen
geht. Es sei denn, sie (ähnlich wie Nihilisten oder gewisse,
Anarchisten) fürchten sich vor einer weltlichen rechtlichen
Bestrafung, die sie vor ihren widrigen Taten abschreckt.
Die Antworten zum Glauben können höchstens auf die kleinere oder
grössere Wahrscheinlichkeit ihrer Wahrheitsgehalte geprüft werden:
Unabhängig von den Wahrscheinlichkeiten der Richtigkeit von
Wahrheiten und Wirklichkeiten, Hauptsache man fühlt sich beim
Glauben an unrichtige Wahrheiten und unwahrscheinliche
Wirklichkeiten wohl und glücklich, jedoch vorausgesetzt man
verletzt dabei nicht das Wohl der Allgemeinheit. Jedem das Seine.
Das gilt für Gläubige und beispielsweise auch für manche Künstler. Die
Gläubigen leben mehr oder weniger glücklich in ihrer religiösen Welt und
einige Künstler in ihrer seltsamen, verrückten, irrationalen,
unwahrscheinlichen Welt, die sie für ihre Kunstinspiration benötigen. Jeder
soll nach seinem Gutdünken leben, solange er niemand damit stört
oder verletzt.
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Ich zitiere nochmals Shakespeare, aus Hamlet: „Es gibt mehr zwischen
Himmel und Erde, als Eure Schulweisheit sich träumen lässt.“ Dieses Zitat
darf aber nicht als Passepartout missverstanden werden, sodass sogar
fragliche esoterische Fantastereien den metaphysischen Hypothesen oder
den wissenschaftlich bewiesenen Erkenntnissen gleichgesetzt werden
dürfen.
Die Frage über die Existenz einer höheren Ordnung in der Natur,
anstelle des Zufalls, des Chaos oder sonstiger Ursachen, wird für
uns limitierte Menschen eine Glaubensangelegenheit bleiben.
Über „Zufall und Notwendigkeit“ hat der französische Biologe Jacques
Monod geschrieben. Die Notwendigkeit aus Zufällen ergibt sich aus
der biologischen Evolutionsdarstellung gemäss Darwin. In ähnlicher
Hinsicht interessant sind die mathematische Darstellung von fraktalen
Figuren sowie die Chaostheorie und die Entropietheorie der Physik. – In
diesem Zusammenhang erwähne ich den “Schmetterlingseffekt“ des
Bostoner Meteorologen Edward Lorenz, der 1961 beim Test eines
Computer-Wettermodells eine gerundete Zahl eintippte: Obwohl sie sich
vom exakten Eingabewert kaum unterschied, spuckte das Modell ein völlig
anderes Ergebnis aus. Daraus schloss Lorenz: Unter bestimmten
Bedingungen haben winzige Ursachen gewaltige Effekte – die Grundthese
der Chaostheorie.
Man unterscheidet zwischen induktivem (aus beobachteten bzw.
gegebenen speziellen Phänomenen auf allgemeine Erkenntnisse
schliessen) und deduktivem Denken (aus beobachteten bzw.
gegebenen allgemeinen Phänomenen auf spezielle Erkenntnisse
schliessen). Oder anders beschrieben: Aus allgemeinen
Phänomenen und Erkenntnissen schliesst man durch Deduktion auf
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spezielle Erkenntnisse und aus speziellen Phänomenen und
Erkenntnissen durch Induktion auf allgemeine Erkenntnisse.
Subjektive Wirklichkeit und angebliche Wahrheiten stimmen nicht
immer überein, wie ich dies bereits am Anfang dieses Kapitels
beschrieben habe. Des weiteren müssen wir zwischen mehr oder
weniger fraglichen Wahrheiten, unsinnigen esoterischen Fantasien
und wahrscheinlicheren, noch zu beweisenden Hypothesen und
bereits wissenschaftlich bewiesenen Theorien unterscheiden.
Wissenschaftlich bewiesen bedeutet: empirisch nachgewiesene
Erkenntnisse, die durch wiederholte Experimente mit immer
gleichen Ergebnissen verifiziert werden, bis sie durch neue
Beobachtungen falsifiziert oder ergänzt werden. Die Hypothese ist
die noch unbewiesene Vorstufe einer bewiesenen Theorie.
In der Mathematik versteht man unter Hypothese eine abstrakte
These, die aus mathematischen Grundsätzen (Axiome) bzw.
Annahmen und Voraussetzungen (angenommen und vorausgesetzt,
dass…) ausgeht, aus denen mathematische Sätze bzw. Theorien
deduktiv abgeleitet (dann gilt…) und bewiesen werden, auf Latein
q.e.d= „quod erat demonstrandum“ = „was zu beweisen war“. Die
mathematischen Annahmen und Ergebnisse haben eine abstrakte
Gültigkeit und können aber müssen nicht die physikalische
Wirklichkeit darstellen bzw. physikalisch sinnvoll anwendbar sein.
Das Kriterium der objektiven Wahrheit mag zwar für die Ergebnisse
der Mathematik gelten, jedoch nicht immer für die physikalische
Wirklichkeit. Oder anders gesagt, nicht jede mathematische
Anwendung eignet sich für die Beweisführung der physikalischen
Wirklichkeit.
So ist beispielsweise sowohl die abstrakte mathematische String- als auch
die Membrantheorie mathematisch bewiesen und in sich konsistent. Es ist
aber weiterhin fraglich, ob sich die Mehrdimensionalität der String- und
Membrantheorie auch physikalisch im Universum sinnvoll und realitätsnahe
umsetzen und somit auch wissenschaftlich beweisen lässt.
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„Die Philosophie ist (nicht ganz) wie Mathematik. So wie man in der
Mathematik versucht, Grenzwerte zu berechnen, die nie erreicht werden, so
versucht auch die Philosophie Annäherungen an Probleme und Fragen zu
finden, auf die es keine eindeutigen Antworten gibt.“ Zitat eines
Mechatronikers aus Mannheim.
Verifizierte Erkenntnisse gelten nicht absolut, sondern nur begrenzt und
vorübergehend, bis sie falsifiziert werden. Wir können dies anhand der
Newtonsche Theorien der klassischen Physik belegen, die im Mikrokosmos
gegenüber der Quantentheorie bzw. im Makrokosmos gegenüber der
Relativitätstheorie an ihre Grenzen stossen. Die klassische Physik wird von
den Erkenntnissen der modernen Physik teilweise (im Mikro- und
Makrokosmos) infrage gestellt und falsifiziert. Dies im Sinne des
Falsifizierbarkeits-Kriteriums gemäss der Erkenntnistheorie von Karl R.
Popper, einer der einflussreichsten Denker unseres Jahrhunderts.
Gemäss Popper sind induktive oder deduktive, empirisch
gesicherte, statistisch signifikante Ergebnisse aus systematischen
Beobachtungen und Messungen von sich wiederholenden
Ereignissen nicht ausreichend, um Theorien und Hypothesen zu
beweisen. Wichtiger ist der ständige Versuch, die Theorien zu
widerlegen (falsifizieren). Als einfaches Beispiel: Noch so viele
weisse Schwäne können den Satz „Alle Schwäne sind weiss“ nicht
eindeutig und endgültig beweisen. Denn das Auftauchen eines
einzigen schwarzen Schwanes kann ihn widerlegen. In diesem
Sinne versuchen wir, unsere Theorien durch ständige
wissenschaftliche Infragestellung schrittweise der objektiven
Realität immer weiter anzunähern.
Unter den zahlreichen Büchern von Popper empfehle ich als sehr lesenswert
sein letztes Buch, das er kurz vor seinem Tod im September 1994 noch
abschliessen konnte: „Alles Leben ist Problemlösen“, Über Erkenntnis,
Geschichte und Politik, 12. Auflage 2009, Piper Verlag, München.
Zudem auch „Das Ich und sein Gehirn“ (zusammen mit dem Gehirnforscher
John. C. Eccles editiert): 15
Dort wird neben der komplizierten 3-Welten-Hypothese Poppers die Frage
„Wie schafft unser Gehirn das Ich“ behandelt. Die dualistische Hypothese
(Trennung von geistiger und materieller Welt) von Popper (und Eccles,
Hirnforscher) überzeugt mich nicht. Darin beschreibt er drei Welten: die
objektive Welt der Materie, die subjektive Welt unseres Bewusstseins und
die – ebenfalls objektive – Welt des menschlichen Geistes (der Ideen,
Theorien, Probleme und Argumente). Gemäss Popper: „Aufgabe unseres
subjektiven Bewusstseins ist es, eine Verbindung zwischen der ersten Welt
(die der objektiven Materie) und der <dritten Welt> (die des objektiven
Geistes) herzustellen.“
Hirnforscher konnten bisher nicht beweisen, dass es keine
selbstständige immaterielle, objektive Welt des Geistes bzw. der
Seele getrennt vom Gehirn gibt. Bis heute gilt eher das Gegenteil:
Der Geist bzw. das Geistige wurde von den meisten Hirnforschern
(ausgenommen Eccles) als etwas Subjektives, vom Gehirn
Projiziertes, experimentell nachgewiesen. Das subjektive Denken
in unserem begrenzten Gehirn wird durch dessen Wahrnehmung
der objektiven Realität via unsere limitierten Sinne aktiviert bzw.
generiert. Zu diesem subjektiven Denken gehört auch die
Bewusstwerdung von den Inhalten unseres Unterbewusstseins als
Teil unserer von unserem Gehirn generierten subjektiven
Wirklichkeit.
Es gibt nach Popper eine objektive materielle und eine objektive geistige
Wirklichkeit, der sich der Mensch nur durch sein subjektives Bewusstsein
annähern kann. Wie gesagt, die objektive geistige Wirklichkeit wurde von
den Hirnforschern nicht als objektiv, sondern als subjektiv experimentell
nachgewiesen.
Popper weist ebenfalls auf die von ihm bezeichnete Beschränktheit (bzw.
die von mir genannte Begrenztheit) der Wissenschaft bzw. der Menschen
und ihrer menschlichen Erkenntnisse hin.
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Alles Wissen ist nach Popper „Vermutungswissen“ bis es
wissenschaftlich verifiziert wird und nur solange gültig, bis es
wissenschaftlich falsifiziert wird.
Wissenschaftliche Experimente arbeiten gegen ideologische Verbohrtheit,
sagt Ernst Fehr, Professor für Volkswirtschaftslehre (mit Schwerpunkt auf
experimentelle Mikroökonomik) an der Universität Zürich. Mit seiner
innovativen Forschung hat er immer wieder ökonomische Lehrmeinungen
widerlegen (falsifizieren) können. Ihn interessieren Experimente, die das
Potenzial haben, die ganze Perspektive einer Theorie zu ändern.
In einem ähnlichen Zusammenhang zitiere ich aus dem Magazin Nr. 3,
September 2012, der Universität Zürich, folgende Passagen von Hans-Jörg
Rheinberger, Philosoph und Biologe, Direktor am Max-Planck-Institut in
Berlin (er hat Philosophie und Biologie studiert):
„Das Testen von Hypothesen gehört zum wissenschaftlichen Alltag.
Bei Karl Popper steht es geradezu im Zentrum seiner
Wissenschaftsphilosophie und seiner Vorstellung, wie Forschung
funktioniert. Ein Wissenschaftler erfindet eine Hypothese; je klarer
diese Hypothese formuliert ist, desto klarer kann man einen
experimentellen Test konzipieren, um sie zu überprüfen. Im
Grenzfall lautet die Antwort darauf ja oder nein. Bei einem Nein ist
die Hypothese falsifiziert, bei einem Ja ist sie zwar nicht verifiziert,
aber sie wird bis auf Weiteres bestätigt. Dieses <Bis-auf-
Weiteres>, das im Popper ‘schen Ansatz steckt, hat für viele
Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftler bis heute
einen grossen Appeal.“
„Es ermöglicht einem, sich kritisch zu den Objekten zu verhalten, mit denen
man es im Labor zu tun hat. Man geht eben davon aus, dass
wissenschaftliche Erkenntnisse vorläufige Wahrheiten sind. Den Preis, den
man bezahlt, wenn man das Experiment nur auf das Testen von bereits
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bestehenden Hypothesen einschränkt, ist allerdings hoch. Für jemanden,
der wie ich sozusagen (uneingeschränkt) von unten auf den
Erkenntnisprozess blickt, wird eine ganz andere Dimension des
Experimentierens zentral, die des Erkundens von Neuland (über die
Überprüfung bloss bestehender Hypothesen hinaus).“
„Ein Experiment ist ein Weg des Erkundens, auf den man, ohne sich zu
verlieren, Neuland betreten kann. Das ist ein ganz anderer Blick auf das
Experiment als das Testen von Hypothesen, wie es Poppers
Wissenschaftsmodell vorsieht.“
Wenn man sich nicht an die obengenannten erkenntnistheoretischen
Grundsätze hält, verfällt man allen möglichen esoterischen Fantasien. Man
verliert dadurch den Boden unter den Füssen. Dies führt zu einem
weltfremden Verhalten bzw. zu einem gefährlichen Realitätsverlust. Der
lässt uns früher oder später über die Realität unangenehm stolpern.
Aberglauben und Esoterik nehmen in der heutigen Zeit zu:
Aberglauben und Sekten als Ersatz von traditionellen Religionen
und Esoterik anstelle von Wissenschaftlichkeit. Der Pendel schlägt
gegenwärtig in die gegensätzliche Richtung der Rationalität: eine
protestartige Reaktion der Menschen gegen die Ratio und,
stattdessen, zugunsten des vernachlässigten Geistigem. Extreme
sind jedoch gefährlich; weder zu viel Ratio noch allzu viel Geist
sind angebracht. Die Wahrheit oder besser die Wirklichkeit liegt
irgendwo dazwischen.
Die wissenschaftlichen Fächer werden vor allem in den Schulen
und an den Universitäten immer weniger gefragt. Sie werden
deshalb bei der Ausbildung in letzter Zeit allzu sehr vernachlässigt.
Dagegen sind die geistigen Fächer umso gefragter. Wir sollten in
der Schule die „exakten“ Wissenschaften wieder vermehrt lehren,
ohne die geistigen Fächer zu vernachlässigen. Um sich nicht bei
den Letzteren zu “verlieren“, ist die Vernunft, d. h. das kritische,
18
ergebnisoffene Denken anzuwenden. Das bedeutet, dass wir nicht
von absoluten Wahrheiten ausgehen und offen für neue
wissenschaftliche und auch geistige Erkenntnisse sind. Die
Skeptiker sind nicht gegen etwas, sondern für eine vernünftige
Wissenschaftlichkeit. Fast jede (sofern nicht völlig
unwahrscheinlich oder unsinnig ist) Idee bzw. Hypothese ist
willkommen, aber sie sollte hinterfragt und schliesslich bewiesen
werden. Falls sie weder bewiesen noch falsifiziert werden kann
bleibt sie eine Glaubensfrage.
Richard Dawkins schreibt: „Warum glaubt die Hälfte der
Amerikaner, dass es Geister gibt? Warum glauben 75 Prozent an
die Existenz von Engeln? … und warum glaubt die Mehrheit der
Amerikaner immer noch nicht an die Evolutionstheorie von Darwin?
… Dummheit mag mitspielen, aber sie erklärt nicht alles. Der Grund ist ein
Mangel an Training, kritisch zu denken und zwischen Meinungen,
Anekdoten, Vorurteilen und Beweisen zu unterscheiden. Deshalb sollte an
allen Schulen gelehrt werden, was eine Doppelblind-Studie ist. Dadurch
würden wir nicht nur lernen, kritisch zu denken und unsere kognitiven
Fähigkeiten zu verbessern. Es könnte auch helfen, die Welt zu retten.“
Eine Blindstudie ist übrigens ein Experiment, bei dem die Versuchspersonen
nicht wissen, ob sie der Experimental- oder der Kontrollgruppe angehören.
Dadurch wird der Einfluss von Erwartungen und Verhaltensweisen, die
durch die Kenntnis einer bestimmten Information ausgelöst würden,
eliminiert. Blindstudien sind in der psychologischen und besonders in der
medizinischen (beispielsweise bei der Überprüfung des Placebo-Effektes)
Forschung weit verbreitet:
- einfachblind, wenn die Patienten nicht wissen, welche Substanz sie
erhalten,
-doppelblind, wenn die Patienten und die Mediziner nicht wissen, wer
welche Substanz erhält,
19
-dreifachblind, wenn die Patienten, die Mediziner und die Versuchshelfer
nicht wissen, wer welche Substanz erhält.
Die Substanzen müssen aber natürlich in allen drei Fällen für alle
unmerklich im Voraus gekennzeichnet werden, damit man nachher weiss,
welcher Patient welche Substanz erhalten hat, sodass man die Ergebnisse
entsprechend sinnvoll auswerten kann.
Als Beispiel unter vielen sei der Glaube an die heilende Wirkung
homöopathischer Tropfen erwähnt. Wissenschaftlich ist ihre heilende
Wirkung nicht nachgewiesen. Sie wirken sich bei einigen Menschen aber
dennoch heilend aus und sie schaden nicht, ausser der Geldkasse. Die
Wissenschaft erklärt dies mit dem Placebo-Effekt von eindeutig
wirkungslosen Scheinmedikamenten. Beim Placeboeffekt tritt bei einem
Präparat ohne Wirkstoffe, allein durch die positive Erwartung, eine heilende
Wirkung ein. Beim Noceboeffekt kann ein wirkungsloses Präparat bei
negativer Wirkungs-Erwartung zu suggestiv eingebildeten negativen
körperlichen bzw. psychischen Symptomen führen. Es handelt sich bei
diesen Effekten um suggestive Reaktionen mancher Menschen auf
wirkungslose Präparate. Die Reaktionen hängen wiederum davon ab, wie
sehr man an die angebliche Wirkung glaubt. Solche Scheinmedikamente
benutzt man übrigens bei den obengenannten Blind-Versuchsreihen zum
Wirkungsvergleich gegenüber echten, heilwirksamen Medikamenten.
Weitere Beispiele: Etwa beim sogenannten Klimaskeptizismus; wenn
wissenschaftliche Ergebnisse der Klimaforschung geleugnet oder gar als
Verschwörung interpretiert werden, handelt es sich um eine
wissenschaftsfeindliche Haltung. Oder bei dem in letzter Zeit in den USA
zunehmenden religiös fundamentalistischen Kreationismus, der die
Evolutionstheorie von Darwin und Dawkins ablehnt und denunziert. Diese
antiwissenschaftlichen Haltungen, die sich stattdessen dem Aberglauben,
der Esoterik und den Verschwörungstheorien hingeben, sind kaum der
richtige Weg. Auch in den Medien werden viele Dinge zu wenig kritisch
hinterfragt, sodass viele von uns von den verführerischen und manchmal
tendenziösen Medien des Öfteren getäuscht werden.
20
In den Kapiteln 3 und 4.1 meiner Reflexionen erwähnte ich bereits die
Bücher von Gerd Gigerenzer und seine Reflexionen über
Bauchentscheidungen, die Macht der Intuition und wie man diese bei
Risikoentscheiden berücksichtigen kann. - Aus dem Magazin 21/2013 des
Tages-Anzeigers: Dieser Autor beschreibt einige Lebensbeispiele, aus
denen er schliesst: „Sich stur nur an eine mathematische Norm zu halten ist
nicht intelligent. Die Menschen denken (manchmal sogar auch) vernünftig.
Die Standards der Rationalität sind oft (jedoch nicht immer) unvernünftig.“
Der rationale Verstand entspricht manchmal nicht dem gesunden
Menschenverstand, der oft, obwohl nicht immer, treffender ist, füge ich
hinzu.
Hüten wir uns davor, unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse oder
unser angebliches Wissen und die daraus abgeleiteten subjektiven
Wahrheiten über die Natur und unser Leben allzu unkritisch zu
vertreten bzw. im täglichen Leben allzu absolut zu applizieren. Das
führte schon öfters in der Geschichte zu Irrlehren und im Extremfall zu
blutigen Kriegen, wie z. B. religiöse Überzeugungen (bis zur Inquisition), die
machtpolitisch missbraucht wurden und werden. Gegenwärtig sind diese
innerhalb der muslimischen (z. B. zwischen Schiiten, Sunniten, Aleviten)
und anderen Staaten weiterhin zu beobachten. Andere falsche Wahrheiten
führten zu Kriegen unter dem Vorwand der Rassenreinheit bis zur Eugenik,
wie z. B. durch Hitler, wie auch zu religiös-ethnisch-rassistischen
Bürgerkriegen in ex Jugoslawien und zu vielen anderen
Auseinandersetzungen auf unserer Welt. Beim Eichmann Prozess sagte
dieser „Alles für die Reinheit des Blutes (Rassenreinheit) getan zu haben“.
Die falschen angeblichen Wahrheiten wurden und werden immer wieder als
Vorwand machtpolitisch missbraucht, obwohl sie bloss absolut
durchgesetzte, unbewiesene, extreme Vorurteile religiöser, rassistischer
oder sonstiger Art waren bzw. immer noch sind.
Ist das bisher Erwähnte zu abstrakt und für unser tägliches Leben nicht
allzu nützlich? Im Gegenteil, wohl nützlich, wenn wir die schlimmen
obengenannten Folgen von Irrlehren einsehen. Die Tendenz der Menschen
zu einem absoluten statt differenzierten Denken führt uns zu Extremen, die 21
sich im Leben fast immer negativ auswirken. Das kommt davon, dass
Extreme einfacher und bequemer zu vertreten sind als Mittelwege. Letztere
sind jedoch sinnvoller und vernünftiger und schliessen die Gefahren von
Extremen aus. Leider verfällt der unvollkommene, bequeme Mensch immer
wieder den Extremen der Pendelbewegung. Dies, bevor er merkt, dass
seine extremen Meinungen zu einseitig oder sogar falsch sind und diese
durch vernünftige, wissenschaftliche Argumente vielleicht revidiert. Die
extreme schwarz/weiss Malerei fraglicher Meinungen und Wahrheiten ist
das Ergebnis von Trugschlüssen eines bequemen, zu stark vereinfachenden
Denkens. Das führt die Menschen allzu oft zu sich negativ auswirkende
falsche Handlungen.
Die oben erwähnten und nun folgenden Ausführungen über
Wahrheit, Wirklichkeit und Realität stammen aus meinen eigenen
Rückschlüssen, zu denen ich schon in meiner Jugend gekommen
war. Sie stimmen interessanterweise, wie ich später feststellen
konnte, mit den Erkenntnislehren mancher Philosophen und den
neuesten Erkenntnissen der Hirnforschung und der analytischen
Psychologie überein.
Unter anderen mit den Erkenntnissen des bereits im Kapitel 9.3
erwähnten Buches von Gerhard Roth, „Das Gehirn und seine
Wirklichkeit“, Kognitive Neurobiologie und ihre philosophischen
Konsequenzen, Suhrkamp Verlag, 1994. G. Roth stimmt inhaltlich
weitgehend überein mit meinen Vorstellungen über Wahrheit,
subjektive Wirklichkeit und objektive Wirklichkeit (Realität) und
über den Einfluss unseres begrenzten Gehirns und unserer
limitierten Sinne.
Die meisten früheren Philosophen und Denker sowie neuzeitliche
Philosophen wie Descartes, Kant, Russell, Wittgenstein und andere hatten
sich ebenfalls über Fragen der Erkenntnis Gedanken gemacht.
22
Manche, insbesondere G. Roth und K. R. Popper, kamen zu ähnlichen
Erkenntnissen. Ausgenommen die 3-Welten-Hypothese von Popper, die G.
Roth und ich nicht mit ihm teilen. Andere Denker verkomplizierten die
Erkenntnis-Thematik allzu sehr. Man verzettelte sich teilweise derart in
Widersprüchen, dass am Schluss eher Verwirrung übrig blieb.
Zitate aus dem obenerwähnten Buch von Gerhard Roth:
„Von einigen Philosophen, vor allem von Popper und Eccles (Hirnforscher)
wird die <Abgeschlossenheit> der physikalischen Welt im Gegensatz zur
<Geist-Welt> hervorgehoben und als Argument zugunsten eines Dualismus
verwendet. Diese Auffassung entspringt aber einem tiefen Missverständnis
der Welt der Physik und der Annahme, es gäbe eine Gemeinsamkeit aller
physikalischen Phänomene, die sich von der Natur des Geistes prinzipiell
unterscheidet. Es ist immer möglich, dass in der uns zugänglichen Welt
neuartige Phänomene oder neuartige Gesetzmässigkeiten entdeckt werden,
die dann in das physikalische Weltbild integriert werden, eventuell unter
massiver Revision unserer bisherigen physikalischen Annahmen. Insofern
ist die physikalische Welt prinzipiell offen und nicht abgeschlossen.“
„Geist kann in diesem Ansatz als ein physikalischer Zustand verstanden
werden, genauso wie elektromagnetische Wellen, Mechanik, Wärme,
Energie.
In diesem Zusammenhang lässt sich Folgendes sagen: (1) Es gibt eine sehr
enge Parallelität zwischen Hirnprozessen und kognitiven Prozessen. (2) Man
kann diejenigen Hirnprozesse, die von Geist, Bewusstsein und
Aufmerksamkeit begleitet sind, auf verschiedene Weisen darstellen
(sichtbar machen). (3) Die Mechanismen, die zu Geist- und
Bewusstseinszuständen führen, sind in groben Zügen bekannt und
physiologisch-pharmakologisch beeinflussbar.“
„Das Gehirn kann zwar über seine Sinnesorgane durch die (reale) Umwelt
erregt werden, diese Erregungen enthalten jedoch keine bedeutungshaften
und verlässlichen Informationen über die (reale) Umwelt. Vielmehr muss
23
das Gehirn über den Vergleich und die Kombination von sensorischen
Elementarereignissen Bedeutungen erzeugen und diese Bedeutungen
anhand interner Kriterien und des Vorwissens überprüfen. Diese sind die
Bausteine der (subjektiven) Wirklichkeit.“
Bevor ich weiter Roth zitiere, möchte ich Folgendes klären: Wenn
Roth von Wirklichkeit oder phänomenaler Welt spricht, meint er die
subjektive Wirklichkeit gemäss meiner Definition. Wenn er von
Realität oder transphänomenaler Welt spricht, meint er die
objektive Wirklichkeit (Realität) gemäss meiner Definition.
„Die (subjektive) Wirklichkeit, in der ich lebe, ist ein Konstrukt des Gehirns.“
„Da ich nun offenbar selbst ein Teil dieser (subjektiven) Wirklichkeit bin,
gerate ich bei einem solchen Konzept unweigerlich in tiefe Paradoxien.“ Die
Auflösung der Paradoxien durch Roth werde ich weiter vorne am Schluss
noch aufführen.
„Schliesslich will ich wissen, wie ich selbst zustande komme. Dies ist ein
fundamental selbstreferenzielles Unterfangen, und manche meinen, dass
man als Hirnforscher oder als “Neurophilosoph“ aus diesem “Teufelskreis“
niemals herauskommen wird.“ Wer mehr über den Ausweg aus diesen
Paradoxien wissen möchte, kann dies in dem zitierten Buch von Gerhard
Roth tief gehender als in dieser Zusammenfassung nachlesen.
„Wahrnehmung ist in erster Hinsicht das Orientieren an Umweltmerkmalen
zum Zweck des Lebens und Überlebens, wobei beim Menschen und vielen
anderen Tieren auch das soziale Leben und Überleben eingeschlossen ist.
… Wahrnehmungen sind immer (subjektive) Hypothesen über die Umwelt.
Sie können in den Augen des menschlichen Beobachters sogar falsch sein
(und deshalb von uns irrtümlich gedeutet werden).
„Kognition umfasst Phänomene des Erkenntnisvermögens, worunter
Vorgänge wie Wahrnehmen, Denken, Verstehen und Urteilen fallen.
Gemeinsam ist diesen Vorgängen die Orientierung des Organismus in
seiner Umgebung als der hauptsächlichen Grundlage für angepasstes
Verhalten. … Kognition ist nicht ohne Emotion möglich. In seinem 1995 in
24
deutscher Übersetzung erschienenen Buch „Descartes’ Irrtum“ schildert der
amerikanische Neurologe Antonio Damasio sehr anschaulich den Fall des
amerikanischen Ingenieurs Phineas Gage. Ein Arbeitsunfall führte bei Gage
zu einer Zerstörung des orbifrontalen präfontralen Cortex. Infolge dieser
Hirnverletzung kam es zu einer tiefgreifenden und verhängnisvollen
Trennung (Dissoziation) zwischen Rationalität und Gefühlen. Während Gage
in Motorik, Wahrnehmung und Intelligenz völlig unbeeinträchtigt war, hatte
er die Fähigkeit verloren, seine Zukunft zu planen, sich nach den sozialen
Regeln zu richten, die er einst gelernt hatte, und die Handlungsabläufe zu
wählen, die für sein Überleben am günstigsten waren. Die Folge war eine
völlige Lebensunfähigkeit.“
„Das Wirken des limbischen Systems erleben wir als begleitende Gefühle,
die uns entweder vor bestimmten Handlungen warnen oder unsere
Handlungsplanung in bestimmten Richtungen lenken. Gefühle sind somit
konzentrierte Erfahrungen; ohne sie – dies zeigt das obengenannte Beispiel
von Gage – ist vernünftiges Handeln unmöglich. Wer nicht fühlt, kann auch
nicht vernünftig entscheiden und handeln. Leider ist noch wenig darüber
bekannt, wie im Detail die Interaktion zwischen Kognition und Emotion im
Gehirn stattfindet. … Die Beantwortung dieser Frage wird zweifellos den
grössten Schritt zum Verständnis des Gehirns darstellen, denn wenn es
überhaupt höchste Hirnzentren gibt, dann sind es die Konvergenzzonen
zwischen Neocortex und limbischem System.“
„Wirklichkeit als Konstrukt des Gehirns: Die Welt unserer Empfindungen
besteht aus drei Bereichen: der Aussenwelt, der Welt unseres Körpers und
der Welt unserer geistigen und emotionalen Zustände. … Diese drei
Bereiche sind Aufgliederungen der phänomenalen (subjektiven)
Wirklichkeit. Dieser (subjektiven) Wirklichkeit wird gedanklich eine
transphänomenale (objektive, reale) Welt gegenübergestellt, die
unerfahrbar ist (ich meine dagegen, sie sei nur annähernd erfahrbar) und
dementsprechend in der phänomenalen (subjektiven) Welt nicht (nur
indirekt) vorkommt.“
25
„Die Unterscheidung von Realität und (subjektiver) Wirklichkeit und was wir
damit gewonnen haben: Ich habe davon gesprochen, dass das Gehirn die
(subjektive) Wirklichkeit hervorbringt und darin all die Unterscheidungen
entwickelt, die unsere Erlebniswelt ausmachen. Wenn ich aber annehme,
dass die (subjektive) Wirklichkeit ein Konstrukt des Gehirns ist, so bin ich
gleichzeitig gezwungen, eine Welt anzunehmen, in der dieses Gehirn, der
Konstrukteur, existiert. – Diese Welt wird als objektive,
bewusstseinsunabhängige oder transphänomenale Welt bezeichnet. Ich
habe sie der Einfachheit halber Realität genannt und sie der (subjektiven)
Wirklichkeit gegenübergestellt.“
Und nun etwas, was schwierig zu verstehen ist, obwohl es wahrscheinlich
zutrifft und weiterhin mit meinen eigenen Reflexionen übereinstimmt:
„Wir sind damit zu einer Aufteilung der Welt in Realität und Wirklichkeit, in
phänomenale (subjektive Wirklichkeit) und transphänomenale Welt
(Realität), Bewusstseinswelt und bewusstseinsjenseitige Welt gelangt. Die
subjektive Wirklichkeit wird in der Realität durch das reale Gehirn
hervorgebracht. Sie ist damit Teil der Realität, und zwar derjenige Teil, in
dem wir vorkommen. Dies ist eine höchst plausible Annahme, die wir
allerdings innerhalb der subjektiven Wirklichkeit treffen und die nicht als
eine Aussage über die tatsächliche Beschaffenheit der Realität
missverstanden werden darf. Machen wir aber keine solche Unterscheidung
zwischen Realität und Wirklichkeit, dann müssen wir entweder annehmen,
dass es gar keine phänomenale (subjektive) Welt gibt, sondern nur Realität.
