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Deutscher Bundestag Drucksache 15/4000 15. Wahlperiode 21. 10. 2004 Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (17. Ausschuss) gemäß § 56a der Geschäftsordnung Technikfolgenabschätzung hier: TA-Projekt: Biometrie und Ausweisdokumente – Leistungsfähigkeit, politische Rahmenbedingungen, rechtliche Ausgestaltung Zweiter Sachstandsbericht Inhaltsverzeichnis Seite Vorwort des Ausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 II. Aktuelle politische Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1. Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2. USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 3. International Civil Aviation Organization (ICAO) . . . . . . . . . . . . . . . . 16 4. International Maritime Organization (IMO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 5. G8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 6. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 III. Biometrie bei Ausweisdokumenten – eine Momentaufnahme internationaler Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1. Biometrisch unterstützte Grenzkontrollanwendungen . . . . . . . . . . . . . 20 2. Nationale Ausweisdokumente mit Biometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 IV. Leistungsfähigkeit und Eignung von Biometrien bei Ausweis- dokumenten und Grenzkontrollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1. Allgemeine Beschreibung und Einschätzung biometrischer Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

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Deutscher Bundestag Drucksache 15/400015. Wahlperiode 21. 10. 2004

Berichtdes Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (17. Ausschuss) gemäß § 56a der Geschäftsordnung

Technikfolgenabschätzung

hier: TA-Projekt: Biometrie und Ausweisdokumente – Leistungsfähigkeit, politische Rahmenbedingungen, rechtliche Ausgestaltung

Zweiter Sachstandsbericht

I n h a l t s v e r z e i c h n i s

Seite

Vorwort des Ausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

II. Aktuelle politische Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

1. Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

2. USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

3. International Civil Aviation Organization (ICAO) . . . . . . . . . . . . . . . . 16

4. International Maritime Organization (IMO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

5. G8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

6. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

III. Biometrie bei Ausweisdokumenten – eine Momentaufnahme internationaler Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

1. Biometrisch unterstützte Grenzkontrollanwendungen . . . . . . . . . . . . . 20

2. Nationale Ausweisdokumente mit Biometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

IV. Leistungsfähigkeit und Eignung von Biometrien bei Ausweis-dokumenten und Grenzkontrollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

1. Allgemeine Beschreibung und Einschätzung biometrischer Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

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Drucksache 15/4000 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Seite

2. Detailanalyse der technologischen Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . 302.1 Erfassbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302.2 Erkennungsgenauigkeit und Fehlerwahrscheinlichkeit . . . . . . . . . . . . 322.3 Bedienungsaufwand und Verständlichkeit bei Enrollment und

Verifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372.4 Ein vorläufiges Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

3. Integration in etablierte Prozesse der Beantragung und Produktion von Ausweisdokumenten für Bundesbürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

4. Kosten – ein Exkurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

V. Überlegungen zur rechtlichen Ausgestaltung eines zukünftigen Einsatzes von biometrischen Systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

1. Biometrie in Ausweisdokumenten für Bundesbürger . . . . . . . . . . . . . . 471.1 Regelungen und Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471.2 Vorgaben für die Umsetzung der mit dem Terrorismus-

bekämpfungsgesetz geschaffenen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

2. Biometrie in Ausweisdokumenten für Ausländer . . . . . . . . . . . . . . . . . 532.1 Regelungen und Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532.2 Vorgaben für die Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

VI. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

1. In Auftrag gegebene Gutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

2. Weitere Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

3. Ausgewählte http-Adressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

1. Kostenmodelle für verschiedene Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

1.1 Handlungsalternativen und Bewertungsdimensionen . . . . . . . . . . . . . . 621.2 Kostenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631.3 Evaluierung der Handlungsalternativen in den einzelnen Dimensionen 651.4 Vergleichende Bewertung der Handlungsalternativen und Fazit . . . . . 76

2. Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

3. Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

4. Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

Glossar 84

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4000

Vorwort des Ausschusses

Als Reaktion auf die veränderte Sicherheitslage seit dem 11. September 2001 wirdweltweit die biometrische Ausrüstung von Ausweisdokumenten diskutiert und vor-bereitet. In Pilotprojekten und Feldtests werden die hierzu erforderlichen Technolo-gien und Infrastrukturen getestet und fortentwickelt. Der Durchbruch der Biometrieals Sicherheitstechnologie in Pässen und Personalausweisen sowie bei Grenzkon-trollanwendungen steht unmittelbar bevor. Der Ausschuss für Bildung, Forschungund Technikfolgenabschätzung hat deshalb das Büro für Technikfolgen-Abschät-zung (TAB) mit der Erarbeitung eines Sachstandsberichtes „Biometrie und Ausweis-dokumente – Leistungsfähigkeit, politische Rahmenbedingungen, rechtliche Ausge-staltung“ beauftragt. Dieser wurde im Dezember 2003 vorgelegt. Der Ausschuss fürBildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat den Bericht am 5. Mai diesesJahres abgenommen, am 26. Mai wurden die Ergebnisse der TAB-Analyse in eineröffentlichen Sitzung des Ausschusses gemeinsam mit Fachpolitikern des Innen- undRechtsausschusses sowie externen Fachleuten diskutiert und der Öffentlichkeit vor-gestellt.

Im Schwerpunkt behandelt der Bericht die technologische Leistungsfähigkeit biome-trischer Systeme, erörtert die Rechtslage und Fragen der rechtlichen Ausgestaltungund gibt Hinweise auf den erkennbaren Handlungsbedarf.

Wie die Bestandsaufnahme der Ergebnisse aussagekräftiger Tests und Pilotprojektezeigt, sind einige biometrische Identifikationstechnologien insgesamt recht weit aus-gereift. Gesichts- und Iris-, Handgeometrie- und Fingerabdruckerkennung sind fürdie Nutzung bei Ausweisdokumenten und bei Grenzkontrollen allerdings unter-schiedlich gut geeignet.

Der Deutsche Bundestag hat im Terrorismusbekämpfungsgesetz die Möglichkeit er-öffnet, dass Pässe und Personalausweise sowie Ausweisdokumente für Ausländerzukünftig weitere biometrische Merkmale (von „Finger oder Hand oder Gesicht“)enthalten können. Er hat ferner geregelt, dass biometrische Merkmale von Bundes-bürgern nur zur Überprüfung der Echtheit eines Dokumentes und zur Identitätsprü-fung ausgelesen und verwendet werden dürfen. Anders ist es bei Ausländern, dienach Deutschland einreisen, hier leben möchten oder Asyl suchen: Im Ausländerge-setz findet sich lediglich eine pauschale Verarbeitungsbefugnis für öffentliche Stel-len im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben.

Eine zentrale Speicherung der Daten von Bundesbürgern ist vom Gesetzgeber ausge-schlossen worden. Die Einrichtung zentraler Referenzdateien für Ausländer ist ge-setzlich nicht ausgeschlossen.

Der TAB-Bericht macht deutlich, dass auf Gesetz- und Verordnungsebene wichtigeAspekte der Umsetzung der bislang getroffenen gesetzlichen Regelungen zu klärensind. Hier ist beispielsweise zu nennen, dass eine präzise Zwecksetzung für die Nut-zung biometrischer Daten bei Ausländern datenschutzrechtliche Bedenken weitge-hend ausräumen und die durch den Gesetz- und Verordnungsgeber verfolgten Zieletransparent machen könnte. Hinsichtlich der Auswahl der einzelnen in Betrachtkommenden biometrischen Merkmale ist zu berücksichtigen, dass bei deren Anwen-dung besonders schützenswerte Zusatzinformationen anfallen könnten. Deshalb wirdes nötig sein, die mit der Aufnahme biometrischer Merkmale verbundenen „Neben-wirkungen“ datenschutzrechtlich zu begrenzen.

Die vom Gesetzgeber geschaffene Befugnis, die Merkmale und Angaben auch inverschlüsselter Form in das jeweilige Dokument zu integrieren, macht schließlicheine genaue Regelung erforderlich, wo und in welcher Weise diese Verschlüsselungvorzunehmen wäre.

Über die beispielhaft genannten rechtlichen und datenschutzrechtlichen Herausfor-derungen hinaus besteht weiterer Bedarf an Information, Diskussion und Entschei-dung.

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Drucksache 15/4000 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

So thematisiert der TAB-Bericht die Perspektive einer völlig neuen Generation digi-taler Personalausweise. Diese könnten auch für andere Anwendungen wie E-Com-merce oder E-Government genutzt werden.

Bis heute sind auch die Kosten und die Probleme einer Implementierung erst in An-sätzen durchdacht. Mit den im TAB-Bericht dokumentierten Kostenmodellen füreine bundesweite Einführung biometrischer Ausweisdokumente liegt erstmals eineEinschätzung der doch erheblichen finanziellen Dimension vor. Diese könnte alsGrundlage weiterer Diskussionen und Planungen dienen.

Politischer Diskussions- und Handlungsbedarf ergibt sich ferner daraus, dass umfas-sende Implementierungsschritte auf allen Ebenen zu planen und in ihren Konsequen-zen zu durchdenken sind – von der Ausstellungs- bis zur Kontrollebene. Nützlichwären hier umfassende Folgenanalysen. Weitere Abstimmungsprozesse auf EU-Ebene und letztlich weltweit sind erforderlich, will man mehr Sicherheit erreichenund zugleich weder den globalen Reiseverkehr unangemessen beeinträchtigen nochBelange des Datenschutzes verletzen.

Mit der biometrischen Ausrüstung von nationalen Ausweisdokumenten und ihrerweltweiten Nutzung im Reiseverkehr und bei Grenzkontrollen sind Aufgaben mit er-heblichen Dimensionen zu lösen. Technische, organisatorische, finanzielle und da-tenschutzrechtliche Aspekte bedürfen deshalb noch weiterer Klärung. Ferner solltendie Bemühungen um technische Praktikabilität auch um die Dimension der gesell-schaftlichen Akzeptabilität ergänzt werden. Hierfür ist eine offene Diskussion überPotenziale und Ziele einer biometrischen Ausrüstung von Ausweisdokumenten er-forderlich.

Die vom TAB im Auftrag des Ausschusses erarbeiteten Ergebnisse liefern für dieLösung dieser Aufgaben wertvolle Informationen und eine Fülle von Anregungen.Für die nunmehr anstehende Beratung des Themas in den Ausschüssen des Deut-schen Bundestages ist dieser Bericht eine wichtige Grundlage.

Berlin, den 6. Oktober 2004

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Ulrike Flach, MdBAusschussvorsitzende, Berichterstatterin

Axel E. Fischer, MdBBerichterstatter

Ulla Burchardt, MdBStellvertretende Vorsitzende, Berichterstatterin

Hans-Josef Fell, MdBBerichterstatter

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/4000

Zusammenfassung

Hintergrund und Ziel des Berichtes

Der weltweite Durchbruch der Biometrie als Sicherheits-technologie in Form ihrer Nutzung bei der Ausrüstungvon Ausweisdokumenten und entsprechenden biometrie-gestützten Kontrollen an Grenzübergängen scheint un-mittelbar bevorzustehen. Rund um den Globus schaffenStaaten und Staatengruppen hierfür die politischen undrechtlichen Voraussetzungen.

Die Frage, welche biometrischen Systeme und die Nut-zung welcher Merkmale geeignet bzw. vorzugswürdigsind, ist mittlerweile nicht mehr so offen wie noch vorkurzem. Erkennungssysteme, die Finger, Gesicht oder Iris(bzw. eine Kombination dieser Merkmale) nutzen, habenihre Eignung für Verifikationsanwendungen bei Ausweis-dokumenten grundsätzlich unter Beweis gestellt – auchwenn ihre Performanz und Leistungsfähigkeit je nachKontext und Systemanforderung teilweise noch verbesse-rungswürdig sind. Es bleibt aber ein erhebliches Ent-scheidungsdilemma: Mit der biometrischen Ausrüstungvon nationalen Ausweisdokumenten und ihrer weltweitenNutzung bei Grenzkontrollen ist eine Aufgabe mit so er-heblichen Dimensionen zu lösen, dass bisherige Erfah-rungen – z. B. mit Pilotprojekten bei Grenzkontrollen –hierzu allenfalls indirekt Erkenntnisse liefern. Angesichtsder zu bewältigenden Volumina des internationalen Rei-severkehrs und von Migrationsbewegungen sowie derKomplexität der erforderlichen technischen, administrati-ven und rechtlichen Umsetzung auf nationaler Ebene– und erst recht in globalem Maßstab – ist die augenblick-liche Wissens- und Erfahrungsbasis noch nicht stabil. Zu-gleich aber ist Handlungsbedarf offensichtlich.

Vor diesem Hintergrund ist es ein Ziel dieses TAB-Be-richtes zu biometrischen Identifikationssystemen, den au-genblicklichen Stand der Diskussion darzustellen. DieserBericht ist allerdings nicht das Resultat einer umfassen-den Technikfolgenabschätzung, da die Bestandsauf-nahme thematisch eingegrenzt war und insbesonderekeine Folgenanalysen durchgeführt wurden. Auftragsge-mäß resümiert er den Stand der wissenschaftlichen undpolitischen Diskussion zur Leistungsfähigkeit und Eig-nung dieser Technologien und entsprechender Systemlö-sungen bei bestimmten Ausweisdokumenten und Grenz-kontrollanwendungen, formuliert Anforderungen an einerechtsverträgliche Ausgestaltung und spricht weiterenInformations-, Diskussions- und Handlungsbedarf an.Damit soll der Sachstandsbericht eine Hilfestellung fürdie Arbeit der Fachausschüsse des Deutschen Bundes-tages sein.

Politische Aktivitäten und Weichenstellungen, internationale Entwicklungen

In vielen Staaten sind mit Tests, Pilotprojekten und Mach-barkeitsstudien, aber zunehmend auch mit Gesetzen undVerordnungen erste Grundlagen für eine biometrischeAusstattung von Ausweisdokumenten und biometrischeGrenzkontrollen gelegt worden (Kapitel II). ZahlreicheStaaten haben bereits eine Entscheidung für nationale

Ausweisdokumente mit Biometrie getroffen bzw. ersteSchritte unternommen (Kapitel III). Die USA haben seitlängerem den Weg in Richtung eines biometrisch gestütz-ten Systems der Ein- und Ausreisekontrolle eingeschla-gen. Auf EU-Ebene sind ebenfalls politische und rechtli-che Weichenstellungen erfolgt, die die Voraussetzungenfür eine abgestimmte biometrische Nutzung bzw. Ausrüs-tung von Ausweisdokumenten, Visa und Aufenthaltstitelnfür Drittstaatenbürger eröffnen. In Deutschland sindhierzu das Pass- und Personalausweisgesetz und das Aus-ländergesetz geändert worden: Eine Einbringung zusätzli-cher biometrischer Merkmale (Gesicht oder Finger oderHand) in Ausweisdokumente für Bundesbürger und Aus-länder kann jetzt vorgenommen werden. Es bedarf aberweiterer Konkretion der Modalitäten und Einzelheitendurch den Gesetz- und Verordnungsgeber.

Mit den G8-Staaten hat sich ein weiterer Akteur zu Wortgemeldet. Diese wollen – unter gemeinsamer US-ameri-kanisch/französischer Leitung – eine hochrangige Ar-beitsgruppe ins Leben rufen, um erste politische Ent-scheidungen in die Wege zu leiten. Zur Vorbereitung istan breit angelegte Testprogramme gedacht. Die G8-Staa-ten unterstützen ausdrücklich die International CivilAviation Organization (ICAO) und deren Bemühungenzur Standardisierung biometrischer Verfahren.

Die ICAO – eine Sonderorganisation der Vereinten Natio-nen – hat nach längerer Vorarbeit die Empfehlung aus-gesprochen, in internationale Reisedokumente dasGesichtsbild als erstes – für die Mitgliedstaaten verbindli-ches – Merkmal aufzunehmen. Für Staaten, die mithilfeder Biometrie Datenbankabgleiche vornehmen wollen,wird optional Fingerabdruck und/oder Iris genannt.

Technische Leistungsfähigkeit und Eignung

Der Bericht fasst den Stand der Diskussion zur techni-schen Leistungsfähigkeit und Eignung der Handgeome-trie-, Fingerabdruck- sowie Gesichts- und Iriserkennungfür die Nutzung bei Ausweisdokumenten und bei Grenz-kontrollen mit dem Ziel der Verifikation zusammen. Dazuwird nach einer kurzen allgemeinen Charakterisierungder Stärken und Schwächen der einzelnen biometrischenVerfahren (Kapitel IV.1) deren spezifisches Leistungspro-fil für die Ausweisanwendung näher beschrieben (Kapi-tel IV.2).

Bei der Prüfung entlang verschiedener Kriterien stelltsich die Situation wie folgt dar:

– Im Falle einer biometrischen Ausrüstung der Ausweis-dokumente muss sichergestellt sein, dass das vorgese-hene Merkmal möglichst keine oder nur eine sehr ge-ringe Zahl von Bürgern von der Anwendungausschließt. Fingerabdruckverfahren werden dieserAnforderung nur bedingt gerecht. Vorliegende Testsund Erfahrungen zeigen, dass hier bei etwa 2 Prozentder Gesamtbevölkerung Probleme bei der biometri-schen Erfassung (Enrollment) auftreten. Die Enroll-ment-Ausfallraten von Hand- und Iriserkennungsver-fahren sind zwar geringer als die des Fingerabdrucks,bei bestimmten Nutzergruppen bleiben aber Probleme

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Drucksache 15/4000 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

aufgrund ihres Alters oder ihrer Ethnie. Die Nutzer-ausfallrate für die Gesichtserkennung ist marginal.

– Die Handgeometrieerkennung erweist sich im Hin-blick auf die Anforderung der Unterscheidbarkeit– besonders bei umfangreichen Anwendungen – alsweniger geeignet. Die Unterscheidbarkeit bei Iris, Fin-ger und Gesicht ist aufgrund der hohen Anzahl an ein-deutigen Informationen grundsätzlich besser gewähr-leistet. Seriöse Qualitätstests belegen die hoheEinzigartigkeit der Merkmale Finger und Gesicht auchbei großen Datenbeständen. Für die Iris liegen hierzuBelege aus Großanwendungen bislang nicht vor.

– Für biometrische Anwendungen ist es wichtig, dassdas Merkmal sich nicht in kurzen Zeitabständen ver-ändert. Unter dem Gesichtspunkt der Stabilität ist derEinsatz von Fingerabdruckverfahren aufgrund be-stimmter Einschränkungen kritisch zu beurteilen.Nachteilig bei der Handgeometrieerkennung ist diespäte Stabilisierung des Merkmals erst im Alter von20 Jahren. Die Stabilität des Gesichtes ist für dieAusweisanwendung ausreichend, da Veränderungendieses Merkmals innerhalb größerer Zeitabstände er-folgen, sodass mit vertretbarem Aufwand „Neuregis-trierungen“ vorgenommen werden könnten. Die Irisdürfte in Bezug auf das Kriterium der Stabilität am un-problematischsten sein.

– Bisher durchgeführte Studien deuten auf eine hohe Er-kennungsleistung von Iriserkennungsverfahren hin,die es aber noch in Großanwendungen zu überprüfengilt. Die Handgeometrieerkennung erzielt zwar inKleinszenarien gute Erkennungsraten, die Problematikder nicht eindeutig unterscheidbaren Identität vonHandgeometriemustern in größeren Anwendungenmüsste allerdings erst in umfangreichen Teststudienwiderlegt werden. Fingerabdruck- und Gesichtserken-nungsverfahren haben in aktuellen und unabhängigenStudien ihre Erkennungsleistung auch bei umfangrei-chen Datenmengen unter Beweis gestellt. Die augen-blicklich erreichbare Leistung der beiden Verfahrenbei Verifikationsanwendungen ist dabei ungefährgleich einzustufen.

Sowohl Fingerabdruck- als auch Gesichtserkennungs-Verfahren sind heute so weit ausgereift und leistungs-stark, dass ihr Einsatz im Vergleich zur bisherigen Si-tuation eine Effektivierung der Grenzkontrollen imVerifikationsmodus verspricht. Die Frage, ob die hiererwartbare Erkennungsleistung eine hinreichendeSicherheit gewährleisten wird und ob die erhofftenVerbesserungen bei der Grenzkontrolle den hierzu er-forderlichen Aufwand rechtfertigen, muss politischentschieden und begründet werden. Dabei sollte offendiskutiert werden, dass es – trotz eindrucksvoll gerin-ger Fehlerraten – in der Praxis eines Masseneinsatzesnur zu einem relativen Sicherheitszugewinn kommenkann, da Falschidentifikationen in einem gewissenUmfang weiter erfolgen werden.

– Für die Ausweisanwendung sind Verfahren mit niedri-gem Bedienungsaufwand und hoher Verständlichkeit

günstig. Vorteile bieten hier Gesichtserkennungsver-fahren als kontaktloses Verfahren ohne großen Positio-nierungsaufwand. Fingerabdruckverfahren sind zwarbequem nutzbar, erfordern aber eine, wenn auchkurze, Einlernzeit. Auch bei der Handgeometrieerken-nung treten Bedienungsfehler eher selten auf. Die Iris-erkennung ist im Hinblick auf den Bedienungsauf-wand im Vergleich weniger günstig einzuschätzen, dasie genaue Verhaltensvorschriften und eine gewisseEinlernzeit erfordert.

Der bei allen Verfahren erforderliche Aufwand beimEnrollment und bei der Kontrolle dürfte grundsätzlichden bisher üblichen Zeitrahmen der Ausweisbeantra-gungs- und Kontrollprozesse nicht entscheidend ver-ändern. Für eine umfassende Einschätzung müssenaber weitere Aspekte wie die Systemumgebung sowiebauliche, infrastrukturelle und organisatorische As-pekte mit herangezogen werden. Ob beispielsweise imFalle der Ausweiskontrolle an Flughäfen mehr Zeit er-forderlich wäre oder ob biometrische Verfahren län-gerfristig zu Zeiteinsparungen führen könnten, hängtvon den konkreten Systembedingungen und Leis-tungsanforderungen vor Ort ab.

Es zeigen sich bei jeder Technologie sowohl gewisseStärken als auch Schwächen. So erweist sich die Ge-sichtserkennung bei zwei Kriterien als führend (Enroll-ment-Ausfallrate, Bedienungsaufwand/Verständlichkeit),sie ist aber bei der Erkennungsleistung schwächer zu be-werten. Die Iriserkennung ist bei der Erkennungsleistungführend. Sie weist allerdings schwächere Werte beim Be-dienungsaufwand auf. Die Handgeometrieerkennungweist insgesamt durchschnittliche Leistungen, allerdingseine hohe Falschakzeptanzrate auf. Die Fingerabdruck-erkennung ist bei keinem Kriterium den anderen Verfah-ren überlegen, weist aber im Durchschnitt gute Werte auf,sieht man von einer nicht zufriedenstellenden Enroll-ment-Ausfallrate ab. Die Unterschiede, die sich bei deneinzelnen Kriterien ergeben, sind allerdings nicht sehrgravierend.

Insgesamt ist deshalb der Schluss zu ziehen, dass dreiVerfahren – Gesichts-, Iris- und Fingerabdruckerken-nung – über eine in etwa vergleichbare technische Leis-tungsfähigkeit verfügen. Die Handgeometrie fällt demge-genüber etwas ab. Zur Entscheidung für oder gegen eineTechnologie müssten weitere Kriterien und Fragestellun-gen in die Abwägung mit einbezogen werden.

Auswirkungen auf bestehende Verfahren der Datenerhebung und Produktion

Eine Umsetzung des Ziels der biometrischen Modernisie-rung von Ausweisen und Ausweiskontrollen könnte er-hebliche Konsequenzen nach sich ziehen – beispielsweiseeine komplette Erhebung der biometrischen Daten derBundesbürger. Spielt man gedanklich die Folgen ver-schiedener Optionen für den Teilbereich der Erhebungs-und Produktionsverfahren bei Pass und Personalauswei-sen durch, zeigen sich die folgenden Konsequenzen(Kapitel IV.3):

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/4000

Datenerhebung

Unter dem Aspekt des Organisationsaufwandes betrach-tet, wäre die praktikabelste Option, mit dem bisherigenAusweiskonzept und im Rahmen der bestehenden undvertrauten Erhebungs- und Produktionsverfahren Licht-bilder ausreichender Qualität auf dem Ausweisdokumentfür die automatische Analyse zu nutzen. Ein Templatekönnte dezentral oder zentral generiert werden.

Für Fingerabdruck-, Handgeometrie- und Iriserkennungs-verfahren müsste eine komplette Erhebung derbiometrischen Daten der deutschen Bevölkerung erfol-gen. Bei einer dezentralen Erfassung wäre es erforderlich,alle Meldestellen und Bürgerbüros mit biometrischenSystemen auszurüsten und das Personal zu schulen. Beieiner zentralen Erfassung müsste für die Generierung desTemplates auf der Basis eines Fingerabdruckes dieser ab-gerollt auf einem Träger zur Verfügung gestellt werden.Zur Sicherstellung ausreichender Qualität wäre geschul-tes Personal erforderlich. Für die Iriserkennung und dieHandgeometrieerkennung ist grundsätzlich eine dezen-trale Erfassung in den Meldestellen erforderlich, da dieUrsprungsmerkmale sich nicht als Rohdaten ablegen undversenden lassen.

Während für die Erhebung von Fingerabdrücken und fürdie Gesichtserkennung umfangreiche Erfahrungen ausGroßanwendungen vorliegen, fehlen Erfahrungswerte mitder großflächigen Datenerfassung und -pflege bei der Er-hebung von Irismuster und Handgeometrie. Probleme ei-ner bevölkerungsweiten Irismuster- oder Handgeometrie-erhebung müssten deshalb sorgfältig antizipiert werden.

Datenspeicherung auf dem Dokument

Die Konsequenzen einer Einführung und Nutzung vonBiometrie für das etablierte Dokumentenkonzept lassensich wie folgt umreißen: Ohne weitgehende Folgen bliebedie Ablage des Merkmals Gesicht in optischer Formdurch Abdruck eines Fotos auf dem Ausweisdokument,da dieses Verfahren heute schon fester Bestandteil derAusweisproduktion ist. Könnte eine biometrische Ana-lyse des Gesichtes vom Foto erfolgen, müsste kein bio-metrisches Template gespeichert werden. Dazu wäre dieSicherstellung eines ausreichenden Standards (z. B. ge-mäß ICAO) notwendig. Die Fotoablage des Fingerabdru-ckes erfordert eine Änderung des Ausweisdokumentes,da das Foto zusätzlich zum „Gesichtsfoto“ abgelegt wer-den müsste. Dies ist aber auf dem bisherigen Ausweis-dokument nicht vorgesehen.

Bei der Integration eines biometrischen Templates in dasAusweisdokument mittels eines Barcodes ist zu beachten,dass der Barcode ausschließlich während der zentralenProduktion aufgebracht werden kann. Die Barcode-Spei-cherung im Ausweisdokument ist derzeit nicht vorgese-hen.

Bei der Integration eines Chips in das Ausweisdokumentmuss mit einem erheblich höheren Aufwand gerechnetwerden, u. a. aufgrund der fehlenden Infrastruktur vonLesegeräten. Kontaktlose Chips ließen sich in das bishe-rige Dokument integrieren, nicht aber kontaktbehaftete

Chips. Vorteilhaft ist, dass die Chips erst bei der Doku-mentenausgabe beschrieben werden können. VerlässlicheAussagen über Manipulationssicherheit und Haltbarkeitkönnen wegen fehlender Großanwendungen und Testsnoch nicht gemacht werden. Die Speicherung in Chip-form ist zwar aufgrund der erforderlichen Produk-tionsumstellung das aufwendigste Verfahren, sie bietetaber ein größeres Anwendungspotenzial.

Kosten

Bislang ist die Kostenfrage allenfalls in Ansätzen disku-tiert. Man kann aber bereits jetzt sagen, dass die verschie-denen Identifikationstechnologien Hard- und Software-kosten in vergleichbarem Umfang mit sich bringen.Ferner ist festzuhalten, dass die Biometriekomponentenim Gesamtsystem nicht der entscheidende Kostenfaktorsind. Um für die Beantwortung der Frage nach den ge-samten (einmaligen und laufenden) Kosten über alle Sys-temebenen hinweg einen ersten Einstieg zu bieten, wer-den in einem Exkurs für verschiedene EinsatzvariantenKostenmodelle erörtert (Kapitel IV.4).

– Biometrische Nutzung der bestehenden Dokumente(Option 1)

Hierbei werden die auf den Personaldokumenten auf-gedruckten Passbilder mit den Gesichtsinformationender Person für eine biometrische Auswertung herange-zogen. Der heutige Beantragungsprozess mit Abgabeeines Passbildes bliebe erhalten. Die notwendigen An-passungen ergäben sich im Wesentlichen auf der Aus-stellungsebene, wo die Qualität der Passbilder norma-lisiert und standardisiert werden muss.

– Technische Aufwertung der bestehenden Dokumentemit biometrischen Daten (Option 2)

Die Daten werden in Speichertechnik in das Ausweis-dokument eingebracht. Als Speicher kommen Bar-codes oder digitale Speicherelemente infrage. Alter-nativ bieten sich die zentrale Erfassung undVerarbeitung der biometrischen Merkmale (2a) unddie dezentrale Erfassung und Verarbeitung der biomet-rischen Merkmale in den einzelnen Meldestellen an(2b).

– Das bestehende Dokumentenkonzept wird durch einvollständig neues Konzept abgelöst (Option 3)

Bei dieser Alternative wird das Dokument (z. B.Smartcards) durch ein elektronisches Speicherelementaufgewertet. Hierdurch ergäben sich Kombinations-möglichkeiten für den Flächeneinsatz der elektroni-schen Unterschrift sowie u. U. Impulse für den elek-tronischen Rechts- und Geschäftsverkehr.

Eine grobe Abschätzung einmaliger und laufender jährli-cher Kosten zeigt folgendes Bild:

Option 1 erfordert 22 Mio. Euro einmaliger und 4,5 Mio.Euro laufender Kosten. Bei Option 2 beziffern sich dieeinmaligen Kosten auf 614 Mio. Euro und 322 Mio. Eurobei der dezentralen Neuerfassung (Variante 2b) bzw.179 Mio. Euro und 55 Mio. Euro bei der zentralen Pro-

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Drucksache 15/4000 – 8 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

zessgestaltung (Alternative 2a). Option 3 als die techno-logisch anspruchsvollste Variante erfordert einmalige In-vestitionen in Höhe von 669 Mio. Euro sowie 610 Mio.Euro an laufenden jährlichen Kosten.

Der durchgeführte Kostenvergleich zeigt ferner, dass inOptionen, bei denen dezentrale Merkmalsneuerfassungund Templategenerierung – und damit eine Neuausstat-tung mit Hardware – erforderlich sind, die Kosten um einMehrfaches höher ausfallen, als bei den Alternativen, wodie Mehrkosten auf der Ebene der Produktion der Aus-weise entstehen.

Trotz seiner Bedeutung liefert auch das Kostenkriteriumper se keine ausreichende Grundlage für eine Entschei-dung. Vielmehr müssten weitere Aspekte im Sinne einerKosten-Nutzen-Analyse mit einbezogen werden. Einevorläufige Abwägung führt zu folgenden Überlegungen:

Unterstellt man, dass bei allen Alternativen der Sicher-heitszugewinn in etwa gleich einzuschätzen ist, sprechenfür einen Einstieg in Option 1 – und damit die Technolo-gie der Gesichtserkennung – die geringen Kosten, dieBeibehaltung bestehender Prozesse sowie eine vermutlichgrößere Akzeptanz bei der Bevölkerung. Dazu käme, dassdiese Option einen Übergang zu anderen grundsätzlichoffen ließe. Dagegen spricht ein gewisser Konservativis-mus des Ansatzes, der zunächst keinerlei innovationsför-dernde Impulse gibt oder einen Zusatznutzen erschließt.

Option 2 bringt grundsätzlich einen höheren Kostenauf-wand mit sich und wirft die Frage auf, wie sich dieAkzeptanz eines flächendeckenden Enrollments von Bun-desbürgern gestaltet. Andererseits wäre durch die Beibe-haltung der Dokumentenfamilie eine gewisse Kontinuitätgewahrt, und es wäre ein höheres technologisches Niveauerreichbar.

Option 3 verknüpft die Dimension der Sicherheit mit ei-ner innovationspolitischen Perspektive. Zwar fallen hierdie meisten Kosten an, es würde aber vermutlich mit derEinführung einer modernen Karte ein innovativer Wegbeschritten, der auch wirtschaftliche Impulse vermittelt.So würde für Bundesbürger (mittelfristig auch für hier le-bende ausländische Bürger) ein Dokument bereitgestellt,das nicht nur die konventionelle Authentifikation erlaubt,sondern auch als Eckpfeiler einer elektronischen Unter-schrift für den elektronischen Geschäftsverkehr einsetz-bar wäre.

RechtsgrundlagenDas im Januar 2002 in Kraft getretene Gesetz zur Be-kämpfung des internationalen Terrorismus („Terrorismus-bekämpfungsgesetz“) enthält als ein wichtiges Elementdie Regelung der Aufnahme biometrischer Merkmale inPässe und Personalausweise von Deutschen sowie inAusweisdokumente für Ausländer. Das Gesetz sieht vor,dass neben dem Lichtbild und der Unterschrift weitereMerkmale in den Pass und Personalausweis – auch in ver-schlüsselter Form – aufgenommen werden dürfen.Gleichzeitig wird durch neue Vorschriften die Aufnahmederartiger biometrischer Merkmale auch in die Identifika-tionspapiere von Ausländern und Asylbewerbern ermög-

licht. Die Arten der biometrischen Merkmale, ihre Einzel-heiten, die Art ihrer Speicherung, ihrer sonstigenVerarbeitung und ihrer Nutzung sollten durch ein noch zuerlassendes Ausführungsgesetz bzw. eine Rechtsverord-nung gesondert geregelt werden. Damit beabsichtigt derGesetzgeber, die Möglichkeiten zur computergestütztenIdentifizierung von Personen auf der Grundlage der Aus-weisdokumente zu verbessern, u. a. um zu verhindern,dass Personen sich mit fremden Papieren ähnlich ausse-hender Personen ausweisen. Zur augenblicklichen gesetz-lichen Grundlage ist Folgendes anzumerken (Kapitel V):

– Hinsichtlich der Ausweispapiere für Bundesbürger hatder Gesetzgeber geregelt, dass die biometrischenMerkmale nur zur Überprüfung der Echtheit des Doku-mentes und zur Identitätsprüfung ausgelesen undverwendet werden dürfen, sodass dem aus dem Grund-recht auf informationelle Selbstbestimmung hergelei-teten Zweckbindungsgrundsatz ausreichend Rechnunggetragen ist. Anders ist der Bereich der „Ausländeraus-weise“ zu beurteilen. Hier ist die Aufnahme biometri-scher Merkmale geregelt, es fehlt aber vollständig eineausreichend bestimmte Zwecksetzung. § 5 Abs. 7AuslG enthält eine pauschale Verarbeitungsbefugnisfür alle Stellen im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufga-ben. Dies ist mit den verfassungsrechtlichen Vorgabenzur Zweckbindung und dem Bestimmtheitsgebot nichtin Einklang zu bringen.

– Der Gesetzgeber hat eine Beschränkung der in Be-tracht kommenden biometrischen Merkmale auf sol-che von „Fingern oder Händen oder Gesicht“ vorge-nommen. Damit sind nicht nur andere, sondern istauch die Kombination mehrerer Merkmale ausge-schlossen. Diese Einschränkung ist nach heutigemtechnischem Kenntnisstand problematisch, da hier-durch u. U. die Leistungsfähigkeit biometrischer Sys-teme nicht auszuschöpfen ist.

– Hinsichtlich der Auswahl der einzelnen in Betrachtkommenden biometrischen Merkmale ist zu berück-sichtigen, dass bei der Anwendung biometrischer Ver-fahren sensible, persönlichkeitsbezogene Zusatzinfor-mationen anfallen können. Deshalb ist es notwendig,die mit der Aufnahme der biometrischen Merkmaleverbundenen Risiken zu begrenzen. In Betrachtkommt hierfür vor allem ein Verzicht auf die Speiche-rung von Rohdaten.

– Die vom Gesetzgeber – ohne nähere Vorgaben – ge-schaffene Befugnis, die Merkmale und Angaben auchin verschlüsselter Form in das jeweilige Dokument zuintegrieren, macht eine genaue Regelung der Frage er-forderlich, in welcher Weise eine Verschlüsselung vor-zunehmen ist bzw. die biometrischen Daten mit einerelektronischen Signatur zu signieren sind. Angesichtsder hierfür erforderlichen Sicherheitsumgebung er-scheint eine zentrale Erstellung der Dokumente vor-zugswürdig.

– Eine Speicherung der Daten in einem zentralen Regis-ter ist für Bundesbürger zurzeit gesetzlich ausge-schlossen. Eine Speicherung auf dem Ausweisdoku-

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9 – Drucksache 15/4000

ment genügte, um den gesetzlichen Zweck zuerreichen. Die Einrichtung zentraler Referenzdateienfür Ausländer ist gesetzlich nicht ausgeschlossen. Einezentrale Datenspeicherung bei öffentlichen Stellenund ohne strenge Zweckbindung ist jedoch aus Grün-den der Ungleichbehandlung im Sinne des Artikel 3GG und des Prinzips der Verhältnismäßigkeit proble-matisch. Eine dezentrale Speicherung der Daten ineinem Register würde z. B. die Verwendung zu straf-rechtlichen Ermittlungszwecken oder zur „Rasterfahn-dung“ ermöglichen. Die Speicherung biometrischerMerkmale in einem Datenbestand, der nicht der allei-nigen Verfügungsgewalt des Betroffenen unterliegt,birgt die Gefahr einer Zweckentfremdung und ist da-tenschutzrechtlich problematisch.

Für die Speicherung der biometrischen Merkmale vonAusländern wäre im Lichte des Grundrechts auf infor-mationelle Selbstbestimmung eine Speicherung außer-halb des Ausweisdokumentes bei einer dezentralenoder zentralen Ausländerbehörde aber vertretbar, wo-bei eine ausschließliche Bindung an Zwecke der Da-tensicherung gesetzlich vorgesehen werden müsste.

Weiterer Bedarf an Information, Diskussion und Entscheidung

Auf Gesetzes- und Verordnungsebene sind wichtige As-pekte der Umsetzung der bislang getroffenen gesetzlichenRegelungen zu klären. Die Vorentscheidungen des Ge-setzgebers werden dabei wahrscheinlich neu zu diskutie-ren sein. Hier ist z. B. der Umstand zu nennen, dass fürdie Regelung der Aufenthaltstitel für Ausländer eine prä-zise Zwecksetzung für die Nutzung biometrischer Datenbislang nicht erfolgt ist. Eine wohl definierte Zweckbin-dung würde aber datenschutzrechtliche Bedenken weitge-hend ausräumen und die durch den Gesetz- und Verord-nungsgeber verfolgten Ziele transparent machen.

Zu klären wäre weiter, ob die vorgenommene Beschrän-kung der in Betracht kommenden biometrischen Merk-male auf solche von „Fingern oder Händen oder Gesicht“zukünftig noch Bestand haben sollte oder ob nicht auchdie Kombination mehrerer Merkmale bzw. Systemerechtlich eröffnet werden soll. Damit könnte u. U. dieLeistungsfähigkeit biometrischer Systeme besser ausge-schöpft werden.

Angesichts der Schutzwürdigkeit biometrischer Daten alspersonenbezogene Daten ist es notwendig, die mit ihrerAufnahme möglicherweise verbundenen problematischenFolgen zu begrenzen. Dementsprechend sollte vor allemauf die Speicherung von Rohdaten verzichtet und demPrinzip der Datensparsamkeit Geltung verschaffen wer-den.

Eine Speicherung der Daten in einem zentralen Registerist für Bundesbürger zurzeit gesetzlich ausgeschlossen,die Einrichtung zentraler Referenzdateien für Ausländeraber nicht. Eine solche zentrale Datenspeicherung wärejedoch aus Sicht des Datenschutzes problematisch. Diesgilt grundsätzlich auch für die Speicherung in dezentralenRegistern. Geklärt werden sollte, in welchem Verhältnis

AFIS (Automated Fingerprint Identification System), dasauch einer Identifizierung von Ausländern dient, und derEinsatz von Biometrie auf „Ausländerausweisen“ mitdem gleichen Zweck stehen.

Politischer Diskussions- und Handlungsbedarf ergibt sichauch daraus, dass umfassende Implementierungsschritteauf allen Ebenen zu planen und in ihren Konsequenzen zudurchdenken sind – von der Ausstellungs- bis zur Kon-trollebene. Weitere Abstimmungsprozesse auf EU-Ebeneund letztlich weltweit sind erforderlich, will man mehrSicherheit erreichen und zugleich weder den globalenReiseverkehr unangemessen beeinträchtigen noch Be-lange des Datenschutzes verletzen. Von Bedeutung dürfteauch die Präsenz deutscher Vertreter in den Gremien derInternational Civil Aviation Organization und der EUsein, um dort eigene Beiträge einzubringen und nationaleInteressen zu vertreten.

Die politischen, finanziellen und organisatorischen Kon-sequenzen einer Einführung und Nutzung biometrischerIdentifikationssysteme auf allen Ebenen, sind erst in An-sätzen durchdacht. Hier wären umfassende Folgenanaly-sen angebracht, die Fingerzeige für eine politische unddatenschutzrechtliche Gestaltung der bereits jetzt einge-tretenen Entwicklungsdynamik liefern.

Ein so umfangreiches und komplexes Vorhaben wie diebiometrische Vermessung aller Bundesbürger sowie vonMillionen von ausländischen Bürgern, die nach Europaeinreisen oder Asyl suchen, legt es nahe, die Frage nachder Akzeptanz zu stellen. Zu den Bemühungen um tech-nische Praktikabilität sollten deshalb solche um gesell-schaftliche Akzeptabilität treten. Zahlreiche Fragen, zudenen bislang nur wenig eindeutige Antworten zu findenwaren, müssten in einem transparenten „öffentlichen Dis-kurs“ angesprochen werden. Mehr Klarheit und größereDifferenziertheit hätte vor allem die Erörterung der Frageverdient, welche Beiträge zu welchen Zielen mit welchenbiometrischen Dokumenten erbracht werden können undsollen.

Im Lichte dieser Diskussion wären des Weiteren die Eig-nung technischer Lösungen und die Vertretbarkeit unter-schiedlicher Kostenvolumina vergleichend zu diskutie-ren. Dabei käme es insbesondere darauf an, klar zumachen, dass Biometrie nur einen begrenzten Zielbeitragzu mehr Sicherheit leisten kann. Biometrie ist ein techni-scher Ansatz von Prävention und Kontrolle und somit nurein – wenngleich wesentliches – Element einer übergrei-fenden Strategie.

Ferner sollte das Spannungsfeld zwischen dem Ziel Si-cherheit einerseits sowie den Zielen Schutz der Privat-sphäre und Begrenzung des Missbrauchspotenzials ande-rerseits offen diskutiert und durch technische undrechtliche Maßnahmen reduziert werden.

Letztlich wäre die Meinungsbildung und Entscheidungs-findung auch um Fragen und Ziele der Innovationspolitikanzureichern: Gemeinsam mit Entwicklern und Anbieternsollten Strategien entwickelt werden, die auf einen tech-nologischen Sprung vom bisherigen Dokumentenkonzeptzu einer Smartcard-basierten Lösung zielen. Für deutsche

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Drucksache 15/4000 – 10 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb grund-sätzlich gut positioniert sind, eröffnet ein solches tech-nisch-gesellschaftliches Innovationsprojekt die Perspek-tive, mit eigenen Produkten und DienstleistungenWettbewerbsvorteile zu erzielen.

Ein transparenter öffentlicher Diskurs könnte geeignetsein, ein Bewusstsein für die Bedeutung der Dynamik dergesellschaftlich-technischen Entwicklung zu schaffen, diemit der zukünftig intensiven Nutzung der Biometrie ver-bunden sein dürfte.

I. Einleitung

Die weltweit diskutierte und teilweise bereits implemen-tierte Option einer biometrischen Ausrüstung von Aus-weisdokumenten und entsprechender biometriegestützterKontrollen an Grenzübergängen kann primär als eineReaktion auf die veränderte Sicherheitslage seit dem11. September 2001 gesehen werden. In vielen Staatensind mit Gesetzen und Verordnungen, aber auch mitTests, Pilotprojekten und Machbarkeitsstudien ersteGrundlagen gelegt worden. Die USA haben mit mehrerenGesetzen sowie im Zuge der sukzessiven Intensivierungder Grenzkontrollen seit längerem den Weg in Richtungeines biometrisch gestützten Systems der Einreisekon-trolle beschritten. Die Staatengruppe der G8 hat eigeneAktivitäten entwickelt und unterstützt insbesondere dieBemühungen der International Civil Aviation Organiza-tion (ICAO) bei ihren Bemühungen um eine weltweiteStandardisierung bei internationalen Reisedokumenten.Auf EU-Ebene sind ebenfalls politische und rechtlicheWeichenstellungen erfolgt, die die Voraussetzungen füreine harmonisierte biometrische Nutzung bzw. Ausrüs-tung von Ausweisdokumenten, Visa und Aufenthaltstitelfür Drittstaatenbürger schaffen sollen.

In Deutschland sind hierzu das Pass- und Personalaus-weisgesetz und das Ausländergesetz geändert worden:Eine Einbringung zusätzlicher biometrischer Merkmale(Gesicht oder Finger oder Hand) in Ausweisdokumentefür Bundesbürger und Ausländer kann jetzt vorgenom-men werden. Es besteht aber weiterer Bedarf an Informa-tion, Diskussion und Entscheidung: Auf Gesetzes- undVerordnungsebene sind wichtige Aspekte der Umsetzungder bislang erfolgten gesetzlichen Regelung zu klären.Die politischen, finanziellen und organisatorischen Kon-sequenzen sowie mögliche Konflikte, z. B. zwischen denZielen, mehr Sicherheit zu erreichen und die Privatsphärezu schützen, sind erst in Ansätzen durchdacht.

Ein zentrales Dilemma, mit denen sich Entscheidungsträ-ger konfrontiert sehen, ist der Umstand, dass mittlerweilezwar sehr viel bessere Informationen über die durchausfortgeschrittene Leistungsfähigkeit biometrischer Sys-teme vorliegen. Mit der biometrischen Modernisierungvon nationalen Ausweisdokumenten für den Reiseverkehrund der Anwendung bei Grenzkontrollen ist aber eineAufgabe mit so erheblichen Dimensionen zu lösen, dassbisherige Erfahrungen mit Pilotprojekten bei Grenzkon-trollen hierzu allenfalls indirekt Erkenntnisse liefern.

Diese schwierige Ausgangslage lässt sich am Beispiel derUSA verdeutlichen: Dort reisen jährlich 500 MillionenMenschen ein, darunter sind 350 Millionen Ausländer. Inallen Konsulaten der USA wurden 2002 8,4 Millionen Vi-saanträge gestellt. Die Einreise erfolgt an ca. 400 Grenz-übergängen (IBG 2003, S. 2). Diese Volumina und dieKomplexität der administrativen und technischen Dimen-sionen erhöhen sich nochmals, wenn man sich vergegen-wärtigt, dass eigentlich nur ein globales Konzept zumManagement internationaler Reiseströme und Migra-tionsbewegungen geeignet ist, die Potenziale der Biometriebei Effizienz, Komfort und Sicherheit auszuschöpfen.Schließlich dürfte auch die Kostenfrage nicht trivial sein.

Seit Vorlage des ersten Sachstandsberichtes des TAB(TAB-Arbeitsbericht Nr. 76; Drucksache 14/10005 vom10. Oktober 2002) zielten die Aktivitäten des TAB auf-tragsgemäß darauf, die technische Entwicklung sowie diepolitische und rechtswissenschaftliche Diskussion aufdem Felde der biometrischen Identifikationssysteme zuverfolgen. Ergänzend wurde der Versuch unternommen,weltweite Aktivitäten bei mit biometrischen Merkmalenausgestatteten Personalausweisen, Pässen und Visa zuidentifizieren, um hier einen Überblick zu gewinnen.

