bezahlbares wohnen

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W ohnung ist ein Grundbe- dürfnis – wie Essen und Kleidung. Es muss in einer reichen Gesellschaft wie der unseren selbstverständlich sein, dass jeder mit diesen Grundbedürfnissen versorgt ist. Der Mangel an bezahlbaren Wohnun- gen in Ballungszentren und Universi- tätsstädten ist nicht hinnehmbar. Die Merkel-Regierung hat die ge- sellschaftlichen Veränderungen ver- schlafen: Ältere etwa, die länger in der Wohnung bleiben, in der sie mit Partner und Kinder gelebt haben; die wachsen- de Zahl an Singles, von denen jeder eine eigene Wohnung nutzt und zunehmend Pendler, die berufsbedingt zwei Woh- nungen unterhalten müssen. Da hilft kein luxus-saniertes Pent- house in der City, und da hilft keine billige Bleibe am Stadtrand ohne Infra- struktur und Anbindung an den Öffent- lichen Nahverkehr. Wir brauchen in den Zentren vernünftige und bezahlbare Wohnungen für Familien, Studenten, und die wachsende Zahl an alleinste- henden Alten. Schon warnen Experten vor einer drohenden Alters-Wohnungs- not. Die SPD will mit einem Kanzler Peer Steinbrück den Wohnungsbau in Städ- ten stärken und „die ökologische Erneu- erung und den barrierefreien Umbau“ der Städte vorantreiben. Zudem will die SPD das Mietrecht so ändern, dass Wohnungen auch für Mieter mit klei- nem Geldbeutel bezahlbar bleiben und Sanierungskosten nicht zu stark auf die Mieter umgelegt werden. Nur so ist ein gutes Leben für alle in der Stadt auch in Zukunft möglich, ohne dass sich Ghettos bilden, in die die Finanz- schwächeren gedrängt werden. n NK INHALT HAUEN UND STECHEN Fünf Mieter auf Wohnungssuche, Seite 2-3 LANGER ATEM NÖTIG Interview mit dem Direktor des Mieterbundes, Seite 6 KLARE ALTERNATIVE Florian Pronold über das SPD-Programm, Seite 7 www.vorwärts.de September 2013 BUNDESTAGSWAHL 2013 – EXTRA vorwärts FOTO: DIRK BLEICKER WOHNEN: HÖCHSTE ZEIT FÜR DEN POLITIKWECHSEL In der Stadt werden Wohnungen immer teurer. Familien, Alleinerziehende, Mieter mit geringem Einkommen und Studenten bekommen dies besonders zu spüren. Die SPD will gegensteuern THEMA BEZAHLBA RE S WOHNEN Die Ziele der SPD Seiten 4-5

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Bundestagswahl 2013-Extra. Wohnen: Höchste Zeit für einen Politikwechsel

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Page 1: Bezahlbares Wohnen

W ohnung ist ein Grundbe-dürfnis – wie Essen und Kleidung. Es muss in einer

reichen Gesellschaft wie der unseren selbstverständlich sein, dass jeder mit diesen Grundbedürfnissen versorgt ist. Der Mangel an bezahlbaren Wohnun-gen in Ballungszentren und Universi-tätsstädten ist nicht hinnehmbar.

Die Merkel-Regierung hat die ge-sellschaftlichen Veränderungen ver-schlafen: Ältere etwa, die länger in der Wohnung bleiben, in der sie mit Partner und Kinder gelebt haben; die wachsen-

de Zahl an Singles, von denen jeder eine eigene Wohnung nutzt und zunehmend Pendler, die berufsbedingt zwei Woh-nungen unterhalten müssen.

Da hilft kein luxus-saniertes Pent-house in der City, und da hilft keine billige Bleibe am Stadtrand ohne Infra-struktur und Anbindung an den Öffent-lichen Nahverkehr. Wir brauchen in den Zentren vernünftige und bezahlbare Wohnungen für Familien, Studenten, und die wachsende Zahl an alleinste-henden Alten. Schon warnen Experten vor einer drohenden Alters-Wohnungs-

not. Die SPD will mit einem Kanzler Peer Steinbrück den Wohnungsbau in Städ-ten stärken und „die ökologische Erneu-erung und den barrierefreien Umbau“ der Städte vorantreiben. Zudem will die SPD das Mietrecht so ändern, dass Wohnungen auch für Mieter mit klei-nem Geldbeutel bezahlbar bleiben und Sanierungskosten nicht zu stark auf die Mieter umgelegt werden.

