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FOTO: SCHREYER SELTENE KRANKHEITEN Februar 2012 ZU SELTENEN KRANKHEITEN 5 FACTS Überblick Die Vielzahl der seltenen Krankheiten Betroffenenbericht Ein Leben mit Niemann Pick C Forschung Mehr Lebensqualität dank Fortschritt Statements Aus Politik und Gesellschaft EINE THEMENZEITUNG VON MEDIAPLANET INTERNATIONALER TAG DER SELTENEN KRANKHEITEN IN DER SCHWEIZ Thema : Solidarität SAMSTAG, 25. FEBRUAR 2012 VON 9:30 BIS 17:00 UHR UNIVERSITÄT LAUSANNE, AULA AMPHIMAX 350 Route de la Sorge | 1015 Lausanne STRAHLENDE KINDERAUGEN SIND DER GRÖSSTE LOHN Christa Rigozzi spricht über ihre Rolle als Patin für Menschen mit Erbkrankheiten. Dabei betont sie, dass Solidarität eine Selbstverständlichkeit sein sollte. ANZEIGE

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Foto: Schreyer

seltene krankheiten

Februar 2012

zu Seltenen KranKheiten

5FactS

ÜberblickDie Vielzahl der seltenen Krankheiten

BetroffenenberichtEin Leben mit Niemann Pick C

ForschungMehr Lebensqualität dank Fortschritt

StatementsAus Politik und Gesellschaft

EiNE ThEMENzEiTuNG VoN MEDiAPLANET

INTERNATIONALER TAG DER SELTENEN KRANKHEITEN IN DER SCHWEIZ Thema : Solidarität

SAMSTAG, 25. FEBRUAR 2012 VON 9:30 BIS 17:00 UHR

UNIVERSITÄT LAUSANNE, AULA AMPHIMAX 350Route de la Sorge | 1015 Lausanne

Strahlende Kinderaugen Sind der gröSSte lohn

Christa Rigozzi spricht über ihre Rolle als Patin für Menschen mit erbkrankheiten. Dabei betont sie,

dass Solidarität eine Selbstverständlichkeit sein sollte.

anzeige

2 · FEBruAr 2012 EinE ThEmEnzEiTung von mEdiaplanET

seltene Krankheiten sind bisher keine Priorität im Schweizer Gesund-heitswesen. Das Wissen über seltene Krankhei-ten sowie deren Aner-kennung ist vielerorts

noch gering und muss deshalb geför-dert werden. Nicht zuletzt gilt es auch, den Wissenstransfer, den Informati-onsaustausch sowie die Vernetzung der im Bereich seltener Krankheiten täti-gen Fachpersonen zu verbessern. Ne-ben der aktuellen Mitgestaltung von Projekten will die Interessengemein-schaft Seltene Krankheiten Politik, Ver-waltung, Medien und die Öffentlichkeit für die Thematik sensibilisieren und den Anliegen der betroffenen Patien-ten besser Gehör verschaffen. In mei-nem Postulat vom November 2010 wird der Bundesrat explizit aufgefordert, ei-ne nationale Strategie mit Massnah-menplan zum Thema seltene Krankhei-ten zu erarbeiten. Der Bundesrat hat das Postulat angenommen und in der Folge das Bundesamt für Gesundheit beauf-tragt, einen entsprechenden Vorschlag auszuarbeiten. Ein positives Zeichen! Die IG selber will die Verwaltung in ih-rer Arbeit unterstützen.

Keine ungleichbehandlungZu den Fakten: Rund sechs bis acht Pro-

zent der Bevölkerung erkranken im Lau-fe ihres Lebens an einer seltenen Krank-heit. Über viele seltene Krankheiten sind aber nur wenige Informationen verfüg-bar und selbst Fachpersonen sind die-se oft unbekannt. Bei vielen Erkrankten wird erst nach mehrjährigen diagnosti-schen und therapeutischen Verfahren endlich die richtige Diagnose gestellt. Damit sind nicht nur Ungewissheit und Leiden verbunden, sondern auch ver-meidbare Kosten im Gesundheitswesen. Arzneimitteltherapien müssen meist im Off-Label-Bereich durchgeführt werden, was zu Ungleichbehandlungen beim Zu-gang und bei der Finanzierung führt. Es liegt dann im Ermessen der Kranken-versicherer, ob sie eine Therapie finan-zieren wollen oder nicht. Diese Rechts-unsicherheit muss beseitigt werden. Es gibt in diesem Zusammenhang bereits ein Bundesgerichtsurteil. Über die Beur-teilung des konkreten Falls hinaus hatte das Bundesgericht grundsätzliche Über-legungen zu Kosten-Nutzen und den Höchstkosten einer Behandlung ange-stellt und den Betrag von 100 000 Fran-ken «pro gerettetes Jahr» als angemes-sen bezeichnet.

eine nationale StrategieDie Konsequenzen dieses Entscheids können für Patienten ebenso fatal wie gravierend sein. Es ist absehbar, dass mit

«Ein Kranker ist für seine Pathologie ein Experte, ein Spezialist mit unvergleichbarer Erfahrung.»

esther neiditsch Präsidentin ProRaris

WiR emPfehlen

SEiTE 11

Challenge

PD Dr. luisa Bonafé Die Kinderärztin und Spezialistin für angeborene Stoffwechselerkrankungen spricht über PKu

nur vertiefte Forschung führt zum zielThomas B. Cueni über die komplizierten Prozesse von der Diagnose bis zum medikament S. 13

entscheidende Fortschritte sind möglich Pascale Vonmont über forschungsprojekte im Bereich seltener erkrankungen S. 15

S. 12

rechtSgleichheitMenschen mit seltenen Krankheiten müssen im gesundheitssystem eingebunden werden und eine gleichberechtigte Behandlung erlangen.Foto: ShutterStock

Bei der IG Seltene Krankheiten steht der Patient im Mittelpunkt. Patienten mit einer seltenen Krankheit haben mit vielfältigen herausforderungen zu kämpfen – von der Diagnose über den Zugang zu Therapien bis zur Vergütung der Behandlung durch die Krankenversicherer. Beseitigt werden müssen auch Rechtsunsicherheiten.

es braucht politischen DruckReferenz auf den Bundesgerichtsent-scheid generell für Patienten mit einer seltenen Krankheit Kostengutsprachen für teure Therapien künftig verweigert werden könnten. Selbstverständlich müssen Kosten-Nutzen-Überlegungen insbesondere auch bei teuren Therapi-en angestellt werden. Die dazu notwen-digen Kriterien müssen aber von der Po-litik vorgegeben und vom Bundesamt für Gesundheit in Zusammenarbeit mit Fachleuten konkret umgesetzt werden. Es kann nicht angehen, dass die Kran-kenversicherer frei entscheiden kön-nen, ob sie die Kosten für eine Therapie übernehmen. Das verstösst gegen das Gleichbehandlungsprinzip. Wir fordern deshalb mit Nachdruck eine nationale Strategie und einen Massnahmenplan zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation von Menschen mit seltenen Krankheiten: Den betroffenen Patienten muss ein rechtsgleicher Zugang zu Dia-gnostik und wirksamen Therapien ge-währleistet werden. Während die EU im Bereich der seltenen Krankheiten eine aktive Politik verfolgt, fällt die Schweiz im Vergleich zurück. Diesen Rückstand müssen wir aufholen. In dieser Themen-zeitung von MEDIAPLANET wird an-hand verschiedener Beiträge aufgezeigt, dass wir dieses Ziel aber nur erreichen können, wenn alle Akteure im Gesund-heitswesen sinnvoll kooperieren.

«Die notwendigen Kriterien müssen von der Politik vorgegeben und vom Bundesamt für Gesundheit konkret umgesetzt werden.»

gesellsChafT

ruth humbelPräsidentin iG Seltene Krankheiten und CVP-Nationalrätin, Aargau

mit freunDliCher unterstützung

selTene KRanKheiTen, ZWeiTe aUsgaBe, feBRUaR 2012

Managing Director: frederik Colfacheditorial Director: Viola hofmannSub-editor: Daniel stauffer

Project Manager: Karolina glebickitel.: +41 (0)43 888 73 18e-Mail: [email protected]

Distribution: Tages-anzeiger

Druck: Tamedia

Kontakt bei Mediaplanet: eliane Knechttel.: +41 43 540 73 03e-Mail: [email protected] us on Facebook and twitter:

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We make our readers succeed!

Das Ziel von mediaplanet ist, unseren lesern qualitativ hochstehende redaktionelle inhalte zu bieten und sie zum handeln zu motivieren. so schaffen wir für unsere inserenten eine Plattform, um Kunden zu pflegen und neue zu gewinnen.

Schlüssel zu hoch differenzierten Medikamenten Von 10 Patienten mit derselben Behandlung profitiert im Schnitt etwa die Hälfte. Bei den anderen zeigt sich kein Effekt oder sie erleiden sogar unerwünschte Wirkungen. Alle Patienten nach dem «Giesskannenprinzip» gleich zu behandeln, entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen. Demgegenüber stellt die «personalisierte Medizin» zielgerichtet Therapien bereit, die für definierte Patientengruppen massgeschneidert sind.

Was bedeutet für Sie PHC?Prof. Reinhard Dummer*: Für eine zielgerichtete, gutverträgliche Krebs-behandlung ist es entscheidend, alle relevanten Informationen zusam-menzutragen, die dann massgeschneidert auf die betroffene Person in die Therapieentscheidungen einfliessen. Die Behandlungsentschei-dungen bei einem Patienten mit einer fortgeschrittenen Hautkrebser-krankung sind ein gutes Beispiel für den gegenwärtigen Stand der PHC. Früher genügte der Nachweis von Ablegern in inneren Organen zur Therapieentscheidung. Heute benötigen wir eine genaue Diagnostik zur Verteilung von Ablegern und Informationen zum Tumorgewebe wie ge-netische Veränderungen. Dadurch haben wir die besten Chancen, eine wirksame Behandlung einzuleiten und weitere Behandlungsoptionen im Falle eines Therapieversagens vorzubereiten.

Was für einen Nutzen bringt PHC dem Patienten?Für den Patienten bedeutet dieser Ansatz, dass bereits beim Nachweis von Fernablegern ein massgeschneidertes Behandlungskonzept ent-wickelt wird. Die initiale Behandlung hat optimierte Erfolgsaussichten mit konkreten positiven Auswirkungen auf die Lebensqualität.

«Es ist wichtiger zu wissen, welche Person eine Krankheit hat, als zu wissen, welche Krankheit eine Person hat.» So belehrte Hippokrates, der berühmteste Arzt der Antike, seine Schüler und stellte damit den Menschen und nicht die Krankheit ins Zentrum der Heilkunst. Der mo-derne Begriff dafür lautet «Personalised Healthcare» (PHC) und dieser Ansatz ermöglicht eine Revolution, die auf der Einsicht der Wissen-schaft beruht, dass Menschen wie auch Krankheiten unterschiedlich sind. Grundlage dieses neuen differenzierten Ansatzes sind die Er- kenntnisse der modernen Forschung, die das Entstehen von Krankheiten zurückverfolgen können und spektakuläre Einsichten in die Komplexität der Ursachen für Krankheiten erlauben. Personalisierte Medizin ist ein zentrales Konzept, um Medikamente mit höherer Wirksamkeit und Si-cherheit zu entwickeln.

Aus Vision wird Wirklichkeit Dass die personalisierte Medizin nicht einfach nur eine Vision, sondern auch Wirklichkeit ist, dafür steht Roche als Unternehmen. So hat es diese Strategie seit Jahren konsequent in alle Entwicklungsschritte mit einbezogen und in der Onkologie wie auch in der Virologie konkrete Erfolge damit erzielt. Mit der personalisierten Medizin ist das Verständ-nis der Krebserkrankungen enorm gestiegen. Es können verschiedene Subtypen der Krankheit unterschieden werden, welche unterschiedlich behandelt werden müssen und die wiederum für sich eine eigene seltene Erkrankung darstellen. Roche hat sich auf diesem Gebiet der seltenen Krankheiten spezialisiert und schafft viel Mehrwert für Betroffene - die Option einer gezielten Therapie schenkt Vertrauen und eine bessere Lebensqualität.

Bei der personalisierten Medizin stehen sowohl die Optimierung der Ver-sorgung der Patienten als auch eine effizientere Entwicklung neuer Tests und Medikamente im Vordergrund.

Die personalisierte Medizin ist ihr Geld wert Die personalisierte Medizin bietet Vorteile für alle Interessengruppen im Ge-sundheitswesen - allen voran den Patienten, die damit von einer optimal auf sie zugeschnittenen Behandlung profitieren, den Ärzten in Form eines maxi-malen Nutzens und minimaler unerwünschter Wirkungen, den Kostenträgern im effizienten Einsatz vorhandener Mittel und den Behörden in der höheren Wirksamkeit und Sicherheit. Auch für Thomas D. Szucs, Direktor des European Center of Pharmaceutical Medicine an der Universität Basel und Verwaltungs-ratspräsident der Helsana-Gruppe, stellt die personalisierte Medizin eine gute Gelegenheit dar, die Effizienz zu verbessern: «Mit der personalisierten Medizin kann man die medizinische Versorgung gezielter und effizienter gestalten. Folg- lich wird sie nicht nur die Therapie optimieren sondern die gezielte Behand-lung hat auch positive Auswirkungen auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis. Es kann nicht sein, dass wir für Behandlungen bezahlen, von denen wir wissen, dass die Hälfte der Patienten darauf nicht anspricht. Es lässt sich empirisch zeigen, dass die personalisierte Medizin ihr Geld wert ist.»

Facts• PHC stellt zielgerichtete Therapien bereit, die für definierte

Patientengruppen massgeschneidert sind.• Der PHC Ansatz beruht auf der Erkenntnis, dass Menschen

wie auch Krankheiten unterschiedlich sind. • Dank PHC profitiert der Patient von einer optimal auf

ihn zugeschnittenen Behandlung.

«Jeder dritte Schweizer und jede vierte Schweizerin erkrankt im Laufe des Lebens an Krebs. Die Diagnose Krebs ist immer ein grosser Schock - akzeptieren zu müssen, dass der Krebs im eigenen Leben Einzug gehalten hat, sich plötzlich in einer Situation sehen, die man immer verabscheut hat … eine gezielte Behandlung kann dem Patienten eine innere Sicherheit und damit eine verbesserte Lebensqualität geben.»

*Prof. Dummer ist Stellvertretender Direktor der Dermatologischen Klinik Universitätsspital Zürich sowie Ausserordentlicher Professor der Universität Zürich

Quelle: Roche

www.fst.ch

Seit 1982 ist Stiftung FST im Bereich der Technologien für Menschen mit Behinderung für Sie tätig. Es waren 30 ereignisreiche Jahre, in denen wir viel erfahren und erlebt haben.An unseren Erfahrungen und Erlebnissen und denen ausgewählter Benutzer möchten wir Sie an 3 Veranstaltungen teilhaben lassen. Feiern Sie mit uns!

BEATRICE AUS FRIBOURG

Barrieren überwinden mit Hilfsmitteln der Stiftung FST.