Entsprechend ist es das Ziel des zweiten Sachstands-berichtes des TAB zu biometrischen Identifikations-systemen, eine Einschätzung der Leistungsfähigkeit undEignung dieser Technologien und entsprechender Sys-temlösungen bei Ausweisdokumenten und Grenzkontroll-anwendungen zu geben sowie Anforderungen an einerechtsverträgliche und datenschutzfreundliche Umset-zung zu definieren. Der Bericht ist dementsprechendnicht das Resultat einer umfassenden Technikfolgenab-schätzung. Vielmehr dokumentiert er eine thematisch ein-gegrenzte, aktuelle Bestandsaufnahme der wissenschaftli-chen und politischen Diskussionen. Damit soll einBeitrag zur Verbesserung der Informations- und Diskussi-onsgrundlagen für die Arbeit der Fachausschüsse desDeutschen Bundestages geliefert werden.

Zu diesem Zweck ist der Bericht folgendermaßen aufge-baut: Das folgende Kapitel II zeichnet ein Bild des Stan-des der weltweiten politischen Aktivitäten, die das Zielverfolgen, mithilfe biometrischer Verfahren Ausweis-und Reisedokumente fälschungs- und missbrauchssiche-rer zu machen und mehr Sicherheit bei Grenzkontrollenzu erreichen. Kapitel III illustriert diese Tendenz durcheine aktuelle Momentaufnahme von Pilotprojekten undbereits heute implementierten Grenzkontrollanwendun-gen sowie von Planungen und Umsetzungen von Pro-grammen zur biometrischen Nutzung und Ausrüstungvon Ausweisdokumenten insbesondere für den internatio-nalen Reiseverkehr. In Kapitel IV wird der aktuelle Standder Diskussion zur Leistungsfähigkeit und Eignung bio-metrischer Technologien zusammengefasst. Kapitel Vdient einer kritischen Darstellung und Diskussion der mitdem Terrorismusbekämpfungsgesetz geschaffenen Grund-lagen für die zukünftige biometrische Nutzung von Aus-weisdokumenten für Bundesbürger und Ausländer sowiedes weiteren Bedarfs an Klärung ihrer Zwecke und Mo-

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 11 – Drucksache 15/4000

dalitäten. Kapitel VI spricht den weiteren Diskussions-und Handlungsbedarf an.

Wesentliche Inhalte dieses Berichtes basieren auf folgen-den, im Rahmen des Monitorings vergebenen Gutachten:Die Firmen Booz Allen Hamilton GmbH, Bundesdrucke-rei GmbH und ZN Vision Technologies AG haben mit ih-ren Analysen umfassend zum Kapitel IV beigetragen. DieSteinbeis GmbH & Co. KG für Technologietransfer –Steinbeis-Transferzentrum Biometrie und Identifikations-lösungen führte im Rahmen ihres Gutachtens u. a. eineinternationale Recherche durch, die die Basis fürKapitel III legte. Ergänzend wurde ein Gutachten derFirma B & L Management Consulting GmbH herangezo-gen, das besonders für die Abfassung des Kapitels IVhilfreich war. Die rechtlichen Aspekte biometrischer Iden-tifikationssysteme, denen das Kapitels V gewidmet ist,sind in einem Rechtsgutachten des Unabhängigen Landes-zentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein erschlossenworden. Allen Gutachterinnen und Gutachtern möchtenwir für ihre Arbeit und ihre Bereitschaft zu einem konti-nuierlichen Meinungsaustausch mit der Projektbearbeite-rin und den Projektbearbeitern danken. Sie haben mit ih-ren Beiträgen den Bericht in dieser Form möglichgemacht. Für die Auswahl und Fokussierung sowie dieletztliche Integration der jeweiligen Gutachten in den Be-richt des TAB zeichnet das Projektteam verantwortlich.

II. Aktuelle politische RahmenbedingungenAuf nationaler, europäischer und US-amerikanischerEbene wurden in den letzten Jahren verschiedene Schritteunternommen, das Pass- und Personalausweiswesen, dieAsylverfahren sowie die Einreisebestimmungen sichererzu machen und zu harmonisieren. Die Möglichkeiten zurNutzung biometrischer Verfahren sind hierbei vielfachgeschaffen und ihre Umsetzung ist angegangen worden.Neben der Erarbeitung und Umsetzung von Gesetzen undVerordnungen fördert die Politik verschiedene For-schungsvorhaben und Praxistests, um die Verwendungbiometrischer Merkmale in Reisedokumenten zu prüfenund weiter auszuschöpfen.

Im Folgenden wird ein Überblick über die Entwicklungenauf der internationalen und nationalen politischen Ebenegegeben, deren Dynamik gerade in letzter Zeit erheblichzugenommen hat.

1. Europäische UnionIn der Folge der Anschläge vom 11. September 2001 istinsbesondere durch die Europäische Kommission eineReihe von Initiativen ergriffen worden. Diese zielen da-rauf, EU-weit eine abgestimmte, kohärente Strategie füreine verbesserte Sicherheit bei Asylverfahren, den Visaund den Aufenthaltstiteln für Drittstaatenangehörige so-wie bei den Pässen von EU-Bürgern zu entwickeln undumzusetzen.

EURODAC

Asylbewerber und illegale Zuwanderer in die Mitglied-staaten der EU werden seit Januar 2003 europaweit mit

dem automatisierten Fingerabdruckidentifizierungs-Sys-tem AFIS erfasst. Ihre Fingerabdrücke werden in demländerübergreifenden System EURODAC gespeichertund verglichen. Dadurch sollen Mehrfachanträge einesAsylbewerbers in verschiedenen Ländern der EU ausge-schlossen sowie unerlaubt in das Unionsgebiet eingereistePersonen erkannt werden. Wird festgestellt, dass ein Be-werber bereits in einem Land einen Antrag gestellt hat,wird er dorthin zurückgeschickt. Rechtliche Grundlagevon EURODAC ist das Dubliner Übereinkommen, dasseit September 1997 den asylrechtlichen Teil des Schen-gener Durchführungsübereinkommens ersetzt. Danachsoll nur noch ein Mitgliedstaat für die Prüfung einesAsylantrages zuständig sein, und zwar grundsätzlich derStaat, der die Einreise des jeweiligen Bewerbers zu ver-antworten hat. Nach Inkrafttreten der EURODAC-Ver-ordnung (VO EG/407/2002) ist seit dem 15. Januar 2003jeder EU-Mitgliedstaat verpflichtet, die Fingerabdrückejedes mindestens 14 Jahre alten Asylbewerbers und Aus-länders, der in Verbindung mit dem unerlaubten Über-schreiten einer Dubliner-Außengrenze aufgegriffen undnicht zurückgewiesen wurde, aufzunehmen und unver-züglich an EURODAC zu übermitteln.1

Durch die Einführung von EURODAC ist auch bei AFISmit Änderungen zu rechnen: Erste Feldversuche mit derso genannten Livescantechnologie haben im Polizeibe-reich stattgefunden. Fingerabdrücke sollen in Zukunftdigital, also nicht mehr mit Druckerschwärze, aufge-nommen und gespeichert werden. Das so genannteMETAMORPHO-Verfahren (Auswertung und Vergleichder Handflächen, in Ergänzung der bisherigen zehn Fin-gerkuppen) wird dabei die Anbindung von Livescansta-tionen an das weiterhin u. a. vom BKA genutzte AFIS er-möglichen (Bundesbeauftragter für den Datenschutz2003).

Visa und Aufenthaltstitel für Drittstaatenangehörige

Von Relevanz für die zukünftige Entwicklung des Einsat-zes von Biometrie in Ausweisdokumenten und bei Grenz-kontrollen sind – neben den EURODAC-Verordnungen –auch die Verordnungen zur einheitlichen Visagestaltung,insbesondere VO EG/1683/95, Artikel 1, 6, geändertdurch VO EG/334/2002 vom 23. Februar 2002. Diesesehen bislang die Integration eines „gemäß Hochsicher-heitsnormen hergestellten Lichtbildes“ in Visadokumen-ten vor. Bindend für die nationalen Gesetz- und Verord-nungsgeber sind vor allem die Maßstäbe derFälschungssicherheit, die Aufnahme weiterer biometri-scher Merkmale ist hier nicht ins Auge gefasst.

Ferner sieht das Schengen-Akquis, insbesondere dasSchengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ), ge-meinsame Regelungen für die sichtvermerksfähigen Rei-sedokumente sowie Form, Inhalt und Gültigkeitsdauerder Sichtvermerke insbesondere für kurzfristige Aufent-

1 Bis 2004 soll das System ca. zwei Millionen Antragsteller verwalten,etwa 500 000 Datenvergleiche pro Sekunde ermöglichen und mit ei-ner Genauigkeit von 99,9 Prozent arbeiten (Computerwoche 2003,S. 33).

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Drucksache 15/4000 – 12 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

halte vor (Artikel 17 Abs. 3 SDÜ). Entsprechende Ent-scheidungen werden durch einen Exekutivausschuss ge-troffen. Insoweit dürfte der deutsche Gesetz- undVerordnungsgeber an die Vorgaben des Ausschusses ge-bunden sein. Sichtvermerke für längere Aufenthalte (län-ger als drei Monate) werden gemäß Artikel 18 SDÜ nachMaßgabe des nationalen Rechts erstellt. Auch hier sindkeine verbindlichen Mindeststandards hinsichtlich derAufnahme biometrischer Merkmale vorgesehen.

Gleiches ergibt sich auch aus der Verordnung EG/1030/2002 zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitelsfür Drittstaatenangehörige vom 13. Juni 2002, die in je-dem Mitgliedstaat unmittelbare Geltung hat. Die Verord-nung verlangt als biometrisches Mindestmerkmal dieEinbringung eines Lichtbildes. Die Aufnahme weitererbiometrischer Merkmale ist nicht vorgesehen. Allerdingsweist Erwägung 6 der genannten Verordnung darauf hin,dass die Mitgliedstaaten und die Kommission in regelmä-ßigen Abständen diese Option prüfen.

Mit der Vorlage eines Vorschlags vom 24. September2003 zur Änderung der o. g. Verordnung EG/1683/95 desRates über eine einheitliche Visagestaltung sowie zur Än-derung der Verordnung EG/1030/2002 zur einheitlichenGestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatenangehö-rige hat die Europäische Kommission die Entwicklungweiter vorangetrieben.

In der Begründung wird auf die Bemühungen zur Verbes-serung der Dokumentensicherheit auf europäischer Ebeneinfolge der Anschläge vom 11. September 2001 Bezuggenommen (Europäische Kommission 2003b). Übergrei-fendes Ziel sei, Personen aufzuspüren, die mit gefälschtenamtlichen Dokumenten in die EU einreisen wollen.

Die Mitgliedstaaten – so die Kommission weiter – hättenzuletzt auf der informellen Tagung ihrer Justiz- und In-nenminister am 28. und 29. März 2003 in Veria daraufhingewiesen, dass sie eine Erhöhung der Sicherheitsstan-dards und eine Vereinheitlichung von Visa und Reisedo-kumenten allgemein begrüßten und biometrische Identifi-katoren in Visa und Aufenthaltstiteln für Drittstaatlerbefürworteten. Der Europäische Rat schließlich habe am19./20. Juni 2003 in Thessaloniki bekräftigt, dass „in derEU ein kohärenter Ansatz in Bezug auf biometrischeIdentifikatoren oder biometrische Daten verfolgt werdenmuss, der in harmonisierte Lösungen für Dokumente fürStaatsangehörige von Drittländern, Pässe von EU-Bür-gern und Informationssysteme (VIS und SIS II) mündet“.Der Rat habe die Kommission aufgefordert, „entspre-chende Vorschläge auszuarbeiten und mit dem BereichVisa zu beginnen“ (Europäische Kommission 2003b,S. 3).

Das Gesicht ist nach den Vorschlägen der Kommissiondas wichtigste biometrische Merkmal, um Interoperabili-tät zu gewährleisten. Es soll den Mitgliedstaaten überlas-sen bleiben, ob sie an der Grenze nur eine Kontrolle mit-tels der auf einem Bildschirm projizierten digitalenFotografie oder – als anspruchsvollere Lösung – mittelseiner biometrischen Gesichtserkennung durchführen wol-len. Die Wahl der Technologie soll im Ermessen der Mit-

gliedstaaten liegen, vorausgesetzt die von der ICAO ent-wickelten Qualitätsnormen für digitale Lichtbilderwerden erfüllt. Als ein zweites biometrisches Merkmalsoll der Abdruck zweier Finger aufgenommen werden, dader Fingerabdruck sich am besten für den Abgleich mitDatenbanken eigne. Die Aufnahme dieses zweiten Identi-fikators soll für die Mitgliedstaaten verpflichtend sein,vor allem deshalb, weil für eine ausreichende Überein-stimmungsquote mindestens zwei biometrische Identifi-katoren erforderlich seien. Die biometrischen Datensollen in einem Speicherelement mit ausreichender Kapa-zität gespeichert werden. Der Zeitplan sieht zunächst einLichtbild als biometrisches Merkmal bis 3. Juni bzw.14. August 2005 vor. Danach soll die digitale Aufnahmeund Speicherung des Lichtbildes innerhalb von zwei Jah-ren und der Fingerbilder innerhalb von drei Jahren nachder Annahme entsprechender Spezifikationen erfolgen(Europäische Kommission 2003b).

Schengen-Informationssystem, Visa-Informationssystem

In engem zeitlichem Zusammenhang mit der Einigung desRates der Europäischen Union auf die Integration des bio-metrischen Merkmals Gesicht in Form eines Lichtbildesin Visa hatte der EU-Ministerrat beschlossen, den 1990installierten Zentralcomputer der Schengen-Staaten zuersetzen und ihn u. a. um die Funktionen von SIS (Schen-gen-Informationssystem) zu erweitern. Dieses Informa-tionssystem ist für 18 Staaten ausgelegt (15 Mitglied-staaten, Island, Norwegen und ggf. ein weiteresMitglied). Allerdings ist die Technologie von SIS der ers-ten Generation inzwischen überholt, neue Entwicklungs-optionen wurden geprüft und neue Funktionen sind vor-gesehen: Neben dem reinen Informationssystem soll einErmittlungssystem eingerichtet werden; dazu müssenneue Datenkategorien festgelegt werden. Schwerpunktemüssten die „Prävention und Erkennung von Bedrohun-gen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und wenigerdie Ermittlung im Bereich der organisierten Kriminalität“sein, so die Europäische Kommission (Tätigkeitsbereicheder Europäischen Union, Justiz und Inneres, Informa-tionssystem Schengen II; http://europa.eu.int/scadplus/leg/de/s22000.htm).

Zu den Vorschlägen für eine Erweiterung des Schengen-Informationssystems (SIS II) gehört auch, zusätzlicheIdentifikationsdaten zu erheben. Da die Regelung überdie Integration des Lichtbildes in EU-Visa bereits am3. Juni 2002 in Kraft getreten ist, könnte beispielsweisedas Lichtbild und damit die biometrische Gesichtsinfor-mation im SIS allen Mitgliedstaaten zur Nutzung anGrenzkontrollposten zur Verfügung gestellt werden(Booz Allen Hamilton et al. 2003, S. 40).

In den am 13. Juni 2002 angenommenen Leitlinien misstder Europäische Rat dem Visa-Informationssystem (VIS)als einem System zum Austausch von Visadaten zwi-schen den europäischen Mitgliedstaaten hohe Bedeutungzu. Das System solle u. a. „folgende Ziele verwirklichen:Bekämpfung des Visabetrugs, Verhütung des so ge-nannten Visashopping und Verbesserung der konsu-

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13 – Drucksache 15/4000

larischen Zusammenarbeit“ (Europäisches Parlament2003, S. 4). Um diesen Zielen gerecht werden zu können,wird VIS ein so genanntes „Central Visa Information Sys-tem“ (C-VIS) und in jedem Mitgliedstaat ein „NationalVisa Information System“ (N-VIS) umfassen. In einervon der Europäischen Kommission erstellten VIS-Durch-führbarkeitsstudie wird der Fingerabdruck aller zehnFinger eines Antragstellers befürwortet, da nur diesesVerfahren nachweislich ein hohes Maß an Erkennungs-sicherheit liefere.2 Das Dokument soll zwei Fingerab-drücke enthalten.

Die Kommission verfolgt mit ihren Vorschlägen zweiZiele: Erstens soll die Frist zur Umsetzung der Licht-bildbestimmung von 2007 auf 2005 vorverlegt werdenund zweitens sollen die Mitgliedstaaten verpflichtetwerden, auf eine harmonisierte Art und Weise biomet-rische Identifikatoren in Visa und Aufenthaltstitel fürDrittstaatenangehörige zu integrieren und Interoperabi-lität zu gewährleisten. Maßnahmen, die die Doku-mente der EU-Bürger betreffen, sollen noch in diesemJahr folgen.

Aktuelle Studien und Forschungsprojekte

Initiiert durch die Europäische Kommission, gründetesich 2002 das BIOVISION Consortium, ein Zusammen-schluss verschiedener Organisationen aus Großbritan-nien, Irland, Italien, Deutschland, Dänemark und denNiederlanden. Dieses Konsortium legte der EuropäischenKommission am 28. August 2003 eine Roadmap vor, diedie zukünftige Entwicklung der biometrischen Schlüssel-technologien aufzeigt, insbesondere die innerhalb der Eu-ropäischen Union (Biovision 2003). Die Roadmap ver-sucht, Bedingungen zu benennen, die biometrischenAnwendungen in europäischen Schlüsselmärkten förder-lich sein könnten; der Fokus wird also auf wirtschaftlicheAnwendungen und weniger auf Anwendungen im Be-reich des Pass- und Ausweiswesens gelegt.

Am 21. Juli 2003 wurde in der Nachfolge vonBIOVISION das European Biometric Forum (EBF) eta-bliert. Dem EBF gehören Experten und Vertreter ausWirtschaft und Gesellschaft an, die den Markt für biomet-rische Anwendungen in und aus Europa einschätzen sol-len. Damit wird der Versuch unternommen, Entwicklernund Anbietern biometrischer Anwendungen ein Forum zubieten sowie den europaweiten Austausch von technolo-gischem Wissen und von Erfahrungen aus biometrischenAnwendungen zu fördern (http://www.eubiometricfo-rum.com).

Im Zusammenhang mit dem Erlass von Leitlinien zurEinrichtung eines gemeinsamen Visa-Informationssys-

tems (VIS) durch den Europäischen Rat im Juni 2002wurde die Europäische Kommission aufgefordert, eineDurchführbarkeitsstudie auf der Grundlage dieser Leitli-nien zu erstellen. Die vorgelegte Studie enthält eine Ana-lyse der technischen und finanziellen Aspekte von VIS.Im Ergebnis wird die Bedeutung biometrischer Merkmalefür die Effizienz des Systems ausdrücklich hervorgeho-ben. Fingerabdrücke und Gesicht werden als biometri-sche Identifikatoren empfohlen: Mit der Fingerabdruck-technik wäre die notwendige Genauigkeit gewährleistet,um Personen identifizieren zu können, und die Fingerab-druck-Datenbanken könnten auch dann noch genutzt wer-den, wenn neue biometrische Techniken eingeführt wür-den. Durch die Verwendung eines zweiten biometrischenIdentifikators (Gesicht) könnte die Identifikationsgenau-igkeit noch weiter verbessert werden (Europäische Kom-mission 2003a, S. 4). Die geschätzten Investitionskostenlägen zwischen 130 Mio. Euro und 200 Mio. Euro, dieEinrichtung von VIS könnte bis zu zwölf Jahre in An-spruch nehmen.

Im Bereich der Forschung zu biometrischen Basistechno-logien finanziert die EU derzeit das Projekt VIPBOB(VIrtual Pin Based On Biometrics; Laufzeit: 1. März2002 bis 29. Februar 2004). Es widmet sich dem Einsatzvon Biometrie als PIN, der Verknüpfung von Biometrienund kryptografischer Authentisierung sowie der Kompa-tibilität mit bereits bestehenden Infrastrukturen. In denvergangenen Jahren hatte die EU in diesem Forschungs-bereich weitere Projekte initiiert und finanziert: z. B.SABRINA mit dem Ziel, sichere Authentifizierungsmög-lichkeiten durch eine Ultraschallabtastung der Haut zuentwickeln (Laufzeit: 1. Januar 2001 bis 31. Dezember2002), FINGERCARD, in dessen Verlauf die Integrationvon Fingerbildsensoren in Smartcards untersucht wurde(Laufzeit: 1. Januar 2001 bis 30. Juni 2002), sowie dasProjekt TUBA (Time-Reserved Mirroring of acousticwaves for biometric authentication; Laufzeit: 1. Septem-ber 2002 bis 30. April 2003).

Die EU unterstützt außerdem Forschungsprojekte, diesich mit konkreten biometrischen Anwendungen befas-sen: Derzeit läuft z. B. das Projekt S-TRAVEL, in dessenRahmen Standardlösungen für den sicheren Grenzüber-tritt entwickelt werden sollen (Laufzeit: 1. November2002 bis 30. April 2004). Zuvor wurden die ProjektePAIDFAIR (Laufzeit: 1. Juni 2001 bis 30. November2002), E-POLL (Laufzeit: 1. September 2000 bis 31. No-vember 2002) und U-FACE (Laufzeit: 2. April 2000 bis1. Oktober 2002) abgeschlossen.

2. USA

Bereits seit 1993 gibt es in den USA Programme und Pro-jekte für automatisierte Grenzkontrollanwendungen, diebiometrische Identifikationssysteme verwenden: So wer-den z. B. im Rahmen des INS Passenger Accelerated Ser-vice System (INSPASS) – ein vom „Immigration and Na-turalization Service“ (INS) eingerichtetes System für die

2 Ziel dieser Studie war es, die praktische Durchführbarkeit eines Sys-tems für den Austausch von visumspezifischen Daten zwischen denMitgliedstaaten einschließlich der dafür erforderlichen Finanz- undHumanressourcen zu prüfen. Abzuschätzen war der Umfang der zuspeichernden Daten und der Zeitpunkt, zu dem die erforderlichenDaten in das VIS aufgenommen werden können.

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Drucksache 15/4000 – 14 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

biometrisch unterstützte Grenzkontrolle – Vielflieger ve-rifiziert (vgl. Kapitel III.2).3

Im Rahmen des „Border Crossing Card And Border Bio-metrics Program“ enthalten alle Border Crossing Cards(BCC) – die von mexikanischen Staatsbürgern für einenkurzen Aufenthalt in den USA genutzt werden – seit 1998mindestens ein biometrisches Merkmal. Diese BCC istlaminiert, trägt verschiedene Sicherheitsmerkmale undhat eine zehnjährige Gültigkeit. Die Border CrossingCards, die an mexikanische Staatsbürger und dauerhaft inMexiko lebende Bürger anderer Nationalität ausgegebenwerden, sind so genannte „laser visas“. Sie wurden nebenden Funktionen der BCC um die eines Visums speziell fürBesucher erweitert (http://travel.state.gov/bcc.html). Diebei den Ausstellungsbehörden gespeicherten biometri-schen Merkmale der Antragsteller werden elektronisch anden INS übermittelt. Seit dem Jahr 2001 wird zusätzlichzum Fingerabdruck Gesichtserkennung eingesetzt, umDoppelanträge bei den Visa ausstellenden Behörden zuverhindern. Die Zahl der beantragten Visa insgesamt gingseitdem deutlich zurück (Abbildung 1).

Von Januar bis Juli 2002 lief die Pilotphase des so genann-ten „National Security Entry-Exit Registration System“(NSEERS). Seit 1. Oktober 2002 ist NSEERS an238 Stellen im operativen Einsatz, u. a. um Einreisende indie USA aus bestimmten Staaten auf kriminelle und terro-ristische Aktivitäten zu überprüfen. Dazu werden Fotogra-fien und Fingerabdrücke der einreisenden Personen gegenDatenbanken (AFIS-Datenbank und IDENT-Datenbank)abgeglichen. Das NSEER-System integriert mehrere Ele-

mente und Maßnahmen, wie z. B. das Automated Biome-tric Identification System. NSEERS soll zukünftig in ei-nem umfassenden Entry-Exit-System aufgehen.

Gesetzgebung und Umsetzung legislativer VorgabenSeit dem 11. September 2001 wurden drei Gesetze verab-schiedet, die den Ein- und Ausreiseablauf von Ausländernin die USA betreffen. Auf der Grundlage des „Aviationand Transportation Security Act“ können Gepäckstückevon Flugreisenden elektronisch überprüft und Informatio-nen zu den Gepäckstücken schneller übermittelt werden.Relevant für das Pass- und Personalausweiswesen in denUSA sind der US Patriot Act und der Enhanced Border Se-curity and Visa Entry Reform Act of 2002.

Patriot Act

Dieses Gesetz beinhaltet u. a. die zeitnahe und stufen-weise Implementierung von sicheren Grenzkontrollsyste-men. Vorgesehen ist u. a., ab dem 26. Oktober 2004 nurnoch fälschungssichere und maschinenlesbare Visa undReisedokumente für international Reisende mit biometri-schen Merkmalen auszustellen sowie schrittweise Lese-geräte zur Verifikation dieser Dokumente an allen Grenz-kontrollpunkten der USA zu installieren. Der angestrebteStichtag für ein voll funktionsfähiges Entry-Exit-Systemist Januar 2006.

Enhanced Border Security and Visa Entry Reform Act

Dieses Gesetz vom Mai 2002 verlangt von allen Staaten,ab dem 26. Oktober 2004 fälschungssichere Reisedoku-mente mit biometrischen Merkmalen für die Einreise indie USA auszustellen. Diese Regelung gilt auch für Staa-ten, die am so genannten Visa Waiver Program teilneh-men. Die zuständigen Stellen in den USA sind bis spätes-tens zum gleichen Zeitpunkt verpflichtet, nur noch

3 INSPASS ist ein Handgeometrieerkennungs-System, das erstmals imMai 1993 am JFK-Flughafen in New York pilotiert wurde und der-zeit an sieben US-amerikanischen (Los Angeles, Miami, Newark,New York [JFK], San Francicso, Washington-Dullus) und zwei kana-dischen Flughäfen (Vancouver, Toronto) im Einsatz ist.

A b b i l d u n g 1

Visabeantragungen in den USA von 1999 bis 2003

Quelle: U.S. Department of State 2002, S. 37

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1999 2000 2001 2002 2003

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maschinenlesbare, fälschungssichere und mit biometri-schen Merkmalen gemäß ICAO-Standard versehene Visaund andere Reisedokumente auszugeben. An allen Einrei-seorten müssen bis 26. Oktober 2004 entsprechende Sys-teme installiert sein.

Im Zuge der Verschärfung der Einreisebestimmungen indie USA werden damit auch ausländische Regierungenangehalten, neue Ausweisbestimmungen zu verabschie-den. Nachdem die kanadische Regierung den US-ameri-kanischen Vorstellungen im Rahmen eines gemeinsamenSmart Border Action Plan bereits nachgekommen ist,sind die anderen am Visa Waiver Program beteiligtenStaaten vor die gleiche Entscheidung für (oder gegen) bi-ometrische Ausweisdokumente gestellt.

U. S. VISIT

In der Konsequenz der legislativen Vorgaben ist vomU.S. Department of Homeland Security (DHS) ein um-fassendes Konzept zur Überwachung von Ein- und Aus-reise sowie des Aufenthalts entwickelt worden – dasU. S.-„Visitor and Immigrant Status Indication Techno-logy System“ (U.S. VISIT). In dessen Rahmen soll einumfassendes Entry-Exit-System – zunächst an den See-grenzen und den Lufthäfen – implementiert werden,wobei die biografischen Daten und biometrischen Merk-male der Besucher und Einreisenden an den Grenz-kontrollpunkten aufgenommen werden (Booz AllenHamilton et al. 2003, S. 42). Nach Veröffentlichungendes DHS sollen bei U.S. VISIT biometrische Merkmaleder Finger und des Gesichtes zum Einsatz kommen. Ge-plant ist ferner, bereits in den Konsulaten, die die Visaausstellen, zunächst Fingerbild und Foto abzunehmen.Später könnten weitere Merkmale (wie Iris) und Verfah-ren einbezogen werden. Die erhobenen Daten wären dann

bei der tatsächlichen Einreise in die USA an den Grenz-übergängen abrufbar.

Der Zeitplan von U.S. VISIT sieht vor, dass ab dem1. Januar 2004 von den meisten Besuchern (ausgenom-men sind z. B. Reisende unter dem Visa Waiver Pro-gram), die an Flughäfen oder Seehäfen in die USA einrei-sen, ein digitales Foto gemacht und zwei Fingerabdrückeeingelesen werden. Diese Daten werden dann mit Listenabgeglichen, auf denen Personen registriert sind, deneneine Einreise in die USA zu verweigern ist. Gleichzeitigwerden der Ausreisetag und die Aufenthaltsadresse fest-gehalten, damit Personen, die zwar legal einreisen, sichdurch die Verzögerung ihrer Ausreise dann aber illegal inden USA aufhalten, rechtzeitig ausgewiesen werden kön-nen (Abbildung 2).

Für US-Bürger entfallen die genannten Prozeduren, siewerden also nicht biometrisch erfasst. Das Department ofState soll aber „zukünftig“ maschinenlesbare Reisepässefür US-Bürger ausgeben, die biometrische Merkmale desGesichtes enthalten.

Aktuelle Projekte und Tests

Etwa seit dem Jahr 2000 sind mit Unterstützung bzw. un-ter der Federführung von Ministerien, Behörden und wei-teren Einrichtungen verstärkt Tests zur Überprüfung derLeistungsfähigkeit biometrischer Systeme durchgeführtworden (vgl. Kapitel IV). Die folgende Tabelle (S. 16)gibt einen Überblick über ausgewählte, in den USAdurchgeführte unabhängige Biometrietests.

Mit den Ergebnissen dieser und anderer Tests liegen derUS-Regierung, aber auch anderen Staaten, mittlerweilerecht aussagekräftige und relativ neutrale Daten über dieTechnologien vor, die bei einem flächendeckenden Mas-seneinsatz infrage kommen könnten.

A b b i l d u n g 2

Kontrollsystem für die Ein- und Ausreise in die USA

Quelle: GAO 2003b, S. 6

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Drucksache 15/4000 – 16 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Ta b e l l e 1

Biometrietests in den USA seit 2000

Quelle: Eigene Darstellung, nach GAO 2002, S. 60 f.

Name ausführendeBehörde/Institut

abgeschlossen im Jahr Merkmal

Biometric Product Testing National Physical Labo-ratory 2000 Gesicht, Iris, Finger, Hand, Vene, Sprache

Facial Recognition Vendor Test (FRVT 2000)

DoD, National Institute of Justice, NIST

2000 Gesicht

Fingerprint Verification Competition 2000

University of Bologna, Michigan State University, San Jose State University

2000 Finger

Facial Recognition Technology Department of State,Bureau of Consular Affairs

2001 Gesicht

Personnel Identification Pilot Study Army Research Laboratory 2001 Gesicht, Iris

Fingerprint Identification Device Federal Aviation Administration (FAA) und Safe Skies

2001 Finger

Hand Geometry Identification Device FAA und Safe Skies 2001 Hand

Facial Recognition Device FAA und Safe Skies 2002 Gesicht

Iris Recognition Device FAA und Safe Skies 2002 Iris

Fingerprint Verification Competition 2002

University of Bologna, Michigan State University, San Jose State University

2002 Finger

Face Recognition Vendor Test (FRVT 2002)

15 Organisationen, u. a. DoD, NIST und National Institute of Justice

2003 Gesicht

3. International Civil Aviation Organization ment 9303 Teil 1 und 2 auszustatten. Eine rechtlich bin-

(ICAO)

Die International Civil Aviation Organization (ICAO),1947 als UN-Sonderorganisation gegründet, hat 188 Mit-gliedstaaten und koordiniert seit 1997 in enger Koopera-tion mit der International Organization for Standardiza-tion (ISO) die Implementierung maschinenlesbarerReisedokumente, die mit biometrischen Merkmalen aus-gestattet werden sollen. Die Richtlinien und Empfehlun-gen dieser Behörde spielen eine bedeutende Rolle bei derFestlegung internationaler Standards. Zwar hat die ICAOselbst keine Hoheitsbefugnisse; ihre Richtlinien geltendaher auch nicht unmittelbar in den Mitgliedstaaten. Siemüssen vielmehr von den jeweiligen Vertragsstaaten inentsprechende nationale Rechtsvorschriften transformiertwerden.

Die Bundesrepublik hat sich verpflichtet, Reisedoku-mente nach den Standards der ICAO auszugeben. In einerEntschließung des Rates der EU (2000/C310/01, An-hang II), die keine unmittelbar rechtsbindende Wirkunghat, wurde übereinstimmend festgelegt, Reisepässe mitmaschinenlesbaren Lesezonen gemäß ICAO-Doku-

dende Verpflichtung zur Umsetzung des ICAO-Standardsist im Rahmen der Entschließung der EU zur Sicherungvon Pässen und Reisedokumenten nur mittelbar gegeben.

Im Mai 2003 stellte die Behörde einen Beschluss für dieVereinheitlichung biometrischer Informationen in Reise-pässen und anderen maschinenlesbaren Reisedokumentenvor. Danach sei die Gesichtserkennung die zu bevorzu-gende Biometrie als „globally interoperable biometric formachine-assisted identity confirmation“ (ICAO 2003a).In einer vergleichenden Analyse verschiedener Bio-metrien schnitt die Technologie der Gesichtserkennungmit Blick auf die Vergleichsgeschwindigkeit – sowohl inBezug auf den 1:1-Vergleich (Person – Dokument) alsauch im Hinblick auf den Abgleich personenbezogenerMerkmale mit Datenbanken – am besten ab; Finger- undIriserkennung werden optional als Ergänzung empfohlen,sollten Staaten „identity confirmation“ mithilfe eines Do-kuments erwägen. Schließlich wird die Speicherung von„images rather than templates“ in einem Chip empfohlen.Die Empfehlung für die Gesichtserkennung wird in dasICAO-Dokument 9303 „Machine Readable Travel Docu-ments“ Eingang finden.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17 – Drucksache 15/4000

4. International Maritime Organization (IMO)

Die International Maritime Organization (IMO) hat aufihrer 22. Tagung (19. bis 29. November 2001) eine Ent-schließung mit dem Titel „Prüfung von Maßnahmen undVerfahren zur Verhütung von Terrorakten, die die Sicher-heit von Passagieren und Mannschaften und die Sicher-heit von Schiffen bedrohen“ angenommen. Bei der damitverbundenen Abklärung der Möglichkeiten und Chanceneines einheitlichen Ausweises für Seeleute wurde auchangeregt, biometrische Identifikationsmerkmale (nachden Vorgaben der ICAO) zu prüfen und ggf. zu überneh-men.

Auf einer internationalen Arbeitskonferenz im Juni 2003entstand der Bericht VII (1) „Zur Verbesserung der Si-cherheit der Personalausweise für Seeleute“. Darin wer-den insbesondere Änderungen des Internationalen Über-einkommens zum Schutz des menschlichen Lebens aufSee (SOLAS) von 1974 in Betracht gezogen (u. a. auto-matische Schiffsidentifikations-Systeme und Sicherheits-maßnahmen bei den Informationen über Schiff, Ladung,Mannschaft und Passagiere). Der Bericht hält fest, dassdas grundlegende Kriterium für die Ausgabe eines Passesdie Nationalität und nicht der Beruf sei. Ein Personalaus-weis für Seeleute solle deshalb den nationalen Reisepassauch nicht ersetzen, sondern ergänzen (http://www.ilo.org/public/german/standards/relm/ilc/ilc91/pdf/rep-vii-2a.pdf).

Eine Konvention der Internationalen Arbeitsorganisation(ILO) vom 5. Juni 2003 sieht ebenfalls vor, biometrischeMerkmale in Ausweise für Seeleute zu übernehmen. DieDokumente sollen mit einem Fingerabdruck versehenwerden; dadurch wäre weltweit die Identität von1,2 Millionen Seeleuten an Bord des Schiffes, in Häfenund auch an Flughäfen eindeutig festzustellen. Dafür sol-len die Mitgliedstaaten der ILO eine gemeinsame Daten-bank aufbauen (http://www.ilo.org/public/english/bureau/inf/pr/2003/25.htm).

5. G8

Die Justiz- und Innenminister der G8-Staaten haben aufihrem Treffen am 5. Mai 2003 in Paris die Maßnahmenzur Bekämpfung des internationalen Terrorismus präzi-siert. Dazu zählt auch ein verstärkter Einsatz biometri-scher Technologien. Er solle neue Möglichkeiten beimKampf gegen den internationalen Terrorismus und gegenFälschungsdelikte eröffnen.

Betont wird, dass die Vorhaben der einzelnen Staatenstärker als bisher aufeinander abgestimmt und dass inter-national gültige Standards angestrebt würden: „In thisspirit, the G8 contributed to the International Civil Avia-tion Organisation’s (ICAO) work in the form of a Decla-ration (G8 Roma and Lyon Groups Statement for ICAOon Biometric Applications for International Travel). Thedeclaration identifies three guiding principles in establi-shing the standards: universality of standards to ensureperfect technical interoperability, urgency in implemen-ting these technologies and technical reliability.“ (http://

www.g8.fr/evian/extras/389.pdf: Final official statement –Presidents’ Summary)

Die G8-Staaten wollen ferner – unter gemeinsamer US-amerikanisch/französischer Leitung – eine hochrangigeArbeitsgruppe ins Leben rufen, die erste politische Ent-scheidungen in die Wege leiten soll. Zu diesem Zwecksollen breit angelegte Testprogramme vorbereitet werden,mit deren Hilfe Entscheidungen in Bezug auf biometri-sche Daten und definierte Ziele besser fundiert werdenkönnen.

6. Deutschland

Im Zuge der intensiven Diskussionen um Maßnahmen zurVerbesserung der Sicherheitslage nach dem 11. Septem-ber 2001 wurde auch in Deutschland der Einsatz bio-metrischer Verfahren erörtert. Mit dem „Gesetz zurBekämpfung des internationalen Terrorismus (Terroris-musbekämpfungsgesetz)“ vom 9. Januar 2002 ist der Ge-setzgeber entsprechend tätig geworden (vgl. Kapitel V).Bei Ausweisdokumenten für Bundesbürger und Auslän-der wird die Möglichkeit computerunterstützter Identifi-zierung von Personen durch biometrische Daten in Aus-weisdokumenten eröffnet. Mithilfe der Biometrie sollderen Fälschung erschwert bzw. unterbunden und es sollverhindert werden, „dass Personen sich mit fremden Pa-pieren ähnlich aussehender Personen ausweisen können“.Entsprechend werden zweifelsfreie Feststellung der Echt-heit von Dokumenten und der Identität von Personen er-wartet (Bundestag 2001, S. 47). Hierzu nimmt das GesetzÄnderungen des Passgesetzes (PassG) und des Gesetzesüber Personalausweise (PAuswG) dergestalt vor, dass– neben Lichtbild und Unterschrift – weitere biometri-sche Merkmale in Pass und Personalausweis auch in ver-schlüsselter Form aufgenommen werden dürfen. Alterna-tiv können dies nunmehr auch die Merkmale von Fingernoder Händen oder Gesicht sein.

Ein zukünftiges „besonderes Bundesgesetz“ soll dieseVorgaben konkretisieren: Zu regeln sind die „Arten derbiometrischen Merkmale, ihre Einzelheiten und die Ein-bringung von Merkmalen und Angaben in verschlüsselterForm […] sowie die Art der Speicherung, ihrer sonstigenVerarbeitung und ihrer Nutzung“ (§ 4 Abs. 4 PassG neu,§ 1 Abs. 5 PAuswG neu).

Im Ausländergesetz (AuslG) wird die Nutzung biometri-scher Merkmale in der oben genannten Art und Weiseebenfalls als Option eröffnet. Vor allem die Aufenthalts-genehmigung, aber auch der Ausweisersatz, die Beschei-nigung über die Duldung und die „Bescheinigung überdie Wirkung [...] [der] Antragsstellung (Fiktionsbeschei-nigung)“ können künftig biometrische Merkmale vonFingern oder Händen oder Gesicht enthalten (§ 5 Abs. 4,§ 39 Abs. 1, § 56a, § 69 Abs. 2 AuslG neu). Damit sollenFälschung und Missbrauch von Dokumenten effektiv ver-hindert und insgesamt die „Möglichkeiten der Identitäts-sicherung“ erweitert und verbessert werden. Die konkreteAusgestaltung der so eröffneten Möglichkeiten liegt beim

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Drucksache 15/4000 – 18 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Bundesministerium des Innern und erfolgt durchRechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesratesbedarf (§ 5 Abs. 6, § 39 Abs. 1, § 56a, § 69 Abs. 2 AuslGneu).

Aktuelle Tests und Projekte in Deutschland

Schon in den Jahren 1999 und 2000 hatte das Bundesamtfür Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gemein-sam mit dem Bundeskriminalamt (BKA) eine „Verglei-chende Untersuchung biometrischer Identifikationssys-teme – BioIS“ durchführen lassen, die erste ihrer Art inDeutschland. Das Fraunhofer-Institut für Graphische Da-tenverarbeitung (IGD) in Darmstadt war für die techni-sche Untersuchung – ein Praxisvergleich verschiedenerSysteme – zuständig, das Modul Technikfolgenabschät-zung wurde vom Wissenschaftlichen Institut für Kommu-nikationsdienste GmbH (WIK), Bad Honnef, bearbeitet.Ein Ziel dieser und anderer Aktivitäten war es, nationalund international abgestimmte Evaluierungs-, Normie-rungs- und Zertifizierungskriterien zu erarbeiten, die fürden Einsatz, für die Anwendung und zur Bewertung bio-metrischer Verfahren, z. B. im Rahmen der gesetzeskon-formen Digitalen Signatur, notwendig sind (http://www.bsi.de). Als Fortsetzung dieser Studie ist BioKritanzusehen, eine Untersuchung, die von Februar 2001 bisFebruar 2002 vom TÜV IT und der Firma secunet Secu-rity Networks AG im Auftrag des BSI durchgeführtwurde. Folgende Aspekte wurden im Rahmen von Bio-Krit untersucht:

– Der in BioIS entwickelte Entwurf „Technischer Eva-luationskriterien für biometrische Systeme“ sollte mitzwei biometrischen Systemen auf seine Brauchbarkeitfür die Evaluation biometrischer Systeme näher be-trachtet werden. Der Entwurf der technischen Evalua-tionskriterien sollte im Anschluss aufgrund der ge-machten Erfahrungen überarbeitet werden.

– Auf Basis des britischen Schutzprofils „BiometricDevice Protection Profile“ (http://www.cesg.gov.uk/biometrics/) sollten für mindestens eines der biometri-schen Systeme konkrete Sicherheitsvorgaben erstelltwerden. Diese Sicherheitsvorgaben bildeten dieGrundlage für eine formale Evaluierung und Zertifi-zierung auf Basis der Common Criteria.

– Es sollte geprüft werden, ob sich die technischen Eva-luationskriterien eignen, die in den Sicherheitsvorga-ben formulierten Sicherheitsfunktionalitäten technischzu überprüfen. Bei einer möglichen Nutzbarkeit dertechnischen Evaluationskriterien könnten diese dieBasis für eine international anerkannte Methodologiebilden (BSI 2001).

Gegenwärtig untersucht das BSI in Zusammenarbeit mitdem BKA biometrische Identifikationsmöglichkeiten imZusammenhang mit Ausweisdokumenten. In der erstenPhase des Projektes BioP I wurden ausschließlich Ge-sichtserkennungs-Systeme auf ihre Leistungsfähigkeit beieiner Verifikation mit Personaldokumenten getestet. Dies

erfolgte in einer kontrollierten Testumgebung beim BKAin Wiesbaden. Im weiteren Verlauf des Projektes in derzweiten Phase BioP II werden darüber hinaus weiterebiometrische Identifikationssysteme in einer kontrollier-ten Testumgebung am Frankfurter Flughafen evaluiert.Hierbei handelt es sich um einen vergleichenden System-test der Verfahren Gesichts-, Fingerabdruck- und Iris-erkennung mit einer großen Nutzergruppe. Sowohl inBioP I als auch II werden die Empfehlungen der ICAOberücksichtigt. Mit der Durchführung beider Projektpha-sen wurde die Firma secunet Security Networks AG be-auftragt. Mit den so gewonnenen Erkenntnissen sollenAussagen über die grundsätzliche Leistungsfähigkeit undEignung der unterschiedlichen biometrischen Verfahrenfür einen Einsatz im Zusammenhang mit Ausweisdoku-menten getroffen und Kriterien entwickelt werden, nachdenen biometrische Systeme in Ausweisdokumenten ein-gesetzt werden könnten.

Im Rahmen des Projektes BioFinger wird die Leistungs-fähigkeit von Fingerabdruckerkennungs-Systemen imHinblick auf die Verifikation untersucht. Initiiert wurdedieses Projekt vom BSI, durchgeführt wird es vom Fraun-hofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung (IGD).Aufgrund der Anforderungen an ein Personaldokument,möglichst lange (mindestens zehn Jahre) einsetzbar zusein, wird in diesem Forschungsprojekt besonderes Au-genmerk auf die mögliche Beeinflussung der Abbildungvon Fingerabdrücken (Alter, optische Auflösungen, „ge-rollte“ und „aufgelegte“ Abdrücke) gelegt. Dieser Aspektist auch im Hinblick auf die Kompatibilitätsanforderun-gen beim Einsatz unterschiedlicher Sensoren von Bedeu-tung (B & L 2003, S. 10).

Mit der Durchführung des Projektes BioFace wurde eben-falls das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverar-beitung (IGD) beauftragt. In einer ersten Phase(BioFace I) wurden die biometrischen Merkmale von200 000 Gesichtern gespeichert und nach verschiedenenMerkmalen klassifiziert. In der zweiten Projektphase(BioFace II) wurden Leistung und Effizienz der Erken-nungsalgorithmen und -systeme mit großen Datenmengenuntersucht. Im Juni 2003 hat das BSI den Abschlussbe-richt „BioFace I & II“ vorgelegt (http://www.bsi.bund.de/fachthem/BioFace/BioFaceIIBericht.pdf). Besonders dieErgebnisse aus BioFace II zeigen, dass Ursachen für Ver-änderungen im Verhalten und in der Erkennungsleistungbiometrischer Gesichtserkennungs-Systeme noch genaueranalysiert werden müssen. So scheint das verwendeteBildmaterial (Gesichtsbilder von Europäern) großen Ein-fluss auf die Testergebnisse zu haben. Da sich in den vo-rausgegangenen Projektphasen außerdem gezeigt hatte,dass die Bildqualität einen deutlichen Einfluss auf die Er-kennungsleistung von Gesichtserkennungs-Systemen hat,dient die aktuelle Projektphase BioFace III der näherenBetrachtung des Einflusses so genannter störender Fakto-ren wie Mimik der Person, fotografische Bedingungenund Aufnahmeperspektive.

Im Auftrag des BMWA und des BMI führen das IGD,Verbund Mikroelektronik (Projektkoordination), das

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 19 – Drucksache 15/4000

Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegra-tion (Technik), das Institut für Informatik und Gesell-schaft (IIG) (Wirtschaft) und die Projektgruppe „Verfas-sungsverträgliche Technikgestaltung“ an der UniversitätKassel (provet) (Recht) seit Januar 2003 eine Machbar-keitsstudie „Digitaler Personalausweis“ durch. Die Studiebeschäftigt sich neben rechtlichen und technischen auchmit wirtschaftlichen Fragen. Zum einen soll durch die In-tegration der Funktionalitäten der elektronischen Signa-tur, der Verschlüsselung und Authentifizierung der elek-tronische Rechtsverkehr gefördert werden. Auch sollzumindest ein biometrisches Merkmal integriert werdenkönnen, um die Fälschungs- und Identifikationssicherheitvon Ausweisen zu verbessern. Der Abschluss der Studieist für Dezember 2003 vorgesehen.