Damit gibt es aber auch gar keine Wahrnehmung und kein wahrnehmendes
Ich.“
„Mit der Unterscheidung von Realität und (subjektiver) Wirklichkeit lassen
sich innerhalb der (subjektiven) Wirklichkeit hingegen viele Dinge
befriedigend erklären. Dann verschwindet das eingangs gestellte Problem,
wie die wahrgenommenen Dinge nach draussen kommen. Sie werden vom
Gehirn aufgrund interner Kriterien dem Bereich Aussenwelt zugeordnet. Das
Ich als Teil der (subjektiven) Wirklichkeit empfindet dann diese Dinge als
ausserhalb, aber dieses ausserhalb existiert nur innerhalb der (subjektiven)
26
Wirklichkeit: Ich sehe (subjektiv) wirkliche, nicht reale Gegenstände. Dies
gilt auch für mein (subjektives) Handeln. Wenn ich nach etwas greife, so
bewege ich meine (subjektiv) wirkliche, nicht meine reale Hand, die nach
einem (subjektiv) wirklichen, nicht nach einem realen Gegenstand greift.“
Warum gibt es überhaupt eine phänomenale bzw. subjektive Welt? Weil
dies eine für uns nötige vereinfachte Abstraktion der realen Welt darstellt,
sodass wir mit unseren begrenzten Sinnen mit ihr besser umgehen können:
„Von einem fiktiven objektiven Beobachter aus gesehen, handelt das
Subjekt in einer virtuellen Welt (der subjektiven Wirklichkeit), neben der die
Prozesse in der Realität parallel laufen. Dies erspart es ihm, über die
tatsächlichen (realen) physiologischen Prozesse (über unsere beschränkten
subjektiven Interpretationen hinaus) Bescheid zu wissen.
Bewusstseinsmässig wäre in der Tat auch niemand in der Lage, aus dem
unendlichen Gewirr peripherer sensorischer (realer) Prozesse eine (reale)
Gestaltwahrnehmung (über unsere subjektive Wirklichkeitswahrnehmung
hinaus) hervorzubringen, genauso wenig wie ich in der Lage wäre, bewusst
Arm und Hand und die vielen beteiligten Muskeln und Sehnen so zu
aktivieren und koordinieren, dass ich das Glas vor mir greifen kann.“ Der
unbewusste Automatismus im Gehirn blendet die beträchtlichen
Reaktionszeiten unseres Bewusstseins von bis zu einer Sekunde aus und
ersetzt sie durch unbewusste Reaktionszeiten von nur Bruchteilen einer
Sekunde, wie der Neurologe B. Libet uns gezeigt hat.
„Wo existiert mein Gehirn? Wer bin ich, wer ist Ich? – Die (subjektive)
Wirklichkeit ist nicht ein Konstrukt meines Ich, denn ich bin selbst ein
Konstrukt. Vielmehr geht ihre Konstruktion durch das Gehirn nach (realen)
Prinzipien vor sich. … Diese (realen) Prinzipien (genetisch und epigenetisch
bzw. umweltbedingt) sind meinem Willen nicht unterworfen. Vielmehr bin
ich ihnen unterworfen.“
„Geist – so meine (von G. Roth) These - kann als ein physikalischer Zustand
angesehen werden; er muss nicht auf neuronale Zustände reduzierbar sein
und kann eigene Gesetzmässigkeiten aufweisen. … Wir stehen also vor der
verwickelten Situation: Das Gehirn, welches mir zugänglich ist (das nicht
27
reale, sondern subjektiv wirkliche, virtuelle Gehirn), bringt gar keinen Geist
hervor; und dasjenige (reale) Gehirn, welches durch die (interpretierte
subjektive) Wirklichkeit Geist hervorbringt, ist mir unzulänglich.“
„Dies hat für die eigene Arbeit ausserordentliche Konsequenzen:
Hirnforschung vollzieht sich innerhalb der (subjektiven) Wirklichkeit und
kann nur wirkliche Gehirne untersuchen, niemals reale. Ist dann nicht alle
Hirnforschung zwecklos? Haben wir es nicht dann – wie Platon in seinem
Höhlengleichnis meinte – grundsätzlich mit den Schatten der Dinge zu tun,
anstatt mit den Dingen selbst, und wäre dann nicht Wissenschaft nur
Erkenntnis über die Schatten? – Nach Platon können wir die Welt der
Schatten in der Höhle verlassen und unter Anleitung der Philosophie die
Wesensschau betreiben und die Dinge begreifen, wie sie wahrhaft sind.
Dies aber ist unmöglich. Die (subjektive) Wirklichkeit ist die einzige Welt,
die uns zur Verfügung steht. Wir können bewusstseinsmässig nicht aus ihr
heraustreten. Was die Hirnforschung tut, ist das, was Wissenschaft als Teil
der Wirklichkeit überhaupt tun kann, nämlich die Phänomene der
Wirklichkeit untersuchen und sie so zu deuten, dass sie in der (subjektiven)
Wirklichkeit Sinn machen.“
„Lebt jeder von uns in seiner einsamen Wirklichkeit? … Es gibt ebenso viele
individuelle Wirklichkeiten, wie es reale Gehirne gibt. Jedes menschliche
Gehirn ist verschieden. Zwar teilt es mit anderen menschlichen Gehirnen
denselben Grundaufbau, und auch die Lokalisation der funktionalen
Gehirnzentren ist bei den meisten Menschen sehr ähnlich. Aber es kann
hierin durchaus stärkere Abweichungen geben. … Diese Veränderungen
können durch geburtliche und frühkindliche Schädigungen oder notwendige
operative Eingriffe verursacht sein, z. B. aufgrund von epileptischen
Herden.“
„Es gibt genetisch bedingte Unterschiede in der Weise, wie wir die Welt und
uns wahrnehmen, und wie wir handeln. D. h. in all dem, was zumindest
teilweise unseren Charakter ausmacht; und diese Unterschiede ererben wir
als eine individuelle Kombination des Erbguts von unseren Eltern.
Besonders wichtig sind frühkindliche Einflüsse und Erlebnisse, die prägend
28
auf unseren Charakter wirken und den Rahmen bilden, in dem spätere
Erfahrungen verarbeitet werden. Dabei gilt: Je später die Einflüsse, desto
stärker müssen sie wirken, um noch eine nachhaltige Wirkung zu
erlangen. ...Das heisst aber nicht, dass nicht auch in späteren Lebensjahren
Erlebnisse noch unseren Charakter ändern können; diese müssen dann
aber entweder krisenartige Zustände hervorrufen oder jahrelang einwirken.
Sieht also jeder die Welt nur in seiner Weise? Sind wir wirklich voneinander
isoliert? Dies ist in einem bestimmten Sinne der Fall.“
„Mit unserem Menschsein ist uns die wichtigste Basis für Kommunikation
gegeben, nämlich die Sprachfähigkeit. Diese Sprachfähigkeit ist angeboren,
ebenso das Lautrepertoire und die sensible Phase, in der je nach
Sprachangebot eine Muttersprache erlernt wird.
Verstehen und Missverstehen hängen also nur wenig von unserem guten
Willen ab, sondern vor allem davon, wie viel oder wie wenig wir an
gemeinsamem Vorwissen und gemeinsamer Vorerfahrung mitbringen.
Verstehen stellt besondere Anforderungen, Missverstehen nicht.
Missverstehen ist daher der Normalfall, Verstehen hingegen der Sonderfall.
Wir sind nicht einsam, sofern wir an konsensuellen Bereichen teilnehmen,
die uns das Gefühl vermitteln, hinreichend verstanden zu sein.“
„Ich (G. Roth) will mich dabei mit folgenden zweifellos klassischen
philosophischen Fragen beschäftigen:
1. Welchen Erkenntniswert haben unsere Wahrnehmungen? Liefern sie uns
Informationen über die Dinge der Aussenwelt oder sind sie reine
Konstrukte?
2. In welchem Masse ist objektive Erkenntnis, Wahrheit, möglich?
29
3. Welchen ontologischen (Ontologie=Lehre vom Sein) Status hat die
Realität? Existiert sie überhaupt. Wenn ja, kann man über sie etwas
Sinnvolles aussagen?
Ist objektive Erkenntnis möglich? Wie können wir bei unseren
Wahrnehmungserlebnissen verlässlich entscheiden, was von der Realität
stammt und was von uns bzw. unserem Erkenntnisapparat beigegeben
wurde?
Der sogenannte naive Realist (von dem immer behauptet wird, dass es ihn
eigentlich nicht gibt) glaubt, dass die Dinge so sind, wie wir sie
wahrnehmen; unser Wahrnehmungsapparat bildet einfach ab und tut nichts
hinzu. Hingegen stimmen alle kritische Realisten darin überein, dass einiges
in unserer Wahrnehmung objektiv gegeben ist, während anderes subjektive
Beigabe ist. Über das Mischungsverhältnis ist man aber sehr
unterschiedlicher Meinung. Der französische Philosoph Descartes glaubte
ebenso wie sein englischer Kollege Locke, man könne zwischen primären
und sekundären Qualitäten der wahrgenommenen Dinge unterscheiden;
erstere seien objektiv gegeben, letztere hingegen subjektives Beiwerk. Für
Descartes sind es zum Beispiel die geometrischen Eigenschaften der Dinge,
die objektiv gegeben sind, denn sie sind klar und deutlich erkennbar. Bei
Locke ist hingegen unklar, was er mit dieser Unterscheidung inhaltlich
meint.“
„Nach allem, was ich (G.Roth) in diesem Buch an sinnes- und
neurophysiologischen Daten vorgelegt habe, ist eine Unterscheidung in
primäre und sekundäre Qualitäten fragwürdig. Alles, was wir überhaupt
bewusst wahrnehmen können, ist ein Konstrukt unseres Gehirns und keine
unmittelbare Wiederspiegelung der Realität, und dies gilt auch für
scheinbar einfache Gegebenheiten wie den Ort, die Form, die Bewegung
und die Farbe eines visuellen Objekts.“
„Bestimmte Dinge oder Aspekte von Dingen erscheinen mir (G. Roth) und
allen anderen Menschen immer in einer bestimmten Weise, weil die
Mechanismen, die sie hervorbringen mehr oder weniger dieselben sind.
Aber dies ist überhaupt kein Hinweis darauf, dass diese Dinge bzw. Aspekte 30
objektiv (real) gegeben sind. … Ebenso können wir nicht aus der Tatsache,
dass alle Menschen und sogar viele Tiere offenbar Dinge in derselben Weise
sehen (zum Beispiel einige Dinge für grösser halten als andere oder
Dreiecke von Kreisen unterscheiden) eine Objektivität dieser Dinge
unterstellen, sondern wir können nur auf dieselbe oder eine ähnliche
Funktionsweise von kognitiven Systemen schliessen.“
Ich (der Schreibende) glaube dagegen eher doch an eine Annäherung an
die Realität durch unsere Wahrnehmungen und die von unserem Gehirn
daraus erdachte subjektive Wirklichkeit. Insbesondere geometrische,
mathematische und physikalische Abstraktionen dürften sich der Realität
am meisten annähernde subjektive Hirnkonstrukte sein. Weiterentwickelte
Wesen mit mehr Sinnen und einer dadurch besseren Wahrnehmung dürften
sich der Realität noch viel weiter annähern als wir begrenzte Menschen. Mit
unseren abstrakten mathematischen, geometrischen und physikalischen
Grundkenntnissen würden wir wahrscheinlich einen ersten gemeinsamen
Nenner des Verständnisses mit weiter entwickelten Wesen finden.
„Der Realismus der Evolutionären Erkenntnistheorie (abgekürzt EE): …
Denn nur das ist überlebensfördernd, was umweltangepasst ist. Wie - so
fragen Vollmer und die anderen Vertreter der EE (z. B. Riedl, 1979) – könnte
der Mensch überleben, wenn nicht unsere grundlegenden Denk- und
Anschauungsformen zumindest prinzipiell richtig sind, d. h. die objektive
Realität in ihren Grundzügen korrekt wiedergegeben? – Allerdings bezieht
sich die Anpassung unseres Erkenntnisapparats nur auf die Welt der
menschlichen Dimensionen, den Mesokosmos. Im Bereich des sehr Kleinen
und sehr Grossen versagt unsere Anschauung, wenn auch nicht unser
Denken. Hier hilft uns die Wissenschaft, unsere mesokosmischen
Anschauungen zu transzendieren. Sie ist mithilfe einer projektiven
Erkenntnistheorie in der Lage, die objektive Welt (der Realität) zu re-
konstruieren (Vollmer, 1975).“
„Die Prinzipien der Evolution weichen z. T. erheblich von denen ab, welche
die Evolutionäre Erkenntnistheorie in der Nachfolge des Neodarwinismus
31
annimmt. Der kritische Begriff dabei ist derjenige der (evolutionären)
Anpassung. …. Wichtig waren dabei die Entdeckungen,
(a) dass viele Organismen innerhalb vieler Millionen oder sogar Hunderten
von Millionen Jahren sich nicht wesentlich verändert haben, obwohl ihre
Umwelt sich änderte;
(b) dass umgekehrt Organismen sich zum Teil stark änderten, obwohl ihre
Umwelt sich nicht änderte;
(c) dass viele Organismen offenbar deshalb überlebten, weil sie sich nicht
eng an ihre Umwelt anpassten, weil sie nämlich (relativ) unspezialisiert
waren: und umgekehrt: dass viele Organismen deshalb ausstarben, weil sie
(retrospektiv) zu eng an ihre Umwelt angepasst waren;
(d) dass Organismen gleicher Herkunft in gleicher Umwelt sich verschieden
entwickeln können, und zwar aus Gründen, die in ihren strukturellen und
funktionalen Systemeigenschaften liegen.
Ganz offenbar übt die Umwelt auf die Evolution der Organismen nicht die
determinierende Kraft aus, die ihr der Neodarwinismus zuschreibt. Der bei
Weitem bedeutungsvollste Faktor für den Verlauf der Evolution des
Lebendigen sind die Grosskatastrophen, welche in den vergangenen 700
Millionen Jahren mehrmals zwischen 50 und 95 Prozent der jeweils
bestehenden Arten ausrotteten.“
„Wie sicher und fest Aussagen der Naturwissenschaft auch erscheinen
mögen; objektive Wahrheiten zu sein, können sie nicht beanspruchen, und
die meisten erkenntniskritisch geschulten Naturwissenschaftler vertreten
diese Meinung auch nicht. Was Naturwissenschaftler bestenfalls tun
können, ist ein Gebäude von Aussagen zu errichten, das hinsichtlich der
empirischen (subjektiven nicht realen) Daten und seiner logische Struktur
für eine bestimmte Zeitspanne ein Maximum an Konsistenz aufweist.“
„Die empirische Grundlage aller Naturwissenschaften besteht darin, dass
Beobachtungen durch andere Beobachtungen überprüft werden.
Messungen durch andere Messungen. Dadurch werden zufällige oder
32
systematische individuelle Fehlleistungen weitgehend vermieden, die
Beobachtungen werden konsistenter und glaubhafter (aber trotzdem nicht
realer, sondern subjektiv bleibend wegen unserer begrenzten Sinne, füge
ich hinzu).“
„Alles findet in meiner Wahrnehmungswelt statt. Die Umgebung meiner
Versuchsperson ist meine (subjektive) Wirklichkeit, nicht die Realität. Nun
kann die Versuchsperson dieselben Experimente bei mir machen, und wir
beide bei vielen anderen Personen. Wir kommen vielleicht zu
Erkenntnissen, die wir auf Teile der Menschheit oder gar auf alle Menschen
verallgemeinern können. Nichtsdestoweniger sagen sie nichts Objektives
(Reales) aus, sondern nur etwas, was innerhalb der (subjektiven)
Wirklichkeit der Menschen feststellbar ist.“
„Es gibt Dinge, die man unter den gegebenen Umständen nicht sinnvoll
bezweifeln kann. Diese gegebenen Umstände können sich jedoch historisch
wandeln. Was Menschen noch vor dreihundert Jahren für völlig
unbezweifelbar gehalten haben, darüber mögen wir heute lachen, genauso
wie Menschen in dreihundert Jahren vielleicht über unsere
unbezweifelbaren Wahrheiten lachen werden.“
„Macht es überhaupt einen Sinn, die Existenz einer
bewusstseinsunabhängigen Welt anzunehmen, wenn ich gleichzeitig über
sie nichts erfahren kann? Ein Grund wäre in der logischen Notwendigkeit
einer solchen Annahme zu suchen. Wenn ich, wie im vorigen Kapitel
geschehen, davon ausgehe, dass die (subjektive) Wirklichkeit durch das
reale Gehirn erzeugt wurde, so folgt daraus logisch, dass es eine Entität
geben muss, welche nicht selbst Teil der (subjektiven) Wirklichkeit ist. Die
gesamten Ausführungen darüber, welche Funktion Wahrnehmung hat,
wofür Sinnesorgane nötig sind, was sie tun, wie das Gehirn funktioniert, all
dies ist natürlich unsinnig, wenn ich nicht gleichzeitig annehme, dass es
eine Realität gibt, in denen ein (reales) Gehirn existiert, auf das ich diese
Aussagen beziehen kann.“
„Halt! Werden nun viele sagen. Es gibt sehr wohl Eigenschaften der
Realität, nämlich all diejenigen, welche die Physik als die grundlegendste 33
aller Naturwissenschaften festgestellt hat. Nicht umsonst nennen viele
erkenntniskritische Philosophen und Psychologen die Realität
<physikalische Welt>.“
„Diese Anschauung vom objektiven Charakter der Aussagen der Physik ist
zwar breit verbreitet, jedoch unzutreffend. Alle Begriffe der Physik sind
menschlichem Geist (besser aus dem Gehirn, meine ich) entsprungen und
beruhen auf menschliche Vorstellungen (und begrenzten Wahrnehmungen,
füge ich hinzu). … Die Physik bedient sich der Sprache der Mathematik, die
ebenfalls nicht voraussetzungslos ist, sondern auf (nicht ableitbaren)
Axiomen beruht. … Die Physik mag die beste, kritischste (und exaktere
Wissenschaft) oder allgemeinste Beschreibung der Phänomene der
(subjektiven) Wirklichkeit sein, aber sie übersteigt die (subjektive)
Wirklichkeit nicht. Ich füge hinzu: Die Physik mag sich aber der Realität am
weitesten annähern.“
„Letztlich ist jedes Nachdenken über die objektive Realität, sei es
wissenschaftlich oder nicht, an die Bedingungen menschlichen Denkens,
Sprechens und Handelns gebunden und muss sich darin bewähren. Deshalb
sind die (subjektiven) Konstrukte unseres Gehirns nicht willkürlich.“
Zur Paradoxie der realen Objektivierung des Gehirns als subjektive
Annahme des denkenden Gehirns schreibt Gerhard Roth am Ende seines
Buches: „Diese Paradoxie löst sich auf, wenn ich die Unterscheidung
zwischen <drinnen> und <draussen> als eine Unterscheidung in meiner
(vom realen Gehirn erzeugten), (subjektiven) Wirklichkeit erkenne. Die
Gegenstände meiner (begrenzten) Wahrnehmung werden durch das Gehirn
dem <draussen> zugeordnet.“
„Die Paradoxie, dass mein reales Gehirn ein Teil der Welt ist und sie
gleichzeitig hervorbringt, wird durch die Unterscheidung zwischen realem
und (subjektiv) wirklichem Gehirn gelöst. Vom realen Gehirn nehmen wir
an, dass es unsere (subjektive) Wirklichkeit eines subjektiv wirklichen
(virtuellen) Gehirns hervorbringt.“ Meine Präzisierung dazu: Weil die
Wahrnehmung der Realität durch unsere begrenzten Sinne das beschränkt
denkende, reale Gehirn unvollständig informiert, resultiert eine von 34
unserem realen Gehirn unvollständig gedachte Wirklichkeit eines
subjektiven Gehirns. Unser beschränkt denkendes, reales Gehirn erfasst die
Realität nur verzerrt und somit nur annähernd und produziert dabei unsere
subjektive Wirklichkeit, unter anderem unser subjektiv wirkliches Gehirn.
Ich gebe zu, eine schwer verständliche Erklärung. Ich hoffe, sie ist
einigermassen beim Leser angekommen. Wenn nicht, ist es zwar schade,
aber andererseits für unser praktisches Leben nur halb so schlimm.
Im Zusammenhang mit den obengenannten philosophischen Konsequenzen
der Neurobiologie und der Hirnforschung wiederhole ich folgenden
Abschnitt aus einem vorangegangenen Kapitel meiner „Reflexionen“, der
mir als kritische Ergänzung in diesem Kapitel als besonders wichtig
erscheint:
Um zu zeigen, dass man im Denken nicht allzu eingleisig fahren darf,
erwähne ich ein neueres Buch, das sich kritisch mit dem vielleicht allzu
selbstsicheren Denken von Hirnforscher und Neurologen befasst. Der Autor
ist der Neuropharmakologe Felix Hasler. Sein Buch „Neuromythologie – Eine
Streitschrift gegen die Deutungsmacht der Hirnforschung“ ist im Oktober
2012 im Transcript-Verlag Bielefeld erschienen. Es geht in seinem Buch um
Neuroskepsis statt übermässiger Neurospekulation. Es ist eine Streitschrift
gegen den grassierenden, biologischen Reduktionismus. Einige Zitate des
Autors aus seinem Gespräch mit Matthias Meili vom Tages-Anzeiger,
erschienen im Tages-Anzeiger vom 8.12.2012:
„Felix Hasler kritisiert die Neurowissenschaften: Spärliche
Forschungsergebnisse würden überverkauft. Von einer Revolution des
Menschenbildes könne keine Rede sein.“
„Einige Hirnforscher behaupten, dass einfach alles am Menschen, auch seine
gesamte Lebenswelt inklusive sämtlicher kultureller Phänomene, durch
Prozesse im Gehirn verursacht sei. Und dass nur der kompromisslos
naturwissenschaftliche Weg Antworten auf die Frage geben könne, was die
wahre Natur des Menschen ist. Das ist überheblich. Die Hirnforschung hat
35
sich so zur Leitwissenschaft unserer Zeit hochstilisiert. Allerdings unter
tatkräftiger Mithilfe der Geisteswissenschaften, die sich die philosophische
Deutungshoheit haben nehmen lassen – und häufig gleich selbst mit auf den
anrollenden Neurozug aufgesprungen sind.“
„B. Libet, so sagt Felix Hasler, hat mit Hirnstromleitungen nur Folgendes
beobachtet: Bestimmte Hirnprozesse, die für die Ausführung einer Bewegung
nötig sind, setzten ein, bevor sich der Proband bewusst entschied, einen
Finger zu bewegen. Das Experiment zeigt nur, dass eine banale motorische
Handlung unbewusst vorbereitet wird. Erst 20 Jahre später wurde aus den
Libet-Experimenten der Schluss gezogen, dass wir keinen freien Willen
hätten und das man das Strafrecht revidieren müsse, weil der Mensch doch
gar nicht schuldfähig sei. Ein solcher Schluss ist grandios überzogen.“ Meine
Entgegnung dazu ist, dass die Schuldfähigkeit kaum durch die Hirn-
Automatismen zulasten des freien Willens gemäss B. Libet infrage gestellt
wird. Sondern, wie schon am Anfang von Unterkapitel 9.4 beschrieben, durch
dir starke genetische Prädisposition von schwer Kriminellen, die kaum
dagegen ankämpfen können.
„Bei komplexen Vorgängen, weiter nach Felix Hasler, wie romantischer Liebe
oder einer moralischen Entscheidung bleibt am Ende kaum mehr als die
Aussage, dass man dazu mehr oder weniger das ganze Hirn benutzt. Das ist
aber eine ziemlich banale Aussage.“ Nicht ganz, meiner Meinung nach, wenn
man die Erkenntnisse der Hirnforschung mit den ergänzenden
archetypischen Erkenntnissen über die Liebe (im Kapitel 12 meiner
Reflexionen) von C.G.Jung ergänzt.
Zur Frage von Matthias Meili „Sind Sie ein Forscher, der an ein ganzheitliches
Bild der Natur glaubt?“ gibt F. Hasler folgende Antwort: „So würde ich das
nicht sagen, das ist mir zu esoterisch. Weil ich natürlich auch keine Ahnung
habe, wie die Dinge liegen, sehe ich mich als eine Art Wissenschafts-
Agnostiker. Das scheint mir in der aktuellen Lage das Vernünftigste zu sein.
Sollten die Neurowissenschaften wider Erwarten doch noch fundamentale
Erkenntnisse zum Verhältnis von Gehirn und Bewusstsein liefern, konvertiere
ich mich gerne wieder zurück zum Materialisten. Einstweilen kultiviere ich
36
mein Nichtwissen als philosophische Grundhaltung. Das schützt immerhin
davor, haltlose und überzogene Behauptungen über die vermeintlich wahre
Natur des Menschen in die Welt zu setzen.“
Beim Satz „Ich denke, also bin ich“ nach Descartes ist zu
beanstanden, dass nicht das Ich, sondern das Gehirn denkt: „Mein
Gehirn denkt, also bin ich“. Es ist das Denken des Gehirns, welches
das Ich kreiert und nicht das Denken des Ich. Es gibt kein Ich, das
denkt. Das Ich existiert nicht als Geist oder Seele unabhängig von
der Materie (Gehirn). – Unser Gehirn denkt, und deshalb entsteht
die virtuelle Vorstellung unseres Ich. Und wenn das Gehirn aufhört
zu denken, verschwindet das virtuelle Bild des Ich. Das Denken des
Gehirns gibt mir eine Vorstellung von meinem Sein und erzeugt ein
subjektives Bewusstsein.
Ein bekanntes oben beschriebenes Erkenntnisparadoxon liegt darin, dass
mein subjektiv denkendes Gehirn versucht, über das reale menschliche
Gehirn etwas herauszufinden, will heissen, sich selbst zu verstehen.
Unser Erkennen hängt zunächst einmal von der Wahrnehmung des
Gehirns durch die mit dem Gehirn verbundenen Sinnen ab. Für eine
völlig objektive Weltsicht bräuchte der Mensch einen wahrhaft
übermenschlichen Sinnesapparat, der das ganze Spektrum
möglicher Sinneswahrnehmungen ausschöpft. Doch den haben wir
Menschen nicht. Unser Sinnesapparat ist beschränkt bzw. begrenzt.
Eine umfassende objektive Sicht der Dinge kann es deshalb auch
nicht geben. Unsere subjektive Wirklichkeit entspricht nicht oder
nur annähernd der Welt, wie sie real “an sich“ ist, ebenso wenig wie
die subjektiv empfundenen Wirklichkeiten von Hund und Katze,
Vogel oder Käfer. “Die Welt, mein Sohn“, erklärt im Aquarium der
Vaterfisch seinem Filius, ist “ein grosser Kasten voller Wasser“!
Auch die Wissenschaftler sind nicht in der Lage, eine absolute
objektive Wirklichkeit oder Wahrheit zu vertreten. Was sie vor
37
hundert Jahren oder weniger noch für völlig unbezweifelbar
gehalten hatten, darüber schütteln wir heute teilweise den Kopf.
Die drei zuletzt erwähnten Absätze sind nicht wörtlich zitiert, sondern,
teilweise von mir ergänzt, aus dem Buch „WER BIN ICH und wenn ja, wie
viele?“ des Philosophen Richard David Precht, Goldmann Verlag, München,
2007.
Ein weiterer Versuch der Darstellung von Erkenntnis, Wahrheit,
Wirklichkeit und Realität:
Es war einmal ein König, der sammelte einige Blinde und einen Elefanten
und bat sie, ihm zu erzählen, wie ein Elefant aussähe. Der erste blinde Mann
berührte einen Stosszahn und sagte, ein Elefant sähe aus wie eine
Riesenkarotte. Ein andere berührte zufällig dessen Ohr und sagte, es sähe
aus wie ein grosser Fächer, ein anderer berührte dessen Rüssel und sagte,
es sähe aus wie eine Mörserkeule. Noch ein anderer, der zufällig dessen Bein
berührte, sagte, der Elefant sehe aus wie ein Mörser. Wieder ein anderer, der
nach dessen Schwanz griff, sagte, er sähe aus wie ein Seil. Nicht einer von
ihnen konnte dem König die richtige Gestalt des Elefanten beschreiben. In
gleicher Weise könnte man hundert Menschen bitten, das Wesen des
Menschen zu beschreiben, und nicht einer von ihnen wäre fähig, die wahre
Natur des menschlichen Wesens aufzuzeigen.
Offensichtlich ist die Realität eine Frage der individuellen subjektiven
Wahrnehmung. Demzufolge hätte ja jeder Mensch seine eigene subjektive
Wirklichkeitsempfindung. Im Leben haben wir keine vollständige, sondern
nur eine subjektive Erfahrung der Realität.
Die Elefanten-Geschichte widerspiegelt auch die Eigenart der Menschen, sich
bezüglich der eigenen Wahrnehmung sehr sicher zu fühlen. Achten Sie
bewusst, wie Meinungen und Wahrheiten entstehen. Sie werden staunen, mit
welch kleinen Ausschnitten der Realität subjektive Abbilder, Meinungen,
38
Wahrheiten und subjektive Wirklichkeiten konstruiert werden. Diesen
Vorgang nennt man Abstrahieren, Vereinfachen und Generalisieren. Wir bzw.
unser Gehirn versucht damit, die Komplexität der heutigen Welt zu ordnen,
um eine schnelle Übersicht zu bekommen. Dieser Prozess birgt aber die
grosse Gefahr, dass wir uns mit sehr wenig Information voreilig fragliche
Meinungen bilden, dadurch unsere Mitmenschen falsch einschätzen und
ihnen dadurch Unrecht tun und sie dadurch verletzen.
Ist die reale Welt wirklich so, wie wir sie subjektiv wahrnehmen? Wohl kaum.
Existiert die reale Welt an sich? Wir gehen axiomatisch davon aus. Aber
unser subjektives Abbild von der realen Welt ist von unserer limitierten
Wahrnehmung und unserem begrenzten Gehirn abhängig. Die Realität, die
wir wahrnehmen, ist die subjektive Wirklichkeitserfassung
(Realitätsinterpretation) unseres Gehirns und kann aber muss nicht mit der
subjektiven Wirklichkeitserfassung von anderen Menschen übereinstimmen.
Wichtig ist, dass man sich bei der Kommunikation mit anderen Menschen, in
die Wirklichkeit der anderen Person versetzt.
Neueste Forschungen haben gezeigt, dass die individuelle genetische
Prägung unseres Gehirns bereits im Mutterleib beginnt und dann während
der Kindheit weitere starke Prägungen durch die Aussenwelt erhält. Diese
Erkenntnisse der Gehirnforschung bestätigen die These, dass die
Interpretation der Realität ein individuelles, subjektives Konstrukt ist. Jeder
Mensch lebt in seiner eigenen subjektiven Wirklichkeit. Die reale Welt an sich
existiert nicht? Wohl doch! Wir Menschen haben aber zu begrenzte Sinne
und ein zu wenig entwickeltes Gehirn, um die Realität so erfassen zu können,
wie sie unabhängig von uns existiert. Wir Menschen bekommen nur ein
verzerrtes Abbild der Realität mit.