Nur so ist ein gutes Leben für alle in der Stadt auch in Zukunft möglich, ohne dass sich Ghettos bilden, in die die Finanz-schwächeren gedrängt werden. n NK

Inhalt

hauen und Stechen Fünf Mieter auf Wohnungssuche, Seite 2-3

langer atem nötIg Interview mit dem Direktor des Mieterbundes, Seite 6

Klare alternatIve Florian Pronold über das SPD-Programm, Seite 7

www.vorwärts.de September 2013

B u n d e s t a g s w a h l 2 0 1 3 – e X t R a

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wohnen: höchSte zeIt für den polItIKwechSelin der Stadt werden Wohnungen immer teurer. Familien, Alleinerziehende, Mieter mit geringem einkommen und Studenten bekommen dies besonders zu spüren. Die SPD will gegensteuern

thema

BezahlBareS

wohnen

Die Ziele der SPD

Seiten 4-5

Page 2: Bezahlbares Wohnen

2 Brennpunkt vorwärts Extra 2013

D ie Wohnungsnot ist längst in der Mittelschicht angekommen. eine feste Stelle, finanzielle

rücklagen, eine „gute“ Schufa-Auskunft sind keine Garanten für einen Mietver-trag. Das erfuhr der „vorwärts“ im Ge-spräch mit Wohnungssuchenden und frisch umgezogenen in Düsseldorf, köln, Berlin und Bonn. Ihnen nützt es auch nichts, wenn im ruhrgebiet oder in der Lausitz Wohnungen leer stehen.

Die Wohnungssuchenden fühlen sich heute einem Markt ausgeliefert, der von Jahr zu Jahr immer härter wird und des-sen prinzip von Angebot und nachfrage sie zu Opfern macht. unsere Beispiele zei-gen, wie sehr die Suche nach der richti-gen Wohnung Zeit und nerven, viel Geld und manchmal auch ein Stück Würde kostet. n KN

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Hat nach 60 Besichtigungen aufgegeben: Dana Khosravi fand in Düsseldorf keine bezahlbare Wohnung.

HauEn unD stEcHEn auf DEm WoHnungsmarKtWoHnungssucHE sie kostet viel Zeit und Nerven, immer mehr Geld und manchmal auch ein stück Würde. Fünf Beispiele aus der Gegenwart

Harte Landung: nach seiner Weltreise fand thomas raubach in Deutschland erstmal keine Wohung und zog bei den Eltern ein.

unfreiwillige odyssee: marlene teichmann suchte ein Zimmer in Berlin, wie 35 000 studierende auch. Jetzt kann sie es einrichten.

Vom Vermieter herausgedrängt: carl-friedrich Höck hatte die schikanen des Hausbesitzers satt und zog aus.

EWigE sucHE oHnE ErfoLgDana KHosraVi

Man könnte meinen, dass Dana khos-ravi schnell eine Wohnung findet: Mit ihren 22 Jahren ist sie schon fest ange-stellt, als Mitarbeiterin im nordhrein-westfälischen Landtag, und bezieht ein festes einkommen. Sie hat keine Haus-tiere und sieht nicht aus, als würde sie jede nacht laute partys feiern. und doch hat sie nach zweieinhalb Jahren und 60 – in Worten sechzig! – Besichtigun-gen die Suche in Düsseldorf aufgegeben. Dana khosravi findet sich jetzt mit ihrer eigentlich zu kleinen 24-Quadratmeter einraumwohnung ab. Die mit 380 euro Warmmiete auch nicht spottbillig ist. Zähneknirschend tut sie das, denn vor allem stören sie die nachbarn unter ihr, die zur neonaziszene gehören. polizei-besuche wegen Drogen inklusive.

Doch khosravi ist schlicht die puste ausgegangen: Ständig die „Bewerbungs-mappe“ mit Schufa-Auskunft, Lebens-lauf und Arbeitsvertrag aktuell halten, Vermietern und Maklern Auskunft über privatleben und Finanzsituation geben. Wo sie denn geboren sei, wollte ein Mak-ler wissen, nachdem sie ihren nachna-men genannt hatte.

und dann die Besichtigungen selbst, im Hausflur mit Dutzenden anderen: „Manchmal wird man schon am ein-gang abgelehnt, weil der Vormieter nach Sympathie entscheidet, wen er reinlässt“, erzählt die junge Frau. und die Wohnungen: eine hatte keine Hei-zung, eine andere keinen Fußboden. und das bei 500 euro Warmmiete! Das Fazit nach 60 Besichtigungen: eine ein-zige Wohnung hätte sie haben können – da verlangte der Vormieter plötzlich Abstand für einen vergammelten kü-chenschrank. khosravi lehnte ab.