TeleTrusT Deutschland e. V./Arbeitsgruppe 6

In der TeleTrusT-Arbeitsgruppe 6 „Biometrische Identifi-kationsverfahren“ sind die meisten der deutschen Herstel-ler biometrischer Lösungen sowie Anwender, Behördenund wissenschaftliche Einrichtungen vertreten. Die Ar-beitsgruppe hat den Auftrag, „den Einsatz geeigneter bio-metrischer Identifikationsverfahren zu fördern, die aufkörpereigenen biometrischen Merkmalen eines Benutzersbasieren, um die erforderlichen Sicherheitsverfahren derInformationstechnik, z. B. das PIN-Verfahren, zu ergän-zen bzw. abzulösen. Dazu gehört ganz wesentlich die In-formation einer breiten Öffentlichkeit über biometrischeVerfahren, unterschiedliche Methoden, mögliche Anwen-dungsgebiete und damit eine Förderung der Akzeptanzfür den Umgang mit biometrischen Identifikationsverfah-ren im alltäglichen beruflichen und privaten Gebrauch“(http://www.teletrust.de/glossar.asp?Id=60700&Sprache=D_&HomePG=0).

Das von der Arbeitsgruppe 6 initiierte Projekt BioTrusTwurde am 31. März 2002 beendet. In diesem Projekt vomBMWA wurde in einem Zeitraum von drei Jahren eineVielzahl biometrischer Identifikationsverfahren getestet.Dabei standen sozioökonomische, rechtliche und techni-sche Perspektiven gleichberechtigt nebeneinander: Esging um die Analyse der Akzeptanz durch die Nutzerbzw. Verwender und Betreiber biometrischer Identifika-tionsverfahren, um daten- und verbraucherschutzrechtli-che Aspekte sowie die Prüfung der Zuverlässigkeit undAlltagstauglichkeit der untersuchten Systeme.

Im August 1998 hatte die Arbeitsgruppe 6 bereits einenso genannten Kriterienkatalog zur Bewertung der Ver-gleichbarkeit biometrischer Verfahren „als Hilfsmittel fürdie sachbezogene Arbeitsebene potenzieller Anwenderoder Betreiber“ vorgelegt. Das Papier bietet in kompri-mierter Form eine allgemeine Einführung in Prinzip undVarianten der Biometrie, beschreibt ausgewählte techni-sche Merkmale, umreißt grundsätzliche juristische As-pekte und listet mögliche Fragen aus Betreiber- und Nut-zersicht auf. Im Anhang findet sich eine Checkliste zuden behandelten Kriterien, anhand derer mögliche An-

wender die Verfahren vergleichen und für die jeweiligeApplikation ein geeignetes auswählen können (TeleTrusT1998). Im Juli 2002 ist die überarbeitete Fassung diesesKriterienkataloges erschienen.

Die Arbeitsgruppe 6 des TeleTrusT e.V. war darüber hin-aus im Zeitraum von 2002 bis 2003 am Roadmap-ProjektBIOVISION beteiligt. Gefördert von der EU-Kommis-sion, hatte es die Untersuchung des gegenwärtigenForschungs- und Entwicklungsstandes biometrischer Ver-fahren mit Blick auf zukünftig notwendige Forschungs-vorhaben auf EU-Ebene zum Ziel. Die Arbeitsgruppe 6betreute insbesondere das rechtliche und sozialwissen-schaftliche Arbeitsfeld (vgl. http://www.eubiometrics-forum.com).

Seit Ende 2002 versucht ein Teil der Arbeitsgruppe 6,der Arbeitskreis „Rechtsfragen der Biometrie“, Einsatz-und Handlungsempfehlungen aus juristischer Sicht mittechnischem Sachverstand zu entwickeln. Neben Fragendes Datenschutzes (Muster-Einwilligungserklärung, Pri-vacy Best Practices on Biometrics) beschäftigt sich derArbeitskreis mit Fragen des Persönlichkeitsschutzes vonArbeitnehmern am Arbeitsplatz (Muster-Betriebsverein-barung, Arbeitnehmerdatenschutz). Am 31. März 2003fand die erste Sitzung statt, in der Vertreter des BSI, derFirmen Siemens, T-Systems und Softpro, der Bundesbe-auftragte für den Datenschutz und der hessische Daten-schutzbeauftragte sowie weitere Mitglieder aus Arbeits-gruppe 6 und Arbeitsgruppe 1 (Juristische Aspekte einervertrauenswürdigen elektronischen Kommunikation)zusammenarbeiten. Weiterhin erfolgt hier eine Koopera-tion mit dem Deutschen Forum für Kriminalpräventionund dem dort eingerichteten Arbeitskreis Biometrie. DieArbeitsergebnisse werden in den fortlaufend zu aktuali-sierenden Kriterienkatalog einfließen (http://www.tele-trust.de/dokumente/ag6_akrub-zielarbeitsprogr.pdf).

III. Biometrie bei Ausweisdokumenten – eine Momentaufnahme internationaler Aktivitäten

Weltweit werden bei der Herstellung, Ausgabe und Nut-zung von ID-Dokumenten zunehmend hohe Sicherheits-standards angelegt und moderne Verfahren und Technolo-gien genutzt. Staaten in aller Welt unternehmenAnstrengungen, ihr Melde-, Pass- und Personalausweis-wesen zu modernisieren, Ausweise missbrauchssicherersowie die Grenzkontrollen effektiver zu machen. Immerhäufiger wird dabei auf biometrische Technologien zu-rückgegriffen. Besonders im arabischen und asiatischenRaum gibt es zahlreiche Staaten, die eine Entscheidungfür die Neugestaltung ihres nationalen Ausweises unterNutzung biometrischer Merkmale getroffen bzw. bereitserste Schritte unternommen haben. Neben dieser Katego-rie nationaler ID-Dokumente sind weitere Varianten vonAusweisdokumenten mit Biometrie zu nennen, derenNutzung im öffentlichen Bereich erfolgt (s. TextkastenS. 20).

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Drucksache 15/4000 – 20 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

ID-Dokumente mit Biometrie in hoheitlichen und öffentlichen Kontexten

Traveller Cards vereinfachen den Grenzübertritt, da durch sie die Grenzkontrolle beschleunigt abgewickelt werdenkann. Solche „Grenzkarten“ sind zumeist kostenpflichtig, und ihre Gültigkeit wird häufig auf ein bis zwei Jahre be-grenzt. Sie werden an Personen ausgegeben, die die mit der Karte verbundenen Serviceleistungen in Anspruch neh-men möchten – beispielsweise für Vielflieger ein vereinfachtes Check-in. Häufig ist die so genannte Grenzkarte Teileines lokal begrenzten Programms, z. B. das Kundenbindungsprogramm „Privium“ des Flughafens Schiphol in Ams-terdam. Solche Karten sind zwar kein hoheitliches Ausweisdokument – sie werden aber oft in Zusammenarbeit mitBehörden ausgegeben und bei Grenzkontrollen genutzt.

Die Wahlkarte dient der Identifizierung der zur Wahl Berechtigten. Sie ist v. a. dann sinnvoll, wenn die Wahlregisterunvollständig sind. Wahlkarten sind in afrikanischen und lateinamerikanischen Ländern teilweise im Einsatz und aufden Philippinen geplant (STZ 2003, S. 97).

Der Führerschein dient – neben der amtlichen Bestätigung der Fahrerlaubnis – u. a. in den USA, in Großbritannienund Irland als Ausweisdokument.

In der EU ist eine Führerschein-Karte vorgesehen, die Frage der Biometrie ist aber noch offen (STZ 2003, S. 95).

Das Spektrum der Sozialversicherungsausweise reicht von Krankenversicherungskarten über Arbeitslosenversiche-rungs- bis hin zu Rentenversicherungskarten. In einigen US-Staaten (z. B. in Kalifornien, Conneticut, Illinois,Massachusetts, New Jersey) ist die Arbeitslosenversicherungskarte mit Biometrie im Einsatz. Sie wird dort – nebender Berechtigungsüberprüfung – für die Auszahlung des Arbeitslosengeldes an Geldautomaten genutzt.

Die Asylkarte – in den Niederlanden und in Großbritannien bereits im Einsatz – enthält die persönlichen Daten undBiometrie der Antragsteller. Die Karte soll den Asylsuchenden authentifizieren, um Mehrfachanträge zu verhindern.Die Asylkarte ermöglicht ferner die Authentifizierung bei der Auszahlung von Unterstützungsleistungen (STZ 2003,S. 96 f.).

Um zumindest einen ungefähren Einblick in den aktuel- Implementierungsstatus, Anzahl der ausgegebenen ID-

len Stand der Diffusion von ID-Dokumenten mit Biome-trie zu gewinnen, hat das Steinbeis-Transferzentrum (STZ2003) im Auftrag des TAB eine internationale Recherchedurchgeführt, die 107 Projekte und Aktivitäten im öffent-lichen Bereich aus 55 Ländern identifizierte. In 70 dieserAktivitäten wurde bei den entsprechenden DokumentenBiometrie verwendet. Damit lag zunächst eine interes-sante Momentaufnahme des Diffusionsprozesses biome-trischer Technologien über alle Anwendungsfelder hin-weg vor. Für die Zwecke dieses Sachstandsberichteswurde eine weitere Auswahl getroffen: Die folgendenAusführungen beziehen sich auf insgesamt 48 aktuelleFallbeispiele. Aufgrund der Schnelligkeit der Entwick-lung und der in Teilen unsicheren Informationsbasis er-hebt die Übersicht keinen Anspruch auf Vollständigkeit.Sie stellt lediglich eine eher unscharfe Momentaufnahmeentlang der folgenden Kategorien dar:

– Grenzkontrollanwendungen

– Pilotprojekte und Tests, die zeitlich begrenzt undmit einer ausgewählten Benutzergruppe durchge-führt werden bzw. wurden

– Systeme, die im ständigen Einsatz (teilweise ausPiloten hervorgegangen), aber ebenfalls lokal undhinsichtlich der Nutzergruppe limitiert sind

– nationale Ausweisdokumente

– die in fortgeschrittener Planung oder in der Imple-mentierungsphase sind oder deren Implementie-rung erfolgt ist.

Von den 48 Fallbeispielen liegen zu 33 relativ verlässli-che Detailinformationen (wie Laufzeit des Pilotprojektes,

Dokumente) vor.4

1. Biometrisch unterstützte Grenzkontroll-anwendungen

Grenzübertritte an Flug- und Seehäfen sowie an Land-übergängen erfolgen in der Regel unter Kontrolle der Rei-sedokumente: Pass oder Personalausweis und ggf. ein Vi-sum werden vorgelegt und die Echtheit des Dokumentesüberprüft. Durch visuellen Vergleich des Fotos mit demGesicht des Reisenden wird überprüft, ob der Reisendeberechtigter Inhaber des Ausweisdokumentes ist. Außer-dem können bei Vorliegen entsprechender Voraussetzun-gen die auf dem Dokument gespeicherten Daten mit ei-nem Fahndungsregister oder einer Liste „unerwünschter“Personen abgeglichen werden. Diese Form der Grenzkon-trolle wird bislang nur in seltenen Fällen und begrenztemUmfang biometrisch unterstützt.

Zeitlich begrenzte Pilotprojekte und Tests bei ausgewählten Benutzergruppen

In einigen Pilotprojekten und Tests wurde in jüngster Zeitversucht, die Vorteile biometrischer Anwendungen beider Grenzkontrolle (Beschleunigung des Grenzübertritts,erhöhte Sicherheit durch Biometrie unterstützte Verifika-tion des Einreisenden) auszuloten: In Australien werdenbeispielsweise im Projekt „Smart Gate“ verschiedene Ge-

4 Diese im Folgenden kurz beschriebenen biometrischen Anwendun-gen wurden im Wesentlichen vom Steinbeis-Transferzentrum (STZ2003) recherchiert und durch das TAB-Projekt-Team aktualisiert undergänzt.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 21 – Drucksache 15/4000

sichtserkennungssysteme an Flughäfen getestet, am Flug-hafen Nürnberg wurde von Juli 2002 bis März 2003 einPilotprojekt durchgeführt, um gefälschte Pässe besseridentifizieren zu können, am Flughafen Tokyo wurde bisMärz 2003 eine durch Gesichts- und Iriserkennung unter-stützte Grenzkontrollanwendung für Vielflieger getestet.Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über neun ak-tuelle Pilotprojekte seit dem Jahr 2002, bei denen Grenz-kontrollanwendungen mit Biometrie getestet wurden oderwerden.

Es zeigt sich, dass in den hier identifizierten Projekten zuGrenzkontrollanwendungen ausschließlich Gesichtser-kennungs- und Iriserkennungssysteme getestet wurden.Die meisten Tests fanden an Flughäfen statt. Deren bauli-che und infrastrukturelle Gegebenheiten weisen im Ver-gleich zu Grenzübergängen zu Land und zur See be-stimmte Vorzüge auf.

Lokal begrenzte biometrische Systeme im ständigen Einsatz

Zahlreiche biometrische Systeme für den Grenzübertrittsind mittlerweile implementiert und im Einsatz. Die Band-breite solcher Anwendungen reicht von Passkontrollen anFlughäfen über Grenzkarten, die beispielsweise Pendlernden täglichen Grenzübertritt erleichtern sollen, bis hin zukompletten Grenzkontrollsystemen wie im Fall der Verei-nigten Arabischen Emirate. Bei allen hier aufgeführtenBeispielen sind die Nutzergruppen begrenzt (Vielflieger,Pendler, ausgewählte Nutzergruppen). Im Folgenden wer-

den insgesamt zehn Fallbeispiele – geordnet nach der ge-nutzten Technologie – in Kürze beschrieben:

Fingerabdrucksysteme

Der Flughafen Hong Kong bietet eine Grenzkarte an,welche die Grenzkontrolle beschleunigen soll und damiteinen Komfortgewinn für Vielflieger verspricht. Die sogenannte Frequent Traveller Card speichert die bio-metrischen Merkmale des Fingers auf einem Chip (STZ2003).

SENTRI (Secure Electronic Network For Travelers RapidInspection) ist eine Grenzkontrollanwendung, in derenRahmen aus Mexiko kurzzeitig in die USA Einreisendeüber ihren Fingerabdruck identifiziert werden. LautU.S. Department of Justice (Februar 2003) nehmen42 000 Pendler am SENTRI-Programm teil.

Im Rahmen des NSEERS-Programms (National SecurityEntry-Exit Registration System) werden Personen über16 Jahren aus bestimmten Staaten (u. a. Afghanistan, Al-gerien, Bahrain, Iran, Libyen, Oman, Syrien, Jemen), diein die USA einreisen, fotografiert und unter Eid über dieDauer ihres geplanten Aufenthalts befragt. Die Einreisen-den müssen sich über ihren Fingerabdruck identifizieren.Die Fingerabdrücke werden mit Datenbanken abgegli-chen, um sicherzustellen, dass es sich bei der einreisen-den Person nicht um eine handelt, die krimineller oderterroristischer Aktivitäten verdächtigt wird.

Ta b e l l e 2

Grenzkontrollanwendungen: Pilotprojekte und Tests (seit 2002)

Quellen: Booz Allen Hamilton et al. 2003; STZ 2003; eigene Recherchen

Land Biometrie Einsatzort Laufzeit

Australien Gesicht Flughäfen seit November 2002

Deutschland Gesicht Flughafen Nürnberg Juli 2002 bis März 2003

Deutschland Iris Flughafen Frankfurt geplanter Beginn: Herbst 2003; Laufzeit: sechs Monate

Deutschland Gesicht deutsch-tschechischer Grenzübergang Waidhaus/Rozvadov

Beginn: Januar 2003, mittlerweile abgeschlossen

Großbritannien Iris Flughafen Heathrow Pilottest mit ca. 2 000 Karten von Februar bis Dezember 2002

Japan Gesicht, Iris

Narita Airport, Tokyo seit Januar 2003

Malaysia Iris Grenze nach Singapur; Checkpoints Woodlands und Tuas

Testphase im 2. Quartal 2002 abgeschlossen

Saudi-Arabien Iris Flughafen „King Abdulaziz Interna-tional Airport“ in Jidda

Beginn des Pilotprojektes im 1. Quartal 2002

Schweiz Gesicht Flughafen Zürich Januar bis März 2003

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Drucksache 15/4000 – 22 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Iriserkennungs-Systeme

Am Flughafen Amsterdam (Schiphol) gibt es – nach einerPilotphase – seit Oktober 2002 das Programm „Privium“für Vielflieger aus der EU, in dessen Rahmen auch eineTraveller Card angeboten wird. Mittels Iriserkennung(Speicherung der Irismerkmale auf einem Chip) wird einebeschleunigte Grenzkontrolle gewährleistet (Abbil-dung 3).

A b b i l d u n g 3

Privium-Kontrollraum am Flughafen Schiphol

Quelle: http://www.schiphol.nl/privium.html

Seit Anfang 2003 ist in den Vereinigten Arabischen Emi-raten ein Iriserkennungssystem dauerhaft implementiert.Es soll dafür sorgen, dass einmal des Landes verwiesenePersonen auch mit neuen, gefälschten Papieren nicht wie-der einreisen können (Rönneberg 2003). Dem Einsatzdieses flächendeckenden Grenzkontrollsystems war eineVersuchsphase vorausgegangen, in der nach Behördenan-gaben bereits mehrere Dutzend Personen erkannt werdenkonnten, die mit gefälschten Papieren einzureisen ver-suchten. Iris-Scan-Terminals wurden an sechs Flughäfen,an allen Land- und Seegrenzübergängen sowie inzahlreichen Abschiebegefängnissen installiert (http://www.heise.de/newsticker/ data/pmz-07.04.03-000/).

Im Rahmen des „CANPASS-Air Programs“ bietet Ka-nada ausgewählten Vielfliegern mit US-amerikanischeroder kanadischer Staatsbürgerschaft eine schnellere undkomfortablere Einreise an. Mittels Iriserkennung wird dieIdentität der zuvor im Rahmen des Programms registrier-ten Personen überprüft; aufwendige Sicherheitskontrollenkönnen auf diese Weise umgangen werden (Abbildung 4).Das CANPASS-Air Program soll zu einem späteren Zeit-

punkt für Reisende aus visafreien Staaten und Staaten, diedem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen angehö-ren, geöffnet werden. Der Pearson Airport in Toronto bie-tet seit Januar, der Vancouver International Airport seitMitte 2003 dieses Programm an. Zu einem späteren Zeit-punkt wollen weitere sechs kanadische Flughäfen (Cal-gary, Edmonton, Halifax, Montreal, Ottawa, Winnipeg)das entsprechende System implementieren (http://www.ccra-adrc.gc.ca/newsroom/factsheets/2002/sep/can-pass-e.pdf; http://www.ccra-adrc.gc.ca/newsroom/re-leases/2002/sep/iris-e.pdf).

Handgeometrie-Systeme

Seit 1998 sind am Flughafen Ben Gurion InternationalAirport in Tel Aviv 21 Handscanner aufgestellt; über100 000 Passagiere wurden registriert. Jeden Monat nut-zen bis zu 50 000 Reisende ihre Grenzkarte, auf der diehandgeometrischen Merkmale elektronisch speichert sindund die dem Nutzer ein vereinfachtes Check-in ermög-licht (Abbildung 5). Das Angebot richtete sich ursprüng-lich nur an Vielflieger; es wurde mittlerweile für alle is-raelischen Staatsbürger geöffnet (GAO 2002, S. 164).

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CANPASS-Schalter

Quelle: http://www.cic.gc.ca/english/pub/border2000/border2000.html

In Israel soll ein System implementiert werden, das denGrenzübertritt für etwa 120 000 ausländische Arbeiter,die täglich die Grenze von palästinensischem Gebiet nachIsrael überqueren, automatisieren und beschleunigen soll.Die Überprüfung erfolgt mittels kontaktloser Smartcardsmit Mikroprozessor, auf die ein hoch aufgelöstes Licht-bild sowie die biometrischen Daten der Hand aufgebracht

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Handscanner am Flughafen Ben Gurion

Quelle: http://www.msnbc.com/news/729756.asp?pne=msn

sind. Im Rahmen des so genannten Basel-Projektes solldieses Grenzkontrollsystem zuerst am Grenzkontroll-punkt Erez zwischen dem Gaza-Streifen und Israel imple-mentiert werden (Booz Allen Hamilton et al. 2003,S. 178; http://www.portfoliopr.com/clients/OTI/PressRe-leases/OTI08_20_03.html).

In den USA ist das Vielflieger-Programm INSPASS (Im-migration and Naturalization Service’s Passenger Accele-rated Service System) im Einsatz, das an sieben Flughä-fen des Landes (und an zwei kanadischen Flughäfen) eine(teil-)automatisierte Grenzkontrolle ermöglicht. Seit 1995fanden über 300 000 Check-in-Vorgänge über dieINSPASS-Kioske statt. Dabei wird ein Livescan der Handgenommen, und die Merkmale werden mit den zuvor ineiner Datenbank hinterlegten Merkmalen abgeglichen.Das Programm kann von US-Bürgern, Bürgern aus Ka-nada und von den Bermudas sowie von Bürgern der Staa-ten genutzt werden, die am Visa Waiver Program teilneh-men und mindestens drei Mal im Jahr in die USAeinreisen (GAO 2002, S. 163).

Gesichtserkennungs-Systeme

Am Flughafen Keflavik auf Island wurde im Juni 2001das Gesichtserkennungssystem „FaceIt“ implementiert:Mit teilweise versteckten Kameras werden die Gesichtervon Reisenden, die sich auf dem Flughafengelände auf-halten, fotografiert und mit Datenbankbildern verglichen.Dazu wird das aufgenommene Bild an einen Zentralraumweitergeleitet und dort von einem Computer mit Gesich-tern gesuchter Personen verglichen. Stellt der Computer

eine gewisse Ähnlichkeit der Gesichtsmerkmale fest, ver-gleicht ein Polizist die Bilder; im Verdachtsfall erfolgteine Personenüberprüfung (Lucius 2002).

Zusammenfassende Einordnung

Betrachtet man die Verteilung der Grenzkontrollanwen-dungen hinsichtlich des Kontrollortes, finden sich diemeisten ausschließlich an Flughäfen (13 von insge-samt 19). Vier Anwendungen gibt es ausschließlich anGrenzübergängen zu Lande oder wurden an solchen ge-testet (Waidhaus/Rozvodov, Malaysia/Singapur, SENTRI,Israel). Zwei der genannten Grenzkontrollanwendungen(NSEERS, Vereinigte Arabische Emirate) finden sich so-wohl an Flughäfen als auch an Grenzübergängen zuLande (Abbildung 6 S. 24).

Bezüglich der Nutzung des biometrischen Merkmals er-gibt sich folgendes Bild: In acht Fällen wird die Iris, insechs Fällen das Gesicht als biometrisches Merkmal ver-wendet; in drei Fällen die Hand und in drei Fällen derFingerabdruck (Abbildung 7 S. 24).

Die regionale Verteilung stellt sich so dar: Die meistenGrenzkontrollsysteme wurden oder werden in Europa(Nürnberg, Waidhaus/Rozvodov, Frankfurt, Zürich,Heathrow, Keflavik, Amsterdam) getestet oder sind dortimplementiert, gefolgt von USA/Kanada (NSEERS,CANPASS, INSPASS, SENTRI), dem Nahen Osten(Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, BenGurion Tel Aviv, Israel) und Asien (Tokyo, Malaysia/Singapur, Hong Kong) (Abbildung 8 S. 24).

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Drucksache 15/4000 – 24 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

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Kontrollorte biometrischer Grenzkontrollanwendungen

* Doppelnennung in zwei Fällen.Quelle: Eigene Darstellung

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Verwendete Biometrien bei Grenzkontrollanwendungen (Pilot und implementiert)

* In einem Fall (Israel) wird sowohl die Handgeometrie- als auch die Gesichtserkennung verwendet. In einem anderen Fall (Japan) wurden sowohldie Gesichts- als auch die Irismerkmale aufgenommen.

Quelle: Eigene Darstellung

A b b i l d u n g 8

Biometrische Grenzkontrollanwendungen nach Regionen

Quelle: Eigene Darstellung

15

6

Flughafen

Landübergang

6

83

3Gesichtserkennung

Iris-Scan*

Handgeometrie*

Fingerabdruck

4

7

3

4

1 Europa

USA/Kanada

Asien

Naher Osten

Australien

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2. Nationale Ausweisdokumente mit Biometrie

Zahlreiche Länder haben die Einführung nationaler Aus-weisdokumente für den internationalen Reiseverkehr mitBiometrie beschlossen, einige haben Absichtserklärungenabgegeben, die eine solche flächendeckende Einführungnahe legen und einige haben mit der Implementierung be-reits begonnen. Die Einführung eines nationalen Perso-nalausweises wird häufig durch Handlungsbedarf bei derModernisierung der staatlichen Verwaltung und mit denErfordernissen an eine erhöhte Sicherheit begründet. Einwesentlicher Bestandteil eines neuen nationalen ID-Sys-tems ist deshalb auch oft der Neuaufbau des Einwohner-melderegisters (STZ 2003, S. 129).

Die Recherchen haben Hinweise auf insgesamt 30 Länderergeben. Aufgrund der unzureichenden und sich ständigwandelnden Informationslage kann im Folgenden auchhier nur ein grober Überblick gegeben werden. Zunächstwerden die Vorhaben in 16 Ländern kurz beschrieben.Danach werden 14 Länder lediglich tabellarisch (undohne nähere Beschreibung) erfasst, da hier nähere und si-chere Informationen (bis Redaktionsschluss) nicht zu er-halten waren.

Europa

Bosnien-Herzegowina gibt seit 2002 Personalausweiseaus, auf denen die biometrischen Fingermerkmale desAusweisinhabers in drucktechnischer Form (2D-Barcode)abgelegt sind. Nach einer ersten Ausgabephase (bis Fe-bruar 2003) startete im März 2003 eine zweite Phase, daserweiterte Rollout. Derzeit sind ca. 2,5 Millionen ID-Kar-ten ausgegeben, sie entsprechen internationalen Standardsund können deshalb als Reisedokument verwendet wer-den (STZ 2003).

Großbritannien plant die Umsetzung eines Programmszur Einführung neuer ID-Dokumente in zwei Phasen. We-sentliche Elemente sind u. a. die Einführung von ID-Kar-ten ab August 2007 zusammen mit einem sukzessivenRollout biometrischer Pässe (und eventuell Führerschei-nen). Innerhalb von fünf Jahren sollen 80 Prozent der (er-wachsenen) Bevölkerung dann einbezogen sein. Die Bio-metrie ist noch offen, für Pässe ist an kontaktlose Chipsgedacht, die Merkmale des Gesichtes und ein weiteres bi-ometrisches Merkmal speichern. Ferner soll ein NationalIdentity Register neu aufgebaut werden. Es wird die bio-metrischen Daten enthalten, die bei der Ausgabe der ID-Karten erhoben werden (UK Secretary of State for theHome Department 2003).

In Italien wurde 1998 ein Gesetz zur Einführung der sogenannten Carta d’Identita Elettronica (CIE) verabschie-det. Seit 2004 wird die CIE an italienische Staatsbürgerzunächst ohne Biometrie ausgegeben. Bis 2010 sollen diebiometrischen Merkmale des Fingers oder der Iris in dieAusweise integriert werden. Die CIE soll den Bürgern zu-sätzlich als qualifizierte digitale Signatur dienen (http://www.cartaidentita.it; http://www.anci.it).

In den Niederlanden ist geplant, in Rathäusern, Konsula-ten und Botschaften frühestens ab 2004 das so genannteDutch Travel Document mit Biometrie auszugeben(Montelbaan 2003, S. 8). Alle Bürger sollen diesen natio-nalen Personalausweis erhalten, um multiple Identitätenbei der Beantragung aufdecken und den Passinhaber ein-deutig verifizieren zu können. Nach einer umfangreichenEvaluierung verschiedener biometrischer Technologienwurde die Gesichtserkennung als das zu favorisierendeVerfahren ermittelt, u. a. wegen der Verfügbarkeit bereitsvorliegender Passbilder (STZ 2003).

Afrika

In Ägypten werden seit Januar 2001 42 Millionen Bürgermit ID-Ausweiskarten ausgestattet, die mit fortgeschritte-nen Sicherheitsmerkmalen, u. a. dem biometrischen Fin-gerabdruck, versehen sind. Hierzu wurde eine vollständigneue Infrastruktur aufgebaut: von der landesweiten Da-tenerfassung der Bürger über die ID-Karten-Produktionbis zur Verifikation der Karten mittels Leseendgeräten(http://www.gdm.de).

Botswana hat seit Juli 1998 ca. 800 000 Personalausweisefür den internationalen Reiseverkehr ausgestellt, die denFingerabdruck des Daumens auf einem Chip speichern.Dieser biometrische Personalausweis soll flächendeckendan alle Bürger Botswanas ausgegeben werden (http://www.face.co.za).

Seit Februar 2003 können die Bürger Nigerias einenneuen Personalausweis beantragen, der ihren Fingerab-druck in drucktechnischer Form (2D-Barcode) enthält.Bisher wurden landesweit 60 000 Enrollment-Center er-öffnet, um alle 60 Millionen Einwohner zu erfassen. DieBürger sind nicht verpflichtet, diesen biometrischen Per-sonalausweis zu beantragen, allerdings können sie nurüber diesen Verwaltungsleistungen in Anspruch nehmen(STZ 2003).

Mittlerer und Naher Osten

Der Jemen plant, in den nächsten fünf bis acht Jahren ca.5 Millionen nationale ID-Dokumente für den internatio-nalen Grenzübertritt auszugeben. Auf diesen ID-Kartenwird der codierte Fingerabdruck des Ausweisinhabers ge-speichert sein. Neben einer verbesserten Kontrolle, wel-cher Bürger in welcher Höhe öffentliche Zuwendungenerhält, erhofft man sich auch eine kostengünstigere Aus-weisproduktion als bei herkömmlichen Karten (STZ2003, http://www.wordsun.com/ds30.html).

Im März 2003 haben die Vereinigten Arabischen Emirateden Aufbau eines nationalen biometrisch unterstütztenID-Systems in die Wege geleitet. Die verwendete biome-trische Technologie wird das „Automated FingerprintIdentification System“ (AFIS) sein. Insgesamt sollenmehrere Millionen ID-Karten ausgegeben werden, dieden Bürgern der Vereinigten Arabischen Emirate v. a. ei-nen vereinfachten Zugang zu Behördendienstleistungen

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Drucksache 15/4000 – 26 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

ermöglichen sollen (http://www.sagem.com/en/communi-ques-en/cp-1sem2003-en.htm#mar-18). Neben E-Go-vernment-Funktionen sollen zu einem späteren Zeitpunktweitere wie Führerschein und Krankenkarte hinzukom-men (http://www.gemplus.com/companyinfo/press/2003/governmentiduae30042003.html).

Asien

Brunei produziert seit August 2000 Ausweise mit Chips,die den Fingerabdruck speichern. Zurzeit sind ca.350 000 ID-Karten dieser Art im Markt. Das Ziel ist auchhier, alle Einwohner mit diesem Ausweis auszustatten,der für die Ein- und Ausreise nach und von Brunei gültigwäre (STZ 2003).

Hong Kong plant, bis 2007 alle Bewohner mit einer biome-trischen ID-Karte auszustatten, die als Generalausweis(u. a. Sozialausweis, Führerschein) verwendet werden soll.Diese ID-Karte ist Teil des so genannten SMARTICS(Smart Identity Card System) und wird die Fingerabdrückeder Daumen beinhalten. Der Nutzen für die Bürger wird inden fälschungssicheren und multifunktionalen Anwen-dungsmöglichkeiten gesehen (Booz Allen Hamilton et al.2003, S. 168; http://www.legco.gov.hk/yr01-02/english/bc/bc56/papers/bc561011cb2-2872-1e.pdf).

Macao gibt seit Dezember 2001 Karten mit Chips aus, dieden biometrischen Fingerabdruck speichern. Diese ID-Karten sollen als Personalausweis und internationalesReisedokument die Grenzkontrollen beschleunigen (Citi-zen Card). Das nationale ID-Dokument (Zusatzfunktio-nen: Führerschein, Studentenausweis, Krankenversiche-rungskarte, E-Commerce-Funktionen) soll innerhalb vonvier Jahren kostenpflichtig an alle Bürger Macaos ausge-geben sein (ca. 470 000 Karten) (STZ 2003; http://www.siemens.com: Pressemitteilung vom 16. Mai 2003).

Malaysia hat sich bei seiner „MyKad“ ebenfalls für denauf einem Chip gespeicherten Fingerabdruck als biome-trisches Merkmal entschieden. Nach einem Pilottest von1996 bis 2001 mit 5 Millionen Karten waren Ende 20022 Millionen Karten ausgegeben. Geplant sind insgesamt22 Millionen Karten. Sie gelten als internationales Reise-dokument und sind mit weiteren Funktionen versehen(u. a. Führerschein, E-Cash-Funktion, Krankenversiche-rungskarte).

Südamerika

Guatemala hat im Juli 1999 die Produktion von ID-Kar-ten, die den Fingerabdruck in drucktechnischer Form als2D-Barcode speichern, in Auftrag gegeben. Diese als Per-sonal- und Reisedokument verwendbaren Karten werdenin Guatemala selbst und in sechs Konsulaten in den USA(Los Angeles, San Francisco, Chicago, New York, Hous-ton und Miami) ausgegeben. Es wird erwartet, dass bis2004 über eine Million Guatemalteken einen solchen bio-metrischen Pass beantragt haben. Als Vorteil wird heraus-gestellt, dass in den US-Konsulaten unverzüglich ein

neuer Pass ausgestellt werden kann, wenn der Inhaberseinen in den USA verliert: Die bei der ersten Beantra-gung des Passes gespeicherten Fingermerkmale werdenmit einer Datenbank abgeglichen, die Identität des Pass-inhabers wird festgestellt, und ein neuer Pass kann ausge-stellt werden (STZ 2003; http://www.printrakinternatio-nal.com/1999/pr071499.html).

Die Bewohner des Bundesstaates Rio de Janeiro (Brasilien)erhalten seit November 2000 nur noch Personalausweisemit den biometrischen Merkmalen des Fingerabdruckes(2D-Barcode). Das verwendete Fingerabdrucksystem sollbei 4 000 Ausweisantragstellern täglich 20 bis 40 Be-trugsfälle finden (STZ 2003).

Australien

Australien gibt seit Dezember 2001 nur noch Personal-ausweise aus, die die biometrischen Gesichtsinformatio-nen des Ausweisinhabers enthalten. Nach einer umfang-reichen technologischen und operativen Evaluierungverschiedener biometrischer Technologien wurde das Ge-sicht als die zu favorisierende Biometrie ermittelt, u. a.auch deshalb, weil die bereits verwendeten Passbilder ge-nutzt werden können. Ziel dieses Konzeptes, dessen Ent-wicklung eng an das Grenzkontrollprojekt „Smart Gate“gebunden ist, ist es auch, Mehrfachanträge aufzudecken(Booz Allen Hamilton et al. 2003, S. 165).

Zusammenfassende Einordnung

Mit den bereits erwähnten Vorbehalten bezüglich der In-formationslage zeigt die regionale Verteilung keine ein-deutigen Schwerpunkte. Eine nähere Betrachtung fördertzu Tage, dass Aktivitäten in Europa in einem wenigerfortgeschrittenen Stadium sind als Aktivitäten in anderenRegionen der Welt: Dort sind in vielen Ländern Aufträgean Systemlieferanten und andere Anbieter vergeben bzw.ist die Implementierung bereits angelaufen und zum Teilrecht weit vorangeschritten.

Von den insgesamt 16 hier genannten Staaten, die landes-weite Ausweisdokumente mit Biometrie beschlossen odereingeführt haben, haben sich zwölf für den Fingerabdruckund zwei für das Gesicht als biometrisches Merkmal ent-schieden. Anders als bei den in Kapitel III.1 genanntenGrenzkontrollanwendungen, wo nur in drei Fällen derFingerabdruck als Merkmal genutzt wird, scheinen dieseStaaten bei ihren Ausweisdokumenten mit Biometrie demFingerabdruck die Priorität zu geben. Im Falle Großbri-tanniens und Italiens ist die Biometrie noch offen.

Die Gutachter des Steinbeis-Transferzentrums (STZ)konnten weitere Staaten identifizieren, die die Einführungvon biometrischen Ausweisdokumenten, die zum Grenz-übertritt berechtigen, planen. Nähere Informationen zumStand der Implementierung oder zum Vorhaben selbstkonnten nicht gefunden werden. Dennoch sollen dieseBeispiele in Tabelle 3 der Vollständigkeit wegen zumin-dest genannt werden.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 27 – Drucksache 15/4000

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Weitere nationale ID-Dokumente

Quellen: STZ 2003; eigene Recherchen (Stand: Dezember 2003)

Staat Biometrie Status/Laufzeit weitere Informationen

Argentinien Fingerabdruck 1998: Beauftragung eines Firmenkon-sortiums, weiterer Verlauf unklar

Im Rahmen eines umfassenden natio-nalen ID-Systems soll u. a. das „Do-cumento Nacional de Identidad“ auf seine Echtheit überprüft werden können.

Bulgarien Fingerabdruck keine Angaben Ausgabebehörde: Ministerium der Finanzen

China Merkmal noch offen

im Test Ausgabebehörde: Ministerium für öffentliche Sicherheit

Elfenbeinküste Fingerabdruck ca. 9 Millionen Ausweise wurden be-reits ausgegeben.

keine Angaben

Kambodscha Fingerabdruck ca. 8 Millionen Ausweise wurden be-reits ausgegeben.

keine Angaben

Kolumbien Fingerabdruck ca. 4 Millionen Ausweise wurden be-reits ausgegeben.

keine Angaben

Kosovo Fingerabdruck ca. 1 Million Ausweise wurden bereits ausgegeben.

Ausgabebehörde: United Nations Mission in Kosovo (UNMIK)

Libanon Fingerabdruck keine Angaben keine Angaben

Mauretanien Fingerabdruck keine Angaben keine Angaben

Nigeria Fingerabdruck Das Projekt ist seit 2002 bekannt. Mithilfe einer Border Crossing Card werden ausländische Arbeiter und Händler an nigerianischen Grenz-übergängen identifiziert.

Oman Fingerabdruck Die ersten Ausweise sollen Ende 2003 ausgegeben werden.

Neben der Funktion als Reisedoku-ment soll die Karte Behördendienst-leistungen ermöglichen und beschleu-nigen. Nutzer sind neben den Bürgern auch ausländische Personen, die sich länger als 14 Tage im Oman aufhalten.

Philippinen Fingerabdruck Pilotprojekt keine Angaben

Südafrika Fingerabdruck keine Angaben Ausgabebehörde: Department of Home Affairs

Thailand Fingerabdruck keine Angaben Ausgabebehörde: Ministry of Information

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Drucksache 15/4000 – 28 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

IV. Leistungsfähigkeit und Eignung von Biometrien bei Ausweisdokumenten und Grenzkontrollen

Es wird im Folgenden versucht, die technische Leistungs-fähigkeit und Eignung der Handgeometrie-, Fingerab-druck- sowie Gesichts- und Iriserkennung für die Nut-zung bei Ausweisdokumenten und bei Grenzkontrollenmit dem Ziel der Verifikation einzuschätzen. Anforderun-gen wie Abgleich mit Datenbanken oder Fahndungslistenwerden nicht thematisiert.

Dazu wird nach einer kurzen allgemeinen Charakterisie-rung der Stärken und Schwächen der einzelnen bio-metrischen Verfahren (Kapitel IV.1) deren spezifischesLeistungsprofil entlang ausgewählter Kriterien (Nutzer-ausfallrate, Erkennungsleistung, Bedienungsaufwand undVerständlichkeit) näher beschrieben (Kapitel IV.2). Ineinem nächsten Schritt wird die Frage diskutiert, wie sichdie einzelnen Verfahren in die etablierten Prozesse derAusweisbeantragung und -erstellung integrieren lassen(Kapitel IV.3). Schließlich werden in einem Exkurs vierKostenmodelle präsentiert. Diese stellen grobe Abschät-zungen einmaliger und laufender Kosten dar, wie sie ausunterschiedlichen Einsatzszenarien für die biometrischeNutzung bzw. Aufwertung von Pässen und Personalaus-weisen resultieren könnten (Kapitel IV.4).

Dieses Kapitel basiert im Wesentlichen auf Teilen einesgemeinsam von der Booz Allen Hamilton GmbH, derBundesdruckerei GmbH und der ZN Vision TechnologiesAG für das TAB erarbeiteten Gutachtens.

1. Allgemeine Beschreibung und Einschätzung biometrischer Verfahren

Handgeometrie

Zur Erfassung der physiologischen Merkmale der Handdienen ca. 90 geometrische Parameter wie Fingerlänge,Breite der Hand und der Finger, oder die Fingerkrüm-mung. Dazu werden die Umrisse der Hand von der Seiteund von der Oberfläche mit einer Kamera aufgenommen(Abbildung 9). Die vom Handleser ermittelten geometri-schen Merkmale werden dann mit den gespeichertenReferenzmerkmalen verglichen, bei hinreichender Über-einstimmung wird die Personenidentität akzeptiert, an-dernfalls abgelehnt. Die meisten Handgeometrieapplika-tionen dienen der Verifikation, also dem 1:1-Vergleich.

Insgesamt handelt es sich bei der Handgeometrieerken-nung um ein etabliertes, relativ robustes Verfahren, dasaber seit einigen Jahren kaum Fortentwicklungen erfah-ren hat (GAO 2002, S. 161). Vorteilhaft ist der geringeerforderliche Speicherplatz (je nach System 10 bis96 Bytes). Nachteilig ist, dass das verwendete biometri-sche Merkmal aufgrund der Beschränkung auf eine rela-tiv begrenzte Anzahl geometrischer Informationen nichtüber die Unterscheidbarkeit verfügt, die andere biometri-sche Verfahren bieten.

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Erfassen der Handgeometrie

Quelle: http://www.cardweb.com/graphic/abi/handscan.gif

Fingerabdruck

Der Fingerabdruck, also der Abdruck der Fingerbeere aufeinem Objekt, zeigt die charakteristischen Täler und Er-hebungen des Hautleistenreliefs. Die Papillarlinien kön-nen schleifen-, wirbel- und bogenförmig angeordnet sein.Sie sind im Grundsatz individuell einzigartig und verän-dern sich lebenslang nicht.

Derzeit werden verschiedene Methoden zur Erfassungdes Fingerabdruckes verwendet, dazu gehören z. B. opti-sche Lesegeräte. Hierbei wird der Finger auf eine durch-sichtige, beleuchtete Hartplastik- oder Glasoberflächegelegt und der Fingerabdruck mit einer darunter befindli-chen Kamera aufgenommen. Zum Zweiten kommen sogenannte kapazitive Fingerabdruckleser zum Einsatz. Ka-pazitive Leser sind Mikrochips, die über eine sensibleOberfläche aus bis zu 100 000 leitenden Platten verfügen.Nach Auflage des Fingers auf die leitende Oberflächewird der Fingerabdruck mittels elektrischer Messungeneingelesen und ein digitales Abbild des Hautleistenreliefswird direkt erzeugt. Eine dritte Technologie ist die Ver-wendung von Ultraschall. Hierbei tastet der Sensor mitUltraschall den Finger ab und liest ein Echosignal ein(Breitenstein 2002, S. 36 ff.).

Jeder Fingerabdruck kann aufgrund von Unfällen, durchAbnutzung bei manueller Arbeit oder durch Krankheitkurz- oder langfristig verändert werden. Ferner sind Fin-ger oft durch Schweiß, Talg oder Schmutz verunreinigt,daher weist das erzeugte Bild zum Teil starke Störungenauf. Deshalb werden häufig zusätzliche Verfahren zur

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 29 – Drucksache 15/4000

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Vermessung eines Gesichtes

Quelle: http://www.bundesdruckerei.de/pics/4_presse/fotoarchiv/border_downloads/23_bord.jpg

Verbesserung der Bildqualität eingesetzt, die allerdingsden Erkennungsvorgang verlangsamen (Breitenstein2002, S. 37). Die meisten Fingerabdruckverfahren neh-men zudem beim Enrollment die Abdrücke mehrerer Fin-ger auf, um darauf gegebenenfalls bei zu großen Störun-gen der Aufnahme zurückgreifen zu können.

Zur Analyse der Fingerabdrücke stehen generell zweiVerfahren zur Verfügung. Das geläufigste Verfahren, dasso genannte mikroskopische Verfahren, extrahiert undspeichert die auf dem Finger befindlichen End- oder Ver-zweigungspunkte von Hautleisten aus dem aufgenomme-nen Fingerbild (Minuzienanalyse), meist sind davon40 bis 80 auf dem Finger zu finden (Breitenstein, 2002,S. 38). Die Minuzien werden aus dem Bild extrahiert undmit ihren Positionen auf dem Fingerabdruck versehen, so-dass sich das „Minuzienmuster“ ergibt. Bei der Verifika-tion werden die extrahierten Minuzien mit denen des Re-ferenzabdrucks verglichen. Die Fingerabdrücke werdenals identisch angesehen, wenn eine hohe Anzahl identi-scher Charakteristika erkannt wird. Bei makroskopischenVerfahren wird das Muster des Fingerabdruckes (Schlei-fen, Bögen, Wirbel) für einen Vergleich herangezogen(pattern matching). Durch den Mustervergleich kann einehöhere Erkennungsleistung als bei den minuzienbasiertenVerfahren realisiert werden, der Rechen- und Systemauf-wand ist jedoch entsprechend höher.

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Lesegerät für Fingerabdrücke

Quelle: http://www.br-online.de/wissen-bildung/thema/biometrie/fin-ger.shtml

Die Hauptanwendungsgebiete für die mittlerweile sehrausgereiften Fingerabdruckverfahren sind derzeit – nebender Kriminalistik – bei Convenience-Applikationen wieZugangsberechtigung zum PC oder Auto-Wegfahrsperrezu finden (Breitenstein 2002, S. 41).

GesichtserkennungDas Gesicht wird als biometrisches Merkmal durch Kno-chen, Muskulatur und Behaarung charakterisiert undunterscheidet sich zwischen den Geschlechtern und Be-völkerungsgruppen signifikant in seiner Ausprägung(Breitenstein 2002, S. 41).Die Erfassung erfolgt mittels einer Kamera in zwei auf-einander folgenden Schritten: Der Gesichtsfindung (facedetection) und der Gesichtserkennung im engeren Sinne(face recognition). Bei der Gesichtsfindung, der Separie-rung des Gesichtes vom Hintergrund, werden zahlreicheVerfahren angewendet. So wird beispielsweise das Ge-sicht durch die Registrierung kleinster Gesichtsbewegun-gen oder durch die Bestimmung von gesichtsähnlichenFormen im Bild erkannt. Aufbauend auf der Information,dass ein Gesicht vorliegt, werden anschließend die Ge-sichtsposition und -größe normiert. Im zweiten Schritt,der Gesichtserkennung, muss – da nie zwei gleiche Bildereines Gesichtes entstehen – die Variabilität in Pose, Aus-druck sowie alters- oder umweltbedingte Veränderungenberücksichtigt werden.Die gängigen Systeme erfassen üblicherweise verschie-dene geometrische oder strukturelle Merkmale. Beispiels-weise werden beim System der Gesichtsmetrik indivi-duelle Gesichtskennzeichen wie Auge, Nase, Mund

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Drucksache 15/4000 – 30 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

zueinander ins Verhältnis gesetzt. Das System „Eigen-face“ projiziert verschiedene Aufnahmen eines komplet-ten Gesichtes übereinander, um das Livemerkmal mög-lichst genau nachzubilden. Beim so genannten Graph-Matching-Verfahren werden einzelne Gesichtssegmentedirekt verglichen, wobei das Bild durch Gitterkoordinatenbis zur größtmöglichen Übereinstimmung verformt wird.Unabhängig von den gewählten Methoden wird nach hin-reichender Übereinstimmung des Livebildes mit dem Re-ferenzdatensatz auf Identität geschlossen (Breitenstein2002, S. 44).