Weiteres zum Erkenntnisparadoxon des Gehirns:
Das Erkenntnisparadoxon kann vielleicht so vermieden werden, dass man
von der Rückkoppelung von Aussenwelt und Gehirn durch unsere Sinne
ausgeht. Die reale Umwelt und deren beschränkte Wahrnehmung durch
39
unsere aktivierten Sinnesreize initiieren das Denken im realen Gehirn. Es ist
eine begrenzte Erfassung der realen Aussenwelt durch unsere beschränkten
Sinne. Das denkende, jedoch von unseren begrenzten Sinnen getäuschte
reale Gehirn projiziert uns darauf eine ungenaue subjektive Vorstellung von
unserem Gehirn, von unserem virtuellen Sein (Ich) bzw. Bewusstsein und von
unserer sonstigen, subjektiv empfundenen Wirklichkeit. Diese Vorstellung
bleibt eine nur unvollkommene Annäherung an die Realität.
Oder Hirn bezogen formuliert: Unser subjektives Sein bzw. virtuelles Ich-
Bewusstsein und unsere subjektive Wirklichkeit erscheinen als physische und
psychische (geistige) Resultante aus
a) der sich im Moment unserer Beobachtung bzw. Wahrnehmung durch
unsere beschränkten Sinne ergebende Erfassung (“Dekohärenz“ gemäss der
Quantentheorie, die ich später noch erläutern werde) von Informationen und
Reizen der realen Aussenwelt (Raum, Zeit, Materie, Energie) und der in
unserem realen Gehirn energetisch codierten geistigen Informationen (Gene,
Meme nach Dawkins bzw. das kollektive Unbewusste nach C.G.Jung)
und aus
b) der begrenzten Interpretation aller dieser Reize und Informationen durch
unser reales Gehirn, das schliesslich unser subjektives Denken generiert.
Ist das alles zu kompliziert? Mag sein! Zum besseren Verständnis unserer
relativen Erkenntnisse dürften ebenfalls, so hoffe ich wenigstens, die in
diesem Kapitel nachfolgenden Erläuterungen über die Quantentheorie und
die Relativitätstheorie beitragen.
Ich versuche trotz allem, meine Gedanken pragmatisch, mit gesundem
Menschenverstand aufzubauen. Der gesunde Menschenverstand hinter
meinen pragmatischen Gedanken dürfte eventuell zu einer allzu starken
Vereinfachung komplexer Probleme führen, sodass ich zu falschen
Schlüssen kommen könnte. Ich gebe zu, dass dieses Risiko durchaus bei
40
meinen subjektiven Gedanken und Schlussfolgerungen besteht. Sie
stimmen dennoch teilweise mit den Gedanken anderer Denker überein.
Unsere subjektive Wirklichkeit kommt von unserem “Wirken“. Wer wirkt?
Die Wahrnehmung unserer Sinne und deren Interpretation durch unser
Gehirn. Die Interpretation ist subjektiv, gemäss dem, was wir wahrnehmen:
d. h. als verschwommenes bzw. verzerrtes, unvollständiges Abbild der
Realität. Letztere werden wir, wegen unserer limitierten Sinne, nie ganz
erfassen können. Unsere durch den Fortgang der Menschenevolution weiter
entwickelten Nachkommen dürften dank dem Ausbau ihrer Sinne und
Weiterentwicklung ihrer Gehirne in der Lage sein, sich der Realität noch
weiter anzunähern. So wie die subjektive Wirklichkeit, je nach Anzahl und
Ausstattung der Sinne von Vögeln, Fischen usw. wohl anders als von uns
Menschen erfasst wird.
Nochmals, weil eine Wiederholung dieser komplexen Erkenntnisse zum
besseren Verständnis beitragen soll:
Ein beträchtlicher Teil der objektiven Realität bleibt für unsere
Augen und unsere übrigen limitierten Sinne unsichtbar, nicht
erfassbar bzw. nicht wahrnehmbar. Die von uns nur teilweise bzw.
unvollständig erfasste Realität ist unsere subjektive Wirklichkeit.
Sie entspricht nur annähernd der Realität.
Je höher die Weiterentwicklung eines menschenähnlichen Wesens,
desto realitätsnaher bzw. realistischer wird es seine subjektive
Wirklichkeit darstellen können. Umso mehr, wenn ein höher
entwickeltes Wesen über mehr und weiterentwickelte Sinne, ein
weiter entwickeltes Gehirn und eventuell über eine
mehrdimensionale Raumvorstellung verfügte als wir Menschen.
Folgende Zitate aus dem Buch des Philosophen R. D. Precht
bestätigen und ergänzen meine Gedanken:
41
„ … es gibt keinen getrennten und unabhängigen Ort namens Geist im
Gehirn. Das wäre in etwa so unsinnig, als wenn wir glauben würden, es
gäbe ein Ort namens Universität getrennt und unabhängig von Gebäuden,
Strassen, Rasenflächen und Menschen. … Dagegen weiss die Hirnforschung
heute, dass sich weder die Gefühle noch die höchsten geistigen Tätigkeiten
vom Aufbau und der Arbeitsweise des biologischen Organismus
(insbesondere unseres Gehirns) trennen lassen.“
„So etwa können Hirnforscher genaue Angaben darüber machen, wie sich
eine Persönlichkeit – mithin also das Ich – ausbildet. Schon im frühen
Embryonalstadium entsteht das limbische System. Nach der Geburt tritt das
Gehirn mit der Aussenwelt in Kontakt und wird noch einmal völlig
revolutioniert. … Im Alter von 18 bis 24 Monaten bildet sich das Ich-Gefühl
aus. Es ist die Zeit, in der Kleinkinder sich das erste Mal auf Fotos erkennen
können. … Etwa die Hälfte (50 Prozent) der Persönlichkeitsentwicklung, so
wird mehrheitlich angenommen, hängt sehr eng mit angeborenen
Fähigkeiten zusammen. Etwa 30-40 Prozent ist abhängig von Prägungen
und Erlebnissen im Alter zwischen 0 und 5 Jahren. Und nur der Rest (also
nur 10 bis 20%?) wird offensichtlich massgeblich durch spätere Einflüsse im
Elternhaus, in der Schule usw. beeinflusst.“
„Schopenhauer erklärt, dass der Mensch gar nicht in der Lage ist, die Welt
objektiv zu erkennen. Was wir sehen und erkennen können, ist nur das, was
unser Säugetiergehirn uns zu sehen erlaubt. Er geht dabei weit über Kant
hinaus, der immerhin angenommen hatte, dass der menschliche
Erkenntnisapparat ein sehr feines und sehr brauchbares Instrument sei.“
Wer sich das Leben einfacher machen will und auf die
interessanten Erkenntnistheorien nicht allzu viel Wert legt, kann
sich ähnlich verhalten, wie im früheren Kapitel 9.4 erwähnt:
Betreffend den fraglichen freien Willen „verhalte ich mich einfach
wie wenn ich einen freien Willen hätte“; ähnlich betreffend die
42
Erkenntnis „verhalte ich mich wie wenn meine subjektive
Wirklichkeit der Realität entsprechen würde“, auch wenn Letzteres
nicht zutrifft.
Dennoch, von Illusionen kann man auch leben, obschon einem der
faszinierende Realitätssinn dabei entgeht. Illusionen und Glauben,
die uns glücklich machen sind zu befürworten. Gefährlich ist es,
wenn man sich falsche Illusionen macht und zwielichtigen,
irreführenden Glauben verfällt, über die man im Leben früher oder
später verhängnisvoll stolpert und eventuell andere dadurch
verletzt.
Eine weitere Gefahr ist, dass man rechthaberisch sein angebliches
Wissen vertritt, statt bescheiden zu bleiben, weil man
fälschlicherweise annimmt, dass man auf die Realität Zugriff hat
und deshalb alles über die Welt völlig sicher zu wissen meint.
Es gibt mathematisch Modelle über vieldimensionale Welten, die wir uns
nicht vorstellen können, da wir auf die Wahrnehmung einer drei- bzw., inkl.
die Zeit, vierdimensionale Raumvorstellung beschränkt sind. In der
mathematischen String- bzw. M (Membran)-Theorie werden rein
mathematisch zehn bis elf Dimensionen angenommen. Sie könnten als
Instrument dienen, um eventuell diverse Universen darzustellen. Ob die
Anwendbarkeit dieser mathematischen Theorien zur Darstellung des
Kosmos sinnvoll ist, wurde physikalisch nicht nachgewiesen.
Die String- bzw. Membrantheorie könnte die noch gesuchte physikalische
“Einheitstheorie von Allem“ mathematisch darstellen, welche die Newton-
Gravitation sowie die elektromagnetische Wechselwirkung der klassischen
Physik mit der Quantengravitation (starke und schwache Wechselwirkung
der Quantenfeldtheorie) und mit der Gravitation gemäss Relativitätstheorie
(Krümmung der Raumzeit, welche die Anziehungskraft und Bewegung von
Massen bestimmt) vereint. Es kann aber auch sein, dass sich diese
43
mathematischen Theorien für diesen Zweck als ungeeignet erweisen. Und,
dass eine andere mathematische Theorie sich dazu besser eignet.
Die obengenannten mathematischen Theorien scheinen nur momentan
verheissungsvolle Hilfsmittel zur Darstellung einer physikalischen
“Einheitstheorie von Allem“ zu sein: eine Weltformel, welche die klassische
und moderne Makro- und Mikrophysik uneingeschränkt und widerspruchlos
miteinander vereinen sollte. Gemeint ist die Formulierung einer einzigen
allumfassenden Theorie, mit der die Funktion und Wirkung aller vier
Naturkräfte mathematisch und physikalisch widerspruchslos dargelegt
würde.
Mathematisch ableitbare, mehrdimensionale Parallelräume sind soweit
physikalisch nicht nachgewiesen worden.
Die bereits von Einstein gesuchte einheitliche Feldtheorie und die heute
metaphysische Hypothese der “Morphischen Felder“ könnten vielleicht
durch eine solche Weltformel ebenfalls vereint “erklärt“ (auch wenn für uns
Menschen nicht konkret vorstellbar und nicht für jeden begreifbar) bzw.
mathematisch-physikalisch bewiesen werden. Auf die noch unbewiesene
und ziemlich spekulative Hypothese der “Morphischen Felder“ des
Biochemikers Rupert Sheldrake, mit der sich in ähnlicher aber etwas
anderer Form auch der Psychoanalytiker C.G.Jung befasste, werde ich
später in diesem Kapitel noch detaillierter eingehen.
Der Mathematiker Roger Penrose versucht in seinem Buch „The Road to
Reality“, 1136 Seiten!, Vintage-Verlag, neueste Auflage 2007, die
Wechselbeziehungen zwischen Mathematik, Physik und Realität zu
entwirren. Viele Menschen haben Schwierigkeiten zu glauben, dass
Mathematik eine reale Existenz hat. Wie aber ist es zu erklären, dass die
physikalische reale Welt mathematischen Gesetzen gehorchte, lange bevor
es menschliche Wesen oder irgendeine Art von Rationalität gab? Roger
Penrose arbeitet an seiner sog. Twistor-Theorie, die mehr als eine
mathematische Methode darstellt, um einzelne Probleme in der
Differenzialgeometrie zu lösen. Mit Twistors kann man die Struktur der
Raum-Zeit gemäss der allgemeinen Relativitätstheorie auf andere Art 44
verstehen. Dabei geht es darum, die Quantenmechanik mit der Raumzeit-
Struktur zu kombinieren. Die Twistor-Theorie ist ein weiterer Versuch, eine
einheitliche Theorie für die Newtonsche Gravitation, die Relativitätstheorie
und die Quantenfeldtheorie zu finden.
Wenn man diese Weltformel findet, wird die Physik zwar einen gewaltigen
Erkenntnis-Sprung machen und sich der Erfassung der Realität weiter
annähern. Aber auch dann wird die Physik die Realität noch nicht gänzlich
erfasst haben. Sie wird weiterhin mit neuen, auch durch die sog. Weltformel
nicht zu erklärende Erscheinungen konfrontiert werden. Im Sinne einer
“never ending story“ als Anreiz zur Weiterentwicklung unserer
Erkenntnisse.
Die allgemeine und spezielle Relativitätstheorie und die Quantentheorie
sind nur mathematisch ableitbar, physikalisch nachweisbar, aber teilweise
nur schwer oder kaum verständlich darstellbar.
Weitere Beispiele sind:
Schwarze Löcher wurden zwar von uns gemessen, ohne dass wir sie
erklären könnten. Wurmlöcher, Antimaterie, Antigravitation, Dunkle
Materie, Dunkle Energie und Parallelwelten sind weitere vorerst nur
spekulative Hypothesen.
Gibt es Dunkle Materie bzw. dunkle Energie und wie detektiert man sie?
Beschleunigt dunkle Energie, wie Hefe in einem Teig, die Expansion des
Universums, sofern sie überhaupt existiert? Wir kennen schätzungsweise
nur 4% der für uns sichtbaren Materie des Universums. Die von uns
angenommene dunkle Materie stellt etwa 23% des Universums dar und ca.
73% des Universums soll mit dunkler Energie ausgefüllt sein. - Nur
nebenbei erwähne ich als proportionaler, nicht zusammenhängender
Vergleich aber interessante Kuriosität: Der Meeresanteil beträgt 71 % der
Erdoberfläche. Der menschliche Körper besteht zu 70% aus Wasser (Blut,
lymphatisches System, Augen und Gehirn). Je jünger desto fluider und
45
flexibler sind wir. Mit dem Alter trocknen wir aus und werden weniger
flexibel, nicht nur physiologisch, sondern auch psychisch.
Schon bei den klassischen Physiktheorien (insbesondere Elektrodynamik,
Magnetismus, Gravitation, Thermodynamik sowie die Dualität der
Wellenlehre) können wir uns deren physikalischen Funktionsweisen
teilweise nicht bildlich konkret vorstellen, obwohl sie abstrakt, d. h.
mathematisch und physikalisch nachgewiesen sind.
Auch der Mikrokosmos der Quantentheorie ist für uns Menschen nur schwer
messbar und kaum vorstellbar: Gemeint ist der Aufbau der Materie aus
Neutronen, Protonen, Elektronen und aus den noch winzigeren
Bestandteilen der Materie wie Quarks, Gluonen, Leptonen, Myonen usw.
Nicht vorstellbar sind auch die Lichtteilchen (Photonen) oder Lichtquanten
und deren elektromagnetische Wechselwirkung. Des Weiteren die in der
Quantengravitation schwache magnetische Wechselwirkung der Bosonen,
die starke Wechselwirkung der Gluonen sowie das experimentell indirekt
gesuchte Higgs-Boson. Das Higgs-Boson wäre die fehlende Kraftpartikel,
welche andere atomare Teilchen abbremsen und dadurch Masse und Form
der Materie bewirken sollte. Es würde die Formgebung der Materie erklären.
Die Existenz des Higgs-Bosons sei bereits experimentell im
Teilchenbeschleuniger des CERN in Genf kürzlich nachgewiesen worden.
Die vier Naturkräfte sind für uns kaum fassbar. Am vertrautesten ist uns die
Schwerkraft bzw. Gravitation. Sie hält uns auf den Boden und bestimmt die
Bewegung der Planeten, Sterne und Galaxien. Die elektromagnetische Kraft
sorgt dafür, dass sie die negativ geladenen Elektronen in der Atomhülle an
die positiv geladenen Atomkerne bindet. Sie ist für die verschiedenen
Phänomene in unserer Umgebung verantwortlich, beispielsweise für Licht,
Elektrizität und Magnetismus. Die schwache Kraft macht sich beim
radioaktiven Zerfall von Materie bemerkbar und tritt beispielsweise bei der
Energieproduktion der Sonne durch Atomfusion in Erscheinung. Die starke
Kraft schliesslich wirkt zwischen den Quarks (jeweils drei Quarks bilden ein
Proton oder Neutron), die mit der Gluonenkraft die Bausteine von Protonen
und Neutronen sind.
46
Einstein bewies in seiner Speziellen Relativitätstheorie, dass die gemessene
Zeit im Raumzeit-Kontinuum je nach Bewegungsgeschwindigkeit der
Beobachter sowie je nach der Stärke der Schwerkraft relativ zueinander
abweicht. Über diese seltsamen Vorgänge weiter vorne noch mehr. Seine
Allgemeine Relativitätstheorie bewies, dass die Gravitation und die
Bewegung von Planeten oder anderen Himmelskörpern nicht durch
Massenanziehung, sondern durch die Raumkrümmung erfolgt. Die Massen
krümmen sowohl Raum als auch Lichtstrahlen und verlangsamen die Zeit
im Raumzeitkontinuum.
Die bewiesene Wechselwirkung von Materie und Energie nach Einsteins
Formel (E=Masse mal Lichtgeschwindigkeit hoch 2) ist ebenfalls von
besonderer Bedeutung. Mehr darüber später in diesem Kapitel und im
nächsten Kapitel 14 (über die Transformation von Materie in Energie nach
dem Tod aller Lebewesen …).
Weitere seltsame, offene Fragen unter vielen anderen sind: Wieso leiten
Supraleiter elektrischen Strom ohne jegliche Verluste? Werden die
Geheimnisse der Entropie (Unordnung), Thermodynamik und der
turbulenten Strömungen von der Chaostheorie erklärt? Was für eine Rolle
spielen Neutronensterne, Quasare, Hypernovae, Schwarze Löcher und
spekulative Wurmlöcher im Ursprung und in der Entwicklung des
Universums? Dazu am Schluss dieses Kapitels mehr.
Die Mathematik und die Physik sind die Wissenschaften, die sich
der von uns unabhängig existierenden Realität wohl am meisten
annähern, gerade wegen ihrer objektiven und abstrakten
wissenschaftlichen Vorgehensweise, die auf konkrete,
wiederholende Beweisbarkeit beruht. Ihre Ergebnisse entziehen
sich teilweise oder sogar ganz der gegenständlichen
Vorstellbarkeit unserer limitierten Sinne. Die Limitierung unserer
47
beschränkten Sinne wird also gerade durch die Mathematik und
Physik bestätigt.
Bei der Klärung des Mikro- und Makrokosmos versagen ab und zu unsere
Alltagsbegriffe. An ihrer Stelle tritt die Realitätsannäherung durch abstrakte
mathematische streng definierbare Begriffe. Das geht zwangläufig auf
Kosten unserer gegenständlichen Anschauung, die auf die begrenzte
Wahrnehmung unserer limitierten Sinne und deren subjektive Deutung
unseres Gehirns zugeschnitten ist. Die Realität des Mikro- und
Makrokosmos lässt sich durch die Physik und Mathematik am besten
erfassen. Diese erlauben uns nicht nur abstrakte, sondern auch
gegenständliche, praktische, nützliche Anwendungen in vielen
Lebensbereichen wie in den Ingenieurwissenschaften, Medizin, Biologie,
Architektur, Statistik, Finanzen, angewandte Mathematik usw.
Weiter entwickelte Wesen würden uns wegen unseres verzerrten
Weltbildes und unserer begrenzten, für sie sogar primitiven
wissenschaftlichen Erkenntnissen bemitleiden oder auslachen.
Ähnlich wie wir das Verhalten eines niederen Tierwesens im
Vergleich zu uns Menschen abschätzig als unterentwickelt oder
primitiv bezeichnen mögen. Bleiben wir deshalb immer bescheiden
mit unseren limitierten Erkenntnissen und offen für die
Erforschung und Klärung von so viel noch Unerklärtem.
Der gemeinsame Nenner bzw. die verständliche gemeinsame
Sprache zur Verständigung mit höher entwickelten Wesen wären
schlussendlich, trotz unseres begrenzten Wissens, die
Erkenntnisse der Mathematik und Physik. Mit ihrer Hilfe können
wir uns der absoluten von uns unabhängig existierenden Realität
am meisten annähern. Durch Physik und Mathematik dürften wir
uns der realistischeren und trotzdem noch subjektiven Wirklichkeit
höher entwickelter Ausserirdischer etwas approximieren. Die Frage
ist, ob und wann es jemals zu einem Kontakt mit Ausserirdischen
kommen wird.
48
Die um 1900 in Cambridge wirkenden Philosophen Bertrand
Russell, Mathematiker und Philosoph, Vater der analytischen
Philosophie und (nach Kant und Descartes) der neueren
Erkenntnistheorie („Principia Mathematica“, über mathematische
Axiome) sowie sein Kollege, Ludwig Wittgenstein („Tractatus
Logico-Philosophicus"), stellten ebenfalls die Bedeutung der
Mathematik, Logik und Sprache als Grundlage unserer objektiven
Erkenntnisse im Vordergrund.
Einige Zitate von L. Wittgenstein: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten
die Grenzen meiner Welt“. „Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar
sagen; und wovon man nicht reden kann, darüber muss man schweigen.“;
es sei denn, man kann die Erkenntnisse, wenn schon nicht durch die
Sprache, mathematisch-physikalisch darstellen, würde ich hinzufügen. Und
weiter: „Die Kenntnis der Bedeutung von Sätzen geht einher mit der
Kenntnis der einschlägigen Verifikations- oder Beweisverfahren.“ und
Falsifizierungsverfahren, nicht nur der sprachlichen Logik von Sätzen,
sondern insbesondere der Mathematik und der anderen Wissenschaften,
würde ich präzisieren.
Die aktuellste Erkenntnistheorie, insbesondere die der Falsifizierbarkeit, mit
der ich völlig übereinstimme, ist die eingangs bereits beschriebene des
Philosophen Karl R. Popper.
In diesem Kontext komme ich auf das Buch von Steven Pinker, „Der
Sprachinstinkt“, Taschenbuch Verlag, 1998, zu sprechen. Gemäss seinem
Buch ist es die Sprache, die unser Denken und unser
Wirklichkeitsverständnis determiniert. Die Sprache ist ein vererbbarer
Instinkt. Es gibt im kollektiven Unbewusstem eine genetisch angeborene
kulturelle und vererbbare sprachunabhängige, d. h. übergeordnete
Universalgrammatik, die Kindern zeigt, wie aus der gesprochenen Sprache
ihrer Eltern bzw. Erzieher die syntaktischen Muster herauszufiltern sind.
49
Und dies, unabhängig davon, welche Sprachen die Eltern oder Erzieher
täglich anwenden, also auch bei gleichzeitiger Anwendung mehrerer
Sprachen. Die geschieht im Kindesalter unbewusst gesteuert, wie
automatisch, ohne bewusstes grammatikalisches Anlernen der Kinder durch
ihre Erzieher. Das weitere Anlernen der je nach Sprache spezifischeren
Grammatik erfolgt im späteren Kindesalter. - Pinker differiert von seinem
Kollegen Noam Chomsky, Sprachwissenschaftler (Linguistik) und Philosoph
am MIT in Cambridge (Boston) insofern, dass Chomsky neben der
sprachlichen Erbveranlagung vermehrt auch auf den sprachlichen
Erfahrungsaustausch mit der Aussenwelt als Input für die
Sprachentwicklung setzt. Pinker gibt dem vererbten Instinkt der Sprache
sowie dem sprachlichen Zentrum des Gehirns mehr Gewicht als dem Input
der Aussenwelt.
Die Realität und die Wirklichkeit seien informationsgesteuert, im Sinne von
„Am Anfang war die Information“ ist ein weiterer Ansatz von
Erkenntnistheorien. Ob die Information die Ursache des Ursprungs
der objektiven Wirklichkeit (Realität) ist, bleibt eine zu beweisende
Hypothese. Die Information scheint sowohl die realen Naturgesetze als
auch die Evolution der Menschen und deren Lebensabläufe genetisch zu
steuern, sowohl physisch als auch psychisch-“geistig“.
Ob und wie weit sich unser freier Wille gegen die vererbten genetischen
Informationen und deren Steuerung und unabhängig vom vererbten
kollektiven Unbewussten (Archetypen bzw. “Meme“) sowie gegen die
Konditionierung und gegen epigenetische und andere externe Einflüsse
behaupten kann, ist weiterhin eine umstrittene Frage. Wird die
Information durch Chaos, „Zufall (Mutationen) und Notwendigkeit
(der Evolutionstheorie)“ gemäss dem Biologen Jacques Monod oder
durch eine gezielte Ordnung bzw. durch eine höhere Instanz
“generiert“? Man kann nur spekulieren bzw. glauben oder nicht.
Die Evolutions- bzw. Genetiklehre, Neurologie und Hirnlehre
konnten bis jetzt, wie im Kapitel 9 aufgeführt, nur teilweise 50
wissenschaftlich nachweisbare Antworten auf einige der
obengenannten Fragen geben. Die genetische Information scheint
aber für die Evolution massgebend zu sein. Die Information steht in
ständiger Wechselwirkung zwischen Materie (inkl. Gehirn) und Energie (inkl.
Geist). Sie verbindet die reale Aussenwelt mit dem Gehirn durch die von
diesem verarbeiteten Sinneseindrücken. Die vom Gehirn verarbeiteten
Informationen generieren zusammen mit den genetischen und geistigen
Informationen des vom Gehirn angesammelten kollektiven Unbewussten
(Archetypen bzw. “Meme“) unser subjektives Bewusstsein.
Unsere subjektive Wirklichkeit erscheint uns als eine Art subjektives
Hologramm (Abbild) von der realen Welt aus Energie, Materie und codierter
Information. Sie nimmt für uns erst Gestalt an, wenn unser Gehirn die
Information durch unsere begrenzten Sinne erfasst, individuell subjektiv
interpretiert und unser Bewusstsein mit Sinn und Bedeutung aus dem
Erbgut des Unterbewusstseins (Archetypen) füllt. In diesem Sinne
gestaltet das vom Gehirn generierte Bewusstsein des Menschen
seine eigene subjektive Wirklichkeit, als Annäherung an die
objektive Wirklichkeit (Realität).
Das Buch „Am Anfang war die Information“ von Prof. Dr.-Ing. Werner
Gitt ist interessant. Jedoch teile ich seine Schlussfolgerungen nicht. Der
Titel seines Buches weist auf den Anfang des Johannesevangeliums hin: „Im
Anfang war das Wort… Und weiter: „In Johannes 1,1 ist mit “Wort“ die
Person des Urhebers (Gott) gemeint…“, gemäss Hinweis des Autors im
Vorwort zur 2. Auflage des Buches. Dieses Buch ist von Anfang an durch
den religiösen Glauben des Autors zu einseitig beeinflusst. Er selber
schreibt (hier zusammengefasst wiedergegeben): Mein Buch ist eine
Absage an die rein materialistische Denkweise in den Naturwissenschaften,
an alle gängigen Evolutionsvorstellungen (inkl. die gemäss Darwin) sowie
an die genetischen und neurologischen Erkenntnisse der Hirnlehre, an das
materialistische Menschenbild, an die Urknallhypothese, und schliesslich an
den Atheismus. Sein weiteres Buch mit dem Titel „Das biblische Zeugnis
der Schöpfung“ spricht für sich selber, was seine Stellung von Religion vor
Wissenschaft anbetrifft. Wie gesagt, ich und insbesondere die Hirnforscher 51
teilen seine obengenannten Absagen keineswegs. Ich stimme nur mit der
Bedeutung der Information überein. Die Information ist meiner Ansicht
nach zentral in der realen Welt und für die Evolution der Menschen
und Grundbestandteil unserer Erkenntnisse.
Neben Sprache, Logik, Mathematik und Physik ist die Information
(vor allem die genetische, gemäß der Evolutionslehre nach Darwin
und Richard Dawkins) von grundlegender Bedeutung für unsere
annähernde Erfassung und Interpretation der Realität. Die in den
Genen (in unserem individuellen Erbgut) enthaltene Information ist für die
Steuerung der menschlichen Evolution und damit des Gehirns
entscheidend.
Materie, Energie und Information sind fundamentale Bausteine des
Universums.
Information, Sprache, Logik, Mathematik und Physik bilden die
Basis unserer Erkenntnisse. Die Information verhilft uns durch das
Denken des von ihr beeinflussten Gehirns, wissenschaftlich
fundierte Erkenntnisse zu erlangen. Die Anwendung unserer
Erkenntnisse verhindert wiederum, dass wir uns in unwissenschaftliche
Irrlehren und Glauben verlieren, die uns von der Realität entfernen. Es sei
denn, man bevorzugt, sich in teilweise gefährlichen Welten von irrealen
Fantasien auszutoben und verwirren zu lassen.
Die Formulierung der modernen Quantentheorie in den 1920er
Jahren zwang die Menschheit zur radikalsten Revision ihres
physikalischen Weltbildes seit Sir Isaac Newtons (1643-1727)
berühmten Theorien zur Gravitation. Der subatomare Bereich lässt
uns unsere damals gewohnte Welt völlig anders erscheinen.
Seltsame, schwer verständliche Erscheinungen und nicht
Hokuspokus gibt es in der dualen Wellen-Quanten-Struktur bzw. in
52
der ständigen Wechselwirkung von Materie und Energie im
Quanten-Mikrokosmos:
Atomare Teilchen befinden sich durch ihren Überlagerungszustand
(Superposition bzw. Kohärenz) vor unserer Messung gleichzeitig in
verschiedenen Zuständen und gleichzeitig an verschiedenen Orten. Sie sind
gleichzeitig mit anderen gleichen subatomaren Teilchen verbunden
(Verschränkung). Erst durch die Messung ergibt sich ein eindeutiger
Zustand und eine eindeutige Ortung (Dekohärenz) des Teilchens unter
Beibehaltung der obengenannten Verbundenheit (Verschränkung). Oder
anders gesagt: Erst durch Resonanz mit unserer Messung kollabieren die
Wellen/Korpuskel Erscheinungen eines Elektrons in einen eindeutigen
Quantenzustand (beispielsweise Photon= Lichtquant); und nur im Moment
der Messung kann die eindeutige Ortung des Teilchens erfolgen. Diese
Information kann als Qubit-Einheit in einem Computer gespeichert und
verarbeitet werden. Die Ergebnisse weiterer Messungen können aber je
nach Zeit, Aktivierungsform und Beeinflussung der Messung voneinander
differieren.
Diese Erscheinung nennt man Unschärferelation oder Messung von
Wahrscheinlichkeiten. Die Postulate der Quantentheorie, insbesondere die
der Unschärfe und der Wahrscheinlichkeiten stehen im Gegensatz zu den
Postulaten der Relativitätstheorie und der klassischen Physik, die
deterministisch sind. In anderen Worten, die Quantentheorie entspricht
nicht dem physikalischen Prinzip von Ursache und Wirkung. In der
Quantenphysik ist die Welt holistisch (ganzheitlich) aufgebaut, wie die Welt
von C.G.Jung. Isolierte Teile gibt es nicht; alles ist mit allem untrennbar
verbunden (siehe nachfolgender Abschnitt über Morphogenese nach R.
Sheldrake). Die Zeit mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft scheint
ihre Bedeutung zu verlieren. Quantenphysik ist die Physik der Möglichkeiten
und der Wahrscheinlichkeiten. Ein wesentlicher Grundsatz der
Quantenphysik geht davon aus, dass nichts mehr mit vollkommener
Sicherheit vorausgesagt werden kann. In der Quantenwelt herrschen zig
Tausende von Varianten und Möglichkeiten.
53
Eines der Konzepte der Quantenphysik anerkennt, dass es nicht nur die
Wirklichkeit der Teilchenebene gibt, sondern auch die der Wellenebene.
Sämtliche Körper bestehen folglich nicht nur aus fester Materie, sondern
auch aus Wellen, Schwingungsmustern oder Frequenzen. Willkommen in
der Welt der Frequenzen; man könnte auch sagen, willkommen in der Welt
der Energie. Somit sind eigentlich alle Dinge im Leben ganz einfach Muster
aus Materie, Energie (z. B. Licht) und Informationen. Der menschliche
Körper besteht aus Gewebe und Organen, und diese wiederum aus Zellen,
doch schlussendlich ist alles Energie. Das mag man buchstäblich nehmen,
denn die Menschen sprechen ja auch im Alltag davon, dass jemand nicht
auf derselben Wellenlänge ist. Der andere Mensch schwingt in einer
anderen Frequenz – oder auf einer anderen Welle – und diese Energie
bekommt einem nicht. Diese Zusammenhänge wurden mittlerweile von der
analytischen Psychologie wissenschaftlich nachgewiesen.