Am meisten aber setzte ihr „das stän-dige Hoffen und Bangen“ zu. n YH

Page 3: Bezahlbares Wohnen

vorwärts Extra 2013 Mieten 3

70tausend Unterkünfte werden für Studierende benötigt.

250tausend Mietwohnungen werden bundesweit gesucht.

zU wEnig wohnUngEn

QuelleN: eduard Pestel-INstItut für systemforschuNg, JuNI 2013; deutscher mIeterbuNd; buNdes-mINIsterIum für Verkehr, bau uNd stadteNtwIckluNg

aUf EinEn blick

EiSkalt hEraUSgEdrängtcarl-friEdrich höck

in seine derzeitige Wohnung in Berlin-Friedrichshain ist vorwärts-Redakteur Carl-Friedrich Höck 2005 gezogen. „Das war damals schon ein aufstrebendes Viertel, doch die Wohnungen waren auch noch für Studenten bezahlbar“, sagt er. Student war er damals auch noch. Zu-sammen mit zwei Freunden gründete er eine Wohngemeinschaft. Für rund 450 euro Kaltmiete fanden die drei eine 90-Quadratmeter-Wohnung.

„ende 2011 begann dann der Ärger“, sagt Höck. Mittlerweile hatte eine an-dere immobilienfirma das Haus über-nommen. Diese kündigte nun eine Sa-nierung an und teilte den Mietern mit, dass die Wohnungen im Haus in eigen-tumswohnungen umgewandelt werden. „Zunächst versuchte die Firma, uns und andere Mieter mit Abfindungen aus dem Haus zu locken“, schildert Höck diese Zeit. „Dann hat die Hausverwaltung uns un-freundliche Briefe geschickt. Darin hat sie die Belastungen für uns während der anstehenden Sanierung drastisch ge-schildert und gleichzeitig eine noch un-bezifferte Mieterhöhung angekündigt.“ Schließlich lag eine Räumungsklage im Briefkasten. Wegen unerlaubter Unter-vermietung, wie die Hausverwaltung behauptete.

„Der Druck wirkte“, sagt Höck. er und seine Mitbewohner einigten sich mit dem Vermieter auf einen Auszug in diesem Jahr. nun suchen sie nach einer neuen Wohnung. „es ist eine Katastro-phe“, sagt Höck. Die nettokaltmieten für vergleichbare Wohnungen lägen in Friedrichshain mittlerweile zwischen 800 und 1000 euro, hätten sich also in acht Jahren verdoppelt. „ich weiß nicht, wo junge Leute ohne größeres einkom-men soviel Geld hernehmen sollen“, sagt er ein wenig verzweifelt und ratlos.

„Gerade Studenten und Kreative mit wenig Geld haben Friedrichshain bunt und lebenswert gemacht. Doch für sie ist hier nun kein Platz mehr.“ n FH

Quelle: dIw wocheNberIcht Nr. 45.2012

wohnen wird immer teurer

Steigerung der Preise bei Neuvermietungen von Januar 2007 bis September 2012

in Prozent

Berlin

HamBurg

müncHen

DüsselDorf

DresDen

Hannover

Köln

25-stäDte-DurcHscHnitt

DortmunD

leipzig

27,6

23,3

15,9

14,4

13,3

11,1

10,2

10

6,6

2,7

2,5Millionen wohnungen für Senioren fehlen bundesweit.

richtig gläSErn Und nacktthoMaS raUbach

Als thomas Raubach ende April von sei-ner Weltreise zurückkehrt, ist sich der 32-jährige it-Projektmanager absolut si-cher: „in zwei Wochen habe ich für meine Freundin Yoko und mich eine Wohnung gefunden.“ Seine Suchkriterien im in-ternet: Keine Courtage, Balkon, 450 euro Kaltmiete. er meldet sich arbeitslos, zieht – vorübergehend – in das Gästezimmer der eltern bei Leverkusen.