FST Nottwil Tel +41 41 939 62 [email protected]

FST Basel Tel +41 61 325 07 [email protected]

FST Zürich Tel +41 44 310 59 [email protected]

FST LuganoTel +41 91 786 87 [email protected]

FST HauptsitzCharmettes 10b - CP | CH – 2006 Neuenburg 6Tel +41 32 732 97 97 | Fax +41 32 730 58 63 | [email protected]

KOSTENLOSE WEITERBILDUNGSEVENTS

Zürich 2.6.2012Basel 1.9.2012Nottwil 3.11.2012

Mucopolysaccharidose, kurz MPS, ist eine Gruppe seltener angeborener Stoffwechselerkrankungen. Kinder, die mit dieser Krankheit geboren werden, können ein lebensnotwendiges En-zym nicht bilden. In der Folge häufen sich Mucopolysaccharide in den Zellen einzelner Organe wie Herz, Leber, Milz, Haut und Nervensystem an und führen zu gravierenden Schäden bis hin zum Tod. Der Verein MPS ist eine Selbsthilfegruppe, in der Eltern und Betroffene sich gegenseitig unterstützen, Beratung und Hilfe vermitteln und Information an Interessierte weitergeben.www.verein-mps.ch

Die SFK wurde 1994 gegründet durch eine Privatinitiative, aus ei-gener Betroffenheit. Sie ist von sämtlichen Steuern befreit und steht ehrenamtlich rund um die Uhr mit ihren Hilfeleistungen an Leukämie- MDS- Multiplem Myelom- und Lymphom erkrankten Menschen, Kindern und ihren Familien mit Rat und Tat zur Seite. Seit 2001 führt die SFK monatliche SOS-Treffen in sieben Städten der Deutschschweiz durch. Jeden Sommer gibt es Gesamttreffen mit medizinischen Workshops und Freude am Zusammensein.www.knochenmark.ch

Die Hämophilie ist eine angeborene Störung der Blutgerinnung. Die Krankheit beeinflusst das Schul-, Berufs- und Sozialleben der betroffenen Person wesentlich, sie erfordert eine grosse Diszip-lin sowie Verständnis aus dem Umfeld. In der Schweiz leben etwa 800 Personen mit Hämophilie oder anderen Gerinnungsstö-rungen. Die Schweizerische Hämophilie-Gesellschaft informiert ihre Mitglieder und organisiert Veranstaltungen und Treffen, um den gegenseitigen Erfahrungsaustausch zu fördern. www.shg.ch

Die svai fördert die Forschung, Diagnose und Therapie im Bereich der angeborenen Immunde-fekte. Sie informiert die Öffentlichkeit über Immundefekte und sensibilisiert sie für die Anliegen betroffener Menschen. Patienten, Eltern und Familienangehörige werden in betreuerischen, erzieherischen, sozialen und rechtlichen Fragen unterstützt. In Härtefällen leistet die svai finanzielle Hilfe für die Behandlung und Pflege von Menschen mit angeborenen Immundefekten. Für Fragen steht Ihnen der Präsident Sergio Vassalli gerne zur Verfügung: T +41 44 435 38 00 [email protected]

Patientenorganisationen sind unabdingbar für den Dialog und die Gesetzgebung

Stiftung zur Förderung der Knochenmarktransplantation www.knochenmark.ch

4 · FEBruAr 2012 EinE ThEmEnzEiTung von mEdiaplanET

inspiration

■■ Wie hilft die Spitex betroffenen Kindern in ihrem elternhaus?Nachdem wir den entsprechenden Auftrag vom Spital erhalten haben,

werden erst mal gewisse Fixpunkte abgeklärt. Zum Beispiel die Frage, ob das Kind Medikamente immer zu ei-nem bestimmten Zeitpunkt erhalten muss. Wenn wir dann vor Ort sind, ist es neben den einzelnen Anwendungs- und Behandlungsaspekten auch un-sere Aufgabe, die Eltern entsprechend anzuleiten, denn trotz unserer Arbeit bleibt für die Eltern natürlich immer noch ein Grossteil der Pflege übrig.

Unterscheiden muss man auch zwi-schen Patienten, bei denen die Heilung als Behandlungsziel im Vordergrund steht und unheilbaren Patienten, deren Beschwerden wir lindern helfen.

■■ Was ist wichtig beim Kontakt mit den Familien?Einerseits ist man für die Eltern ein sehr wertvoller Ansprechpartner, der

zu hause wird man

Mael ist krank, todkrank. Mael ist aber auch ein ganz normales Kind. ein Kind, das träume hat und einfach nur gross werden möchte. Dieser gegensatz dominiert unser Familienleben. Die gratwanderung zwischen normalität und der täglichen zerreissprobe ist eine grosse herausforderung.

Unser fast vierjähriger Mael sitzt auf dem Boden im Haus und spielt. Zu-sammen mit seinem zweijährigen Bruder Lian füttert er die Tiere im Le-go-Zoo. Im Hintergrund strampelt der jüngste Spross: Nevin, drei Monate alt. Das scheinbar idyllische Familienbild wird jedoch überschattet. Im Novem-ber 2009 wurde uns die Botschaft über-bracht, dass unser Sohn an der sehr seltenen und unheilbaren Erbkrank-heit Niemann Pick leidet. Die beste-hende Hoffnung auf den milden Typ B wurde ein halbes Jahr später jäh zer-stört. Mael leidet an Typ C. Patienten mit seinem Typ haben eine Lebenser-wartung zwischen 10 und 20 Jahren.

Frühzeitige DiagnoseBei Mael wurde die Diagnose aufgrund seiner stark vergrösserten Milz relativ früh gestellt. So gesehen ein Glücksfall. Eine frühe Diagnose bringt Eltern ers-tens Klarheit und zweitens die Möglich-keit zu reagieren. Sie macht aber das Le-ben nicht nur einfacher. Denn Mael ist jetzt noch ein scheinbar gesundes Kind und er hat Pläne und Träume, die wohl nie in Erfüllung gehen werden. Denn die Krankheit ist bereits jetzt sichtbar und sie wird fortschreiten. Schleichend, aber gewiss. Mael ist ein aufgestellter und glücklicher Junge – seine Welt ist (noch) in Ordnung. Er spürt zwar, dass er etwas langsamer ist, dass er schnell ermüdet und motorisch mit seinen Spielkamera-den nicht mithalten kann. Aber er weiss nicht, dass er eine tödliche Krankheit hat und er früher oder später nicht mehr lau-fen, sprechen, denken, essen und schlu-cken kann. Im Gegenteil: Er freut sich auf die Schule und will Pilot werden. Wir als Eltern leben jedoch jede Minute mit ei-ner inneren Zerrissenheit und der Angst, dass Mael alles, was er jetzt mit Freude und Stolz macht, verlernen wird. Die Zeit,

die er jetzt hat, soll deshalb so schön wie möglich sein. Wir wollen für ihn stark sein. Aber wir geben auch die Hoffnung auf eine möglichst lange Zeit mit ihm, sowie auf ein Wunder nicht auf. Und da-für kämpfen wir.

Mael fördern und stabil haltenSo erhält Mael mit Hilfe der IV auch das zurzeit einzige Medikament, das den Verlauf verlangsamen könnte. Drei Mal täglich schluckt er eine der teuren Pil-len – um gross und stark zu werden, wie er meint. Doch das Medikament scheint zu helfen. Wir sehen keine Rückschrit-te – und das alleine ist bereits ein Erfolg und ein Zeichen der Hoffnung. Nebst der medikamentösen Therapie versuchen wir, Mael so aktiv wie möglich zu halten. Er spielt mit seinen Brüdern, Freunden und Spielkameraden. Er geht aber auch wöchentlich zur Physiotherapie und ins Muki-Turnen, besucht die Spielgruppe, bekommt Besuch von einer Heilpäda-gogin und ab und zu darf er Pony reiten. Er strahlt dabei und ist glücklich. All das hilft ihm, seinen Körper und seinen Geist möglichst lange unter Kontrolle zu hal-ten und damit auch stabil zu bleiben.

Aber auch wir suchen Stabilität und sind deshalb aktiv. Zusammen mit ande-ren betroffenen Familien haben wir den Verein NPSuisse gegründet. Wir sind in-ternational vernetzt, kämpfen für bes-sere Verhältnisse bei seltenen Krank-heiten und unterstützen die Forschung. Diese hat im Bereich von Niemann Pick C (NPC) in den vergangenen Jahren enor-me Fortschritte gemacht. Die Hoffnung auf den ersehnten Durchbruch wird im-mer realistischer.

Das leben im JetztSehr vieles – oder indirekt vermutlich fast alles – in unserem Leben dreht sich um unser todkrankes Kind, das jetzt noch voller Leben ist. Wir machen al-les, um für Mael da zu sein, und schau-en trotz Schmerz und Angst vorwärts –auch wenn das nicht immer einfach ist. Viel Kraft und Zuversicht bekommen wir von unseren Kindern, speziell von unseren beiden gesunden Buben. Aber auch unser näheres Umfeld gibt uns viel Kraft. Das Leben geht weiter, wenn auch nie mehr wie zuvor. Das haben wir als Eltern nach diesem schweren Schicksalsschlag gelernt. Unsere Kinder machen es uns aber jeden Tag vor: Wir leben jetzt – nicht in der Vergangenheit und nicht in der Zukunft. Unsere spie-lenden und glücklichen Kinder sind das Kostbarste, was wir haben.

ruth hostettler Co-Betriebsleiterin der Kinderspitex Bern

Matthias Oetterli

[email protected]

Frage: Wie gehen Eltern damit um, dass ihr Kind an einer unheilbaren Krankheit leidet und früher oder später alles bisher Erlernte wieder verlernen und schwerstbehindert sterben wird?antwort: Am meisten hilft ihnen die Hoffnung, dass das Kind noch möglichst lange glücklich und unbeschwert ist und dass es einen Durchbruch in der Forschung gibt.

todKranK und doch mitten im leben

eS giBt acht nPc-Fälle in Der SchWeiz

1Fact

faCTs

■■ nPc ist eine seltene, vererbte und unheilbare stoffwechselkrank-heit. es gibt ein zugelassenes medikament, das die Krankheit verzögern kann.

■■ Derzeit gibt es in der schweiz acht bekannte Patienten.

■■ nPc-Patienten können ein kör-pereigenes Cholesterin nicht richtig verarbeiten, weshalb sich der stoff in toxischen mengen anhäuft.

■■ Je früher Symptome diagnosti-ziert werden, desto geringer ist in der Regel die lebenserwartung für nPC-Patienten.

■■ nPc-Kinder oder Jugendliche fal-len durch entwicklungsstillstand und

Verlust von bereits erlernten fähigkeiten auf, erwachsene durch Depressionen.

■■ häufige symptome sind: vergrös-serte leber und milz, lernschwierig-keiten, störung der Bewegungskoor-dination, vertikale Blickparese, sprach- und schluckstörungen sowie psychiatrische erkrankungen.

■■ in der schweiz setzt sich der Ve-rein nPsuisse für betroffene nPC-Patienten und deren angehörige ein.

! lesen Sie mehr im internet:

www.npsuisse.ch www.facebook.com/niemannpick www.niemann-pick-c.com

Die seltene Krankheit niemann Pick c

eine stationäre Behandlung von Kindern ist für die betroffenen angehörigen mit grossen Belas-tungen verbunden. Die Mitarbei-ter der Kinderspitex Bern helfen diesen Familien, indem sie die kleinen Patienten zu hause versorgen. So werden Kinder oft schneller gesund.

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Matthias und claudia Oetterli Claudia (32) und matthias (34) Oetterli wohnen mit ihren drei Buben mael (4), lian (2) und nevin (3 monate) in Udligenswil lU. matthias Oetterli ist Radiojournalist, Claudia Oetterli ist gelernte Kommunikatorin fh. inzwischen kümmert sie sich aber vollzeit-lich um die familie.

EinE ThEmEnzEiTung von mEdiaplanET FEBruAr 2012 · 5

ja auch tief in die Privatsphäre der Fa-milie eindringt. Andererseits würde zu viel Nähe unsere Professionalität beein-trächtigen. Wir dürfen keine Privatbe-ziehung eingehen, kein Familienmit-glied werden. Daher ist es in einigen Fällen durchaus ratsam, wenn Kinder von wechselnden Pflegefachfrauen be-treut werden.

■■ Welche Dienste und Kompeten-zen können die eltern und Patien-ten denn erwarten?Bei uns arbeiten nur Pflegefachfrau-en mit einer fundierten Ausbildung und mindestens zwei Jahren Berufser-fahrung im pädiatrischen Bereich. Wir übernehmen die Pflege zu Hause und bieten professionelle Hilfe und Betreu-ung. Eltern können ihre Kinder auch di-rekt bei uns anmelden, der zuständige

Arzt muss aber die pflegerischen Mass-nahmen schriftlich bestätigen und ver-ordnen. Falls keine pflegerischen Mass-nahmen notwendig sind, wird mit der Familie eine andere Lösung gesucht.

Bei der Pflege selbst muss man zwi-schen der Grundpflege, also Hilfe beim Waschen oder dem Toilettengang, und der Behandlungspflege unterscheiden. Bei der Behandlungspflege stehen As-pekte wie Infusionen, Katheter legen oder auch die parenterale Ernährung im Vordergrund.

■■ Worin liegen die entscheiden-den Vorteile der Kinderspitex im Vergleich zu einer rein stationären Behandlung?Stationäre Aufenthalte bringen Stress. Nicht nur für die Patienten, sondern auch für die Eltern, die bei ihren Kindern

bleiben wollen und teilweise 24 Stunden im Spital verbringen. Bei einer Betreu-ung zu Hause kann zumindest etwas Normalität aufrechterhalten werden. Das Kind ist in seiner vertrauten Um-gebung, kann auch seine sozialen Kon-takte pflegen. Dadurch entstehen we-niger psychosomatische Probleme. Die Kombination aus professioneller Pflege, heimischer Umgebung und familiärer Wärme hilft, die Genesung zu beschleu-nigen.

Um diese Betreuung für alle Beteilig-ten zu gewährleisten, investieren wir Kinderspitex-Frauen sehr viel Herzblut. Die grosse Dankbarkeit der Eltern be-stätigt uns immer wieder, dass dieser Weg der richtige ist.

JeNs heNseler

[email protected]

niemann pick C aus ärztlicher sicht

Dr. med. phil. Marianne rohrbachKinderärztin und genetikerin, spezialistin für angeborene stoffwechselerkrankungen, mitglied sgiem und ssiem, arbeitet in der abteilung für stoffwechselkrankheiten am Universitätskinderspital Zürich.

■■ Dr. rohrbach, Sie sind eine der wenigen Personen in der Schweiz, die sich überhaupt mit der Krankheit niemann Pick c (kurz nPc) beschäftigen. Was ist nPc überhaupt?Niemann Pick Typ C ist eine seltene (or-phan), progressiv verlaufende, vererb-te Speicherkrankheit. NPC-Patienten können körpereigenes Cholesterol ins-besondere im Zentralnervensystem und in den inneren Organen nicht rich-tig prozessieren und verarbeiten (Cho-lesteroltrafficking), so dass es in so-genannten Lysosomen innerhalb der Zelle gespeichert bleibt und zu schwe-ren strukturellen und funktionellen Schäden an Zellen und Geweben führt. Derzeit gibt es in der Schweiz acht be-kannte und bestätigte Fälle von NPC.