Viele Quantenphysiker erkennen zunehmend, dass Information, Energie und
das Psychische (Geistige) kein Gegensatz zum Materiellen bilden. Keines ist
besser als das andere. Sie sind wandelbar bzw. austauschbar, interagieren
untereinander und sind nicht voneinander zu trennen. Es sind einfach nur
verschiedene Zustände, aus die sich der Mensch, je nachdem wie er die
Realität misst, seine eigene subjektive Wirklichkeit zusammenreimt.
Richard Conn Henry, Physiker an der John Hopkins Universität, meinte dazu:
„Das Universum ist nicht (nur) materiell – es ist (zugleich) mental und
spirituell (bzw. psychologisch geistig würde ich eher sagen). Geniessen wir
es.“
Wie nur wenige spirituelle Menschen zugeben, und Physiker mittlerweile
bestätigt haben, müssen die Menschen vieles, was sie Wahrheit oder
Wirklichkeit nennen, heute eher als Produkt der Einbildung anerkennen.
Viele Menschen sind der Meinung, dass die physische Welt, so wie sie sie
sehen, real ist. Doch die Quantenphysiker haben festgestellt, dass die von
einem Menschen beobachtete reale Welt nur subjektiv erfasst und
interpretiert wird. Unsere subjektive Wirklichkeit ist ein verzerrtes, nur
annäherndes Abbild der Realität. Warum? Weil unsere Gehirneigenschaften,
wie z. B. das Denken beschränkt sind. Und, weil unsere 54
Wahrnehmungssinne anzahlmässig ziemlich limitiert und in ihrer
Erfassungs- bzw. Aufnahmekapazität ebenfalls sehr begrenzt sind. Eine
Person ko-kreiert seine subjektive Wirklichkeit und ergänzt sie mit seinen
eigenen Überzeugungen, Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühlen.
Anscheinend können zwei durch eine grosse Entfernung getrennte
subatomare Teilchen, z. B. Elektronen, Ionen oder Photonen von uns
gleichzeitig beeinflusst werden, beispielsweise die gleichzeitige
Beeinflussung der Drehung ihrer Spinrichtungen. Diese Erscheinung wird
durch die quantenmechanische Verschränkung erklärt. Sie bedeutet, dass
zwei getrennte subatomare Partikel, z. B. Photonen, unabhängig von ihrer
Entfernung miteinander verbunden sind und sich gegenseitig bedingen.
Wenn ein subatomarer Teil verändert wird, betrifft diese Änderung auch das
andere (EPR Paradoxon nach den Anfangsbuchstaben von Einstein,
Podolsky und Rosen). Die Entfernung der subatomaren Teilchen spielt dabei
keine Rolle und die Veränderung geschieht “instantan“, ohne zeitlichen
Unterschied und ohne physische Deplacierung der Teilchen. Voraussetzung
ist, dass die Messung, auch bei grösster Entfernung, an beiden Orten
gleichzeitig im Moment der subatomaren Veränderung erfolgt.
Diese spukhafte Fernwirkung von subatomaren Teilchen auf Distanz führte
zur Hypothese der Teleportation: Man kann durch Aktivierung von
subatomaren Teilchen, diese spiegelbildlich von einem Ort zum anderen
über grosse Distanzen teleportieren, ohne dass sich das teleportierte Objekt
bewegt und umgekehrt. Die Objekte können eine Information in der Form
von Quanten (Qubits) sein oder sonstige aktivierte Atomteilchen. Diese
“spukhafte“ Erscheinung wurde für die nicht physische (auch nicht
wellenartige) Übertragung von Informationen experimentell schon
mehrmals erprobt. Ein bloss hypothetisches Gedankenspiel wäre: einen
Menschen durch Beeinflussung seiner einzelnen verschränkten
Elementarteilchen von einem zu einem anderen Ort (ohne irgendwelche
physische Bewegung) zu teleportieren und umgekehrt, was beim
55
komplexen Aufbau eines Menschen völlig unmöglich erscheint bzw. zu
seinem Tod führen würde.
Beim Schrödinger Paradoxon der sogenannten Schrödinger-Katze geht es
um eine Katze in einem geschlossenen Kasten, die gleichzeitig tot oder
lebendig (Superposition bzw. Kohärenz) ist, je nachdem, ob wir im Moment
unserer Beobachtung eine sofort wirkende tödliche Giftentfaltung im Kasten
auslösen oder nicht. Erst dann tritt der Tod ein oder nicht. Diese Auslösung
nennt man Dekohärenz.
Die nächsten von mir frei wiedergegebenen Gedanken stammen aus dem
Tages-Anzeiger vom 30.11.2005, der dem Wiener Quantenphysiker Anton
Zeilinger einen (von Barbara Vonarburg, Wien geschriebenen) Artikel
widmete:
Dem Einstein Spuk, der dem gesunden Menschenverstand entgegenläuft,
obwohl von der Quantentheorie bewiesen, ähnlich ist das mysteriöse, zum
besseren Verständnis modellhaft dargestellte Quanten-Würfelpaar: Man
erklärt das Phänomen anhand einer angenommenen Sciencefiction-
Würfelmaschine. Drückt man auf einen Kopf, fallen zwei Würfel heraus.
Jeder der beiden Würfel ist unverfälscht; rein zufällig kann also eine der
Zahlen von 1 bis 6 oben liegen. Das Besondere: Die beiden Würfel zeigen
immer die gleiche Augenzahl. In der Wirklichkeit gibt es dieses Phänomen
bei Würfelpaaren natürlich nicht. Erstaunlicherweise hat man es aber in
Experimenten bei Paaren von Teilchen wie Photonen, Elektronen oder gar
Atomen beobachtet. Die Physiker sprechen von Verschränkung der
Teilchen. – Besonders irritierend: Verschränkte Teilchen besitzen mehrere
Eigenschaften gleichzeitig (Superposition bzw. Köhärenz). Erst wenn man
die Teilchen bzw. die Würfel beobachtet, wird die Eigenschaft bzw.
Augenzahl definiert (Dekohärenz) und zwar für alle gleich, d. h. verschränkt.
Hat man also eine Zahl an einem Würfel respektive eine Eigenschaft an
einem Teilchen beobachtet, kann man sicher sein, dass der andere Würfel
bzw. das andere Teilchen die gleiche Eigenschaft aufweist. Und dies egal,
wie gross die Distanz zwischen den beiden auch sein mag. Das ist eine
56
nützliche, völlig neue Übertragungsform von Informationen, die bereits
experimentell nachgewiesen wurde.
Albert Einstein mochte dies nicht und bezeichnete es als “spukhafte
Fernwirkung“. Die Quantenphysik war für ihn „nicht der wahre Jakob“; „Gott
würfelt nicht“, wie er sagte. Das Rechnen mit Zufällen und
Wahrscheinlichkeiten brächte uns dem „Geheimnis des Alten“, wie er Gott
zuweilen nannte, nicht näher. Aber Niels Bohr behielt recht: Gott würfelt
manchmal doch, und wir dürfen ihm nicht vorschreiben, wie er Natur und
Welt regiert. Der Spuk existiert:
Als experimenteller Beweis “beförderten“ Zeilinger und sein
Forschungsteam 1997 erstmals ein Lichtteilchen, also ein Photon,
blitzschnell von einem Ort zu einem anderen, ohne dass es die Strecke
dazwischen wirklich zurücklegte, d. h. durch Verschränkung (entaglement
auf Englisch), wie auch immer eine solche von uns Menschen zu erklären
sei. Es war eindeutig kein Beamen von Licht; die Physiker nennen es
Teleportation ohne irgendwelche physikalische Bewegung (siehe oben).
Dieses Experiment machte Zeilinger weltberühmt. Bei einer beispielsweise
Spinänderung des Photons eines Atoms erfolgt augenblicklich dasselbe mit
dem Photon eines beliebig entfernten verschränkten Atoms.
Zum Satz von Zeilinger, dass nicht die Materie, sondern die Information der
fundamentale Baustein des Universums sei, schreibt er: „Die Information
habe eine Art von Zwitterstellung zwischen dem Beobachter und der Welt.
Und damit könnte sie der Schlüssel sein zur Lösung eines fundamentalen
Problems (das der Erkenntnis). Denn die Quantenphysik hat gezeigt, dass
die Idee des losgelösten Beobachters falsch ist. Man erinnere sich an die
verschränkten Teilchen, die ihr Merkmal erst bekommen, wenn man sie
beobachtet, zuvor jedoch ohne eigene Eigenschaften sind. Doch wie sind
wir und die Welt da draussen miteinander verbunden? Mein Hinweis: siehe
nachfolgender Abschnitt über Morphogenese gemäss R. Sheldrake. Weiter
schreibt Zeilinger: „Und welche Rolle spielt die Information genau? Ich
würde mir wünschen, dass mehr Philosophen sich mit diesen Fragen
auseinandersetzen.“ Zitiert aus dem Buch von Anton Zeilinger: „Einsteins
57
Spuk. Teleportation und andere Mysterien der Quantenphysik.“, C.-
Bertelsmann-Verlag, 2005.
Neueste Nachrichten zu diesem Thema aus dem Tages-Anzeiger vom
15.8.2013, Seite 30: „ETH-Forscher haben Informationen mithilfe von
Teleportation übermittelt. Über eine Distanz von sechs Millimetern – von
einer Ecke eines Chips in die gegenüberliegende Ecke – schickten die ETH-
Physiker Information, ohne dass dabei physikalische Teilchen den Weg
zurückgelegt hätten. Die Information reist nicht von Punkt A zu Punkt B.
Vielmehr erscheint sie an Punkt B und verschwindet an Punkt A, wenn man
sie an Punkt B abliest. In der Telekommunikation wird die Information über
elektromagnetische Impulse übertragen. Beim Mobilfunk bewegen sich
beispielsweise Radiowellen, in Glasfaserverbindungen sind es Lichtimpulse.
Bei der Quantenteleportation hingegen “transportiere“ (wie dies erfolgt
kann man sich bis heute nicht erklären) man ausschliesslich die Information
selbst. Zwei verschränkte Teilchen bleiben kontaktlos auch über grosse
Distanzen miteinander verbunden und können sogar Eigenschaften
austauschen. Dass die Verschränkung existiert, wurde schon oft gezeigt.
Österreichischen Wissenschaftlern ist es letztes Jahr gelungen, eine
Information über mehr als hundert Kilometer zu teleportieren. Sie
verwendeten jedoch optische Systeme mit sichtbarem Licht. Die ETH-
Forscher konnten zum ersten Mal Informationen in einem System mit
supraleitenden elektronischen Schaltungen teleportieren. Das ist
interessant, weil solche Schaltungen wichtige Elemente für den Bau von
zukünftigen Quantencomputern sind. Der Vorteil der quantenphysikalischen
Information gegenüber der klassischen Technik ist die höhere
Informationsdichte. Die Zürcher Forscher möchten als Nächstes in ihrem
System den Abstand zwischen Sender und Empfänger vergrössern und
versuchen, Information von einem Chip auf einen anderen zu teleportieren.
Im gleichen Zusammenhang erwähne ich ein weiteres Experiment als
Nachweis der Verschränkung:
58
J. Pigem (siehe auch Kapitel 5) beschreibt ebenfalls (in seinem Buch mit
dem Titel „Die neue Wirklichkeit“, von mir frei übersetzt aus dem
Spanischen „La Nueva Realidad“) unter dem Abschnitt „das Photon von
Tenerife“ die für uns unerklärliche Verschränkung von kleinsten Partikeln
auch bei grösserer Entfernung, welche von der Quantenphysik mehrmals
experimentell nachgewiesen und theoretisch bewiesen wurde. Die
Übertragung der unmittelbaren Veränderung bei beiden Partikeln
gleichzeitig erfolgt ohne physische bzw. strahlenmässige oder anderen uns
physikalisch bekannten Übertragungen. Voraussetzung ist, dass eine
Verschränkung zwischen den Partikeln besteht. Beim Experiment auf der
Insel La Palma wurde zunächst eine Verschränkung zwischen zwei Photonen
hergestellt. Einer davon wurde dann per Laserstrahl nach Tenerife
gebeamt. Anschliessend wurde, nach Abschaltung des Laserstrahls, jede
Veränderung im Photon in La Palma vom Photon auf der Insel Tenerife (144
Kilometer entfernt) synchron und augenblicklich registriert. Wie das erklärt
werden kann, weiss bis heute niemand. Es klingt zauberhaft, weil wir den
Trick nicht durchblicken. - Wie früher als man noch dachte, dass die Welt
eine flache Scheibe war, bevor man die Mittel herausfand, um die Rundung
der Welt zu erklären und zu beweisen. Ähnlich wie bei der späten
Erkenntnis, dass sich die Erde um die Sonne bewegt und nicht umgekehrt,
wie man früher geglaubt hatte.
Es bleibt ein unerklärtes Phänomen, wie der Hokuspokus in der Magie.
Hypothesen tippen auf eine Art mikrokosmische Gravitation, ähnlich wie die
makrokosmische Schwerkraft durch die Raumzeitverformung nach Einstein.
Andere greifen zu noch nicht nachgewiesene, schwarze Materie bzw.
schwarze Energie, Parallelwelten in multidimensionalen Räumen,
Antimaterie und noch andere, lauter unbewiesene Hypothesen …
J. Pigem bringt in seinem Buch das Thema unserer Erkenntnisgrundlagen im
Zusammenhang mit der, meiner Meinung nach, auch von ihm
missinterpretierten Quantentheorie: Er wie der Physiker Anton Zeilinger
behaupten, dass die Quantenphysik uns zeigt, dass unsere Erkenntnisse
von unseren Beobachtungsinstrumenten und Sinnen abhängen. Es gäbe
gemäss der Quantentheorie keine von uns unabhängige Realität (objektive 59
Wirklichkeit), sondern nur eine durch den Einfluss bzw. die Einwirkung und
Beobachtung von uns Menschen selbst erkannte Wirklichkeit. – Eine, meiner
Ansicht nach, allzu anmassende Schlussfolgerung. Erneut der Mensch im
Mittelpunkt wie damals die Erde (bis zur Wende vom geozentrischen
Weltbild des Ptolemäus zum heliozentrischen von Kopernikus und Galileo
Galilei) als ein die einzige Wirklichkeit erkennendes Wesen? Den Menschen
wiederum so wichtig nehmen? Die Realität der Welt bzw. des Universums
existiert auch ohne den Menschen und unabhängig von ihm!
Der berühmte Quantenphysiker Werner Heisenberg vertritt, wie auch
andere Physiker, falls ich ihn richtig interpretiere, eine von A. Zeilinger und
J. Pigem abweichende Interpretation der Quantentheorie: nämlich, dass
eine reale, objektive Welt existiert, unabhängig von unseren
unvollkommenen menschlichen Messungen, Sinnes- und Hirnerfassungen
sowie ungeachtet unserer daraus hergeleiteten physikalischen Theorien.
Unsere wissenschaftliche Erfassung bzw. die durch uns Menschen
beeinflusste Beobachtung und Erfassung (Messung) der Realität ergibt
unsere subjektive Wirklichkeit. Sie ist eine menschlich unvollkommene,
subjektive Annäherung an die Realität (=objektive Wirklichkeit). So denken
auch andere Wissenschaftler und nicht wenige Philosophen.
Ich meine, dass wir zwischen Realität (=objektive Wirklichkeit) und
subjektiver Wirklichkeit unterscheiden müssen. Die von W. Heisenberg
entdeckte Quantenunschärfe beweist, dass wir im Mikrokosmos nie
gleichzeitig den Ort und die Geschwindigkeit eines Objektes bestimmen
können. Dazu kommt, dass unsere Messungen von unseren
Beobachtungsinstrumenten abhängen. Die Messergebnisse im Mikrokosmos
sind unbestimmt. Sie stellen nur Wahrscheinlichkeiten dar. Die Realität
entzieht sich unserer menschlichen Erkenntnis, weil unsere
Beobachtungsinstrumente und übrigen Sinne, unser Denken sowie die
sonstigen Eigenschaften unseres Gehirns sehr beschränkt und
unvollkommen sind.
Andere, wie A. Zeilinger und J. Pigem, meinen, dass unser Bild von der Welt
vielleicht gar keine Spiegelung irgendeiner Realität ist, sondern ein reines
60
Kopfprodukt. – Meiner Meinung nach gibt es doch eine Verbindung zwischen
der Realität (der objektiven Wirklichkeit) und unserem Gehirn durch die
Eindrücke unserer unvollkommenen Sinne, aufgrund unserer
Beobachtungsmessungen. Diese erzeugen in unserem ebenfalls
unvollkommenen Gehirn eine Spiegelung bzw. ein diffuses Abbild
(subjektive Wirklichkeit) der Realität.
Wir können uns mit mathematisch-physikalischen Theorien nur ein
annäherndes bzw. verschwommenes subjektives Bild (=subjektive
Wirklichkeit) der Realität (=objektive Wirklichkeit) machen. Je weiter sich
unsere Sinne und unser Gehirn entwickeln, desto mehr werden wir uns der
Realität annähern können, aber nie ganz, weil wir halt unvollkommene
Wesen sind.
Wie dem auch sei, tun wir in unserem praktischen Leben so, wie wenn
unsere subjektive Wirklichkeit der Realität entspräche, um uns das Leben
zu erleichtern, pflege ich vereinfachend zu sagen.
Infolge unserer Beschränktheit bzw. (etwas schöner formuliert)
Begrenztheit sind wir mit unseren wissenschaftlichen Methoden nicht in der
Lage, das Göttliche bzw. Transzendentale, wenn es überhaupt existiert, zu
erfassen bzw. zu beweisen.
Was wir bis heute wissenschaftlich nicht zuverlässig messen, erfassen und
beweisen können, heisst noch lange nicht, dass es nicht existiert. Wir sind
noch lange nicht in der Lage, alles zu verstehen und vieles wird für uns
begrenzte Menschen für immer unverständlich bleiben.
Die Quantenphysik hat zudem gezeigt, dass es die kausale Erklärbarkeit
nicht gibt. Es herrscht der reine Zufall. Es gibt also Dinge, die geschehen
ohne Grund. Man kann bei den Beobachtungen höchstens mit
Wahrscheinlichkeiten rechnen. Die Welt ist nicht ein Uhrwerk, das nach
festgelegten Gesetzen eindeutig abläuft, wie es die Newtonsche Physik
lehrt. Der Zufall ist die Basis für Offenheit und Freiheit der Naturabläufe;
philosophisch und evolutionsmässig äusserst aufschlussreich.
61
Es ist nochmals zu betonen, dass alle obengenannten seltsamen, teilweise
paradoxen Erscheinungen der Quantenphysik experimentell mehrmals
nachgewiesen worden sind. Sie erscheinen uns trotzdem spukhaft und
unglaubhaft, weil sie unserem gesunden Menschenverstand und unseren
bisherigen Erkenntnissen entgegenlaufen. Wir können sie uns kaum
vorstellen und deshalb nicht verstehen.
Es ist wichtig festzuhalten, dass die Quantentheorie nur in der Skala des
Mikrokosmos gilt. Man kann sie nicht für die Skala des Makrokosmos
anwenden, wo die physikalischen Theorien gemäss Newton oder in
gewissen Makrobereichen, wo andererseits die Theorien gemäss Einstein
gelten. Sie dürfen auch nicht ohne Weiteres auf die geistige Skala aller
anderen Geisteswissenschaften (insbesondere Psychologie, Philosophie)
und Religionen übertragen werden. Letzteres wird oft leichtfertig getan, um
seltsame, unerklärliche Erscheinungen der Geisteswissenschaften und
Religionen den ebenfalls seltsamen Erscheinungen der Quantentheorien
gleichzusetzen und um dadurch Glaubwürdigkeit zu erwecken. Man
missbraucht in solchen Fällen die Quantenphysik, um fragwürdige Thesen
mit einem quantenphysikalischen und somit wissenschaftlichen Anschein zu
schmücken und um dadurch Wahrhaftigkeit vorzutäuschen.
Die kommenden Quantencomputer werden in der gegenwärtigen
Revolution der Informatik beispielsweise bei der koordinierten Ausnutzung
von ökologischen Energien, bei der Optimierung der zunehmenden
Energiesparanstrengungen und in anderen komplexen Bereichen in Zukunft
eine zentrale Rolle spielen (siehe Kapitel 6). Deshalb und weil der
Nobelpreis für Physik 2012 diesem Thema vergeben wurde, möchte ich
etwas eingehender darüber schreiben:
Die Quantenrechner der Zukunft übertragen Information nicht mit den
gewöhnlichen Bits, wie unsere heutigen Computer, sondern mit den
62
Quantenzuständen (Quantenbits) von Atomen, Elektronen oder
Lichtteilchen (Photonen). Sie nutzen dabei eine spezielle Eigenschaft der
Quantenmechanik aus: Die kleinsten Speichereinheiten der
Quantencomputer, die Quantenbits oder Qubits, befinden sich nämlich in
einem Überlagerungszustand (Superposition oder Kohärenz), d. h., sie
speichern zwei verschiedene Informationen gleichzeitig. Die klassischen
Bits hingegen sind entweder im Zustand 0 oder 1. Die Qubits können
stattdessen in drei statt nur in zwei Zuständen sein: entweder im Zustand 0
oder 01 (gleichzeitig sowohl als auch) oder 1. Durch elektromagnetische
Teilchenaktivierung, z. B. via Laser kann man den Quantenzustand der
Teilchen von 01 (Superposition bzw. Kohärenz) auf 0 oder auf 1 verändern
(Dekohärenz).
So haben Quantenrechner mehr Speicherkapazität. Sie können gleichzeitig
durch Quantenalgorithmen mehrere Rechenfunktionen gleichzeitig
durchführen. Mit Quantenbits als dreifache Informationseinheiten können
Daten tausendmal energieeffizienter und schneller verarbeitet werden.
Datenbanken können schneller durchsucht und die komplexesten
Verschlüsselungsverfahren schneller geknackt werden.
Aber auch Quantencomputer haben ihre Schwächen: Sie sind heute noch
extrem störanfällig. Um mit Quantenbits zu rechnen, müssen die Physiker
deren Zustände kontrollieren. Dazu legen sie elektromagnetische Felder an.
Die Wechselwirkung mit der Aussenwelt kann die fragilen Quantenzustände
jedoch leicht ungewollt umschalten oder sogar zerstören, sodass eventuell
Informationen verloren gehen.
Der ETH-Physiker Andreas Wallraff arbeitet bereits an der Entwicklung des
Quantencomputers an der ETH Zürich in seinem Quantum Device Lab seit
2006. Die Zukunft der Computer dürfte trotz der noch bestehenden
Schwierigkeiten beim revolutionierenden “Quantensprung“ der kommenden
Quantencomputer liegen.
63
Die neueste Forschung einer molekularbiologischen Computertechnologie
versucht, die DNA als enorm leistungsfähige Trägerstruktur von
Erbinformationen für die Mega-Speicherung von sonstigen Informationen zu
benützen. Man ist daran herauszufinden, wie und ob man Informationen in
die DNA-Struktur nicht nur aus gesundheitlichen Gründen verändern und
löschen, sondern für die Computeranwendung auch in die DNA eingeben,
speichern und abrufen kann. Man forscht sogar daran, besondere
Eigenschaften von Zellkulturen und Mikroorganismen als Computer-
Bausteine einzusetzen. Dies ist allerdings noch Zukunftsmusik.
Nützlich und lehrhaft ist es, wenn wir nachfolgend, als Beweis
unserer Begrenztheit, die je nach Lebewesen unterschiedlichen
Sinne und deren subjektive Erfassung der Realität etwas genauer
unter die Lupe nehmen:
Es beginnt schon mit der limitierten Anzahl unserer Sinne, die uns
eine menscheneigene Wirklichkeit vorgaukeln, auf die unsere
subjektiven Erkenntnisse und Wahrheiten beruhen.
Einige Tiere haben weiter und andere weniger entwickelte Sinne als unsere
begrenzten menschlichen Sinne. Andere Tiere haben sogar mehr Sinne als
wir Menschen. Davon hängt es ab, wie sie die Realität subjektiv “sehen“
(einige sehen nicht einmal, weil sie blind sind) bzw. erfassen und wie nahe
oder wie weit ihr “tierisches subjektives Weltbild“ vom menschlichen
subjektiven Weltbild abweicht.
Etwa drei Viertel aller Lebewesen des Blauen Planeten bewohnen die
Ozeane, die rund 70 Prozent der Erdoberfläche bedecken. Andere
Lebewesen bewegen sich auch ausserhalb von Wasser und Erde
mehrheitlich in der Luft. Die Sinne der Lebewesen haben sich diesen
verschiedenen Lebensumfeldern angepasst und entsprechend spezialisiert.
64
Die Welten der Meerestiefen und die der Vögel in der Luft beinhalten noch
viele für uns unbekannte und unerklärte Geheimnisse.
Das menschliche Auge ist ein hoch entwickeltes Sinnesorgan. Dennoch
können wir vieles gar nicht wahrnehmen. Es gibt für uns unsichtbare Welten
und unsichtbare Energien. Einige Phänomene passieren innerhalb von
Sekundenbruchteilen, d. h. von uns nicht erfassbar. Wir unterliegen vielen
optischen Täuschungen und anderen Sinnestäuschungen.
Der für den Menschen wahrnehmbare Teil des elektromagnetischen
Spektrums ist bestürzend gering. Für viele Wellenlängen und andere
Formen von Strahlen (Magnetstrahlung, Rundfunkwellen, Röntgen-,
Infrarot-, UV-, Gammastrahlen usw.) sind wir blind. Je nach
Augenkonstruktion sehen Tiere ganz anders als Menschen. Schon bei
Menschen führen die verschiedenen Arten von Farbenblindheit (nur
blau/gelb bzw. nur Grautöne usw.) zu einer anderen bildlichen Erfassung
der Realität als beim “normale“ Sehen. Wieder ein Beispiel dafür, dass es
verschiedene subjektive Wirklichkeiten gibt bzw. verzerrte, subjektive
Abbilder der von unvollkommenen Lebewesen nicht erfassbaren objektiven
Realität.
Auch die übrigen Sinne wie Riechen, Tasten usw. sind bei Lebewesen mehr
oder weniger stark entwickelt. Bei der Erfassung von Schallwellen hören
viele Tiere ein breiteres Schallspektrum (u. a. Ultraschall bei Fledermäusen)
als wir Menschen.
Wir sehen zum Glück nicht einmal mit blossem Auge die unter dem
Mikroskop eklig und hässlich aussehenden Ungeziefer bzw. Schmarotzer,
die, von uns Menschen unbemerkt, mit uns Küche, Bad und Bett teilen. Sie
kommen in jedem auch noch so sauberen Haushalt vor. Sie fressen sich
heimlich an unserem Müsli satt, vertilgen unsere Hautschuppen, und
vermehren, kämpfen und sterben auf unserem Körper, in unseren Betten,
im herumliegenden Staub; glücklicherweise, ohne dass wir sie von blossem
Auge sehen. Wir schlucken sie sogar, ohne es zu merken. Dazu kommen
noch weitere Mikroorganismen wie Bakterien, Viren, sogenannte Protisten
usw., die wir ebenfalls von blossem Auge nicht sehen. 65
Wir wissen aus eigener Anschauung auch nicht, wie ein Atom aussieht, weil
wir es nicht mit blossem Auge, sondern nur mit einem Elektronenmikroskop
erkennen können. Zum Überleben brauchen wir diese Fähigkeiten nicht.
Doch um mehr von unserem Menschsein, dem Leben und seinen
Ursprüngen verstehen zu können, überschreiten wir die Grenzen unserer
Wahrnehmung, indem wir durch Messgeräte und entsprechende
Experimente in die unsichtbaren Frequenzen des Mikro- und Makrokosmos
vordringen.
Die üblichen fünf menschliche Sinne wie Sehen, Hören (inkl.
Gleichgewichtssinn), Tasten, Riechen und Schmecken werden von der
Neurowissenschaft, je nach Sinnendefinition, auf bis zu 12 oder mehr
“Sinne“ ergänzt, und zwar mit folgenden weiteren Merkmalen: Gedanken-
Sinn , Begreifens-Sinn, Informationsverarbeitungs-Sinn, Kombinations-Sinn,
Zusammenhangs-Sinn, Wort- bzw. Sprachsinn, Ich-, Bewusstseins-Sinn (wie
sich im Spiegel wiedererkennen) sowie Bewusstseins-Sinn über den Tod
(den die Tiere angeblich nicht haben), Wärme-Kälte-Sinn (Warm- oder
Kaltblütler), Motorik oder Eigenbewegungssinn, der für die Evolution sehr
wichtige Überlebens-, Anpassungs- und Fortpflanzungsinstinkt. Weiter:
“Gefühlssinne“ wie Lieben, Trauern, Leiden, Schuldgefühl, Mitgefühl,
Empathie, Glücksempfinden und andere Merkmale, die über die fünf Sinne
hinausgehen.
Der bereits von mir zitierte, promovierte Philosoph und Hirnforscher
Gerhard Roth bezeichnet neben dem Denken des Gehirns das Gedächtnis
als äussert wichtiges “Sinnesorgan“ in unserem Gehirn. Es ist unentbehrlich
im Kreisprozess von Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Erkennen, Handeln
und Bewerten. Es ist das Bindungssystem für die Einheit der Wahrnehmung
durch Memorieren von Erfahrungen, einschliesslich stammesgeschichtlicher
Erfahrungen (Archetypen des kollektiven Unbewussten nach C.G.Jung bzw.
"Meme“ nach R.Dawkins), welche unser kognitives System jederzeit
meistens automatisch (unwillentlich) aber auch bewusst abrufen kann.
Ich würde für Lebewesen auf unserer Erde oder sonst im Universum noch
folgende Sinne dazu zählen: den Raumerfassungs-Sinn (ein-, zwei-, drei-,
66
vierdimensional oder mehrdimensional?), den Orientierungssinn und den
Sinn für die Benützung von instrumentenähnlichen Hilfsmitteln,
insbesondere bei den Tieren (z. B. Ästchen bei Raben) sowie „last, but not
least“ den menschlichen Kultursinn (Musik als eine der ältesten
menschlichen Kulturausdrücke, Malerei und andere Kunstarten).
Tiere besitzen einige unserer Sinne und manche Tiere sogar noch mehr
Sinne als wir. Haben sie neben gewissen Intelligenzformen auch Gefühle?
Einige Gefühle teilen sie mit uns, beispielsweise Trauer beim Sterben ihrer
nächsten Tiergefährten (z. B. bei Elefanten, Gorillas usw.); bei Haustieren
Empathie mit uns Menschen. - Gewisse Intelligenzformen sind ebenfalls
festzustellen, bei manchen Tieren ausgeprägter als bei anderen. Um nur ein
Beispiel zu nennen: Saatkrähen biegen sich aus Draht Haken zurecht, um
so besser an Futter zu kommen. Oder sie lassen Nüsse auf die Strasse
fallen, damit Autos ihre Schale knacken. Um eine Nuss aus dem Boden
eines langen, schmalen Zylinders herauszuholen, nahm ein Schimpanse
Wasser im Mund aus einem Reservoir und spuckte es in den Zylinder, bis
das Wasserniveau die Nuss hinauf schwemmte. Es gibt noch andere
Beispiele, die zeigen, dass mehr Tiere als wir annahmen bzw. annehmen
ein gewisses Denkvermögen haben und auch gewisse Gefühle empfinden
können.