Die Gesichtserkennung ist eine etablierte, relativ fortge-schrittene Technologie, die hauptsächlich im Bereich derZutrittskontrolle eingesetzt wird. Eine Verbesserung derErkennungsleistung solcher Systeme wurde besonders inden letzten fünf Jahren aufgrund von deutlichen Fort-schritten bei der Algorithmenentwicklung erreicht (NIST2002a, S. 20). Insbesondere konnte der Einfluss von typi-schen Fehlerquellen, wie etwa Beleuchtung, Pose, Ge-sichtsausdruck oder auch Alterung erheblich reduziertwerden. Unkontrollierte Lichtverhältnisse sind aber nachwie vor ein gewisses Problem.

Die Gesichtserkennung wird überwiegend im Verifikati-onsverfahren in zahlreichen Nutzungskontexten ange-wendet.

Iriserkennung

Bei der Iriserkennung wird zunächst ein hoch aufgelöstesBild der Regenbogenhaut erfasst. Mithilfe eines kontrast-verstärkenden Filters werden die Abgrenzungen der Irisbestimmt.

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Scannen einer Iris

Quelle: http://www.br-online.de/wissen-bildung/thema/biometrie/fin-ger.shtml

In einem weiteren Schritt wird der Bereich zwischen deminneren Rand (an der Pupille) und dem äußeren Rand (ander Lederhaut) segmentiert (Busch/Daum 2002, S. 157).Für die Merkmalsberechnung werden acht Zonen um diePupille herangezogen. Da die Iris der Muskel ist, der denLichteinfall im Auge reguliert, besteht die technische He-rausforderung darin, das Zusammenziehen und Erweiternder Pupille rechnerisch zu kompensieren. Das biometri-sche Template setzt sich zumeist aus einer Merkmals-menge von 173 Informationen zusammen (GAO 2002,S. 47). Zur Identitätsprüfung wird das Template mit ei-nem Referenztemplate verglichen. Liegt eine hinrei-chende Übereinstimmung vor, wird auf Identität ge-schlossen.

Bei der Iriserkennung wird allgemein die hohe Einzigar-tigkeit des zu identifizierenden Merkmals betont. DieTechnologie wird bislang vor allem für Zugangskontrol-len eingesetzt (GAO 2002, S. 202).

2. Detailanalyse der technologischen Leistungsfähigkeit

Die technologische Leistungsfähigkeit biometrischer Sys-teme ist in besonderem Maße vom jeweiligen Anwen-dungsgebiet abhängig. Im Folgenden werden solche Kri-terien an die hier zu diskutierenden Systeme angelegt, dieüber ihre Leistungsfähigkeit bei Ausweisdokumentenbzw. bei der Kontrolle im Verifikationsmodus Auskunftgeben können.

2.1 Erfassbarkeit„Erfassung“ bedeutet die Aufnahme von biometrischenund alphanumerischen Personendaten als Referenzdaten-satz einer Person in ein Rechnersystem, sowohl bei derRegistrierung als auch bei der Erfassung am Kontrollort.Die Daten können direkt von der Person abgenommenoder über Formblätter in das System aufgenommen wer-den. Die Liveerfassung bietet den Vorteil, dass die ge-wonnenen Daten sofort auf ihre Qualität überprüft wer-den können (STZ 2003, S. 16).

Für die Ausweisanwendung sollte die Merkmalsbeschaf-fenheit möglichst wenig Personen ausschließen. Ein be-stimmter Umfang ständig nicht erfassbarer Personen inder Bevölkerung wäre ein Ausfallkriterium für biometri-sche Applikationen, wohingegen temporäre Nichterfass-barkeit das Enrollment zu einem späteren Zeitpunkt offenlässt. Die hier diskutierten Ausfallgründe liegen aus-schließlich auf direkt merkmalsgebundener Ebene.

Die Erfassbarkeit der Handgeometrie kann aufgrund vonverletzten Fingern oder Knochenbrüchen temporär nichtmöglich sein. Ein permanenter Ausfall der Erfassbarkeitkann bei überdurchschnittlich großen bzw. kleinen Hand-flächen auftreten, da Standardhandleser mit durchschnitt-lichen Handgrößen arbeiten. Kinder können daher erfah-rungsgemäß erst ab einem Alter von acht Jahren durchHandgeometrieverfahren erfasst werden. Auch für Fälleschwerer Arthritis ist die Erfassung nicht möglich, da dievorgeschriebene Positionierung nicht erfolgen kann(Booz Allen Hamilton et al. 2003, S. 64).

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 31 – Drucksache 15/4000

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Vergleichende Bewertung von Erfassbarkeit und Enrollment-Ausfallrate

Quelle: Booz Allen Hamilton et al. 2003, S. 66

Das biometrische Merkmal ist in der Gesamtbevölkerung ausnahmslos

erfassbar, Gründe für den temporären oder permanenten Ausfall der

Erfassbarkeit sind nicht bekannt bzw. nachgewiesen.

Das biometrische Merkmal ist nur als Folge von schweren Krankheiten oder

Unfällen nicht mehr erfassbar.

Das biometrische Merkmal ist als Folge von Krankheiten oder Unfällen nicht

mehr erfassbar, bei bestimmten Nutzergruppen wird die Erfassbarkeit durch

die Merkmalsbeschaffenheit selbst beeinträchtigt.

Das biometrische Merkmal ist bei bis zu 2 % der Bevölkerung nicht

hinreichend ausgeprägt oder in seiner Erfassbarkeit stark beeinträchtigt.

Das biometrische Merkmal ist bei bis zu 10 % der Nutzergruppe nicht

hinreichend ausgeprägt und damit permanent nicht erfassbar.

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Die Erfassbarkeit von Fingerabdrücken ist temporärdurch Verletzungen der Fingerkuppen oder Fingerbrücheund durch Verschmutzungen der Fingerkuppen einge-schränkt. Ein permanenter Ausfall des Fingerabdruck-musters kann durch Verbrennungen oder Vernarbungender Fingerkuppen erfolgen. Auch intensive manuelle Ar-beit oder die Arbeit mit toxischen Mitteln kann das Fin-germuster zerstören. Es müssten deshalb Ersatzfingeraufgenommen werden oder Ausweichmöglichkeiten aufandere Merkmale vorgesehen werden, was einen zusätzli-chen finanziellen, administrativen und technischen Auf-wand erfordert.

Die Erfassbarkeit des Gesichtes kann temporär, z. B.durch das Tragen von Verbänden nach schweren Ge-sichtsoperationen, ausfallen. Permanente Ausfälle, z. B.durch Krankheiten, die eine erhebliche Deformierung desGesichtes zur Folge haben, dürften äußerst selten sein.Selbst bei lokal begrenzten Verletzungen bleibt das Ge-sicht als Gesamtmerkmal erfassbar (Booz Allen Hamiltonet al. 2003, S. 65). Über den Einfluss von Gesichtsverän-derungen durch plastische Chirurgie liegen keine aussa-gekräftigen Erkenntnisse vor.

Die Erfassbarkeit des Irismusters kann temporär durcheine Ausdehnung der Iris infolge der Einnahme bestimm-ter Medikamente (Atropin) beeinträchtigt werden. Perma-nente Ausfälle der Erfassbarkeit treten aufgrund vonAugenerkrankungen, z. B. Augenlinsentrübung oder Glau-kome (Grüner Star), auf. Des Weiteren behindern

Schlupflider oder schmale Augenlider, die die Iris teil-weise bedecken, die Erfassung. Nach Busch/Daum (2002,S. 157) soll dies das Enrollment bei asiatischen Bevölke-rungsgruppen erschweren.

Fazit

Im Falle einer biometrischen Ausrüstung der Ausweisdo-kumente muss sichergestellt sein, dass das Merkmal mög-lichst keine oder nur eine sehr geringe Zahl von Bürgernvon der Anwendung ausschließt. Fingerabdruckverfahrenwerden dieser Anforderung nur bedingt gerecht. Das US-amerikanische Standardisierungsinstitut NIST folgert ausseinen Tests und den Erfahrungen anderer Einrichtungenund Behörden, dass bei etwa 2 Prozent der Gesamtbevöl-kerung Probleme beim Enrollment auftreten (NIST2002a, S. 21). Die International Biometric Group (IBG)weist darauf hin, dass bis zu 2 Prozent der Bevölkerungkeine ausreichend geeigneten Fingerabdrücke – bei be-stimmten Sensoren – besitzen (IBG 2003, S. 8). Die En-rollment-Ausfallraten von Hand- und Iriserkennungsver-fahren sind zwar geringer als die des Fingerabdrucks, beibestimmten Nutzergruppen bleiben aber Probleme auf-grund ihres Alters oder ihrer Ethnie. Die Ausfallraten die-ser Merkmale sind zum heutigen Zeitpunkt nur qualitativeinzuschätzen. Die Nutzerausfallrate für die Gesichtser-kennung ist marginal (Booz Allen Hamilton et al. 2003,S. 65).

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Drucksache 15/4000 – 32 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

2.2 Erkennungsgenauigkeit und Fehlerwahrscheinlichkeit

Unterscheidbarkeit und Stabilität der biometrischenMerkmale und vor allem der berechneten Templates sinddie wesentlichen Einflussgrößen für die Fehlerwahr-scheinlichkeit des jeweiligen biometrischen Verfahrens:Die Unterscheidbarkeit beeinflusst die Falschakzeptanz-rate und die Stabilität beeinflusst die Falschrückwei-sungsrate.

2.2.1 Unterscheidbarkeit und Falsch-akzeptanzrate

Je höher die Anzahl eindeutiger biometrischer Details probiometrischem Merkmal, desto eindeutiger die Unter-scheidbarkeit und desto geringer die Falschakzeptanzrate.Dabei ist nicht nur die Menge der Informationen bedeu-tend, sondern auch ihre statistische Unabhängigkeit unddamit geringe Redundanz. Eine zu geringe Informations-menge im Merkmal verringert im Allgemeinen die Tren-nungsleistung zwischen den Merkmalen und erhöht so dieFalschakzeptanzrate (Booz Allen Hamilton et al. 2003,S. 67). Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über dieAnzahl der für die biometrische Erkennung benutzten dis-tinktiven Informationen der einzelnen Merkmale.

2.2.2 Stabilität und Falsch-rückweisungsrate

Der maßgebliche Grund für Falschrückweisungen sindUnterschiede zwischen dem Referenzdatensatz und demLivemerkmal, die bei der Verifikation entstehen können.Daher müssen die ausgewerteten Merkmale und die da-

raus generierten Templates eine ausreichende Stabilitätbesitzen. Diese definiert sich durch die Resistenz desMerkmalsmusters gegenüber Veränderungen durchWachstum, Krankheit oder Verschleiß. Daneben könnenmerkmalsunabhängige Störquellen bei der Aufnahme dieQualität der Informationen beeinträchtigen. Diese könnenaber durch ein ausgereiftes Erkennungsverfahren und ei-nen hochwertigen Sensor sowie durch Anwenderschulun-gen gut kompensiert werden (Booz Allen Hamilton et al.2003, S. 70).

Das Handgeometriemuster des Menschen weist zunächsteine geringe zeitliche Stabilität auf. Insbesondere Wachs-tum führt zu starken Veränderungen des Handmusters. Abeinem Alter von etwa 13 oder 14 Jahren stabilisiert sichdas Handmuster (GAO 2002, S. 159), erst ab einem Altervon etwa 20 Jahren erfolgen keine bedeutenden Verände-rungen mehr. Die Hände verändern sich allerdings beiauftretender Arthritis (Booz Allen Hamilton et al. 2003,S. 61). Schwellungen, wie sie nach langen Flügen auftre-ten, können die Falschrückweisungsrate beeinflussen(B & L 2003, S. 12). Eine externe Störquelle sind dienicht exakte Auflage der Handfläche auf die Sensorober-fläche oder das Tragen von Ringen bei der Merkmalsauf-nahme (GAO 2002, S. 160).

Das Fingermuster hat eine eingeschränkte Stabilität, daVeränderungen des Fingermusters unter anderem durchAbnutzungen, Verletzungen und Verschmutzungen, ins-besondere bei manuell arbeitenden Menschen, auftreten(Breitenstein 2002, S. 40). Zusätzliche Störfaktoren sindnicht exakt auf der Sensoroberfläche aufliegende Finger-kuppen oder verschmutzte oder zerkratzte Sensoroberflä-chen (GAO 2002, S. 158).

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Übersicht der distinktiven, für die biometrische Analyse benutzten Informationen

Quellen: Booz Allen Hamilton et al. 2003, S. 67; Breitenstein 2002; GAO 2002; NIST 2002a

Merkmal Informationen

Hand etwa 90 geometrische Parameter

Finger 40 bis 80 unabhängige Minuzien oder bis zu ca. 900 bis 1 200 globale Muster

Gesicht je nach Methode von ca. 512 für die Eigenfacemethode bis ca. 2 000 unabhängige Merk-male bei Graph-Matching-Verfahren

Iris ca. 170 unabhängige Strukturmerkmale

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 33 – Drucksache 15/4000

Das Gesichtsmuster besitzt insgesamt eine mittlere Stabi-lität. Es erfährt durch Wachstum bis zu einem Alter vonzwölf bis 14 Jahren Veränderungen, danach weist es einehohe Stabilität auf. Störquellen sind unkontrollierte Licht-verhältnisse, die zu einem Informationsverlust bei derBildaufnahme führen. Posenvarianzen können bei einerDrehung des Kopfes bis zu 20° verarbeitet werden. Haar-wuchs, Brillen oder Schminke sind Störungen, die beiqualitativ hochwertigen Verfahren gut kompensiert wer-den können (Booz Allen Hamilton et al. 2003, S. 69).

Das Irismuster besitzt eine hohe zeitliche Stabilität. Es er-reicht im Laufe des ersten Lebensjahres seine endgültigeAusprägung. Allerdings können im Alter Krankheitenwie Glaukome zu Veränderungen des Irismusters führen(GAO 2002, S. 197). Störquellen für die eindeutige Er-kennung sind unkontrollierte Lichtverhältnisse, darüberhinaus Posenvarianzen, teilweise Verdeckungen durchWimpern/Augenlider oder Reflexionen der feuchten Au-genoberfläche (Busch/Daum 2002, S. 157).

Fazit

Die Handgeometrieerkennung erweist sich im Hinblickauf die Anforderung der Unterscheidbarkeit als kritisch,da sie mit einer begrenzten Zahl geometrischer Informa-tionen arbeitet. Besonders bei umfangreichen Anwendun-gen ist das Risiko identischer Handgeometrieformennicht auszuschließen. Das General Accounting Office hataufgrund dieser mangelnden Unterscheidbarkeit dieHandgeometrieerkennung für Grenzkontrollen skeptischbeurteilt (GAO 2002, S. 4 f.).

Die Unterscheidbarkeit bei Iris, Finger und Gesicht istaufgrund der hohen Anzahl an eindeutigen Informationengrundsätzlich besser gewährleistet. Die in den USA durchdas Standardisierungsinstitut NIST durchgeführten Quali-tätstests haben die hohe Einzigartigkeit der MerkmaleFinger und Gesicht auch bei großen Datenbeständen(620 000 Fingerabdrücke, 120 000 Gesichtsbilder) bestä-tigt. Die Einzigartigkeit (accuracy) der Iris wird ähnlichhoch wie die des Fingers eingeschätzt (NIST 2002a,S. 7) – Belege aus Großanwendungen liegen bislang abernicht vor.

Für biometrische Anwendungen ist es wichtig, dass dasMerkmal sich nicht in kurzen Zeitabständen verändert.Unter dem Gesichtspunkt der Stabilität ist der Einsatz vonFingerabdruckverfahren aufgrund bestimmter Einschrän-kungen kritisch zu beurteilen. Nachteilig bei der Handge-ometrieerkennung ist ihre späte Stabilisierung erst im Al-ter von 20 Jahren, da ein deutscher Bürger ab dem Altervon 16 Jahren zum Personalausweisbesitz verpflichtet ist.Die Stabilität des Gesichtes ist für die Ausweisanwen-dung ausreichend, da Veränderungen dieses Merkmals in-nerhalb größerer Zeitabstände erfolgen, sodass mit ver-tretbarem Aufwand „Neuregistrierungen“ vorgenommen

werden könnten. Die Iris dürfte in Bezug auf das Krite-rium der Stabilität am unproblematischsten sein.

2.2.3 Fehlerraten – ausgewählte Testergebnisse

Die umfangreichsten Studien und Tests liegen für Fin-gerabdruck- und Gesichtserkennungsverfahren vor(Tabellen 5 u. 6 S. 34). Das US-amerikanische Stan-dardisierungsinstitut NIST beispielsweise hat die Er-kennungsleistung der Gesichterkennung und der Fin-gerabdruckerkennung auf der Basis von bis zu120 000 Gesichtsbildern und 620 000 Fingerabdrücken inOriginaldatenbeständen getestet (NIST 2002a, S. 5). DieErkennungsleistung von Iris- und insbesondere Hand-erkennungsverfahren ist bislang noch nicht großflächiggetestet worden, die vorliegenden Tests begrenzten Um-fangs (Tabellen 7 u. 8 S. 35 u. 36) sind für die Ausweis-anwendung nur bedingt aussagekräftig.5 Auch ist daraufhinzuweisen, dass die Angaben ausschließlich für Verifi-kationsanwendungen gelten. Für andere Szenarien, wieAbgleich mit Fahndungslisten oder Datenbanken, fallendie Fehlerraten teilweise deutlich anders aus. Schließlichmuss für die Gesichtserkennungssysteme angemerkt wer-den, dass die Tests zwar unter kontrollierten Lichtbedin-gungen günstige Werte erbringen, dass aber Anwendun-gen außerhalb geschlossener Gebäude doch drastischeQualitätseinbußen nach sich ziehen (NIST 2002a).

Die in den Tabellen aufgeführten Verifikationstests undihre Ergebnisse für die einzelnen Verfahren sind nur be-grenzt vergleichbar, u. a. wegen z. T. großer Unterschiedein den Testszenarien, in den Testumfängen und in denTests angelegten Schwierigkeitsgraden. Anzumerken istauch, dass insbesondere bei den Tests mit über100 000 Datensätzen die jeweiligen biometrischen Merk-male größtenteils in digitalisierter Form (Porträtfotos,Fingerabdruckbilder) genutzt wurden, um Mehrfachtest-durchläufe unter wechselnden Bedingungen organisato-risch überhaupt durchführen zu können.

Letztlich darf bei einer vergleichenden Bewertung derdurchgeführten Tests im Bereich der Fingerabdruck- undder Gesichtserkennung nicht übersehen werden, dass ge-scannte Bilder – mit teilweise schlechter Bildqualität –verwendet wurden. Dies ist beim Vergleich mit den Test-ergebnissen für die Iriserkennung zu berücksichtigen, dadiese Testverfahren mit den durch das Testsystem selbst„enrollten“ Bildern durchgeführt wurden. Somit warendort die Randbedingungen in Bezug auf Hintergrund undLichtverhältnisse günstig sowie das Bildmaterial vonstandardisierter und guter Qualität.

5 Grundsätzlich wären Tests in der Größenordnung von mehreren Mil-lionen erforderlich: „Eine statistische Signifikanz von Modellen wärebei einer FAR-Angabe von 10-6 mit 30 Millionen Versuchen undnicht mehr als 30 Fehlversuchen erreicht.“ (Bromba 2003, S. 17)

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Drucksache 15/4000 – 34 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

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Fehlerratenangaben für Fingerabdruckverfahren in neueren Tests

Quellen: FVC 2002; NIST 2002a u. b, nach Booz Allen Hamilton et al. 2003, S. 74

Test Umfang FAR FRR Datenherkunft

Test „Information Technology Labora-tory“ des NIST im Rahmen der staat-lichen Evaluierung biometrischer Verfahren für den Einsatz bei Grenz-kontrollen (NIST Accuracy Certification Study 2002)

Auswahl von 6 000 Fin-gerabdrücken operatio-neller Qualität aus Datenbank mit 620 000 Personen

1 % 10 % Auswahl aus der INS INDEX (Immigration and Naturalization Ser-vice) Datenbank, die insgesamt 3 Millionen Fingerabdruckbilder von 620 000 Personen opera-tioneller Qualität bein-haltet.

Test „Information Technology Labora-tory“ des NIST im Rahmen der staat-lichen Evaluierung biometrischer Verfahren für den Einsatz in Grenz-kontrollen(NIST SD 29 Verification Tests 2002)

insgesamt 6 048 Finger-abdruckbilder mittlerer Qualität (216 Personen à zwei Datensätze mit je zehn gerollten und vier flachen Fingerab-drücken)

1 % 5,3 % Spezial-Datenbank des NIST

2. Internationaler Wettbewerb für Fin-gerabdruckalgorithmen in Verifikati-onsanwendungen; Organisatoren: Bio-metric Systems Lab, U.S. National Biometric Test Center, Pattern Recog-nition and Image Processing Labora-tory of Michigan State University. 31 Teilnehmer(Fingerprint Verification Competition 2002)

insgesamt 880 Finger-abdruckbilder mittlerer Qualität von 110 Fingern

1 % Teil-nehmer-

mittelwert: 9 %

eine künstliche, drei Original-Datenbanken

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 35 – Drucksache 15/4000

Ta b e l l e 6

Fehlerratenangaben für Gesichtserkennungsverfahren in neueren Tests

Quellen: Bone/Blackburn 2002; FRVT 2002; NIST 2002a u. b, nach Booz Allen Hamilton et al. 2003, S. 75

Ta b e l l e 7

Fehlerratenangaben für Handgeometrieverfahren in neueren Tests

Quellen: FAA 2001; GAO 2002, S. 161 f.; NPL 2001; nach Booz Allen Hamilton et al. 2003, S. 76

Test Umfang FAR FRR Datenherkunft

Test „Information Technology Labora-tory“ des NIST im Rahmen der staat-lichen Evaluierung biometrischer Verfahren für den Einsatz in Grenz-kontrollen (NIST Accuracy Certification Study 2002)

3 000 aus 620 000 Bil-dern operationeller Qualität

1 % 10 % Auswahl aus der INS (Immigration and Natu-ralization Service-) FACE-Datenbank mit je zwei Porträtbildern

2. Internationaler Leistungstest, getra-gen durch NIST, DoD Counterdrug Technology Development Program Office und 17 weitere Institutionen(Face Recognition Vendor Test [FRVT 2002])

121 000 Bilder operatio-neller Qualität von ca. 37 000 Personen

1 % Mittel-wert der drei Test-

sieger:11 %

Bildauswahl aus der „U.S. Department of State“ Visadatenbank mit 6,3 Mio. Bildern von Visaantragstellern aus Konsulaten in Mexiko

operationeller Test (Zutrittskontroll-szenario) durchgeführt durch die U.S. Navy, getragen durch das „US DoD Counterdrug Technology Development Program Office“ (Face recognition at a Chokepoint, Scenario Evaluation 2002)

drei Datenbanken: 100/400/1 575 Bilder opera-tioneller Qualität

0,4 % bei Stufe 1,

0,5 % bei Stufe 2

2,9 % bei Stufe 1,

5,2 % bei Stufe 2

Bilder operationeller Qualität aus Mitarbeiter-ausweisen von NAVSEA-Angestellten, Lieferanten und Frei-willigen;Test in zwei Schwierig-keitsstufen: Stufe 1: Brille bei Enrollment u. Verifikation, Stufe 2: En-rollment mit, Verifika-tion ohne Brille und um-gekehrt

Test Umfang FAR FRR Anmerkung

Test der „Aviation Security Biometrics Working Group“ (ASBWG) der „Federal Aviation Administration“ in Kooperation mit der „Safe Skies Alliance“ (FAA Hand Geometry Testing 2001)

39 Personen 0 bis 2 % 1 bis 5 % operationeller Test: Zu-trittskontrolle von Flug-hafenangestellten

Test des „Centre for Mathematics and Scientific Computing National Physi-cal Laboratory“ (GB) (NPL National Physical Laboratory Biometric Product Testing 2000)

200 Personen 1 % 1,4 % Verifikationstests mit Freiwilligen in einem simulierten Büroumfeld

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Drucksache 15/4000 – 36 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Ta b e l l e 8

Fehlerratenangaben für Iriserkennungsverfahren in neueren Tests

Quellen: GAO 2002, S. 201; National Defense Magazine 2001; NPL 2001, nach Booz Allen Hamilton et al. 2003, S. 76

A b b i l d u n g 14

Vergleichende Bewertung der Falschakzeptanzrate (FAR)

Quelle: Booz Allen Hamilton et al. 2003, S. 79

Test Umfang FAR FRR Anmerkung

Test durchgeführt durch das U.S. Army Research Laboratory (U.S. Army Research Laboratory 2001)

258 Personen < 1 % 6 % Verifikationstests mit Freiwilligen in einem simulierten, operationel-len Umfeld

Pilotprojekt: Verifikationsanwendung im Rahmen eines automatisierten Pas-sagier-Check-in (Privium Programm Flughafen Schip-hol/Niederlande)

ca. 2 000 Personen < 0,001 % < 1 % Vielfliegerprogramm des Flughafenbetreibers Schiphol Group mit Rei-senden aus 18 europäi-schen Ländern; Projekt-beginn: Oktober 2001

Test des „Centre for Mathematics and Scientific Computing National Physi-cal Laboratory”(GB) (NPL National Physical Laboratory Biometric Product Testing 2000)

200 Personen 0 % 1,9 % Verifikationstests mit Freiwilligen in einem simulierten Büroumfeld

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1

Das biometrische Merkmal ist hoch eindeutig und unterscheidbar,

Falschakzeptanzen liegen in belastbaren Testgrößen (> 500 - > 10.000)

bei einer niedrigen FRR von < 5 % bei unter 0,01 %.

Das biometrische Merkmal ist hoch eindeutig und unterscheidbar,

Falschakzeptanzen treten in belastbaren Testgrößen (> 500 - > 10.000)

bei einer niedrigen FRR von < 5 % mit geringer Wahrscheinlichkeit von

unter 0,1 % auf.

Das biometrische Merkmal ist eindeutig und unterscheidbar,

Falschakzeptanzen treten in belastbaren Testgrößen (> 500 - > 10.000)

bei einer akzeptablen FRR von 10 % mit geringer Wahrscheinlichkeit von

unter 0,5 % auf.

Das biometrische Merkmal besitzt eine eingeschränkte

Unterscheidbarkeit. Falschakzeptanzen treten bei einer akzeptablen FRR

von < - 10 % mit einer hohen Wahrscheinlichkeit von über 3 % auf.

Verfügbare Ergebnisse stammen aus Kleintests < 500.

Das biometrische Merkmal besitzt eine eingeschränkte

Unterscheidbarkeit. Falschakzeptanzen treten bei einer akzeptablen FRR

von 10 % mit moderater Wahrscheinlichkeit von über 1 % auf. Verfügbare

Ergebnisse stammen aus Kleintests < 500.

5

4

3

2

Han

d

Ge

sic

ht

Fin

ger

Level

Iris

1

Das biometrische Merkmal ist hoch eindeutig und unterscheidbar,

Falschakzeptanzen liegen in belastbaren Testgrößen (> 500 - > 10.000)

bei einer niedrigen FRR von < 5 % bei unter 0,01 %.

Das biometrische Merkmal ist hoch eindeutig und unterscheidbar,

Falschakzeptanzen treten in belastbaren Testgrößen (> 500 - > 10.000)

bei einer niedrigen FRR von < 5 % mit geringer Wahrscheinlichkeit von

unter 0,1 % auf.

Das biometrische Merkmal ist eindeutig und unterscheidbar,

Falschakzeptanzen treten in belastbaren Testgrößen (> 500 - > 10.000)

bei einer akzeptablen FRR von 10 % mit geringer Wahrscheinlichkeit von

unter 0,5 % auf.

Das biometrische Merkmal besitzt eine eingeschränkte

Unterscheidbarkeit. Falschakzeptanzen treten bei einer akzeptablen FRR

von < - 10 % mit einer hohen Wahrscheinlichkeit von über 3 % auf.

Verfügbare Ergebnisse stammen aus Kleintests < 500.

Das biometrische Merkmal besitzt eine eingeschränkte

Unterscheidbarkeit. Falschakzeptanzen treten bei einer akzeptablen FRR

von 10 % mit moderater Wahrscheinlichkeit von über 1 % auf. Verfügbare

Ergebnisse stammen aus Kleintests < 500.

Page 37: Bericht - DIP21dip21.bundestag.de/dip21/btd/15/040/1504000.pdf · späte Stabilisierung des Merkmals erst im Alter von 20 Jahren. Die Stabilität des Gesichtes ist für die Ausweisanwendung

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 37 – Drucksache 15/4000

A b b i l d u n g 15

Vergleichende Bewertung der Falschrückweisungsrate (FRR)

Quelle: Booz Allen Hamilton et al. 2003, S. 79

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Han

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Gesic

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Iris

Level

1

Das biometrische Merkmal besitzt hohe Stabilität, die FRR liegt in

belastbaren Testgrößen (> 500 - > 10.000) bei einer eingestellten FAR von

kleiner 1 % bei unter 2 %.

Das biometrische Merkmal verändert sich in kurzen Zeitabständen,

Falschrückweisungen treten in realen Anwendungen mit großer

Regelmäßigkeit auf.

Das biometrische Merkmal besitzt nur geringe Stabilität, die FRR liegt bei

einer eingestellten FAR von 1 % in Kleintest < 500 bei über 15 %.

Das biometrische Merkmal ist über einen ausreichenden Zeitraum stabil, die

FRR liegt in belastbaren Testgrößen (> 500 - > 10.000) bei einer

eingestellten FAR von 1 % bei unter 10 %. In Kleintests < 500 liegt FRR bei

unter 5 %.

Das biometrische Merkmal besitzt hohe Stabilität, die FRR liegt in

belastbaren Testgrößen (> 500 - > 10.000) bei einer eingestellten FAR von

kleiner 1 % bei unter 3 %.

Fazit Die Frage, ob die erwartbare Erkennungsleistung bei der

Bisher durchgeführte Studien deuten auf eine hohe Er-kennungsleistung von Iriserkennungsverfahren hin, die esaber noch in Großanwendungen zu überprüfen gilt. DieHandgeometrieerkennung erzielt zwar in Kleinszenariengute Erkennungsraten, das Problem der nicht eindeutigunterscheidbaren Identität von Handgeometriemustern ingrößeren Anwendungen müsste allerdings erst in umfang-reichen Teststudien widerlegt werden. Fingerabdruck-und Gesichtserkennungsverfahren haben in aktuellen undunabhängigen Studien zur Leistungsmessung bei umfang-reichen Datenmengen ihre hohe Erkennungsleistung un-ter Beweis gestellt. Die Leistung der beiden Verfahren beiVerifikationsanwendungen ist dabei ungefähr gleich ein-zustufen (GAO 2002, S. 20).

Die erhobenen Werte für die Erkennungsleistung spiegelnden heutigen Stand der Technik wider. Bei Fingerab-druck- und Gesichtserkennungs-Verfahren als Verfahren,die eine aufwendige Mustererkennung durchführen, istdavon auszugehen, dass sie sich weiter verbessern (BoozAllen Hamilton et al. 2003, S. 78). Sowohl Fingerab-druck- als auch Gesichtserkennungsverfahren sind heutebereits so weit ausgereift und leistungsstark (s. Abbil-dungen 14 u. 15), dass ihr Einsatz im Verifikationsmodusim Vergleich zu bisherigen Grenzkontrollen eine Effekti-vierung der Kontrollen verspricht. Für Identifikationsauf-gaben wird das Fingerabdruckverfahren vom GAO(2002, S. 1) als leistungsstärker eingeschätzt.

Verifikation eine hinreichende Sicherheit gewährleistetwird und ob die erhofften Verbesserungen bei der Grenz-kontrolle den hierzu erforderlichen Aufwand rechtferti-gen, muss politisch entschieden und begründet werden.Dabei sollte offen diskutiert werden, dass – trotz ein-drucksvoller geringer Fehlerraten – in der Praxis einesMasseneinsatzes immer noch eine relativ große Zahl vonPersonen falsch erkannt wird.

2.3 Bedienungsaufwand und Verständlichkeit bei Enrollment und Verifikation

Die Prozessgeschwindigkeit biometrischer Verfahrenwird von der Dauer des Enrollments und der Verifikationbestimmt. Der hierfür erforderliche Zeitaufwand ist we-sentlich abhängig vom Positionierungsaufwand für dieMerkmalserfassung und der Verständlichkeit des Vor-gangs für den Nutzer. Hierbei ist der Kooperationsgraddes Anwenders eine wesentliche Einflussgröße für dieBedeutung der Eignung biometrischer Verfahren. In derLiteratur wird häufig darauf hingewiesen, dass intuitivhandhabbare Verfahren besser akzeptiert werden als sol-che, die spezifische Verhaltensschritte vorschreiben odervom Nutzer eine ungewohnte Haltung erfordern.

Die Bedienung von Handgeometriesystemen schreibteine exakte Positionierung der Hand auf dem Lesegerätmittels Stäbchen vor. Dies verhindert Positionierungsfeh-ler und fördert die Verständlichkeit. Die direkte Auflage

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Drucksache 15/4000 – 38 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

der Hand auf der Sensoroberfläche stößt bei einem Teilder Nutzer auf hygienische Vorbehalte (GAO 2002,S. 160).

Bei den Fingerabdrucksystemen muss der Finger exaktauf einem Sensor positioniert und der Auflagedruck kon-trolliert werden. Dies führt bei einem Teil der Benutzer zuProblemen, die aber nach kurzer Einlernzeit behebbarsind. Für die meisten Fingerabdrucksysteme werden we-gen etwaiger Beeinträchtigungen des Fingermusters meh-rere Finger eingelesen, was den Bedienungsaufwanderhöht. Fingerabdruck-Verfahren als kontaktbehafteteLösung stoßen zum Teil auf hygienische Bedenken(Breitenstein 2002, S. 40).

Die Gesichtsaufnahme erfordert keinen Kontakt, ist biszu einer Distanz von 1,5 m möglich und verlangt vomNutzer nur relativ geringen Positionierungsaufwand. DieEinlernzeiten sind gering und Verhaltensvorschriften sindnur in geringem Maße erforderlich. Gewisse Akzeptanz-probleme können sich ergeben, da manche Nutzer Beden-ken äußern, ohne ihr Einverständnis erfasst zu werden(GAO 2002, S. 174).

Die Iriserkennung erfordert eine exakte Positionierungder Augen vor der Kameralinse, die Distanz zur Kameraliegt bei Zugangskontrollen zwischen 7,5 und 25 cm(GAO 2002, S. 194). Zur Einnahme der optimalen Posi-tion sind genaue Verhaltensvorschriften zu befolgen. DerPositionierungsaufwand ist dementsprechend hoch. ZurBenutzerführung sind einige Systeme mit Sprachausga-

ben ausgestattet. Bewegliche Weitwinkelkameras, zurSteigerung der Nutzerfreundlichkeit, sind mittlerweileverfügbar, allerdings liegen hiermit noch keine verwert-baren Erfahrungen vor.

Für eine Gesamtbeurteilung in organisatorischer und zeit-licher Hinsicht muss als zusätzliche Größe und weitererZeitaufwand die Systemumgebung, z. B. die Integrationdes Systems in eine Durchgangskabine oder Schleuse, be-rücksichtigt und damit weiterer Zeitaufwand veranschlagtwerden.

Im Vergleich zu dem eben diskutierten Zeitrahmen fälltdie eigentliche Rechenzeit (nach korrekter Erfassung desMerkmals) weniger ins Gewicht, soll aber dennoch ange-sprochen werden.

Für alle hier diskutierten Verfahren beträgt der Zeitauf-wand für das Enrollment im engeren Sinn – beginnendmit der konkreten Positionierung vor dem Sensor und en-dend mit der Ablage des generierten Templates – norma-lerweise zwischen drei und zehn Sekunden. Die Rechen-zeit zur Erzeugung des biometrischen Templates umfasstnur Sekundenbruchteile.

Für die Verifikationsgeschwindigkeit ist der Merkmals-erfassungsvorgang die wesentliche Größe. Wie beimEnrollment umfasst die Zeit für die Verifikation die Erfas-sung und Umrechnung des Livemerkmals in ein biometri-sches Template, den Vergleich zwischen diesen und demReferenztemplate und die Aussage, dass eine Person er-kannt oder abgelehnt ist. Nach bislang vorliegenden Er-

A b b i l d u n g 16

Vergleichende Bewertung von Bedienungsaufwand/Verständlichkeit

Quelle: Booz Allen Hamilton et al. 2003, S. 85

Bedienung des Verfahrens erfolgt intuitiv, Positionierung und

Verhaltensvorschriften kaum erforderlich, das Verfahren ist aus anderen

Zusammenhängen vertraut.

Bedienung des Verfahrens nach Anleitung einfach, Merkmalserfassung

erfordert eine bequeme Positionierung, Bedienungsfehler treten selten auf.

Bedienung des Verfahrens nach Anleitung einfach, Merkmalserfassung

erfordert exakte Positionierung, Bedienungsfehler treten auf.

Bedienung des Verfahrens auch nach Anleitung schwierig,

Merkmalserfassung erfordert unnatürliche, ungewohnte Positionierung,

Bedienungsfehler treten häufig auf.

Bedienung des Verfahrens nur für geübte Nutzer und nach langer Einlernzeit

möglich, Merkmalserfassung erfordert unnatürliche, unbequeme

Positionierung, Bedienungsfehler sind der Regelfall.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 39 – Drucksache 15/4000

fahrungen ist für die Verifikationszeit – ebenfalls wiebeim Enrollment beginnend mit der korrekten Positio-nierung des Merkmals – ebenfalls eine Zeitspanne vondrei bis zehn Sekunden zu veranschlagen (Booz AllenHamilton et al. 2003, S. 80).

Fazit

Für die Ausweisanwendung sind Verfahren mit niedrigemBedienungsaufwand und hoher Verständlichkeit günstig(s. Abbildung 16). Vorteile bieten hier Gesichtserken-nungsverfahren als kontaktlose Verfahren ohne großenPositionierungsaufwand. Fingerabdruckverfahren sindzwar bequem nutzbar, allerdings können Probleme mitder Verschmutzung des Sensors auftreten. Auch ist zurVermeidung von Bedienungsfehlern eine kurze Einlern-zeit erforderlich. Auch bei der Handgeometrieerkennungtreten Bedienungsfehler eher selten auf. Die Iriserken-nung ist im Hinblick auf den Bedienungsaufwand im Ver-gleich weniger günstig einzuschätzen, da sie genaue Ver-haltensvorschriften und eine gewisse Einlernzeit erfordert(Booz Allen Hamilton et al. 2003, S. 85).

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass alle vierVerfahren grundsätzlich den bisher üblichen Zeitrahmender Ausweisbeantragungs- und Kontrollprozesse nichtentscheidend verändern. Für eine umfassende Einschät-zung müssen aber weitere Aspekte wie die System-umgebung sowie bauliche, infrastrukturelle und orga-nisatorische Aspekte mit herangezogen werden. Obbeispielsweise bei der Personenkontrolle an Flughäfenbiometrische Verfahren längerfristig zu Zeiteinsparungenführen könnten, hängt von den konkreten Systembedin-gungen und Leistungsanforderungen vor Ort ab. DasGAO schließt eine Verlängerung der Kontrollzeiten nichtaus, wenn keine entsprechenden Maßnahmen (z. B. beimPersonal) ergriffen werden (GAO 2002, S. 126).

2.4 Ein vorläufiges Fazit

Der bisher durchgeführte technische Leistungsvergleichergibt zunächst – bei einer gleichen Gewichtung aller Kri-

terien – ein Ranking der vier Verfahren, das in Tabelle 9zusammengefasst wird.

Die Gesichtserkennung erweist sich bei zwei Kriterien alsführend (Enrollment-Ausfallrate, Bedienungsaufwand/Verständlichkeit), sie liegt aber bei der Erkennungsleis-tung nur auf Level 3. Die Iriserkennung ist bei der Erken-nungsleistung (FAR und FRR) führend. Sie weist aller-dings schwächere Werte beim Bedienungsaufwand auf.Die Handgeometrieerkennung weist insgesamt durch-schnittliche Leistungen, allerdings eine hohe Falschak-zeptanzrate auf. Die Fingerabdruckerkennung ist bei kei-nem Kriterium den anderen Verfahren überlegen, weistaber im Durchschnitt gute Werte auf, sieht man davon ab,dass sich die geringe Stabilität des Merkmals bei der Be-wertung der Enrollment-Ausfallrate negativ nieder-schlägt.

Insgesamt ist der Schluss zu ziehen, dass drei Verfah-ren – Gesichts-, Iris- und Fingerabdruckerkennung –über eine in etwa vergleichbare Leistungsfähigkeitverfügen. Die Handgeometrie fällt demgegenüber et-was ab.

Für eine breitere Fundierung des Auswahl- und Entschei-dungsprozesses müssten weitere Überlegungen angestelltund insbesondere Aspekte, die die internationale Zusam-menarbeit, die globale Interoperabilität, die Leistungs-und Funktionsanforderungen aus politischer Sicht (high-level-goals), die gesellschaftliche Akzeptanz sowie dieDatenschutzfreundlichkeit betreffen, in die Erwägungenmit einbezogen werden.

Auch ergäbe sich aus nationaler Sicht die Notwendigkeit,den Aufwand und die Kosten einer Einführung biome-trisch aufgewerteter Ausweisdokumente vergleichend ab-zuschätzen. Als Einstieg sollen die beiden folgenden Ab-schnitte dienen. Zunächst werden Überlegungen zurIntegration solcher neuartigen Dokumente in die beste-henden Verfahren der Beantragung und Produktion unddanach erste modellhafte Erörterungen der möglichenKosten zur Diskussion gestellt.

Ta b e l l e 9

Zusammenfassung des technischen Vergleichs

Quelle: nach Booz Allen Hamilton et al. 2003, S. 101

Bedienungsaufwand/Verständlichkeit

Enrollment-Ausfallrate (Nutzerausfallrate)

L1L2L3L4L5Evaluationskriterien

Gesichtserkennung

Erkennungsleistung: FRR

Erkennungsleistung: FAR

Gesichtserkennung Handgeometrieerkennung FingerabdruckerkennungIriserkennung

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Drucksache 15/4000 – 40 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

3. Integration in etablierte Prozesse der Beantragung und Produktion von Ausweisdokumenten für Bundesbürger

Eine biometrische Ausrüstung von nationalen Ausweis-dokumenten könnte eine biometrische Datenerhebung dergesamten Bevölkerung mit dem entsprechenden techni-schen (und finanziellen) Aufwand der Datenerhebungund -ablage erforderlich machen. Im Folgenden werdenerste, vorläufige Überlegungen angestellt, wie sich dieeinzelnen Verfahren in den etablierten Prozess der Aus-weisbeantragung und die vorhandene technische Infra-struktur in den Meldebehörden sowie in die Produktionintegrieren lassen.

Datenerhebung

Der Einsatz automatischer Gesichtserkennungsverfahrenunter Nutzung vorliegender Lichtbilder hinreichenderQualität erfordert voraussichtlich den geringsten Auf-wand der Datenerhebung. Unter der – nicht unumstritte-nen – Prämisse der Eignung vorliegender Lichtbilderkönnten Templategenerierung und biometrischer Daten-vergleich auf dieser Basis bewerkstelligt werden, ohnedass ein zusätzliches Enrollment erforderlich wäre. Derbisherige, sichere Ablauf der Ausweisbeantragung könntebeibehalten werden, Risiken des Aufwandes einer neuenDatenerhebung entfielen. Das biometrische Templatekann sowohl dezentral in den Meldebehörden als auchzentral, z. B. in der Produktionsstätte, aus den Rohdatenim Lichtbild erstellt werden. Empfehlenswert wäre abereine Bildqualitätsüberprüfung in den Meldestellen durcheinen Vergleich zwischen Lichtbild und Livebild der Per-son. Zukünftig würden sich die Prozeduren an den vonder ICAO vorgegebenen Standards für die Integrationvon Lichtbildern in internationale Reisedokumente orien-tieren.

Für Fingerabdruck-, Handgeometrie- und Iriserkennungs-verfahren müsste eine komplette Erhebung derbiometrischen Daten der deutschen Bevölkerung erfol-gen. Bei einer dezentralen Erfassung wäre es erforderlich,alle Meldestellen und Bürgerbüros, in denen der Antrags-prozess durchgeführt wird, mit biometrischen Systemenauszurüsten. Aus Gründen der Qualitätssicherung müsstedas Personal geschult und der Erfassungsprozess sehrsorgfältig durchgeführt werden. Räumliche und baulicheVeränderungen wären eine eventuelle weitere Konse-quenz.

Bei einer zentralen Erfassung müsste für die Templatege-nerierung auf der Basis eines Fingerabdruckes dieser ab-gerollt auf einem Träger zur Verfügung gestellt werden.Hierzu wäre eine Qualitätsüberprüfung und entsprechendgeschultes Personal erforderlich. Für die Iriserkennungund die Handgeometrieerkennung ist grundsätzlich einedezentrale Erfassung in den Meldestellen durchzuführen,da die Ursprungsmerkmale sich nicht als Rohdaten able-gen und versenden lassen. Dies erhöht den organisatori-schen und finanziellen Aufwand (Booz Allen Hamiltonet al. 2003, S. 92 f.).

Während für die Erhebung von Fingerabdrücken und fürdie Gesichtserkennung umfangreiche Erfahrungen ausGroßanwendungen vorliegen, fehlen Erfahrungswerte mitder großflächigen Datenerfassung und -pflege bei der Er-hebung von Irismuster und Handgeometrie. Probleme,Kosten oder Risiken einer bevölkerungsweiten Irismus-ter- oder Handgeometrieerhebung müssten deshalb sorg-fältig antizipiert werden (NIST 2002a, S. 5).

Datenspeicherung im Ausweisdokument

Als Speichertechnologie kommt zum einen die Ablagedes „Ursprungsmerkmals“ in optischer Form (z. B. Fotos)infrage. Zum Zweiten ist eine Templatespeicherung indrucktechnischer Form durch 1D/2D-Barcodes oder Ho-logramme sowie – drittens – eine Speicherung in elektro-nischer Form durch kontaktlose Chips, kontaktbehafteteChips oder Dual-Interface-Chips möglich.

Es ist zu fragen, wie sich das jeweilige Speicherverfahrenin das etablierte Dokumentenkonzept integrieren lässt. Eslassen sich hierzu folgende Einschätzungen formulieren(Booz Allen Hamilton et al. 2003, S. 94 ff.):

– Das kostengünstigste Speicherverfahren ist die Ablagedes Merkmals „Gesicht“ in optischer Form durch Ab-druck eines Fotos auf dem Ausweisdokument, da die-ses Verfahren heute schon fester Bestandteil der Aus-weisproduktion ist. Könnte eine biometrische Analysedes Gesichtes vom Foto erfolgen, müsste kein biome-trisches Template gespeichert werden. Die Übernahmeder ICAO-Empfehlungen würde einen hinreichendenBildstandard sicherstellen. Die Fotoablage des Finger-abdruckes erforderte eine Änderung des Ausweisdo-kumentes, da das Foto des jeweiligen Merkmals zu-sätzlich zum „Gesichtsfoto“ abgelegt werden müsste.Dies ist aber auf dem bisherigen Ausweisdokumentnicht vorgesehen.

– Für die Integration eines biometrischen Templates indas Ausweisdokument mittels eines Barcodes mussdas Template bei der Herstellung des Dokumentes be-reits vorliegen, da der Barcode ausschließlich währendder zentralen Produktion aufgebracht werden kann.Die Barcodespeicherung im Ausweisdokument ist der-zeit allerdings nicht vorgesehen. Nachteilig sind dierelativ begrenzte Speicherkapazität (von ca. 500 bis1 000 Byte) sowie die fehlende Infrastruktur.