Zweieinhalb Jahre hat er die Welt bereist: Australien, Vietnam, Peru. Zwi-schendurch wohnte und arbeitete er auf

SchiMMElgErUch iM ziMMErMarlEnE tEichMann

einen Umzug hätte Marlene teichmann nun nicht auch noch gebraucht. Die Ju-ra-Studentin bereitet sich gerade auf ih-re Zwischenprüfung vor, sitzt jeden tag viele Stunden in der Bibliothek. Doch als die Zusage für das WG-Zimmer kam, war die junge Frau trotzdem überglück-lich. „ich hatte ja die Hoffnung schon fast aufgegeben, überhaupt etwas zu finden“, sagt sie. Vor zwei Jahren bekam Marlene teichmann ihre Zulassung zum Studium in Berlin – gleichzeitig mit 35 000 anderen. „Wenn so viele Stu-dierende auf einmal eine Unterkunft suchen, ist es fast aussichtslos, etwas zu finden.“ Doch teichmann hatte Glück: erst wohnte sie zwei Monate im Studen-tenwohnheim, danach fand sie ein WG-Zimmer zur Untermiete.

Als der eigentliche Mieter im Februar seine Rückkehr ankündigte, begann für Marlene teichmann die Odyssee. Sie be-sichtigte Zimmer, die nach Schimmel ro-chen und trotzdem 380 euro pro Monat kosten sollten, und nahm an unzähligen WG-Castings teil. einmal musste sie Fra-gen beantworten von ihrem Musikge-schmack bis zu ihren Kochgewohnhei-ten. ein anderes Mal musste sie mit 30

gElinkt voM vErMiEtErJohanna SchMidt

Johanna Schmidt (name geändert) hat ein gutes einkommen. eine schöne Woh-nung ist ihr wichtig. nur die Vermieter….

nach mehreren Umzügen verzweifelt die Bonnerin allmählich. Das Gefühl, in ihrer Wohnung wirklich zu Hause zu sein, schwindet, das verunsichert tief. Sie erfährt bei Hundespaziergängen, dass es vielen Älteren so geht.

Beim ihrem Auszug nach fünf Jahren ließ die Vermieterin auf ihre Kosten die 30 Jahre alte Wohnung grundrenovieren: nicht nur die Wände streichen, sondern türen, Fenster etc. Statt zum Anwalt zu gehen, zahlte Johanna Schmidt zähne-knirschend. Der zweite Umzug war schon ein Jahr später. Das ruhige Fachwerkhaus entpuppte sich als Lärmhölle. im Festsaal des angebauten nebenhauses wurde re-gelmäßig bis gegen Morgen getanzt und gegrölt. eine Anwältin klagte sie raus, der Vermieter zahlte den Umzug.

Die jetzige Wohnung: teuer, schön, wunderbare Lage. Aber der Vermieter will ständig mehr Geld, die örtliche Ver-gleichsmiete interessiert ihn nicht. er ver-sucht, Reparaturen grundsätzlich auf sei-ne Mieterin abzuwälzen, vier Jahre lang funktionierte die Heizung nicht. trotz schriftlicher Zusagen passiert – nichts. Sie geht zum Anwalt, will aber ihren Frieden, gibt deshalb immer wieder nach. Wieder umziehen? Das übersteigt ihr Budget. Sie liebt ihr Umfeld. Und für Wohnungen, in denen sie gerne leben würde, zahlt man in der mittelgroßen Stadt mit drei DAX-Unternehmen inzwischen Mondpreise.

Sie ist nun über 60, altengerecht ist die Wohnung mit den vielen treppen nicht. Sie verdrängt, was in allen Zeitungen zu lesen ist: Dass 2,5 Millionen Senioren-wohnungen fehlen, dass rund 40 Milli-arden euro investiert werden müssten, um Alterswohnungsnot vorzubeugen. Der Mieterbund warnt vor dem sozialen „Wohn-Abstieg“. Den Gedanken daran, was das eines tages auch für sie bedeuten könnte, ignoriert sie lieber. n RFH

Kaffeeplantagen oder suchte sich ein festes Domizil. „Ganz problemlos. Am Straßenrand stehen Schilder: Vacancy, zu vermieten. ich konnte die Räume so-fort besichtigen, zeigte die Kreditkarten-nachweise, eine Art Schufa-Auskunft und bekam selbst als Ausländer fast jede Wohnung.“

in Deutschland erlebte Raubach das Gegenteil: „es geht nur um Fakten und um Geld.“ immer ist die erste Frage: Was ist ihr Job? „Viele Vermieter haben am telefon wortlos aufgelegt, wenn sie hör-ten, ich war im Ausland und bin vorerst arbeitslos.“ Oder wollten wissen, ob die eltern für ihn bürgen würden.