Was die Menschen von den Tieren unterscheidet, sind der aufrechte Gang,
die rasche höhere Entwicklung des menschlichen Gehirns, das abstrakte
Denken, die Weiterentwicklung der Sprache (einige Tiere wie Delfine und
andere haben eine allerdings nur rudimentäre Form der Sprache) sowie
unser Bewusstsein über den Tod. Letzteres haben Tiere angeblich nicht, im
Sinne des Vorauswissens über das sichere Sterben. Interessant ist auch,
dass nur wenige menschenähnliche Affen, beispielsweise die Bonobo-
Menschenaffen (Zwergschimpansen) sich, wie wir Menschen, im Spiegel
erkennen. Letzteres ist also ebenfalls ein besonderes
Unterscheidungsmerkmal. Kürzlich wurde das Erkennen im Spiegel
angeblich auch bei Schimpansen, Elstern, Delphinen und Elefanten
festgestellt… .Was das Bewusstsein anbetrifft, kommt folgende erstaunliche
Tatsache noch hinzu: Der Mensch unterscheidet sich von allen anderen 67
Lebewesen auch darin, dass er ein von den Tieren verschiedenes
Bewusstsein hat – was erklärt, warum Tiere nicht auf die starke das
Bewusstsein verändernde Droge LSD reagieren. Auf die Droge LSD werde
ich weiter vorne nochmals zurückkommen. Über das Gedächtnis wissen wir,
dass beispielsweise Elefanten ein sehr ausgeprägtes lang anhaltendes
Gedächtnis haben. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal soll die
menschliche Gabe der Intuition (das sog. Bauchgefühl) und gewisser
Emotionen (wie beispielsweise die Liebe) gegenüber den sowohl
menschlichen als auch tierischen Instinkten sein. Ansätze von Intuitionen
und Emotionen sind jedoch auch im Tierreich festzustellen.
Das meiste was uns Menschen von den anderen Tieren unterscheidet hängt
grösstenteils von gewissen Eigenschaften der rechten Hirnhemisphäre:
beispielsweise die Intuition, das Vorstellungsvermögen, die Kreativität, das
religiöse Empfinden bis zur Ekstase, Musik, Poesie, Kunst, Liebe, Moral,
Humor usw. Tiere beherrschen zudem die Instinkte besser als wir, sogar
solche, die bei uns Menschen inzwischen im Laufe unserer
Weiterentwicklung verloren gingen.
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Kraft menschlicher Gedanken:
Das bereits getestete sogenannte Brain-Computer-Interface übersetzt
menschliche Gehirnsignale in Steuerungssignale. Es ermöglicht
beispielsweise, den Cursor eines Computers allein mit der elektronisch
übersetzten Kraft von Gedanken in Bewegung zu setzen. Das Lenken und
Bedienen von Autos durch Erfassung der Augenbewegungen und durch
Gedankensteuerung über das Senden von Hirnsignalen an die
Mikroprozessoren der Fahrzeuge, ohne Bewegung von Armen oder Beinen,
wird bereits heute von Google an einem Auto-Prototyp erprobt. – Allein mit
Hirnsignalen an Mikroprozessoren, also ohne Zutun von Muskelkraft, eigene
nicht mehr funktionierende Glieder wieder bewegen sowie Computer oder
andere technische Geräte steuern bzw. bedienen. Mithilfe sogenannter
Brain-Computer-Interfaces gelingt das bereits in Ansätzen. Einzelne
vollkommen gelähmte Menschen konnten dank eigener
Gedankensteuerung von Mikroprozessoren und Computer zumindest einen
erneuten begrenzten Zugang zu ihrer Umwelt wieder gewinnen. Prothesen 68
können mental bewegt werden, sogar mit verstärkter Kraftausbeute
gegenüber den ersetzten natürlichen Extremitäten.
Wo wir uns weiter von den Tieren unterscheiden ist im sogenannten
“sechsten“ und/oder “siebten“ Sinn, die eher bei Tieren vorkommen als bei
Menschen. Zu den oben erwähnten fünf, oder je nach Definition zwölf oder
mehr Sinne, kämen diese Spezialsinne noch dazu. Welche? Beispielsweise
bei Haien und Rochen der physikalisch erklärbare Elektrosinn zur Erfassung
von elektromagnetischen Schwingungen, um Bewegungen aufzuspüren.
Des Weiteren, die bei vielen Tieren genetisch vererbten
Wanderungsinstinkte und Orientierungssinne über Tausenden von
Kilometern. Manche Orientierungssinne werden durch Sonnenstand,
Sternbilder, magnetisch oder durch Geruchsfährten von Pheromonen,
beispielsweise bei Ameisen, ionisierende (elektrische Magnetfelder
erzeugende) Flügelschläge bei Bienen usw. erklärt. Es gibt noch weitere
unbekannte und physikalisch bzw. physiologisch unerklärbare
Orientierungssinne von Zugvögeln, Bienen, Monarchfaltern, Ameisen,
Langusten, Walen, Lachsen und übrigen Fischen sowie von anderen Tieren.
Auch die zeitliche und räumliche Reichweite von Wanderungsinstinkten
kann mit unseren physikalischen Theorien noch nicht erklärt werden.
Im Buch von Rupert Sheldrake „Der siebte Sinn der Tiere“, Scherz Verlag, 4.
Auflage 1999, wird dieses Thema in den Seiten 231-246 eingehend
behandelt. – Er kommt zum Schluss, dass die bisher bekannten Sinne der
Tiere zur Erklärung ihrer besonderen Gaben, wie beispielsweise die
Orientierungsgabe nicht genügen.
Die folgenden 14 Seiten über Sheldrake sind inhaltlich metaphysisch und
deshalb recht spekulativ. Sie können vom Leser übersprungen werden. Ich
fände es schade, wenn er das täte, weil ihm sehr viel Interessantes
entginge. Dazu folgendes Zitat von Albert Einstein: „Die Vorstellungskraft
oder Fantasie ist wichtiger als das Wissen.“ Bei der Metaphysik handelt es
sich um eine philosophische Lehre (als Vorstadium der exakten
69
Wissenschaften) von den Erscheinungen des Lebens, die über das
Erfahrbare und Wahrnehmbare hinausgehen.
Sheldrake greift zur besseren Erklärung der Orientierungssinne der Tiere zu
seiner Hypothese der Morphischen Felder, die angeblich ein gemeinsames
Tiergedächtnis beinhalten. Aus Seite 239 f. seines Buches zitiert: „Dieses
Gedächtnis wird durch einen Prozess übertragen, die sogenannte
Morphische Resonanz, die bewirkt, dass ein bestimmter Organismus, etwa
ein Zugvogel, mit Organismen derselben Art mitschwingt. … Der Zugvogel
greift auf ein (vererbtes) kollektives Gedächtnis seiner Vorfahren zurück
(Parallelen zum kollektiven Unbewussten von C.G.Jung). Dieses kollektive
Gedächtnis des Wanderungsweges, das unter anderem dem Morphischen
Feld innewohnt, leitet ihn auf seinem Flug, vermittelt ihm ein Gedächtnis
von Richtungen, in die er fliegen muss, und lässt ihn Orientierungspunkte,
Nahrungsgründe und Rastplätze instinktiv erkennen. Das kollektive
Gedächtnis lässt ihn auch erkennen, wann er an seinem Ziel, der
Winterheimat der Ahnen, angekommen ist.“
Lebewesen auf unserer Erde (und wahrscheinlich auch Wesen in anderen
Planeten des Universums) passen sich in der Weiterentwicklung ihrer Sinne
und ihrer räumlichen Erfassung der sich verändernden Umwelt immer
weiter an. Auf unserem Planeten Erde hat sich die Entwicklung der
obengenannten Spezialsinne bei den Menschen eher zurückgebildet, weil
wir diese im Gegensatz zu den Tieren immer weniger brauchten.
Die Tiere unseres Planeten haben, entsprechend der evolutionären
Anpassung an ihrem Lebensumfeld, neben dem Seh-, Hör- Riech-, Tast- und
Geschmacksinn eine je nach Spezialisierung über die üblichen Basis-Sinne
hinaus ausgeprägtere Sinnentwicklung oder sogar eine Sinnerweiterung
entwickelt, die sie für das Überleben täglich brauchen und rege benützen.
Der bei den Tieren ausgeprägtere Wanderungsinstinkt bzw.
Orientierungssinn sowie andere spezielle Fähigkeiten (z. B. der sogar bei
manchen Menschen angeblich noch vorkommende Telepathie-Sinn) werden
im obengenannten Buch von Rupert Sheldrake näher behandelt. Rupert
Sheldrake ist nicht ein Laie, sondern ein Fachmann. Er studierte 70
Naturwissenschaften in Cambridge und Philosophie an der Harvard
University. Er promovierte in Biochemie in Cambridge. Nachfolgend einige
interessante Hinweise zum Inhalt seines Buches:
Mancher Hund, der am Garagentor auf seinen Herrn wartet und bellend
oder andersartig schon kurz vor dessen Ankunft reagiert, sogar wenn sein
Herr ab und zu zeitlich früher oder später heimkommt als zum normalen
Zeitpunkt. Die Katze, die sich unauffindbar versteckt, obwohl sie an nichts
<ablesen> kann, dass sie zum Tierarzt soll. Tiere, die, ausgesetzt oder
weggegeben, über Hunderte oder sogar Tausenden von Kilometern nach
Hause zurück finden. Dies lässt sich weder mit dem ausgeprägten
Geruchssinn noch nur mit dem Wanderungsinstinkt und Orientierungssinn
der Tiere, noch mit den uns bekannten physikalischen Theorien erklären.
Manche Tiere haben oft ein unglaubliches Vorahnungs-Gespür für Dinge,
die noch gar nicht passiert sind, und einen Orientierungssinn, der an
Wunder grenzt:
Wenn das Telefon im Haus eines Professors in Berkeley klingelt, weiss die
Familie, ob Papa anruft. Denn nur dann, wenn Papa und nicht etwa jemand
anders anruft, versucht Whiskins, die Katze, mit lautem Miauen den Hörer
von der Station zu stupsen. Manche Tiere besitzen für uns unerklärliche
Fähigkeiten, die uns Menschen fremd sind. Vor allem domestizierte Hunden
und Katzen spüren nicht selten den Moment, wenn ihr Halter in der Ferne
einen Unfall erleidet oder stirbt. Sie spüren ebenfalls gewisse schwere
Krankheiten ihrer Halter. Andere Tiere spüren Katastrophen - wie zum
Beispiel Erdbeben oder Vulkanausbrüche - voraus.
Sheldrake arbeitet weiter daran, Hunderte von solchen Fällen systematisch
zu erfassen und mit eigenen Experimenten wissenschaftlich nachzuweisen.
So scheinen Raubtiere, ihr Rudel über grosse Entfernungen hinweg
telepathisch zu informieren, wenn sie eine Beute erlegt haben. Sheldrakes
Hypothese ist die Annahme von Morphischen Feldern, die bestimmte
gemeinsame Bereiche verbinden und prägen, die zur selben Art gehören.
Ein Morphisches Feld scheint nicht nur zwischen Tier und Mensch, sondern
71
ebenfalls zwischen Menschen möglich zu sein, wenn zwei Wesen
miteinander sehr vertraut sind. Diese Felder konnten jedoch bis heute nicht
physikalisch gemessen werden. Es handelt sich bei Sheldrakes Annahme
von Morphischen Feldern vorläufig nur um eine Hypothese.
Kann man einige dieser besonderen Verhaltensweisen allein mit dem
Instinkt erklären? Der Instinkt ist im Menschen und im Tier genetisch
eingebaut. Der sogenannte sechste bzw. siebte Sinn läuft aber auf dem
Gebiet der Intuition ab und ist eine höhere geistige Gabe, sagt Sheldrake.
Tiere haben Sinneswahrnehmungen, die den Menschen fehlen. So kann ein
Hai mit seinem elektromagnetischen Sinn Fische aufspüren, weil diese ein
elektrisches Feld erzeugen. Klapperschlangen erkennen ihre Beute, weil sie
deren Wärmebild sehen. Und Katzen etwa registrieren angeblich Luftdruck
und magnetische Felder und nutzen sie zur Orientierung.
Hunde können angeblich ihre an Epilepsie leidenden Halter vor einem Anfall
warnen. Man hört sogar, dass Tiere angeblich den Tod vorausspüren
können. In Altersheimen sollen sich manche Katzen Leuten häufiger als
sonst annähern, die kurz darauf sterben. Katzen und Hunde scheinen
bestimmte schwere Menschenkrankheiten besorgt zu “riechen“. Alles nur
falsche Einbildung und purer Zufall? Viele Tierbesitzer mögen nämlich
bestimmte Verhaltensweisen ihrer Schützlinge zu stark werten und diese
erst im Nachhinein als möglichen Beweis ihres Glaubens an die angeblichen
Vorahnungen der Tiere interpretieren.
Beim sogenannten sechsten bzw. siebten Sinn geht es vor allem bei Tieren
und teilweise auch bei Menschen um Warnsignale, Vorahnungen, Instinkte
und Intuitionen, um das Bemerken von „Fremde Blicke im Nacken“, um
Hellsehen bzw. Vorahnungen (Präkognition), Telepathie (Informations- und
Gedankenübertragung), um die wenig ernst genommene Telekinese
(Bewegen von Gegenständen durch psychische Gedankenkraft),
zusammenfassend um sogenannte parapsychologische Psi-Phänomene.
72
Wie lassen sich solche Erscheinungen erklären? Beruht dies alles auf
Instinkte und Intuitionen oder steckt vielleicht doch eine übergreifendere
Ursache dahinter. Eine Vielzahl von Experimenten und Forschungen auf
diesem Gebiet legt nahe, dass in einigen Fällen tatsächlich eine
umfassende logische Erklärung hinter den Beobachtungen stehen muss.
Die Morphischen Felder könnten ein möglicher Erklärungsansatz sein, weil
sie physikalische mit geistigen Erscheinungen vereinen und eine Basis
bieten würden, die es auch wissenschaftlich geprägten Betrachtern
erlauben, sich dem Thema rational anzunähern. Die erwähnten,
nachgewiesenen Theorien der Quantenphysik dürften eine geeignete
Grundlage für die Glaubwürdigkeit dieses Modells bieten.
Die Morphischen Felder kann man sich als eine Art Energiefelder von
ererbten und vererbten genetischen (instinktiven und intuitiven
Informationen) vorstellen, welche darüber hinaus das gesamte Wissen und
alle Erfahrungen (des kollektiven Unbewussten nach C.G.Jung) beinhalten.
Diese werden als Morphisches Gedächtnis gespeichert und vererbt.
Schliesslich interagieren diese Energiefelder mit der Materie, insbesondere
mit dem Gehirn. Der Biologe Rupert Sheldrake hat sich um die Erforschung
der Morphogenese besonders verdient gemacht; aber auch schon der
Schweizer Tiefenpsychologe C. G. Jung beschrieb mit seinem kollektiven
Unbewussten ein ähnliches Modell.
Auch aus dem frühen Hinduismus, Buddhismus und Jainismus, die zu den
ältesten Religionen der Welt gehören, sind Lehren von einem
allumfassenden Unbewusstseinsfeld bekannt, mit dem jedes
Einzelbewusstsein verknüpft ist.
Wenn man sich einmal ein Energiefeld vorstellt, das alle Informationen über
alles, was im Universum geschieht, speichert und jederzeit überall
verfügbar macht, dann bedarf es im Grunde nur eines Senders und
Empfängers, die vom Gehirn auf die Frequenz dieses Feldes eingestellt
sind, um gewünschte Informationen zu übermitteln und abzurufen. Dieses
73
Energiefeld, das sich im ersten Moment sehr fantastisch anhört, wird von
vielen Menschen, die sich mit Trance, Meditation und der medizinisch
anerkannten, ernsthaften Hypnose befassen und damit arbeiten, schon
lange als gelebte Erfahrung akzeptiert.
Zur Telepathie ist es für den speziell für diese Themen interessierten Leser
lohnenswert, die Seiten 167 f., 173 f.,181 f., 188 f., 198 ff., 307 f., 144 des
zitierten Buches von Rupert Sheldrake zu lesen.
Daraus einige wenige Zitate:
„Ich (R. Sheldrake) möchte darlegen, dass telepathische Kommunikation
auf (soziale engmaschige) Banden zwischen Menschen und Tieren (auch
nur zwischen den Menschen) beruht. … Sie sind miteinander durch Felder,
sogenannte Morphische Felder, verbunden (Seite 19 und 37).“ - Ich füge
noch hinzu: Die Morphischen Felder dürften wie ein vererbtes kollektives
geistiges Kommunikationsnetzwerk sein, das wir Menschen wieder
vermehrt zu benützen lernen sollten. Die Tiere sind uns da voraus, weil sie
diese Gabe vermehrt benutzen als wir. Dies ist wahrscheinlich
evolutionsbedingt, weil die Tiere diese Gaben zum Überleben, zur
Orientierung usw. noch öfters brauchen als wir. Wir Menschen konnten
später auf diese Gaben teilweise verzichten, weil wir diese nicht mehr zum
Überleben brauchten. Wir haben sie deshalb weitgehend verloren bei
unserer, im Gegensatz zu den Tieren, einseitigen Gehirnentwicklung, die
sich mit der Zeit immer mehr zugunsten der Ratio (Vernunft), jedoch
zulasten der Instinkte und zulasten der sechsten bzw. siebten Sinne
spezialisiert hat.
„Die Fähigkeit dieser Felder, sich wie unsichtbare Gummibänder (als
bildliches Modell für die durch unsere begrenzten Sinne nicht darstellbaren
Erscheinungen) zu dehnen, ermöglicht es ihnen, als Kanäle für die
telepathische Kommunikation zu dienen, und zwar selbst über grosse
Entfernungen hinweg. … Aufgrund der mir vorliegenden Beweise, von
denen in den folgenden Kapiteln die Rede sein wird, gelange ich zu der
74
Schlussfolgerung, dass Telepathie in der Tat ein reales Phänomen ist (Seite
39).“
„In Schwärmen, Scharen, Herden, Rudeln und anderen sozialen Gruppen
kann die telepathische Kommunikation eine wichtige Rolle in der
Koordinierung der Aktivität (auch von gleichzeitigen Bewegungen bei
Fisch-, Vogelschwärmen usw.) der Gruppe als einem Ganzen spielen (Seite
203).“ – Die schnellen Manöverwellen von Schwärmen kann sich Sheldrake
nur durch deren Reaktion als ganzer Schwarm auf ein Leitmuster im
gemeinsamen Morphischen Feld erklären. Für ihn ist dies jedenfalls eine
plausiblere Erklärung als die kaum realistische Annahme, nämlich dass die
ganze Bewegungswelle durch gegenseitige individuelle rein visuelle Reize
koordiniert würde. Bei Vogel- und Fischschwärmen wurden nämlich bei den
koordinierten Bewegungen Reaktionszeiten von im Durchschnitt nur 15
Millisekunden gemessen!
„Mit der Feldhypothese liesse sich weiter verstehen, wie die Vögel nicht nur
die Manöverwelle wahrnehmen und darauf reagieren, sondern die
Bewegung der Schar als Ganzes erfassen und darauf entsprechend ihrer
Position (rasch in Millisekunden) reagieren können (Seite 196).“ Das Feld
bildet die Basis für das Kontinuum der Schar und für die Bewegung nach
memorierten Feldmustern.
„Die Antizipation von Nähe und Ankünften ist offenbar ein wichtiger Aspekt
in der Naturgeschichte der Telepathie. Der Umstand, dass diese
Vorausahnungen bei Babys vorkommen können sowie dann, wenn
Menschen schlafen, zeigt doch, dass sie nicht von höheren geistigen
Einflüssen abhängen. Sie funktionieren auf einer eher fundamentalen Ebene
und sind in unserem uralten biologischen und evolutionären Erbe
verwurzelt (Seite 113).“
„Eine der wichtigsten Schlussfolgerungen aus den in diesem Buch
geschilderten Untersuchungen (die sich zu lesen lohnen als Beleg, dass sie
einigermassen fundiert sind) besagt, dass die Telepathie nicht etwas
spezifisch Menschliches ist. Sie ist eine natürliche Fähigkeit, Teil unserer
75
tierischen Natur (die bei uns Menschen später etwas vernachlässigt blieb
und deshalb teilweise verloren ging); (Seite203).“
Der sechste bzw. siebte Sinn scheint ein im Gehirn verankertes
Frühwarnsystem im vorderen Stirnlappen. Dabei spielt angeblich der
Nervenbotenstoff Dopamin eine Rolle. Es steuert emotionale (unter
anderem auch Glücksgefühle) und geistige Reaktionen, unter anderen auch
Halluzinationen und Schizophrenie.
Gewisse Blinde, die nach Schlaganfällen das Augenlicht verloren, erkennen
ohne zu sehen trotzdem Gesichtsausdrücke. Manche sind in der Lage,
Bilder von freundlich und finster dreinblickenden Menschen mit einer
statistisch signifikanten Trefferquote von 59 Prozent zu unterscheiden (aus
„Spiegelonline“ vom 23.12.2004). Ein Hirnscanning ergab, dass beim
Betrachten von Gesichtern der sogenannte Mandelkern (Amygdala)
aktiviert wurde, eine Hirnregion, die für die emotionale Färbung von
Informationen und Zuständen massgeblich ist. Die Frage ist nur, wie bzw.
über welches “Netzwerk“ die Zustände „freundlich“ und „finster“ ohne die
Funktion des Sehens trotzdem auf diese Hirnregion übertragen bzw. von
dieser erfasst werden. Dies bleibt bis heute ein unerklärtes Rätsel.
Manche von uns Menschen scheinen telepathische Fähigkeiten,
Vorahnungen und andere besondere, bislang unerklärliche Fähigkeiten zu
haben. Wie das Gefühl, angestarrt zu werden. Letzteres wurde von Rupert
Sheldrake experimentell (bei 900 Versuchspersonen) mit statistisch
hochsignifikanten Ergebnissen nachgewiesen, wie das in seinem von mir
zitierten Buch in den Seiten 323-327 beschrieben wird. Diese und andere
angeblich telepathische Fähigkeiten sind im Tierreich weiter verbreitet als
bei uns.
Wir Menschen scheinen bei der einseitigen Evolution der Ratio viel von der
besonderen Sensibilität der Tiere verloren zu haben, konnten aber trotzdem
einen Rest davon behalten. Es liegt an uns, diese vergessenen Fähigkeiten
76
zu verifizieren oder zu falsifizieren. Statt solche angebliche Fähigkeiten von
vorneherein zu verneinen, sollten wir sie vermehrt erforschen. Falls sie von
uns wissenschaftlich verifiziert werden sollten, müssten wir sie unbedingt
pflegen und wieder antrainieren, damit sie auch bei uns Menschen erneut
funktionieren, ähnlich wie bei manchen Tieren. Daraus könnten wir einen
grossen Nutzen ziehen, weil wir unseren Horizont und unsere Möglichkeiten
weitreichend erweitern könnten.
Sheldrake arbeitet ständig daran, diese besonderen Fähigkeiten bzw.
Phänomene durch Experimente zu bestätigen bzw. wissenschaftlich
nachzuweisen oder zu falsifizieren. Inzwischen muss man selbstkritisch
bleiben, damit man nicht von der Wissenschaftlichkeit in esoterische
Fantasien absinkt.
Ich kann sowohl an die spekulative Theorie der Morphogenese von
Sheldrake als auch an Psi-Phänomene oder an die Reinkarnation des
Buddhismus sowie an Kontakte mit Verstorbenen bzw. Weiterleben nach
dem Tode oder an die in Mode gekommenen esoterischen Schutzengel
kaum glauben. Das sind für mich Fantastereien, die eher unter Esoterik und
dem Glauben als unter wissenschaftlichen oder metaphysischen
Hypothesen einzuordnen sind.
Auch Vorahnungen (Präkognition) bei Tieren und Menschen sind noch sehr
umstritten. Sheldrake erwähnt sie in seinem Buch in den Seiten Seite 270-
314. Er schreibt: “Die aufgeschlossene Untersuchung spontaner
menschlicher und tierischer Erfahrungen, ergänzt durch die
Laborforschung, kann dazu beitragen, unser Wissen über das Wesen der
Menschen und Tiere zu vertiefen … und dieses Wissen in einem
allgemeinen biologischen und evolutionären Zusammenhang zu stellen.
Und Vorahnungen können uns vielleicht etwas sehr Wichtiges nicht nur
über das Wesen von Leben (Materie) und Geist, sondern auch über das
77
Wesen der Zeit (und von mehrdimensionalen Räumen, füge ich hinzu)
verraten (Seite 314).“
Mir scheint die metaphysische Hypothese der Morphischen Felder von
Rupert Sheldrake als Erklärungsversuch der obengenannten besonderen
Fähigkeiten von Tieren und Menschen trotz aller Skepsis zwecks
wissenschaftlicher Verifizierung bzw. Falsifizierung weiterhin prüfenswert.
Denn diese Hypothese ähnelt, wie wir noch sehen werden, teilweise einigen
Gedanken Pinkers, Jungs (das Gedächtnis des kollektiven Unbewussten),
Schopenhauers, der buddhistischen Philosophie sowie dem holistischen
Weltbild Schellings.
Noch folgende Hinweise über die biologische Hypothese der Morphogenese
(Seite 354-373), die mit der Hypothese der Morphischen Felder
zusammenhängt. Je nach Interesse kann man sich durch das Lesen seines
Buches eingehender damit befassen.
„Wie entwickeln sich Pflanzen aus einfachen Embryonen zur
charakteristischen Form ihrer Art? Wie nehmen die Blätter von Weiden,
Rosen und Palmen ihre Form an? Wie entwickeln sich ihre Blüten auf so
unterschiedliche Weise? All diese Fragen haben etwas mit dem zu tun, was
die Biologen Morphogenese nennen, die Entstehung von Form (abgeleitet
von den griechischen Wörtern morphé=Form und génesis=Erzeugung,
Entstehen), die eine der grossen ungelösten Probleme der Biologie ist.
Wenn man sich naiv mit diesen Problemen befasst, erklärt man schlicht,
jede Morphogenese sei genetisch programmiert. Die einzelnen Arten
befolgen einfach die Anweisung ihrer Gene. Aber nach kurzem Nachdenken
erkennt man, dass diese Antwort nicht ausreicht. Alle Zellen des Körpers
enthalten die gleichen Gene. In Ihrem Körper zum Beispiel ist das gleiche
genetische Programm in Ihren Augenzellen, in Ihren Leberzellen ebenso wie
in den Zellen Ihrer Arme und Beine vorhanden. Aber wenn sie alle identisch
78
programmiert sind, warum entwickeln sich die Zellen dann so
unterschiedlich (Seite 354)?“
In diesem Zusammenhang erwähne ich die wissenschaftliche epigenetische
Erklärung des Phänotyps (siehe auch Unterkapitel 9.3 meiner Reflexionen):
Darunter versteht man in der Genetik die Summe aller Merkmale eines
Organismus, die das Erscheinungsbild eines Lebewesen, wie Grösse,
Blütenfarbe, Schnabelform, Gliederform usw., bestimmen. Dies erfolgt
durch die epigenetische DNA-Methylierung. Der Phänotyp bezieht sich nicht
nur auf morphologisch-physiologische, sondern wahrscheinlich sogar auf
psychologische Merkmale.
Weiter nach Sheldrake: „Aber mit der Genetik allein lässt sich die
Entwicklung der Zellen zu unterschiedlichen Formen nicht erklären. Ihre
Arme und Ihre Beine sind in chemischer Hinsicht identisch. Würden sie
zermahlen und biologisch analysiert, wären sie ununterscheidbar. Aber sie
besitzen unterschiedliche Formen. Ihre Form lässt sich nur mit etwas
erklären, was über die Gene und die von ihnen codierten Proteine
hinausgeht (Seite 354-355).“ - Dieser Meinung bin ich nicht, denn die
neuesten Ergebnisse der Epigenetik geben uns darüber eben doch eine
Antwort, wie im vorherigen Absatz erwähnt.
„Seit den zwanziger Jahren vertreten viele Forscher die Ansicht, dass sich
entwickelnde Organismen von Feldern geformt werden, den sogenannten
morphogenetischen Feldern. Sie sind so etwas wie unsichtbare Entwürfe,
die der Form des wachsenden Organismus zugrunde liegen (Seite 355).“ -
Eine meiner Ansicht nach sehr gewagte etwas difusse Hypothese. - Weiter
nach Sheldrake: „Die meisten Biologen nehmen an, dass die Felder
irgendwann einmal als normale physikalische und chemische Phänomene
erklärt werden können. Aber das ist nichts weiter als ein Irrglaube.
Nachdem ich mich jahrelang mit den Problemen der Morphogenese
herumgeschlagen und über morphogenetische Felder nachgedacht hatte,
war ich zu der Schlussfolgerung gelangt, dass es sich bei diesen Feldern
nicht bloss um irgendwelche mechanistischen Standardprozesse, sondern
um etwas wirklich Neues handelt (Seite 355).“- Meine Bemerkung: Wo
79
bleiben die Beweise bzw. die wissenschaftliche Verifizierung? Die
Falsifizierung dieser Hypothese geschähe durch eine andere beweisbare
Hypothese oder durch die wissenschaftliche Ergänzung von neuen
epigenetischen Erkenntnissen.
Folgende weitere Erscheinungen sprechen dennoch für die Mühe einer
Verifizierung oder Falsifizierung der nicht bewiesenen Hypothese der
Morphogenese:
„Morphische Felder hängen miteinander zusammen und koordinieren die
Teile eines Systems in Raum und Zeit (meine Bemerkung: oder über diese
zeitlich-räumliche vierdimensionale Begrenztheit hinaus), und sie enthalten
ein Gedächtnis aus früheren ähnlichen Systemen. Soziale Gruppen wie
Stämme und Familien erben durch ihre morphischen Felder eine Art von
kollektivem Gedächtnis. Die Gewohnheiten, Anschauungen und Sitten der
Ahnen beeinflussen das Verhalten der Menschen in der Gegenwart, und
zwar bewusst wie unbewusst. Wir alle schalten uns in kollektive
Gedächtnisse ein, ähnlich dem kollektiven Unbewussten nach C.G.Jung.“
bzw. den Memen nach R.Dawkins, füge ich als Schreibender hinzu. (Seite
37).“
„Termitenkolonien, Fischschwärme, Vogelscharen, Herden, Rudel und
andere Tiergruppen werden ebenfalls von morphischen Feldern
zusammengehalten und strukturiert, und diese Felder werden alle durch
ihre eigenen Formen vom kollektiven Gedächtnis gestaltet (Seite37).“
„Instinkte sind wie kollektive Gewohnheiten der Art und der Rasse, geformt
von der Erfahrung durch viele Generationen und den Unbilden der
natürlichen Auswahl ausgesetzt. Diese Vorstellung von den Instinkten als
den ererbten Auswirkungen von Gewohnheit und Erfahrung steht dem
Denken von Charles Darwin nahe, wie es am deutlichsten in seinem Werk
<The Variation of Animals and Plants under Domestication> zum Ausdruck
kommt und in <Die Entstehung der Arten> von zentraler Bedeutung ist
(Seite 38).“
80
„Die Morphischen Felder sozialer Gruppen würden dazu beitragen, viele
ansonsten rätselhafte Aspekte der sozialen Organisation zu erklären, wie
das Verhalten gesellschaftsbildender Insekten, von Vogelschwärmen und
von menschlichen Gesellschaften. Die Sozialwissenschaften könnten eine
neue theoretische Grundlage erhalten, und neue Wege der Forschung
würden sich auftun (Seite 372).“
„Der Mathematiker René Thom hat mathematische Modelle von
morphogenetischen Feldern entwickelt, in denen die Endpunkte, auf die hin
Systeme sich entwickeln, als <Attraktoren> definiert werden (Seite 357).“
… Attraktoren ermöglichen eine wissenschaftliche Beschäftigung mit
Zielen, Zwecken oder Absichten als Grenzen, zu denen dynamische
Systeme hingezogen werden. ... „Das umstrittenste Merkmal dieses Modells
ist die Behauptung, dass Morphische Felder sich entwickeln (Seite 357).“
Ihre Struktur beruht nicht auf ewig gültige mathematische Gleichungen,
sondern auf dem, was zuvor geschehen ist. Sie enthalten eine Art von
kumulativem Gedächtnis. Durch Wiederholung (mathematische
Algorithmen) würden die Muster, welche die Struktur der Morphischen
Felder organisieren, zunehmend wahrscheinlicher, zunehmend
gewohnheitsmässiger und immer stärker.