– Das Verfahren der Chipspeicherung6 ist einmalmöglich mit kontaktlosen Chips. Solche „Transpon-der“ sind relativ dünn und könnten in das bisherigeAusweisdokument integriert werden, doch bieten siebisher nur ein maximales Speichervolumen von 4 KB.Es sind allerdings bereits höhere Speichervolumen imGespräch bzw. vorgesehen (ICAO, USA) und wohldemnächst auch technisch realisierbar. Eine weitere

6 Grundsätzlich ist zwischen kontaktlosen (Transponder) und kontakt-behafteten abfragbaren Chips zu unterscheiden. Transponder sind miteiner Antenne versehen und werden durch ein elektrisches Feld mitder notwendigen Energie versorgt. Nach diesem Prinzip wird die In-formation in den Transponder eingebracht bzw. ausgelesen.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 41 – Drucksache 15/4000

Möglichkeit sind kontaktbehaftete Chips. Sie er-fordern einen Träger und sind nicht in das existierendeAusweisdokument integrierbar. Bei der Integrationeines Chips in das Ausweisdokument muss mit einemerheblich höheren Aufwand an Material und Produk-tionskosten7 gerechnet werden, u. a. aufgrund der feh-lenden Infrastruktur von Lesegeräten. Vorteilhaft hin-gegen ist, dass die Chips flexibel beschreibbar sindund damit die Möglichkeit gegeben ist, diese erst beider Dokumentenausgabe zu beschreiben. VerlässlicheAussagen über Manipulationssicherheit und Haltbar-keit können wegen fehlender Großanwendungen undTests noch nicht gemacht werden.

– Weitere Fragen, wie die nach dem Verhältnis der Le-bensdauer der Chips und der Gültigkeitsdauer derAusweisdokumente, sind noch zu klären (vgl. Kapi-tel V). Weiterhin könnten sich Probleme durch diekurzen Innovationszyklen der Halbleiterindustrie er-geben, da Module, die heute dem Stand der Technikentsprechen, bereits in kurzer Zeit veraltet sind und

durch leistungsfähigere Module mit anderen, unterUmständen inkompatiblen Merkmalen ersetzt werden.Dies hieße u. U., dass die eingeführten Module nichtmehr verfügbar sind (Booz Allen Hamilton et al.2003, S. 95).

Fazit

Unter dem Aspekt des Organisations- und Kostenaufwan-des betrachtet (Abbildung 17), wäre die günstigste Mög-lichkeit zur biometrischen Ausrüstung der Ausweisdoku-mente die Option, mit dem bisherigen Ausweiskonzeptund den bestehenden und vertrauten Erhebungs- und Pro-duktionsverfahren Lichtbilder ausreichender Qualität aufdem Ausweisdokument für die automatische Analyse zunutzen. Entsprechend den ICAO-Vorschriften wäre es zu-künftig wohl erforderlich, Lichtbilder hinreichender Qua-lität in den Meldestellen selbst zu erzeugen.

Im Falle der Speicherung auf dem Dokument müssten fürIris, Hand und Finger zum einen Templates der gesamtenBevölkerung neu generiert werden und zum anderen diebisherige Datensammlung und das Datenablagesystem,das Produktionssystem und die Produktionstechnik reor-ganisiert und angepasst werden. Die Speicherung inChipform ist zwar aufgrund der erforderlichen Produk-tionsumstellung das kostenintensivste Verfahren (Kapi-tel IV.4), es bietet aber das größte Anwendungsspektrum(Booz Allen Hamilton et al. 2003, S. 98).

7 Booz Allen Hamilton et al. (2003, S. 97) schätzen – jeweils abhängigvon Verfahren mit dem Ort der Templateerzeugung – den einmaligenAufwand im Fall kontaktloser Chips für neue Produktionsanlagen so-wie die Anpassung der IT-Umgebung auf bis zu 14 Mio. Euro, deneinmaligen Aufwand für Produktentwicklung und Testmaterial aufca. 8 Mio. Euro. Bei kontaktbehafteten Chips wird mit bis zu 50 Mio.Euro bzw. etwa 10 Mio. Euro für die Produktionskosten gerechnet.

A b b i l d u n g 17

Vergleichende Bewertung der Integrierbarkeit

Quelle: Booz Allen Hamilton et al. 2003, S. 98

Daten im bestehenden Dokument bereits vorhanden. Dokumentenkonzept

wird nicht verändert. Dokumentenfamilie bleibt bestehen. Eine zusätzliche

Speicherung ist nicht notwendig. Kompatibilität durch Rohdaten ist

gewährleistet.

Dokumentenkonzept bleibt bestehen. Das biometrische Merkmal (nicht

Template) kann durch drucktechnische Verfahren in das bestehende

Dokument eingebracht werden (z.B. Bild des Fingerabdrucks).

Dokumentenkonzept bleibt bestehen. Das biometrische Template (nicht

Merkmal) kann durch drucktechnische Verfahren in das bestehende

Dokument eingebracht werden (z.B. 2D-Barcode).

Traditionelles Dokumentenkonzept (Dokumentenfamilie) muss verändert

werden. Datensatz ist größer und kann ausschließlich elektronisch

gespeichert werden.

Traditionelles Dokumentenkonzept bzw. Dokumentenfamilie ist nicht mehr

existent. Proprietäre Speichertechnik (z.B. optoelektronisch) muss eingesetzt

werden.

5

4

3

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Level

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Drucksache 15/4000 – 42 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

4. Kosten – ein ExkursFür eine Gesamteinschätzung der Leistungsfähigkeit undEignung biometrischer Systeme sind die kurz- und mittel-fristig entstehenden Kosten von großer Bedeutung.Deshalb werden im Folgenden Kostenmodelle für dreiOptionen zur Nutzung biometrischer Verfahren von Aus-weisdokumenten für Bundesbürger hinsichtlich der damitverbundenen, insbesondere finanziellen Aufwendungenzur Diskussion gestellt.

Die von der Booz Allen Hamilton GmbH, der Bundes-druckerei GmbH und der ZN Vision Technologies AG er-arbeiteten Kostenabschätzungen sind aus der Sicht desTAB durchaus plausible Schätzungen und eine erstebrauchbare Näherung an das Thema. Da die Frage „Wieviel Geld für welche Sicherheit“ bis heute allenfalls amRande behandelt wurde, sind die folgenden Ausführun-gen als Grundlage für eine intensivere Diskussion sowieweitere detaillierte Untersuchungen gedacht.

Im Folgenden werden die wesentlichen Ergebnisse deso. g. Gutachtens zu drei Handlungsalternativen8 stark ge-kürzt wiedergegeben – die vollständigen Ausführungensind im Anhang dokumentiert.

Die OptionenEs wurden drei alternative Optionen zugrunde gelegt.

– Biometrische Nutzung der bestehenden Dokumente(Option 1)

Hierbei werden die auf den Personaldokumenten auf-gedruckten Passbilder mit den Gesichtsinformationender Person für eine biometrische Auswertung herange-zogen. Der heutige Beantragungsprozess mit Abgabeeines Passbildes bliebe erhalten. Die notwendigen An-passungen ergäben sich im Wesentlichen auf der Aus-stellungsebene, wo die Qualität der von den Bürgerin-nen und Bürgern gelieferten Passbilder normalisiertund standardisiert werden muss.

– Technische Aufwertung der bestehenden Dokumentemit biometrischen Daten (Option 2)

Die Daten werden in Speichertechnik in das Ausweis-dokument eingebracht. Als Speicher kommen Bar-codes oder digitale Speicherelemente infrage. Alter-nativ bieten sich die zentrale Erfassung undVerarbeitung der biometrischen Merkmale (2a) unddie dezentrale Erfassung und Verarbeitung der bio-metrischen Merkmale in den einzelnen Meldestellenan (2b).

– Das bestehende Dokumentenkonzept wird durch einvollständig neues Konzept abgelöst (Option 3)

Bei dieser Alternative wird das Dokument (z. B.Smartcards) durch ein elektronisches Speicherelement

aufgewertet. Hierdurch ergäben sich Kombinations-möglichkeiten für den Flächeneinsatz der elektroni-schen Unterschrift sowie u. U. Impulse für den elek-tronischen Rechts- und Geschäftsverkehr.

Annahmen für alle Optionen

– Für die 6 500 Meldestellen zur Beantragung von Per-sonalausweisen und Reisepässen wird – im Bundes-durchschnitt – von jeweils einem Arbeitsplatz pro7 500 Einwohner ausgegangen. Es wird nicht zwi-schen den unterschiedlichen Größen der Ämter unter-schieden, sondern es werden grundsätzlich Mittel-werte angenommen.

– Laufende Kosten für die Wartung von Hardware undSoftware werden pauschal mit 20 Prozent der An-schaffungskosten p. a. angesetzt. Dabei wird nichtzwischen den verschiedenen möglichen Technologienunterschieden. Für Schulungskosten wird ein (mittle-rer) Tagessatz von 400 Euro angesetzt.

– Für die Grenzkontrollen an deutschen Flughäfen wer-den nur die Großflughäfen Frankfurt am Main, Mün-chen, Düsseldorf, Hamburg, Hannover, Berlin/Tegelund Berlin/Schönefeld betrachtet, über die zusammen80 Prozent des Fluggastaufkommens im Extra-EU-Verkehr abgewickelt werden. Die Anzahl der Kon-trollstationen wird hier mit 200 angesetzt.

– Bei der Ausrüstung von Grenzübergängen an Land-grenzen wird von 18 Übergängen zu Polen und zurTschechischen Republik mit je drei Erkennungsgerä-ten ausgegangen. Für Seehäfen mit intensiverem inter-nationalem Personenverkehr wird von 200 Kontroll-punkten an Landgrenzen und Seehäfen ausgegangen.

– Für die unter Alternativen „2b“ und „3“ diskutiertenHandlungsalternativen, die eine Erfassung der biome-trischen Daten in den Meldestellen beinhalten, wirdfür die fortlaufende Administration und für die Betreu-ung der Hard- und Software der Endgeräte im Durch-schnitt ein zusätzlicher Personalaufwand von ca.0,5 FTE (Full Time Equivalent) pro Meldestelle ange-nommen.

– Unter der Annahme, dass die gängige Praxis der de-zentralen Aufbewahrung der Ausweisdaten beibehal-ten wird, müssen zukünftig auch die jeweiligenbiometrischen Referenzdaten in den Meldestellen ab-gelegt werden. Die für die Referenzdatenspeicherungnotwendige IT-Infrastruktur existiert aber i. d. R. nochnicht. Demnach wird angenommen, dass die bestehen-den Melderegister erweitert werden müssen.

– In allen diskutierten Handlungsalternativen wird da-von ausgegangen, dass kein zentrales IT-System undinsbesondere keine zentrale Datenbank für biometri-sche Daten angelegt werden.

– Für alle Handlungsalternativen wird davon ausgegan-gen, dass zunächst Pilotprojekte durchgeführt werden.

Die folgenden Kostenabschätzungen beinhalten jeweilsnur die Mehrkosten im Vergleich zu den heutigen Aus-

8 Im Gutachten wird auch die Alternative entwickelt und diskutiert,zunächst einmal abzuwarten. Da diese Option angesichts der in Kapi-tel II und III beschriebenen Weichenstellungen und Vorentscheidun-gen nicht mehr realitätstüchtig sein dürfte, wird auf sie an dieser Stel-le verzichtet.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 43 – Drucksache 15/4000

weissystemen. Dabei wird zwischen einmaligen und lau-fenden Kosten – jeweils auf vier Ebenen – unterschieden(Tabelle 10).

Die Kostenmodelle sind vor dem Hintergrund zahlreicherUnsicherheiten zu betrachten. Unter anderem lassen sichaktuelle Endgerätekosten nur bedingt auf eine möglicheAnwendung bei Ausweissystemen übertragen. Die Zahlder notwendigen Meldestellen und die konkreten Anfor-derungen an die Systeme sind noch nicht festgelegt. DieAuswirkungen der technologischen Weiterentwicklungauf Stückkosten und Größenordnungen von Skaleneffek-ten sind unklar.

Die wesentlichen Kostenkomponenten der Alternativenbasieren auf Mittelwerten, die sich aus Bandbreitenab-schätzungen für die einzelnen Kosten ergeben. Verglichenmit den genannten Unsicherheiten, die für die jeweiligenKostenkomponenten Unterschiede von mehr als50 Prozent bedeuten können, sind die Unterschiede in denKosten für den Einsatz der verschiedenen biometrischenVerfahren in erster Näherung zu vernachlässigen (GAO2002).

Kostenschätzungen im Einzelnen

In Option 1 wird das in Form des Passfotos bereits vor-handene biometrische Merkmal „Gesicht“ vom Ausweisgelesen und gegen das Livebild der Person abgeglichen.Es sind auch Überprüfungen gegen Datenbankbilder(z. B. bildbasierte Fahndungslisten oder Visaantragstel-ler-Datenbank) machbar, zum heutigen Zeitpunkt jedochrechtlich ausgeschlossen. Als biometrische Verfahren indieser Handlungsalternative kommt nur die Gesichtser-kennung in Betracht.

Der Zielerreichungsbeitrag bestünde vor allem in einerqualitativ verbesserten Personenkontrolle bei Grenzüber-gängen, da die bislang rein manuelle Verifikation derIdentität nachhaltig unterstützt wird. Offen ist, ob mitnennenswerten Einsparungen beim Personal an denGrenzkontrollen gerechnet werden kann.

Anders als bei den weiteren Optionen ist keine Verände-rung des Ausweises erforderlich, aber die Implementie-rung von Endgeräten und entsprechenden Betriebskon-zepten, die u. a. eine Optimierung der Lichtbildqualitätund eine Überarbeitung ausgewählter Prozesse beinhaltet.

Ta b e l l e 10

Übersicht Kostenkomponenten

Bereich einmalige Kosten laufende Kosten

Ausstellungsebene – Einrichtung Erfassungssystem (HW/SW)– Schulung– Einrichtung Qualitätssicherungssystem

(HW/SW)– Erweiterung Melderegister– Erweiterung Datentransfer– Marketing, Kommunikation– dezentrales Projektmanagement

– Personalkosten Erfassung (zusätzlicher Personalbedarf)

– Wartung Erfassungssysteme (HW/SW)– Systempflege Qualitätssicherung– erweiterte Systempflege Melderegister

Produktionsebene – Modifikation Produktionstechnik Aus-weise

– Produktentwicklung– Testmaterial– Projektmanagement

– laufende Dokumentenproduktion (Perso-nalausweise, Reisepässe, Visa)

– ggf. Speichertechnologie

Kontrollebene – Einrichtung Personalkontrollsysteme an Grenzkontrollpunkten (HW/SW)

– Schulung– dezentrales Projektmanagement

– Wartung Kontrollsysteme– Personalkosten, Personenkontrolle– fortlaufende Schulung

zentrale Koordinierung – Programm-Management– Auftragsvergabe und Lieferanten-

management– Vorbereitung/Durchführung Pilot-

projekt(e)– QS-Management– Projektsteuerung

– fortlaufendes Programm-Management

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Drucksache 15/4000 – 44 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für diese Hand-lungsalternative sind heute bereits gegeben. Sowohl na-tional als auch international ist das Gesicht in Form desPassfotos festgelegter Standard für Ausweisdokumente.Die Einführung der Technologie kann stufenweise erfol-gen, da die manuelle Verifikation der Identität auf Basisder Passfotos weiterhin möglich ist. Die wesentlichenKostenkomponenten dieser Option sind in Tabelle 11 auf-geführt.

Für die einmalige Einrichtung des Systems resultieren dieKosten von etwa 21,2 Mio. Euro im Wesentlichen ausden Hardware- und Softwarekosten für Endgeräte an denGrenzübergängen und der Schulung des Personals. DieKosten für Geräte im Außeneinsatz, die z. B. gegen Wit-terung und Diebstahl geschützt werden müssen, werdeninklusive einmaliger Installation und eventueller Bau-maßnahmen mit 20 000 Euro pro Kontrollpunkt abge-schätzt, innerhalb von Gebäuden werden jeweils15 000 Euro pro Kontrollpunkt angesetzt. Für die Durch-führung von Pilotversuchen für die biometrischen Sys-teme werden in einem ersten Schritt pro Anbieter100 000 Euro und für einen detaillierteren zweiten Schritt300 000 Euro angenommen.

Die laufenden Kosten für die Nutzung der heutigen Aus-weise mithilfe automatischer Gesichtserkennung ergebensich vor allem aus der fortlaufenden Schulung des Perso-nals an den Landesgrenzen.

Option 2 bedeutet technisch gesehen die Einbindung vonzusätzlichen biometrischen Daten in Personalausweiseund Reisepässe, wobei die wesentlichen äußeren Merk-male und die Erscheinungsform der Dokumente gleichbleiben. Die bisherigen Herstellungsprozesse für die Do-kumente müssen zwar geändert, aber nicht grundlegendneu konzipiert werden. Mit dieser Option kann einBeitrag zur Erreichung des Zieles erbracht werden, dieQualität der Personenkontrollen – insbesondere bei

Grenzübertritten – durch die automatische Überprüfungbiometrischer Merkmale zu steigern. Die Ausrüstung derbestehenden Ausweisgeneration mit zusätzlichen biome-trischen Daten könnte über optisch lesbare Speicherme-dien wie 2D-Barcodes oder Hologramme erfolgen. Fürden Personalausweis in seiner heutigen Form ist darüberhinaus die Einführung von (dünnen) kontaktlosen Chips(Transponder), die von Leseterminals gelesen werdenkönnen, technisch machbar.

Prinzipiell sind alle vier der hier näher betrachteten bio-metrischen Verfahren mit dieser Option realisierbar. Dierechtlichen Grundlagen sind noch zu schaffen.

Die Tabellen 12 und 13 fassen die wesentlichen Kosten-komponenten zusammen. Dabei wird in der Variante 2bdavon ausgegangen, dass die Erfassung und Verarbeitungder biometrischen Merkmale (Templategenerierung) derBürger in den Meldestellen erfolgt. Prinzipiell sind fürdie Verfahren Fingerabdruck- und Gesichtserkennungauch eine Beibehaltung des bisherigen Beantragungspro-zesses und die Verlagerung der Templategenerierung aneine zentrale Stelle, z. B. die Produktionsstätte, möglich.Dabei würden die dezentral aufgenommenen Bilder derFingerabdrücke oder der Gesichter als „Rohdaten“ kon-ventionell oder elektronisch zu einer zentralen Stelleübertragen, die die Erzeugung der Templates übernimmt(Variante 2a).

Die einmaligen und laufenden Kosten für das Erfas-sungssystem, die Qualitätssicherung und die Erweite-rung der Melderegister hängen in hohem Maße davonab, ob die biometrischen Templates dezentral in denMeldestellen oder an zentraler Stelle erzeugt werden.Bei einer dezentralen Erfassung in der Ausstellungs-ebene ist von zusätzlichen Kosten für Hardware und Soft-ware von ca. 400 Mio. Euro – im Vergleich zur zentralenVariante – auszugehen. Hauptsächlich diese Kosten fürdie Ausstellungsebene führen zu einmaligen Kosten von

Ta b e l l e 11

Option 1: Biometrische Nutzung bestehender Dokumente – Kostenübersicht

einmalige Kosten (gesamt)in Mio. Euro

laufende Kosten (gesamt)in Mio. Euro

Ausstellung 5,2 0,6

Produktion 0,0 0,0

Kontrolle 9,8 3,9

Koordinierung 6,2 0,0

Kosten insgesamt 21,2 4,5

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 45 – Drucksache 15/4000

Ta b e l l e 12

Option 2a: Aufwertung bestehender Ausweisdokumente mit biometrischen Daten in Speichertechnik (zentral) – Kostenübersicht

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Option 2b: Aufwertung bestehender Ausweisdokumente mit biometrischen Daten in Speichertechnik (dezentral) – Kostenübersicht

einmalige Kosten (gesamt)in Mio. Euro

laufende Kosten (gesamt)in Mio. Euro

Ausstellung 95,4 0,6

Produktion 25,0 48,3

Kontrolle 33,4 6,2

Koordinierung 24,8 0,0

Kosten insgesamt 178,6 55,1

einmalige Kosten (gesamt)in Mio. Euro

laufende Kosten (gesamt)in Mio. Euro

Ausstellung 530,5 277

Produktion 25,0 48,3

Kontrolle 33,4 6,2

Koordinierung 24,8 0,0

Kosten insgesamt 613,7 331,5

ca. 614 Mio. Euro – im Vergleich zu ca. 179 Mio. Eurobei zentraler Produktion.

Bei den laufenden Kosten spielen die Betriebs- und War-tungskosten für die Hardware und Software in den Mel-destellen und für das Qualitätssicherungssystem diegrößte Rolle. Insgesamt ergeben sich Kosten von ca.331 Mio. Euro für Option 2b. Für die zusätzlichen Kostenin der Produktion der Ausweise, die sich aus der Einbin-dung zusätzlicher biometrischer Daten und eines elektro-nischen kontaktlosen Transponders ergeben, wird vonzwei bis drei Euro pro Dokument ausgegangen. Die Ver-änderung der Produktionsprozesse zur Ausrüstung derAusweisdokumente ist relativ kurzfristig innerhalb vonzwei bis drei Jahren zu realisieren.

Option 3 „Einführung einer neuen Ausweisgeneration“:Mit dieser Handlungsalternative soll die Entwicklung undEinführung einer neuen Ausweisgeneration, d. h. einesChip-basierten digitalen Dokumentes (z. B. in Kreditkar-tenformat) – zumindest in Ansätzen zur Diskussion ge-stellt werden.

Im Fokus dieser Option steht neben einer möglichen Er-höhung der öffentlichen Sicherheit durch verbesserte,teilautomatisierte Verifikationsverfahren via Biometrieauch das Ziel, Anstöße zu technischen Innovationen inDeutschland zu geben.

Die Kosten für eine mögliche Einführung können zumjetzigen Zeitpunkt nur grob abgeschätzt werden, da sie inerheblichem Umfang von den genauen technischen undorganisatorischen Anforderungen an das Gesamtsystemabhängen.

Die Kostenabschätzung in Tabelle 14 (S. 46) zeigt, dasssich die einmaligen Kosten für die Einführung einerneuen Ausweisgeneration von ca. 669 Mio. Euro zu we-sentlichen Teilen aus der Hardware und Software für dieErfassungs- und Qualitätssicherungssysteme sowie fürdas Melderegister ergeben. Um den Nutzen der „neuenKarte“ für den Bürger transparent zu machen und entspre-chende Aufmerksamkeit zu erzeugen, ist von einem er-heblichen Aufwand für Marketing und Kommunikationauszugehen.

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Drucksache 15/4000 – 46 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Ta b e l l e 14

Option 3: Neues Dokumentenkonzept mit Speicherelementen – Kostenübersicht

einmalige Kosten (gesamt)in Mio. Euro

laufende Kosten (gesamt)in Mio. Euro

Ausstellung 530,5 277

Produktion 80,0 331,8

Kontrolle 33,4 1,4

Koordinierung 24,8 0,0

Kosten insgesamt 668,7 610,2

In der Produktion müssen neue Verfahren implementiert Akzeptanz eines flächendeckenden Enrollments von Bun-

und entsprechende einmalige Investitionen getätigt wer-den. Hier ist – in einer ersten Schätzung – von einer fi-nanziellen Größenordnung von etwa bis zu 80 Mio. Euroauszugehen. Für eine mögliche Implementierung wird derFinanzbedarf für die Pilotphase mit 6,4 Mio. Euro abge-schätzt. Die laufenden Kosten summieren sich zu einemzusätzlichen Finanzbedarf gegenüber dem heute beste-henden System von ca. 610 Mio. Euro p. a.

Fazit

Der durchgeführte Kostenvergleich zeigt, dass ein ent-scheidender Kostenfaktor die Hardwareausstattung derMeldestellen ist. Anders formuliert, sind in Optionen, beidenen dezentrale Merkmalsneuerfassung und Template-generierung erforderlich sind (Optionen 2b und 3), dieKosten um ein Mehrfaches höher als bei den Alternati-ven, wo die (laufenden) Mehrkosten auf der Ebene derProduktion der Ausweise anfallen (Option 2a). Im Ver-gleich zur dezentralen Option ist die Alternative „NeuesAusweisdokument“ nicht unverhältnismäßig viel kosten-intensiver (ist allerdings diesbezüglich erheblich unsiche-rer abzuschätzen).

Wie schon bei der Diskussion des Kriteriums der techni-schen Eignung kann auch das Kostenkriterium per sekeine ausreichende Grundlage für eine Entscheidung lie-fern. Vielmehr müssten weitere Aspekte im Sinne einerKosten-Nutzen-Analyse mit einbezogen werden. Eineerste – unvollständige – Abwägung führt zu folgendenÜberlegungen:

Unterstellt man, dass bei allen Alternativen der Sicher-heitsgewinn in etwa gleich einzuschätzen ist, sprechen füreinen Einstieg in Option 1 die geringen Kosten, die Bei-behaltung bestehender Prozesse sowie eine vermutlichgrößere Akzeptanz bei der Bevölkerung. Dazu käme, dassdiese Option einen Übergang zu anderen Optionen grund-sätzlich offen ließe. Dagegen spricht ein gewisser Kon-servativismus des Ansatzes, der zunächst keinerlei inno-vationsfördernde Impulse gibt oder weitere Zusatznutzenerschließt – diesen aber auch nicht verbaut.

Option 2 bringt grundsätzlich einen höheren Kostenauf-wand mit sich und wirft die Frage auf, wie sich die

desbürgern gestaltet. Andererseits wäre durch die Bei-behaltung der Dokumentenfamilie eine gewisse Kontinui-tät gewahrt, und es wäre ein höheres technologischesNiveau erreichbar.

Option 3 verknüpft die Dimension der Sicherheit mit ei-ner innovationspolitischen Perspektive. Zwar fallen hierdie meisten Kosten an, es würde aber vermutlich mit derEinführung einer modernen Karte ein innovativer Wegbeschritten, der auch wirtschaftliche Impulse vermittelt.So würde für Bundesbürger (mittelfristig auch für hier le-bende ausländische Bürger) ein Dokument bereitgestellt,das diesen nicht nur die konventionelle Authentifikationerlaubt, sondern auch als Eckpfeiler einer elektronischenUnterschrift für den elektronischen Geschäftsverkehr ein-setzbar wäre.

V. Überlegungen zur rechtlichen Ausgestaltung eines zukünftigen Einsatzes von biometrischen Systemen

Mit dem Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Ter-rorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz, TBG) vom9. Januar 2002 wurden insgesamt Vorschriften in21 Gesetzen und Rechtsverordnungen geändert bzw. neugeschaffen. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf derBundesregierung war Ziel des Gesetzes die Schaffung dernotwendigen gesetzlichen Voraussetzungen für eine Ver-besserung des behördlichen Informationsaustausches, fürdie Verhinderung der Einreise terroristischer Straftäternach Deutschland und die notwendigen identitätssichern-den Maßnahmen (Bundesrat 2001, S. 82).

Ein wichtiges Element des Gesetzes ist die Regelung derAufnahme biometrischer Merkmale in Pässe und Perso-nalausweise sowie in Ausweisdokumente für Ausländer.Durch die Regelungen, die die Aufnahme biometrischerMerkmale in Identifikationspapiere von Bundesbürgernvorsehen, sollen im Pass- und Personalausweisrecht dieMöglichkeiten zur „computergestützten Identifizierungvon Personen“ auf der Grundlage der Ausweisdokumenteverbessert werden, u. a. um zu verhindern, dass Personensich mit fremden Papieren ähnlich aussehender Personenausweisen. Dazu ist vorgesehen, dass neben dem Licht-

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47 – Drucksache 15/4000

bild und der Unterschrift weitere biometrische Merkmalein Pass und Personalausweis – auch in verschlüsselterForm – aufgenommen werden dürfen. Gleichzeitig wirddurch neue Vorschriften im AuslG und AsylVfG die Auf-nahme biometrischer Merkmale auch in die Identifika-tionspapiere von Ausländern und Asylbewerbern ermög-licht.

Die Arten der biometrischen Merkmale, ihre Einzelheiten,die Art ihrer Speicherung, ihrer sonstigen Verarbeitungund ihrer Nutzung sollen durch ein noch zu erlassendesAusführungsgesetz hinsichtlich Pass und Personalaus-weis bzw. eine Rechtsverordnung bezüglich der auslän-derrechtlichen Regelungen gesondert geregelt werden.

Ziel der Ausführungen in diesem Kapitel ist es, die Vor-gaben und Weichenstellungen des TBG darzustellen undzu diskutieren sowie Anforderungen an eine zukünftigeAusgestaltung der Rechtsgrundlagen für die dort ge-nannten Ausweisdokumente für Bundesbürger und Aus-länder9 zu benennen.

Die nachfolgenden Ausführungen basieren im Wesentli-chen auf einem Gutachten des Unabhängigen Landeszen-trum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD-SH), dasim Zusammenhang mit der Erstellung dieses Sachstands-berichtes in Auftrag gegeben wurde.

1. Biometrie in Ausweisdokumenten für Bundesbürger

Im Folgenden werden die vom Gesetzgeber vorgesehenenRegelungen für die Aufnahme biometrischer Merkmaledargestellt (Kapitel V.1.2) sowie die darin enthalteneninhaltlichen Vorgaben hinsichtlich ihrer Geeignetheit, Er-forderlichkeit und Angemessenheit im Blick auf Anforde-rungen an die Ausgestaltung einer zukünftigen gesetzli-chen Grundlage kritisch diskutiert (Kapitel V.1.2).

1.1 Regelungen und ZieleArtikel 7 Terrorismusbekämpfungsgesetz (Änderung des Passgesetzes)

Durch Artikel 7 des Terrorismusbekämpfungsgesetzeswurden u. a. § 4 PassG zwei neue Absätze hinzugefügt.§ 4 Abs. 3 PassG lautet nunmehr: „Der Pass darf nebendem Lichtbild und der Unterschrift weitere biometrischeMerkmale von Fingern oder Händen oder Gesicht desPassinhabers enthalten. Das Lichtbild, die Unterschriftund die weiteren biometrischen Merkmale dürfen auch inmit Sicherheitsverfahren verschlüsselter Form in den Passeingebracht werden. Auch die in Abs. 1 Satz 2 auf-geführten Angaben über die Person dürfen in mit Sicher-heitsverfahren verschlüsselter Form in den Pass einge-bracht werden.“10

Der ebenfalls neu gefasste § 4 Abs. 4 PassG lautet: „DieArten der biometrischen Merkmale, ihre Einzelheiten unddie Einbringung von Merkmalen sowie Angaben in ver-schlüsselter Form nach Abs. 3 sowie die Art ihrer Spei-cherung, ihrer sonstigen Verarbeitung und ihrer Nutzungwerden durch Bundesgesetz geregelt. Eine bundesweiteDatei wird nicht eingerichtet.“

Nach der Begründung zum Gesetzentwurf soll auf dieserBasis zukünftig zweifelsfrei überprüft werden können, obdie Identität der betreffenden Person mit den im Doku-ment abgespeicherten Originaldaten übereinstimmt (Bun-desrat 2001, S. 84). Es wird weiter ausgeführt, die Zuver-lässigkeit der Identifizierung einer Person allein durchden visuellen Abgleich zwischen Lichtbild und Person seivon der subjektiven Wahrnehmungsfähigkeit abhängigund werde auch durch zahlreiche andere Faktoren, wiez. B. die Qualität des Lichtbildes, den natürlichen Alte-rungsprozess oder die Veränderung von Haar- und Bart-tracht beeinträchtigt. Die Aufnahme weitererbiometrischer Merkmale sei daher Voraussetzung für eineVerbesserung der Identifizierungsmöglichkeiten einerPerson anhand des vorgelegten Ausweisdokumentes(Bundesrat 2001, S. 110).

Um datenschutzrechtlichen Belangen gerecht zu werden,hat der Gesetzgeber eine weitere Vorschrift in § 16 Abs. 6PassG aufgenommen, die regelt, dass die im Pass enthal-tenen verschlüsselten Angaben nur zur Überprüfung derEchtheit des Dokumentes und zur Identitätsprüfung desPassinhabers ausgelesen und verwendet werden dürfen.

Artikel 8 Terrorismusbekämpfungsgesetz (Änderung des Gesetzes über Personalausweise)

Inhaltlich entsprechen die in § 1 Abs. 4 und 5 PAuswGneu aufgenommenen Regelungen § 4 Abs. 3 und 4 PassG.In der Gesetzesbegründung wird hierzu ausgeführt, derbeabsichtigte umfassende Schutz vor Identitätsmanipula-tionen mit Reisedokumenten werde nur erreicht, wennnicht nur der Pass, sondern auch der Personalausweis, dervon vielen europäischen Staaten als Reisedokument aner-kannt werde, die gleiche Absicherung habe wie der Pass(Bundesrat 2001, S. 112). Der Inhalt der Gesetzesbegrün-dung entspricht dem der Begründung zu den geändertenVorschriften im PassG.

Eine dem oben erwähnten § 16 Abs. 6 gleich lautendeRegelung über die Verwendungszwecke verschlüsselterMerkmale und der Auskunftsrechte der Betroffenen ent-hält § 3 Abs. 5 PAuswG.

1.2 Vorgaben für die Umsetzung der mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz geschaffenen Regelungen

1.2.1 Ausgestaltung durch ein zukünftiges Bundesgesetz

Die Ermächtigungsgrundlagen im PassG und PAuswG er-lauben zwar die Aufnahme bestimmter biometrischerMerkmale, überlassen die nähere Ausgestaltung jedocheinem Bundesgesetz.

9 Insofern sind Visa für Angehörige von Drittstaaten nur indirekt ein-bezogen (s. hierzu Kapitel II.1).

10 Bei den Angaben in Abs. 1 Satz 2 handelt es sich um Familiennameund ggf. Geburtsname (Nr. 1), Vornamen (Nr. 2), Doktorgrad (Nr. 3),Ordensname/Künstlername (Nr. 4), Tag und Ort der Geburt (Nr. 5),Geschlecht (Nr. 6), Größe (Nr. 7), Farbe der Augen (Nr. 8), Wohnort(Nr. 9), Staatsangehörigkeit (Nr. 10).

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Drucksache 15/4000 – 48 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Mit dieser Festlegung auf das Erfordernis einer gesetzli-chen Grundlage wird dem Umstand Rechnung getragen,dass Eingriffe in das Grundrecht auf informationelleSelbstbestimmung nach der Rechtsprechung des Bundes-verfassungsgerichts einer (verfassungsgemäßen) gesetzli-chen Grundlage bedürfen, „aus der sich die Voraussetzun-gen und der Umfang der Beschränkungen klar und fürden Bürger erkennbar ergeben und die damit dem rechts-staatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht“ (zit. n.ULD-SH 2003, S. 47). Weiterhin entspricht dies der Ver-pflichtung des Gesetzgebers, in grundlegenden normati-ven Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbstzu treffen, soweit diese einer staatlichen Regelung zu-gänglich sind.

Da im TBG bestimmte Voraussetzungen geschaffen undVorentscheidungen getroffen wurden, soll die Frage auf-geworfen werden, ob diese Vorgaben für den Gesetz- undVerordnungsgeber der Ausführungsbestimmungen bin-dend sind, was z. B. hinsichtlich der Aufzählung der fürdie biometrischen Merkmale in Betracht kommendenKörperbereiche in den erlassenen Vorschriften von beson-derer Relevanz ist. Grundsätzlich gilt hinsichtlich desVerhältnisses von Gesetzen die so genannte Lex-poste-rior-Regelung, d. h. aufgrund der Gleichrangigkeit for-meller Gesetze geht das später erlassene Gesetz dem älte-ren Gesetz vor. Das für den Bereich des Pass- undPersonalausweiswesens erforderliche Ausführungsgesetzals Parlamentsgesetz könnte somit auch über den bisheri-gen Regelungsinhalt der Vorschriften des Pass- undPAuswG hinausgehen. Diese Möglichkeiten sind abernicht Gegenstand der folgenden Darstellung. Vielmehrwerden die mit dem TBG geschaffenen Vorschriften an-hand der gegenwärtigen Vorgaben des Gesetzgebers beur-teilt und der im Lichte dieser Vorgaben zu erkennendeHandlungsbedarf angesprochen.

1.2.2 Nennung biometrischer Merkmale bestimmter Körperbereiche

§ 4 Abs. 3 Satz 1 PassG bzw. § 1 Abs. 4 Satz 1 PAuswGgeben die Körperbereiche vor, auf die sich die biome-trischen Merkmale beziehen können. So sollen „biome-trische Merkmale von Fingern oder Händen oder Ge-sicht“ zulässig sein. Der Gesetzgeber hat nicht geregelt,um welche Merkmale es sich im Einzelnen handeln soll.11

Vielmehr sind die Arten der biometrischen Merkmale undihre Einzelheiten nach § 4 Abs. 4 Satz 1 PassG und § 1Abs. 5 Satz 1 PAuswG durch ein weiteres Bundesgesetzzu regeln.

Ausschluss bestimmter Merkmale?

Die Nennung von Fingern, Händen und Gesicht ist ab-schließend. Biometrische Verfahren, die sich auf andereKörpermerkmale beziehen, scheiden demnach aus. Die inBetracht kommenden Körperbereiche werden ferner prä-

zise aufgeführt. Angesichts dessen liegt der Schluss nahe,dass z. B. die Iriserkennung oder die Erkennung anhanddes Retinamusters vom Körperbereich „Gesicht“ wohlnicht umfasst werden. Vielmehr ist es plausibel anzuneh-men, dass der Gesetzgeber nicht lediglich die Bezeich-nung „Gesicht“ in das Gesetz aufgenommen hätte, wenner auch Iris oder Retina als biometrischen Merkmale hättezulassen wollen (ULD-SH 2003, S. 50).

Ausschluss einer Kombinationslösung?Es stellt sich auch die Frage, ob die Auswahl des Gesetz-gebers die genannten Merkmale alternativ oder kumulativzulässt. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich eineAntwort nicht zwingend. Allerdings lässt sich der Geset-zesbegründung entnehmen, dass die drei genannten Kör-perbereiche nach dem Willen des Gesetzgebers alternativzu verstehen sind (Bundesrat 2001, S. 110). Teilt mandiese Lesart, wäre eine kombinierte Anwendung ver-schiedener biometrischer Systeme nicht zugelassen. Dieswirft die Frage auf, ob die gesetzgeberische Beschrän-kung auf einzelne biometrische Merkmale überhaupt ge-eignet ist, den mit der Regelung erstrebten Zweck zu er-reichen. Das Gebot der Geeignetheit verlangt gemäß derbundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung den Ein-satz solcher Mittel, mit denen der gewünschte Erfolg amehesten gefördert werden kann.

In diesem Zusammenhang ist auf den aktuellen Kenntnis-stand zu den Fehlerraten fortgeschrittener Systeme hinzu-weisen (s. Kapitel IV.2). Die beispielsweise durch dasNIST dokumentierten Testergebnisse weisen für die Ge-sichtserkennung eine Erkennungsrate von 90 Prozent auf,die FAR lag bei 1 Prozent. Auch bei den eingesetzten Fin-gerabdruckscannern lag bei einer gleichen FAR eine Er-kennungsquote von über 90 Prozent vor. In der Praxishieße dies – wie eine Hochrechnung des Wertes von1 Prozent auf die Gesamtzahl der Visa zeigt – dass trotzbiometrischer Kontrolle jährlich rund 150 000 Personenüber diese Methode nicht korrekt identifiziert würden. DerDirektor des NIST wies darauf hin, dass selbst eine Kom-bination aus Gesichtserkennung und Fingerabdruckerken-nung – wie sie das NIST (2002a) empfiehlt – nicht zueiner völlig sicheren Kontrolle führen könne (abrufbarunter: http://www.nist.gov/public_affairs/releases/n03-01.htm).

Nach dem aktuellen Informationsstand ist ein Verzichtauf eine Kombination mehrerer Merkmale unter dem Ge-sichtspunkt der Zuverlässigkeit biometrischer Systemezumindest problematisch. Eine gesetzgeberische Ent-scheidung, biometrische Merkmale der genannten Körper-bereiche lediglich alternativ zuzulassen, dürfte das Pro-blem der Erkennungssicherheit nur suboptimal lösen.12 Daselbst eine Kombination zweier Verfahren zu nicht zuvernachlässigenden Raten falscher Identifikation führt, istes zweifelhaft, ob bei einer Beschränkung auf ein einzi-ges biometrisches Merkmal bzw. System eine akzeptable

11 Nolte (2002, S. 576) charakterisiert dieses Vorgehen als „gesetzge-bungstechnisch merkwürdig“.

12 Multimodale Verfahren brächten andererseits Datenschutzproblememit sich, was bislang noch nicht hinreichend diskutiert worden ist.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 49 – Drucksache 15/4000

Falschzurückweisungs- bzw. Falscherkennungsrate er-reicht werden kann (ULD-SH 2003, S. 51).

Folgen der Auswahl bestimmter Merkmale für die Gültigkeitsdauer von Pass und Personalausweis

Bei Erlass des Bundesgesetzes sollte ein besonderes Au-genmerk auf die mit der Auswahl bestimmter biometri-scher Merkmale verbundenen Folgen gerichtet werden.So stellt sich bei der Aufnahme biometrischer Merkmalez. B. ein Problem im Hinblick auf die Gültigkeitsdauervon Pässen und Ausweisen, die gemäß § 5 Abs. 1 PassGzehn Jahre beträgt. Bei Personen, die das 26. Lebensjahrnoch nicht vollendet haben, ist die Gültigkeitsdauer fünfJahre. Gleiches gilt für Personalausweisinhaber, die das26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 2 Abs. 1Satz 2 PAuswG). Die kürzere Gültigkeitsdauer trägt demUmstand Rechnung, dass die körperliche Entwicklungdieser Personen in diesem Alter noch nicht abgeschlossenist, sodass das Bild im Reisepass bereits nach wenigenJahren eine zuverlässige Identifizierung des Passinhabersnicht mehr gewährleistet. Bei der Aufnahme biometri-scher Merkmale ergibt sich ein ähnliches Problem, dassich jedoch nicht auf eine bestimmte Altersgruppe be-schränken lässt. Vielmehr können biometrische Merk-male Änderungen unterworfen sein, die u. U. dazu füh-ren, dass eine Verifikation aufgrund dieses Merkmalslediglich in einem begrenzten Zeitraum möglich ist(s. Kapitel IV.1 u. IV.2).

Bei der Auswahl eines biometrischen Merkmals ist des-halb darauf zu achten, dass eine Verifikation über den ge-samten Gültigkeitszeitraum des entsprechenden Doku-mentes sichergestellt werden kann (ULD-SH 2003,S. 52).

Eindringtiefe, Missbrauchsmöglichkeiten, Zumutbarkeit

Bei Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbe-stimmung liegt u. a. eine größere Eingriffstiefe vor, wenndurch die Art der verarbeiteten Daten eine Zweckände-rung erleichtert wird oder eine vergleichsweise größereMissbrauchsgefahr besteht. Dies führt zur Frage, ob derGesetzgeber mit der Begrenzung auf die genannten Kör-perbereiche aus datenschutzrechtlicher Sicht vorzuzie-hende Merkmale ausgeschlossen hat.

Allgemein lässt sich sagen, dass ein biometrisches Merk-mal aus datenschutzrechtlicher Sicht vor allem dann ge-eignet ist, wenn es dem Gebot der Direkterhebung ent-spricht sowie möglichst wenig überschießendeInformationen preisgibt.

– Der im Datenschutzrecht geltende Grundsatz der sogenannten Direkterhebung verlangt, dass personenbe-zogene Daten grundsätzlich bei der betroffenen Personselbst zu erheben sind, und zwar mit ihrer Kenntnisund gegebenenfalls Mitwirkung (§ 4 Abs. 2 Satz 1BDSG). Die Erfordernisse der Kenntnis und Mitwir-kung des Betroffenen ergeben sich unmittelbar ausdem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Da-nach soll der Einzelne grundsätzlich selbst über die

Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Datenbestimmen (ULD-SH 2003, S. 64). An dieser Mitwir-kung fehlt es dann, wenn Daten heimlich bei der be-troffenen Person erhoben werden. Biometrische Ver-fahren, die für den Masseneinsatz geeignet sein sollen,müssen so gewählt und eingesetzt werden, dass dieDaten gerade nicht unbemerkt erfasst werden (kön-nen), sondern vielmehr der Betroffene Kenntnis vonder Anwendung hat. Es sind dementsprechend aus da-tenschutzrechtlicher Sicht biometrische Verfahren vor-zuziehen, die eine aktive Mitwirkung des Betroffenenerfordern und deshalb eine verdeckte Erfassung bio-metrischer Merkmale nicht oder allenfalls unter er-schwerten Bedingungen zulassen. Hierfür kommenVerfahren in Betracht, die einen Körperkontakt odereine bestimmte „Aufnahmeposition“ erfordern, wiez. B. Fingerabdruckverfahren, Handgeometrie-,Handvenenmuster-, Iris- und Retinaerkennung oderverhaltensbasierte Merkmale wie die Unterschriftsdy-namik (ULD-SH 2001, S. 10). Die Gesichtserkennungist bei dieser grundsätzlichen Betrachtungsweise zwarweniger „datenschutzfreundlich“. Gleichwohl könntenbei einer Verwendung im Zusammenhang mit Aus-weisdokumenten die konkreten Bedingungen ihresEinsatzes beim Enrollment bzw. bei der Erfassung vorOrt zum Zwecke der Verifikation als kooperatives Ver-fahren gestaltet werden. Dadurch wäre das theoreti-sche Missbrauchspotenzial in der Praxis weitgehendreduziert.

Die gesetzlich vorgesehenen Merkmale Finger undHände zeichnen sich dadurch aus, dass sie vom Besit-zer unwillentlich hinterlassen werden, die Merkmaledes Gesichtes können gegen dessen Willen erhobenwerden (und missbräuchlich genutzt werden). Dies istbei anderen biometrischen Merkmalen, wie z. B. derRetina oder der Iris, nicht der Fall. Gerade dieseMerkmale hat der Gesetzgeber nicht explizit einbezo-gen.

Bei einer grundsätzlichen Betrachtungsweise sprechenalso datenschutzrechtliche Kriterien und Ziele in ge-wissem Umfang gegen die gewählten Merkmale (unddie Iris wäre in dieser Hinsicht vorzuziehen). Gleich-wohl müssten aber in einer Gesamtabwägung weitereAspekte, wie technische Funktionalität und Leistungs-fähigkeit sowie weitere Schutzziele, wie Erhöhung desSicherheitsniveaus, Schutz von Leben und Gesundheitoder Vermeidung von Missbrauch, mit einbezogenwerden. Diese erweiterte Abwägung könnte u. U. auchgegen datenschutzfreundliche Merkmale sprechenbzw. andere Merkmale dennoch als geeignet erschei-nen lassen.

– Weiter ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismä-ßigkeit zu beachten, dass biometrische Rohdaten be-stimmte besonders schützenswerte Informationen überden Merkmalsträger aufzeigen können. Neben Rück-schlüssen auf Geschlecht, Alter und ethnische Her-kunft, die anhand des Gesichtes und der Sprache zu zie-hen sind, lassen Aufnahmen des Augenhintergrundes

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Drucksache 15/4000 – 50 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

u. U. Hinweise auf Krankheiten wie Arteriosklerose,Diabetes und Bluthochdruck zu. Bei der Verwendungvon Fingerabdrücken scheint es statistische Korrela-tionen von Fingerabdruckmustern und Krankheiten,wie chronische Magen-Darm-Beschwerden, Leukä-mie und Brustkrebs zu geben (Probst 2002, S. 118 f.).Da nicht auszuschließen ist, dass mit derartigen, wis-senschaftlich nicht unbedingt gesicherten Erkenntnis-sen Diskriminierungen verbunden sein können, ist ausdatenschutzrechtlicher Sicht sicherzustellen, dass diegespeicherten und verarbeiteten Daten keine Rück-schlüsse auf zusätzliche personenbezogene Merkmaleerlauben (Entschließung der 63. Konferenz der Daten-schutzbeauftragten des Bundes und der Länder 2002).Die Erfassung biometrischer Merkmale, die solcheüberschießenden Informationen über den Betroffenenpreisgeben, würde ansonsten den Einzelnen in unver-hältnismäßiger Weise in seinem Grundrecht auf infor-mationelle Selbstbestimmung beeinträchtigen.