Richtig „gläsern und nackt“ habe er sich vor allem bei den „unverschämt-indiskreten“ Fragebögen gefühlt: Haben sie laufende Kredite? Adresse des letzten Arbeitgebers? netto-einkommen? Wäh-rend der Besichtigung mit über 20 Leuten drehten sich manche Vermieter einfach um, wenn sie hörten, dass Raubach ar-beitslos ist. Letztendlich entschied er, sich „zu offenbaren“:

„ich habe einen Kontoausdruck vor-gelegt, auf dem steht, wie lange das Ar-beitslosengeld gezahlt wird. Habe mein Sparbuch gezeigt und aktuelle Schufa-Auszüge. Dann klappte es.“ Raubach ist überzeugt davon: Hätte er nicht so viel über seine Finanzsituation preisgegeben, könnte er im September nicht die neue Wohnung beziehen. n MM

Mitbewerbern durch die Wohnung lau-fen und versuchen, bei den Bewohnern einen bleibenden eindruck zu hinterlas-sen. „Zum Schluss wurden wir alle mit einer nummer fotografiert, damit sie uns zuordnen konnten.“

Die WG, in die Marlene teichmann vor wenigen tagen gezogen ist, hat sie über das internet gefunden. „Das Zimmer ist super“, sagt sie – auch wenn es an ei-ner stark befahrenen Straße in neukölln liegt und die Kosten mehr als die Hälfte ihres monatlichen Budgets verschlingen. „Außerdem erhöht sich die Miete jedes Jahr automatisch um zehn euro, aber das ist ja mittlerweile fast überall so.“ n KD

Page 4: Bezahlbares Wohnen

eine solidarische stadt und bezahlbares Wohnen – die ziele der sPd

die sPd führt eine echte Mietpreisbremse ein: Mieten dürfen nur alle vier Jahre um maximal 15 Prozent angeho-ben werden. bei Wiedervermietung dürfen sie maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen.1.die sPd baut das Programm „soziale stadt“ als leitprogramm der städtebauförderung aus: benachteiligte stadtteile werden künftig mit 150 Millionen euro pro Jahr gefördert.2.die sPd fördert genossenschaftliches Wohnen: Genossenschaften werden mit einem speziellen Programm unterstützt. Mit privaten und städtischen Wohnungsgesellschaften schaffen sie neuen Wohnraum.3.die sPd führt bei der Maklergebühr das Prinzip: „Wer bestellt, der bezahlt“ ein. Wer einen Makler beauftragt, muss künftig die Kosten tragen, und nicht wie bisher regelmäßig der Mieter. 4.der sPd sind städte und Gemeinden etwas wert: die städtebauförderung wird vom bund künftig mit 700 Millionen euro pro Jahr ausgestattet, innenstädte werden aufgewertet und soziale brennpunkte entschärft.5.die sPd schützt das Portemonnaie der Mieter: Modernisiert ein Vermieter die Wohnung, darf er nur noch neun Prozent der Modernisierungskosten auf den Mieter abwälzen statt bisher elf.6.die sPd stärkt die rechte der Mieter: Wird ein Gebäude energetisch saniert und entstehen dadurch für den Mieter nachteile, darf dieser seine Miete mindern – vom ersten Monat an.7.die sPd fördert den Klimaschutz im Gebäudebereich: die Programme zur energetischen sanierung werden mit Mitteln in höhe von mindestens 2 Milliarden euro wieder in den bundeshaushalt eingestellt.8.die sPd kümmert sich um die sozial schwachen: der von schwarz-Gelb abgeschaffte heizkostenzuschuss beim Wohngeld wird wieder eingeführt und das Wohngeld für haushalte mit niedrigem einkommen erhöht.9.die sPd steht für sozialen ausgleich durch bezahlbare Mieten: ein drittel des Wohnraums, der neu geschaffen wird, soll für sozialwohnungen bereitgestellt werden.10.

Page 5: Bezahlbares Wohnen

Spaltung der Städte und Steigende Mieten – die taten von Cdu/CSu und Fdp

Cdu/CSu und Fdp führen die Menschen bei der Mietpreisbremse hinters licht: obwohl die Kanzlerin sie öffentlich-keitswirksam fordert, lehnen die Koalitionsfraktionen entsprechende vorschläge der opposition im Bundestag ab.