■■ Wie zeigt sich die Krankheit bei nPc-Patienten?Die klinische Präsentation von NPC ist sehr unterschiedlich. In der Regel kann man jedoch drei Typen unter-scheiden in Bezug auf das Alter und den Schweregrad der Symptome: ei-ne frühkindliche, eine spätkindliche und eine adulte Form. Starke Gelb-sucht bei der Geburt, vergrösserte Le-ber und/oder Milz, Lernschwierigkei-ten, schlaffer Körpertonus, Störung der Bewegungskoordination (Ataxie), Au-genblinzeln oder unwillkürliche Kopf-bewegungen beim Blick nach oben und unten (sog. vertikale Blickpare-se), Sprach- und Schluckstörungen so-wie psychiatrische Erkrankungen ge-hören zu den typischen Merkmalen. Diese Symptome treten in der Regel nicht gleichzeitig, sondern nachein-ander auf; die Stärke und das Alter des Auftretens sind nicht voraussehbar. Kinder oder Jugendliche mit NPC sind

KURZnaChRiChTen

Matthias Oetterli

[email protected]

leBen Mit nPc1. Mael Oetterli (4) mit seinem kleinen Bruder lian (2) am spielen.2. Mael beim Ponyreiten.3. Draussen geniesst Mael das sonnige herbstwetter. 4. Mael ist ein fürsorglicher grosser Bruder. Foto: FamiLie oetterLi

2 3 4

Spezialistin Frau Dr. rohrbach erläutert die selte-ne erkrankung aus der klinischen Perspektive. Sie zeigt, wie unterschiedlich die Krankheit auftreten kann und welche herausforderungen sie in der Betreuung von Patienten mit niemann Pick c erlebt.

zunächst gesund und zeigen norma-le Meilensteine der Entwicklung; erst im Verlauf kommt es plötzlich zu ei-nem Entwicklungsstillstand und zum Verlust von bereits erlernten Fähigkei-ten. Auch Erwachsene präsentieren sich ähnlich, zeigen jedoch häufig zu-sätzlich psychiatrische Symptome. Die Krankheit verläuft immer progressiv und führt teilweise bereits im Kindes-alter zu frühzeitigem Tod.

■■ Kann man nPc behandeln?Eine spezifische Therapie für NPC gibt es zurzeit nicht. Allerdings gibt es ein von der Swiss Medic zugelassenes Me-dikament, das die Krankheit verzögern und stabilisieren kann, sofern die The-rapie frühzeitig begonnen wird. Dieses Medikament unterbindet indirekt die übermässige Speicherung des körper-eigenen Cholesterols, indem die Pro-duktion gewisser Enzyme im Lipid-stoffwechselzyklus verringert wird. Ausserdem gibt es mindestens einen hoffnungsvollen Ansatz, der zurzeit im Tiermodell bereits weit fortgeschritten ist und in den nächsten Jahren den er-sehnten Durchbruch schaffen könn-te. Daneben können Physiotherapien und symptomatische Therapien wie z.B. Medikamente gegen epileptische Anfälle oder Bewegungsstörungen die Symptome lindern.

■■ Welche herausforderungen er-leben Sie in der Betreuung von nPc-Patienten?Das einzige zur Verfügung stehende Medikament für NPC ist sehr teuer. Die Rückerstattung der Medikamen-tenkosten durch Krankenkassen und die IV ist deshalb ein enormes Prob-lem, unter anderem auch weil das Me-dikament nicht auf der Spezialitäten-liste kassenpflichtiger Arzneimittel aufgeführt ist. Weiter sind die klini-schen Symptome von NPC nicht ein-fach einzuordnen. Nicht selten ver-gehen deshalb bis zu 15 Jahre, bis die Diagnose gestellt wird. Für eine er-folgreiche Therapie ist jedoch eine frühe Diagnose erforderlich.

schneller gesund

6 · FEBruAr 2012 EinE ThEmEnzEiTung von mEdiaplanET

news

■ Die SSEM fördert die wissenschaftliche Erforschung von Muskelkrankheiten.

■ Seit Gründung der SSEM vor über 25 Jahren hat die Stiftung 122 Forschungsstipendien in der Höhe von 19,9 Mio. Franken finanziert, davon 2/3 in der Deutschschweiz.

■ Die Fortschritte im Bereich der Erforschung von Muskelkrankheiten ermöglichen heute klinische Studien mit Betroffenen.

■ Um Medikamente für Betroffene auf den Markt zu bringen, muss weiter in die Forschung investiert werden. Unsere Mittel sind begrenzt.

www.ssem.ch PC-Konto: 30-13114-3

0

500'000

1'000'000

1'500'000

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2'500'000

3'000'000

3'500'000

4'000'000

4'500'000

5'000'000

5'500'000

6'000'000

Bâle Berne Zurich Genève Lausanne

CHF

Verteilung der Stipendien pro Universität (Stand 2011)

Helfen Sie mit, die Erforschung von Muskelkrankheiten voranzutreiben:

Herzlichen Dank!

Helfen via SMS Senden an die Nr. 339, Stichwort «SSEM», gefolgt vom Betrag

anzeige

Die «Myopathien» oder «neuromuskulä-ren Erkrankungen» sind seltene Krank-heiten, die weniger als eine von 2000 Personen betreffen. Viele dieser Erkran-kungen sind genetisch bedingt, fort-schreitend und zum jetzigen Zeitpunkt nicht behandelbar. Der Schwund von Skelettmuskulatur und eine womöglich einhergehende Schwäche der Atem- und Herzmuskulatur können tödlich verlau-fen. Diese Erkrankungen betreffen un-gefähr 10 000 Kinder und Erwachsene in der Schweiz. Die bekanntesten kind-lichen neuromuskulären Erkrankungen sind die Muskeldystrophie Duchenne und die spinale Muskelatrophie.

Der ForschungsstandIn den letzten 25 Jahren hat die Erfor-schung der Muskelkrankheiten sehr grosse Forschritte erzielt, die der mo-lekularen Biologie zu verdanken sind. Diese erlaubte die Entschlüsselung der genetischen Ursache vieler Muskeler-krankungen, was wiederum zum bes-seren Verständnis der Physiologie des normalen und des erkrankten Muskels führte. Diese Einsichten ermöglichten die Entwicklung neuer Therapiestra-tegien, welche gezielt auf die zugrun-deliegende pathophysiologischen Me-chanismen wirken. Die Entdeckung des Dystrophin-Gens zum Beispiel, des-sen Mutationen zu der häufigen und

schwer verlaufenden Muskeldystrophie Duchenne führen, geschah erst in den späten 1980er- Jahren. Durch das Studi-um der Funktionsweise des Dystrophin-Proteins auf biochemischer und zellulä-rer Ebene sowie in Tiermodellen wurden Therapien entwickelt, welche zur Zeit in klinischen Studien an Patienten getes-tet werden. Ebenso wurden die moleku-laren Mechanismen vieler anderer Mus-kelerkrankungen in den letzten Jahren aufgedeckt, was die Entwicklung krank-heitsspezifischer Therapien ermöglicht hat. Die grossen Fortschritte beschrän-ken sich jedoch nicht nur auf genetisch bedingte Muskelerkrankungen, sondern beinhalten auch erworbene, entzündli-che neuromuskuläre Erkrankungen, die heutzutage durch Immunmodulation gut behandelbar sind.

Die Situation in der SchweizIn der Schweiz wird die Forschung auf dem Gebiet der neuromuskulä-ren Erkrankungen von verschiede-nen Institutionen finanziert: dem Schweizerischen Nationalfonds, der Ge-bert-Rüf-Stiftung, l’Association Françai-

se contre les Myopathies, der Schweize-rischen Stiftung für die Erforschung der Muskelkrankheiten (SSEM) und ande-ren. Die SSEM ist die wichtigste Finan-zierungsquelle für die neuromuskulä-re Forschung in der Schweiz. Seit ihrer Gründung im Jahre 1985 hat die SSEM 62 Forschungsgruppen, die in allen me-dizinischen Fakultäten unseres Lan-des arbeiten, mit einem Gesamtbetrag von 20 Millionen Franken unterstützt. Um den wissenschaftlichen Austausch unter den Forschern in der Schweiz zu fördern, organisiert die SSEM zudem zweijährlich ein Seminar über Mus-kelkrankheiten in Magglingen. Herrn Dr. Jacques Rognon wurde kürzlich das Ehrendoktorat der Universität Bern für die Gründung dieser Stiftung verliehen. Ihm und Herrn Prof. Dr. Denis Monard, Präsident des wissenschaftlichen Bei-rates der SSEM, gebührt grossen Dank für die Verdienste um muskelkranke Menschen in der Schweiz.

entwicklung der forschung auf dem gebiet der neuromuskulären erkrankungen

■■ Frage: Wie sieht der Entwick-lungsstand der Forschung auf dem Gebiet der neuromuskulären Erkrankungen aus?

■■ antwort: Dank der molekularen Biologie hat in den letzten 25 Jahren die Erforschung der Muskelkrankheiten sehr grosse Fortschritte erzielt.

MOleKular-BiOlOgie erzielt

FOrtSchritte

2Fact

Die MuSKelBiOPSie eineS Patienten Mit einer DySFerlinOPathie zeigt degenerierende und regenerierende Muskelfasern, grosse Muskelfaserkaliberschwankungen, Myophagien und entzündliche infiltrate. Foto: ZVG

lücken in der Versorgung schliessen

KURZnaChRiChTen

■■ Frage: Vor welchen heraus-forderungen steht die Pflege im Bereich seltene Erkrankungen?

■■ antwort: Seltene Krankhei-ten können sehr verschieden-artig sein und erfordern bei der Pflege die gezielte, aufmerksa-me Beobachtung der Patienten sowie eine tragfähige Koope-ration aller beteiligten Behand-lungspartner.

«Pflege ist nicht gleich Pflege», be-tont Dorothea Kleiner-Schürch, Dozentin im Bachelorstudien-gang Pflege am Departement Ge-sundheit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW. Menschen mit seltenen Krankheiten, so Kleiner-Schürch, brauchen eine gezielte Beobach-tung, damit Hinweise über den Krankheitsverlauf und die Reak-tion des Patienten darauf gesam-melt und interpretiert werden kön-nen: «Ganz zentral ist auch, dass die Angehörigen und das ganze Um-feld miteinbezogen werden.» Nur aus der exakten Beobachtung he-raus sei es überhaupt möglich, ge-eignete Interventionen zu entwi-ckeln, Massnahmen individuell zu planen, fachgerecht auszuführen und danach auszuwerten. Damit Pflegende dazu in der Lage sind, braucht es gemäss Kleiner-Schürch ein breites pflegerisches Fachwis-sen und Spezialkenntnisse: «Diese eignet man sich einerseits anhand von Fachartikeln und Büchern im Studium an, anderseits müssen Be-obachtungen interpretiert und mit dem Patienten überprüft werden. Hier zählt in erster Linie die Pra-xiserfahrung.»

Forschen in der PflegeMenschen mit seltenen Krankhei-ten haben oft keine Lobby. Pflege

prOF. Dr. MeD. Dr. phil.

MiChael siNNreiCh

[email protected]

JeNs heNseler

[email protected]

heisse auch, im Sinne der Patienten Einfluss zu nehmen auf andere Ge-sundheitsfachleute, auf Kranken-versicherer und Verwalter im Ge-sundheitswesen sowie auf Politiker, konkretisiert Kleiner-Schürch ih-re Vorstellungen. Die Patienten sel-ber, ihre Angehörigen, aber auch Fachleute mit weniger Spezialwis-sen müssten umfassend beraten, in-formiert und unterstützt werden: «Es ist hilfreich, wenn eine kompe-tente Pflegefachperson die Koope-ration aller an der Behandlung Be-teiligten unterstützt und diese an einem Tisch zusammenbringt. Ein-zelkämpfer sind da fehl am Platz.» Als zeitgemässen Ansatz bezeichnet sie die Möglichkeit zur Forschung in-nerhalb der Pflege: «Das ist neu für das Pflegepersonal. Deshalb brau-chen zukünftige Pflegende eine ver-tiefte Ausbildung, um Forschungser-gebnisse in der eigenen praktischen Tätigkeit anzuwenden, diese gleich-zeitig auszuwerten und andern Ak-teuren neue Erkenntnisse zugäng-lich zu machen.» Jeder könne so vom andern profitieren. Damit könnten Lücken im pflegerischen Bereich ge-schlossen werden. Dorothea Kleiner-Schürch spezialisiert sich derzeit auf Kinder und Jugendliche mit erbli-chen Stoffwechselerkrankungen.

Dorothea Kleiner-SchürchDozentin im Bachelorstudien-gang Pflege am Departement gesundheit, ZhaW

Prof. Dr. med. Dr. phil. Michael Sinnreich leiter neuromuskulä-res Zentrum, Depar-tement neurologie und Biomedizin, Uni-versitätsspital Basel

FEBruAr 2012 · 7EinE ThEmEnzEiTung von mEdiaplanET

news

übersicht zu den seltenen krankheiten

Angeborene Stoffwechselkrankheiten sind als einzelne Krankheit jeweils sehr selten, als Gruppe jedoch von gro-sser Bedeutung im Kindesalter. Etwa 5 –10 % aller stationä-ren Aufnahmen in Kinderkliniken betreffen diese Krankheits-gruppe. Die Ausprägung der Krankheiten ist vielfältig und reicht von der schweren Stoffwechselkrise in den ersten Le-benstagen über den plötzlichen Kindstod bis hin zu anfäng-lich uncharakteristischen Entwicklungsstörungen, bei wel-chen erst der Verlust von erworbenen Fähigkeiten auf die Stoffwechselursache hinweist. unter einer Stoffwechselstö-rung versteht man einen krankhaft veränderten Ablauf von Stoffwechselvorgängen. häufig liegt eine vererbte ursache zugrunde, z. B. ein Enzymmangel. oft können eine spezi-fische Diät, Medikamente, eine Enzymersatztherapie oder eine Knochenmarktransplantation die Krankheiten wirk-sam bekämpfen. Bei einigen Stoffwechselkrankheiten er-möglicht eine Früherkennung im Neugeborenen-Screening eine kausale Therapie noch vor Ausbruch der Krankheit. Für viele Stoffwechselkrankheiten gibt es jedoch nach wie vor keine gute Möglichkeit der Behand-lung.

Es gibt eine grosse zahl von Krankheiten des Nervensys-tems und der Muskulatur, und die meisten treten nur sehr selten auf. Viele davon sind sehr schwer zu diagnostizieren. Patienten leben jahrelang in unwissenheit und nur wenige können geheilt werden, wobei die meisten zur invalidität und hilfsbedürftigkeit führen. hirnkrankheiten des hirnes können sich sehr unterschiedlich äussern. Das Spektrum reicht von Lähmungen über Bewegungsstörungen bis zu Beeinträchtigungen der Denkfunktion. Nerven- und Mus-kelkrankheiten führen in der regel zur Schwächung bezie-hungsweise Lähmung der Muskulatur, zu vorschneller Er-müdung sowie zum Muskelschwund. ursache davon sind häufig vererbte hirn- oder Muskelstrukturstörungen oder Stoffwechselstörungen dieser organe, wodurch es zur mangelhaften Energiebereitstellung kommt beziehnugs-weise zur Anhäufung von Stoffwechselprodukten. Wenige Stoffwechselkrankheiten (z. B. der Morbus Pompe) können heute durch medikamentöse Gabe von künstlich herge-stellten Enzymen gestoppt und geheilt werden. hilfsmittel und möglichst gute Betreuung sind wichtig. Diese Behand-lungen sind teuer und aufwändig, für den einzelnen Patien-ten jedoch gegebenfalls lebensrettend.