Es bedarf daher einer Abwägung zwischen dem be-rechtigten staatlichen Interesse an einer zweifelsfreienIdentifizierung bzw. Verifizierung anhand biometri-scher Merkmale und dem schutzwürdigen Interessedes Betroffenen an größtmöglicher Gewährleistungseines Grundrechts auf informationelle Selbstbestim-mung (vgl. z. B. Albrecht 2003). Als angemesseneund datenschutzgerechte Möglichkeit, hier zu einemAusgleich zu kommen, bietet sich der Verzicht auf dieSpeicherung entsprechender Rohdaten an.

– Bei einem Masseneinsatz biometrischer Systeme sindgrundsätzlich strenge Anforderungen an die Leis-tungsfähigkeit des gewählten Systems zu stellen. ZurErreichung des vom Gesetzgeber verfolgten Zweckesder zweifelsfreien Überprüfung der Identität der dasDokument vorlegenden Person mit dem berechtigtenInhaber des Dokumentes bedarf es nicht nur einesSystems, mit dessen Hilfe die Zahl der Personen, diedie Grenzkontrollen mit falscher Identität passierenkönnen, möglichst gering zu halten ist. Auch die in al-ler Regel nicht vollständig zu vermeidenden fälschli-chen Zurückweisungen berechtigter Personen müssensich in einem für die Betroffenen zumutbaren Rahmenbewegen. (Die entsprechende Leistungsfähigkeit derSysteme ist in Kapitel IV erörtert worden.)

In diesem Zusammenhang ist gefordert worden, dasseine regelmäßige Falsch-Rückweisung durch Unzu-länglichkeiten bei den gespeicherten Daten vor derAusgabe der Ausweise und Pässe bereits durch dieörtlichen Pass- und Personalausweisbehörden ausge-schlossen werden muss. Zu diesem Zweck bedarf esflankierender technischer und organisatorischer Maß-nahmen, wie z. B. eine vor der Aushändigung des Do-kumentes erfolgende Prüfung mithilfe eines Referenz-Kontrollsystems (Konferenz der Datenschutzbeauf-tragten 2002, S. 3). Unter Umständen sind daher sol-che Systeme vorzuziehen, die zusätzlich eine so ge-nannte Interne Qualitätskontrolle der aufgenommenbiometrischen Daten zur sofortigen Überprüfung ihrer

Tauglichkeit für den späteren Erkennungszweck vor-nehmen.

1.2.3 Einbringung von Merkmalen und Angaben in verschlüsselter Form

Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 und 3 PassG sowie § 1 Abs. 4Satz 2 und 3 PAuswG dürfen das Lichtbild, die Unter-schrift und die weiteren biometrischen Merkmale auch inmit Sicherheitsverfahren verschlüsselter Form in den Passoder Personalausweis eingebracht werden.

– Eine Verschlüsselung könnte einmal dadurch erreichtwerden, dass die auf dem Pass oder Personalausweisenthaltenen Daten über den Inhaber des Dokumentesmittels des gewählten Verfahrens so unkenntlich ge-macht werden, dass sie lediglich von Berechtigten, dieim Besitz des Schlüssels sind, wieder gelesen werdenkönnten. Um einen solchen Schutz vor unbefugterKenntnisnahme zu erreichen, bedarf es eines Ver-schlüsselungsverfahrens, das wissenschaftlich aner-kannt ist und nach dem Stand der Technik als sichergilt.

– Eine Verschlüsselung im Sinne von Unkenntlichma-chung ist zwar auch geeignet, um biometrische Datenvor einer Verfälschung durch Unbefugte zu schützen.Eine vorteilhaftere Option sind jedoch Public-Key-Signatur-Verfahren. Diese ermöglichen einen Authen-tizitäts- und Integritätsnachweis, indem der Ausstellerdie biometrischen Daten um eine elektronische Signa-tur ergänzt, die nur er erzeugen kann. Die Prüfung derSignatur geschieht beim Lesen mit einem zweiten(Prüf-)Schlüssel. Von Vorteil ist, dass mit dem Prüf-schlüssel nur die Prüfung der Signatur, nicht aber de-ren Erstellung möglich ist. Daher kann der Prüfschlüs-sel öffentlich bekannt gemacht werden, ohne dieSicherheit des Verfahrens zu gefährden. Ähnlich wiebei der Verschlüsselung hängt die Sicherheit desSignaturverfahrens von der Länge der verwendetenSignaturschlüssel ab. Verschlüsselungs- und Signatur-verfahren sind kombinierbar und können gleichzeitigAuthentizität, Integrität und Vertraulichkeit der bio-metrischen Daten sicherstellen (ULD-SH 2003, S. 55).

Auch an dieser Stelle stellt sich das bereits erörterteProblem des Gültigkeitszeitraums der Pässe und Per-sonalausweise. Legt man den Gültigkeitszeitraum fürPässe und Personalausweise von derzeit fünf bis zehnJahren zugrunde, so sind aus datenschutzrechtlicherSicht Verschlüsselungs- bzw. Signaturverfahren zufordern, die mindestens für diesen Gültigkeitszeitraumals sicher gelten müssen (Konferenz der Datenschutz-beauftragten 2002, S. 3). Da gemäß § 14 Abs. 3 derSignaturverordnung (SigV) qualifizierte Zertifikatehöchstens fünf Jahre gelten dürfen, sind entsprechendeRegelungen vom Gesetz- bzw. Verordnungsgebernoch zu schaffen, dabei wäre ein über die Gültigkeits-dauer hinausreichender Schutz durch Verschlüsse-lungsverfahren wünschenswert (ULD-SH 2003,S. 56).

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 51 – Drucksache 15/4000

Für die Bürger stellt sich ohne weitere Maßnahmen dieSituation gleich dar: Auf ihren Ausweisen finden sich„unverständliche“ Daten, für deren Verständnis sie aufdie Mithilfe der Behörde (etwa in Form einer Auskunfts-verpflichtung nach § 16 Abs. 6 PassG bzw. § 3 Abs. 5PAuswG) oder auf technische Mittel angewiesen sind. Obdiese Daten signiert, verschlüsselt (im kryptographischenSinn) oder lediglich codiert (mit einem öffentlich bekann-ten Code) vorliegen, kann der Betroffene im Einzelfallnicht erkennen.

Der Gesetzgeber hat mit der Formulierung „dürfen auchin mit Sicherheitsverfahren verschlüsselter Form [...] ein-gebracht werden“ eine Kann-Bestimmung geschaffen.Würde er die Verschlüsselung der Daten vorsehen, somuss geregelt werden, welche Stelle die Verschlüsselung/Signatur vornehmen soll. In Betracht kommen die jewei-ligen örtlichen Pass- und Personalausweisbehörden oderaber die Bundesdruckerei, oder eine andere öffentlicheoder private zentrale Stelle.

In diesem Zusammenhang bedarf es des Weiteren der Re-gelung von Sicherheitsvorkehrungen, die verhindern,dass der Entschlüsselungs- bzw. Signaturerstellungs-schlüssel Unbefugten bekannt wird. Dies ist insbesonderezu beachten, wenn Verschlüsselungsverfahren zum Ein-satz kommen, deren Ver- und Entschlüsselungsschlüsselgleich ist (so genanntes symmetrisches Verfahren): Da je-des Prüf- bzw. Lesegerät für biometrische Ausweise die-sen Schlüssel enthalten muss, besteht die Gefahr, dassdurch den Diebstahl eines Gerätes der Schlüssel kompro-mittiert wird und der unrechtmäßige Besitzer in die Lageversetzt wird, selbst Verschlüsselungen vorzunehmen(ULD-SH 2003, S. 56).

1.2.4 Verwendungszweck

§ 16 Abs. 6 PassG und § 3 Abs. 5 PAuswG enthalten Vor-gaben dahin gehend, dass die im Pass oder Personalaus-weis gespeicherten Angaben nur zur Überprüfung derEchtheit des Dokumentes und zur Identitätsprüfung13 desPass- oder Personalausweisinhabers ausgelesen werdendürfen. Insoweit legt der Gesetzgeber im Rahmen dieserVorschriften bereits fest, für welche Zwecke die Datenverwendet werden dürfen. Eine darüber hinausgehendeVerarbeitung und Nutzung der Daten ist nicht eröffnet:Eine Verwendung zur direkten Identifizierung, z. B.durch die automatische Erkennung gesuchter Personen imRahmen einer Videoüberwachung, wird durch die Vor-schriften ebenso ausgeschlossen (Garstka 2002, S. 525)wie Identifikationsanwendungen in Form von Abgleichenmit Datenbanken.

Die Verwendung von Personalausweis und Pass im nichtöffentlichen Bereich ist in § 4 PAuswG bzw. § 18 PassGeingeschränkt. Die Dokumente dürfen danach auch hierals Ausweis- und Legitimationspapier benutzt werden.

Die Seriennummer darf aber nicht zum Abruf von Da-teien oder zu deren Zusammenführung verwendet wer-den. Auch ein automatisierter Abruf oder eine automati-sierte Speicherung des Dokuments ist ausdrücklichverboten. Dies schließt eine entsprechende Nutzung unddadurch auch faktisch die Weiterverarbeitung der biome-trischen Daten durch Private mit aus (ULD-SH 2003,S. 76).

Die Frage, ob der in der Vorschrift genannte Verwen-dungszweck der Überprüfung der Echtheit des Dokumen-tes bzw. der Identitätsprüfung den Anforderungen genügt,die nach dem strengen Zweckbindungsgrundsatz zu stel-len sind, dürfte im Hinblick auf Pässe und Personalaus-weise von Bundesbürgern wohl zu bejahen sein.

1.2.5 Verbot der Einrichtung einer bundesweiten Datei für Bundesbürger

PassG und PAuswG regeln, dass eine bundesweite Datei,in der die biometrischen Merkmale gespeichert werden,nicht eingerichtet wird (§ 4 Abs. 4 Satz 2 PassG, § 1Abs. 5 Satz 2 PAuswG).14 Mit der Aufnahme eines Ver-botes zur Einrichtung einer bundesweiten Datei hat derGesetzgeber einer zentralen Speicherung (und Auswer-tung) der biometrischen Daten eine Absage erteilt.

1.2.6 Speicherung und sonstige Verarbeitung biometrischer Merkmale

Der Gesetzgeber hat hinsichtlich der Aufnahme biometri-scher Merkmale in Pässe und Personalausweise die Rege-lung der „Art ihrer Speicherung, ihrer sonstigen Verarbei-tung und ihrer Nutzung“ einem weiteren Bundesgesetzüberlassen. Es ist wohl davon auszugehen, dass der Ge-setzgeber mit der Formulierung in § 4 Abs. 4 Satz 1PassG bzw. § 1 Abs. 4 Satz 1 PAuswG die technischenModalitäten der Speicherung, Verarbeitung und Nutzunggemeint hat. Welche Anforderungen an die Regelung die-ser Modalitäten zu stellen sind, wird im Folgenden inzwei Konstellationen erörtert:

Speicherung im Pass oder Personalausweis

Es ist denkbar, die biometrischen Merkmale ausschließ-lich im Pass oder Personalausweis zu speichern. Da an-hand der biometrischen Merkmale festgestellt werdensoll, ob derjenige, der das Dokument vorlegt, auch tat-sächlich der berechtigte Inhaber des Dokumentes ist,wäre zur Erfüllung dieses Zweckes eine Speicherung au-ßerhalb des jeweiligen Dokumentes nicht erforderlich.Damit hätten die Betroffenen – im Sinne der Realisierung

13 Garstka (2002, S. 525) nimmt an, dass der Gesetzgeber den Begriff„Identitätsprüfung“ fälschlich gewählt hat und damit die Authentizi-tätsprüfung (Verifikation) gemeint hat.

14 Diese Regelung war in dem Gesetzentwurf zunächst nicht enthalten.Vielmehr wurde sie erst aufgrund des Änderungsantrages der Frak-tionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 11. Dezember2001 eingefügt. Dort heißt es zur Begründung: „Die Einrichtung ei-ner bundesweiten Datei ist nicht vorgesehen. Dies gilt in gleicherWeise für eine länderübergreifende Vernetzung der lokalen Register.“(http://www.cilip.de/terror/aenderung11122001.pdf)

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Drucksache 15/4000 – 52 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

der informationellen Selbstbestimmung – die alleinigeVerfügungsgewalt über ihre biometrischen Daten.

Dezentrale Speicherung in Registern

Eine weitere Möglichkeit bestünde darin, die biometri-schen Merkmale – zusätzlich zur Speicherung im Passbzw. Personalausweis selbst – in dezentralen (elektroni-schen) Registern zu speichern. Gegenwärtig werden diein Pässen und Personalausweisen gespeicherten Datenüber die Person des Pass- bzw. Personalausweisinhabersim Pass- bzw. Personalausweisregister gespeichert. § 16Abs. 2 PassG bzw. § 3 Abs. 2 PAuswG regeln derzeit aus-drücklich, dass die Beantragung, Ausstellung und Aus-gabe von Pässen bzw. Personalausweisen nicht zum An-lass genommen werden darf, die dazu erforderlichenAngaben bei anderen Stellen als bei den zuständigenPass- bzw. Personalausweisbehörden zu speichern.

Die Bundesdruckerei, die die Pässe und Personalausweisepersonengebunden herstellt und die zu diesem Zweckevon den Pass- und Personalausweisbehörden die für diepersonengebundene Herstellung erforderlichen Dateneinschließlich des Lichtbildes erhält, darf lediglich einezentrale Speicherung der Seriennummern (s. o.) der Pässezum Nachweis des Verbleibs der Pässe vornehmen (§ 16Abs. 3 Satz 1 PassG, § 3 Abs. 3 Satz 1 PAuswG). DieSpeicherung der übrigen im Pass oder Personalausweisenthaltenen Angaben ist unzulässig, soweit sie nicht aus-schließlich und vorübergehend der Herstellung des Passesbzw. Personalausweises dient. Die Angaben sind an-schließend zu löschen (§ 16 Abs. 3 Satz 2 PassG, § 3Abs. 3 Satz 2 PAuswG).15

Da gegenwärtig die Speicherung biometrischer Merkmalenicht von den im Pass- und Personalausweisregister zuspeichernden Angaben umfasst wird, bedarf es noch einerRegelung in dem zu erlassenden Ausführungsgesetz.

Beurteilung

Die genannten Möglichkeiten der Speicherung biometri-scher Daten auf den Ausweisen selbst, in einem dezentra-len Datenbestand oder einem zentralen Datenbestand sindaus datenschutzrechtlicher Sicht unter dem Gesichtspunktder Verhältnismäßigkeit unterschiedlich zu bewerten.

Der in der Begründung zum Terrorismusbekämpfungsge-setz angeführte Zweck, die „Möglichkeiten zur computer-gestützten Identifizierung von Personen auf der Grund-lage der Ausweisdokumente“ zu verbessern sowie zuverhindern, dass „Personen sich mit fremden Papierenähnlich aussehender Personen ausweisen“, kann durch

eine Speicherung allein auf dem Ausweis erreicht wer-den.16

Fraglich ist deshalb, ob die Speicherung der Daten außer-halb der Ausweise unter dem Gesichtspunkt der Zweck-bindung sowie der Datenvermeidung und Datensparsam-keit überhaupt als verhältnismäßig angesehen werdenkann. Es ist zu bedenken, dass eine Speicherung in dezen-tralen Registern die Möglichkeit eröffnete, die Daten zuErmittlungs- und Fahndungszwecken sowie zur Vorbeu-gung der Gefahr an die Polizei und andere Strafverfol-gungsbehörden zu übermitteln. Eine derartige Nutzungverstieße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.Schließlich stünde eine Speicherung der biometrischenDaten in dezentralen Registern – ohne spezifische gesetz-liche Regelung – nicht mit dem Recht auf informationelleSelbstbestimmung in Einklang, weil sie eine zweck-fremde Nutzung der Daten ohne Einwilligungsmöglich-keit der Betroffenen zuließe.

Weiterhin käme eine Speicherung der biometrischen Da-ten durch die Ausstellungsbehörde „für die Akten“ in Be-tracht. Der einzige Zweck der Speicherung bestünde da-rin, im Einzelfall die Ordnungsmäßigkeit desVerwaltungshandelns überprüfen zu können, indem (ma-nuell) Einblick in die aufbewahrten Unterlagen genom-men würde. Zu unterscheiden wäre hier, ob die biometri-schen Rohdaten, die Templates oder beide gespeichertwerden. Im Hinblick auf das Gebot der Datensparsamkeitist eine Speicherung allein der Templates zu bevorzugen.

Im Falle einer elektronischen Speicherung auf den Aus-weisen würde dieser Datenbestand der biometrischenMerkmale vermutlich auch elektronisch gespeichert wer-den. In diesem Fall wäre zu gewährleisten, dass der Da-tenbestand von den übrigen Datenbeständen abgeschottetist und im Hinblick auf die enge Zweckbindung einerwirksamen Zugriffsregelung unterliegt.

Allerdings ist zu bedenken, dass die entsprechenden bio-metrischen Merkmale in jedem Falle in einem Datenbe-stand gespeichert würden, der nicht der Verfügungsge-walt des Betroffenen unterläge. Im Hinblick auf dasinformationelle Selbstbestimmungsrecht ist es deshalbvorzuziehen, die biometrischen Merkmale des Pass- oderPersonalausweisinhabers lediglich auf dem Dokumentund damit im Verfügungsbereich des Betroffenen selbstzu speichern (ULD-SH 2001, S. 11).

15 In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass auch die Zusam-menfassung von Melde-, Personalausweis- und Passregistern unzu-lässig wäre. Auch wenn diese einzelnen Register organisatorisch beiden Einwohnermeldeämtern ein Register darstellen, so muss diefunktionelle Trennung – gemäß den Vorgaben des Bundesverfas-sungsgerichts – strikt gewährleistet sein.

16 Der Zweck der Verhinderung von „Doppelidentitäten“ durch Ab-gleich biometrischer Daten einer Person mit denjenigen anderer Per-sonen im Sinne einer Identifikation würde dahingegen eine Speiche-rung personenbezogener Daten in Referenzdateien voraussetzen.Dies hat der Gesetzgeber angesichts der Gefahren für das Recht aufinformationelle Selbstbestimmung abgelehnt. Es wäre damit zu rech-nen, dass nicht nur Strafverfolgungsbehörden, sondern auch Unbe-fugte durch unbefugten Zugriff auf die Datenbanken (Hacking) inden Besitz der Daten gelangen. Aus datenschutzrechtlicher Sicht isteine zentrale Datei, die die Referenzdaten aller Bundesbürger um-fasst, auch aus Verhältnismäßigkeitsgründen als unzulässig anzuse-hen (Entschließung der Konferenz der Datenschutzbeauftragten2002).

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53 – Drucksache 15/4000

1.2.7 Rechte der BetroffenenRechte der Betroffenen und insbesondere das Recht aufAuskunft über ihre Daten sind zentraler Bestandteil desDatenschutzrechts. Den von der Datenverarbeitung Be-troffenen muss eine größtmögliche Information über dieihn betreffende staatliche Datenverarbeitung gebotenwerden. Im Hinblick auf dieses Transparenzgebot istzwar fraglich, ob die Zulassung der Verschlüsselung derDaten des Betroffenen auf dem Pass oder Personalaus-weis diesem Gebot nicht entgegensteht, da der Betroffeneim Falle der Verschlüsselung gerade nicht sehen kann,welche Daten über ihn gespeichert sind. Da der Gesetzge-ber den Betroffenen in § 16 Abs. 6 PassG und § 3 Abs. 5PAuswG jedoch ausdrücklich ein Auskunftsrecht (unddamit Kontroll-, Abwehr- und Gestaltungsrechte) einge-räumt hat, ist dem Transparenzgebot Genüge getan.

2. Biometrie in Ausweisdokumenten für Ausländer

Analog zu den Ausführungen über Ausweisdokumentefür Bundesbürger werden nachfolgend zunächst die Re-gelungen für Ausweisdokumente für Ausländer vorge-stellt und danach die mit dem TBG erfolgten Vorgaben imBlick auf u. U. gegebenen Handlungsbedarf diskutiert(Kapitel V.2.2). Aufgrund dieser Fokussierung werdendie EU-Visa im Folgenden nicht betrachtet (s. hierzuKapitel II.1).

2.1 Regelungen und ZieleWährend das Ausländer- und Asylverfahrensrecht bislangkeine Vorschriften darüber enthielt, in welcher Form Auf-enthaltstitel auszugestalten sind, wurden nunmehr mitdem TBG Regelungen geschaffen, die konkrete Vorgabenenthalten: In die für Ausländer auszustellenden Doku-mente können – wie in die Identifikationspapiere für Bun-desbürger – ebenfalls biometrische Merkmale aufgenom-men werden.

Artikel 11 Terrorismusbekämpfungsgesetz (Änderung des Ausländergesetzes)

In § 5 AuslG werden die Formen, in denen eine Aufent-haltsgenehmigung durch die Ausländerbehörde erteiltwerden kann, geregelt. Hierbei handelt es sich um dieAufenthaltserlaubnis (§§ 15 u. 17), die Aufenthaltsbe-rechtigung (§ 27), die Aufenthaltsbewilligung (§§ 28u. 29) und die Aufenthaltsbefugnis (§ 30). Die Arten derAufenthaltsgenehmigung unterscheiden sich nach Dauerund/oder Zweck des jeweiligen Aufenthalts.

Während das AuslG bisher die Gestaltung von Aufent-haltstiteln nicht regelte, wird nunmehr durch die Ergän-zung des § 5 AuslG ein einheitliches Vordruckmuster fürdie Aufenthaltsgenehmigung vorgesehen, mit dem eineVielzahl identifizierender Merkmale aufgenommen wird.Die Aufenthaltsgenehmigung kann wie bisher als Klebe-etikett in den Pass oder das Passersatzpapier des Aus-länders eingeklebt (§ 5 Abs. 2 AuslG) oder aber alseigenständiges Dokument ausgestellt werden (§ 5 Abs. 3

AuslG). In beiden Fällen kann die Aufenthaltsgenehmi-gung gemäß § 5 Abs. 4 AuslG neben dem Lichtbild undder eigenhändigen Unterschrift weitere biometrischeMerkmale von Fingern oder Händen oder Gesicht des In-habers enthalten. Diese Merkmale dürfen auch in mit Si-cherheitsverfahren verschlüsselter Form in die Aufent-haltsgenehmigung eingebracht werden. In ihrem Inhaltentspricht die Vorschrift insoweit § 4 Abs. 3 PassG bzw.§ 1 Abs. 4 PAuswG.

Die Aufnahme biometrischer Merkmale ist auch für dieunterschiedlichen, nach einheitlichem Muster gestalteten„Ausländerausweise“ vorgesehen. Hierbei handelt es sichum den Ausweisersatz (§ 39 Abs. 1 AuslG), die Dul-dungsbescheinigung (§ 56a AuslG) sowie die Fiktionsbe-scheinigung (§ 69 Abs. 2 AuslG).

Neben der Aufnahme biometrischer Merkmale in die ge-nannten Dokumente sieht § 5 Abs. 2 AuslG vor, dass dieAufenthaltsgenehmigung eine Zone für das automatischeLesen enthält. Diese enthält zahlreiche identifizierendeMerkmale, u. a. Familienname, Geburtsdatum, Ge-schlecht, Staatsangehörigkeit, die alle öffentlichen Stellen„zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben speichern,übermitteln und nutzen“ können (§ 5 Abs. 7 AuslG). DieVorschrift des § 5 Abs. 5 und 7 AuslG wird auch für denAusweisersatz, die Duldungsbescheinigung und die Fik-tionsbescheinigung, die ebenfalls eine Zone für das auto-matische Lesen enthalten können, entsprechend anwend-bar erklärt.

Nach der Gesetzesbegründung ist das Speichern der Da-ten erforderlich, um maschinelle Datenabgleiche durch-führen zu können (Bundesrat 2001, S. 127).

Artikel 12 Terrorismusbekämpfungsgesetz (Änderung des Asylverfahrensgesetzes)

Da § 63 Abs. 2 AsylVfG auf die Geltung des § 56a AuslGverweist, können biometrische Merkmale auch in die Be-scheinigung über die Aufenthaltsgestattung von Asylbe-werbern aufgenommen werden. Die Vordruckmuster undAusstellungsmodalitäten sind vom Bundesministeriumdes Innern durch Rechtsverordnung zu bestimmen.

2.2 Vorgaben für die Umsetzung2.2.1 Ausgestaltung durch eine

RechtsverordnungIm Unterschied zu den Identifikationspapieren für deut-sche Bundesbürger bedarf es als Voraussetzung zurEinbringung von biometrischen Merkmalen in Aufent-haltstitel und Ausweise für Ausländer nicht eines Ausfüh-rungsgesetzes, sondern lediglich einer Rechtsverordnung.Gemäß § 5 Abs. 6 AuslG handelt es sich um eine Rechts-verordnung des Bundesministeriums des Innern, die derZustimmung des Bundesrates bedarf.

– Nach Artikel 80 GG müssen Inhalt, Zweck und Aus-maß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmtwerden (Artikel 80 Abs. 1 Satz 2 GG). Im Hinblickauf die Anforderungen des Artikel 80 Abs. 1 Satz 2

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Drucksache 15/4000 – 54 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

GG ist es zunächst fraglich, ob die Zwecke im AuslGund im AsylVfG ausreichend bestimmt sind, da eineinhaltliche Konkretisierung völlig fehlt.

– Ferner ist der Verzicht auf eine gesetzliche Grundlageproblematisch, da hier Eingriffe in das Recht auf in-formationelle Selbstbestimmung in Rede stehen. Auchwenn solche Einschränkungen nicht in jedem Fall derGrundlage eines formellen Gesetzes bedürfen, müsstedennoch ein sachlicher Grund dargetan werden, dereine unterschiedliche Behandlung von Bundesbürgernund Ausländern rechtfertigt. In der Gesetzesbegrün-dung wird kein Grund für die unterschiedliche Be-handlung von Bundesbürgern und Ausländern ange-führt. Angesichts der gleich lautenden Vorschriftenzur Aufnahme biometrischer Merkmale im Pass- bzw.PAuswG und dem AuslG bzw. AsylVfG ist es mit demGleichheitsgrundsatz nicht zu vereinbaren, für Bun-desbürger ein formelles Gesetz vorzusehen und fürAusländer eine Rechtsverordnung für ausreichend zuerachten (ULD-SH 2003, S. 42).

– Schließlich gilt auch hier die Verpflichtung, dass derGesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichenalle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss.§ 5 Abs. 6 AuslG überlässt die Regelung sämtlicherModalitäten, wie z. B. die Wahl der biometrischenMerkmale, die Aufnahme und die Abspeicherung imRahmen des Erstellungsvorgangs oder das Führen vonReferenzdateien sowie die Nutzung dieser Daten derzu erlassenden Rechtsverordnung. Da mit der Auf-nahme der biometrischen Merkmale sowie ihrer weite-ren Speicherung, Verarbeitung und Nutzung in dasauch für Ausländer geltende Recht auf informationelleSelbstbestimmung eingegriffen wird, ist es mit demvom Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtspre-chung aufgestellten Grundsatz, nach dem alle wesent-lichen Entscheidungen vom Parlament selbst zu regelnsind, nicht vereinbar, die Ausgestaltung der Modalitä-ten der Aufnahme biometrischer Merkmale ohne nä-here Präzisierung und Eingrenzung einer Rechtsver-ordnung zu überlassen (ULD-SH 2003, S. 48).

2.2.2 Nennung biometrischer Merkmale bestimmter Körperbereiche

Hier kann im Wesentlichen auf die vorstehenden Ausfüh-rungen verwiesen werden (Kapitel V.1.2.2). Da die ent-sprechenden Vorschriften im AuslG und im AsylVfGinhaltlich gleich lautend sind, ergibt sich keine grundsätz-lich abweichende Beurteilung.

Gleichwohl eröffnet sich eine weiter gehende Problema-tik. Während das PassG und das PAuswG eine Beschrän-kung des Auslesens der Daten auf die Überprüfung derEchtheit des Dokumentes und die Identitätsprüfung desInhabers vorsehen (Kapitel V.1.2.4), fehlt eine derartigeRegelung im AuslG. Dadurch ist die Nutzung für polizei-liche Zwecke über die generellen gesetzlichen Übermitt-lungsbefugnisse der Ausländerbehörden und die Erhe-

bungsbefugnisse durch Polizeibehörden eröffnet (Kapi-tel V.2.2.4) – z. B. eine Verwendung dieser Daten fürpolizeiliche Spurenabgleiche, z. B. mit an Gläsern hinter-lassenen Fingerabdrücken. Die Praxis der Videoüberwa-chung im öffentlichen Raum ermöglicht auch die Vor-nahme von Musterabgleichen mit anderweitig erfasstenVideobildern (Weichert 2002, S. 425).17

Angesichts dieser Möglichkeiten wäre aus Gründen derVerhältnismäßigkeit und zur Verhinderung einer zweck-widrigen Nutzung besonders darauf zu achten, dass einMerkmal verwendet wird, das keine personenbezogenenZusatzinformationen enthält. Wie bereits oben dargestellt,kann dieses durch den Verzicht auf die Speicherung vonRohdaten erreicht werden.

Hinsichtlich der Problematik der Geeignetheit der biome-trischen Merkmale zur Verifikation über den erforderlichenGültigkeitszeitraum des Passes oder Personalausweises fürBundesbürger lässt sich für „Ausländerausweise“ eineParallele ziehen. So existieren zwar Aufenthaltsgenehmi-gungen für lediglich einen kurzen Gültigkeitszeitraum(z. B. Aufenthaltsbewilligung gemäß § 28 AuslG, die inder Regel längstens für zwei Jahre erteilt wird). AndereAufenthaltsgenehmigungen gelten jedoch auch unbefris-tet (z. B. Aufenthaltsberechtigung gemäß § 27 AuslG).Unter im AuslG näher geregelten Voraussetzungen kanndie jeweilige Aufenthaltsgenehmigung verlängert wer-den.

Es ist daher erforderlich, bei Schaffung der Rechtsverord-nung die Geeignetheit der biometrischen Merkmale zurdauerhaften Verifikation oder Identifikation des Merk-malinhabers sorgfältig zu prüfen und ggf. die Gültigkeits-dauer von Ausländerausweisen anzupassen.

2.2.3 Verschlüsselung

Das zuvor erörterte Problem des Gültigkeitszeitraums derAusweisdokumente stellt sich auch im Blick auf die Ver-schlüsselung. Kryptografische Algorithmen können nurinnerhalb eines bestimmten Zeitraums als sicher gelten.Dieser Tatsache hat der Gesetzgeber z. B. im Signaturge-setz Rechnung getragen, indem er die Gültigkeitsdauervon Zertifikaten beschränkt hat. Dieselbe Vorsicht sollteder Gesetzgeber auch beim Einsatz kryptografischer Ver-fahren zur Verschlüsselung und/oder Signatur biometri-scher Daten in Ausweisen walten lassen. Wenn nur voneiner begrenzten Dauer des sicheren kryptografischenSchutzes biometrischer Daten (sei es durch Verschlüsse-lung oder durch Signaturen) auszugehen ist, wäre dieGültigkeitsdauer der Ausweise an diese Schutzdauer an-zupassen.

17 In der Erprobung beim BKA befinden sich Verfahren, die Gesichts-aufnahmen aus Videoüberwachungskameras biometrisch auswertensollen. Denkbar ist der Einsatz so genannter Watchlists, die – Fahn-dungslisten vergleichbar – Aufnahmen von gesuchten oder zu über-prüfenden Personen enthalten.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 55 – Drucksache 15/4000

2.2.4 Art der Speicherung und sonstigen Verarbeitung und Nutzung von Daten – Verwendungszweck

Neben dem Lichtbild und der eigenhändigen Unterschriftkann die Aufenthaltsgenehmigung weitere biometrischeMerkmale von Fingern oder Händen oder Gesicht, dieauch in mit Sicherheitsverfahren verschlüsselter Form indie Aufenthaltsgenehmigung eingebracht werden können,enthalten (§ 5 Abs. 4 AuslG). In welcher Weise die Auf-nahme dieser Merkmale erfolgen soll, bleibt der noch zuerlassenen Rechtsverordnung überlassen. Die Aufnahmeder Merkmale in die Zone für das automatische Lesen istin § 5 Abs. 5 abschließend beschrieben.

Die in § 5 Abs. 7 AuslG enthaltene Befugnis aller öffent-lichen Stellen zur Speicherung, Übermittlung und Nut-zung der in der Zone für das automatische Lesen enthalte-nen Daten beschränkt sich insoweit auf die in § 5 Abs. 5AuslG genannten Angaben. Biometrische Merkmale wer-den von dieser Befugnis nicht erfasst.

Es erscheinen Bedenken gerechtfertigt, dass die Nutzungbiometrischer Daten in Ausländerausweisen weder gere-gelt ist noch in den Verordnungsermächtigungen (§ 5Abs. 6 AuslG, § 39 Abs. 1 AuslG, § 56a AuslG, § 69Abs. 2 AuslG) als regelungsbedürftig angesehen wird.Würden zukünftig in den entsprechenden Verordnungenlediglich die Ausstellungsmodalitäten für die biometri-schen Daten geregelt, so blieben Nutzungs- und Über-mittlungsbefugnisse ungeregelt.

Unklar ist, in welcher Weise nach dem Willen des Gesetz-gebers die biometrischen Daten auf die Ausweise aufge-bracht werden sollen, wenn diese nicht in der Zone fürdas automatische Lesen enthalten sein dürfen. Da biome-trische Daten ausschließlich automatisch ausgelesen wer-den können, erscheint es konsequent, für diese eine „wei-tere Zone für das automatische Lesen“ aufzunehmen, wasergänzender Regelungen bedarf.

Anders als bei den für die Bundesbürger geltenden Vor-schriften wurde in das AuslG keine Begrenzung der Zwe-cke der Datenverarbeitung und -nutzung aufgenommen.Stattdessen enthält § 5 Abs. 7 AuslG eine pauschale Be-fugnis zur Verarbeitung sämtlicher automatisch lesbarerDaten für sämtliche öffentlichen Stellen, die die Datenzur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben speichern,übermitteln und nutzen können. Nach der Gesetzesbe-gründung ist die Speicherung der Daten „erforderlich, ummaschinelle Datenabgleiche durchführen zu können“(Bundesrat 2001, S. 127).

Zwar sieht die Vorschrift eine Beschränkung auf die Erfor-derlichkeit „zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben“vor, dieser fehlt es jedoch an der verfassungsrechtlich ge-botenen Bestimmtheit. Da auch keine Beschränkung derZwecke im polizeilichen Bereich (Gefahrenabwehr,Strafverfolgung) erfolgt, die Vorschrift für alle öffentli-chen Stellen gilt und der Betroffene nicht erkennen kann,für welche Zwecke seine Daten verarbeitet und genutztwerden sollen, ergibt sich eine immer noch zu weitge-hende Verarbeitungsbefugnis. Weiter ist – wie bei AFIS,wo bzgl. einer großen Gruppe der Ausländerbevölkerung

(Asylsuchende und Bürgerkriegsflüchtlinge gemäß § 41aAuslG, § 16 AsylVfG) eine polizeiliche Nutzung von Fin-gerabdruckdaten zugelassen wird (§ 78 Abs. 3 AuslG,§ 16 Abs. 5 AsylVfG) – durch § 5 Abs. 7 AuslG einepolizeiliche Nutzung von Daten bei unverdächtigen Per-sonen zugelassen.

Die Regelung in § 5 Abs. 7 AuslG enthält schließlich sys-temwidrig im Ausländerrecht eine Befugnisnorm fürsämtliche öffentliche Stellen und steht im inhaltlichenWiderspruch zu bereichsspezifischen Regelungen (z. B.§ 3 AZRG, der keine Ermächtigung zur zentralen Spei-cherung enthält).

Eine Verwendungsregelung für private Stellen ist, da dieAusländerausweise voraussichtlich auch im privaten Be-reich genutzt werden dürften, im Interesse der Gleichbe-handlung und dem Schutz vor Datenmissbrauch durchPrivate erforderlich.

2.2.5 Kein Verbot einer zentralen SpeicherungAnders als bei den für Bundesbürger geltenden Regelun-gen ist im AuslG oder AsylVfG eine Pflicht zur dezen-tralen Speicherung von biometrischen Daten nicht statu-iert. Es ist daher nicht gesetzlich ausdrücklichausgeschlossen, zentrale Referenzdateien für die biome-trischen Merkmale von Ausländern und Asylbewerbern,z. B. beim Bundesverwaltungsamt, einem künftigenBundesamt für Migration und Flüchtlinge, der Bundes-druckerei oder auch dezentrale Referenzdateien bei dendie Dokumente ausstellenden Ausländerbehörden, einzu-richten.18 Da in jedem Fall in den Unterlagen der jeweilszuständigen Ausländerbehörden ein Verweis auf die Aus-weiserstellung vorgenommen werden müsste, wärendiese Daten über das Ausländerzentralregister (AZR)zentral erschlossen (DVD 2001).

Gemäß § 3 Nr. 1 AZRG ist im AZR die meldende Stelleund deren Geschäftszeichen zu speichern. Die Vorschriftenthält dagegen keine Ermächtigung zur Speicherungbiometrischer Daten.

Durch eine zentrale Speicherung von derartigen Auslän-derdaten würde eine zweckändernde Nutzung dieserDaten erheblich erleichtert. Für die Durchführung vonDatenabgleichen genügte das Vorliegen eines entsprech-enden biometrischen Referenzmusters für eine Zu-ordnung der biometrischen Datensätze. Eine Nutzung derbiometrischen Ausländerdaten für andere Zwecke istnach der derzeitigen Rechtslage nicht eingeschränkt,sondern für öffentliche Stellen ausdrücklich auf jedengesetzmäßigen Zweck und jede Form der Datenverarbei-tung ausgeweitet (§ 5 Abs. 7 AuslG). Eine Nutzung durchPrivate ist ebenfalls nicht ausdrücklich ausgeschlossen.Durch die erleichterte Abgleichsmöglichkeit und das Feh-len von spezifischen Zweckbindungsregelungen würdebei einer zentralen Speicherung von biometrischenMerkmalen von Ausländern eine nicht gerechtfertigte

18 Einer zentralen Speicherung der biometrischen Ausweisdaten beimBundeskriminalamt (BKA) steht entgegen, dass eine solche Daten-verarbeitung nicht zu den Aufgaben dieser Behörde gehört.

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Drucksache 15/4000 – 56 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Ungleichbehandlung gegenüber deutschen Staatsange-hörigen erfolgen.19

Eine Ungleichbehandlung wäre allenfalls sachlich be-gründbar, wenn mit dem Ausländerzentralregister auslän-der- und asylrechtliche Zwecke verfolgt werden, die z. B.am aufenthaltsrechtlichen Status eines Ausländersanknüpfen, oder wenn vom Aufenthaltsrecht des Auslän-ders Entscheidungen anderer öffentlicher Stellen abhän-gen (z. B. Erwerbstätigkeit, Arbeitsaufnahme, Sozialleis-tungen). Zu den aufenthaltsrechtlichen Zwecken gehörenaber gerade nicht die Zwecke der Gefahrenabwehr undStrafverfolgung. Mit der Vorschrift des § 5 Abs. 7 AuslG,die erlaubt, dass „öffentliche Stellen die in der Zone fürdas automatische Lesen enthaltenen Daten zur Erfüllungihrer gesetzlichen Aufgaben speichern, übermitteln undnutzen“ können, wird also über die ausschließlich aufent-haltsrechtlichen Zwecke hinausgegangen. Diese weiteZweckänderung kann eine Ungleichbehandlung vonDeutschen und Ausländern jedoch nicht rechtfertigen(ULD-SH 2003, S. 60).

Eine zentrale Speicherung biometrischer Daten von Aus-ländern in allen öffentlichen Stellen stellte aus den glei-chen Gründen eine sachlich nicht gerechtfertigte Un-gleichbehandlung dar, da die biometrischen Merkmalegerade nicht für aufenthaltsrechtliche Maßnahmen erfor-derlich sind. Hierfür reichen vielmehr die bereits im AZRgespeicherten Daten aus.

Im Hinblick auf das Grundrecht auf informationelleSelbstbestimmung wäre eine Speicherung der biometri-schen Merkmale außerhalb des Ausweisdokumentes al-lenfalls bei einer dezentralen oder zentralen Ausländerbe-hörde vorstellbar, wobei jedoch eine ausschließlicheBindung an die Zwecke der Datensicherung gesetzlichvorgesehen werden müsste (vgl. § 14 Abs. 4 BDSG).

2.2.6 Rechte der BetroffenenAbweichend von der Rechtslage für Bundesbürger wurdeAusländern ein gesetzlicher Auskunftsanspruch über denInhalt der verschlüsselten Merkmale und Angaben nichteingeräumt. Dies ist deshalb kritisch zu beurteilen, daauch Ausländern ein verfassungsrechtlich begründeterund über das allgemeine Datenschutzrecht normativ zu-gesicherter Auskunftsanspruch zusteht (§ 19 BDSG).Gesetzmäßige Gründe zum Ausschluss des Auskunftsan-spruchs können bezüglich der auf den Ausweisdokumen-ten gespeicherten verschlüsselten Daten nicht zumTragen kommen (§ 19 Abs. 4 BDSG). Die Auskunftser-teilung bedingt nicht eine Offenlegung des (geheimen)Schlüssels an den Betroffenen. Auch sonstige Gründe,z. B. solche der öffentlichen Sicherheit, begründen keineNotwendigkeit der Geheimhaltung (ULD-SH 2003,S. 77).

3. Fazit

Im Datenschutzrecht gilt ein aus dem Grundrecht auf in-formationelle Selbstbestimmung hergeleiteter strengerZweckbindungsgrundsatz. Hinsichtlich der Bundesbürgerhat der Gesetzgeber geregelt, dass die biometrischenMerkmale nur zur Überprüfung der Echtheit des Doku-mentes und zur Identitätsprüfung ausgelesen und verwen-det werden dürfen. Hiermit ist dem Zweckbindungs-grundsatz ausreichend Rechnung getragen. Anders ist derBereich der Ausländerausweise zu beurteilen. Die pau-schale Verarbeitungsbefugnis in § 5 Abs. 7 AuslG unddas Fehlen einer Regelung der Verwendungszwecke bio-metrischer Daten – bzw. schon eines Hinweises auf Rege-lungsbedürftigkeit – sind mit den verfassungsrechtlichenVorgaben zur Zweckbindung und mit dem Bestimmt-heitsgebot nicht in Einklang zu bringen.

Der Gesetzgeber hat ausdrücklich als in Betracht kom-mende biometrische Merkmale solche von Fingern oderHänden oder Gesicht genannt. Hieraus ließe sich plausi-bel folgern, dass nicht nur andere, sondern auch die Kom-bination mehrerer Merkmale ausgeschlossen sind. Folgtman dem, wäre hierdurch nach heutigem technischemKenntnisstand u. U. die Leistungsfähigkeit biometrischerSysteme nicht auszuschöpfen.

Hinsichtlich der Auswahl der einzelnen in Betracht kom-menden biometrischen Merkmale ist zu berücksichtigen,dass bei der Anwendung biometrischer Verfahren beson-ders schützenswerte Zusatzinformationen anfallen kön-nen. Unter dem Gesichtpunkt der Verhältnismäßigkeit istes notwendig, die mit der Aufnahme der biometrischenMerkmale verbundenen Nebenwirkungen zu begrenzen.In Betracht kommt vor allem ein Verzicht auf die Spei-cherung von Rohdaten.

Die vom Gesetzgeber – ohne nähere Vorgaben – geschaf-fene Befugnis, die Merkmale und Angaben auch in ver-schlüsselter Form in das jeweilige Dokument zu integrie-ren, macht eine genaue Regelung der Frage erforderlich,in welcher Weise eine Verschlüsselung vorzunehmen istbzw. die biometrischen Daten mit einer elektronischen Si-gnatur zu signieren sind. Außerdem ist zu bestimmen,welche Stelle(n) die Verschlüsselung vornehmen bzw. dieSignatur erzeugen soll(en). Angesichts der hierfür erfor-derlichen Sicherheitsumgebung erscheint eine zentraleErstellung der Dokumente vorzugswürdig.

Eine Speicherung der Daten in einem zentralen Registerist für Bundesbürger zurzeit gesetzlich ausgeschlossen.Eine Speicherung auf dem Ausweisdokument würde ge-nügen, um den gesetzlichen Zweck zu erreichen. Die Ein-richtung zentraler Referenzdateien für Ausländer ist nichtgesetzlich ausgeschlossen. Eine solche zentrale Daten-speicherung wäre jedoch aus Gründen der Ungleichbe-handlung im Sinne des Artikel 3 GG und des Prinzips derVerhältnismäßigkeit problematisch. Auch eine dezentraleSpeicherung der Daten in einem Register würde die Ver-wendung zu strafrechtlichen Ermittlungszwecken oderzur Rasterfahndung ermöglichen. Da die Speicherungbiometrischer Merkmale in einem Datenbestand, dernicht der alleinigen Verfügungsgewalt des Betroffenen

19 Das Grundgesetz enthält zwar eine Privilegierung von Deutschen inBezug auf bestimmte Grundrechte (Artikel 8 Abs. 1, 9 Abs. 1, 11Abs. 1, 12 Abs. 1, 16 Abs. 1 u. 2 Satz 1 GG), jedoch gilt dieses nichtfür das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Artikel 2Abs. 1 i. V. m. Artikel 1 Abs. 1 GG. Hierbei handelt es sich um ein sogenanntes Jedermann-Grundrecht, das in gleicher Weise für Nicht-deutsche gilt (ULD-SH 2003).

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unterliegt, die Gefahr einer (unzulässigen) Zweckent-fremdung birgt, ist auch die Speicherung in dezentralenRegistern rechtlich problematisch. Ungeklärt ist bisher, inwelchem Verhältnis AFIS, das auch dem Zweck der Iden-tifizierung von Ausländern dient, und der Einsatz vonBiometrie auf Ausländerausweisen mit genau demselbenZweck stehen.

Für die Speicherung der biometrischen Merkmale vonAusländern wäre im Lichte des Grundrechts auf informa-tionelle Selbstbestimmung eine Speicherung außerhalbdes Ausweisdokumentes bei einer dezentralen oder zen-tralen Ausländerbehörde vertretbar.

Die vorstehenden Überlegungen verweisen auf einen sehrdifferenzierten Handlungsbedarf für den Gesetz- und Ver-ordnungsgeber. Dieser ist wesentlicher Bestandteil einesinsgesamt sich ergebenden Informations-, Diskussions-und Handlungsbedarf, der im folgenden Kapitel VI ange-sprochen wird.

VI. AusblickDer Entwicklungspfad biometrischer Identifikationssys-teme bei Ausweisanwendungen ist zunehmend schmalergeworden: Die Zahl politischer und technischer Optionenfür unterschiedliche Einsatzszenarien hat sich ebenso re-duziert wie der nationale Gestaltungsspielraum. Gleich-wohl besteht weiterer Bedarf an Information, Diskussionund Entscheidung: Auf der politischen Agenda stehen diegesetzgeberische Ausgestaltung der bislang im TBGgrundsätzlich eröffneten Einsatzmöglichkeiten sowie Pla-nungs- und Abstimmungsaktivitäten auf nationaler undinternationaler Ebene. Schließlich wäre die Aufgabe inAngriff zu nehmen, einen öffentlichen Diskurs anzu-stoßen und aktiv mitzugestalten, der auch über die inte-ressierten Kreise und die Gruppen der Experten hinaus-geht.

Auf Gesetzes- und Verordnungsebene sind wichtigeAspekte der Umsetzung der bislang getroffenen gesetz-lichen Regelungen zu klären. Die Vorentscheidungen desGesetzgebers werden dabei wahrscheinlich neu zu disku-tieren sein. Hier ist vor allem der Umstand zu nennen,dass für die Regelung der Aufenthaltstitel für Ausländereine präzise Zwecksetzung für die Nutzung biometrischerDaten bislang nicht erfolgt ist. Eine wohl definierteZweckbindung würde aber datenschutzrechtliche Beden-ken ausräumen und die durch den Gesetz- und Verord-nungsgeber verfolgten Ziele transparent machen.