Cdu/CSu und Fdp sind die Wohnbedürfnisse älterer Menschen egal: die Mittel für das programm „altengerecht umbauen“ hat Schwarz-gelb vollständig gestrichen.

Cdu/CSu und Fdp setzen die Menschen auf die Straße: Wird ein Mieter zahlungsunfähig, verliert er schneller seine Wohnung. die Bundesregierung hat ein beschleunigtes verfahren für Wohnungsräumungen beschlossen.

Cdu/CSu und Fdp vertreten nur die interessen der vermieter: Wird ein gebäude energetisch saniert, darf der Mieter seine Miete nicht mehr mindern – selbst wenn ihm durch die Sanierung nachteile entstehen.

Mit Cdu/CSu und Fdp breitet sich soziale Kälte aus. die Bundesregierung hat den Heizkostenzuschuss beim Wohngeld abgeschafft. vor allem Haushalte mit niedrigem einkommen und kleinen renten leiden darunter.

Cdu/CSu und Fdp spalten Städte und gemeinden: Schwarz-gelb hat das programm „Soziale Stadt“ auf nur 40 Millionen pro Jahr zusammengekürzt. das ist weniger als die Hälfte der Mittel des Jahres 2009.

Cdu/CSu und Fdp machen Mieter rechtlos: Streiten sich Mieter und vermieter in einem räumungsprozess über Mietzahlungen, kann das gericht die sofortige Zahlung eines teils der Mietkosten anordnen.

Cdu/CSu und Fdp wollen Wohnen nur für reiche: Zahlen Mieter die Kaution für ihre Wohnung nicht frist-gerecht, können vermieter das Mietverhältnis ohne abmahnung fristlos kündigen.

Für Cdu/CSu und Fdp ist Klimaschutz nur ein lippenbekenntnis: die Bundesregierung hat die Mittel für das Co2-gebäudesanierungsprogramm in den finanziell unberechenbaren energie- und Klimafonds (eKF) ausgelagert.

Cdu/CSu und Fdp stehen für unsoziale verhältnisse: die Bundesregierung hat das sozial gestaltete Mietrecht erst im Mai dieses Jahres durch ein mieterfeindliches ersetzt.

Grafik: Vorwärts unter VerwendunG der skylines Von chris hortschvorwärts

Page 6: Bezahlbares Wohnen

6 Brennpunkt vorwärts Extra 2013

»DEr LangE atEm ist wichtig«wohnungsbau Nur mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen ist die Misere auf dem Wohnungsmarkt zu stoppen, sagt Mieterbund-Direktor Lukas Siebenkotten Interview Yvonne Holl

Wer heute in Deutschland umziehen muss und nicht reich ist, hat in der Regel ein Problem. Was ist schief gelaufen? politik und Wohnungswirtschaft ha­ben viel zu spät darauf reagiert, dass die nachfrage nach bezahlbaren Wohnun­gen in Ballungsgebieten stark angestie­gen ist. es wurde viel zu wenig gebaut.Dass die Innenstadtbezirke für Normalbürger unerschwinglich sind, ist anderswo, etwa in New York oder London, längst der Fall. eines der erfolgsrezepte Deutschlands und der einigermaßen stabilen Wohn­situation ist, dass wir wenig Bereiche haben, in denen nur reiche oder nur Ar­me wohnen. Das macht unsere Städte aus, und das soll so bleiben. Wir wollen keine new Yorker oder pariser Verhält­nisse, keine Ghettos oder Banlieus.Gibt es zu wenig Wohnungen oder nur zu wenige in manchen Lagen?es gibt genug Wohnungen, nur sind die nicht an der richtigen Stelle. Wo ist das?Auf dem Land und in einigen Großstäd­ten, etwa im ruhrgebiet. Gelsenkirchen hat viel Leerstand. Aber wer in Mün­

chen arbeitet, dem nützt eine Wohnung in Gelsenkirchen nichts. In einigen Medien kippt die Stimmung in Richtung: Studenten und Familien sind zu wählerisch und wollen nur in Szenebezirke. Haben Wohnungs­suchende zu hohe Ansprüche?Das halte ich für kompletten unsinn. In klassischen Studentenstädten mag das vorkommen, aber in den Ballungszent­ren geht es darum, dass der polizist, die krankenschwester kaum mehr in der Lage sind, sich im inneren Bereich ih­rer Stadt eine Wohnung zu leisten. und da muss ich Ihnen ehrlich sagen: Da stimmt was nicht. Gegenfrage: Wollen wir denn, dass die Leute wieder weit rausziehen müssen? Vor 20 Jahren war das en vogue. Wenn wir das heute wie­der wollen, bekommen wir auch eine deutlich stärkere Verkehrsbelastung. klimapolitisch ist das mit Sicherheit völlig daneben. Das streben wir nicht an. Ich finde, dass jemand, der in einer Stadt wohnen will, auch in dieser Stadt wohnen können sollte und nicht nur an ihrem rand.Wie kann die Wohnsituation wieder verbessert werden?