Patienten mit einer angeborenen, vererbten Abwehr-schwäche haben aufgrund eines mutierten Genes ein nicht vollständig entwickeltes oder funktionierendes im-munsystem. Sie benötigen neben Antibiotika oft eine spezielle Therapie (regelmässige infusionen von immun-globulinen und /oder eine Blut-Stammzell-Transplantati-on). Charakteristisch für die mehr als 200 verschiedenen Krankheiten ist eine erhöhte infektanfälligkeit, die sich zwar früh manifestiert, aber oft erst mit 4- bis 5-jähriger Verzögerung abgeklärt wird (tiefe Abszesse, häufige Lun-genentzündungen, invasive infektionen mit für den Ge-sunden wenig gefährlichen Erregern, überschiessende Entzündungsreaktionen). Vor diesem hintergrund ist eine frühe Diagnose und rechtzeitige Therapie entscheidend mit dem ziel, weitere infektionen und organschäden zu verhüten. in der Schweiz leben schätzungsweise 1 auf 1000 Menschen (total 7000) mit einer angeborenen im-munschwäche. Erschreckend ist, dass davon nur die al-lerschwersten Fälle (ca. 500) diagnostiziert sind.

Es gibt über hundert seltene Lungenkrankheiten, welche die Bronchien, Lungenbläschen oder die Blutgefässe be-treffen können. Viele dieser Krankheiten sind schwerwie-gend. in der Schweiz sind mehrere Tausend Menschen davon betroffen. Ein Beispiel davon ist die Lymphangi-oleiomyomatose (LAM), die ausschliesslich etwa 1 von 160 000 Frauen im Alter zwischen 20 und 50 Jahren be-fällt. Sie verursacht eine fortschreitende zerstörung des Lungengewebes, die zu Atemnot führen und eine Lun-gentransplantation erfordern kann. Dank des Einsatzes von Patientinnenorganisationen zur Förderung und Fi-nanzierung der Forschung weiss man seit einigen Jah-ren, dass die Krankheitsursache Genmutationen sind, welche die Kontrollmechanismen der zellteilung stören. Diese Erkenntnisse führten zur Entwicklung eines Medi-kaments (Sirolimus), das in der Lage ist, das Fortschrei-ten der Krankheit aufzuhalten. Durch eine im Jahr 2011 veröffentlichte Studie wurde seine Wirksam-keit bei behandelten Patientinnen nachgewie-sen und damit auf nachahmenswerte Weise zum Fortschritt der Forschung beigetragen.

Von Krebs ist rund eine von drei Personen im Verlauf des Lebens betroffen. Bei 5 bis 10 Prozent wird dies durch eine durchschlagskräftige Veranlagung begünstigt. rechtzeitige identifizierung ermöglicht eine systemati-sche medizinische Überwachung, frühe Diagnose sowie Therapie. Für eine Veranlagung sprechen ein frühes Er-krankungsalter, multiple Tumorherde, ein aussergewöhn-licher Tumortyp, Verwandte mit gleicher oder assoziiert auftretender Krankheit und einige seltene Erbkrankhei-ten. Alle Patienten sollten ihre krankheitsbezogene Famili-engeschichte aufnehmen und mit Fachpersonen bespre-chen. Gegen ein zehntel aller Gene begünstigen, falls mutiert, eine Tumorentstehung. Darunter dienen man-che der Erhaltung der Erbgutintegrität und der Differen-zierung von Körperzellen und Geweben, und andere der Abwehr krebsauslösender umweltfaktoren. Ein zuneh-mender Anteil dieser Gene kann heute zuverlässig analy-siert werden. Früherkennung und Verhinderung von Fol-geerkrankungen sind die wirksamsten Massnahmen, um Menschen mit Krebsveranlagung zu helfen. Ein Gentest kann Klarheit schaffen.

Die hämatologie befasst sich mit Erkrankungen des Blu-tes und blutbildender organe wie Knochenmark, Lymph-drüsen, Thymus, Milz, teils auch der Leber. Da sich auf den ersten Blick viele Symptome diverser Krankheiten äh-neln, ist eine Diagnose in einem Speziallabor zwingend. Die vielen seltenen Krankheiten sind am besten nach den zelltypen einzuteilen, nämlich Erythrozyten (rote Blutzel-len, EC), Leukozyten (weisse Blutzellen, LC) und Throm-bozyten (Blutplättchen, TC). Bei den Störungen handelt es sich um Produktionsdefekte in Menge oder gestörter Funktion, um einen übermässigen Abbau der zellen oder eine Kombination davon. Die meisten Erkrankungen ma-nifestieren sich bereits bei Geburt. EC-Defekte resultie-ren in Blutarmut. LC-Störungen äussern sich in wieder-kehrenden infekten. Bei TC-Störungen führen Defekte die Patienten meist über Blutungen zum Arzt. Eine eindeutige

Diagnose in einem Speziallabor ist dank molekular-biologischer Erkenntnisse immer besser mög-lich. Erst dann kann die beste Massnahme er-griffen werden. Allerdings gibt es oft noch keine spezifische Therapie.

Angeborene Stoffwechselkrankheiten

Nerven- und Muskelerkrankungen

Angeborene immundefizienz

Seltene Lungenkrankheiten

Tumorkrankheiten

hämatologie

DiagnOSe unD Vielzahl: es gibt rund 7000 bis 8000 seltene erkrankungen. Die meisten sind schwer zu diagnostizieren. Foto: ShutterStock

prOF. Dr. sabiNa Gallati

[email protected]

Die folgende Übersicht ist eine gliederung der seltenen Krankheiten in grobe gruppen mit dem Ziel, die Vielfalt und Komplexität des Themas gebündelt darzustellen. Dank der Unterstützung von schweizer spezialisten und spezialistinnen wurde diese anspruchsvolle aufgabe erst möglich. alle seltenen Krankheiten in einer solchen Übersicht zu erfassen und lückenlos zu gruppieren ist jedoch unmöglich. Diese sammlung soll einen ersten Überblick bieten und kann entsprechend keine Vollständigkeit für sich beanspruchen. für mehr informationen zu den einzelnen Krankheitsbildern empfehlen wir die aufgeführten links auf dieser und den folgenden seiten.

Als seltene Krankheiten (Rare Disea-ses, RD) werden Erkrankungen be-zeichnet, welche weniger als 1 un-ter 2000 Personen betrifft. Heute sind weltweit mehr als 7000 verschiedene seltene Krankheiten bekannt, und es werden immer wieder neue beschrie-ben. Insgesamt leiden schätzungswei-se mehr als 30 Millionen Menschen in Europa an einer seltenen Krankheit – als Summe betrachtet eine beacht-liche Zahl! Breit ist das Spektrum der Krankheitsbilder, verursacht durch Störungen des Stoffwechsels, des Blut- und Immunsystems oder durch Er-krankungen bestimmter Gewebe. Die Mehrheit dieser Erkrankungen beru-hen auf vererbbaren Genveränderun-gen, sind also sogenannte Erbkrank-heiten und betreffen somit nicht nur die erkrankte Person, sondern auch ih-re Familienangehörigen, – und mehr

als die Hälfte davon treten bereits im Neugeborenen- oder Kindesalter auf.

globale MassnahmenWeltweit werden Anstrengungen un-ternommen, um seltene Erkrankun-gen bekannt zu machen. Mit verschie-denen Massnahmen fördert z.B. die EU die bessere Wahrnehmung und Aner-kennung seltener Krankheiten, sie un-terstützt das Bilden europäischer Refe-renznetze, fördert die Verknüpfung von Fachzentren und Fachexperten aus ver-schiedenen Ländern und schafft Anreize für die Forschung in diesem Bereich. In der Schweiz soll nun auch eine nationa-le Strategie zur Unterstützung und bes-seren Versorgung von Patienten mit sel-tenen Krankheiten erarbeitet werden. In mancher Hinsicht besteht Handlungs-bedarf, doch eins der wichtigsten ver-besserungswürdigen Anliegen ist das

Gewährleisten einer möglichst frühzei-tigen, sicheren Diagnose mittels einer Kostenübernahme durch die Kranken-kassen: Bei Erbkrankheiten ist das die genetische Analytik oder Gendiagnostik. Denn ohne saubere Diagnostik ist kei-ne gezielte Therapie möglich. Im Wei-teren ist es wichtig, nicht nur Therapie-massnahmen, die zur Linderung oder wo möglich zur Heilung beitragen zu för-dern, sondern auch diejenigen, welche die Lebensqualität verbessern. Letztend-lich sollten in der Schweiz vermehrt und gezielt Anreize für die Erforschung sel-tener Krankheiten geschaffen werden, damit auch unser Land zum Verständ-nis der diese Krankheiten verursachen-den Mechanismen und zur Entwicklung neuer Therapieansätze beitragen kann.

■■ Frage: Was beinhalten seltene Krankheiten und weshalb bedürfen

sie besonderer Aufmerksamkeit? ■■ antwort: Man könnte den-ken, was selten in Erschei-

nung tritt, ist nicht der rede wert – im Gegenteil: Was selten und unbekannt ist, wird nicht wahrgenom-men, verunsichert im um-gang und stösst auf un-verständnis oder sogar Ablehnung, weshalb es

heute nicht nur ein Anliegen, sondern eine Pflicht ist, auf

die hürden und Bürden selte-ner Erkrankungen aufmerksam

zu machen und zu deren Erfor-schung, Diagnosestellung und

Therapie aktiv beizutragen.

Prof. Dr. med. Matthias Baumgartnerfacharzt für Kinder- und Jugendmedizin fmh, extraordinarius für stoffwechselkrankheiten an der UZh, mitglied sgiem und ssiem, leiter abteilung stoffwechselkrankheiten am Universitätskinderspital Zürich

Prof. reinhard Seger Universitätskinderspital Zürich, abteilung immunologie/hämatologie/KmT

Prof. Dr. med. hansjakob Müllerfacharzt für medizinische genetik fmh, abteilung medizinische genetik UKBB/DBm, Universität Basel

Prof. Kai röslermuskelzentrum neurologische Universitätsklinik inselspital, Bern

Dr. romain lazorsprechstunde für interstitielle Pneumopathien und seltene lungenkrankheiten, abteilung für Pneumologie, Centre hospitalier Universitaire Vaudois, lausanne

Prof. Dr. med. andreas huberfmh und famh hämatologie, Chefarzt und leiter Zentrum für labormedizin (erythrozyten-, hämoglobin- und gerinnungssprechstunde), Kantonsspital aarau

8 · FEBruAr 2012 EinE ThEmEnzEiTung von mEdiaplanET

inspiration

Menschen mit seltenen Krankheiten brauchen Ihr Engagement. Ist vielleicht auch in Ihrer Umgebung oder Familie jemand von einer seltenen Krankheit betroffen? Mit Ihrer Spen-de verhelfen Sie Menschen mit seltenen, le-bensbedrohlichen Krankheiten der Haupt-schlagader zu einer rechtzeitigen Diagnose und individuellen Therapie.

Stiftung für Menschen mit seltenen KrankheitenWagistrasse 258952 Schlieren ZH Telefon 043 433 86 90

www.stiftung-seltene-krankheiten.ch Spendenkonto: IBAN CH50 0070 0110 0035 7775 0

Stiftung für Menschen mit seltenen Krankheiten

PROfil

christa rigozzi

■■ Die Tessinerin Christa Rigozzi hat medien- und Kom-munikationswis-senschaft an der Universität fribourg und als nebenfach straf-recht und Krimino-logie an der Univer-sität Bern studiert. am 9. september 2006 wurde sie zur miss schweiz ge-krönt. heute arbei-tet sie als mode-ratorin und model. Daneben engagiert sie sich für die stiftung Telethon aktion schweiz und die stiftung Wunderlampe.

Seit 25 Jahren macht sich die Stiftung «telethon aktion Schweiz» für Menschen mit erbkrankheiten stark. Sie fördert die medizinische Forschung und unterstützt Betroffene und deren angehöri-ge durch Spendengelder. Jährlich sammelt die Stiftung an einem Dezemberwochenende Spenden zugunsten der Betroffenen und ihrer Familien. christa rigozzi, ex-Miss Schweiz und tV-Moderatorin, fungiert als Patin.

■■ Weshalb haben Sie beschlossen, Patin zu werden und sich für Menschen mit seltenen Krankheiten zu engagieren?Zum Einen kannte ich die Organisation be-reits sehr gut, da meine Familie seit vielen Jahren als freiwillige Helfer zur Weihnachts-zeit Plüschtiere verkauft. In meiner Familie hat Solidarität und Spenden eine lange Tra-dition. Telethon ist bei uns im Tessin sehr be-kannt und hat einen ausgezeichneten Ruf. Zum Anderen habe ich gemerkt, dass mir die Leute, insbesondere meine Fans, zuhören und ich mit meiner Stimme etwas bewegen kann. Deswegen war für mich klar, dass ich mich und meine Popularität für soziale Pro-jekte einsetzen möchte. Ich liebe Kinder sehr

und habe keine Berührungsängste. Das hilft mir bei meiner Arbeit. Obschon es mir bei der ersten Begegnung mit den schwerkran-ken Kindern fast das Herz gebrochen hat.

■■ Was umfasst ihr engagement?Ich fungiere hauptsächlich als Patin und tra-ge die Organisation an die Öffentlichkeit. Meines Erachtens reicht es jedoch nicht, als Patin nur seine Fotos zur Verfügung zu stel-len. Man muss sich der Verantwortung dem Projekt gegenüber bewusst sein und diese auch wahrnehmen. Deswegen bin ich auch bei vielen Anlässen dabei und pflege den Kon-takt mit den Betroffenen. Letzten Sommer habe ich etwa eine Gruppe betroffener Perso-nen zum Flughafen von Agno TI begleitet. Ih-nen wurde die Möglichkeit geboten, mit dem Piloten Bruno Pellandini, der den Ausflug or-ganisiert hat, sowie mit den anderen Inst-ruktoren der Flugschule Avilù in einem Flug-zeug zu fliegen. Solche Anlässe helfen den Betroffenen, ihre schwere Situation für ein paar Stunden zu vergessen.

■■ Was bedeutet es ihnen, die Freude der Menschen zu spüren?Auch für mich sind diese Begegnungen eine grosse Bereicherung und es berührt mich zu-tiefst, wenn ich diese jungen Leute lächeln sehe. Für mich ist es eine grosse Freude, je-mandem einen schönen Moment zu schen-ken, der vielleicht etwas weniger Glück im Leben hatte. Nach Anlässen kehre ich im-mer mit dem Gefühl heim, etwas Besonderes

erlebt zu haben. Ich fühle mich bereichert durch die Erlebnisse sowie durch die Warm-herzigkeit und die Zuneigung der Betroffe-nen. Die jungen Menschen erkennen mich, erzählen mir, wie es ihnen geht und möch-ten, dass ich ihnen nahe bin. Zudem lehrt mich die Arbeit mit den schwer kranken Kin-dern, wie glücklich ich mich schätzen kann, dass ich gesund bin und auf der Sonnenseite des Lebens stehe.

■■ Sie arbeiten auch für die Wunder-lampe, welche schwerkranken Kindern Wünsche erfüllt... Ja, bei der Wunderlampe arbeite ich seit fünf Jahren als Botschafterin und bin auch in Pro-jekte involviert. Telethon und die Wunder-lampe gehen dabei Hand in Hand – das heisst, kranken Kindern von Telethon werden Wün-sche durch die Wunderlampe erfüllt. Das fängt bei Kindergeburtstagen an und hört bei Helikopterflügen auf. Manchmal werden auch ganz ausgefallene Wünsche realisiert.

■■ zum Beispiel?Vor einiger Zeit hatten wir einen Jungen, Alessandro, der sich gewünscht hat, den italienischen Musiker Vasco Rossi persön-lich zu treffen. Seit Jahren schreibt und komponiert Alessandro selber Lieder, die den Musikstil seines Vorbilds widerspie-geln. Tatsächlich haben wir es geschafft – obschon Rossi als eher zurückgezogen gilt – ein Treffen nach dem Konzert im Hallen-stadion zu organisieren.