Zu klären wäre weiter, ob die vorgenommene Beschrän-kung der in Betracht kommenden biometrischen Merk-male auf solche von Fingern oder Händen oder Gesichtzukünftig noch Bestand haben sollte oder ob nicht auchdie Kombination mehrerer Merkmale bzw. Systemerechtlich eröffnet werden soll. Damit könnte u. U. dieLeistungsfähigkeit biometrischer Systeme besser ausge-schöpft werden.

Angesichts der Schutzwürdigkeit biometrischer Daten alspersonenbezogene Daten ist es notwendig, die mit ihrerAufnahme möglicherweise verbundenen problematischenFolgen zu begrenzen. Dementsprechend sollte vor allem

auf die Speicherung von Rohdaten verzichtet und demPrinzip der Datensparsamkeit Geltung verschafft werden.Es ist weiter genau zu regeln, in welcher Weise die Ver-schlüsselung der Daten vorzunehmen ist bzw. wie diebiometrischen Daten mit einer elektronischen Signatur zusignieren sind.

Eine Speicherung der Daten in einem zentralen Registerist für Bundesbürger zurzeit gesetzlich ausgeschlossen.Eine Speicherung auf dem Ausweisdokument würde ge-nügen, um den vorgesehenen gesetzlichen Zweck zu er-reichen. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass bei einerDiskussion um eine Zweckänderung oder -erweiterungauch ein zentrales Register wieder zu erörtern ist.

Die Einrichtung zentraler Referenzdateien für Ausländerist gesetzlich nicht ausgeschlossen. Eine solche zentraleDatenspeicherung wäre jedoch aus Sicht des Datenschut-zes äußerst problematisch. Dies gilt grundsätzlich auchfür die Speicherung in dezentralen Registern, da die Spei-cherung biometrischer Merkmale in einem Datenbestand,der nicht der alleinigen Verfügungsgewalt des Betroffe-nen unterliegt, die Gefahr einer Zweckentfremdung mitsich bringt. Geklärt werden sollte, in welchem VerhältnisAFIS, das auch einer Identifizierung von Ausländerndient, und der Einsatz von Biometrie auf Ausländeraus-weisen mit dem gleichen Zweck stehen.

Für die Speicherung der biometrischen Merkmale vonAusländern wäre im Lichte des Grundrechts auf informa-tionelle Selbstbestimmung eine Speicherung außerhalbdes Ausweisdokumentes bei einer dezentralen oder zen-tralen Ausländerbehörde vertretbar.

Politischer Diskussions- und Handlungsbedarf ergibt sichauch daraus, dass umfassende Implementierungsschritteauf allen Ebenen zu planen und in ihren Konsequenzenzu durchdenken sind – von der Ausstellungs- bis zurKontrollebene. Da eine sicherheitspolitische Insellösungkaum Sinn macht und in weiten Teilen auch rechtlichnicht möglich ist, sind weitere Abstimmungsprozesse aufEU-Ebene und letztlich weltweit erforderlich, will manmehr Sicherheit erreichen und zugleich weder den globa-len Reiseverkehr unangemessen beeinträchtigen noch Be-lange des Datenschutzes und das Recht auf informatio-nelle Selbstbestimmung verletzen. Von Bedeutung dürfteauch die Präsenz deutscher Vertreter in den Gremien derICAO und der EU sein, um dort eigene Beiträge einzu-bringen und nationale Interessen zu vertreten.

Die politischen, finanziellen und organisatorischen Kon-sequenzen einer Einführung und Nutzung biometrischerIdentifikationssysteme auf allen Ebenen sowie möglicheKonflikte, z. B. zwischen den Zielen Sicherheit undSchutz der Privatsphäre, sind erst in Ansätzen durch-dacht. Hier wären umfassende Folgenanalysen ange-bracht, die Fingerzeige für eine politische und daten-schutzrechtliche Gestaltung der bereits jetzt eingetretenenEntwicklungsdynamik liefern.

Der politische Diskurs, verstanden als eine offene Kom-munikation mit der allgemeinen Öffentlichkeit und Re-präsentanten gesellschaftlicher Gruppen, ist bislang kaum

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entwickelt. Politische, rechtliche und technisch-organisato-rische Vorentscheidungen fallen, ohne dass Ziele und In-strumente sowie Nutzen und Kosten der zukünftigen Nut-zung von Biometrie im öffentlichen Bereich durch aktivepolitische Kommunikation umfassend vermittelt werden.

Ein so umfangreiches und komplexes Vorhaben wie diebiometrische Vermessung aller Bundesbürger sowie vonMillionen von ausländischen Bürgern, die nach Europaeinreisen oder Asyl suchen, legt es aber nahe, auch dieFrage der Akzeptanz anzugehen. Zu den Bemühungenum technische Praktikabilität sollten deshalb solche umgesellschaftliche Akzeptabilität treten. Zahlreiche Fragen,zu denen im bisherigen politischen Diskurs nur wenigeindeutige Antworten zu finden waren, müssten hier an-gesprochen werden. Dazu zählen vor allem die Ebene po-litischer Ziele und Teilziele: Die bisherige Zielführungder Biometrie bei Ausweisdokumenten für Bundesbürgerist durch den Gesetzgeber zwar definiert: Es soll die Ein-reise solcher Personen erschwert werden, die sich mitgefälschten oder Papieren anderer Personen legitimierenwollen. Im Rahmen dieser Zielsetzung kann aber keinessenzieller Beitrag zur Terrorismusbekämpfung geleistetwerden – wie dies hin und wieder anklingt. Mehr Klarheitund größere Differenziertheit hätte deshalb die Erörte-rung der Frage verdient, welche Beiträge zu welchen Zie-len mit welchen biometrischen Dokumenten erbrachtwerden können und sollen.

Auch die Zielsetzung einer biometrischen Ausrüstungund Nutzung von Aufenthaltstiteln und Ausweisdoku-menten für Ausländer ist noch zu unklar. AllgemeineHinweise auf die Bekämpfung des Terrorismus oderMissbräuche von Visa und Aufenthaltstiteln sollten diffe-renzierter vermittelt werden. Es müsste aber auch klarausgesprochen werden, welche Vorstellung und Konzepteder Nutzung biometrischer Technologien zugrunde liegenund warum es legitim sein könnte, begrenzte Eingriffe inRechte von Betroffenen vorzunehmen.

Im Lichte dieser Diskussion wäre des Weiteren – unterBezugnahme auf gewünschte Ziele – die Eignung techni-scher Lösungen und die Vertretbarkeit unterschiedlicherKostenvolumina vergleichend zu diskutieren: WelcherBeitrag zu welcher Sicherheit ist erwünscht, und wie vielist er uns wert?

Dabei käme es insbesondere darauf an, offen die Grenzenaller Lösungsmodelle zu diskutieren, also insbesondereklar zu machen, dass Biometrie nur einen begrenztenZielbeitrag zu mehr Sicherheit leisten kann. Biometrie istein technischer Ansatz von Prävention und Kontrolle undsomit nur ein – wenngleich wesentliches – Element einerübergreifenden Strategie.

Ferner sollte auch das Spannungsfeld zwischen dem ZielSicherheit einerseits sowie den Zielen Schutz der Privat-

sphäre und Begrenzung des Missbrauchspotenzials an-dererseits verdeutlicht werden. Konflikte zwischen ver-schiedenen Zielen und Möglichkeiten, diese durchtechnische und rechtliche Maßnahmen zu reduzieren,sollten offen diskutiert werden.

Letztlich wäre die Meinungsbildung und Entscheidungs-findung auch um Fragen und Ziele der Innovationspolitikanzureichern: Gemeinsam mit Entwicklern und Anbieternkönnten Strategien entwickelt werden, die auf einen tech-nologischen Sprung vom bisherigen Dokumentenkonzeptzu einer Smartcard-basierten Lösung zielen. Hierzu istein Blick auf internationale Entwicklungen hilfreich, derzeigt, wie mit einem solchen Konzept mehrere Funk-tionen zugleich realisierbar wären – wie z. B. die konven-tionelle Authentifikation und die Nutzung bei Rechts-geschäften im Internet.

So sind Smartcard-basierte Ausweisdokumente im außer-europäischen Ausland bereits in einigen Ländern umge-setzt worden. Doch auch in Europa gehen Länder mit derEinführung einer so genannten eID-Karte den Weg hin zuelektronischen, Chipkarten-basierten Lösungen. Bei-spielsweise sind Finnland, Italien, Belgien, Estland unddie Schweiz hier bereits aktiv geworden. Hieraus entstehtfür Deutschland Handlungsbedarf verbunden mit derMöglichkeit, von der Vorreiterrolle anderer europäischerLänder zu profitieren. Für deutsche Unternehmen, die iminternationalen Wettbewerb grundsätzlich gut positioniertsind, könnte ein solches technisch-gesellschaftliches In-novationsprojekt die Perspektive eröffnen, mit eigenenProdukten und Dienstleistungen Wettbewerbsvorteile zuerzielen (B & L 2003).

Als Beispiel für eine Möglichkeit, einen „öffentlichenDiskurs“ zu den genannten Themenaspekten zu gestalten,soll das Verfahren der „öffentlichen Konsultation“ (con-sultation exercice) genannt werden, das in Großbritannienzur dort geplanten „National IDCard“ über einen Zeit-raum von etwa sieben Monaten durchgeführt wurde. Da-bei wurden – auf der Basis eines „consultation papers“der Regierung – Interessenvertreter (stakeholders) umIhre Meinung und konstruktive Lösungsvorschläge gebe-ten. Mittels Befragungen und Fokusgruppen wurden dieMeinungen und Einstellungen der Bevölkerung erhoben.Das Gesamtergebnis wurde publiziert und zur Diskussiongestellt, um eine bessere Basis für politische Entschei-dungen zu haben.

Ein Verfahren wie dieses könnte auch hierzulande geeig-net sein, den allgemeinen Informationsstand zu verbes-sern und ein Bewusstsein für die Bedeutung der Dynamikder gesellschaftlich-technischen Entwicklung zu schaf-fen, die mit der zukünftig intensiven Nutzung der Biome-trie verbunden sein dürfte.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 59 – Drucksache 15/4000

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3. Ausgewählte http-Adressenhttp://csrc.nist.gov/cc/

http://dip.bundestag.de/btd/14/073/1407386.pdf

http://europa.eu.int

http://travel.state.gov/bcc.html

http://wg8.de/

http://www.bfd.bund.de

http://www.biometricgroup.com

http://www.biotrust.de/

http://www.bmi.bund.de

http://www.bsi.de

http://www.cesg.gov.uk

http://www.datenschutz.de

http://www.datenschutzzentrum.de

http://www.dhs.gov

http://www.eubiometricforum.com

http://www.face.co.za

http://www.frvt2002.org

http://www.g7.utoronto.ca/

http://www.gao.gov

http://www.homeoffice.gov.uk

http://www.ibgweb.com

http://www.icao.int

http://www.igd.fhg.de

http://www.ilo.org

http://www.legco.gov.hk

http://www.nist.gov

http://www.portfoliopr.com

http://www.senate.gov/

http://www.teletrust.de

http://www.vzbv.de/go/

http://www.whitehouse.gov/homeland/index.html

http://www.wordsun.com

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Drucksache 15/4000 – 62 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Anhang

1. Kostenmodelle für verschiedene Alter-nativen (Auszug aus: Booz Allen Hamilton et al. 2003, S. 126 bis 154, geringfügig gekürzt)

1.1 Handlungsalternativen und Bewertungsdimensionen

Vor der in den vorhergehenden Kapiteln beschriebenenAusgangslage sollen im Folgenden Handlungsalternati-ven abgeleitet und bewertet werden. Der Detailgrad derDarstellung und Bewertung der Handlungsalternativenorientiert sich an dem Mehrwert, den dieses Gutachtenzum jetzigen Zeitpunkt zu der Diskussion um die mögli-che Einführung von biometrischen Merkmalen in Aus-weispapiere beitragen kann. In diesem Sinne werdenneben einer „Basisalternative“ drei grundsätzlich unter-schiedliche Möglichkeiten zur Aufnahme von biometri-schen Merkmalen in die Ausweisdokumente analysiert.Eine Detaillierung der einzelnen Prozesse, die mit deneinzelnen Handlungsalternativen verbunden werdenkönnten, ist hingegen nicht Gegenstand der folgendenAusführungen.

Aus den rechtlichen Grundlagen, der technischen Ana-lyse und den in dieser Studie betrachteten potenziellenAnwendungsgebieten unterscheiden wir die folgendenHandlungsalternativen:

– „Abwarten und Beobachten: Keine Biometrieanwendung“ (Alternative A0)

– „Biometrische Nutzung heutiger Ausweise“ (Alternative A1)

– „Biometrische Ausrüstung der Ausweise“ (Alternative A2)

– „Neue Ausweisgeneration“ (Alternative A3)

Handlungsalternative A2 wird dabei in Folge in zwei Va-rianten diskutiert:

– Variante A2a „Biometrische Ausrüstung durch Neu-erfassung der biometrischen Merkmale in den Melde-behörden“: Neben den Veränderungen in der Ausweis-produktion wird der Beantragungsprozess in denMeldebehörden um den Prozess der Merkmalserfas-sung und -verarbeitung (Templategenerierung) erwei-tert. Es erfolgt also eine dezentrale Merkmalserfas-sung und Templategenerierung.

– Variante A2b „Biometrische Ausrüstung unter Nut-zung bestehender Prozesse“: Der Beantragungspro-zess bleibt unverändert, die biometrischen Merkmalewerden lokal als Rohdaten (z. B. Foto) in den Melde-stellen bzw. Bürgerbüros gesammelt und zur Weiter-verarbeitung an die zentrale Produktionsstätte weiter-geleitet. Die Veränderungen beschränken sich also aufdie Ausweisproduktion, die Templategenerierung er-folgt an zentraler Stelle in der Produktionsstätte.

A b b i l d u n g 18

Ableitung von Handlungsalternativen

Quelle: Booz Allen Hamilton et al. 2003

--

Analyse

Grundsätzlich

sinnvolle

Einsatz-

möglichkeiten

„Keine Biometrie-

anwendung“

(Alternative A0)

„Biometrische Nutzung

heutiger Ausweise“

(Alternative A1)

„Biometrische Ausrüstung

der Ausweise“

(Alternative A2)

„Neue Ausweis-

generation“

(Alternative A3)

Kriterien

(Grobeinschätzung Machbarkeit)

Technologischer

Entwicklungsstand

Internationale Abstimmung

Nutzerakzeptanz

Handlungsalternativen

(Darstellung, Bewertung)

Weitere Alternativen

Technik Biometrische Verfahren

(Leistungsfähigkeit i.e.S.) Ausweissysteme

...

Gesetzliche Grundlagen

Terrorismusbekämpfungsgesetz

Ausweisgesetze Internationale Abstimmung ...

Potenzielle Anwendungsgebiete

Hoheitliche Aufgaben Aktuelle Planungsansätze und Anwendungen in der Wirtschaft ...

X

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 63 – Drucksache 15/4000

Die vier Handlungsalternativen werden entlang mehrererDimensionen analysiert und bewertet, die aus unsererSicht die zentralen Kriterien beinhalten, nach denen einemögliche Entscheidungsfindung stattfinden sollte:

– Zielsetzung

– Technischer Ansatz

– Potenzieller Nutzen

– Rechtliche Rahmenbedingungen

– Kosten und Risiken

– Implementierung

Neben der zentralen Bedeutung der Zielsetzung werdendie Unterschiede hinsichtlich der technischen Realisie-rung dargestellt. Wesentlicher Faktor ist – aus Praktikabi-litätsgründen – die äußere Form des Ausweises und diedamit verbundenen technischen Möglichkeiten und Limi-tationen. Der mögliche Nutzen, der sich aus den Hand-lungsalternativen ergeben kann, umfasst u. a. den Beitragder neuen Technologie zur öffentlichen Sicherheit undEffizienzsteigerungen in ausgewählten Anwendungsge-bieten. Eine differenzierte Bewertung des Beitrags zurSicherheit ist dabei prinzipiell schwierig. Dieses Gutach-ten versucht daher, primär die Unterschiede zwischen denHandlungsalternativen darzustellen – im Gegensatz zu ei-ner abschließenden absoluten Bewertung des „Sicher-heitsgewinns“. Die rechtlichen Rahmenbedingungenwurden bereits diskutiert; die für die jeweiligen Hand-lungsalternativen relevanten Punkte werden in den fol-genden Abschnitten zusammengefasst und kommentiert.Soweit es die zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlos-sene Definition der Anforderungen an die möglichen Sys-teme erlaubt, werden über ein einheitliches Kostenmodellerste – sehr grobe und vorläufige – Abschätzungen mitBandbreiten für den Finanzbedarf der einzelnen Hand-lungsalternativen aufgezeigt. Abschließend wird zu jederder Handlungsalternativen ein Ausblick auf die möglicheImplementierung gegeben, wie z. B. die Notwendigkeit,Pilotprojekte durchzuführen.

1.2 KostenmodellUm einen konsistenten Vergleich der Kosten für die ein-zelnen Handlungsalternativen zu ermöglichen, werden imFolgenden die Kosten getrennt nach

– Ausstellungsebene,

– Produktionsebene und

– Kontrollebene

betrachtet. Die folgenden Kostenabschätzungen beinhal-ten jeweils nur die Mehrkosten im Vergleich zu den heuteexistierenden Ausweissystemen. Wenn also z. B. vonKosten für Dokumente mit biometrischen Merkmalen ge-sprochen wird, dann sind grundsätzlich die Mehrkostengegenüber den heutigen Ausweisen gemeint. Dabei wirdprinzipiell zwischen einmaligen und laufenden Kostenunterschieden, um ein möglichst umfassendes Bild dergesamten Kosten zu zeichnen. Einmalige Kosten entste-hen im Zusammenhang mit der Planung, dem Design und

der Einführung eines biometrischen Systems, währendlaufende Kosten aus dem kontinuierlichen Betrieb undder regelmäßigen Wartung und Instandsetzung des Sys-tems folgen. Grundsätzlich werden in diesem Kostenmo-dell nicht die möglichen Zuständigkeiten seitens der öf-fentlichen Hand diskutiert, die mögliche Verteilung derAufwände ist auch nicht Gegenstand der Analyse. In die-sem Sinne werden auch keine weiteren Annahmen übereine mögliche Beteiligung der Industrie in der Form vonInvestments, z. B. für Pilotprojekte, gemacht.

Annahmen (handlungsalternativenübergreifend)– Für die dezentralen Meldestellen zur Beantragung von

Personalausweisen und Reisepässen wird – im Bun-desdurchschnitt – von jeweils einem Arbeitsplatz pro7 500 Einwohner ausgegangen. Bei der Abschätzungder Kosten, die sich im Zusammenhang mit der Ein-führung biometrischer Systeme ergeben, wird hin-sichtlich der Meldestellen (ca. 6 500 bundesweit) nichtzwischen den unterschiedlichen Größen der Ämter un-terschieden, sondern es werden grundsätzlich Mittel-werte angenommen.

– Laufende Kosten für die Wartung von Hardware undSoftware werden pauschal mit 20 Prozent der An-schaffungskosten p. a. angesetzt. Dabei wird – alserste Näherung – nicht zwischen den verschiedenenmöglichen Technologien und eventuell unterschiedli-chem Wartungsaufwand unterschieden. Dieser Ansatzberücksichtigt, dass die Wartungskosten für ein Sys-tem, das z. T. auf neuen Technologien aufbaut, erfah-rungsgemäß höher liegen als z. B. bei Standard-IT-Lö-sungen.

– Für Schulungskosten im Rahmen des Enrollmentsoder der Personenkontrolle, z. B. für die Nutzung vonneuen Geräten oder die Umstellung von Arbeitsabläu-fen, wird ein (mittlerer) Tagessatz von 400 Euro ange-setzt.

– Für die Grenzkontrollen an deutschen Flughäfen wer-den im Folgenden nur die Großflughäfen Frankfurt amMain, München, Düsseldorf, Hamburg, Hannover,Berlin/Tegel und Berlin/Schönefeld betrachtet, überdie zusammen 87 Prozent des Fluggastaufkommensim Extra-EU-Verkehr abgewickelt werden (Amt füramtliche Veröffentlichungen der Europäischen Ge-meinschaften). Die Anzahl der Stationen, an denen andiesen Flughäfen internationale Fluggäste mittels bio-metrischer Systeme kontrolliert werden, hängt von der– eventuell noch abzuändernden – Gestaltung derRäumlichkeiten vor Ort ab und wird hier mit 200 ab-geschätzt.

– Bei der Ausrüstung von Grenzübergängen an Land-grenzen wird von 18 Übergängen zu Polen und zurTschechischen Republik ausgegangen. Im Schnittwird jeder Übergang mit ca. drei Erkennungsgerätenausgestattet werden, um z. B. PKW- und LKW-Kon-trollen effizient abwickeln zu können. Neben denLandgrenzen wird auch der Einsatz von biometrischenErkennungssystemen an deutschen Seehäfen ange-nommen. Insbesondere für Seehäfen mit intensiverem

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Drucksache 15/4000 – 64 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

internationalem Personenverkehr müssten jeweilsmehrere Kontrollpunkte eingerichtet werden. Insge-samt wird für die Abschätzung der Mengengerüsteund Kosten der einzelnen Handlungsalternativen von200 Kontrollpunkten an Landgrenzen und Seehäfenausgegangen.

– Für die unter Alternativen A2a und A3 diskutiertenHandlungsalternativen, die eine Erfassung der biomet-rischen Daten in den Meldestellen beinhalten, wird an-genommen, dass zur fortlaufenden Administration undzur Betreuung der Hard- und Software der Endgeräteim Durchschnitt mit einem zusätzlichen Personalauf-wand von ca. 0,5 FTE (Full Time Equivalent) proMeldestelle zu rechnen ist.

– Identifikationssysteme, die auf Basis von biometri-schen Merkmalen, z. B. bei Fahndungstätigkeiten, ein-gesetzt werden könnten, werden nicht betrachtet unddamit verbundene Kosten bleiben im Folgenden unbe-rücksichtigt.

– Kosten für eine mögliche Public-Key-Infrastruktur,die ggf. im Zuge der Einführung von biometrischenMerkmalen in Ausweissystemen aufgebaut wird, wer-den nicht betrachtet, da dieser Aufwand nicht direktdem biometrischen System zugeordnet werden kann.

– Der zusätzliche Bedarf an Arbeitsfläche beim Enroll-ment und der Platzbedarf der biometrischen Systemebei Grenzkontrollen werden hier nicht explizit berück-sichtigt, sondern fließen indirekt über die angesetztenjährlichen Betriebs- und Wartungskosten in die Rech-nung ein. In Abhängigkeit von spezifischen Lösungs-vorschlägen, z. B. für die Grenzkontrolle an Land-grenzen, sollte dieser Punkt in eine spätere,detailliertere Kostenkalkulation mit einbezogen wer-den.

– Anträge inklusive der Passfotos werden zurzeit dezen-tral in den Meldestellen verwaltet und verwahrt, um sonach Aushändigung des fertigen Ausweisdokumentesden Ausgabeprozess amtlich nachweisen zu können.Unter der Annahme, dass diese gängige Praxis derdezentralen Aufbewahrung der Ausweisdaten beibe-halten wird, müssten zukünftig auch die jeweiligenbiometrischen Referenzdaten in den Meldestellen ab-gelegt werden. Die für die Referenzdatenspeicherungnotwendige IT-Infrastruktur existiert aber i. d. R. nochnicht. Demnach wird angenommen, dass die bestehen-den Melderegister erweitert werden müssen.

– In allen diskutierten Handlungsalternativen wird da-von ausgegangen, dass kein zentrales IT-System undinsbesondere keine zentrale Datenbank für biometri-sche Daten angelegt werden.

– Botschaften, die ebenfalls Dokumente ausstellen unddamit auch die für die Erfassung der biometrischenDaten notwendigen Systeme benötigen, werden nichtgesondert betrachtet.

– Für alle Handlungsalternativen (bis auf Alternative A0)wird davon ausgegangen, dass – nicht zuletzt aufgrunddes erheblichen technologischen Risikos – zunächst

Pilotprojekte durchgeführt werden, die u. a. zur Aus-wahl der Lieferanten dienen. Es wird dabei jeweils einzweistufiges Verfahren angenommen, in dem in einemersten Schritt die vier biometrischen Verfahren (Fin-gerabdruck-, Handgeometrie-, Gesichts- bzw. Iriser-kennung) mit drei Anbietern oder Bietergemeinschaf-ten getestet werden. In einem zweiten Schritt werdenzwei ausgewählte Verfahren mit jeweils zwei Anbie-tern in einem intensiveren, abschließenden Verfahrengetestet.

Kosten für Hard- und Software sind aus marktüblichenStückpreisen, z. B. für Scanner, Kameras, Sensoren etc.,abgeleitet. Neben marktüblichen Kostendaten für Stan-dard-Hard- und -Software im Bereich Biometrie ist in dieKostenkalkulation Expertenwissen hinsichtlich der zu er-wartenden Kosten für die hier diskutierten speziellenHandlungsalternativen eingeflossen. Einerseits ergebensich Mehrkosten aus Anpassungen der heutigen Gerätefür den Einsatz in hoheitlichen Aufgaben. Andererseitssind aufgrund der beachtlichen Größe der möglichen Sys-teme Skaleneffekte (Volumendiscounts) in Form von ge-ringeren Kosten zu erwarten. Während z. B. für Fingerab-drucksysteme heute bereits relativ große Stückzahlen vonEndgeräten produziert werden und sich dies auch in ent-sprechenden Preisstrukturen niederschlägt, gibt es zumjetzigen Zeitpunkt deutlich weniger Geräte, die auf derHand-, Iris- oder Gesichtserkennung basieren. Eine ge-naue Quantifizierung und die Abschätzung der entspre-chenden Unsicherheiten (Lernkurveneffekte, Skalenöko-nomien) in den Kostenschätzungen gehen jedoch überden Rahmen dieser Studie hinaus.

Die folgende Kostenanalyse und die weitere Detaillierungsind vor dem Hintergrund einer Reihe von Unsicherheitenin der Analyse zu betrachten.

– Heutige Endgerätekosten lassen sich nur bedingt aufeine mögliche Anwendung in Ausweissystemen über-tragen. Konkrete Anforderungen an die Systeme sindnoch nicht festgelegt und die Auswirkung der techno-logischen Weiterentwicklung auf Stückkosten undGrößenordnungen von Skaleneffekten sind noch nichtvollständig absehbar.

– Die Prozesse der Erfassung der biometrischen Daten(Ausstellungsebene) und insbesondere die Zahl derMeldestellen, in denen die neuen Ausweispapiere be-antragt werden können, sind noch nicht definiert. Da-mit ergeben sich wesentliche Unsicherheiten in denAbschätzungen für den dezentralen Personal- undSchulungsbedarf.

– Der nötige Aufwand für die Erweiterung der Melde-register kann zum jetzigen Zeitpunkt nur grob abge-schätzt werden.

– Der genaue Umfang des Einsatzes von mobilen bio-metrischen Verifikationssystemen, z. B. im Polizeiein-satz, ist noch offen.

– Die Strategie für einen möglichen Rollout und die ent-sprechenden Kommunikations- und Marketinginstru-mente ist noch unklar.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 65 – Drucksache 15/4000

Ta b e l l e 15

Übersicht Kostenkomponenten

* Die Bundesdruckerei bietet seit dem Jahr 2000 das Modul DIGANT für kommunale Einwohnerverfahren an. Mit DIGANT wird eine vereinfach-te elektronische Abwicklung des Antragsverfahrens für Pässe und Ausweise ermöglicht. An einem DIGANT-Arbeitsplatz können das Passbildund die Unterschrift mit einem Scanner bei der Antragsstellung digital erfasst werden. Die digitalen Antragsdatensätze werden durch das Einwoh-nerverfahren automatisch zu einer Bestellung zusammengefasst. An einem Bestellarbeitsplatz, der mit dem D-SAFE-Modul der Bundesdruckereiausgestattet ist, wird ein elektronisches Bestellformular digital signiert. Die Bestelldaten werden mit starken kryptographischen Verfahren ver-schlüsselt und über Datenleitungen direkt zur Bundesdruckerei übertragen.

Bereich einmalige Kosten laufende Kosten

Ausstellungsebene

– Einrichtung Erfassungssystem (HW/SW)– Schulung– Einrichtung Qualitätssicherungssystem

(HW/SW)– Erweiterung Melderegister– Erweiterung Datentransfer, DIGANT*

– Marketing, Kommunikation– dezentrales Projektmanagement

– Personalkosten Erfassung (zusätzlicher Personalbedarf)

– Wartung Erfassungssysteme (HW/SW)– Systempflege Qualitätssicherung– erweiterte Systempflege Melderegister

Produktionsebene

– Modifikation Produktionstechnik Aus-weise

– Produktentwicklung– Testmaterial

– laufende Dokumentenproduktion (Perso-nalausweise, Reisepässe, Visa)

– ggf. Speichertechnologien

Kontrollebene

– Einrichtung Personenkontrollsysteme an Grenzkontrollpunkten (HW, SW)

– Schulung– dezentrales Projektmanagement

– Wartung Kontrollsysteme– Personalkosten, Personenkontrolle– fortlaufende Schulung

zentrale Koordinierung

– Programm-Management– Auftragsvergabe und Lieferanten-

management– Vorbereitung/Durchführung Pilot-

projekt(e)– QS-Management– Projektsteuerung

– fortlaufendes Programmmanagement

Für jede der folgenden Handlungsalternativen werden 1.3 Evaluierung der Handlungsalternativen in

entsprechende Überlegungen hinsichtlich der Unsicher-heit in den Abschätzungen der Kosten angestellt. Die fol-genden Tabellen fassen die wesentlichen Kostenkompo-nenten je Alternative zusammen und basieren aufMittelwerten, die sich aus Bandbreitenabschätzungen fürdie einzelnen Kosten ergeben. Vor dem Hintergrund derhier genannten Unsicherheiten, die für die jeweiligenKostenkomponenten Unterschiede von mehr als 50 Pro-zent bedeuten können, sind die Unterschiede in den Kos-ten für den Einsatz der verschiedenen biometrischen Ver-fahren in erster Näherung zu vernachlässigen. Laut einerStudie des United States General Accounting Office(GAO 2002a) beträgt z. B. der Unterschied in den Hard-warekosten für Fingerabdruck-, Iris- und Gesichtserken-nungssysteme bei Einführung von biometrischen Merk-malen in US-Pässen lediglich ± 12 Prozent. Entsprechendsteht in dieser Studie bei dem Kostenmodell und der Dis-kussion der ökonomischen Konsequenzen der einzelnenHandlungsalternativen nicht die Unterscheidung einzel-ner biometrischer Verfahren im Vordergrund.

den einzelnen Dimensionen

1.3.1 Handlungsalternative A0: Abwarten und Beobachten: Keine biometrische Massenanwendung

Neben den folgenden drei Alternativen, die in unter-schiedlichen Formen eine konkrete Realisierung biome-trischer Ausweise bzw. von Pilotprojekten umfassen, sollzunächst als Alternative „Abwarten und Beobachten“,d. h. kein Einsatz biometrischer Verfahren, betrachtetwerden. Der Grundgedanke dieser Alternative ist es, an-gesichts der Unsicherheiten hinsichtlich der Machbarkeitvon biometrischen Massenanwendungen zunächst wei-tere nationale und internationale Entwicklungen zu beo-bachten. Dabei sollte laufend zwischen den möglichenVor- und Nachteilen für Deutschland in der Rolle einesNachzüglers abgewogen werden.

Prinzipiell ermöglicht diese Handlungsalternative die Mi-nimierung des Risikos von Fehlinvestitionen, z. B. in

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Drucksache 15/4000 – 66 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

nicht ausgereifte Technologien und Konzepte. Die zu er-wartende Akzeptanz der möglichen Systeme in der Be-völkerung kann im Laufe der Zeit aus Pilotprojektenebenfalls besser eingeschätzt werden. Demgegenübersollte berücksichtigt werden, dass sich hieraus für denStandort Deutschland Nachteile ergeben können, wennandere Länder oder Regionen in einem so schnell wach-senden Markt wie der Biometrie einen deutlichen Vor-sprung erreichen. Beispiele für ähnliche Entwicklungen,in denen staatliche Programme den Aufstieg und Erfolgvon Technologien und Branchen vorangetrieben haben,sind z. B. die Internetinitiativen der USA. Zudem ist zuberücksichtigen, dass Deutschland in der möglichenRolle eines Nachzüglers Standards, die in anderen Län-dern und Regionen in der Zwischenzeit gesetzt werden,zumindest zum Teil in eigene Pläne integrieren müsste.Dies kann, z. B. aus datenschutzrechtlicher und kommer-zieller Sicht, einen Nachteil für Deutschland darstellen,wenn entsprechende Standards übernommen oder aberunter hohem Kostenaufwand erweitert werden müssten.

Ein externer Handlungsdruck könnte sich z. B. durch dieEinführung von verbindlichen Standards in den USA er-geben, wenn die visumfreie Einreise für Ausländer – wiebereits diskutiert – nur noch für ausgewählte Länder gel-ten würde, in deren Ausweisdokumenten standardisiertebiometrische Informationen enthalten sind.

Während in dieser ersten Handlungsalternative seitensder öffentlichen Hand keine biometrische Massenanwen-dung initiiert wird, sind weitere ausgewählte Biometrie-pilotprojekte und Anwendungen mit geschlossenen Be-nutzergruppen durchaus denkbar und sinnvoll. Diesesollten z. B. auch Vorhaben beinhalten, die die internatio-nale Zusammenarbeit an konkreten Beispielen vorantrei-ben. Aus diesen einzelnen Pilotprojekten ist zunächstkein wahrnehmbarer Nutzen für die Gesamtbevölkerungzu erwarten. Es ist jedoch durchaus möglich und sinnvoll,den konkreten Nutzen (z. B. Sicherheits- und Effizienz-steigerungen) in den Pilotprojekten herauszuarbeiten undtransparent darzustellen. Daneben ist es vorstellbar, dassmit einer entsprechenden begleitenden Kommunikationdie Akzeptanz in der Bevölkerung hinsichtlich der Not-wendigkeit und Nutzung von biometrischen Systemen ge-steigert wird.

Insgesamt ist – im Vergleich zu den anderen Handlungs-alternativen – von einem sehr geringen Finanzbedarfseitens der öffentlichen Hand auszugehen, der im Wesent-lichen aus den bestehenden Fördermitteln und -einrich-tungen gedeckt werden kann.

1.3.2 Handlungsalternative A1: Biometrische Nutzung heutiger Ausweise

Zielsetzung dieser Handlungsalternative ist der Rolloutzur flächendeckenden Implementierung von Biometrie inAusweisanwendungen in Deutschland (nach einem Pilot-projekt). Der technische Ansatz geht dabei davon aus,dass das bereits vorhandene biometrische Merkmal „Ge-sicht“ in Form des Passfotos vom Ausweis gelesen undgegen das Livebild der Person abgeglichen werden kann,ohne dass eine zusätzliche Ausrüstung des Ausweises mit

biometrischen Daten erforderlich ist. Neben der automati-sierten Verifikation sind auch Überprüfungen gegen Da-tenbankbilder (z. B. bildbasierte Fahndungslisten oderVisaantragsteller-Datenbank) denkbar. Eine bundesweiteDatenbank schließt der Gesetzgeber zum heutigen Zeit-punkt jedoch aus. Als biometrisches Verfahren in dieserHandlungsalternative kommt nur die Gesichtserkennungin Betracht, da für Fingerabdruck-, Iris- oder Handgeo-metrieerkennung zusätzliche Informationen in die Doku-mente aufgenommen werden müssten. Als einzige derHandlungsalternativen, die aktiv die Biometrie vorantrei-ben, erfordert Alternative A1 keine Veränderung der Aus-weise, sondern „nur“ die Implementierung von Endgerä-ten und entsprechenden Betriebskonzepten, die u. a. eineOptimierung der Lichtbildqualität und eine Überarbei-tung ausgewählter Prozesse beinhaltet. Der potenzielleNutzen, der sich aus der biometrischen Nutzung der heu-tigen Ausweise ergibt, stellt sich im Wesentlichen inForm einer qualitativ verbesserten Personenkontrolle beiGrenzübergängen dar. Durch einen automatisierten Ab-gleich des Gesichtes der reisenden Person mit dem Licht-bild im Ausweis kann die bislang rein manuelle Verifika-tion der Identität erheblich unterstützt werden. Einvollständiger Ersatz für manuelle Kontrollen, d. h. einevollständige Automatisierung, wird die Biometrie ausheutiger Sicht wahrscheinlich nicht liefern. Pilotversuchemüssen zeigen, inwieweit mit nennenswerten Einsparun-gen beim Personal an den Grenzkontrollen gerechnetwerden kann.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für diese Hand-lungsalternative sind heute bereits gegeben. Sowohl na-tional als auch international ist das Gesicht in Form desPassfotos festgelegter Standard für Ausweisdokumente.Die Einführung der Technologie kann stufenweise erfol-gen, da die manuelle Verifikation der Identität auf Basisder Passfotos weiterhin möglich ist.

Die wesentlichen Kostenkomponenten für die einmaligeEinrichtung und den fortlaufenden Betrieb des Systemssind in den folgenden Tabellen 16 und 17 (S. 68) darge-stellt.

Für die einmalige Einrichtung des Systems resultieren dieKosten von 21,3 Mio. Euro im Wesentlichen aus denKosten für Endgeräte an den Grenzübergängen, der Schu-lung des Personals für diese Geräte sowie für die Pilotie-rung und zentrale Koordinierung des Projektes. Dabeiwird angenommen, dass neben den sieben Großflughäfenzusätzlich 200 Landgrenzen und Seehäfen mit biometri-schen Erkennungsgeräten, d. h. für diese Handlungsalter-native mit Gesichtserkennungsgeräten, ausgestattet wer-den. Die Kosten für Geräte im Außeneinsatz, die z. B.gegen Witterung und Diebstahl geschützt werden müssen,werden inklusive einmaliger Installation und eventuellerBaumaßnahmen mit 20 000 Euro pro Kontrollpunkt ab-geschätzt. Für Kontrollpunkte innerhalb von Gebäudenist entsprechend von einem geringeren Aufwand auszuge-hen, und es werden jeweils 15 000 Euro pro Kontroll-punkt angesetzt.

Sowohl an den Flughäfen als auch an den Landgrenzenund Seehäfen muss das Grenzpersonal im Umgang mitden neuen Systemen geschult und entsprechende Ände-

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 67 – Drucksache 15/4000

Ta b e l l e 16

Abschätzung der einmaligen Kosten – Handlungsalternative A1 (in Euro)

Hardware,Software Personal Schulung sonstige gesamt

Erfassungssystem 5.200.000 5.200.000

Qualitätssicherung 0

Melderegister 0

Marketing, Kommunikation 53.333 53.333

Projektmanagement, dezentral 0

Ausstellungsebene 0 0 5.200.000 53.333 5.253.333

Produktion Ausweisdokumente 0

Speichermedien, Chiptechnologien 0

Produktionsebene, Dokumentensystem 0 0 0 0 0

Personenkontrolle Flughafen 4.000.000 1.600.000 5.600.000

Personenkontrolle andeutschen Landgrenzen 3.000.000 1.200.000 4.200.000

sonstige Personenkontrollen;mobiler Einsatz 0

Kontrollebene 7.000.000 0 2.800.000 0 9.800.000

Projektmanagement, Koordinierung 472.500 2.000.000 2.472.500

Beratung, Konzeption, Fach-konzepte 600.000 600.000

Ausschreibung 800.000 800.000

Pilotprojekte, 4 Verfahrenà 3 Hersteller, Phase 1 1.200.000 1.200.000

Pilotprojekte, 2 Verfahrenà 2 Hersteller, Phase 2 1.200.000 1.200.000

zentrale Koordinierung 0 472.500 0 5.800.000 6.272.500

einmalige Kosten, Einführung 7.000.000 472.500 8.000.000 5.853.333 21.325.833

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Drucksache 15/4000 – 68 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Ta b e l l e 17

Abschätzung der laufenden Kosten – Handlungsalternative A1 (in Euro)

Hardware,Software Personal Schulung sonstige gesamt

Erfassungssystem 0

Qualitätssicherung 630.000 630.000

Melderegister 0

Marketing, Kommunikation 0

Projektmanagement, dezentral 0

Ausstellungsebene 0 630.000 0 0 630.000

Produktion Ausweisdokumente PA 0

Produktion Ausweisdokumente RP 0

Produktion Ausweisdokumente Visa 0

Speichermedien PA 0

Speichermedien RP 0

Produktionsebene, Dokumentensystem 0 0 0 0 0

Personenkontrolle Flughafen 800.000 1.000.000 1.800.000

Personenkontrolle an deutschen Grenzen 600.000 1.000.000 1.600.000

sonstige Personenkontrollen;mobiler Einsatz 500.000 500.000

Kontrollebene 1.400.000 0 2.500.000 0 3.900.000

laufende Kosten p. a., Betrieb 1.400.000 630.000 2.500.000 0 4.530.000

rungen bzw. Ergänzungen in Schulungsunterlagen undRichtlinien vorgenommen werden. Dabei ist bei der hö-heren Anzahl der Grenzkontrollen an Flughäfen im Ver-gleich zu Seehäfen und entsprechender Unterschiede imPersonalbedarf von unterschiedlichen Kosten pro Kon-trollpunkt und damit von unterschiedlichen Gesamtkostenauszugehen. Für die Durchführung von Pilotversuchenfür die biometrischen Systeme werden in einem erstenSchritt pro Anbieter 100 000 Euro und für einen detail-lierteren zweiten Schritt 300 000 Euro angenommen.

Die laufenden Kosten für die Nutzung der heutigen Aus-weise mithilfe automatischer Gesichtserkennung ergebensich zum größten Teil aus der fortlaufenden Schulung desPersonals an den Landesgrenzen, aber auch aus der Schu-lung von Beamten und Angestellten, z. B. für Fahndungs-tätigkeiten.

Aus finanzieller Sicht ergeben sich wesentliche Unsicher-heiten für die hier dargestellte grobe Kostenabschätzung,u. a. aufgrund der folgenden Punkte:– Die Kosten für Hard- und Software lassen sich aus den

heute vorliegenden Herstellerangaben nur schwer aufeine mögliche Massenanwendung projizieren.

– Der genaue Aufwand für Schulungen hängt von demEinführungskonzept und insbesondere dem angestreb-ten Zeitrahmen ab.

– Der Aufwand für Marketing und Kommunikation istzurzeit nur schwer abzuschätzen und wird nicht zuletztdurch mögliche Akzeptanzprobleme bei Angestelltenoder Reisenden bestimmt.

Für diese Handlungsalternative A1 ergeben sich aus Kos-tensicht die größten Unsicherheiten aus dem Umfang und

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 69 – Drucksache 15/4000

der Qualität der Ausstattung der Kontrollstellen mit Bio-metrieendgeräten. So ergeben sich z. B. bei der Annahmevon Unsicherheiten in den Kosten für Hard- und Softwaresowie der Anzahl der Kontrollstellen von 10 Prozentca. 2,2 Mio. Euro an einmaligen und ca. 0,3 Mio. Euro anlaufenden Kosten.

Mit der heute zur Verfügung stehenden Technologie kanndiese Handlungsalternative A1 im Prinzip unmittelbarrealisiert werden. Eine zweistufige Pilotierung der An-wendung wäre mit begrenztem Kostenaufwand von etwa2,4 Mio. Euro durchführbar und würde mögliche Risikender Einführung weiter reduzieren. Im Vergleich zu denfolgenden Alternativen spielt für die biometrische Nut-zung heutiger Ausweise die Umweltbetrachtung oderSzenarioanalyse aufgrund der relativ sicheren Entschei-dungsgrundlagen eine untergeordnete Rolle. Der Nutzenist insgesamt kurz- bis mittelfristig realisierbar.

1.3.3 Handlungsalternative A2: Biometrische Ausrüstung der heutigen Ausweise

Mit der „Ausrüstung“ der heutigen Ausweise wird in die-sem Gutachten die Einbindung von zusätzlichen biome-trischen Daten in Personalausweise, Reisepässe bzw. Visaverstanden, ohne dabei die wesentlichen äußeren Merk-male und die Erscheinungsform der Dokumente zu än-dern. Das bedeutet, dass die bestehenden Herstellungs-prozesse für die Dokumente geändert, aber nichtgrundlegend neu konzipiert werden müssten. Die „Doku-mentenfamilie“ bliebe bestehen. Mit dieser Handlungsal-ternative ist das Ziel verbunden, die Qualität der Perso-nenkontrollen – insbesondere bei Grenzübertritten –durch die automatische Überprüfung biometrischer Merk-male (Fingerabdruck, Handgeometrie, Gesicht, Irismus-ter) zu steigern, ohne sich dabei dem zusätzlichenAufwand der Einführung einer vollständig neuen Doku-mentengeneration auszusetzen. Die Ausrüstung der beste-henden Ausweisgeneration mit zusätzlichen biometri-schen Daten könnte über optisch lesbare Speichermedienwie 2D-Barcodes oder Hologramme erfolgen. Für denPersonalausweis in seiner heutigen Form ist darüber hi-naus die Einführung von (dünnen) kontaktlosen Chips(Transponder), die von Leseterminals gelesen werdenkönnen, technisch machbar. Entsprechend der Zielset-zung dieser Handlungsalternative sollte die Veränderungder Ausstellungs- und Produktionsprozesse für die Aus-rüstung der Ausweise so gering wie möglich ausfallen,d. h. bei der Ausarbeitung des Feinkonzeptes sollte wei-testgehend auf Verwendung bestehender Prozesse undTechnologien zurückgegriffen werden. Prinzipiell sindalle vier der hier näher betrachteten biometrischen Ver-fahren mit dieser Handlungsalternative A2 realisierbar.Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind durch das Ter-rorismusbekämpfungsgesetz gegeben, wobei zu beachtenist, dass die Iris nicht explizit im Wortlaut des Gesetzesverankert ist und hier eventueller rechtlicher Handlungs-bedarf geklärt werden müsste.

Im Gegensatz zu Handlungsalternative A1, d. h. der bio-metrischen Analyse der heutigen Ausweise, sind mit der

Ausrüstung der Dokumente und der Erfassung der zusätz-lichen Merkmale zusätzliche Kosten – sowohl einmaligewie laufende – verbunden. Die Tabellen 18 bis 21 (S. 70bis 73) fassen unter den oben diskutierten Annahmen diewesentlichen Kostenkomponenten zusammen. Dabeiwird in der Variante A2a dieser Handlungsalternative da-von ausgegangen, dass die Erfassung und Verarbeitungder biometrischen Merkmale (Templategenerierung) derBürger dezentral, d. h. in den Meldestellen, erfolgt. Prin-zipiell sind für die Verfahren Fingerabdruck- und Ge-sichtserkennung auch eine Beibehaltung des bisherigenBeantragungsprozesses und die Verlagerung der Templa-tegenerierung an eine zentrale Stelle, z. B. die Produk-tionsstätte, möglich. Dabei würden die dezentral aufge-nommenen Bilder der Fingerabdrücke oder der Gesichterals Rohdaten auf konventionellen oder elektronischenWegen zu einer zentralen Stelle übertragen, die die Erzeu-gung der Templates übernimmt. Die Kostenkonsequen-zen daraus werden in einer Variante A2b dargestellt.

Die einmaligen und laufenden Kosten für das Erfassungs-system, die Qualitätssicherung und die Erweiterung derMelderegister hängen in hohem Maße davon ab, ob diebiometrischen Templates dezentral in den Meldestellen(A2a) oder an zentraler Stelle (A2b) erzeugt werden. Beieiner dezentralen Erfassung in der Ausstellungsebene istvon zusätzlichen Hardware- und Softwarekosten vonca. 400 Mio. Euro auszugehen, die im Falle einer Erzeu-gung der Templates an zentraler Stelle nicht anfallen wür-den.

