Überblick zu aktuellen erkenntnissen zu bioaerosolen in
TRANSCRIPT
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
Überblick zu aktuellen Erkenntnissen zu Bioaerosolen in der Nähe von Stallanlagen
Jochen Schulz
Institut für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
Gliederung des Vortrages
31.07.2013 2
1. Bioaerosole in Ställen: Qualitäten und Quantitäten
2. Eigenschaften stallluftspezifischer Bioaerosole
3. Mögliche Risiken durch Bioaerosolemissionen aus Stallanlagen
4. Ausbreitung von Bioaerosolen
5. Minderungsmaßnahmen durch Planung, Management und Technik
6. Zusammenfassung
Bioaerosole in Ställen: Qualitäten und Quantitäten
31.07.2013 3
Die Luft in Nutztierställen enthält neben gasförmigen (Ammoniak, Schwefelwasserstoff, Kohlendioxid, Methan, Distickstoffoxid, Spurengase, Osmogene) Luftverunreinigungen einen hohen Anteil organischer Partikel denen eine erhebliche Beteiligung an
• Atemwegserkrankungen bei den im Stall gehaltenen Tieren und
• den im Stall arbeitenden Tierhaltern
zugeschrieben wird.
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
Was sind Bioaerosole?
31.07.2013 4
Definition nach DIN EN 13098
Bioaerosole sind „Luftgetragene Partikel biologischer Herkunft“
Anmerkung: Bioaerosole sind alle im Luftraum befindlichen Ansammlungen von Partikeln, denen Pilze (Sporen, Konidien, Hyphenbruchstücke), Bakterien, Viren und/oder Pollen, sowie deren Zellwandbestandteile und Stoffwechselprodukte (z.B. Endotoxine, Mykotoxine) anhaften bzw. diese beinhalten oder bilden.
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
Bioaerosole in Ställen: Qualitäten und Quantitäten
31.07.2013 5
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
- Futterpartikel - Bakterien
- Proteine (Epithelien) - Endotoxine
- Fäkalien - beta(1,3)-Glucane
- Schimmelpilze/Hefen - mikrobielle Proteasen
- Pollen - Ammoniak adsorbiertan Partikel
- Milben, Insektenteile - Viren
- Asche (anorganische Bestandteile)
Bioaerosole in Ställen: Qualitäten und Quantitäten
31.07.2013 6
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
Luftgetragene Mikroorganismen und Viren gehören zu den Bioaerosolen. Sie können als Einzelzelle oder Einzelpartikel, als Zell- oder Partikelaggregat oder gebunden an andere Partikel (Agglomerat) in der Luft vorkommen.
Staubpartikel aus Schweinestallluft (Clauss, 2010).
Staphylokokken auf Hautzellen
Hefezellen
Schimmelpilz-spore
Nicht identifiziertes Partikel
Staphylokokken-aggregat
Bioaerosole in Ställen: Qualitäten und Quantitäten
31.07.2013 7
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
Partikel aus der Luft eines Masthühnerstalles (Schulz 2006)
Bakterien an einem Staubpartikel
Biofilm auf Daunenfaser
Bioaerosole in Ställen: Qualitäten und Quantitäten
31.07.2013 8
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
BakterienBordetella bronchisepticaBrucella suis (Z)Chlamydia psittaci (Z)Corynebacterium equiErysipelothrix rhusiopathiae (Z)Escherichia coli (VTEC) (Z)Haemophilus gallinarum
Haemophilus parasuisHaemophilus pleuropneumoniaeListeria monocytogenes (Z)Leptospira pomona (Z)Mycobacterium avium (Z)Mycobacterium tuberculosis (Z)Mycoplasma gallisepticum
Mycoplasma hyopneumoniaePasteurella multocida (Z)Pasteurella pseudotuberculosisSalmonella pullorum (Z)Salmonella typhimurium (Z)Staphylococcus aureus (Z)Streptococcus suis (Z)
PilzeAspergillus flavus Aspergillus fumigatus Aspergillus niger
Aspergillus nidulans Coccidioides immitis
Cryptococcus neoformans (Z)Histoplasma farciminosum (Z)
VirenAfrican Swine Fever-like Virus (ASFV)Aviäres Leukose Virus (ALV)Aviäres Influenza A-Virus (Z)Avian infectious bronchitis virus (AIBV)
Avian infectious bronchitis virus (AIBV)Infektiöses Laryngotracheitis VirusHerpesvirus 2 des HuhnsMaul- und Klauenseuche (MKS) Virus (Z)Suines Herpes Virus (Z)Suines Herpes-Virus 2
Newcastle Disease Virus (Z)Porcines respirat. CoronavirusSchweineinfluenza VirusTeschen/Talfan disease VirusHog cholera Virus (HCV)
In der Luft von Schweine- und Geflügelställen nachgewiesenen Infektionserreger. Zoonosenerreger sind mit (Z) markiert (nach WATHES (1995), modifiziert).