■■ Wo denken Sie, ist hilfe am nötigsten?Für die Forschung dieser seltenen Krank-heiten braucht es einerseits viel Geld. An-dererseits brauchen aber auch die Familien der Kinder finanzielle Unterstützung, etwa für einen neuen Rollstuhl. Das sind teilwei-se immense Kosten, welche die Eltern allei-ne nicht tragen können. Hier sind Organi-sationen sowie die Treffen von Telethon für die Betroffenen wichtig. So haben sie die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und die Sorgen für eine Zeit zu vergessen.

■■ Was möchten Sie anderen Menschen mit auf den Weg geben in Bezug auf Solidarität und hilfe?Jeder Rappen zählt. Das meine ich wort-wörtlich, denn auch eine kleine Spende wird zu einer grossen Summe, wenn viele Menschen spenden. Dabei sollten wir uns immer wieder in Erinnerung rufen, dass Hilfe und Solidarität für jeden von uns eine Selbstverständlichkeit sein sollten. Denn niemand weiss, ob er nicht auch einmal angewiesen sein wird auf die Hilfe ande-rer. Und mit wenig kann Grosses bewirkt werden. Das sehe ich immer wieder in den strahlenden Augen der Kinder – und das ist der grösste Lohn für meine Arbeit.

solidarität sollte selbstverständlich sein

aNNa birkeNMeier

[email protected]

engagemenTSChWEiz / zÜriCh

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Christa Rigozzi schildert ihre erfahrungen mit Menschen mit seltenen erbkrankheiten. Der grösste Lohn für ihr soziales Engagement seien die strahlenden Kinderaugen.

FEBruAr 2012 · 9EinE ThEmEnzEiTung von mEdiaplanET

inspiration

V

Seltene Erkrankungen – eine VolkskrankheitEine Informationsbroschüre der forschenden pharmazeutischen Firmen der Schweiz

Darum forschen wir.

Wir kennen 30 000 Krankheiten.

Erst jede vierte kann wirksam behandelt werden.

Diese Broschüre können Sie kostenlos bestellen: www.interpharma.ch (Service)

Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen der SchweizPetersgraben 35, Postfach, CH-4003 Basel+41 (0)61 264 34 00, www.interpharma.ch

SOliDarität iSt SOziale

VerantWOrtung

3Fact

Klein, aber fein

1Spenden Sie, auch wenn es nur ein kleiner Betrag ist. Viele kleine Beträge werden

zu einem grossen. Und jeder Rappen kommt da an, wo er gebraucht wird. Jeder Beitrag ist wertvoll, denn ohne Spenden könnte Telethon nicht existieren. Jedes Lächeln ist ein Ge-winn, der mit Worten nicht zu be-schreiben ist. Mit einer Spende an Telethon wird unter anderem eine Direkthilfe für die Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Familien ermöglicht.

Persönliches engagement

2Stiftungen wie Telethon en-gagieren sich für die Schaf-fung einer Gesellschaft, in

der Menschen wegen ihrer Krank-heit nicht länger vom wirtschaftli-chen und sozialen Leben ausge-schlossen sind. Helfen Sie mit und tragen Sie mit Ihrem persönlichen Engagement dazu bei.

hilfe und zeit

3Schenken Sie Zeit und Hilfe, wo sie gebraucht wird. Das kann ein Spaziergang mit

der betagten Nachbarin oder ein Ein-kauf für die bettlägerige Tante sein.

ehrenamtlicher helfer werden

4Werden Sie ehrenamtlicher Helfer. Tausende von eh-renamtlichen Helfern –

Feuerwehren, Zivilschutz, Lions Clubs, diverse Vereine und Sport-klubs – mobilisieren sich in der gan-zen Schweiz zugunsten der Aktion.

Wünsche erfüllen

5Wissen Sie von einem schwerkranken Kind, das einen grossen Traum hat?

Wenden Sie sich an die Wunderlam-pe unter www.wunderlampe.ch.

TiPPs VOn C.RigOZZi

7

geMeinSaMe FreuDe aM SPielPlatzDie Kinder freuen sich immer sehr darüber, zeit mit christa zu verbringen.Foto: Schreyer

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10 · FEBruAr 2012 EinE ThEmEnzEiTung von mEdiaplanET

An HAE leidende Menschen leben in ständiger Erwartung der nächsten Atta-cke ihrer Krankheit, welche zumindest theoretisch tödlich sein könnte. HAE ist die Abkürzung der englischen Überset-zung von hereditäres Angioödem. «Bei den Betroffenen tritt Wasser aus den Blutgefässen aus und bildet schmerz-hafte Schwellungen oder Ödeme unter der Haut», erläutert Professor Walter Wuillemin vom Luzerner Kantonsspi-tal. «Diese Ödeme verschwinden nach wenigen Tagen wieder, aber sind sie bei-spielsweise in der Luftröhre oder dem Darm aufgetreten, könnte dies zu einer lebensbedrohlichen Situation führen.» Die Unregelmässigkeit, durch welche die Schwellungen an jeder Körperstel-le erscheinen können, zeigt sich auch beim zeitlichen Ablauf des Erscheinens. «Bei einigen Menschen treten die Atta-cken nur zwei- oder dreimal im Jahr auf, bei anderen hingegen mehrmals pro Woche», so Walter Wuillemin.

Momentane therapiemöglichkeitenIst die Krankheit einmal erkannt, kann sie mit Medikamenten relativ gut unter Kontrolle gehalten werden. Eine Heilung ist jedoch vorerst nicht möglich, da der Auslöser eine genetisch bedingt einge-schränkte Funktionalität eines Proteins ist. Dieses Protein, der C1-Inhibitor, kann Betroffenen intravenös verabreicht wer-

den, wodurch ein Erscheinen der Symp-tome unterbunden wird. Diese Medikati-on muss jedoch über das gesamte Leben genommen werden. Professor Wuille-min: «Daneben gibt es noch die Mög-lichkeit, eine chemische Substanz direkt unter die Haut zu spritzen. Dieses Medi-kament wirkt jedoch nicht prophylak-tisch, sondern ausschliesslich vor der konkreten Attacke.»

anzahl der Betroffenen nimmt abAufgrund der grossen Fortschritte der Medizin ist es schon seit geraumer Zeit nicht mehr zu Todesfällen aufgrund von HAE gekommen. Doch solange die Krankheit unentdeckt bleibt, ist sie po-tenziell gefährlich. «Für die Erkrankten ist diese Zeit aber auch psychisch eine enorme Belastung. Schüler werden als Simulanten bezeichnet, Servicemitar-beiter können aufgrund von Schwel-lungen im Gesicht nicht arbeiten und auch bei scheinbar geringen Verände-rungen der Lebensumstände können

jederzeit neue Probleme auftreten», er-gänzt der Mediziner.

Grundsätzlich habe sich die Situation in jüngster Vergangenheit jedoch ver-bessert. Da es sich um eine Erbkrank-heit handelt, ist sie in den Familien Be-troffener oft bereits bekannt, was die Diagnose erleichtert und «durch den allgemeinen Geburtenrückgang wer-den anteilmässig auch weniger Men-schen mit HAE geboren», so Professor Wuillemin.

Die Krankheit hat demnach ein we-nig an Schrecken verloren. Zumindest bei der entsprechenden Behandlung. Von den ungefähr 150 Schweizern mit HAE steht nur bei circa einem Drittel die Diagnose noch aus.

hae: hereditäres angioödem

Die unkalkulierbare krankheit

JeNs heNseler

[email protected]

retinitis pigmentosa und Co

seltene erkrankungen der netzhaut

■■ Die netzhaut des auges ist ein kleines Wunderwerk: Die licht-empfindlichen zellen (zapfen und Stäbchen) fangen das licht auf, wandeln es in einen elekt-rischen impuls um und leiten es nach der «Vorbearbeitung» weiter durch ganglienzellen und Synapsen via Sehnerv zur Sehrinde im hirn, wo wir das Bild sehen. ist irgend ein kleines rädchen in diesem Mechanis-mus gestört, hat dies schwer-wiegende Folgen.

Retinitis pigmentosa (RP) ist eine Gruppe von meist monogenetisch be-dingten Erkrankungen der Netzhaut. Heute sind nahezu 200 verschiede-ne Genorte bekannt, deren Mutati-on eine RP oder eine andere erbliche Netzhautdegeneration wie Stargardt, Best, Usher Syndrome etc. verursacht. Symptome der klassischen RP sind Nachtblindheit, eingeschränktes Ge-sichtsfeld (Tunnelblick) und stark ver-langsamte Anpassung an wechselnde Lichtverhältnisse. Es gibt aber auch Formen erblicher Netzhautdegene-rationen wie Stargardt, Best, Zapfen-Stäbchendistrophien, wo der Ausfall im Zentrum des Auges beginnt.

Der ForschungsstandBis vor wenigen Jahren gehörte diese Krankheitsgruppe zu denjenigen Er-krankungen, für die keine Hoffnung auf Therapie bestand. Dank der inten-siven Forschung der letzten 30 Jahre hat sich dies verändert: heute sind ungefähr 60 % aller Gene bekannt, die erbliche Netzhautdegeneratio-nen verursachen. So ist der Weg frei, dass man den Mechanismus studie-ren kann, welcher zum Absterben der Zellen führt. Für die Patienten und ihre Familien bedeutet dies, dass die genetische Beratung in vielen Fällen

auf Fakten und nicht auf Wahr-scheinlichkeiten basiert. So verschie-denartig die Ursachen der erblichen Netzhautdegenerationen sind, so un-terschiedlich sind auch die Therapie-ansätze, welche heute geprüft wer-den. Es ist erfreulich zu wissen, dass nicht nur ein Therapieversuch, son-dern eine ganze Reihe unterschiedli-cher Versuche am Menschen durch-geführt wird: Wachstumsfaktoren können den Verlauf der Netzhautde-generation verlangsamen. Zur Zeit ist in Amerika ein Versuch im Gang, der genau dieses Prinzip überprüft. Im Sommer dieses Jahres sollten die Resultate der Phase 2 des Versuches publiziert werden. Eine weitere logi-sche Linie ist Gentherapie. So konn-te gezeigt werden, dass im Fall ei-ner sehr seltenen, früh beginnenden Form von LCA (RPE65) die Genthe-rapie erfolgreich eingesetzt werden kann, und dass sie sicher und wirk-sam ist. Dank dieser bahnbrechen-den Resultate können heute weitere gentherapeutische Versuche für Us-her Syndrom, Chorroideremie und Stargardt durchgeführt werden.

Die neusten erkenntnisse Weitere werden bald folgen. Es be-steht nicht nur Hoffnung für Men-schen, die am Anfang der Krankheit stehen, sondern auch für solche, die bereits erblindet sind: Das künstliche Sehen, der Netzhautchip, wird bereits am Menschen getestet und verspricht langfristig gute Resultate. Auch Stammzellen werden intensiv er-forscht, und vor zwei Wochen sind die ersten ermutigenden Resultate des weltweit ersten Versuchs mit Stamm-zellen im Auge eines Menschen publi-ziert worden.

KURZnaChRiChTen

ChristiNa Fasser

[email protected]

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18 Theaterabende abgesagt.

2 Hochzeitstage nicht gefeiert.

1 neues Diagnoseverfahren bei Krebs entwickelt.

Mit Ihrer Spende fördern wir engagierte Forscherinnen und Forscher. Damit immer mehr Menschen von Krebs geheilt werden. PK 30-3090-1

KFS_Fuellerins_Tasche_290x146_d_4c_Ztg.indd 1 1.11.2010 9:51:49 Uhr

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Prof. Dr. Dr. med. Walter a. Wuillemin Chefarzt hämatolo-gie und hämatologi-sches Zentrallabor, luzerner Kantons-spital (lUKs).

news

VerlauF einer attacKe: normalzustand (links) und gesichtsödem durch hae (rechts). Foto: cSL BehrinG

! lesen Sie mehr im internet:

www.hae-vereinigung.chwikipedia.org/hereditäres_angioödem

Schmerzhafte Schwellungen, die scheinbar willkürlich an wechselnden Körperstellen auftauchen. Und dies eventuell mehrmals pro Woche. Unter diesen Symptomen leiden die von der Erbkrankheit HAE betroffenen Menschen.

FEBruAr 2012 · 11EinE ThEmEnzEiTung von mEdiaplanET

news

JeNs heNseler

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JeNs heNseler

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mDs – myelodysplastisches syndrom

Das biologische alter definiert die therapieverträglichkeit

Das Myelodysplastische Syndrom kann als Vorstufe der Leukämie gesehen wer-den, kommt den Menschen mit dieser schwer verständlichen Bezeichnung aber noch rätselhafter vor. Ähnlich wie bei der Leukämie funktioniert bei MDS die Blutbildung fehlerhaft. Aller-dings geschieht dies als Teil eines Pro-zesses, an dessen Ende durchaus eine Leukämie-Erkrankung stehen kann. Bei nur einigen Hundert betroffenen Schweizern ist MDS eine sehr seltene Krankheit. Diese haben gemein, dass bei der Diagnose nicht auf allzu viele

Forschungsergebnisse zurückgegrif-fen werden kann. Da die Krankheit zu-dem schleichend beginnt, gestaltet sich die Diagnose von MDS recht schwierig. Doch in den vergangenen Jahren haben sich hier Fortschritte gezeigt, wie der Präsident der Krebsliga Schweiz, Profes-sor Jakob Passweg, erläutert: «Aufgrund klar definierter Diagnosekriterien kön-nen wir das MDS nun schneller erken-nen, und auch die genetischen Defekte der Tumorzellen, welche die Krankheit auslösen, sind besser klassifiziert.»

alter entscheidet über die Be-handlungsformDie Krankheit ist variabel und es zeigen sich im Frühstadium wenig Beschwer-den. In ihrem Verlauf treten jedoch Blu-tungen in Mund und Nase oder auch Magen-Darm-Trakt auf. Zudem kommt es zu Hämatombildung am ganzen Kör-per. Aufgrund der geringen Lebenser-wartung bei fortgeschrittener Krank-heit heisst es, nach der Diagnose keine Zeit zu verlieren. Das Durchschnittsal-ter beträgt hierbei 68 Jahre. Von MDS sind somit vorwiegend ältere Men-schen betroffen.

Es gibt Medikamente, welche das Fortschreiten der Krankheit verzögern und das Leben verlängern. Eine Heilung kann dabei mit Stammzelltransplanta-tion erreicht werden, die Behandlung

ist aber mit grossen Belastungen ver-bunden. Diese sind gerade für ältere Menschen nicht leicht zu verkraften. Deshalb ist manchmal nur das Lindern der Leiden das Ziel, besonders wenn ein sehr alter Mensch betroffen ist. Profes-sor Passweg sagt jedoch: «Es gibt gro-sse Unterschiede beim Fitnesszustand der Erkrankten. Ein 70-Jähriger kann in einer besseren Verfassung sein als ein zehn Jahre jüngerer Betroffener. Das biologische Alter ist also für uns ent-scheidend.» Die Entscheidung über die Behandlung kann man letztlich nur im offenen Dialog mit den Patienten tref-

■■ Frage: Patienten, die am Myelodysplastischen Syndrom (MDS) erkrankt sind, können nur mit einer anstrengenden Behandlung geheilt werden. Macht das immer Sinn?

■■ antwort: Nein. Bei Patienten eines gewissen Alters ist die Chemotherapie zu belastend. Die Behandlung zielt dann eher auf eine Linderung der Leiden.