Die einmaligen Kosten von ca. 614 Mio. Euro für Alter-native A2a setzen sich hauptsächlich aus den Kosten fürHardware und Software für die Ausstellungsebene zu-sammen, d. h. für Endgeräte, das Qualitätssicherungssys-tem und die Erweiterung der Melderegister. Bei den Kos-ten für Endgeräte wird in dieser Kalkulation nicht explizitzwischen den einzelnen biometrischen Verfahren unter-schieden, da aus heutiger Sicht die Preisunterschiede zwi-schen den Verfahren (bei Annahme einer ähnlichen oderder gleichen Qualität) deutlich geringer sind als die finan-ziellen Unsicherheiten, die sich insgesamt in dem Kosten-modell ergeben, insbesondere im Hinblick auf das Men-gengerüst für die Ausstellungs- oder Kontrollebene unddie Frage nach dem Umfang der Erweiterung des Melde-registers.

Von den einzelnen Komponenten der laufenden Kostenspielen unter den gegebenen Annahmen die Betriebs- undWartungskosten für die Hardware und Software in denMeldestellen und für das Qualitätssicherungssystem diegrößte Rolle. Insgesamt ergeben sich Kosten vonca. 331 Mio. Euro p. a. für Alternative A2a. Für die zu-sätzlichen Kosten in der Produktion der Ausweise, diesich aus der Einbindung zusätzlicher biometrischer Datenergeben, wird von zwei bis drei Euro pro Dokument aus-gegangen. Dabei wird im Sinne einer aus finanziellerSicht konservativen Betrachtung bereits von der teurerenVariante der Einbindung eines elektronischen kontaktlo-sen Transponders ausgegangen.

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Drucksache 15/4000 – 70 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Ta b e l l e 18

Abschätzung der einmaligen Kosten – Handlungsalternative A2a (in Euro)

Hardware,Software Personal Schulung sonstige gesamt

Erfassungssystem 106.666.667 10.400.000 117.066.667

Qualitätssicherung 65.000.000 65.000.000

Melderegister 227.500.000 227.500.000

Marketing, Kommunikation 80.000.000 80.000.000

Projektmanagement, dezentral 40.950.000 40.950.000

Ausstellungsebene 399.166.667 40.950.000 10.400.000 80.000.000 530.516.667

Produktion Ausweisdokumente 10.000.000 10.000.000

Speichermedien, Chiptechnologien 15.000.000 15.000.000

Produktionsebene, Dokumentensystem 25.000.000 0 0 0 25.000.000

Personenkontrolle Flughafen 3.000.000 1.600.000 4.600.000

Personenkontrolle an deutschen Landgrenzen 4.000.000 800.000 4.800.000

sonstige Personenkontrollen; mobiler Einsatz 24.000.000 24.000.000

Kontrollebene 31.000.000 0 2.400.000 0 33.400.000

Projektmanagement, Koordinierung 2.835.000 12.000.000 14.835.000

Beratung, Konzeption, Fach-konzepte 2.000.000 2.000.000

Ausschreibung 1.600.000 1.600.000

Pilotprojekte, 4 Verfahrenà 3 Hersteller, Phase 1 2.400.000 2.400.000

Pilotprojekte, 2 Verfahrenà 2 Hersteller, Phase 2 4.000.000 4.000.000

zentrale Koordinierung 0 2.835.000 0 22.000.000 24.835.000

einmalige Kosten, Einführung 455.166.667 43.785.000 12.800.000 102.000.000 613.751.667

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 71 – Drucksache 15/4000

Ta b e l l e 19

Abschätzung der einmaligen Kosten – Handlungsalternative A2b (in Euro)

Hardware,Software Personal Schulung sonstige gesamt

Erfassungssystem 5.200.000 5.200.000

Qualitätssicherung 0

Melderegister 0

Marketing, Kommunikation 80.000.000 80.000.000

Projektmanagement, dezentral 10.237.500 10.237.500

Ausstellungsebene 0 10.237.500 5.200.000 80.000.000 95.437.500

Produktion Ausweisdokumente 10.000.000 10.000.000

Speichermedien, Chiptechnologien 15.000.000 15.000.000

Produktionsebene,Dokumentensystem 25.000.000 0 0 0 25.000.000

Personenkontrolle Flughafen 3.000.000 1.600.000 4.600.000

Personenkontrolle an deutschen Landgrenzen 4.000.000 800.000 4.800.000

sonstige Personenkontrollen; mobiler Einsatz 24.000.000 24.000.000

Kontrollebene 31.000.000 0 2.400.000 0 33.400.000

Projektmanagement,Koordinierung 2.835.000 12.000.000 14.835.000

Beratung, Konzeption, Fach-konzepte 2.000.000 2.000.000

Ausschreibung 1.600.000 1.600.000

Pilotprojekte, 4 Verfahrenà 3 Hersteller, Phase 1 2.400.000 2.400.000

Pilotprojekte, 2 Verfahrenà 2 Hersteller, Phase 2 4.000.000 4.000.000

zentrale Koordinierung 0 2.835.000 0 22.000.000 24.835.000

einmalige Kosten, Einführung 56.000.000 13.072.500 7.600.000 102.000.000 178.672.500

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Drucksache 15/4000 – 72 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Ta b e l l e 20

Abschätzung der laufenden Kosten – Handlungsalternative A2a (in Euro)

Hardware,Software Personal Schulung sonstige gesamt

Erfassungssystem 21.333.333 204.750.000 226.083.333

Qualitätssicherung 16.250.000 630.000 16.880.000

Melderegister 34.125.000 34.125.000

Marketing, Kommunikation 0

Projektmanagement, dezentral 0

Ausstellungsebene 71.708.333 205.380.000 0 0 277.088.333

Produktion Ausweisdokumente PA 18.000.000 315.000 18.315.000

Produktion Ausweisdokumente RP 9.000.000 9.000.000

Produktion Ausweisdokumente Visa 5.000.000 5.000.000

Speichermedien PA 9.000.000 9.000.000

Speichermedien RP 4.500.000 4.500.000

Speichermedien Visa 2.500.000 2.500.000

Produktionsebene,Dokumentensystem 48.000.000 0 0 315.000 48.315.000

Personenkontrolle Flughafen 600.000 600.000

Personenkontrolle an deutschen Grenzen 800.000 800.000

sonstige Personenkontrollen; mobiler Einsatz 4.800.000 4.800.000

Kontrollebene 6.200.000 0 0 0 6.200.000

laufende Kosten p. a., Betrieb 125.908.333 205.380.000 0 315.000 331.603.333

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 73 – Drucksache 15/4000

Ta b e l l e 21

Abschätzung der laufenden Kosten – Handlungsalternative A2b(in Euro)

Hardware,Software Personal Schulung sonstige gesamt

Erfassungssystem 0

Qualitätssicherung 630.000 630.000

Melderegister 0

Marketing, Kommunikation 0

Projektmanagement, dezentral 0

Ausstellungsebene 0 630.000 0 0 630.000

Produktion Ausweisdokumente PA 18.000.000 315.000 18.315.000

Produktion Ausweisdokumente RP 9.000.000 9.000.000

Produktion Ausweisdokumente Visa 5.000.000 5.000.000

Speichermedien PA 9.000.000 9.000.000

Speichermedien RP 4.500.000 4.500.000

Speichermedien Visa 2.500.000 2.500.000

Produktionsebene,Dokumentensystem 48.000.000 0 0 315.000 48.315.000

Personenkontrolle Flughafen 600.000 600.000

Personenkontrolle an deutschen Grenzen 800.000 800.000

sonstige Personenkontrollen; mobiler Einsatz 4.800.000 4.800.000

Kontrollebene 6.200.000 0 0 0 6.200.000

laufende Kosten p. a., Betrieb 54.200.000 630.000 0 315.000 55.145.000

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Drucksache 15/4000 – 74 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Unsicherheiten in den Kostenabschätzungen resultierenvor allem aus der noch nicht abschließend geklärten An-zahl der Meldestellen, an denen die Bürgerinnen und Bür-ger einen neuen (biometrischen) Ausweis beantragenkönnen sowie den Kosten für Endgeräte. So ergeben sichz. B. aus einer Variation der Anzahl der Meldestellen von10 Prozent bereits Unterschiede von ca. 45 Mio. Euro inden einmaligen Kosten. Einen vergleichbar hohen Ein-fluss haben die Hardware-Stückkosten innerhalb des Kos-tenmodells: Auch hier ergeben Schwankungen von z. B.10 Prozent Kostenunterschiede von mehr als 40 Mio.Euro.

Aus technischer Sicht ist die Veränderung der Produk-tionsprozesse zur Ausrüstung der Ausweisdokumente re-lativ kurzfristig, d. h. in einem Entscheidungs- und Pro-jekthorizont von zwei bis drei Jahren, zu realisieren.Dabei ist in dieser Zeit – wie in der obigen Kostenbe-trachtung – bereits ein zweistufiges Auswahlverfahrenhinsichtlich der Anbieter und der Durchführung vonPilotprojekten enthalten.

1.3.4 Handlungsalternative A3: Einführung einer neuen Ausweisgeneration

Mit dieser Handlungsalternative soll die Entwicklung undEinführung einer neuen Ausweisgeneration, d. h. einesChip-basierten digitalen Dokumentes – zumindest inAnsätzen und soweit es die biometrischen Verfahren be-trifft – diskutiert werden.

Mit einer solchen Einführung wäre die Zielsetzung ver-bunden, für die Bundesbürger ein Dokument bereitzustel-len, das ihnen nicht nur die konventionelle Authentifika-tion erlaubt, sondern auch als Eckpfeiler einerelektronischen Unterschrift für den elektronischen Ge-schäftsverkehr einsetzbar wäre. Es ist an dieser Stelle zubemerken, dass mit der Einführung einer neuen Genera-tion von digitalen Personalausweisen bzw. Reisepässenzunächst nur deutsche Staatsbürger in den Besitz ebendieser Ausweise kämen. Es ist sinnvoll und wünschens-wert, auch den in Deutschland lebenden ausländischenBürgern den Zugang zu einer entsprechenden digitalenKarte zu ermöglichen, die z. B. für die elektronische Un-terschrift eingesetzt werden kann. Hiermit verbundeneAufwände bzw. Verrechnungsmodelle sind in dem vorlie-genden Gutachten und insbesondere in der Kostenanalysenicht berücksichtigt. Im Fokus dieser Handlungsalterna-tive steht also neben einer möglichen Erhöhung der öf-fentlichen Sicherheit durch verbesserte, teilautomatisierteVerifikationsverfahren via Biometrie auch der Anstoßvon technischen Innovationen in Deutschland und die Er-höhung der Attraktivität des Landes als Wirtschaftsstand-ort. Dabei kommen zu den Überlegungen, die bereits im

Rahmen der vorhergehenden Handlungsalternativen dis-kutiert wurden, weitere Kostenargumente und organisato-rische wie rechtliche Herausforderungen hinzu.

Der Beitrag, der durch diese Handlungsalternative A3 zurErhöhung der öffentlichen Sicherheit geleistet wird, un-terscheidet sich dabei nicht von der vorhergehenden Al-ternative A1 und A2, d. h. der biometrischen Nutzungoder der biometrischen Ausrüstung der bestehenden Aus-weisgeneration. Die biometrischen Daten werden elektro-nisch verschlüsselt auf dem im Dokument integriertenChip gespeichert und zu Verifikationszwecken mit denLivemerkmalen an der Person verglichen. Der heutigeStand der Chipkartentechnologie bietet in Kombinationmit den in diesem Gutachten diskutierten Verfahren prin-zipiell die Voraussetzungen zu einer erfolgreichen Umset-zung.

Die Kosten für eine mögliche Einführung können zumjetzigen Zeitpunkt und im Rahmen dieser Studie nur grobabgeschätzt werden und hängen in erheblichem Umfangvon den genauen technischen und organisatorischen An-forderungen an das Gesamtsystem ab. Analog zu den Er-läuterungen der Handlungsalternative A2 wird auf diemöglichen Kostenunterschiede zwischen den einzelnenbiometrischen Verfahren nicht detailliert eingegangen.

Die Kostenabschätzung in Tabelle 22 zeigt, dass sich dieeinmaligen Kosten für die Einführung einer neuen Aus-weisgeneration von ca. 669 Mio. Euro zu wesentlichenTeilen aus der Hardware und Software für die Erfassungs-und Qualitätssicherungssysteme sowie für das Melde-register ergeben. Um den Nutzen der „neuen Karte“ fürden Bürger transparent zu machen und entsprechendeAufmerksamkeit – auch mit Hinblick auf privatwirt-schaftliche Anwendungen – zu erzeugen, ist von einemerheblichen Aufwand für Marketing und Kommunikationauszugehen.

Seitens der Produktion der Ausweise müssen neueVerfahren implementiert und entsprechende einmalige In-vestitionen in Herstellungsverfahren getätigt werden.Hier ist – in einer ersten sehr groben und vorläufigenSchätzung – von einer finanziellen Größenordnung vonca. 60 bis 80 Mio. Euro auszugehen. Für eine möglicheImplementierung wird, wie bei den vorhergehendenHandlungsalternativen, eine zweistufige Pilotphase ange-nommen, wobei der Finanzbedarf aufgrund der höherenKomplexität der Lösung mit 6,4 Mio. Euro etwas höherabgeschätzt wurde.

Die laufenden Kosten, die sich aus der Einführung einerneuen Ausweisgeneration ergeben, sind in Tabelle 23(S. 76) zusammengefasst. Insgesamt ergibt sich ein zu-sätzlicher Finanzbedarf gegenüber dem heute bestehen-den System von ca. 610 Mio. Euro p. a.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 75 – Drucksache 15/4000

Ta b e l l e 22

Abschätzung der einmaligen Kosten – Handlungsalternative A3(in Euro)

Hardware,Software Personal Schulung sonstige gesamt

Erfassungssystem 106.666.667 10.400.000 117.066.667

Qualitätssicherung 65.000.000 65.000.000

Melderegister 227.500.000 227.500.000

Marketing,Kommunikation 80.000.000 80.000.000

Projektmanagement,dezentral 40.950.000 40.950.000

Ausstellungsebene 399.166.667 40.950.000 10.400.000 80.000.000 530.516.667

ProduktionAusweisdokumente 60.000.000 80.000.000

Speichermedien,Chiptechnologien 20.000.000 20.000.000

Produktionsebene,Dokumentensystem 80.000.000 0 0 0 80.000.000

PersonenkontrolleFlughafen 3.000.000 1.600.000 4.600.000

Personenkontrolle andeutschen Landgrenzen 4.000.000 800.000 4.800.000

sonstige Personenkontrollen; mobiler Einsatz 24.000.000 24.000.000

Kontrollebene 31.000.000 0 2.400.000 0 33.400.000

Projektmanagement,Koordinierung 2.835.000 12.000.000 14.835.000

Beratung, Konzeption,Fachkonzepte 2.000.000 2.000.000

Ausschreibung 1.600.000 1.600.000

Pilotprojekte, 4 Verfahrenà 3 Hersteller, Phase 1 2.400.000 2.400.000

Pilotprojekte, 2 Verfahrenà 2 Hersteller, Phase 2 4.000.000 4.000.000

zentrale Koordinierung 0 2.835.000 0 22.000.000 24.835.000

einmalige Kosten,Einführung 510.166.667 43.785.000 12.800.000 102.000.000 668.751.667

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Drucksache 15/4000 – 76 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Ta b e l l e 23

Abschätzung der laufenden Kosten – Handlungsalternative A3 (in Euro)

Hardware,Software Personal Schulung sonstige gesamt

Erfassungssystem 21.333.333 204.750.000 226.083.333

Qualitätssicherung 16.250.000 630.000 16.880.000

Melderegister 34.125.000 34.125.000

Marketing, Kommunikation 0

Projektmanagement, dezentral 0

Ausstellungsebene 71.708.333 205.380.000 0 0 277.088.333

Produktion Ausweisdokumente PA 180.000.000 315.000 180.315.000

Produktion Ausweisdokumente RP 90.000.000 90.000.000

Produktion Ausweisdokumente Visa 5.000.000 5.000.000

Speichermedien PA 45.000.000 45.000.000

Speichermedien RP 9.000.000 9.000.000

Speichermedien Visa 2.500.000 2.500.000

Produktionsebene,Dokumentensystem 331.500.000 0 0 315.000 331.815.000

Personenkontrolle Flughafen 600.000 600.000

Personenkontrolle an deutschen Grenzen 800.000 800.000

sonstige Personenkontrollen;mobiler Einsatz 0

Kontrollebene 1.400.000 0 0 0 1.400.000

laufende Kosten p. a., Betrieb 404.608.333 205.380.000 0 315.000 610.303.333

Ähnlich wie bei der Handlungsalternative A2 ergebensich zum jetzigen Zeitpunkt auch für die Einführung einerneuen Ausweisgeneration wesentliche Unsicherheitenhinsichtlich des zu erwartenden Kostenrahmens. Diewichtigsten Einflussfaktoren innerhalb des hier betrachte-ten Rahmens sind die Kosten für Hard- und Software so-wie die Anzahl der Meldestellen, die mit biometrischenErfassungsgeräten ausgestattet werden sollen. So machenauch hier z. B. Unterschiede von 10 Prozent in den Kos-ten und der Anzahl der Meldestellen bereits Unterschiedevon jeweils mehr als 40 Mio. Euro aus. Im Vergleichhierzu hat der Umfang der Ausrüstung der Kontrollstellen(z. B. Flughäfen, Landesgrenzen) mit Endgeräten einendeutlich geringeren Einfluss auf die Gesamtkosten.

1.4 Vergleichende Bewertung der Handlungs-alternativen und Fazit

Zahlreiche Pilotprojekte, aber auch konkrete Einsätze imnicht hoheitlichen Bereich belegen, dass durch den Ein-satz biometrischer Verfahren eine Erhöhung der Sicher-heit und Effizienzsteigerungen erreicht werden können.Welche der vier in diesem Gutachten näher beleuchtetenTechnologien für den Einsatz in Ausweisdokumenten ambesten geeignet ist, muss unter Berücksichtigung der ge-wünschten und erzielbaren Nutzen und Effekte eingehendanalysiert werden. Die Bewertungsgrundlage für die zuberücksichtigenden Faktoren ist mit diesem Gutachtengeschaffen worden. Denkbar ist neben dem Einsatz eines

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 77 – Drucksache 15/4000

biometrischen Verfahrens auch eine Kombination ausmehreren Technologien, z. B. von Gesichts- und Finger-abdruckerkennung. Bezüglich der Verwendung in Aus-weispapieren ist allerdings festzuhalten, dass als einzigeTechnologie die Gesichtserkennung auf die Verwendungeines bereits in den Dokumenten enthaltenen biometri-schen Merkmals – nämlich das Gesicht in Form des Pass-fotos – abzielt und damit im Hinblick auf die Implemen-tierung attraktive Vorteile genutzt werden können.

Während die technologische Leistungsfähigkeit der Ver-fahren im Großen und Ganzen belegt ist, ist die Nutzerak-zeptanz heute bei großflächigen Anwendungen nur be-dingt abschätzbar. Es ist beispielsweise nicht klar, wie diegroße Mehrheit der Bürger reagiert, wenn bei jedemGrenzübertritt ein Fingerabdruck oder ein Foto der Per-son abgenommen wird bzw. erheblicher Kooperations-aufwand zur Erfassung, z. B. des Irismusters, erforderlichist. Die Akzeptanz des breiten Einsatzes biometrischerVerfahren kann durch Marktforschungs- bzw. reine Pilot-projekte mit einigen hundert Teilnehmern nur bedingteingeschätzt werden. Hier besteht für den Staat – soferner sich mit dem Gedanken eines großflächigen Einsatzesträgt – ein Restrisiko.

Datenschutzrechtlich ist der Einsatz von biometrischenMerkmalen zumindest in Deutschland im Rahmen desTerrorismusbekämpfungsgesetzes dann abgedeckt, wenneine biometrische Verifikationsanwendung (1:1-Ver-gleich) mit dezentraler Datenhaltung auf dem Ausweis-medium erfolgt und somit keine Abgleiche mit einer zen-tral gehaltenen Datenbank vorgenommen werden.Solange der Nutzer im Besitz seiner Daten bleibt und dieVerwendung der Daten für ihn transparent ist, ist gegenden Einsatz biometrischer Merkmale aus (datenschutz-)rechtlicher Sicht nichts einzuwenden. Berücksichtigt man– wie dies der Bundesdatenschutzbeauftragte fordert –das Prinzip der sparsamen Datenerfassung, so sollte eineoptimale Nutzung der heute schon bestehenden Merk-male Vorrang vor einer Erfassung zusätzlicher biometri-scher Merkmale haben.

Das Gutachten skizziert grob vier Handlungsalternativen(mit einer weiteren Aufgliederung der Handlungsalterna-tive 2), die dem deutschen Staat beim Einsatz biometri-scher Verfahren im Ausweiswesen zur Verfügung stehen.Ausgangspunkt ist dabei die Handlungsalternative „KeinEinsatz biometrischer Verfahren“, die eine rein passive,abwartende Haltung des Staates charakterisiert. Kostenund Nutzen der anderen Handlungsalternativen müssenjeweils gegenüber dieser Alternative A0 (Abwarten undBeobachten: Keine Biometrieanwendung) gemessen wer-den.

Die vier Handlungsalternativen unterscheiden sich er-heblich in ihrer Investitionsintensität. Tabelle 24 fasst diewesentlichen Eckdaten der Kostenabschätzung zusam-men. Es wird dabei zwischen einmaligen Investitionenund laufenden Aufwendungen unterschieden. Die Wertesind jeweils mit Bandbreiten von ± 50 Prozent zu verste-hen.

Auffällig sind die große Spanne zwischen den einzelnenOptionen (Faktor bis zu 30) und der erhebliche Unter-schied zwischen den Varianten a und b der Handlungsal-ternative A2. Hier wird deutlich, dass ein wesentlicherKostentreiber mit der Hardwareausstattung der Melde-stellen gegeben ist. Diese entfällt dann, wenn die beste-henden Ausweisdokumente entweder unverändert gelas-sen werden (A1) oder zwar biometrisch ergänzt bzw.ausgerüstet werden, sich die Veränderungen aber auf denProzess der Ausweisproduktion beschränken (Handlungs-alternative A2b) und keine Merkmalsneuerfassung undTemplategenerierung in den Meldebehörden erfolgt. Hin-gegen führt die Einführung eines völlig neuen Ausweis-typs (z. B. auf Basis einer Smartcard; Alternative A3) imVergleich zu einer vollständig dezentral organisiertenAusrüstung der bestehenden Ausweisdokumente durchMerkmalserfassung und Templategenerierung in denMeldestellen (Handlungsalternative A2a) nur zu geringenUnterschieden in der finanziellen Belastung. Einschrän-kend muss allerdings erwähnt werden, dass bei dieser Al-ternative A3 die Kostenbandbreite, bedingt durch dienicht voraussehbaren Implikationen, weit größer ist als

Ta b e l l e 24

Zusammenfassung Kostenabschätzung je Handlungsalternative

* In der Alternative 3 wird nur die dezentrale Erfassung betrachtet.

Alternative einmalige Kosten laufende Kosten(p. a.)

Alternative A1: „Biometrische Nutzung heutiger Ausweise“ 22 Mio. Euro 4,5 Mio. Euro

Alternative A2: „Ausrüstung der Ausweise“Variante 2a: „Neuerfassung in Meldebehörden“Variante 2b: „Nutzung bestehender Prozesse“

614 Mio. Euro179 Mio. Euro

332 Mio. Euro55 Mio. Euro

Alternative A3: „Neue Ausweisgeneration“* 669 Mio. Euro 610 Mio. Euro

Alternative A0: „Abwarten und Beobachten: Keine Biometrieanwendung“ 0 0

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Drucksache 15/4000 – 78 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

bei den anderen Alternativen. Im Falle einer Entschei-dung zwischen den beiden Handlungsalternativen A2aund A3 erwarten wir, dass finanzielle Argumente deutlichhinter Nutzenaspekten und politischen Zielsetzungen zu-rücktreten werden.

Die mit den Handlungsalternativen A2 und A3 verbunde-nen erheblichen Investitionen könnten zwar technolo-gisch stärker abgesichert werden, indem man die bereitslaufenden Feldversuche auswertet und sie zur Entschei-dung für den Einsatz einer bestimmten Technologie he-ranzieht. Diese bisherigen, primär technisch orientiertenUntersuchungen werden jedoch kaum Schlussfolgerun-gen auf Nutzerakzeptanz und potenzielle Implikationeneines Masseneinsatzes zulassen. Anders ausgedrückt,könnte sich bei der Entscheidung für die Alternative A2oder A3 der Staat in einer Situation befinden, in der zwarmit erheblichem Investitionsaufwand grundsätzlich taug-liche Technologien zum Einsatz kommen, diese jedochbei der konkreten Implementierung auf Schwierigkeitenoder aber generell bei der Bevölkerung auf dermaßen ge-ringe Akzeptanz stoßen, dass sie im Extremfall wiederaufgegeben werden müssten.

Hier bietet sich Alternative A1, d. h. die biometrischeNutzung der heutigen Ausweise bzw. der heutigen Pass-fotos, an. Zum einen kommt für diese Alternative die ver-mutlich hinsichtlich der Nutzerakzeptanz bzw. der Ko-operation der Bevölkerung verträglichste Technologie,die Gesichtserkennung, zum Einsatz, zum anderen wärenwesentlich geringere Investitionen im Extremfall einesScheiterns abzuschreiben. Wir empfehlen damit demBundestag bzw. dem Büro für Technikfolgen-Abschät-zung, die Nutzung der Biometrie in den heutigen Aus-weisdokumenten in jedem Fall als ersten Schritt in Erwä-gung zu ziehen, um das Thema „Einsatz der Biometrie imAusweiswesen“ vom Niveau rein technisch orientierterPilotprojekte und strategischer Untersuchungen auf diekonkrete Massenanwendung zu heben. Nur dadurch las-sen sich unserer Einschätzung nach die eventuellen Risi-ken, die mit einem flächendeckenden Einsatz verbundensind, mit vertretbarem finanziellen Aufwand bestimmen.Die Erkenntnisse und Erfahrungen aus einem solchenMasseneinsatz sind im Übrigen auch dann – zumindesteingeschränkt – verwertbar, wenn letztlich die zunächstzum Einsatz gelangende Gesichtserkennungstechnologieaus technischen Gründen oder einem eventuellen interna-tionalen Abstimmungserfordernis heraus abgelöst odermit anderen Verfahren kombiniert wird. Da das Foto stetsTeil eines Ausweisdokumentes sein wird, macht es in An-betracht der niedrigen Kosten in jedem Fall Sinn, diesesMerkmal auch voll zu nutzen. Sollte sich im Zuge der Im-plementierung der Handlungsalternative A1 herausstel-len, dass das Verfahren den Anforderungen nicht voll ge-recht wird, so ist zunächst zu untersuchen, ob dies in dereventuell mangelhaften Qualität der eingesetzten Pass-fotos begründet ist. Ist dies der Fall, kann ein Übergangzu Handlungsalternative A2b vorgenommen werden, wo-durch sich die Qualität der eingesetzten Passfotos deut-lich verbessern und sich dementsprechend die Leistungder Variante der biometrischen Analyse des Passfotos be-deutend steigern ließe.

Die Ausrüstung bestehender Ausweise bzw. die Einfüh-rung einer neuen Ausweisgeneration (Handlungsalternati-ven A2 und A3) könnte somit nach erfolgreichem Einsatzder biometrischen Nutzung heutiger Ausweise durchauszu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgegriffen werden.Wir denken, dass derzeit noch keine Empfehlung für einedieser beiden Alternativen ausgesprochen werden kann,da

– ein erhebliches finanzielles Risiko besteht;

– unklar ist, wie sich die Nutzerakzeptanz gegenüberden neuen Daten im Ausweis gestaltet;

– darüber hinaus denkbar ist, mehrere biometrischeMerkmale kombiniert zu nutzen (z. B. Gesicht undFingerabdruck);

– keinerlei prozessuale Erfahrungen mit dem Massen-einsatz gegeben sind.

Auch die Frage, ob nach Klärung dieser offenen Punkteeher Alternative A2a (Neuerfassung in den Meldebehör-den) oder A3 (neue Ausweisgeneration) gewählt wird, istheute ebenfalls nur bedingt einschätzbar. Die Alternati-ven unterscheiden sich im finanziellen Aufwand nur un-erheblich. Hier gilt es, die Vorteile eines Beibehaltens derDokumentenfamilie (politisch leichter durchsetzbar, Kon-tinuität) gegenüber eventuellen Zusatznutzenpotenzialen(z. B. Einsatz für E-Commerce etc.) abzuwägen.

Ein generelles Abwarten beim Einsatz der Biometrie istaus Sicht der Autoren dieses Gutachtens abzulehnen, dasich durch einen großflächigen Einsatz der Biometrie inDeutschland erhebliche Nutzenpotenziale in fünf Berei-chen ergeben können:

– Zum einen erfolgt bei jeder Handlungsalternative eineErhöhung der Sicherheit. Zwar weisen die in Deutsch-land eingesetzten Ausweise eine hohe Fälschungs-sicherheit auf, jedoch kann die Identitätsüberprüfunginsbesondere bei Grenzkontrollen durch ein technischunterstütztes biometrisches Verfahren verbessert wer-den. Hierbei sind nicht nur die tatsächliche Erhöhungder Sicherheit, sondern auch das subjektiv empfun-dene Sicherheitsgefühl als wünschenswert zu erwäh-nen.

– Erste Einschätzungen gehen heute davon aus, dassauch die Prozesseffizienz bei Grenzübertritten gestei-gert werden kann. Da der technisch unterstützte Ver-gleich des Lichtbildes im Ausweis mit der betreffen-den Person sehr viel schneller durchgeführt werdenkann als durch den Grenzbeamten, könnten nicht nurdie Prozesszykluszeiten an den Grenzübergängen er-heblich beschleunigt, sondern vermutlich auch Perso-nalressourcen effizienter eingesetzt werden.

– Langfristig – bei Einsatz einer neuen Ausweisgenera-tion – können sich auch neue Impulse für den Einsatzder elektronischen Unterschrift ergeben. Dadurchwürde auch der E-Commerce belebt und Betrugsfälleim Internet könnten wirkungsvoll bekämpft werden.

– Die Vorteile eines „first movers“ hinsichtlich der inter-nationalen Verankerung von Datenschutzrichtlinien

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79 – Drucksache 15/4000

sind zu beachten. Falls Deutschland eine abwartendeHaltung bei der Einführung biometrischer Merkmaleim Ausweis annehmen sollte, ist davon auszugehen,dass die in Deutschland traditionell stärkeren Daten-schutzbestrebungen durch internationale Initiativenausgehöhlt werden.

– Auch die deutsche Volkswirtschaft profitiert potenzi-ell. Deutsche Unternehmen sind im Biometriemarktmit signifikantem Marktvolumen und prognostiziertenzweistelligen Wachstumsraten grundsätzlich gut posi-tioniert. Eine erste Gegenüberstellung zeigt auf derAnwendungsseite die heutige große Dominanz des

nordamerikanischen Kontinents. Europäische und ins-besondere deutsche Unternehmen sind derzeitgezwungen, mit ihren Produkten im Ausland zu re-üssieren, da vergleichbare Großanwendungen inDeutschland fehlen. Dieser implizite Wettbewerbs-nachteil könnte durch ein entsprechendes Großprojektin Deutschland kompensiert werden. Die oftmals be-mängelte fehlende Innovationskraft Deutschlands inausgewählten Industrien könnte durch ein staatlichesVotum pro Biometrie zumindest im Hinblick auf eineausgewählte Innovationstechnologie bereinigt werden.

Die Gutachter empfehlen daher Handlungsalternative A1.

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Drucksache 15/4000 – 80 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

2. Tabellenverzeichnis

Seite

Tabelle 1 Biometrietests in den USA seit 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

Tabelle 2 Grenzkontrollanwendungen: Pilotprojekte und Tests (seit 2002) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

Tabelle 3 Weitere nationale ID-Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

Tabelle 4 Übersicht der distinktiven, für die biometrische Analyse benutzten Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

Tabelle 5 Fehlerratenangaben für Fingerabdruckverfahren in neueren Tests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

Tabelle 6 Fehlerratenangaben für Gesichtserkennungsverfahren in neueren Tests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

Tabelle 7 Fehlerratenangaben für Handgeometrieverfahren in neueren Tests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

Tabelle 8 Fehlerratenangaben für Iriserkennungsverfahren in neueren Tests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

Tabelle 9 Zusammenfassung des technischen Vergleichs . . . . . . . . . . 39

Tabelle 10 Übersicht Kostenkomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

Tabelle 11 Option 1: Biometrische Nutzung bestehender Dokumente – Kostenübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

Tabelle 12 Option 2a: Aufwertung bestehender Ausweisdokumente mit biometrischen Daten in Speichertechnik (zentral) – Kostenübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

Tabelle 13 Option 2b: Aufwertung bestehender Ausweisdokumente mit biometrischen Daten in Speichertechnik (dezentral) – Kostenübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

Tabelle 14 Option 3: Neues Dokumentenkonzept mit Speicher-elementen – Kostenübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

Tabelle 15 Übersicht Kostenkomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

Tabelle 16 Abschätzung der einmaligen Kosten – Handlungs-alternative A1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

Tabelle 17 Abschätzung der laufenden Kosten – Handlungs-alternative A1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

Tabelle 18 Abschätzung der einmaligen Kosten – Handlungs-alternative A2a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

Tabelle 19 Abschätzung der einmaligen Kosten – Handlungs-alternative A2b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

Tabelle 20 Abschätzung der laufenden Kosten – Handlungs-alternative A2a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

Tabelle 21 Abschätzung der laufenden Kosten – Handlungs-alternative A2b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

Tabelle 22 Abschätzung der einmaligen Kosten – Handlungs-alternative A3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

Tabelle 23 Abschätzung der laufenden Kosten – Handlungs-alternative A3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

Tabelle 24 Zusammenfassung Kostenabschätzung je Handlungs-alternative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81 – Drucksache 15/4000

3. AbbildungsverzeichnisSeite

Abbildung 1 Visabeantragungen in den USA von 1999 bis 2003 . . . . . . 14Abbildung 2 Kontrollsystem für die Ein- und Ausreise in die USA . . . . 15Abbildung 3 Privium-Kontrollraum am Flughafen Schiphol . . . . . . . . . . 22Abbildung 4 CANPASS-Schalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22Abbildung 5 Handscanner am Flughafen Ben Gurion . . . . . . . . . . . . . . . 23Abbildung 6 Kontrollorte biometrischer Grenzkontrollanwendungen . . . 24Abbildung 7 Verwendete Biometrien bei Grenzkontrollanwendungen

(Pilot und implementiert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24Abbildung 8 Biometrische Grenzkontrollanwendungen

nach Regionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24Abbildung 9 Erfassen der Handgeometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28Abbildung 10 Lesegerät für Fingerabdrücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29Abbildung 11 Vermessung eines Gesichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29Abbildung 12 Scannen einer Iris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30Abbildung 13 Vergleichende Bewertung von Erfassbarkeit und

Enrollment-Ausfallrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31Abbildung 14 Vergleichende Bewertung der Falschakzeptanzrate

(FAR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36Abbildung 15 Vergleichende Bewertung der Falschrückweisungsrate

(FRR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37Abbildung 16 Vergleichende Bewertung von Bedienungsaufwand/

Verständlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38Abbildung 17 Vergleichende Bewertung der Integrierbarkeit . . . . . . . . . . 41Abbildung 18 Ableitung von Handlungsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

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Drucksache 15/4000 – 82 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

4. Abkürzungsverzeichnis

AFIS Automated Fingerprint Identification System

ASBWG Aviation Security Biometrics Working Group

AsylVfG Asylverfahrensgesetz

AuslG Ausländergesetz

AZR Ausländerzentralregister

AZRG Gesetz über das Ausländerzentralregister

B & L B & L Management Consulting GmbH

BCC Border Crossing Card

BDSG Bundesdatenschutzgesetz

BKA Bundeskriminalamt

BMI Bundesministerium des Inneren

BMWA Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit

BSI Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik

C-VIS Central Visa Information System

DHS U.S. Department of Homeland Security

DoD U.S. Department of Defense

DVD Deutsche Vereinigung für Datenschutz

EBF European Biometric Forum

FAA Federal Aviation Administration

FAR False Acceptance Rate

FRR False Rejection Rate

FRVT 2000 Facial Recognition Vendor Test 2000

FRVT 2002 Face Recognition Vendor Test 2002

FVC Fingerprint Verification Competition

GAO U.S. General Accounting Office

IBG International Biometric Group

ICAO International Civil Aviation Organization

IGD Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung

IIG Institut für Informatik und Gesellschaft

ILO International Labour Organization

IMO International Maritime Organization

INS Immigration and Naturalization Service

INSPASS INS Passenger Accelerated Service System

ISO International Organization for Standardization

NIST National Institute of Standards and Technology

NPL National Physical Laboratory

NSEERS National Security Entry Exit Registration System

N-VIS National Visa Information System

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 83 – Drucksache 15/4000

PassG Passgesetz

PAuswG Personalausweisgesetz

SDÜ Schengener Durchführungsübereinkommen

SENTRI Secure Electronic Network for Travelers Rapid Inspection

SigV Signaturverordnung

SIS Schengen-Informationssystem

SMARTICS Smart Identity Card System

SOLAS International Convention for the Safety of Life at Sea

STZ Steinbeis GmbH & Co. KG für Technologietransfer – Steinbeis-Transferzentrum Biometrie und Identifikationslösungen

TAB Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag

TBG Terrorismusbekämpfungsgesetz

U.S. VISIT United States Visitor and Immigrant Status Indicator Technology

ULD-SH Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein

UNMIK United Nations Mission in Kosovo

VIS Visa-Informationssystem

WIK Wissenschaftliches Institut für Kommunikationsdienste GmbH

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Drucksache 15/4000 – 84 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Glossar

Algorithmus Rechenfunktion bzw. Rechenvorschrift.

Application Program Interface (API) Programmierschnittstelle bei Anwendungen

Authentisierung/Authentifikation Systematische Methode zur Überprüfung der Identität einer Person. Sie gibtAufschluss über die Identität einer Person, sagt jedoch nichts über deren Zu-griffsrechte aus. Einfache Authentisierungsmethoden basieren auf Nutzernameund Passwort; sicherer sind einmal verwendbare Passwörter; am sichersten sindmultimodale biometrische Verfahren.

Barcode (Strichcode) Spezieller Identifizierungscode in Form von vertikalen Balken unterschiedlicherBreite. Der Barcode stellt binäre Informationen dar, die sich mit einem opti-schen Scanner lesen lassen.

Biometric Application Program Interface (BioAPI)

Durch ein Industriekonsortium standardisierte Anwendungsprogrammier-Schnittstelle für die Integration biometrischer Systeme in Anwendungen.

Biometrischer Sensor Hardwarekomponente eines biometrischen Systems, die zunächst die biometri-schen Messdaten liefert (z. B. FingerabdrucksSensoren).

Elektronische Signatur Digitale Lösung für eine rechtsverbindliche Unterschrift auf elektronischemWege. Die so genannte qualifizierte elektronische Signatur ermöglicht, im elek-tronischen Rechts- und Geschäftsverkehr den Urheber und die Integrität vonDaten zuverlässig festzustellen. Als eine Art Siegel zu digitalen Daten ist eine„qualifizierte elektronische Signatur“ im Sinne des Signaturgesetzes eine sol-che, die auf einem zum Zeitpunkt ihrer Erzeugung gültigen qualifizierten Zerti-fikat beruht und mit einer sicheren Signaturerstellungseinheit erzeugt wird (§ 2Nr. 3).

Sie wird mit einem privaten kryptographischen Schlüssel erzeugt. Mithilfe desdazugehörigen öffentlichen Schlüssels kann die Signatur jederzeit überprüft unddamit der Signaturschlüsselinhaber und die Unverfälschtheit der Daten über-prüft werden.

Enrollment Umfasst das erstmalige Erfassen und (Ver-)Messen des biometrischen Merk-mals der zukünftigen Nutzer, die Umwandlung der Rohdaten in einen Referenz-datensatz und die Speicherung desselben, des so genannten Templates (s. u.). Sowird z. B. der Mittelwert aus drei hintereinander erfolgten Messungen desselbenFingerabdrucks gebildet und danach auf einer Smartcard (Match-On-Card-Ver-fahren, s. u.) oder in einer Templatedatenbank abgelegt.

EER (Equal Error Rate) FAR und FRR (s. u.) können nicht theoretisch berechnet, sondern müssen empi-risch ermittelt werden. FAR und FRR beeinflussen sich dergestalt, dass eine Ab-senkung der falschen Akzeptanz die falsche Zurückweisung erhöht und umge-kehrt. Bei Gleichgewicht der Werte spricht man von EER.

FAR (False Acceptance Rate) Rate falscher Akzeptanz; gibt die Wahrscheinlichkeit dafür an, dass ein fremdesIndividuum bei der Präsentation seiner Verifikationsdaten fälschlicherweise alsder rechtmäßige Eigentümer der Referenzdaten verifiziert wird. Die FAR ist ab-hängig von der gewählten Toleranzgrenze, innerhalb der die Verifikations- undReferenzdaten im Falle einer erfolgreichen Authentisierung übereinstimmenmüssen: Je kleiner die Toleranzgrenze, desto kleiner die FAR und umso größerwird dafür die FRR (s. u.).

FRR (False Rejection Rate) Rate falscher Zurückweisung; gibt die Wahrscheinlichkeit dafür an, dass derrechtmäßige Besitzer der biometrischen Referenzdaten beim Präsentieren seinerVerifikationsdaten fälschlicherweise zurückgewiesen wird. Die FRR ist abhän-gig von der Toleranzgrenze, innerhalb der die Verifikations- und Referenzdatenfür eine erfolgreiche Authentisierung übereinstimmen müssen: Je größer dieToleranzgrenze, umso kleiner wird die FRR und umso größer wird dafür dieFAR.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 85 – Drucksache 15/4000

Graph-Matching-Verfahren Verfahren zum direkten Vergleich einzelner Gesichtselemente: Das Gesicht wirdvon einer hochauflösenden Kamera erfasst; das so entstandene Gesichtsbilddurch Gitterkoordinaten bis zur größtmöglichen Übereinstimmung mit dem Re-ferenzbild verformt. Bei hinreichender Übereinstimmung des Livebildes mitdem Referenzdatensatz wird auf Identität geschlossen.

Identifikation Feststellung der Identität eines Individuums. Bei biometrischer Identifikationliefert das Individuum zunächst seine biometrischen Messdaten, aus denen dieVerifikationsdaten gebildet werden. Es wird dann eine Datenbasis von Referenz-daten von N Individuen nach solchen Referenzdaten durchsucht, die mit denpräsentierten Verifikationsdaten eine vorher festgelegte Übereinstimmung zei-gen. Mann nennt diesen Prozess daher auch 1:n-Vergleich.

Lebenderkennung Auch „live check“ oder „liveness test“ genannt. Hierbei handelt es sich um eineMethode, um sicherzustellen, dass tatsächlich auch eine lebende Person authen-tifiziert wird. Zu diesem Zwecke sucht das System z. B. nach Bewegungeninnerhalb des Gesichts, um auszuschließen, dass dem System eine Attrappe oderMaske vorgehalten wird.

Match-On-Card-Verfahren Verfahren, bei dem der Vergleich von aktuell erhobener biometrischer Informa-tion mit einer Referenzinformation auf einer Smartcard stattfindet, wobei dieReferenzinformation sich immer im geschützten Sicherheitsbereich der Kartebefindet und nicht ausgelesen werden kann.

Merkmals-Extraktions-Algorithmus Bei einem biometrischen Vergleichsverfahren werden die vom biometrischenSensor aufgenommenen Messdaten nicht komplett abgespeichert bzw. vergli-chen; es müssen charakteristische Merkmale extrahiert werden. Die Extraktionder abzuspeichernden Referenzdaten bzw. der mit ihnen zu vergleichenden Veri-fikationsdaten aus aufgenommenen Messdaten erfolgt mit einem geeignetenMerkmals-Extraktions-Algorithmus.

Minutien Charakteristische Punkte eines Fingerabdruck-Bildes wie Verzweigungs- undEndpunkte von Linien. Die mathematischen Informationen zur Codierung derMinutien werden mit einem entsprechenden Merkmals-Extraktions-Algorith-mus aus den Daten eines Fingerabdruckbildes extrahiert und als Verifikations-und Referenzdaten zur Fingerabdruckerkennung verwendet: Ein Individuumwird als Besitzer der entsprechenden Referenzdaten erkannt, wenn sie in einervorher festgelegten Anzahl von Minutien mit den Verifikationsdaten überein-stimmen.

Public Key Infrastructure (PKI) Kombination von Software und Services, um die Vertraulichkeit, Integritätund Verbindlichkeit von Anwendungen, wie etwa E-Commerce oder E-Ban-king, sicherzustellen. Mit der PKI-Software werden Transaktionen verschlüs-selt und digital signiert sowie digitale Zertifikate erstellt und verwaltet.Grundgedanke des Verfahrens ist, dass jeder Kommunikationsteilnehmer mitzwei individuellen Schlüsseln ausgestattet wird (vgl. digitale Signatur). Dereine Schlüssel, der private key (Entschlüsselungsschlüssel), muss absolut ver-traulich gehalten und entsprechend, z. B. durch biometrische Verfahren, gesi-chert werden. Der andere Schlüssel, der public key (Signaturerstellungsschlüs-sel), soll hingegen denen offen stehen, die mit dem Besitzer desSchlüsselpaares in Kommunikation stehen. Um dies zu ermöglichen, sind In-frastrukturen zu schaffen, die Möglichkeiten des Austausches von Schlüsselnund Zertifikaten zwischen den handelnden Personen ermöglichen – und zwarinnerhalb der einzelnen Organisationen, zwischen Organisationen sowie aufnationaler und internatonaler Ebene. Die hierzu notwendige komplexe Infra-struktur wird als PKI bezeichnet, wobei man vor allem organisationsinternePKIs und öffentliche PKIs unterscheidet.

Referenzdaten Die mit dem Merkmals-Extraktions-Algorithmus gebildeten, abzuspeicherndenDaten zur biometrischen Charakterisierung eines Individuums (vgl. Template).

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Drucksache 15/4000 – 86 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Smartcard Karte in der genormten Größe einer Kreditkarte, enthält einen elektronischenChip. Dieser ist durch eine Reihe von Sicherheitsmerkmalen geschützt und kannDaten speichern sowie verarbeiten. Smartcards sind in der Lage, ihre Besitzerdurch interne Prüfung eines Passwortes/PINs oder eines biometrischen Temp-lates zu erkennen. Die Smartcard wird auch als Speichermedium für persönlicheDaten genutzt.

Template Referenzdatensatz, der den Vergleichswert darstellt, mit dem bei allen darauffolgenden biometrischen Überprüfungen die neuen Messdaten übereinstimmenmüssen, um den Nutzer identifizieren zu können. Da die Messungen eines bio-metrischen Merkmals nie identische Ergebnisse ergeben, reicht ein festgelegterGrad an Ähnlichkeit mit dem Template, um einen Nutzer erfolgreich zu identifi-zieren. Es ist nicht möglich, aus einem Template das zugehörige vollständigeMessergebnis eines biometrischen Merkmals zurückzurechnen.

Toleranzgrenze Biometrische Messdaten sowie die daraus mithilfe des Merkmals-Extraktions-Algorithmus gebildeten Verifikationsdaten sind auch für dasselbe Individuumniemals gleich, sondern immer statistischen Schwankungen unterworfen. Des-halb kann man bei biometrischer Identifikation oder Verifikation niemals exakteÜbereinstimmung von Verifikationsdaten und Referenzdaten verlangen, sondernnur eine Übereinstimmung innerhalb einer gewissen Toleranzgrenze.

Transponder Dünner, kontaktloser Chip, der mit einer Antenne versehen ist und durch einelektrisches Feld mit notwendiger Energie versorgt wird. Derzeit reicht dasSpeichervolumen bis maximal 4 MB.

Verifikation Bei der Verifikation wird geprüft, ob es sich bei einer Person um diejenige han-delt, für die sie sich ausgibt. Ihre aktuell erhobenen biometrischen Daten werdennur mit ihren Referenzdaten verglichen (1:1-Vergleich).

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ISSN 0722-8333