31.07.2013 9
Beispiel: Staubpartikel mit anhaftenden Mikroorganismen aus der Luft eines Masthühnerstalles.
Fluoreszenzaufnahme Schulz (2006)
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
Rind Schwein Geflügel Außenluft
Einatembarer Staub (mg/m3) 0,38 2,19 3,60 0,03 – 0,06
Alveolengängiger Staub (mg/m3)
0,07 0,23 0,45 0,01 – 0,02
Mesophile Bakterien (log KBE/m3)
4,3 5,1 6,0 2,0 – 3,0
Pilze (log KBE/m3) 3,8 3,7 4,0 2,0 – 3,7
Einatembare ETOX (ng/m3) 26,8 125,8 692,3 0,3 – 3,0
Alveolengängige ETOX (ng/m3)
2,9 12,8 48,7 keine Angabe
Mittlere Konzentrationen partikulärer Luftverunreinigungen in jeweils ca. 70 Ställen verschiedener Nutztiere1 und Werte unbelasteter Außenluft
ETOX: Endotoxine; KBE: Koloniebildende Einheiten (1nach SEEDORF, et al. 1998; TAKAI, et al. 1998; modifiziert)
31.07.2013 10
Bioaerosolquellen im Stall
Tiere
FäkalienEinstreu
Futter
Oberflächen von Gebäudeteilen
Über die Abluft gelangen Bioaerosole in die Außenluft(Bioaerosolemission)
Windrichtung
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
Bioaerosole in Ställen: Qualitäten und Quantitäten
Mögliche Risiken durch Bioaerosolemissionen aus Stallanlagen
31.07.2013 11
für benachbarte Stallungen:
• Übertragung von Infektionserregern (z.B. PRRSV und Mycoplasma hyopneumoniae beim Schwein über 120 m (Dee et al. 2010))
für benachbarte Anwohner:
• Übertragung von Infektionserregern (Coxiellen aus Ziegenhaltungen, andere??)• Assoziation zwischen eingeschränkten Lungenfunktionen und Exposition von Anwohnern (NILS-Studie, Schulze et al. 2011)
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
31.07.2013 12
für die Umwelt:
• partikulärer Stickstoffeintrag mit nachteiligen Wirkungen auf Boden, Wasser und Flora
• Eintrag von Antibiotika und Antibiotika resistenten Bakterien →Verbreitung von Resistenzen und resistenten Erregern
Mögliche Risiken durch Bioaerosolemissionen aus Stallanlagen
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
Ausbreitung von Bioaerosolen
31.07.2013 13
Felduntersuchungen zur Ausbreitung stallspezifischer Indikatorbakterien (Staphylococcusspp.) aus Broilerställen ergaben …
ergaben …
• 31 000 Mastplätze• Unterdrucklüftung, künstliche Beleuchtung• Zentrale Abluftführung, Punktquelle
• 39 900 Mastplätze• frei gelüftet• Typ Louisianastall, Flächenquelle
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
Ausbreitung von Bioaerosolen
31.07.2013 14
… exponentielle Keimabnahmen in der Hauptwindrichtung.
am frei gelüfteten Stall (Schulz et al. 2011)
am zwangsgelüfteten Stall (Schulz et al. 2005)
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
Ausbreitung von Bioaerosolen
31.07.2013 15
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
1-5 5-10 10-50 50-100 100-150 150-200 200-250 > 250 x 100 KBE / m3
N
0
50 100
150
200
250
300
350
400
450
500
550
600
650
700
50
100
150
200
250
300
350
400
450
500
550
600
650
700
200 m
Stall A
Mittlere Staphylokokkenimmissionen in der wärmeren Jahreszeit (Mai bis einschl. September) am Stall A. Konzentrationen in 1,5 m Höhe vom Boden.
31.07.2013 16
Probenahmen in der Stallumgebung von Mastgeflügelhaltungen und Schweinehaltungen
Luftproben Sockentupfer
Lee Luv
100m50m150m300m
Wettersta-tion
Ausbreitung von Bioaerosolen
Sockentupfer-probe
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
Ausbreitung von Bioaerosolen
31.07.2013 17
LA-MRSA-Detektion im Stall und in der Stallgebäudeumgebung von sieben Geflügelbeständen in einer Longitudinalstudie
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
Ausbreitung von Bioaerosolen
31.07.2013 18
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
LA-MRSA-Detektion im Stall und in der Stallgebäudeumgebung von sechs Schweinebeständen in einer Longitudinalstudie
Ausbreitung von Bioaerosolen
31.07.2013 19
Fazit: „Stallspezifische Stäube, Bioaerosole und deponierte Keime können in der Hauptwindrichtung in 300 m Entfernung zu Mastgeflügelställen noch regelmäßig nachgewiesen werden.“
Ob dadurch Anwohner gesundheitlich beeinträchtigt werden können ist unklar. Eine umweltmedizinische Bewertung auf toxikologischen und umweltepidemiologischen Untersuchungen ist derzeit nicht möglich. Die Konsequenzen für die Umwelt sind weitgehend unbekannt.