Phenylketonurie (PKU) ist eine der häu-figsten angeborenen Stoffwechselstö-rungen. In entwickelten Ländern wird PKU durch das Neugeborenenscreening diagnostiziert. «PKU-Babys erschei-nen auf den ersten Blick gesund. Nichts weist auf die gravierenden Hirnschäden hin, die ohne Behandlung in den ersten Lebenswochen auftreten können», er-klärt PD Dr. Luisa Bonafé, Kinderärztin und Spezialistin für angeborene Stoff-wechselerkrankungen. Aufgrund einer genetischen Mutation sammelt sich die in der Brustmilch sowie in allen Le-bensmittelproteinen enthaltene Ami-nosäure Phenylalanin im Blut an und greift schrittweise das Gehirn an. Oh-ne Behandlung führt dies zu schwerer

geistiger Behinderung, motorischen Störungen und Krampfanfällen. «Die Diagnose ist für die Eltern eines Neuge-borenen in der Regel ein grosser Schock, und es hilft ihnen zu wissen, dass ihr Kind dank frühzeitiger Behandlung ge-sund bleiben kann», so Bonafé.

Strenge Diät, kaum alternativenPersonen mit PKU müssen nicht nur auf tierische Lebensmittel wie Fleisch, Milchprodukte, Eier und Fisch verzich-ten, sondern auch auf die meisten Ge-treideprodukte. Sogar einige Gemüse-sorten wie Kartoffeln und Spinat und einzelne Früchte sind nur in begrenz-ten Mengen erlaubt. Die PKU-Diät ist sehr aufwändig. Sie beinhaltet teu-res industriell hergestellte eiweiss-arme Nahrungsmittel mit geringem Geschmack und muss mit phenylalan-infreien Aminosäuremischungen, wel-che die für das Wachstum und Über-leben notwendigen Proteine in der Diät ersetzen, komplettiert werden. Um gesund zu bleiben, müssen PKU-Betroffene die streng schmeckenden Aminosäuremischungen zwei- bis dreimal täglich trinken. Der schlech-te Geschmack kann mit Süssstoffen kaschiert werden, was jedoch die Ten-denz zu Übergewicht im Erwachse-nenalter fördert.

Im ersten Lebensjahr lässt sich die PKU-Diät relativ einfach befolgen. Spä-ter müssen sich die Kinder mit ihrer Andersartigkeit auseinandersetzen.

pku – phenylketonurie leben mit einer angeborenen stoffwechselerkrankung

■■ Frage: Was ist PKu und wie können Betroffene ihren Alltag besser meistern?

■■ antwort: PKu ist eine erbliche Stoffwechselstörung. Dank früh-zeitiger Erkennung und zugang zu modernen diätetischen und medikamentösen Behandlungs-methoden können Personen mit PKu ihre Gesundheit schützen.

PD Dr. luisa BonaféKinderärztin und spezialistin für angeborene stoffwechselerkran-kungen, mitglied sgiem und ssiem

Prof. Dr. med. Jakob Passweg Präsident der Krebs-liga schweiz, Chef-arzt hämatologie, Bereich innere medizin, Universi-tätsspital Basel

MOhrenKOPFWetteSSen unter KinDernFür PKu-Patienten nicht möglich, da sie einer strengen Diät untergeordnet sind. Foto: ZVG

«Sie können nicht an gemeinsamen Mahlzeiten teilnehmen und müssen ihr eigenes Essen in die Schule mitbrin-gen. In der Jugend kann dies zu starker Rebellion gegen die Diät führen. Im Er-wachsenenalter ist es für Betroffene oft schwierig, Berufsleben und Diät unter einen Hut zu bringen», sagt Bonafé.

Für eine kleine, aber signifikan-te PKU-Gruppe ist Tetrahydrobiopte-rin (BH4) – eine natürliche Substanz, die den Abbau des Phenylalanins un-terstützt – eine Alternative: Abhängig von der Art des genetischen Defekts schätzt man, dass etwa ein Viertel al-

ler PKU-Betroffenen durch orale Be-handlung mit BH4 die Diät absetzen könnte. Gemäss Bonafé hat die BH4-Behandlung im Vergleich zur Diät kla-re Vorteile: Stabilere Phe-Werte im Blut, leichtere Therapiebefolgung, we-niger medizinische Kontrollen, höhe-re Lebensqualität, geringeres Risiko für Mangelernährung und neuropsy-chologische Komplikationen und so-mit tiefere Gesundheitskosten.

teure MedikamenteSowohl die Nahrungsergänzungsmit-tel als auch das BH4 sind teuer. In der

Schweiz werden die Diätprodukte bis zum zwanzigsten Lebensjahr von der Invalidenversicherung (IV) abgedeckt. Danach sollten die Krankenkassen die Kosten übernehmen. Allerdings sind heute nur wenige Produkte auf der Spe-zialitätenliste kassenpflichtiger Arznei-mittel der Krankenkassen aufgeführt. «Die Auswahl ist klein und es sind le-diglich die Produkte aufgeführt, die vor langer Zeit entwickelt wurden und de-ren Inhaltsstoffe nicht so ausgewogen sind wie jene der jüngeren Generation. Proteinarme Lebensmittel werden oft nicht erstattet und belasten das Famili-enbudget erheblich», so Bonafé. Schwei-zer PKU-Patienten treffen im Gesund-heitswesen im Vergleich zu anderen europäischen Ländern auf mehr Hin-dernisse. «Obwohl BH4 für Jugendliche und Erwachsene mit PKU sehr wichtig wäre, werden die Medikamentenkosten von Krankenkassen nicht rückerstat-tet. Und nur in einigen Kantonen akzep-tiert die IV die Rückerstattung für PKU-Kinder», erklärt Bonafé.

Für Bonafé sind Personen mit PKU keine Kranken, solange sie ihre Ge-sundheit durch richtige Diätbefolgung schützen können. Dies erfordert je-doch ein Gesundheitssystem, das den Betroffenen einen lebenslangen Zu-gang zu modernen diätetischen und medikamentösen Produkten sichert.

MyelODySPlaStiScheS SynDrOM: links eine abnorme zelle, rechts drei normale Vorläuferzellen der roten Blutkörperchen. Foto: ZVG

fen. Das ist manchmal sehr schmerz-haft, wenn die Wünsche des Patienten auf Heilung und die Möglichkeiten der Therapie auseinanderklaffen.

Behandlung auf zeit Zudem werden die eingesetzten Medi-kamente nicht von jedem Menschen gleichermassen gut vertragen, auch die Nebenwirkungen sind individuell sehr unterschiedlich. Der Präsident der Krebsliga erläutert: «In manchen Fällen sind wir uns bei allen Voruntersuchun-gen und Gesprächen nicht sicher, wie der Patient auf die Behandlung reagiert.

Dann spricht nichts dagegen, die The-rapie zu beginnen und nach etwa zwei Monaten gemeinsam zu überlegen, ob es Sinn macht, fortzufahren.» MDS ist nach wie vor eine gefährliche Krankheit. Durch die Forschung, die Entwicklung neuer Medikamente und die Zusammenarbeit von Medizinern hat sich die Situation im Hinblick auf Diagnose und Behandlung jedoch stark verbessert.

12 · FEBruAr 2012 EinE ThEmEnzEiTung von mEdiaplanET

■■ Seltene Krankheiten können lebensbedrohlich sein und erfor-dern oft aufwendige diagnosti-sche Verfahren, die nur selten von Krankenkassen vergütet werden. Doch Organisationen wie die «Stif-tung für Menschen mit seltenen Krankheiten» ermöglichen die wichtige individuelle Diagnose und therapie.

Diagnose seltener Krankheiten sowie die Beratung von Patienten und Rat-suchenden brauchen eine gute Grund-lage. Diese zur Verfügung zu stellen, haben sich Organisationen wie die Stiftung für Menschen mit seltenen Krankheiten zum Ziel gesetzt. Vor kur-zem gegründet, betreibt die gemein-nützige und auf Spenden angewiesene Stiftung Forschung und Lehre auf dem Gebiet der medizinischen Genetik. Ca-roline Henggeler von der Geschäftstel-le der Stiftung sagt: «Wir fördern ak-tiv die Erweiterung und Vertiefung des

Wissensstandes bei seltenen Krank-heiten und streben medizinisch-gene-tische Spitzenleistungen an.»

Kaum Vergütung durch KrankenkassenEinen Beitrag leistet die Stiftung hier-zu auch durch die Trägerschaft des schweizweit ersten Zentrums für Kar-diovaskuläre Genetik und Gendiagnos-tik. Das Zentrum ist auf die Abklärung, Erforschung und Therapie genetisch bedingter seltener Krankheiten spe-zialisiert. Die molekulargenetische Forschung befasst sich mit seltenen Aortenkrankheiten wie beispielswei-se dem Marfan Syndrom (MFS), einer Bindegewebskrankheit, die das Ske-lettsystem, die Augen und lebensbe-drohlich die Hauptschlagader betref-fen kann.

In diesem Bereich werden Leistun-gen für Patienten von den Krankenkas-sen nicht oder nur teilweise vergütet, trotz der neuen Position in der Kran-

kenpflege-Leistungsverordnung für seltene genetische Krankheiten.

Weg der personalisierten MedizinDurch das Zentrum soll eine indi-viduelle Diagnose und Therapie er-möglicht und der Weg zur persona-lisierten Medizin eröffnet werden. Forschung, Lehre, Gendiagnostik und interdisziplinäre Beratung griffen hier ineinander und brächten sich ge-genseitig vorwärts, sagt der Leiter des Zentrums, PD Dr. Gabor Matyas. Das Ziel des Zentrums sei, genetische Ab-klärung anzubieten und bei jedem Pa-tienten die krankheitsverursachen-

de Mutation zu finden. Anhand dieser kann man eine gesetzlich zugelasse-ne Polkörper- und Pränataldiagnostik durchführen sowie untersuchen, in-wieweit auch Familienmitglieder be-troffen sind. Durch eben solche gene-tische Abklärungen soll die Grundlage für eine entsprechende, humangene-tische Beratung und gezielte Therapie im Rahmen personalisierter Medizin geschaffen werden. Zudem will man national und international anerkann-te Forschung, universitäre Lehre und labormedizinische Weiterbildung un-terstützen – als Beitrag zur Förderung junger Fachleute auf diesem Gebiet.

unterstützung auf allen ebenenDie Wichtigkeit des Themas ha-ben auch namhafte Persönlichkei-ten und Professoren erkannt. Für die Stiftung für Menschen mit seltenen Krankheiten setzen sich etwa Exper-ten der Universitäten Bern, Zürich und Basel ein. Der Stiftungsrat wird präsidiert vom Facharzt und medi-zinischen Genetiker Dr. Roland Spie-gel; Vizepräsident ist der Herzspezi-alist Prof. Thierry Carrel, Direktor der Klinik für Herz- und Gefässchirur-gie am Inselspital Bern. Die gemein-nützige Stiftung wird zudem von mehreren Organisationen, Unterneh-men und Privatpersonen unterstützt. «Menschen mit genetisch beding-ten seltenen Krankheiten brauchen die Unterstützung unserer Gesell-schaft auf allen Ebenen», sagt Caroline Henggeler.

Patientenorganisationen sind im gesetzgebungsprozess wichtige akteure. ihre Mitglie-der beziehungsweise die Pati-enten kennen die Krankheiten so genau wie kein anderer. Bei der Direkthilfe an Betroffene und auch bei der ausarbeitung gesundheitspolitischer Stra-tegien spielen sie eine enorm wichtige rolle.

■■ Wieso ist die rolle beziehungs-weise Funktion einer Patientenor-ganisation so wichtig?Ein Kranker ist für seine Pathologie ein Experte, ein Spezialist mit unver-gleichbarer Erfahrung. Betroffene und ihre Familien können die Sympto-

me aufs Genaueste beschreiben, da sie ständig damit leben. Niemand kennt die Krankheiten so genau wie sie.

Patientenorganisationen haben alle Bedürfnisse der Kranken im Auge: von der Diagnose über die medizinische und sozi-ale Betreuung bis hin zur Struktur im All-tag. Sie kennen die besten Experten, For-scher und Kliniker im In- und Ausland. Sie können unter anderem die Vernetzung der Fachleute fördern, die Forschung un-terstützen, Fundraising betreiben und Pa-tienten für spezifische Studien finden.

Patientenorganisationen spielen so-wohl bei der Direkthilfe an Betroffene als auch bei der Ausarbeitung gesund-heitspolitische Strategien eine extrem wichtige Rolle. Die EU-Kommission empfahl den Mitgliedstaaten deshalb bereits 2008, sie in die Erstellung nati-onaler Pläne zur Bekämpfung seltener Krankheiten einzubeziehen.

■■ Was ist eurordis und welchen politischen Beitrag hat ihre ent-stehung für die gesetzgebung und -revision in europa geleistet?

Eurordis ist eine nichtstaatliche pati-entengesteuerte Allianz von Patienten-organisationen und vertritt mehr als 492 Patientenorganisationen in über 46 Ländern.

Erstes Ziel war die Verabschiedung ei-nes europäischen Orphan Drug Act wie in den USA.

Die europäische Strategie für seltene Krankheiten wird in Etappen aufgebaut:– Sie begann 1999 mit der europäischen

Verordnung für Arzneimittel für selte-ne Leiden,

– 2006 folgten die Kinderarzneimittel, – 2007 neuartige Therapien, – 2008 die Mitteilung der EU-Kommis-

sion «Seltene Krankheiten, eine He-rausforderung für Europa» und die Empfehlung des Rates einer europä-ischen Massnahme im Bereich selte-ner Krankheiten,

– 2010 die Selektion von Europlan-Indi-katoren zur Evaluation der Ergebnisse von Massnahmen im Bereich seltener Krankheiten,

– 2011 die Europlan-Empfehlungen für die Umsetzung nationaler Pläne für

seltene Krankheiten und schliesslich die Richtlinie für die Ausübung der Pa-tientenrechte in der grenzüberschrei-tenden Gesundheitsversorgung, eine eigentliche Basis für europäische Re-ferenz-Netzwerke.

■■ Welche Veränderungen sind in der Schweiz erfolgt?Seit 2001 gibt es Orphanet Schweiz. Die vereinfachte Zulassung von Orphan Drugs ist gesetzlich geregelt. Es gibt ei-ne Vielzahl von Patientenorganisati-onen, die nationale Allianz ProRaris wurde im Juni 2010 gegründet, die IG Seltene Krankheiten im August 2011.

Probleme gibt es auf der Ebene der Kostenübernahme. Derzeit treffen die Vertrauensärzte von Kranken- und So-zialversicherungen den Entscheid, ob eine Therapie bezahlt wird oder nicht. Dabei wird der Grundversicherungs-gedanke leider oft unterschiedlich und zum Nachteil der Patienten ausgelegt.

■■ Was ist noch zu tun?Kurzfristig sollte die herrschende

Rechtsunsicherheit in der Vergütungs-frage geregelt werden. Längerfristig brauchen wir eine nationale Strate-gie, die BAG-Direktor Strupler bereits angekündigt hat. Es ist entscheidend, dass die Patienten in die Ausarbeitung dieses Plans eingebunden sind. Es gilt zahlreiche Punkte zu regeln, unter an-derem müssen Patienten mit selte-nen Krankheiten gleichberechtigten Zugang zu Diagnose, Behandlung und Pflegeversorgung erhalten, sie sollen im Gesundheitssystem als gleichwer-tige Partner behandelt werden und bei politischen Entscheiden mitre-den können. Die Übernahme von Kos-ten für Arzneimittel, Therapie, Pflege und Betreuung muss auf Bundesebe-ne klar geregelt werden. Es braucht Expertenzentren, mehr Informati-on und Weiterbildung von Patienten und Fachpersonal sowie verbesserte Rahmenbedingungen für die wissen-schaftliche und soziale Forschung.

inspiration

esther neiditschPräsidentin ProRaris, Diplom-übersetzerin eTi

caroline henggelerstellvertretende geschäftsführerin der stiftung für menschen mit seltenen Krankheiten

PD Dr. gabor Matyasleiter Zentrum für Kardiovaskuläre genetik und gendiagnostik

Die wichtige funktion von patientenorganisationen

personalisierte medizin dank stiftungen

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pD Dr. GabOr Matyas

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… wie Retinitis pigmentosa (RP), Usher-Syndrom und altersbedingte Makuladegeneration (AMD) – Ursachen, Krankheitsbilder, Behandlungsoptionen, Forschungsergebnisse, erste Resultate von Therapieversuchen an Menschen mit RP und trockener AMD. Hilfsmittel für den Alltag.