Über die Morphische Resonanz: Es gibt zwischen den Tieren und zwischen
den Menschen und auch zwischen Tier und Mensch viele Beispiele
emotionaler Resonanz, die Sheldrake in seinem Buch eingehend beschreibt.
„Informationen oder Handlungsmuster werden von einem System auf ein
folgendes System der gleichen Art durch die, wie ich es nenne, morphische
Resonanz übertragen. … Je grösser die Artenähnlichkeit, desto stärker der
Einfluss der morphischen Resonanz (Seite 358-359).“
„Die morphische Resonanz erlaubt viele Folgerungen, was das Verständnis
des menschlichen Lernverhaltens betrifft, zu dem auch die Aneignung von
Sprachen gehört. Aufgrund des kollektiven Gedächtnisses, auf das einzelne
Menschen zurückgreifen und zu dem sie ihren Beitrag leisten, sollte es im
81
Allgemeinen leichter sein, das zu lernen, was andere zuvor gelernt haben. –
Diese Vorstellung entspricht ziemlich genau den Beobachtungen von
Linguisten wie Noam Chomsky, die dargelegt haben, dass der Spracherwerb
bei kleinen Kindern so rasch und kreativ erfolgt, dass er sich nicht einfach
durch Nachahmung erklären lässt. Die Struktur der Sprache ist anscheinend
auf irgendeine Weise ererbt. In seinem Buch <Der Sprachinstinkt> führt
Steven Pinker, Autor auch von <The Blank Slate> (in diesem Kapitel und
schon vorher von mir zitiert) viele Beispiele an, die diese Idee bestätigen
(Seite 366-367).“ – „Natürlich ist diese Interpretation der Sprachaneignung
durch die Hypothese der morphischen Resonanz spekulativ. Aber das ist
auch die Theorie von Genen für eine hypothetische universale Grammatik.
Pinker selbst räumt ein: <Niemand hat bislang ein Grammatik-Gen
lokalisiert> (Seite 368).“
„Die morphischen Felder enthalten ein Gedächtnis, das durch
Eigenresonanz einer morphischen Einheit mit ihrer eigenen Vergangenheit
und durch Resonanz mit den morphischen Feldern aller früheren Systeme
ähnlicher Art gegeben ist. Dieses Gedächtnis ist kumulativ. Je häufiger ein
bestimmtes Aktivitätsmuster sich wiederholt, desto mehr wird es zur
Gewohnheit oder zum Habitus (Seite 360).“
„Das Auftreten von morphischen Resonanzwirkungen würde die Existenz
morphischer Felder implizieren und damit einen indirekten Beweis für ihre
Existenz liefern. – Am einfachsten kann man morphische Felder direkt
testen, indem man mit Gesellschaften von Organismen arbeitet. Individuen
lassen sich so voneinander trennen, dass sie nicht mehr mit normalen
sinnlichen Mitteln miteinander kommunizieren können. Wenn es zwischen
ihnen noch immer zu einem Informationsaustausch kommt, würde die die
Existenz von Bindungen oder wechselseitigen Verknüpfungen von der Art
implizieren, wie sie morphische Felder darstellen (Seite 362).“ Ein
Experiment mit Wölfen deutete darauf hin.
Weitere scheinbare Zusammenhänge mit der Quantenphysik:
Dazu muss ich den Leser vorerst vorwarnen. Denn von den Buddhisten bis
zu den Esoterikern wird mit der Interpretation der Quantenphysik leider viel 82
Unfug getrieben. Es ist relativ leicht, sich mit ihr zu brüsten, gerade wegen
ihrer meistens unverstandenen Komplexität; und leicht, sie als Argument
zugunsten von fraglichen Hypothesen oder unsinnigen Spekulationen bzw.
Fantasien zu missbrauchen, weil die Quantenphysik sehr viele
wahrscheinliche, jedoch unbestimmte Zustände bzw. Möglichkeiten zulässt.
Trotzdem zitiere ich die Parallelen zur Quantentheorie aus dem Buch von
Sheldrake, weil seine Hypothesen der Morphischen Felder und insbesondere
der Morphischen Resonanz, wie die noch zu erwähnende ähnliche
Hypothese der “Synchronizität“ von C.G.Jung, als nicht völlig unsinnig
erscheinen:
„Nach der Quantenphysik gibt es eine unvermeidliche Verbindung zwischen
dem Beobachter und dem Gegenstand der Beobachtung, und damit ist die
scharfe Trennung zwischen Subjekt und Objekt aufgehoben. Die
Wissenschaftler sind keine distanzierten Beobachter mehr, die die
Wirklichkeit wie durch eine Fensterscheibe sehen. Sie sind Teil der
Wirklichkeit, die sie untersuchen.
Noch überraschender ist es, dass nach der Quantenphysik Teilchen, die aus
einer gemeinsamen Quelle stammen, wie etwa zwei Lichtphotonen, die vom
selben Atom ausgestrahlt werden, eine geheimnisvolle wechselseitige
Verbindung bewahren, sodass das, was mit dem einen geschieht, sofort im
anderen widerspiegelt wird (Seite 329).“ – „Sie behalten eine direkte
nichtlokale Verbundenheit: Wenn die Polarisation des einen Photons
gemessen wird, weist das andere sofort die entgegengesetzte Polarisation
auf, selbst wenn die Polarisation jedes Teilchens erst im Augenblick der
Messung ermittelt wurde (Seite 361).“ – „Dies nennt man <Nichtlokalität>
oder <Nichttrennbarkeit> (bzw. Verschränktheit, wie in diesem Kapitel
bereits erwähnt); man spricht auch von Einstein-Podolsky-Rosen-Paradox
oder von Bells Theorem. Niemand weiss, wie weit dieser Prozess reicht oder
wie extensiv diese augenblickliche Vernetztheit ist (Seite 329).“
„Experimente zum Testen der räumlichen Aspekte Morphischer Felder
lassen auf eine Art von Nichtlokalität schliessen, die gegenwärtig von der
Schulwissenschaft nicht anerkannt wird. Dennoch wird sich vielleicht 83
herausstellen, dass die Morphischen Felder mit der Nichtlokalität oder
Nichttrennbarkeit zusammenhängen, die ein integraler Bestandteil der
Quantentheorie ist und Zusammenhänge oder Korrelationen über eine
Distanz hinweg impliziert, die sich die klassische Physik nicht hätte träumen
lassen. Albert Einstein beispielsweise war die Vorstellung einer <geistigen
Aktion über eine Distanz hinweg> zutiefst zuwider – aber seine
schlimmsten Befürchtungen haben sich bewahrheitet. Neuere Experimente
beweisen, dass diese Zusammenhänge von zentraler Bedeutung für die
Physik sind. Die Nichtlokalität ist einer der der überraschendsten und
paradoxesten Aspekte der Quantentheorie: Teile eines Quantensystems, die
in der Vergangenheit miteinander verbunden gewesen sind, behalten eine
unmittelbare Verbundenheit, selbst wenn sie sehr weit voneinander
entfernt sind.
Die zwei im Raum getrennten Photonen (siehe oben) desselben Systems
sind durch ein Quantenfeld miteinander verbunden. Aber dies ist kein Feld
im gewöhnlichen Raum, sondern es wird vielmehr mathematisch als ein
vieldimensionaler Raum von Möglichkeiten dargestellt.
Genauso wie Atome und Moleküle sind auch die Angehörigen sozialer
Gruppen Teile desselben Systems. … Wenn sie getrennt werden, können
die Teile des sozialen Systems eine nichtlokale oder untrennbare
Verbundenheit behalten, vergleichbar der in der Quantenphysik zu
beobachtenden Verbundenheit (Seite 360-361).“
„Aber möglich ist auch, dass Morphische Felder ein völlig neuartiges Feld
darstellen, das noch nicht in irgendeiner Weise von der Physik beschrieben
worden ist. Dennoch hätten sie mehr mit den Feldern der Quantentheorie
gemein als mit Gravitationsfeldern oder elektromagnetischen Feldern. Ich
möchte mich nun mit Beweisen befassen, die mit dem räumlichen Aspekt
Morphischer Felder zusammenhängen, und dann mit Beweisen, die die
Morphische Resonanz betreffen (Seite 362).“
„So weiss beispielsweise niemand, warum Gesellschaften von Termiten so
koordiniert sind, dass diese kleinen, blinden Insekten komplexe Nester mit
einer komplizierten Innenarchitektur bauen können. Eventuell doch durch 84
Pheromone (Riechstoffe)? Niemand versteht, wieso Vogelscharen oder
Fischschwärme die Richtung so rasch ändern können, ohne dass die
einzelnen Tiere miteinander zusammenstossen. Nur auf Sichtreaktionen?
Und niemand weiss, wie die sozialen Banden beim Menschen beschaffen
sind.
„Nach der Hypothese der Formenbildungsursachen erstrecken sich
morphische Felder über das Gehirn hinaus in die Umwelt, wobei sie uns mit
den Objekten unserer Wahrnehmung verbinden und auf diese durch unsere
Absichten und unsere Aufmerksamkeit einwirken können. Dies ist ein
weiterer Aspekt der morphischen Felder, der sich für experimentelle Tests
eignet. Dies würde bedeuten, dass wir aufgrund solcher Felder Dinge
beeinflussen können, indem wir sie einfach anschauen - allerdings lässt sich
das nicht durch die konventionelle Physik erklären. So sind wir
beispielsweise vielleicht in der Lage, jemanden zu beeinflussen, indem wir
ihn von hinten anschauen, wobei er auf keine andere Weise wissen kann,
dass wir ihn anstarren. Das Gefühl, von hinten angestarrt zu werden, ist
tatsächlich eine weitverbreitete Erfahrung. Experimente deuten bereits
darauf hin, dass es ein reales Phänomen ist (siehe sechzehntes Kapitel S.
317 ff). Anscheinend lässt es sich weder durch Zufall noch durch die
bekannten Sinne noch durch andere derzeit von den Physikern anerkannten
Felder erklären (Seite 363).“
Das Gefühl, angestarrt zu werden, wurde von Rupert Sheldrake
experimentell (bei 900 Versuchspersonen) mit statistisch hochsignifikanten
Ergebnissen nachgewiesen, wie das in seinem von mir zitierten Buch in den
Seiten 323-327 beschrieben wird.
„In der Biologie kann man erkennen, dass die Entwicklung von Tieren und
Pflanzen von unsichtbaren Organisationsfeldern gestaltet wird, den Trägern
der Vorfahrengewohnheiten. Zur Entwicklung biologischer Formen gehört
nicht nur die Entwicklung von Gen-Pools, sondern auch die Entwicklung der
Morphischen Felder der Spezies. Durch diese Felder lassen sich, wie schon
Charles Darwin angenommen hatte, erworbene Anpassungen vererben.
Und wenn sich neue Gewohnheiten bilden, kann die Evolution infolge von
85
Morphischer Resonanz viel rascher vonstattengehen und sich ausbreiten,
als wenn sie nur von dem Transfer von Mutationsgenen von den Eltern zum
Nachwuchs abhängt (Seite 371).“
„Instinkte beruhen auf den gewohnheitsmässigen Verhaltensfeldern der
Spezies, die die Tätigkeit des Nervensystems prägen – sie werden von
Genen beeinflusst und auch durch morphische Resonanz vererbt. … In der
Psychologie lassen sich die Geistestätigkeiten als Felder interpretieren, die
mit den physiko-chemikalischen Aktivitätsmustern im Gehirn interagieren.
Aber diese Felder sind nicht nur auf das Gehirn beschränkt, sondern
erstrecken sich über den Körper hinaus in die Umwelt hinein. Diese
erweiterten mentalen Felder liegen der Wahrnehmung und dem Verhalten
zugrunde. Sie ermöglichen es auch, dass sich <paranormale> Phänomene
wie das Gefühl des Angestarrtwerdens so interpretieren lassen, dass sie als
normal erscheinen. … Eine weniger spezifische Resonanz mit unzähligen
anderen Menschen in der Vergangenheit verbindet uns alle mit dem
kollektiven Gedächtnis unserer Gesellschaft und Kultur und letztlich mit
dem kollektiven Gedächtnis der gesamten Menschheit (Seite 372).“
Das von Sheldrake zuletzt erwähnte kollektive Gedächtnis entspricht in
etwa dem kollektiven Unbewussten (Archetypen) von C.G. Jung bzw. den
“Memen“ von R. Dawkins, wodurch sich der Kreis der Erkenntnisse aus
verschiedenen Blickpunkten mit ähnlichen Schlussfolgerungen angeblich
wieder schliessen würde.
Zur Erinnerung: Die Bezeichnung Mem oder Meme wurde 1976 vom
Evolutionsbiologen R.Dawkins vorgestellt. Er nannte als Beispiele dazu:
„kulturelle Ideen, Überzeugungen, Symbole, Verhaltensmuster.“ Mit diesem
kulturellen und verhaltensspezifischen Pendant zum biologischen Gen
veranschaulicht er das Prinzip der Evolution durch natürliche Selektion und
Replikation von genetischen, inkl. soziokulturellen Informationen. Die
Bezeichnung Mem beschrieb er als selbst gewähltes Kunstwort, das sich auf
den griechischen Terminus „Mimeme“ („etwas Nachgemachtes“) beruft.
86
Sind die Morphischen Felder bzw. das Morphische Gedächtnis nicht
etwa eine andere Bezeichnung für das kollektive Unbewusste bzw.
die obenerwähnten Meme? Dennoch sind das von Sheldrake
genannte Morphisches Gedächtnis als Basis der
gemeinschaftlichen Sinnessteuerung sowie angebliche Psi-
Phänomene noch nicht überzeugend erklärt und noch lange nicht
bewiesen.
Dasselbe gilt für die Resonanz nach Sheldrake und für die
nichtkausale Synchronizität nach C.G.Jung, die mit der
Verschränkung der Quantenphysik übereinstimmen mögen.
Eine gewisse Parallele zur Resonanz nach Sheldrake ist nämlich die nicht
kausale oder zufällige Synchronizität nach C.G.Jung: Definiert als
zeitliche Koinzidenz zweier oder mehrerer nicht kausal aufeinander
beziehbare Ereignisse gleichen oder ähnlichen Sinngehalts. Dies im
Gegensatz zum Synchronismus, welcher die blosse kausale oder zufällige
Gleichzeitigkeit zweier Ereignisse darstellt. Ich zitiere aus dem Buch von
Jolande Jacobi, „Die Psychologie von C.G.Jung“, Fischer Taschenbuch
Verlag, 18. Auflage 2001:
„Auf einen besonders bedeutungsschweren Aspekt der Wirksamkeit der
Archetypen hat Jung, gleichsam als letzte Frucht seiner Forschungen in
seinen Studien über die <Synchronizität als ein Prinzip akausaler
Zusammenhänge> (ähnlich wie Sheldrakes Resonanz und die
Verschränkung in der Quantentheorie) hingewiesen. Er hat damit ein neues
Licht auf die bisher wissenschaftlich nur sehr unbefriedigend erklärbaren
ESP-(extra-sensory perception) Phänomene wie Telepathie, Hellsehen,
sog.<Wunder> geworfen und bisher unbeachtete, oder gar geleugnete,
seltsame, im allgemeinen als <Zufall> bezeichnete Geschehnisse und
Erlebnisse zum Gegenstand wissenschaftlicher Beobachtung und
Untersuchung gemacht.
87
Synchronizität (im Gegensatz zum zufälligen oder zusammenhängenden
kausalen Synchronismus= Gleichzeitigkeit von Ereignissen) nennt er ein die
Kausalität (des Synchronismus) ergänzendes Erklärungsprinzip und
definiert sie als <zeitliche Koinzidenz zweier oder mehrerer nicht kausal
aufeinander beziehbarer Ereignisse gleichen oder ähnlichen Sinngehalts>;
Synchronizität wie sie z. B. in Form eines (nicht kausalen)
Zusammentreffens von inneren Wahrnehmungen (Ahnungen, Träume,
Gesichte, Einfälle, Visionen usw.) mit äusseren Ereignissen als sinnvoll
erlebt werden können, mögen diese in der Vergangenheit, Gegenwart oder
Zukunft liegen.“ Man könnte vielleicht von einer nicht erklärbaren
transzendentalen oder quantischen statt mechanistischen (im Sinne der
klassischen Physik) „Kausalität“ sprechen.
„In der sinnvollen Koinzidenz eines inneren Bildes mit einem äusseren
Ereignis, die das Wesen der synchronistischen Phänomene ausmacht, wird
sowohl der geistige als auch der stofflich-körperliche Aspekt des Archetypus
offenbar. Der Archetypus ist es auch, der durch seine erhöhte energetische
Ladung bzw. seine numinose Wirkung jene verstärkte Emotionalität beim
Erlebenden hervorruft… .“Diese Zitate sind leider etwas kompliziert
formuliert. Ich hoffe, dass der Leser trotzdem versteht, was da gemeint ist.
Aus dem Buch von Aniela Jaffé, „Erinnerungen, Träume, Gedanken von
C.G.Jung“, Sonderausgabe 12. Auflage 2001, Walter-Verlag Zürich und
Düsseldorf zitiert:
„Synchronizität ist der Begriff, um eine sinnvolle (d. h. nicht zufällige und
nicht kausale) Koinzidenz oder Entsprechung (ähnlich wie die
Verschränkung in der Quantentheorie) auszudrücken:
a) eines psychischen und eines physischen Ereignisses, welche kausal
nicht miteinander verbunden sind (aber auch nicht zufällig). Solche
synchronistischen Phänomene ereignen sich z. B., wenn innere
Geschehnisse (Träume, Visionen, Vorahnungen) eine Entsprechung in der
äusseren Realität haben: das innere Bild oder die Vorahnung hat sich als
<wahr> erwiesen;
88
b) ähnlicher oder gleicher Träume, Gedanken usw., die gleichzeitig an
verschiedenen Orten stattfinden.
Weder die eine noch die andere Manifestation kann durch Kausalität (oder
nur durch einen Zufall) erklärt werden. Sie scheinen vielmehr mit
archetypischen Vorgängen im Unbewussten zusammenzuhängen.
Meine (schreibt C.G.Jung) Beschäftigung mit der der Psychologie
unbewusster Vorgänge hat mich schon vor vielen Jahren genötigt, mich
nach einem anderen Erklärungsprinzip (neben der Kausalität) umzusehen,
weil das Kausalprinzip mir ungenügend erschien, gewisse merkwürdige
Erscheinungen der unbewussten Psychologie zu erklären. Ich fand nämlich
zuerst, dass es psychologische Parallelerscheinungen gibt, die sich kausal
schlechterdings nicht aufeinander beziehen lassen, sondern in einem
anderen Geschehenszusammenhang stehen müssen.“
Zurück zum erstgenannten Buch von Jolande Jacobi „Die Psychologie von
C.G.Jung“:
„Der aufmerksame Leser wird in den Büchern Jungs begriffliche
Widersprüche zu finden glauben. Die Erkenntnis von der Psyche muss
jedoch die Tatsachen wiedergeben, wie sie sie vorfindet. Und sie findet sie
nicht als ein “Entweder-Oder“ vor, sondern eben, wie Jung einmal sagte, als
“Sowohl-als-auch.“ Dies entspricht dem Begriff der obengenannten
“Superposition bzw. Kohärenz“ gemäss Quantentheorie, füge ich hinzu.
„Taucht hier dann Jung gegenüber mehr oder weniger vorwurfsvoll
das Wort <mystisch> auf, dann beweist das nur, dass man dabei
vollkommen vergisst, dass die strengste der modernen
Naturwissenschaften, die theoretische Physik in ihrer heutigen
Form nicht mehr und nicht weniger mystisch ist als die Lehre
Jungs, die zu ihr unter allen Naturwissenschaften die nächsten
Analogien bietet. Man erträgt, was man in der Psychologie Jungs
einen Widerspruch nennt, in der ganzen heutigen theoretischen
Physik (der Quantentheorie) als ein wirkliches <Entweder und
Oder> des Dualismus (der sich oft nur mithilfe kühnster logischer
89
Konstruktionen behaupten muss), einfach weil der Widerspruch
von der Wirklichkeit auferlegt wird.“
„Dieser Dualismus wird in der Begriffsbildung der modernen Physik immer
wieder sichtbar, wenn man in ihr z. B. mit widersprechenden Hypothesen
die Natur des Lichts (als Welle oder Korpuskel) arbeiten muss oder wenn
alle Versuche, die Feldrelativitätstheorie und die Quantentheorie logisch
einwandfrei zu vereinigen, scheitern. Doch wird deshalb niemand den
modernen Physikern Mangel an logischer Fähigkeit und Sauberkeit
vorwerfen, weil eben die antilogisch erscheinende Natur der physikalischen
Tatsachen zu einer Anerkennung des Nichtzuvereinigenden, ja des
Paradoxen führt; natürlich nicht ohne Hoffnung und Streben, die Einheit
doch zu gewinnen, wenn auch nicht zu erzwingen.
Die Schwierigkeit liegt auch für die Psychologie darin, dass sie, von der
Empirie ausgehend und sie nicht verlassend, in ein Gebiet vorstösst, in
welchem der von der Erfahrung stammende Sprachausdruck naturgemäss
inadäquat und ein blosser Versuch bleiben muss. In diesem Sinn ist Jung
ebenso wenig <Metaphysiker>, als je ein Naturwissenschaftler es war,
denn auch seine Aussagen betreffen stets nur empirisch Gewonnenes und
Gefundenes und beschränken sich streng auf das empirisch Erfassbare.
Hier aber, nicht anders als in den modernen Naturwissenschaften, gibt es
eine Grenze, wo die Empirie aufhört und die Metaphysik beginnt. Alle
Geständnisse von Planck, Hartmann, Uexküll, Eddington, Jeans u. a.
bezeugen das. … Nebenbei bemerkt, hat ja auch in den modernen exakten
Wissenschaften nur die begrifflich am weitesten fortgeschrittene, weil
relativ einfachste, die Physik, die Möglichkeit, ihre kühnen, in keiner
Anschauung mehr zu verifizierenden Hypothesen in die reine
assoziationsfreie Sprache der Mathematik zu fassen.“
Ich wiederhole aus Kapitel 9.4 die folgenden zwei Absätze, die mir im
Zusammenhang mit diesem Kapitel 13 sehr wichtig erscheinen:
Das Bewusstsein und dessen individuelle, subjektive Bilder und Eindrücke
werden stets durch unser Gehirn erzeugt. „Es (das Bewusstsein) quillt auf
90
aus der <Tiefe>. Es ist wie ein Kind, das täglich aus dem mütterlichen
Urgrund des Unbewussten geboren wird.“(C.G.Jung).
Unser Individuationsweg zur Entwicklung der Persönlichkeit als Ganzes
erfolgt durch Selbsterforschung, Selbsterkenntnis, Selbstentwicklung und
Selbstverwirklichung. Letztere bilden die Grundlagen für eine glückliche
Liebesbeziehung und sonst zum Glücklichwerden. Gemäss Jung kann uns
die Traumdeutung bei der Individuation (Selbstwerdung bzw. Erweiterung
der Persönlichkeit) helfen. Denn in gewissen Träumen erscheinen
manchmal verdrängte, unverarbeitete Emotionen und Konflikte, die um
Aufarbeitung werben. Es gibt jedoch auch harmlose, unbedeutende
Träume.
Man kann sich die subjektiven Interpretationen unseres
Bewusstseins und des persönlichen Unbewussten sowie die
obenerwähnten Erscheinungen der Synchronizität durch die
vererbten archetypischen Motive und Instinkte des kollektiven
Unbewussten als transzendentale bzw. geistige Erscheinungen
über unsere beschränkte Raum/Zeit-Vorstellung hinaus ausdenken.
Die Bilder und Eindrücke bedürfen unserer Interpretierung. Geist,
Energie und Materie bilden eine zusammenhängende Einheit von
Informationen. Die geistigen Abbildungen der Menschen und deren
Interpretation entstehen aber schlussendlich in unserem Gehirn.
Sowohl unser Bewusstsein als auch das Unterbewusstsein (das
persönliche und kollektive Unbewusste) entstehen als Reflexion
unseres Gehirns. Unsere subjektive bloss annähernde Erkennung
und Interpretation der Realität wird im Augenblick unserer
Wahrnehmung durch unsere Sinne in unserem Gehirn generiert.
Daraus entsteht unser Ich-Bewusstsein, das ein subjektives
virtuelles Ergebnis unseres Gehirns darstellt. Das Ich wird von
unserem denkenden Gehirn individuell mit Sinn und Bedeutung
ausgefüllt. Das Ich-Bewusstsein, das Bewusste und das Unbewusste
sind etwas Geistiges, das nicht von der Materie bzw. vom Gehirn
getrennt figurieren, sondern vom Gehirn generiert werden. Es sind
91
subjektive Spiegelungen unseres komplexen Gehirns aufgrund
seiner=unserer Reaktion auf reale Ereignisse unserer Umwelt, die
durch unsere beschränkten Sinne nur begrenzt erfasst werden.
Dadurch entstehen unsere subjektiven Wirklichkeiten und
Wahrheiten.
Der Schweizer Chemiker Albert Hofmann, Erfinder des inzwischen
verbotenen LSD, feierte am 11.1.2006 seinen 100. Geburtstag. Die Droge
LSD ist in minimalsten Dosen die stärkste das Bewusstsein verändernde bzw.
erweiternde Substanz.
LSD bringt das Gehirn zum Rotieren und setzt jene Mechanismen ausser
Kraft, die normalerweise all die Sinneseindrücke unserer Umwelt auf ein
physiologisch sinnvolles Mass reduzieren. So strömen fast alle Informationen
der Aussenwelt, die wir ständig subjektiv aufnehmen, über den Thalamus bis
zur Grosshirnrinde und wieder zurück. Gleichzeitig werden die
hereinkommenden Eindrücke mit Spuren aus dem Gedächtnis verglichen
und bewertet. – Bei einem LSD-Rausch stimmt die Chemie aber nicht mehr.
Sie gerät ausser Rand und Band. Die Folge: Die verschiedenen
Regulationssysteme verarbeiten die neuen Sinnesausdrücke nun anders und
das Stirnhirn wird mit Reizen überflutet.
Unter LSD kommt es zu einer völlig neuartigen Bewertung von Erlebtem und
Alltäglichem. Ausserdem können Wahnvorstellungen entstehen, weil die
LSD-Substanz Lysergsäurediäthylamid auf die neuralen Botenstoffe
Serotonin und Dopamin im Gehirn wirken. Das vom Gehirn erzeugte Ich
entschwindet sogar.
Der Mensch unterscheidet sich von allen anderen Lebewesen unter
anderem darin, dass er ein besonderes von den Tieren
unterschiedliches Bewusstsein hat – was erklärt, warum Tiere nicht
auf LSD reagieren.
Bevor das LSD verboten wurde und auf die Strasse gelangte, konnten die
Therapeuten eine Menge Erfahrungen sammeln. Die Substanz wurde bei der
92
Psychoanalyse von Patienten verwendet, die nicht mehr ansprechbar, also
blockiert waren. Gab man ihnen LSD, wurden sie stimuliert; sie sind
gewissermassen aufgewacht, und man konnte mit der eigentlichen Analyse
beginnen. Was damals als Wundermittel galt, wurde in der Folge zur
Kultdroge der Jugend – und damit zu einer politischen Gefahr für Amerika.
Der Entscheid der USA, das LSD zu verbieten, war ein rein politischer
Entscheid. Jeder Arzt hat kontrollierten Zugriff auf Heroin, Morphin und sogar
Strychnin, sollte das nötig sein. Aber für LSD gilt nun ein Totalverbot. Es gilt
im Prinzip bis heute – für Herstellung, Besitz und Anwendung. Das muss sich
ändern, meint A. Hofmann, wenigstens für medizinische Anwendungen durch
einen Arzt.
Der Schriftsteller Aldous Huxley liess sich vor dem Verbot auf dem Totenbett
von seiner Frau LSD geben; er starb ganz friedlich. A. Hofmann denkt, dass
LSD als Substanz zur Sterbebegleitung etwas vom Wichtigsten ist, für das
diese Droge Verwendung finden sollte. Man gibt Sterbenden ja sehr oft
Morphin. Wo Morphin nicht mehr wirkt, bekommt man die Schmerzen mit
LSD weg. Auf die Frage „Könnten Sie sich vorstellen, beim Sterben selber
LSD zu nehme?“ antwortete A. Hofmann: „Das könnte ich mir vorstellen.
Aber man weiss natürlich nicht, wie man stirbt.“
Weitere Zitate von A. Hofmann:
„Wir stehen vor dem ökologischen, sozialen und geistigen Zusammenbruch“,
sagte er an einem Vortrag im Jahr 1996; Rettung sei nur möglich durch
Bewusstseinsveränderung, durch ein neu geschaffenes Gleichgewicht
zwischen materiellen, geistigen und spirituellen Bedürfnissen.“
„Wer als Naturwissenschaftler kein Mystiker wird, ist kein
Naturwissenschaftler.“ Er hat sich, inspiriert von seinen eigenen LSD-
Erfahrungen, stets für einen Dialog zwischen Natur- und
Geisteswissenschaften eingesetzt. Metaphysik ist die Lehre von dem mit
empirischen Methoden nicht mehr Erfahrbaren.
93
Nach diesem Exkurs weiter über die Grenzen unserer Erkenntnisse:
Die Grenzen unserer Erkenntnisse und unseres Begreifens sowie
die Schwierigkeiten unserer konkreten Vorstellung und Darstellung
von realen bzw. von uns subjektiv interpretierten Ereignissen
zeigen sich am besten in der bereits beschriebenen
Quantentheorie und ebenfalls in der Allgemeinen und Speziellen
Relativitätslehre.
Wir alle glauben, dass wir im selben dreidimensionalen Raum leben, dass
die Zeit für jeden gleich schnell vergeht und, dass die Summe der Winkel in
einem Dreieck immer 180 Grad beträgt. Doch Einstein hat alle diese
“Wahrheiten“ und noch andere (die von der klassischen Physik als geklärt
galten) infrage gestellt: Es gibt Erscheinungen und Umstände im
Makrokosmos (ähnlich, wie im Mikrokosmos der Quantenphysik) bei denen
sich gewisse bisherige wissenschaftliche Erkenntnisse im Nachhinein als
widersprüchlich bis teilweise falsch erwiesen haben.
In „Das ABC der Relativitätstheorie“ des Mathematikers und Philosophen
Bertrand Russell bediente sich dieser des folgenden Bildes zur Erklärung
der Speziellen Relativitätstheorie: Für jemanden, der auf dem Bahnsteig
steht und einen Zug vorüberfahren sieht, der 100 Meter lang ist und sich
mit 60 Prozent der Lichtgeschwindigkeit bewegt, scheint der Zug nur 80
Meter lang zu sein, und entsprechend zusammengedrückt erscheint auch
alles, was sich darin befindet. Könnten wir die Fahrgäste im Zug sprechen
hören, würden ihre Stimmen undeutlich und schwerfällig bzw. verzerrt
klingen, und eben so träge würden ihre Bewegungen aussehen. Selbst die
Uhren in dem Zug würden, von aussen betrachtet, nur mit vier Fünfteln
ihrer normalen Geschwindigkeit laufen. Aber – und das ist das Wesentliche
und Erstaunliche - die Menschen im Zug würden von diesen Verzerrungen
nichts bemerken. Ihnen würde alles, was sich im Zug befindet, völlig normal
erscheinen. Dagegen würden wir, die auf den Bahnsteig stehen von den
Zugfahrenden aus betrachtet, wie auseinandergezogen und verlangsamt
aussehen. Alles hängt nur von der eigenen Position relativ zu dem sich
bewegenden Beobachter ab.