Wir benötigen mehr Wohnungen in bestimmten Gebieten. München, Ham­burg, köln Frankfurt, teile Berlins, Düs­seldorf, universitätsstädte.

Was wir brauchen ist eine Art na­tionale kraftanstrengung von Bund, Ländern und kommunen. Dass alle drei ebenen sich zusammensetzen und überlegen: Was können wir zusammen auf die reihe bekommen? Wie kann das aussehen?Von Seiten des Bundes: Steuererleich­terungen bei Abschreibungen für den Wohnungsneubau. Wir fordern eine erhöhung von zwei auf vier prozent, damit die Abschreibung nicht nach 50, sondern nach 25 Jahren komplett er­folgt ist.

Die Länder können Wohnungsbau verlässlich fördern, indem sie die Bun­desmittel auch wirklich für den Miet­wohnungsbau einsetzen, was bislang nicht immer geschieht, und indem sie selbst Geld dafür bereitstellen.

Die kommunen kommen bei der Vergabe von bezahlbarem Bauland ins Spiel. Außerdem müssen etwa in Mün­chen Investoren, die eine Baugenehmi­gung für Wohngebäude beantragen, ab einer bestimmten Größe des Vorha­bens auch einen teil Sozialwohnungen schaffen. Das ist wirksam.

Außerdem können Städte und Ge­meinden mit eigenen Wohnungsbauge­sellschaften einfluss nehmen. Und so lösen wir das Wohnungs­problem?es gibt kein Allheilmittel. Wir setzen auf einen Mix, dazu gehört auch der Ausbau von Wohnungsbaugenossen­schaften und eventuell die Wiederbe­lebung der Idee der Werkswohnungen und zum Beispiel eine Begrenzung bei Wiedervermietung. Was ist langfristig zu tun, damit nicht in zehn oder 20 Jahren das gleiche Problem erneut auftaucht?kontinuierlich nachbauen und ersatz für Wohnungen schaffen, die in mise­rablem Zustand sind. Hamburgs erster Bürgermeister Olaf Scholz hat ange­kündigt, jährlich 6000 Wohnungen zu schaffen; und zwar nicht nur, bis der Wohnungsmarkt ausgeglichen ist, son­dern darüber hinaus. Bislang ist politik da oft zu hektisch, baut, wenn Mangel herrscht und lässt alles fallen, wenn er überwunden ist. Das hat Scholz erkannt.

In der Wohnungspolitik ist der lange Atem am wichtigsten. n

mehr als 250 000 wohnungen fehlen in deutschen städten, hat der Deutsche mieterbund herausgefunden.

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»Wer in München arbeitet, dem nützt die Wohnung in Gelsenkirchen nichts.«Lukas Siebenkotten,Direktor des Deutschen Mieterbundes

Page 7: Bezahlbares Wohnen

1,6Millionen sind vorhanden.

5,6Millionen werden gebraucht

Bedarf an Sozial-wohnungen

Quelle: eduard Pestel-InstItut für systemforschung, august 2012, studIe „Bedarf an sozIalwohnungen In deutschland“

vorwärts extra 2013 Mieten 7

D ie Mieten explodieren, wir er-leben Preisexzesse bei Wieder-vermietungen, und Wohnungs-

neubau findet zu wenig statt. Gleichzeitig beschneidet die schwarz-gelbe Bundesre-gierung die Mieterrechte. Sie stimmt im Bundestag gegen eine Begrenzung der Mieterhöhung bei Wiedervermietungen und stellt einen Bauminister, den die Wohnungsbaupolitik nicht interessiert.

in den fast vier Jahren dieser schwarz-gelben Regierungszeit herrscht woh-nungspolitischer Stillstand. es wurde nichts unternommen, um die Mietpreis-spirale zu bremsen und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. im Gegen-teil: Die Koalition beschloss, 2010 die Städtebauförderung radikal zu kürzen. Dann wurde 2011 der gerade erst 2009 eingeführte Heizkostenzuschuss zum Wohngeld gestrichen, und 2012 strich die Bundesregierung die Gelder für das Programm „Altersgerecht Umbauen.“ Die Bundesmittel für die Soziale Wohnraum-förderung werden weiter ohne Zweckbin-dung an die Länder fließen, und die KfW-Programme des energetischen Bauens und Sanierens sind nicht solide finan-ziert. All das ging und geht zu Lasten von Menschen mit kleinem einkommen.