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EinE ThEmEnzEiTung von mEdiaplanET FEBruAr 2012 · 13

inspiration

zu hause wird man

news

Eine Erkrankung, die weniger als ein-mal pro 2000 Einwohner pro Jahr auf-tritt, gilt als selten. Viele seltene Erkran-kungen kommen aber noch wesentlich weniger häufig vor: nur einmal pro 50 0000 oder pro 100 000 Einwohner. Von gewissen Erkrankungen gibt es in der Schweiz nur einen Fall pro Jahr. Das Problem: Jede einzelne dieser Erkran-kungen für sich ist zwar selten, da aber etwa 5000 bis 7000 solcher Krankheiten bekannt sind, ist dies mit einer eigent-lichen Volkskrankheit zu vergleichen. Gemäss Schätzungen leiden derzeit ins-gesamt etwa fünf Prozent der Schweizer Bevölkerung an einer seltenen Erkran-kung. Seltene Erkrankungen decken ein

breites Spektrum ab: 80 Prozent dieser Krankheiten sind genetisch bedingt, es gibt aber auch selten auftretende Infek-tionskrankheiten oder Krebsarten. Sie können das Herz betreffen, das Gehirn oder sonst ein Gewebe oder Organ. Sel-tene Erkrankungen können mit gering-fügigen Symptomen verbunden sein, sie können aber auch zum Tod führen. Neugeborene und Kinder sind davon besonders betroffen, aber auch alte und gebrechliche Menschen.

es dauert zu langeLeider fehle zurzeit bei Politik und Behörden das klare Bekenntnis zum Forschungsstandort Schweiz, bedau-ert Thomas B. Cueni in diesem Zu-sammenhang. Er ist Geschäftsführer von Interpharma, dem Verband der forschenden pharmazeutischen Fir-men der Schweiz. «Die Verfahren für die Durchführung klinischer Versu-che und die Zulassung neuer Medika-mente dauern nach wie vor zu lange. Das ist mit ein Grund für den Rück-gang klinischer Forschung in unserem Land.» Dasselbe gelte für Entscheide des Bundes zur Vergütung von Leis-tungen durch die Krankenversicherer. «Dies hat insbesondere bei den selte-nen Krankheiten gravierende Folgen, weil neben der physischen und psychi-schen Belastung auch noch die Angst

um die finanziellen Probleme hinzu-kommt.» Ein weiteres Problem ist ge-mäss Cueni die Diagnose: «Es gibt kein einfaches Raster, um eine seltene Er-krankung zu erkennen.» Manchmal handelt es sich um Fälle, die ein Haus-arzt zuvor noch nie gesehen hat. Daher kann es lange dauern, bis ein Patient endlich die richtige Diagnose erhält. Von der Entzifferung des Erbguts an-fangs des 21. Jahrhunderts hat auch die Erforschung der seltenen Erkrankun-gen profitiert, insbesondere, weil ein Grossteil der Erkrankungen auf eine oder mehrere Veränderungen im Erb-gut zurückzuführen ist. «Dank dieser neuen Kenntnisse verstehen wir in-zwischen bei immer mehr Erkrankun-gen, wie sie entstehen», sagt Cueni.

Doppelte WirkungSeit Jahren gelten seltene Erkrankun-gen als «Waisenkinder» der Medizin. Im englischen Sprachraum werden sie deshalb auch «orphan diseases» genannt. 1983 wurde in den USA der Orphan Drug Act eingeführt, mit dem Ziel, die Entwicklung neuer Medika-mente gegen seltene Erkrankungen zu fördern. Seither wurden in den USA über 300 Produkte zugelassen. Im Jahr 2000 wurde in der EU eine ähnliche Richtlinie verabschiedet. «Die Anrei-ze und die Erkenntnisse der moder-nen Biologie haben gewirkt», betont Cueni. «Pharmafirmen investieren heute viel mehr in die Erforschung seltener Erkrankungen, wobei es so-wohl Beispiele gibt, wo für ein bereits bekanntes Medikament eine neue An-wendung gegen eine seltene Erkran-kung gefunden wurde umgekehrt.» Ein Beispiel dafür ist ein kürzlich lanciertes Medikament gegen die sel-tene Stoffwechselerkrankung CAPS, die zu häufigen und schweren Fieber-schüben bei den Patienten führt. Hier besteht die Hoffnung, dass das Medi-kament auch gegen rheumatoide Ar-thritis eingesetzt werden kann.

nur vertiefte forschung führt zum ziel

ChristiaN laNZ

[email protected]

■■ Frage: Weshalb gelten seltene Erkrankungen seit Jahren als «Waisenkinder» der Medizin?

■■ antwort: Ein grosses Problem ist die Diagnose: Es gibt kein ein-faches raster, um seltene Erkran-kungen zu erkennen. Daher kann es Jahre dauern, bis ein Patient die richtige Diagnose erhält.

Viele Menschen mit Behinde-rungen sind auf technische hilfsmittel angewiesen. einige dieser geräte werden vom ergotherapeuten Martin Müggler und seinen Kollegen von der Stiftung für elektronische hilfsmittel FSt abgeklärt und installiert.

■■ Wie ist die FSt entstanden?In den 70er-Jahren begann Jean-Claude Gabus mit der Entwicklung von Geräten, die es Menschen mit einer Behinderung ermöglichen sollten, zu kommunizieren und ihnen das Leben zu erleichtern. Er war ein Pionier auf diesem Gebiet. Dieses Jahr feiern wir das 30-jährige Jubiläum. In diesen 30 Jahren haben wir viel erfah-ren und erlebt. Auch in Zukunft werden wir Menschen mit Behinderungen un-

terstützen, ihre Sprache, Autonomie und Selbständigkeit wiederzuerlangen. Im direkten Kontakt mit unseren Klienten kümmern sich heute 22 Spezialisten aus den Bereichen Pädagogik, Therapie, Tech-nik, Informatik und einem Back-Office- Team um diese Anliegen.

■■ Welche Form der Betreuung und Beratung bieten Sie?Nach einer entsprechenden Anfrage, meist durch den Klienten, Angehöri-ge oder Betreuungspersonen, folgt ei-ne umfassende Bedarfsanalyse und ei-ne sorgfältige Abklärung. Nicht nur die Behinderung selber, sondern auch das Alter und Geschlecht, die Perspektiven einer Behinderung, der berufliche Hin-tergrund, das Umfeld einer Person be-einflussen diesen Prozess. Nach der Versorgung mit den Geräten, dem Ge-brauchstraining und den Instruktionen ist die anschliessende Begleitung viel-fach eine lange Jahre dauernde Aufga-be. Gerade bei fortschreitenden Erkran-kungen kann es häufig zu Anpassungen der Geräte kommen, sei es bei Hard- oder Software oder auch bei der Art der Bedie-

nung. Wichtig ist auch, dass wir nicht nur die Benutzer schulen, sondern auch die Betreuungspersonen.

■■ Wie genau sieht ihre Mitwirkung als ergotherapeut dabei aus?Neben der grundsätzlichen Aufgabe der Versorgung, der Programmierung und Anpassung der Geräte kann ich meinen spezifischen Hintergrund oft in kleine aber wichtigen Details der Versorgung einsetzen. So achte ich da-rauf, wie der Klient sitzt, oft ja im Roll-stuhl. Ist es ihm so überhaupt möglich, das Gerät anzusteuern? Ich beobachte sehr geduldig und versuche dann, dies in die Versorgung einfliessen zu lassen. Ich versuche, das Benutzen der Geräte so zu gestalten, dass vorhandene Funk-tionen erhalten oder gar gefördert werden können. Bei raschem Krank-heitsverlauf kann die Ansteuerung ei-nes Geräts bereits bei der Installation nicht mehr möglich sein und muss da-her über die Augen gewählt werden.

Martin Müggler ergotherapeut bei der stiftung für elektronische hilfsmittel fsT

massgeschneiderte lösungen für mehr mobilität

■■ zahlreiche Menschen leben mit einer eingeschränkten Mobi-lität und eigenständigkeit.

Sie sind auf die Unterstützung von tech-nischen Produkten angewiesen. Ob im Bereich Mobilität (mit Rollstühlen, Rol-latoren, Treppenliften etc.), Schlafen und Wohnen (mit Pflegebetten, speziel-len Sesseln u.ä.) oder für die Nasszellen (mit Dusch-, Bade- und Toilettenhilfen) – die Angebotsvielfalt ist entsprechend hoch. So werden jährlich in der Schweiz unzählige neue Produkte für die Rehabi-litation auf den Markt gebracht. Bewe-gungsaktive, ergonomische Sitzschalen für Elektro-Rollstühle oder intelligente Bettsysteme zur Prävention von Deku-bitus sind aktuelle Beispiele für neue, innovative Entwicklungen.

Angesichts dieser grossen Dynamik und Auswahl ist es umso wichtiger, für die unterschiedlichsten Ansprüche die richtigen Produkte bzw. massge-schneiderte Lösungen im optimalen Preis-Leistungs-Verhältnis bereit zu stellen. Zwar bietet das Internet wie in vielen anderen Branchen die Mög-lichkeit, sich selbst zu informieren und auch online zu bestellen. Dabei geht aber oft vergessen, dass (anders als beim Besuch im Fachgeschäft) ei-ne persönliche Beratung fehlt, keine unter Umständen sehr wichtigen und individuellen Anpassungen möglich sind und dass alle Produkte den Be-stimmungen der hiesigen Gesetzge-bung (Medizinprodukteverordnung) entsprechen müssen.

rehabilitations-Fachhandel bietet umfassende Betreuung Hier leistet der Rehabilitations-Fach-handel einen wichtigen Beitrag. Die im Dachverband der Schweizeri-schen Medizintechnik FASMED tätige Sektion «Rehabilitation» und die ihr angeschlossenen spezialisierten Fir-men – meist lange Jahre auf diesem Gebiet tätige und persönlich geführte KMU – setzen konsequent auf eine um-fassende Betreuung. Die Mitgliederfir-men unterstützen Betroffene und ihr Umfeld dabei, sich in der jeweiligen Si-tuation zurechtzufinden. Fachleute be-gleiten bei der Produktauswahl, bei der Finanzierung sowie Anwendung und Anpassung des benötigten Hilfsmit-tels im täglichen Leben und stellen da-bei Kontakte zu den Kostenträgern (wie IV, AHV oder Krankenkassen) her.

Mit der Vielfalt der Produkte, dem steigenden Kostendruck im Gesund-heitswesen und mit den zunehmen-den Regulierungen durch die Behörden sind in den letzten Jahren die Anforde-rungen an die Anbieter stark gewach-sen. Um weiterhin eine qualitativ hohe und möglichst individuelle Versorgung des Endkunden sicherzustellen, räu-men der FASMED und seine Mitglieder der Aus- und Weiterbildung der Fach-leute einen wichtigen Platz ein. So hat sich der Verband für die eidgenössische Anerkennung des Lehrgangs zum «Re-hatechniker» stark gemacht.

stephaN Flury

[email protected]

KURZnaChRiChTen

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thomas B. cuenigeschäftsführer von interpharma, dem Verband der forschenden pharmazeutischen firmen der schweiz

ForSChuNG

■■ neue medikamente und Therapien verbessern die lebensqualität vieler Patientinnen und Patienten und erhö-hen deren Überlebens- und heilungs-chancen. Bei manchen Krankheiten ermöglichen sie heute ein fast norma-les leben, etwa bei Diabetes. Bei an-deren Krankheiten, beispielsweise bei Krebs, lindern medikamente das lei-den, verlangsamen den Verlauf der Krankheit oder können bei den meis-ten Kindern die Krankheit sogar hei-len. Dass für viele Krankheiten über-haupt solch wirksame mittel zur Ver-fügung stehen, ist der forschung der

letzten Jahrzehnte zu verdanken. aber der Weg ist noch lang, betont Thomas B. Cueni. für manche Krankheiten gibt es noch keine linderung. gefragt sind auch neue und wirksame medikamen-te. Bis aber ein neues arzneimittel den Patienten zur Verfügung steht, braucht es mehr als nur erfindergeist. Das künftige medikament muss zahlreiche sicherheits- und Wirksamkeitsprüfun-gen bestehen, bevor es von den Be-hörden zugelassen wird. Von den ers-ten experimenten im forschungslabor bis zur Zulassung vergehen meist acht bis zwölf Jahre.

Das wirksamste Mittel

Stephan FluryDelegierter der fasmeD-sektion Rehabilitation

JeNs heNseler

[email protected]

hilfe zur autonomie und selbständigkeit

WER

BEAN

STAL

T.CH

gesu

ndheit

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Zürcher Fachhochschule www.zhaw.ch

Mach auch du den Bachelor of Science in Pfl ege.

Fabia Stettler, im 4. Semester

«Das Pfl egestudiumist viel mehr als Theorie.»

Bachelor-Infotag

12.4.2012

in Winterthur

www.gesundheit.zhaw.ch

geSteigerte leBenSqualität Mit hilFSMitteln

4Fact

14 · FEBruAr 2012 EinE ThEmEnzEiTung von mEdiaplanET

news

PalliatiVe careadäquate hilfe in äusserst schwierigen Situationen ist die hauptaufgabe der palliativen Betreuung.Foto: ShutterStock

Für die ambulante Versorgung sor-gen die Spitexorganisationen in den Gemeinden, die Hausärzte und spezia-lisierte Dienste wie die Stiftung Onko Plus. Die hochqualifizierten Mitarbei-tenden erbringen ihre Leistungen seit über 20 Jahren, an 365 Tagen im Jahr, er-gänzend zu den lokalen Spitexorganisa-tionen. Sie bieten Menschen mit Krebs oder in einer palliativen Situation, spe-

zialisierte Pflege, Beratung und Betreu-ung zu Hause an. Sie sind rund um die Uhr telefonisch erreichbar.

In einer palliativen Situation geht es darum den Patienten, der an einer unheilbaren Krankheit leidet, zu pfle-gen und zu beraten, damit er bis zum Schluss mit der bestmöglichen Lebens-qualität leben kann. Konkret geht es darum unter anderem Notfallpläne zu erstellen, damit ihm und den Angehöri-gen jederzeit adäquat geholfen werden kann. Fragen wie – was kann bei Atem-not oder bei massiven Schmerzen getan werden? Wann kann sich der Patient selbst helfen und wie? Wann braucht er seine Angehörigen und wann ist es notwendig externe Hilfe zu holen? – werden besprochen und die entspre-chenden Massnahmen festgehalten. In vielen Fällen ist es möglich, den Pati-enten und die Angehörigen durch einfa-

che, konkrete Informationen, die Angst vor den noch unbekannten Krankheits-konsequenzen zu nehmen. Das braucht zum einen fundiertes Wissen über die belastenden Symptome und zum anderen Fingerspitzengefühl in der Beratung. Organisationen, die speziali-sierte Pflege zu Hause anbieten, spielen auch eine entscheidende Rolle bei der Vernetzung von Spitexorganisationen, Hausärzten und stationären Angebo-ten, was für eine lückenlose Betreuung der Patienten unabdingbar ist.

zu hause bis zuletzt

CatheriNe bass

[email protected]

■■ Jeden tag erhalten Men-schen Diagnosen, nicht selten die einer unheilbaren Krank-heit. Das ist für die Patienten und ihre angehörigen zuerst mal ein Schock. Danach kom-men viele Fragen. Kann man jetzt gar nichts mehr tun? Werde ich das Spital verlassen können? Wie weiter?