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
Mitgliederversammlung / Vortragstagung des Verbandes Deutscher Putenerzeuger am 06.06.2013 in Celle
Ausbreitung von Bioaerosolen
31.07.2013 20
Aufgrund des öffentlichen und politischen Drucks, ist das Vorsorgeprinzip in den Vordergrund gerückt. Z.B. Erlässe NRW (Februar 2013) und Niedersachsen (März 2013) über den Einsatz von Abluftreinigungsanlagen.
Quelle: Grafschafter Nachrichten
Minderungsmaßnahmen durch Planung, Stallmanagement und Technik
31.07.2013 21
Planung:Beispielsweise größere Abstände zur Wohnbebauung vorsehen und Lage in Hauptwindrichtung meiden.
Stallmanagement:Beispielsweise Bodengestaltung ändern, Flüssig- anstelle von Trockenfütterung, Zusatzstoffe im Futter, Additive in der Gülle, Lüftung (Trocknung) und die damit verbundene Senkung der Wasseraktivität (z.B. in Kot, Einstreu, Staub).
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
Minderungsmaßnahmen durch Planung, Stallmanagement und Technik
31.07.2013 22
Technik:
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
Die wichtigsten drei Anlagentechniken:
• Biofilter
• Rieselbettfilter (trickle-bed reactor, scrubber)
• Drei Stufen System (Wasser/Säure/Biofilter)
Minderungsmaßnahmen durch Planung,Stallmanagement und Technik
31.07.2013 23
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
BiofilterOrganisches Filtermaterial (z. B. Stroh, Holzspäne).Vorrangig Geruchsminderung. Weniger effizient für Ammoniak (Versalzung).
Rohgas
Reingas
Minderungsmaßnahmen durch Planung, Stallmanagement und Technik
31.07.2013 24
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
RieselbettfilterSynthetisches Filtermaterial (mit Biofilm) Abluft gegen den Waschwasserstrom.Empfohlen für Staub und Ammoniak.
Trickle-bed
Clean gas
Waschwasser
Säurel
Abwasser
Raw gas
Minderungsmaßnahmen durch Planung, Stallmanagement und Technik
31.07.2013 25
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
Synthetisches Filtermaterial (mit Biofilm) Becken mit Aktivschlamm (Bakterien)Empfohlen für Geruch, Staub und Ammoniak
Raw gas
Clean gasWet filter(1st Step)
Chemowasher(2nd Step)
Biofilter(3rd Step)
Drei-Stufen-Wäscher (Wasser/Säure/Filter)
31.07.2013 26
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
Rückhalteeffizienz von zwei ARA-Typen für Bioaerosole (n=10) an zwei Mastschweineställen
31.07.2013 27
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
Beispiel für Reduktionseffizienzen einer dreistufigen Abluftreinigungsanlage für luftgetragene mesophile Bakterien während „ordnungsgemäßem“ und gestörtem Betrieb.
Minderungsmaßnahmen durch Planung, Stallmanagement und Technik
Zusammenfassung
31.07.2013 28
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
- Stallluft enthält Verunreinigungen an denen Tiere und im Stall arbeitende Menschen erkranken können
- Diese Verunreinigungen können über die Stallabluft in die Außenluft gelangen
- An der Außenluft werden die Verunreinigungen stark verdünnt- Bakterien können in der stallnahen Umgebung in Einzelsituationen
oder auch im Mittel Anwohner erreichen- Dabei handelt es sich i.d.R. nicht um primäre Infektionserreger für den
Menschen (bekannt sind lediglich Infektionen durch Coxiellen beiKlauentieren)
Zusammenfassung
31.07.2013 29
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
- Die Konsequenzen bakterieller Immissionen (Deposition) sind weitgehend unklar und sollten aufgrund des möglichen Austrages resistenter potentieller Erreger weiter untersucht werden
- Abluftreinigungsmaßnahmen können Keimemissionen deutlich reduzieren
- Der ordnungsgemäße Betriebszustand muss eingehalten und sollte überwacht werden
31.07.2013 30
21. umwelttoxikologisches Kolloquium des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!