Die SPD stellt diesem Versagen ein klares Programm gegenüber. Drei gro-ße Bausteine prägen unser Aktionspro-gramm:1. Mietpreisspirale stoppen, Mieterin-

nen und Mieter entlasten,2. neubau von bezahlbarem Wohnraum,3. Wohnungsbestände sichern und wei-

terentwickeln.Um die Preisexzesse auf dem Miet-

markt zu stoppen, werden wir bei Be-standsmieten mögliche Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete auf 15 Prozent in vier Jahren begrenzen. Und bei Wiedervermietungen dürfen Miet-erhöhungen bei der neuen Miete nicht mehr als 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete betragen. Das gilt nicht für erstvermietungen im neubau.

Zur entspannung auf den Wohn-märkten brauchen wir Wohnungsneu-

bau. Dieser neubau ist aber meist nicht im Rahmen der ortsüblichen Vergleichs-miete realisierbar. Wir wollen daher, dass rund 30 Prozent der neuen Wohnungen mietpreisgebunden sind, – damit auch Rentner und Studenten zentral und in guten Lagen wohnen können.

Die Begrenzung der Wiedervermie-tungen im Bestand ist deshalb so wichtig, weil die neuvertragsmieten von heute die Bestandsmieten von morgen sind und diese den Mietspiegel dann insgesamt in die Höhe treiben.

Unverzüglich werden wir die von Schwarz-Gelb vorgenommene ein-schränkung des Mietminderungsrechts bei energetischen Sanierungen rück-gängig machen. Auch sollen nur noch 9 Prozent statt bisher 11 Prozent der Sanierungskosten auf die Miete umge-legt werden dürfen. Mieterinnen und Mieter müssen stärker entlastet werden. Hierzu gehört auch, dass wir die Makler-gebühren neu regeln. Für Maklerkosten muss wie auch überall sonst gelten: wer bestellt, der bezahlt. Und wir werden den von Schwarz-Gelb abgeschafften Heizkostenzuschuss beim Wohngeld wieder einführen und das Wohngeld anpassen, um Haushalte mit niedrigem einkommen zu entlasten.

nur ein ganzes Paket von Maßnah-men zur Baulandbereitstellung, Woh-nungsneubau, klugem Bestandsma-nagement, sozialer Stadterneuerung und aktiver Mietenpolitik wird nachhaltig bezahlbares Wohnen sichern. Mit unse-ren drei großen Bausteinen werden wir uns dem Auseinanderdriften unserer Stadtviertel stellen, den sozialen Zusam-menhalt wieder festigen und die fatale Mietenentwicklung eindämmen – zu-sammen auf allen ebenen: Bund, Länder und Kommunen. n

klare alternative zu Schwarz-gelBwohnungSpolitik die sPd will die mietpreisspirale stoppen und mehr bezahlbaren wohnraum schaffen Von Florian Pronold

auf einen Blick

Quelle: wohn-Index des hamBurger forschungsInstItuts f+B (auf der grundlage von mIetsPIegeln Bzw. datenBanken zu neuvermIetung)

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Impressumherausgeberin: andrea nahles redaktionsadresse: Berliner vorwärts verlags-gesellschaft mbh Pf 610322, 10925 Berlin tel. 030/25594-100 fax 030/25594-390 redaktion@ vorwaerts.de redaktion: karin nink (chefredak-teurin); lars haferkamp (textchef); dagmar günther (cvd); hendrik rauch (Bildred.); kai doering, yvonne holl layout: dirk Bleicker, Jana schulze geschäftsführung: guido schmitz

florian pronold: im kompetenzteam von peer Steinbrück ist er für wohnungsbau zuständig.

steIgende preIse – sInkende Löhnein Prozent

1,3

1

2,6

2

0,5

2,6

2008 2009 2010 2011 2012

3

2,5

2

1,5

1

0,5

VerbraucherpreisereallohnneuVermietung

Page 8: Bezahlbares Wohnen

vorwärts-Sonderheft

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