94
Fragen: Würde der durch die grosse Geschwindigkeit zusammengedrückte,
massenzunehmende oben genannte Zugfahrer während der Fahrt sich
jünger und schwerer fühlen? Und nach der Fahrt? Wegen des relativen
Zeitunterschieds wahrscheinlich jünger gegenüber denen auf dem
Bahnsteig gebliebenen. Nicht dicker, schwerer oder kürzer, weil dies nur
von den auf der Erde gebliebenen Aussenbeobachter relativ so erfasst
wurde, solange der Zug sich mit enormer Geschwindigkeit bewegte.
Für einen die Zeit messenden Beobachter, der sich schnell bewegt, vergeht
die Zeit relativ langsamer gegenüber einem sich weniger schnell
Bewegenden. In anderen Worten: der sich schnell Bewegende altert
weniger rasch. Die Zeit verstreicht mit unterschiedlichem Tempo, je
nachdem, wie schnell wir uns bewegen. - Die Beobachter selber bemerken
diese Zeitverzerrung zunächst nicht, sondern erst beim Vergleich ihrer
Uhrzeiten.
Die Zeit ist also nicht absolut, wie Newton dachte, sondern relativ. Nach
Newtons Theorie sollte man einen Lichtstrahl einholen können, sofern man
sich annähernd so schnell bewegen könnte; in Einsteins Welt ist das
unmöglich. Egal, ob Sie sich in Ruhe befinden, mit einem Zug reisen oder
einen rasenden Kometen mit fast Lichtgeschwindigkeit reiten, in allen
Fällen sehen Sie einen Lichtstrahl, der Ihnen mit der konstanten
Lichtgeschwindigkeit enteilt. Egal wie schnell Sie sich bewegen. Sie sind nie
in der Lage die Geschwindigkeit des Lichtes durch Ihre eigene zu mindern. -
Würde ein Zeuge auf der Erde dieses hypothetische Wettrennen
beobachten, würde er behaupten, Sie mit fast Lichtgeschwindigkeit und der
Lichtstrahl mit Lichtgeschwindigkeit bewegten sich Seite an Seite. Sie,
dagegen, würden entgegnen, der Lichtstrahl habe sich von Ihnen entfernt
als hätte sich Ihr Vehikel (der rasende Komet) in Ruhe befunden. Schwer zu
verstehen oder nicht? Trotzdem, Experimente beweisen, dass Einstein recht
hat.
Ein weiterer Beweis unter anderen: Bei der GPS-Ortung muss die Zeit eines
stationären sich mit der Rotationsgeschwindigkeit der Erde bewegenden
Satelliten um die aus dem Unterschied der Geschwindigkeiten und der
95
Erdanziehungskraft sich ergebende Zeitdifferenz gegenüber dem Navigator
auf der Erde (bzw. fliegenden Navigator) korrigiert werden. Nur dank dieser
Zeitkorrektur stimmen die relative Zeit und Position für den sich langsamer
bewegenden und von der Schwerkraft stärker angezogenen GPS-Navigator
genau.
Uhren laufen gemäss der empirisch bewiesenen Speziellen
Relativitätstheorie nicht nur relativ zum ruhenden Beobachter langsamer bei
höherer Geschwindigkeit des sich Bewegenden, sondern gemäss der
Allgemeinen Relativitätstheorie auch je stärker das Gravitationsfeld auf die
Uhren der Zeitmessenden wirkt. D. h., je weiter entfernt sich eine Uhr vom
Gravitationsfeld der Erde oder eines anderen Himmelkörpers befindet, desto
schneller läuft sie im Vergleich zu einer Uhr auf der Erde. In anderen Worten:
Zunehmende Schwerkraft bremst den Lauf der Uhr, was man aber wiederum
nicht unmittelbar, sondern erst im relativen Vergleich der Uhrzeiten der
Beobachter merkt. Auch dies wurde experimentell nachgewiesen.
Die Lichtgeschwindigkeit ist gemäss Einstein eine unveränderliche
Konstante. Bei beispielsweise 40% Lichtgeschwindigkeit bräuchte es eine
ins Immense steigende Energie, um die Geschwindigkeit der ständig
zunehmenden Masse bzw. Trägheit des Raumschiffes noch weiter zu
erhöhen, gemäss der Formel E=Masse mal konstante Lichtgeschwindigkeit
hoch 2. Bei weiterer Beschleunigung auf fast Lichtgeschwindigkeit würde
die Zeit vom Aussenbeobachter gesehen fast stillstehen bleiben, die Masse
des Raumschiffes unendlich zunehmen oder (fraglich) sich in Energie bzw.
Licht umwandeln (?), indem sich die Länge des Raumschiffes auf fast einen
Punkt verkürzen würde ?
Durch die Bewegung tauschen wir in der Einsteinschen Raumzeit jeweils die
Bewegung im Raum in Funktion der Zeit. Dabei ist die Lichtgeschwindigkeit
eine maximale Konstante, die unabhängig von der
Bewegungsgeschwindigkeit des sich Bewegenden immer gleich bleibt. - Die
Lichtgeschwindigkeit könne man austricksen und erhöhen, indem man
(mathematisch und physikalisch theoretisch möglich) im Raum wie auf einer
Welle reitet, welche die Geschwindigkeit des Windsurfers beschleunigt. Der
96
Raum müsste stets sequenziell nur in dem begrenzten Bereich in dem sich
das Raumschiff bewegt, gemäss bereits erfolgten physikalischen
Berechnungen mit enormer Energie komprimiert und gleichzeitig gedehnt
werden. Wie dieser Energieantrieb zur Distorsion des Raumes zu
bewerkstelligen wäre, bleibt unbeantwortet. Die resultierende Wellen-
Geschwindigkeit der Raumkompression und Raumdehnung und des mit
annähernden Lichtgeschwindigkeit bewegten Raumschiffes würde zu einer
sprunghaften Bewegung im Raum über die Lichtgeschwindigkeit hinaus
führen. Dies, ohne dass die Raumdehnungs- und Raumschiffs-
Geschwindigkeit einzeln die nach Einstein unveränderliche Konstante der
Lichtgeschwindigkeit überschreiten würde. Man würde Zeitgewinn durch
Raumkomprimierung und Raumdehnung erzielen, gemäss der
austauschbaren Raumzeit-Funktion. So könnte man sich innerhalb unseres
Planetensystems, ja sogar innerhalb unserer Galaxie, vielleicht bis zur
nächsten Sonne, mit über Lichtgeschwindigkeit annähern. Es ist eine
theoretisch zwar sinnvolle physikalische Überlegung, jedoch nicht mehr als
eine Spekulation.
Die Zeit zeigt nur in eine Richtung. In der Mathematik ist die Zeit theoretisch
umkehrbar, jedoch nicht in der Makrophysik. Ein fundamentaler Unterschied
zwischen Mikro- und Makrophysik besteht also darin, dass die
mikrophysikalischen Prozesse der Quantentheorie teilweise reversibel und
damit “zeitlos“ sind, während die Makrophysik der Irreversibilität der Zeit
unterliegt. Dies hängt angeblich mit der Entropie-Theorie des
österreichischen Physikers Ludwig Boltzmann zusammen. Das Universum
entwickelt sich gemäss der Urknalltheorie zeitgerichtet nur in eine Richtung
von der Ordnung zur Unordnung, der Entropie-Theorie folgend. Ein weiterer
Unterschied ist die Kausalität die, wie schon früher erwähnt, in der
Quantenphysik nicht gegeben ist.
Fassen wir zusammen: Einstein bewies, dass die Zeit im Raumzeit-
Kontinuum je nach Bewegungsgeschwindigkeit der Beobachter sowie je
nach Einfluss der Schwerkraft und Raumposition von diesen relativ
zueinander verschiedentlich erfasst wird, was jedoch nur beim Vergleich
der Uhrzeiten zum Vorschein kommt. Je nach Bewegungsgeschwindigkeit 97
ist die gemessene relative Zeit der Beobachter bei einem Uhrzeiten-
Vergleich unterschiedlich. Nur die Lichtgeschwindigkeit ist gemäss Einstein
für alle maximal und konstant gleich und nicht relativ, d. h. unabhängig
von der Bewegungsgeschwindigkeit der Beobachter. Die Einstein Formel
E=mc2 beinhaltet c als Konstante der Lichtgeschwindigkeit im Quadrat.
Nebenbei nur für Interessierte:
Ohne ² würde die Formel nicht Stimmen, schon von den Einheiten her.
Das Ergebnis der Gleichung ist ein Wert mit der Einheit Joule für Energie.
Joule = Newtonmeter.
Da Newton = Kilogramm mal Meter/Sekunde²
erhält man Newtonmeter = (Kilogramm mal Meter/Sekunde²) mal Meter
oder = Kilogramm mal Meter²/Sekunde².
m ist die Masse und hat die Einheit Kilogramm
Das c ist in der Physik die Lichtgeschwindigkeit, hat also die Einheit
Meter/Sekunde, c² logischerweise Meter²/Sekunde²
Auch mc² hat also die Einheit Kilogramm mal Meter²/Sekunde²=Joule.
Beide Seiten E und mc² haben also die gleiche Einheit. Andernfalls wäre die
Gleichung nicht gültig. Ohne Quadrat hätte man auf der einen Seite der
Formel die Einheit Kilogramm mal Meter/Sekunde, welches aber nicht das
gleiche wäre wie Joule auf der anderen Seite der Formel.
98
Die Allgemeine Relativitätstheorie erklärt die Gravitation nicht als Folge der
Massenanziehung, sondern als Raumkrümmung bzw. Raumverformung,
welche, so wie die Lichtkrümmung im All, durch die Schwerkraft von
Massen verursacht wird. Diese Erklärung differiert von der Schwerkraft
gemäss Newton. Die Erde bewegt sich nicht um die Sonne, weil diese nach
Newton eine Gravitationsanziehung ausübt, sondern nach Einstein, weil die
Sonne die Raumzeit um die Erde verformt bzw. krümmt und so einen
Anstoss schafft, der die Erde zwingt, sich im Kreis (bzw. fast elliptisch) um
die Sonne zu bewegen. Wiederum schwer vorstellbar aber bewiesen.
Eine aus dem Raumzeit-Konzept abgeleitete Frage: So wie Materie (bzw.
Masse) auf Raum und Zeit einen Einfluss hat, wie auch umgekehrt, so
müsste das Licht bzw. die Energie (als umgewandelte Erscheinungsform der
Materie) ebenfalls einen gegenseitigen Einfluss auf Raum und Zeit haben.
Masse ist die Ursache von Gravitation durch Verformung des Raumes. Die
Gravitation krümmt zudem den Verlauf von Lichtstrahlen. Die
Lichtgeschwindigkeit verzerrt das relative Zeitempfinden von Beobachtern.
Und wie wirkt sich das Licht weiter auf den Raum aus? Durch die seltsame
Verformung der Raumzeit bei zunehmender Geschwindigkeit bis zur
Lichtgeschwindigkeit: Es ist gemäss Einstein erwiesen, dass sich die Zeit
abhängig von der Geschwindigkeit des Beobachters verändert. Und
ebenfalls, dass vom aussenstehenden Beobachter aus betrachtet andere
Grössen wie Energie und Masse zunehmen, Entfernung abnimmt und Länge
kürzer (ein Stab wird kürzer) wird, je schneller man sich bewegt. Die zuletzt
genannte wird als Lorentzkontraktion bezeichnet. Wobei nochmals zu
betonen ist, dass die sich äusserst schnell Bewegenden von diesen
Verzerrungen nichts bemerken würden, nur die aussen Beobachtenden.
Unser Bewusstsein über die Zeit gilt als relative Vorstellung. Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft scheinen im Zeitraum Einsteins gleichzeitig zu
existieren. Ob sich der Beobachter in einer von einem anderen Beobachter
abweichenden Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft befinden mag, hängt
99
von der unterschiedlichen relativen Bewegungsgeschwindigkeit, von der
Schwerkraft und der relativen Raumposition der Beobachter.
Wurmlöcher (diese spekulative Bezeichnung stammt von Einstein) mögen
hypothetische Verbindungsgänge von zusammenhängenden Räumen sein.
Solche wurmförmige schwarze Löcher könnten uns theoretisch (z. B. neben
der bereits früher genannte hypothetische Teleportation) auf Reisen mit
fast Lichtgeschwindigkeit zeitsparend durch Raum und Zeit führen: Nicht
jedoch in die Vergangenheit, weil Zeit in der Makrophysik nur in eine
Richtung zeigt und nicht umkehrbar ist, sondern von der Gegenwart in die
Zukunft der gegenüber der Abreise inzwischen älter gewordenen
Erdbewohnern. In anderen Worten nur in eine zeitlich relative Zukunft,
welche aus der relativen Zeitverschiebung zwischen den auf der Erde
Gebliebenen und den mit fast Lichtgeschwindigkeit Reisenden resultieren
würde.
Einige Physiker spekulieren damit, dass man enorme stellare Distanzen mit
Reisen durch Raumschleifen von miteinander verbundenen schwarzen
Wurmlöchern abkürzen könnte, indem man gleichzeitig deren enorme
Anziehungskraft als Antriebsquelle ausnützen würde. Dies allerdings nur
hypothetisch, weil man eine Reise durch schwarze Löcher wohl nicht
überleben könnte. Zeitsprünge über zusätzliche Dimensionen oder durch
Ausnützung von Raumzeitschlaufen oder Parallelräumen könnte die
Limitierung der konstanten Lichtgeschwindigkeit ebenfalls austricksen.
Auch das Zeitreisen von der Gegenwart in die Zukunft oder sogar in die
Vergangenheit könnte durch geschlossene Raumzeitschlaufen repetierend
durchlaufen werden. Das Paradoxon, dass man durch eine Reise in die
Vergangenheit beispielsweise die eigene Geburt verhindern könnte, sodass
man dann aufhörte zu existieren, könnte sogar vermieden werden. Wie?
Indem man die Geburtsverhinderung in einem parallelen Universum
verwirklichen würde, das alternativ zum ursprünglichen Geburtsuniversum
dieses ersetzen würde. Dazu müsste man sich zuerst in das parallele
Universum begeben können. Lauter Science Fiction-Spekulationen, die
durch allzu viel Fantasie kein Ende finden. Nichtsdestoweniger, solche
100
Fantasie-Spielereien dürften wenigstens unsere beschränkte
Vorstellungskraft über das grandiose Unvorstellbare unseres Weltalls
beflügeln.
Manche Physiker vertreten die Hypothese, dass innerhalb der Raumzeit-
Austausch-Funktion der Relativitätstheorie sich der Raum schneller
ausdehnen könne als das Licht. Diese inflationäre Raumausdehnung soll
beim Urknall in einem Bruchteil von weniger als eine Sekunde schneller als
das Licht erfolgt sein. Man führt dies auf die angenommene noch nicht
bewiesene Dynamik der dunklen Materie und der dunklen Energie im All
zurück.
Wie Newtons Durchbruch die erdgebundene Physik mit der Himmelsphysik
zusammenschloss, so vereinigte Einstein den Raum mit der Zeit. Er zeigte
aber gleichzeitig, dass Materie und Energie zusammenhängen und sich
folglich ständig ineinander verwandeln. Ein bewegtes Objekt wird umso
massenreicher wird, je rascher er sich bewegt, d. h., dass die kinetische
Bewegungsenergie sich mit wachsender Geschwindigkeit in Masse=Materie
(potenzielle Energie) verwandelt. Und Materie wiederum in Energie,
beispielsweise durch Kernspaltung oder Kernfusion innerhalb der Sterne.
Materie lässt sich also in Energie umwandeln und umgekehrt. Einstein
berechnete, wie viel Energie aus Materie gewonnen werden kann und
erfand die Formel E=mc2 , will heissen: Schon eine winzige Materienmenge
m wird mit einer riesigen Zahl multipliziert (Lichtgeschwindigkeit von
300000 Kilometer pro Sekunde hoch 2), wenn sie in Energie umgewandelt
wird. Beispiel: Ein 100 kg schwerer Mensch trägt die potenzielle Energie in
sich wie eine Atombombe, sofern seine Materie eine radioaktive kritische
Masse wäre und entsprechend gezündet würde. Das kommt vom
Multiplikator-Effekt der Lichtgeschwindigkeit im Quadrat. Entscheidend für
eine solche plötzliche riesige kinetische Energieentfaltung ist allerdings,
dass die potenzielle Energie der Materie sich augenblicklich in Bruchteilen
von Sekunden in Energie entfaltet. - Damit erklärt sich auch die enorme
Energiequelle der Sterne als Umwandlung von Materie in Energie durch
Kernfusion, gemäss Einsteins Gleichung. Ein Prozess, der das Universum
101
antreibt und dabei erhellt. Sobald sich ein Stern nach all den Kernfusionen
in ihrem Innern über Milliarden von Jahren oder mehr ganz ausgebrannt hat,
wirkt wieder vermehrt die Gravitation, die nach einer diesmal
gravitationsbedingten letzten hellsten Ausstrahlung den Stern zu einem
roten, braunen oder weißen Zwerg kollabieren lässt.
Meine obengenannten mehr oder weniger geglückten Darstellungen erfolgen
vorbehältlich Missverständnisse bzw. Interpretationsirrtümer meinerseits, für
die ich mich als Laie gegenüber Physikern und anderen Wissenschaftlern im
Voraus entschuldige. Sogar Physiker erklären solch seltsame physikalische
Tatbestände sehr unterschiedlich oder sogar widersprüchlich.
Manche meiner Darstellungen mögen von Wissenschaftlern und
konservativen Lesern als allzu spekulativ und eventuell als missverstanden
und falsch oder sogar als lächerlich bezeichnet werden. Ich möchte trotzdem
nicht als unwissenschaftlicher Fantast oder Esoteriker abgestempelt werden.
Mir geht es ja eher darum, eine wissenschaftliche Negierung bzw.
Falsifizierung oder eine Verifizierung meiner gewagten Spekulationen
herauszufordern.
Es ist geradezu meine Absicht, dass der Leser meine Darstellungen und
Auslegungen infrage bzw. richtigstellt und seine eigene Meinung dagegen
setzt.
Warum schreibe ich über alle diese wissenschaftlichen
Erkenntnisse? Wo liegt die Nützlichkeit solcher Ausführungen für
unser praktisches Leben?
Sie sollten uns:
Erstens, die Folgen unserer Begrenztheit vergegenwärtigen.
Zweitens, vor den Gefahren und den Folgen unserer angeblichen
Wahrheiten, Missinterpretationen und Vorurteilen generell warnen.
102
Drittens, davor warnen, dass wir unsere öfters fraglichen Wahrheiten bzw.
Meinungen und sogar die wissenschaftlichen Erkenntnisse sowie unsere
subjektive Wirklichkeit allzu kategorisch bzw. absolut vertreten. Diese
haben sich in den Wissenschaften sowie im öffentlichen, geschäftlichen und
privaten Leben im Nachhinein schon öfters als falsch erweisen. Zudem ist
unsere Sturheit und Rechthaberei öfters der Hauptgrund von verletzenden
Friktionen mit unseren Mitmenschen. Sie haben uns im Laufe der
Geschichte schon mehrmals zu kalt berechnenden bzw. missbräuchlichen
Kriegen „unter dem Vorwand von falschen Wahrheiten“, aber auch zu
fanatischen Kriegen „aus falschen Überzeugungen“ geführt.
Viertens, unseren Horizont und unser Weltbild mit interessanten
allgemeinbildenden wissenschaftlichen Erkenntnissen erweitern und auf die
noch unerklärten Erscheinungen des Mikro- und Makrokosmos sowie auf
jene der Welt der Tiere, Menschen und Pflanzen hinzuweisen.
Fünftens, die wissenschaftliche Rigidität der Verifizierung und
Falsifizierung unterstreichen, damit wir nicht den Gefahren von falschen
Schlüssen, Vorurteilen, Spekulationen, Aberglauben und sonstigen
esoterischen Fantasien erlegen.
Sechstens, darauf hinweisen, dass, ähnlich wie bei den Tieren und
Pflanzen, in uns Menschen noch unerschöpfte, wertvolle Ansätze zur
Erweiterung unserer Sinne vorhanden sein mögen. Die Menschen sollten die
aussergewöhnlichen Sinne wieder vermehrt zu aktivieren versuchen, sofern
sie wirklich existieren. Um dies herauszufinden, müssten wir die fraglichen
Spezialsinne vorurteilsfreier und intensiver erforschen. Sie dürften in der
zukünftigen Evolution des Menschen eine wichtige Rolle spielen.
Schlussendlich müssten die Hypothesen von Sheldrake im Laufe der Zeit
durch weitere Experimente, entweder als spekulativer Humbug falsifiziert
oder verifiziert bzw., im Sinne von K.R.Popper, bis auf Weiteres bestätigt
werden.
103
Die Angebote hoher Geldpreise von verschiedenen Wettbewerbsgremien
der Welt an Kandidaten mit angeblich parapsychologischen Fähigkeiten
haben bis jetzt keine Preis-Sieger erbracht. Die Kandidaten konnten ihre
angebliche Fähigkeiten nicht überzeugend vorzeigen. Die strengen
unabhängigen Juroren (um Tricks auszuschliessen) der genannten
Wettbewerbsgremien konnten bis jetzt keine aussergewöhnlichen
Fähigkeiten bestätigen, die empirisch durch wiederholende Versuche von
Wissenschaftlern hätten bewiesen werden können. Deshalb bleibe ich
gegenüber Psi-Phänomenen weiterhin äusserst skeptisch. Denn sie
konnten bis heute nicht wissenschaftlich bewiesen werden.
In diesem dreizehnten Kapitel zitierte ich aus den rund 380 Seiten des
Buches von Gerhard Roth rund 11 Seiten und aus den 400 Seiten des
Buches von Sheldrake nur ca. 14 Seiten. Dazu widmete ich weitere 100
Seiten den Gedanken anderer Denker und meinen eigenen Ansichten.
Wieso habe ich diesem Kapitel so viele Seiten gewidmet?
Weil sich dieses Kapitel mit essenziellen Grundlagen unserer
Erkenntnisse befasst, die als Ausgangsbasis für unser Verhalten im
Leben wichtig und nützlich sind.
Über die Entstehung des Universums gibt es zahlreiche Hypothesen.
Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Als Abschluss dieses Kapitels
möchte ich mich, zur Erweiterung meines Weltbildes, auf die Darstellung
von ein paar Hypothesen über das Universum beschränken. Ich werde die
hervorheben, die ich besonders interessant finde. Dies, obwohl ich weiss,
dass diese Hypothesen nur annähernd zutreffen mögen, weil wir noch zu
wenig über das Universum wissen; im Sinne von „Ich weiss, dass ich
noch sehr wenig oder fast nichts weiss.“
104
Trotzdem darf und sollte man neue Hypothesen bzw.
Spekulationen immer wieder wagen, im Sinne der Elimination von
Erklärungsversuchen (nach Popper), um sich so stückweise der
realen Welt immer weiter anzunähern. Doch immer „subject to“
bzw. vorbehältlich einer Wahrscheinlichkeitsprüfung und
schliesslich vorbehältlich einer wissenschaftlichen Beweisführung.
Diese führt entweder zur Falsifizierung der Hypothesen oder zu
ihrer Verifizierung bis auf Weiteres.
Was mir missfällt, ist, dass die klassische Urknall-Theorie ziemlich
unvollständig bleibt. Sie wird als Theorie vertreten, obwohl sie nur teilweise
bewiesen ist und sonst hypothetisch bleibt. Im Vergleich zu den übrigen
Hypothesen mag sie vielleicht, unserem begrenzten Wissensstand folgend,
vorläufig wahrscheinlicher und weniger spekulativ sein als andere
Hypothesen über das Universum. Die Urknallhypothese scheint mir jedoch,
um nun meinerseits etwas provozierend zu wirken, etwas veraltet,
fantasielos und unvollständig, weil sie sowohl in der Ursache bzw. Ursprung
als auch im Ausgang bzw. Ende des Urknalls nicht ausreichend erklärt wird.
Welche Hypothese bzw. Kombination von Hypothesen meine ich? Ich
schätze, dass einige der Hypothesen von Multiuniversen nicht nur virtuell
mathematisch darstellbar sind, sondern sich ziemlich wahrscheinlich auch
physikalisch als annähernd real erweisen dürften.
Ich werde nicht die meiner Ansicht nach nicht zu Ende durchdachte
Urknalltheorie über den Haufen zu werfen wagen oder negieren,
geschweige denn falsifizieren. Das kann ich sowieso nicht. Die
Urknalltheorie ist im Grunde eine gemäss unseren begrenzten Sinnen von
unserem beschränkten Gehirn erstellte subjektive Theorie, die sich nur
teilweise der objektiven Wirklichkeit (Realität) annähern mag.
Die schwachen Punkte bzw. Inkonsistenz der klassischen Urknall-Theorie
liegen
(a) in der noch offenen unerklärten Ursache des Urknalls und
105
(b) in dem angeblichen Ende des Universums: dem Universum drohe der
Kältetod? Der Kältetod wäre die Folge der inflationistischen Ausdehnung
des Universums. Diese würde durch die hypothetisch angenommene noch
nicht bewiesene sogenannte Dunkle Materie bzw. Dunkle Energie
verursacht.
Gerade bei der nicht genügend erklärten Ursache und Ausgang bzw. Ende
des Urknalls werde ich nun versuchen, meine eigene gewagte
Hypothese anzusetzen:
Die Endstadien explodierender massenreicher Sterne (Protosterne wie
Supernovae und Hypernovae) sind nicht nur extrem dichte
Neutronensterne, sondern oft auch Schwarze Löcher, die teilweise
energiereiche Gammastrahlen senden. Schwarze Löcher sind Überreste aus
extrem dichten Neutronenkonzentrationen von sehr grossen kollabierten
(implodierten) Sternen bzw. Überreste aus der Kollision
zusammengeschmolzener Sterne: Neutronensterne oder, wenn diese
rotieren, Pulsare genannt; auch äusserst verdichtete Relikte implodierender
und anschliessend explodierender Sterne. Es gibt hochenergetische Sterne,
die bei ihrer Explosion eine ganze Galaxie extrem hell überstrahlen und
teilweise gefährliche Gammablitze ausstrahlen. Nicht allzu grosse Sterne
wie die Sonne expandieren und kollabieren in ihrem Endstadium “nur“ zu
einem weissen Zwerg, nur so gross wie die Erde. Dies genügt nicht zur
Komprimierung auf die extreme Dichte von schwarzen Löchern. Dazu
braucht es mindestens die achtfache Masse unserer Sonne. Riesensterne
haben sogar die 100-fache Masse unserer Sonnenmasse oder mehr.
Galaktische Schwarze Löcher, die sich als Relikte von Quasaren
(quasistellare, extrem lichtstarke, explodierende Energiebündel) in den
Zentren von Galaxien befinden, beinhalten angeblich Millionen bis
Milliarden Sonnenmassen auf kleinstem Raum als Neutronen oder sogar zu
kleineren atomaren Teilchen verdichtet. Quasare gehören zu den ältesten,
extrem hellen Galaxienkernen (galaktischen Gravitationslinsen); sie
befinden sich in den Kernregionen von Galaxien, die kurz nach dem Urknall
entstanden sein sollen. In ihren Zentren befinden (ohne dass ihre
106
Radiowellen noch Zeit gehabt hätten, bei uns anzukommen) und befanden
(teilweise bereits Hunderte Millionen und mehr Lichtjahre alt bzw. von uns
entfernt!) sich also riesige Schwarze Löcher. Damit meine ich, dass wir in
der Astronomie unserer Gegenwart nur die sehr alte, mehrere Millionen
oder noch mehr Lichtjahre Vergangenheit messen. Das Licht der Gegenwart
aus diesen ungeheuren Entfernungen von Lichtjahren wird uns
entsprechend erst in Zukunft nach Hunderten Millionen oder noch mehr
Lichtjahren erreichen.
Kürzlich haben Astronomen das mit 17 Milliarden Sonnenmassen wohl
grösste schwarze Loch des Universums entdeckt, ein Schwerkraft-Gigant,
Hunderte von Millionen Lichtjahre entfernt. Das uns nächste Schwarze Loch
unserer Milchstrasse ist 3500 Lichtjahre entfernt oder etwa 3500 mal 9,5
Billionen Kilometer (9 500 000 000 000) = 33 250 000 000 000 000 km –
viel zu weit, um uns gefährlich werden zu können. Aber nicht vergessen, wir
sprechen von Vergangenheit, da uns dieses Licht nach 3500 Lichtjahren
erst heute erreicht hat. Inzwischen können neue Schwarze Löcher
entstanden sein, von denen wir erst in Zukunft, bis das Licht uns erreichen
wird, etwas erfahren werden. - Nebenbei die Berechnung der
obengenannten Lichtjahr-Entfernung: Lichtgeschwindigkeit von 300000
km/Sekunde mal Anzahl Sekunden eines Jahres (ca. 3153600 Sek. = 365
Tage mal 24 StdX360 Sek.) oder 9,46 Billionen Kilometer pro Lichtjahr. Und
3500 Lichtjahre mal 9,5 Billionen km pro Lichtjahr ergeben 33250 Billionen
Kilometer.
Die meisten Galaxien haben Schwarze Löcher in ihrem Zentrum. Bei der
Kollision zweier Galaxien können diese Schwarze Löcher zu einem
supermassenreichen Schwarzen Loch verschmelzen. Oder aber durch
Schwerkraftwellen ins All geschleudert werden.
Um sich über die Grössendimension des Weltalls eine weitere
Vorstellung zu machen: Man hat neulich die bisher grösste Struktur
des Universums gefunden. Sie umfasse 73 Quasare und sei rund
vier Milliarden Lichtjahre l a n g ! Eine derart gigantische Gruppe
wurde niemals zuvor beobachtet. Uns ist übrigens bis jetzt
107
schätzungsweise nur ca. vier Prozent des für uns sichtbaren bzw.
messbaren Universums bekannt: teilweise von uns durch
Teleskope ersichtlich (sichtbare Materie) oder nur via Radiowellen
und anderen Messmethoden indirekt erfassbar. Die hypothetisch
angenommene Dunkle Materie (ca. 80% der gesamten Materie,
aber nur etwas über 23% Anteil am Universum) und Dunkle Energie
(etwas über 73% Anteil am Universum) stehen den 4% leuchtender
für uns sichtbarer Materie gegenüber.
Einige der genannten stellaren Formationen gehen teilweise ineinander
über. Viele sind noch unbekannt, weil sie so weit entfernt sind, dass das
Licht uns zeitlich noch nicht erreichen konnte. - Nur ein kleiner Teil der
äusserst alten Vergangenheit des Weltalls wurde von uns vorerst mit
unseren begrenzten Messmethoden “subjektiv“ beobachtet oder indirekt
gemessen, ohne bis jetzt von uns mathematisch und physikalisch
darstellbar zu sein. Wir können ihre Grössenordnung und Struktur kaum
erfassen und nur teilweise verstehen.
Sogenannte von Einstein spekulativ erwähnte Wurmlöcher könnten
hypothetisch angenommene Verbindungsgänge zwischen Universen sein.
Sie dürften gemäss meiner gewagten Hypothese den von uns gemessenen
Schwarzen Löchern ähneln. Diese mögen spiralförmige bzw. wurmartige,
hochenergetische Verbindungsgänge zwischen bestehenden Universen
sein. Wurmlöcher wurden schon als hypothetische Einstein-Rosen-Brücken
(gemäss einer Modell-Hypothese von Einstein und Rosen), als Falltüren oder
Einfallstore zu anderen Dimensionen und Universen bezeichnet.