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Die Freizeit draussen in der Natur, an der frischen Luft zu verbringen – was für gesunde Menschen eine Selbstverständlichkeit ist, ist für Kinder und Erwachsene mit Krank-heiten und Behinderungen nur mit Hilfe und Unterstützung möglich. Dabei kann gerade Menschen mit Beeinträchtigungen ein Ausflug Spass, Lebensfreude und neuen Mut schenken. Eine solche Abwechs-lung wirkt sich auch auf den meist schwierigen Alltag aus, der durch positive Erlebnisse besser und viel-leicht etwas leichter bewältigt wer-den kann. Aber nicht nur die Betrof-fenen, auch ihre Angehörigen und Betreuerinnen und Betreuer emp-finden diese Art der Freizeitgestal-tung als Bereicherung.

Vom rollstuhl aufs VeloEine Möglichkeit ist ein Ausflug mit einem strombetriebenen Spezial-velo. Diese gibt es in verschiedenen Versionen, die den unterschiedli-chen Graden der Behinderung ge-recht werden. Ob nebeneinander oder hintereinander: Gemeinsam durch die Landschaft zu fahren, für einmal alle Sorgen zu verges-sen, ist für alle Beteiligten ein schö-nes und unvergessliches Erlebnis. Die strombetriebenen Spezialvelos sind von den EKZ gesponsert und können kostenlos an sieben Stand-orten im Kanton Zürich ausgelie-hen werden.

freizeitspass ohne grenzen

MariaNNe steiGer

[email protected]

KURZnaChRiChTen

■■ Frage: Ab nach draussen trotz handicap – geht das?

■■ antwort: Es gibt Möglichkeiten für alle, Spass und Lebensfreude in der Natur zu erleben.

! lesen Sie mehr im internet:

www.palliative.chwww.bag.admin.ch/themen/ medizin/06082/index.html?lang=de

«Die ambulante Versorgung muss noch stärker ausgebaut werden.»catherine Bassgeschäftsleiterin Onko-Plus lic. phil. i mas Palliative Care

Stiftung für mobile Onkologie- und Palliativ-Pflege

Diagnose:

unheilbarWir pflegen, begleiten und helfen zu Hause.

Spendenkonto: PC 80-38332-6

www.onko-plus.ch

Selbsthilfe Schweiz«für die starke Idee und Methode der Selbsthilfe»

Die Dachorganisation der Selbsthilfe (ehemals KOSCH) verstärkt mit ihrem neuen Auftritt und einem neuen Namen ihr Engagement für die Selbsthilfe in der Schweiz – und dies unabhängig von Thematik, Betroffenheit oder Form.

Ziel der «Selbsthilfe Schweiz» ist es, die viel­fältigen Selbsthilfe­Angebote zu bündeln und breite Resonanz und gesetzliche Anerkennung zu fördern.

19 regionale Selbsthilfekontaktstellen in 17 Kan­tonen vermitteln in die 2000 aktiven Selbsthilfe­gruppen zu körperlichen, psychischen und sozialen Themen, sie unterstützen bestehende Gruppen, und begleiten Neugründungen und unterstützen regionale Selbsthilfegruppen bei Gründung, Akti­vitäten und Methode. Lassen Sie sich beraten!

Weitere Informationen finden Sie aufwww.selbsthilfeschweiz.ch

Prof. Kurt Hug, BFH-TI Biel / Bienne

Bernhard Weisse, Empa Dübendorf

Roger Hochstrasser, r going Aarau [email protected], www.rgoing.com

Rollstuhllehne wird multidimensionalRollstuhlfahrer sitzen den ganzen Tag meist in der gleichen Haltung. Das führt oft zu Druckstellen. Eine pro-grammierbare Sitzschale soll Abhilfe schaffen, die Ingenieure der EMPA und der Berner Fachhochschule zu-sammen mit Orthopädietechniker und der Firma rgoing entwickelt haben.«Die Rückenlehne des neuen Sitzes ist der Wirbelsäule nachempfunden. Sie kann sich nach vorne, hinten und gleich-zeitig seitlich neigen. Wie genau und wie oft sich der Sitz bewegt, wird von einem Arzt, Physio- oder Ergotherapeuten pro-grammiert», erklärt der Unternehmer Hochstrasser. «Der Rollstuhlfahrer kann aber jederzeit in die Steuerung eingrei-fen und die Position selbst nach Belie-ben verändern», sagt Prof. Kurt Hug von

der Berner Fachhochschule. «In jedem Fall führt der neue Sitz aber dazu, dass der Rollstuhlfahrer immer wieder seine Sitzhaltung verändert. Dadurch verschie-ben sich die Belastungspunkte und es entstehen weniger Druckstellen» ergänzt Empa Ingenieur Weisse. Nun soll eine medizinische Evaluations-studie die langfristige Wirkung und die Alltagstauglichkeit aufzeigen

Weitere Informationen:http://www.ti.bfh.ch/de/campus/news/news_details/article/mehr-ergonomie-endlich-auch-beim-rollstuhl/1.html

FEBruAr 2012 · 15EinE ThEmEnzEiTung von mEdiaplanET

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Die grösste private Stiftung für Wissenschaft und Forschung in der Schweiz ist die gebert rüf Stiftung. gemäss Pascale Vonmont, der stellvertretenden geschäftsführerin, verfolgt die Stiftung das ziel, die Schweiz als Wirtschafts- und lebens-raum zu stärken. Sie unterstützt mit jährlich zwei Millionen Fran-ken Forschungsprojekte im Bereich seltener erkrankungen.

■■ Wie gehen Sie bei ihren Förderprojekten vor?Wir führen einerseits eigene Projekte durch und agieren anderseits als ak-tiv vernetzende Förderstiftung. Ins-gesamt werden jedes Jahr 10 bis 15 Millionen Franken vergeben. Dabei fo-kussieren wir auf ausgesuchte Hand-lungsfelder. So investieren wir zum Beispiel mit unserem Programm «Rare Diseases – New Approaches» seit 2009 in Projekte, die im Rahmen von Aus-schreibungen ermittelt werden. Ein Expertengremium stellt sicher, dass nur die besten Projekte realisiert wer-den, die einen nachhaltigen Beitrag zur Diagnose und Behandlung seltener Krankheiten leisten.

■■ heisst das, dass der lange ver-nachlässigte Bereich der seltenen Krankheiten auf die öffentliche und politische traktandenliste zu stehen kommt?

Ja, das Thema hat an Priorität gewon-nen. Seit der Gründung von ProRa-ris, der Allianz Seltener Krankheiten Schweiz im Jahr 2010 existiert eine starke öffentliche Vertretung der etwa 500 000 Betroffenen. Auch das Bundes-amt für Gesundheit hat erkannt, dass Nachholbedarf besteht, und arbeitet gegenwärtig an einer nationalen Stra-tegie. Mit unserem Programm hat die anwendungsorientierte Forschung grö-ssere Aufmerksamkeit erhalten. Zudem sind unterdessen zwei neue Stiftun-gen gegründet worden, die auf seltene Erkrankungen fokussieren. Diese For-schungsinvestitionen bringen hoffent-lich in naher Zukunft, was die Patienten am meisten brauchen, nämlich neue, wirksame Medikamente, Therapien und Diagnosemöglichkeiten.

■■ Wie erklären Sie sich das interesse am thema seltene erkrankungen?Bei seltenen Krankheiten ist es oft so, dass ein einziger Mechanismus die Krankheit auslöst. Dieser Mechanismus existiert aber oft auch bei Krankheiten, die verbrei-tet sind. Deshalb kann die Erforschung seltener Krankheiten auch für das Ver-ständnis häufig auftretender Krankhei-ten Erkenntnisgewinne bringen. Seltene Krankheiten haben also Modellcharakter. Aus diesem Grund interessiert sich auch die Pharmaindustrie zunehmend für die seltenen Krankheiten. Dabei stellt der vereinfachte Registrationsprozess für sel-tene Krankheiten einen zusätzlichen An-reiz dar. Wir von der Gebert Rüf Stiftung sind überzeugt, dass im Bereich seltener Erkrankungen aufgrund des aktuellen Know-hows entscheidende medizinische Fortschritte möglich sind, von welchen die Patienten im Idealfall relativ rasch profitieren können.

■■ Wie sehen denn aktuell geför-derte Forschungsprojekte aus?Ein Beispiel: Dysferlin ist ein Muskel-protein, das der Reparatur der Muskeln dient. Wenn das Dysferlin-Gen krank-haft verändert ist, können die Mus-keln nicht mehr ausreichend repariert werden. Forscher am Universitätsspi-tal Basel konnten zeigen, dass der Ab-bau des veränderten Dysferlins mit ei-nem Wirkstoff gehemmt werden kann. Da der verwendete Wirkstoff schon als Medikament für eine andere Indika-tion zugelassen ist, kann relativ rasch untersucht werden, ob er auch bei Pa-tienten mit dieser seltenen Muskel-dystrophie wirkt. Ein anderes Beispiel: Das Magenbakterium Helicobacter py-lori ist in vielen westlichen Industrie-ländern mit Hilfe von Antibiotika fast vollständig ausgerottet worden. Da das Bakterium in seltenen Fällen zu Ma-genkrebs führen kann, führte der Rück-gang von Helicobacter-Infektionen zu einer starken Abnahme der Magen-krebsfälle. Neuere Studien legen jedoch nahe, dass Helicobacter auch Krankhei-ten verhindern kann. Im Rahmen un-seres Forschungsprogramms soll nun erstmals untersucht werden, ob Tei-le des Helicobacter-Bakteriums thera-peutisch genutzt werden können, um Patienten mit chronischen Darmer-krankungen zu behandeln.

Generell braucht es bei der Erfor-schung seltener Krankheiten einfache-re Mechanismen für gemeinsam finan-zierte Forschungsprogramme. Nur die Zusammenarbeit aller Akteure bietet Gewähr dafür, dass Patienten möglichst rasch eine Diagnose und eine zahlbare Behandlung erhalten.

entscheidende fortschritte sind möglich

ChristiaN laNZ

[email protected]

wissen um seltene krankheiten rettet leben

robert Derham mitbegründer von CheckOrphan

■■ Das hauptproblem seltener Krankheit ergibt sich bereits aus ihrer Bezeichnung – sie sind sel-ten. Über sie ist somit wenig be-kannt, weil sie auf unterschiedli-che art und Weise vernachlässigt werden. Dies zu ändern, ist die hauptaufgabe von checkOrphan.

Die gemeinnützige Organisation CheckOrphan hat sich ein grosses Ziel gesetzt: Das Wissen über seltene Krankheiten zu vergrössern. Sie fördert alle Veröffentlichungen oder auch Ver-anstaltungen von Patientenorganisa-tionen, Firmen, Ärzten, Forschern und einzelnen Personen, die sich mit selte-nen Krankheiten beschäftigen. Ist ei-ne Krankheit nämlich besser bekannt, kann sie schneller diagnostiziert und behandelt werden. Denn wenn man nicht weiss, warum eine seltene Krank-heit entsteht, hat man auch nicht die Möglichkeit, eine Diagnose zu entwi-ckeln. Man diagnostiziert dann so, wie ein blinder Mann Auto fährt. Laut Der-ham werde ein Patient bis zur richti-gen Diagnose durchschnittlich zwei bis drei Mal falsch diagnostiziert. «Das ist eine Belastung für die Betroffenen und vor allem eine Belastung für die Kran-kenkassen und für uns alle, da wir mehr für unsere Prämien bezahlen müssen, um die Kosten der Krankenkassen zu decken», sagt er. Deswegen sei bei sel-

tenen Krankheiten mehr Forschung wichtig. Ein einschlägiger Fall ist die ehemals seltene Krankheit AIDS. Nur durch die Forschung an AIDS wurden neue Behandlungen für Krebs, Allergi-en, Thrombosen und weitere Krankhei-ten entdeckt.

internationale Vernetzung als lösungEinen Lösungsansatz könnte eine in-ternationale Datenbank liefern, in der Betroffene ihre Ergebnisse registrie-ren. «Es existiert schon ein globales Projekt, das Global Rare Disease Regis-try heisst», so Robert Derham, der sich für diese Registrierung auch die Teil-nahme der Schweiz wünscht. Bezüg-lich der Schweizer Haltung lobt er die Nationalrätin Ruth Humbel für ihren Einsatz beim Nationalen Plan 2012 für seltene Krankheiten, «und auch die Ge-bert Rüf Stiftung, die in den letzten drei Jahren sechs Millionen Franken für Forschungsprojekte ausgegeben hat.»

Nicht verstehen kann Derham hin-gegen, dass man 150 000 Franken jähr-lich für eine Person ausgebe, die lebens-länglich in Haft sitze, dieselbe Summe aber nicht aufbringe, um zu ermögli-chen, «dass eine Person gesünder leben kann und dadurch ein beitragender Teil der Gesellschaft wird.»

KURZnaChRiChTen

öffentlicher anlass zum kongressbeginn

29. februar 2012, 18 uhr gehry-gebäude, novartis campus, basel

kostenfreie teilnahme: anmeldung für limitierte plätze bis 26. februar 2012 an [email protected]übersetzung aus dem englischen

Initianten Hauptsponsor

react-congress.org internationaler kongress für seltene krankheiten

Programm

18 uhr begrüssung pascal brenneisen, leiter novartis schweiz dr. guy morin, regierungspräsident kanton basel-stadt

impuls dr. salah-dine chibout, novartis, global head therapeutic areas in preclinical safety die bedeutung seltener erkrankungen für novartis kurzreferate prof. James r. lupski, baylor college of medicine, texas, forscher, pionier und betroffener:

von genen und krankheiten - strukturelle variationen des erbgutes bei menschlichen krankheiten dr. nick sireau, chairman aku society, uk, vater von zwei söhnen mit alkaptonuria (aku): ohne forschung keine heilung – eine elternperspektive auf die „black bone“ krankheit anne-françoise auberson nordmann, vize präsidentin proraris, allianz seltener krankheiten schweiz: Waisenkinder der medizin? herausforderungen für patienten mit seltenen krankheiten in der schweiz

moderation prof. susan gasser, direktorin friedrich miescher institut, basel; stiftungsrätin gebert rüf stiftung, zürich/basel

20 uhr abschluss mit anschliessendem apéro im foyer

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news

Pascale Vonmontstellvertretende geschäftsführerin der gebert Rüf stiftung

JeNs heNseler

[email protected]

FOrSchung hilFt

5Fact

Jedes Kind soll in einer Familie aufwachsen: geliebt, geachtet und behütet.

SOS-Kinderdorf gibt weltweit in 133 Ländern in Not geratenen Kindern ein Zuhause und fördert ihre Entwicklung nachhaltig.

Mit Ihrer Spende geben Sie Kindern in aller Welt eine Zukunft:PC-30-31935-2www.sos-kinderdorf.ch

Jedem Kind ein liebevolles Zuhause.

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JEDES KIND VERDIENT

EINE FAMILIE

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