Meine gewagte Hypothese geht von folgender Annahme aus: Neben
den Schwarzen Löchern, die Ihre “verschluckte“ Materie als
Gammastrahlen-Energie gebündelt wie eine Lanze durch ihren Kern in
unser Universum wieder ausstrahlen, soll es angeblich auch Schwarze
Löcher geben, welche die Materie “hineinschlucken“ und ihre enorme
gammastrahlenreiche Energie teilweise sonst wo ausstrahlen. Eventuell in
andere Universen? Ich gebe zu, eine ziemlich spekulative, unbewiesene
Annahme. Sie stützt sich darauf, dass angeblich Schwarze Löcher
108
beobachtet wurden, bei denen keine Rückstrahlung von Gammastrahlen
oder sonstiger Ausstrahlung in unser Universum zu messen sei. Wohin
landet die von diesen Schwarzen Löchern verschluckte höchst verdichtete
Materie und Energie? Gemäss dem Energie-Erhaltungssatz der Physik
verschwindet Energie nicht, sondern sie bleibt immer erhalten.
Hypothetische Verbindungsgänge von Wurmlöchern ähnlichen Schwarzen
Löchern könnten unser Universum, sofern es doppelt oder mehrfach
gefaltet wäre, “durchstechen“. Und entweder unser Universum oder andere
“durchstochene“ bzw. “überbrückte“ Paralleluniversen mit dichtester
Materie bzw. mit enormer Energie “alimentieren“ oder neue Universen
sogar “zünden“. Mit Alimentieren meine ich das erneute Freisetzen von
unserem oder von einem anderen Universum “aufgesogene“ Energie durch
Schwarze Löcher entweder in unser Universum oder in andere Universen.
Mit Energie neu zünden, meine ich das erneute Freisetzen von unserem
oder einem anderen Universum aufgesogene Energie durch Schwarze
Löcher als Ursache der Neuentstehung (Zündung) eines neuen Universums.
Die Schwarzen Löcher unseres Universums und jene anderer Universen
dürften durch ihre Verbindungsgänge nicht nur unser Universum, sondern
auch andere bestehende Paralleluniversen alimentieren und sogar neue
Universen initiieren (zünden). Schwarze Löcher anderer Universen dürften
durch ihre Durchstiche sogar die allererste “Zündung“ des Urknalls unseres
Universums und weiterer neuen Universen verursacht haben.
Dies alles dem physikalischen Energie-Erhaltungsgesetz folgend, gemäss
dem die Gesamtmenge von Materie und Energie aller Universen eine
Konstante ist, die nicht verschwindet, sondern erhalten bleibt. Dies, sofern
ich den Energie-Erhaltungssatz physikalisch richtig verstehe und nicht etwa
falsch interpretiere.
Die enorme Verdichtung von Masse und Energie mehrerer Schwarzen
Löcher, die ihre Energie nicht in ihr eigenes Universum wieder ausstrahlen,
würde also andere Universen alimentieren oder neue Universen zünden. Die
Frage ist, ob die Mega-Energien nur eines Schwarzen Loches oder mehrerer
Schwarzen Löcher für die Zündung des Urknalls unseres Universums oder 109
anderer neuer Universen ausreichen würden. Diese Frage kann ich als Laie
nicht beantworten. Die Antwort müsste von Physikern erst noch theoretisch
durchgerechnet werden.
Was ich aber mit gesundem Verstand zu sagen wage, ist, dass die enorme
von Schwarzen Löchern aufgesogene Materie, die nicht wieder im gleichen
Universum als Energie verstrahlt wird, nicht einfach auf
Nimmerwiedersehen verschwinden kann. Das widerspräche dem Energie-
Erhaltungsgesetz der Physik. Irgendwohin muss die Energie bzw. Materie
aus den Schwarzen Löchern ausströmen bzw. wieder zum Vorschein
kommen. Auch der Ursprung bzw. Ursache des Urknalls unseres
Universums muss von irgendwo gekommen bzw. mit Energie gezündet
worden sein. Bis heute weiss niemand wie und woher.
Ich wage von Schwarzen wurmähnlichen Löchern als nicht versiegende
Energiequellen auszugehen, die ihre Energie entweder in ihr eigenes
Universum oder in andere Universen ausstrahlen. Diese Energiequellen
dürften ihre extreme verdichtete Energien via wurmähnlichen
Durchgangsverbindungen in anderen bestehenden oder neuen
Paralleluniversen wieder freigeben: entweder zur Alimentierung von
bestehenden Universen oder zur Zündung des Urknalls eines neu
entstehenden Universums.
Die weitere Frage wäre dann, was zündet den Urknall dieser anderen
Universen? Meine hypothetische Antwort: ein Kreislauf von Schwarzen
wurmähnlichen Löchern, die mit ihren Durchgangsverbindungen aus
bestehenden Universen wiederum andere Universen alimentieren bzw.
neue Universen zünden. Eine Art “Perpetuum mobile“, das, wie wir aus der
Newtonschen Physik wissen, wegen der mechanischen Reibung physikalisch
unmöglich ist und somit schlussendlich zum Stoppen kommt. Doch auch
wenn es im Weltall irgendwelche Reibungsverluste gäbe, würden diese
sowieso wieder in Wärme=Energie übergehen und dem Weltall erhalten
bleiben; und wahrscheinlich in den Universen als Energie wieder rezykliert
werden, gemäss dem physikalischen Erhaltungsgesetz von Materie und 110
Energie. Wiederum Interpretationen eines Nichtphysikers, der sich,
zugegebenerweise allzu sehr auf rutschigem Parkett wagt.
Unbeantwortet bleibt die Frage: Was war die allererste Ursache für den
Ursprung des obengenannten “Perpetuum mobile“, die den obenerwähnten
Kreislauf von Schwarzen Löchern als zündende und alimentierende
Energiequellen von miteinander verbundenen Paralleluniversen initiierte?
Bei dieser allerletzten Frage gelangt die Wissenschaft wiederum an
ihre Grenzen, deren Überschreitung nur mit dem subjektiven
persönlichen Glauben jedes einzelnen Menschen erfolgen kann.
Meine eigene oben dargestellte Hypothese (1) nenne ich „Die Hypothese
von Paralleluniversen aus Schwarzen wurmähnlichen Löchern.“
Sie würde
(a) die Ursache des Urknalls von neu entstehenden Universen und auch die
Energie-Alimentierung von und aus bereits existierenden Universen durch
die Energie von ausströmenden Schwarzen Löchern hypothetisch erklären.
(b) nicht den Kältetod als das Ende von Universen, sondern stattdessen die
Selbsterhaltung der Materie und Energie des Universums bzw. der
Universen durch die Realimentierung aus der Mega-Energie von Schwarzen
Löchern desselben Universums oder fremder Universen annehmen. Gäbe es
vielleicht sogar einen Zusammenhang der angenommenen Dunklen Materie
bzw. Dunklen Energie mit der verschluckten und höchst verdichteten
Energie der Schwarzen Löcher?
Meine laienhafte Hypothese dürfte von Physikern belächelt werden und
wohl eher falsifiziert denn verifiziert werden. Sie mag zu einfach, naiv und
zu schön sein, um wahr zu sein.
111
Bei der erweiterten Urknallhypothese (Big Bang) (2) nehmen manche
an, dass das Universum expandiert und sich abkühlt: durch den Kältetod
des von der (angenommenen) Dunklen Materie und Energie verursachten
inflationären Ausweitung des Universums. Bis das Universum deshalb
kollabiert (implodiert), um danach gravitationsbedingt wieder zu
expandieren (die sog. Bounce-back-Hypothese). Das Universum erschafft
sich also von selbst immer wieder neu.
(a) diese Hypothese erklärt ebenfalls nicht, was den ersten ursprünglichen
Urknall veranlasste bzw. woher die dazu nötige Energie kam. Sie erklärt
auch nicht, wo die Mega-Energie der nicht in ihrem eigenen Universum
ausstrahlenden Schwarzen Löcher schliesslich “landet“.
(b) Zudem: Ein Kältetod des Universums widerspräche dem Energie-
Erhaltungsgesetz der Physik, es sei denn, dass Teile der Materie und
Energie von Schwarzen Löchern durch deren Ausstrahlung in andere
Universen verloren ginge. Falls die nicht der Fall ist, ist ein Energieverlust
wegen des Energie-Erhaltungsgesetzes nicht möglich. Sollte aber zu viel
Energie der Schwarzen Löcher unseres Universums in andere Universen
ausgestrahlt werden, dann würde nicht genug Energie übrig bleiben, um
den Fortbestand unseres Universums zu sichern und damit wäre ein
Kältetod wahrscheinlich. Es sei denn, unser Universum würde genügend
kompensierende Energie aus den eigenen Schwarzen Löchern oder aus
fremden Schwarzen Löchern von anderen Universen erhalten, die den
Fortbestand unseres Universums sichern.
Eine weitere Hypothese ist jene der Multiuniversen (3): Es könnte sein,
dass sich im Weltall ausserhalb unseres Universums weitere Urknalle
ereignen und sich dadurch neue Universen bilden. Diese Hypothese
betrachtet die Universen als eine Art Seifenblasen in einem gigantischen
Urschaum. Die physikalisch angewandte mathematische Variante der
mehrdimensionalen Stringtheorie, genannt “M-Theorie“, beschreibt die
Hypothese von unserem Universum und anderer Universen als Blasen, die
in einem expansiven elfdimensionalen Multiuniversum treiben. Gemäss 112
diesem Gedankenexperiment entstünden ständig neue Universen. – Nur
erklärt diese Hypothese wiederum (wie die Urknalltheorie) weder
(a) die “zündende“ Ursache des Ursprungs von Multiuniversen noch
(b) den weiteren Ablauf bzw. das Ende dieses Urschaums und seiner Blasen
(Universen) noch wann und wo die aufgesogene Mega-Energie der
Schwarzen Löcher wieder ausströmt. Auch die Bedeutung der
angenommenen Dunklen Materie und Dunklen Energie wird nicht genannt.
Diese Hypothese ist im Grunde genauso unvollständig wie die
Urknalltheorie eines einzigen Universums.
Mir scheint allerdings die Existenz mehrerer parallelen Universen genauso
wahrscheinlich wie die Existenz eines einzigen Universums.
Wie dem auch sei, ich bin der Meinung, dass meine Hypothese (1) die
klassische Urknall-Theorie sowie die Hypothesen (2) und (3) ergänzen
mag. In der klassischen Urknall-Theorie sowie in den Hypothesen (2) und
(3) werden die Bedeutung und der Verbleib der Mega-Energien von
Schwarzen Löchern einfach ignoriert und die Ursache des Urknalls sowie
der Ausgang bzw. das Ende des Universums bzw. der Universen
unbefriedigend erklärt oder teilweise unbeantwortet gelassen.
Meine Hypothese steht und fällt mit der Falsifizierung meiner
Annahme, dass es auch Schwarze wurmähnliche Löcher gibt, die
ihre Energie ausserhalb unseres eigenen Universums wieder
ausstrahlen. Oder anders gesagt, es müsste bewiesen werden, dass
es auch Schwarze Löcher gibt, die ihre Energie nicht nur in
unserem Universum wieder ausstrahlen. Denn dann dürfte man daraus
folgern, dass die Energie irgendwo ausserhalb unseres Universums
ausgestrahlt würde. Wie und wohin wurde in meiner oben dargestellten
Hypothese geschildert.
113
Unabhängig davon, ob meine Hypothese falsifiziert wird, wird man weiter
forschen und neue Hypothesen aufstellen. Auch ich werde mir darüber
weiterhin Gedanken machen.
Ich habe versucht, mich möglichst kurz zu fassen und mich bei den
verschiedensten Themen auf das Wesentlichste zu beschränken. Dies,
obwohl ich weiss, dass man sowohl über dieses Thema als auch über alle
übrigen Themen meines Schreibens fast unendlich lang weiter elaborieren
könnte. Und auf die Gefahr hin durch meine kurze Darstellung die
schwierigen Themen zu oberflächlich und laienhaft (deshalb eventuell
teilweise sogar fehlerhaft) behandelt zu haben.
Als begrenzter Mensch mache ich es mir wahrscheinlich zu einfach. Das
grossartige Universum ist wohl viel komplexer. Wir werden es
wahrscheinlich nie ganz erfassen und nur beschränkt begreifen können.
Trotzdem, irgendwo muss man anfangen. Ich bin zugegebener Massen nicht
die geeignetste Person dazu.
Nichtsdestoweniger habe ich als Laie das innige Bedürfnis, mir eine
eigene Meinung auch über solche Themen zu bilden. Wie Albert
Einstein einmal sagte: „Die Vorstellungskraft oder Fantasie ist
wichtiger als das Wissen.“ Dabei müssen einerseits die Grenzen
zwischen Metaphysik, Mystik und Esoterik bewahrt bleiben, und
andererseits sinnvolle von den sinnlosen Hypothesen auseinandergehalten
werden. Schliesslich sind die sinnvolleren, wahrscheinlicheren Hypothesen
auf ihre Richtigkeit wissenschaftlich zu prüfen oder zu verwerfen, falls sie
sich als falsch erweisen.
Die Physiker mögen mir verzeihen und meine laienhaften Hypothesen
korrigieren bzw. verwerfen.
Bleiben wir bescheiden gegenüber dem komplexen, bewundernswerten
Makrokosmos.
114
Ich wünschte, dass die Leser trotz allem von den dargelegten Erkenntnissen
und Hypothesen profitieren. Diese sollten eine von jedem kritisch zu
beurteilende Ausgangsbasis zur Erweiterung des eigenen Weltbildes bilden.
Und gleichzeitig für die Interessierten eine Anregung sein, daraus weitere,
eigene Gedanken und Schlussfolgerungen zu entwickeln.
In der Erweiterung des Weltbildes, im Aufzeigen der Begrenztheit
und Relativität unserer Erkenntnisse sowie der Subjektivität
unserer Wirklichkeit und derer angeblichen Wahrheiten sehe ich
die Nützlichkeit dieses Kapitels.
Als Übergang bzw. Einführung in das nächste Kapitel meiner Reflexionen
zitiere ich nicht immer wortwörtlich eine von Hans Küng (Professor für
Ökumenische Theologie) im Spiegel Nr. 42/1981 geschriebene Rezension
über das Buch von Hoimar von Ditfurth (vom Fernsehen bekannter
Journalist) Arzt, Naturwissenschaftler und Schriftsteller „Wir sind nicht nur
von dieser Welt“, EBVerlag 1981, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg,
1994 und Dtv 2000:
„Was immer die Bibel und eine statische mittelalterliche Weltschau vom
Anfang der Welt, des Lebens und des Menschen sagen mag, 400 Jahre nach
Kopernikus, 300 Jahre nach Galilei, 200 Jahre nach Kant und 100 Jahre nach
Darwin (allesamt damals vom kirchlichen Lehramt verurteilt), will Ditfurth
auch strenggläubigen römischen Katholiken, protestantischen
Fundamentalisten und naturwissenschaftlichen “Vitalisten“ (die an eine
Lebenskraft glauben) deutlich machen, dass Evolution ein universaler
Begriff ist, der die ganze Wirklichkeit von Welt, Leben und Mensch, der
Kosmogenese, Biogenese und Anthropogenese umfasst.
115
So unvollständig unsere naturwissenschaftliche Welterkenntnis im
Einzelnen sein mag, soviel ist sicher: Das ganze Universum hat historischen
(und damit freilich auch provisorischen!) Charakter. So wie es ist, ist es
nicht gewesen und wird es auch nicht bleiben.
Das Ganze ist ein grosses >Spiel< von Zufall und Notwendigkeit, von
zufälliger Mutation und gesetzmässiger Selektion. >Naturgesetze steuern
den Zufall<, wie der Biologe Manfred Eigen formulierte. Oder im Sinne der
Quantenmechanik und Molekular-Biologie gegen Einsteins Spruch >Gott
würfelt nicht<: Gott würfelt doch, aber nach bestimmten Spielregeln.
Freilich – Gott? Warum hier doch von Gott sprechen? Macht die sich selber
organisierende Materie, die sich selber regulierende Evolution, Gott nicht
überflüssig, wie der Biologe und Atheist Jacques Monod in >Zufall und
Notwendigkeit< gemeint hat?
Selbst das naturwissenschaftliche Weltbild (da sollten Naturwissenschaftler
sich nicht täuschen) lässt die Frage nach Ursprung und Sinn des Ganzen
nicht verstummen, stellt also kurz gesagt die Frage nach Mensch und Gott.
Das Buch dieses engagierten Naturwissenschaftlers scheint der Prognose
engagierter Theologen heute recht zu geben: dass Naturwissenschaft und
Theologie nach einer Periode des feindlichen Gegeneinanders und dann des
friedlich-schiedlichen Nebeneinanders jetzt in eine Periode des kritisch-
dialogischen Miteinanders eintreten.
Wir sind von dieser Welt, aber wir sind nicht nur von dieser Welt! In drei mit
naturwissenschaftlichem Material reich belegten Gedankengängen versucht
Ditfurth deutlich zu machen, wie wissenschaftliche Erkenntnisse den
Grundaussagen der Theologie nicht nur nicht widersprechen, sondern dem
theologischen Weltverständnis neue Wege der Deutung eröffnen können:
Erstens: Evolution und Schöpfungsglaube widersprechen sich nicht, sondern
die Evolution sei eine sich immer noch vollziehende Schöpfung zu
verstehen. – Es bestehe auch keine naturwissenschaftliche Ideologie, die
alle Welträtsel zu lösen und Gott aus der Welt hinauszuerklären
beansprucht. Vielmehr die Einsicht, dass die gesamte kosmologisch-
116
biologisch-anthropologische Entwicklung sich in ihrem Ursprung nicht selbst
zu erklären vermag.
Zweitens: Diese unsere objektive Realität (die es meiner Ansicht nach
sowieso nicht gibt) schliesst eine transzendente Wirklichkeit nicht aus,
sondern lässt die Hypothese einer ganz anderen Wirklichkeit, einer
jenseits unserer Erfahrung, als wahrscheinlich erscheinen: die heute
evolutive Erkenntnistheorie, in der sich die philosophischen Einsichten
Kants und Poppers mit den naturwissenschaftlichen von Konrad Lorenz
verbinden, ist weit weg von der positivistischen Ideologie zu Beginn dieses
Jahrhunderts.“(Fortsetzung weiter unten).
Aus Wikipedia:
Der Positivismus ist eine Richtung in der Philosophie, die fordert,
Erkenntnis auf die Interpretation von „positiven“ Befunden zu
beschränken, also solchen, die im Experiment unter vorab definierten
Bedingungen einen erwarteten wiederholten Nachweis erbringen.
Der Positivismus geht in der Namensgebung und ersten
Institutionalisierung auf Auguste Comte (1798–1857) zurück und wurde
unter diesem und seinen Nachfolgern im 19. Jahrhundert vorübergehend
zu einem weltumspannenden humanistischen Religionsersatz ausgebaut,
der alles Transzendente aus den Überlegungen ausschloss. Zwischen der
erkenntnistheoretischen Position, die vor allem die
Wissenschaftsdiskussion auf sich zog, und dem institutionalisierten
Positivismus, der einen Religionsersatz anstrebte, entstanden im Verlauf
des 19. Jahrhunderts erhebliche Spannungen.
Fortsetzung zu Zweitens: „Unsere Sinnesorgane bilden nämlich die
Aussenwelt (deren Existenz ausserhalb unseres Bewusstseins wir nur in
einem Vertrauensakt annehmen können!) keineswegs ab, sondern deuten
sie (im Gegensatz zum Positivismus). – Das heisst, wir erkennen die
Wirklichkeit an sich nur partiell, stark vereinfacht, verschwommen. Der
Umfang der realen Welt sowohl im Makrokosmos wie im Mikrokosmos
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überschreitet den Horizont unserer Erkenntnis quantitativ wie qualitativ:
Der von Sternen erfüllte Weltraum – hundert Milliarden Galaxien von der
Grösse unseres Milchstrassensystems allein in dem von uns beobachteten
Teil des Kosmos – stellt sich für die Astrophysik als eine grenzenlose
Endlichkeit oder eine endliche Grenzenlosigkeit dar; und im subatomaren
Bereich kann auch die Quantenphysik >die Wirklichkeit< nur mit
mathematischen Formeln, mit Bildern und Metaphern zu umschreiben
versuchen. – Sowohl die unsere Vorstellung transzendierende
Vierdimensionalität des Raumes wie der paradoxe Korpuskel-Welle-
Dualismus im Innersten der Materie sind zwingende Hinweise darauf, dass
der Raum, in dem wir existieren, in Wahrheit eine – mindestens eine! –
Dimension mehr haben muss, als wir es uns vorzustellen vermögen. Eine
innerweltliche Transzendenz also, die die Frage nach einer total anderen
Transzendenz, von der die Religionen reden, wachruft.- Es gibt in jedem
Fall eine Wirklichkeit jenseits unserer Vernunft, auch wenn nur der Glaube
– und nicht die Beweise der Vernunft – in unserer Wirklichkeit eine
Wirklichkeit Gottes anzunehmen vermag.
Drittens: Diese Welt hat nicht nur einen Anfang (Urknall), sondern auch ein
Ende (wenn überhaupt bzw. nur für uns Menschen?): Wie wird es
aussehen? Gegen das fast unausrottbare anthropozentrische
(vorkopernikanische) Vorurteil, gegen allen menschlichen
Mittelpunktswahn, ist aufgrund neuerer Forschungen anzunehmen, dass
die Evolution auch auf anderen unter den unzählbaren Planetenmilliarden
zur Entwicklung von Leben und Bewusstsein geführt hat und somit zur
Existenz ausserirdischer, nichtmenschlicher intelligenter Lebewesen.
Gegenüber solchen Lebewesen, aber auch gegenüber unseren eigenen
Nachkommen, in deren Grosshirnrinde nach einigen Jahrhunderttausenden
neue Gehirnzentren entstanden sein mögen, erscheinen wir vielleicht
geradezu als die Neandertaler der Zukunft. Jedenfalls haben wir das Tier-
Mensch-Übergangsstadium noch nicht hinter uns und das Stadium des
Homo sapiens in Wirklichkeit noch vor uns.
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In der bisher letzten Phase der kosmischen Geschichte hat sich neben
Energie und Materie vor allem das Psychische als bis dahin unbekannte
Kategorie entwickelt: die unterschiedlichen Grade des Bewusstseins (das
teilweise auch Tiere haben) und besonders das Geistige, das aber
gebunden erscheint an das materielle Gehirn. Wie entstand der Geist?
Ditfurth möchte keinen idealistischen Standpunkt vertreten, nach welchem
ein ewiger Geist die Materie zeugte (Materie also Produkt des Geistes).
Freilich auch keine materialistische Sicht, der zufolge eine ewige Materie
den Geist hervorbrachte (der Geist Produkt der Materie). – Vielmehr wirbt
er für eine dualistische Auffassung, eine Parallelität (und Wechselwirkung)
von Geist und Materie, nach welcher der Geist selbstständig und
unabhängig von der Materie gegeben ist, und zwar aufgrund von
Möglichkeiten oder Prinzipien, die schon vor unseren Hirnen existierten, ja,
die von Anfang zusammen mit den Elementarteilchen, den
Naturkonstanten und Naturgesetzen vorhanden waren: Möglichkeiten oder
Prinzipien des Geistes, die als der Widerschein jener transzendentalen
Ordnung aufzufassen sind, ohne die es in der Welt keine geordneten
Strukturen gäbe. – In solcher Sicht hätte die Evolution es fertiggebracht,
unser Gehirn auf einen Entwicklungsstand zu bringen, der in ihm einen
ersten Reflex des Geistes einer jenseitigen Wirklichkeit entstehen lässt.“
Ich (Hans Küng) gestehe, dass mich der dritte Gedankengang seines
Buches, dem zumindest der Systematiker insgesamt eine etwas strengere
systematische Durchstrukturierung gewünscht hätte, nicht in gleicher
Weise überzeugt wie die beiden ersten. Von den Schwierigkeiten gegen
den psycho-physischen Parallelismus einmal abgesehen.
Meine Bemerkung: Der von Ditfurth vertretene Dualismus (Geist
unabhängig vom Gehirn) lässt unerklärt, wie denn der Geist auf die
Materie wirkt, ohne mit den Naturwissenschaften (Kausalität,
Energieerhaltung usw.) in Konflikt zu geraten.
Hans Küng führt seine Rezension weiter fort: „Die Gottesfrage stellt sich
erst recht: alles aus nichts und für nichts?“ Meine Reflexionen darüber als
Entgegnung: Die Sinnfrage ist für die Natur irrelevant, höchstens der 119
instinktive Sinn des Überlebens zwecks Fortpflanzung bei den Lebewesen.
Für uns Menschen liegt es an jedem Einzelnen von uns, seinen eigenen
Sinn zu suchen und so auszuüben, dass er selber und seine Mitmenschen
glücklich werden. Unabhängig von uns Menschen waltet die Natur
zwischen Zufall und der biologischen, entwicklungsbedingten
Notwendigkeit, gemäss Jacques Monod, Darwin und Richard Dawkins.
Nichtsdestoweniger die Frage bleibt, woher die biologische Notwendigkeit
und die allererste Ursache des Weltalls stammen. Die wird durch das das
„Nicht wissen können“ des Agnostikers oder sonst nur durch den Glauben
oder das „Nicht glauben“ des Atheisten beantwortet.
Schlussworte der Rezension von Hans Küng:
„Es gibt nicht zwei Wahrheiten; das geistige Schisma zwischen
Naturwissenschaft und Religion ist aufzuheben, und Ditfurths Buch ist eine
Herausforderung dazu. Eine Herausforderung sowohl für jene Theologen
und Kirchenmänner, die naturwissenschaftliche Fragen und Ereignisse für
irrelevant halten, wie für jene Naturwissenschaftler, für die philosophisch-
theologische Fragen uninteressant sind.
Ja, wir sind nicht nur von dieser Welt. Der vor ca. 25 Jahren verstorbene
Naturwissenschaftler Hoimar von Ditfurth (1921-89) optiert – zwischen
Atheismus und Fundamentalismus – klar für eine religiöse Weltdeutung,
deren bildhafte, metaphorische, mythologische Aussagen freilich nicht
wörtlich historisierend, im Widerspruch zu naturwissenschaftlichen
Ergebnissen verstanden werden dürfen. – Gottesglaube wird so für den
Naturwissenschaftler nie eine Sache des rationalen Beweises sein,
hoffentlich aber auch nie nur eine der irrationalen Stimmung, wohl aber
eine Sache des Vertrauens, und zwar – und dies bestätigt Ditfurths Buch
höchst eindrücklich – des durchaus vernünftigen Vertrauens. Denn um
kein Haar besser als die Liebe, die blind macht, wäre der Glaube,
der blind macht;“ oder eine Wissenschaft, die überheblich und
absolut statt, von ihrer Begrenztheit bewusst, bescheiden auftritt,
füge ich im Sinne aller bisherigen Reflexionen hinzu, obwohl ich
nicht mit den Schlussfolgerungen Ditfurths übereinstimme.120
Nützlicher Überblick:
Erkenntnistheorieaus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dieser Artikel behandelt die philosophische Disziplin Erkenntnistheorie bzw. Epistemologie, in der es um die Bewertung und Begründbarkeit von Erkenntnis geht. Siehe auch den grundlegenden Artikel Erkenntnis, sowie den Artikel Épistémologie für die französische Strömung des 20. Jahrhunderts, die sich eingehender mit historischen Wissenformationen, „Epistemen“, befasste.
Die Erkenntnistheorie oder Epistemologie ist ein Gebiet der Philosophie, welches sich mit Fragen der Art befasst, wie Wissen zustande kommt, welche Erkenntnisprozesse denkbar sind, wie Wissen unter den verschiedenen Voraussetzungen begründet ist, und woran man erkennt, dass Wissen tatsächlich aufgrund von Erkenntnis angeboten wird. Von Interesse ist hier vor allem, welche Art von Zweifel an welcher Art von Wissen grundsätzlich bestehen kann.
Inhaltsverzeichnis
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1 Begriff o 1.1 Bedeutung als kritischer Metadiskurs o 1.2 Feld der wissenschaftlichen Methoden- und Theoriereflexion o 1.3 Debatte von historischer Signifikanz
2 Ein Diskurs der politisch pluralistischen Stadtstaaten: Erkenntnistheorie in der Antike o 2.1 Vorsokratische Philosophie o 2.2 Platon (427–347 v. Chr.) o 2.3 Aristoteles (384–322 v. Chr.)
3 Gnostik und christliche Spätantike 4 Teilgebiet der Theologie: Erkenntnistheorie im Mittelalter 5 Die Verlagerung theologischer Debatten: Erkenntnistheorie in der Frühen Neuzeit
o 5.1 Rationalismus 5.1.1 René Descartes (1596–1650) 5.1.2 Gegenpositionen: Hobbes (1588–1679) und Shaftesbury (1671–1713) 5.1.3 Baruch Spinoza (1632–1677) 5.1.4 Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716)
o 5.2 Empirismus 5.2.1 John Locke (1632–1704) 5.2.2 David Hume (1711–1776)
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o 5.3 Idealismus 5.3.1 George Berkeley (1685–1753) 5.3.2 Immanuel Kant (1724–1804)
6 Erkenntnistheorie im Zeitalter der Nationalstaaten: 19. und frühes 20. Jahrhundert o 6.1 Von Hegel bis Schopenhauer: Rezeption und Zersplitterung des Idealismus o 6.2 Von Marx bis Lenin: Dialektischer Materialismus o 6.3 Von Comte bis zu Mach und dem Wiener Kreis: Positivismus o 6.4 Von Wittgenstein bis in den Poststrukturalismus: Der „Linguistic Turn“
7 Zwischen Konstruktion und Dekonstruktion von Wissensformationen: Aktuelle Debattenlandschaft
o 7.1 Die auf die kulturelle Konstitution von Wissen ausgerichtete Diskussion 7.1.1 Strukturalismus und Poststrukturalismus 7.1.2 Systemtheorie
o 7.2 Die auf den Erkenntnisapparat und die Informationsverarbeitung ausgerichtete Diskussion
7.2.1 Evolutionäre Erkenntnistheorie 7.2.2 Künstliche-Intelligenz-Forschung 7.2.3 Renaissance der Philosophie des Geistes
o 7.3 Die auf die Theorie der Wissenschaften ausgerichtete Diskussion 7.3.1 Wissen muss handhabbar bleiben: Pragmatismus 7.3.2 Anything goes: Optionen des Methodenpluralismus
8 Zitate 9 Siehe auch 10 Literatur 11 Weblinks 12 Einzelnachweise
Epistemologie (von griechisch ἐπιστήμη, epistéme – Erkenntnis, Wissen, Wissenschaft und λόγος, lógos – auch Wissenschaft, Lehre) ist eine auf das Griechische zurückgreifende Wortbildung. Das deutsche Wort Erkenntnistheorie wurde erst Mitte des 19. Jahrhunderts gebräuchlicher, als sich ein praxisorientierter untheoretischer Umgang mit Erkenntnis in den Naturwissenschaften vom philosophischen theoretischen abspaltete. Die Auseinandersetzung mit Immanuel Kant (namentlich die Arbeiten Wilhelm Traugott Krugs) hatten den Begriff dabei Anfang des 19. Jahrhunderts vorformuliert. Philosophen wie John Locke und David Hume hatten im 17. und 18. Jahrhundert über das „Human Understanding“ (das menschliche Verstehen) ihre Grundlagenwerke geschrieben und sich dabei bereits in einer in die antike Philosophie zurückreichenden Tradition gesehen.
Die Begriffsbildungen auf Gnosis (von altgriechisch γνωσις, gnosis, Erkenntnis) in neugriechisch Γνωσιολογία[5] und spanisch Gnoseología[6] verweisen auf die philosophische Debatte der Spätantike zurück (dazu eingehender das Kapitel Gnostik und christliche Spätantike).
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