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Bilanzierung MAQ-gerechter Querungs- hilfen bei Straßenausbauvorhaben - Ermittlung des Anteils an Vermeidung und an Kompen- sation für großräumig wandernde Säuger - Populationsbiologischer Bilanzierungsansatz (Büro H2) und Planerischer Bilanzierungsansatz (HMWEVL) Verfasser Büro H2 Ökologische Gutachten Rumfordstraße 42 80469 München Bearbeitung U. Heckes (im Auftrag HMWEVL) Hessisches Ministerium für für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung (HMWEVL) Kaiser-Friedrich-Ring 75 65185 Wiesbaden

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Bilanzierung MAQ-gerechter Querungs-

hilfen bei Straßenausbauvorhaben

- Ermittlung des Anteils an Vermeidung und an Kompen-

sation für großräumig wandernde Säuger -

Populationsbiologischer Bilanzierungsansatz (Büro H2)

und

Planerischer Bilanzierungsansatz (HMWEVL)

Verfasser

Büro H2 Ökologische Gutachten

Rumfordstraße 42

80469 München

Bearbeitung U. Heckes

(im Auftrag HMWEVL)

Hessisches Ministerium für

für Wirtschaft, Energie, Verkehr

und Landesentwicklung (HMWEVL)

Kaiser-Friedrich-Ring 75

65185 Wiesbaden

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

1

Auftraggeber

Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie,

Verkehr und Landesentwicklung

Kaiser-Friedrich-Ring 75

65185 Wiesbaden

Februar 2018

Foto Titelblatt: Hessen Mobil

Ullrich Heckes Monika Hess

München, 25.05.2018

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

2

I n h a l t

1 Aufgabenstellung ........................................................................ 3

2 Vorgehensweise und Zusammenfassung ............................................. 4

3. Populationsbiologischer Bilanzierungsansatz ...................................... 9

3.1 Grundsätzlicher Ansatz ......................................................................... 9

3.2 Mögliche Vorgehensweise ..................................................................... 10

3.2.1 Identifizierung von Zielarten ................................................................. 10

3.2.2 Abgrenzung der betroffenen Populationen, Abschätzung Ne ........................... 11

3.2.3 Mögliche Maßnahmen zur Sicherung der Populations-Teile ............................. 11

3.2.4 Querungsbauwerke ............................................................................. 12

3.2.5 Straße ............................................................................................. 13

4. Planerischer Bilanzierungsansatz................................................... 15

4.1 Grundsätzlicher Ansatz ........................................................................ 16

4.2 Mögliche Vorgehensweise - Bilanzierung der Flächenaufwertung durch Wieder-

vernetzungsmaßnahmen auf der Grundlage der hessischen Kompensationsver-

ordung und beispielhafte Verdeutlichung an zwei Beispielfällen ...................... 21

4.3 Ermittlung des Anteils an Vermeidung und an Kompensation durch die

Querungshilfe im Rahmen von Straßenausbaumaßnahmen ............................. 25

5 Literatur und Rechtsgrundlagen .................................................... 27

6 Anhang: Prüfung der Bewertungsvoraussetzungen für den populations-

biologischen Bilanzierungsansatz ........................................ 28

6.1 Allgemeine Angaben zur Wildkatze ......................................................... 28

6.2 Wirkung von Bundesfernstraßen auf die Populationen der Wildkatze ................ 29

6.3 Eignung der Grünbrücken für die Art, andere Querungsmöglichkeiten .............. 47

6.4 Inwertsetzung Grünbrücken anhand der Populationen der Wildkatze ................ 52

6.5 Kursorische Prüfung weiterer Großsäugerarten ........................................... 55

7 Literatur................................................................................. 59

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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1 Aufgabenstellung

In Hessen soll der Einsatz von MAQ-gerechten Grünbrücken als Instrument der flä-

chensparsamen Eingriffskompensation nach § 15 Abs. 3 Bundesnaturschutzgesetz

(BNatSchG) gestärkt werden. Hierfür sind methodische Rahmenbedingungen, die ein

einheitliches Vorgehen bei der Ermittlung der Kompensationswirkung der Querungs-

hilfen erleichtern, hilfreich. Daher will das Hessische Ministerium für Wirtschaft,

Energie, Verkehr und Landesentwicklung mittels des vorliegenden Grundsatzgutach-

tens erste Eckpunkte zu einer systematischen Bewertung von MAQ-gerechten Que-

rungshilfen im Sinne der Eingriffsregelung vorlegen. Ziel ist es, Vorgaben zu entwi-

ckeln, wonach eine Querungshilfe auf Basis ihrer konkreten Funktion an einer gege-

benen Stelle bei Ausbauvorhaben im Bundesfernstraßennetz individuell bilanziert

werden kann. Dabei soll die bei Ausbauvorhaben häufig auftretende anteilige Funk-

tion von Grünbrücken hinsichtlich der Vermeidung einer durch den Straßenausbau be-

dingten verstärkten Zerschneidung (Vermeidungsfunktion)und hinsichtlich der Ver-

besserung der Durchgängigkeit gegenüber dem Status quo (Kompensationsfunktion)

bewertbar sein. Angestrebt ist eine konsistente Matrix, in der die verschiedenen Kri-

terien der Bedeutsamkeit so gewichtet und skaliert werden, dass sie nach Aggrega-

tion letztlich in Wertpunkte gemäß der Hessischen Kompensationsverordnung umzu-

setzen sind. Die Matrix soll primär für mindestens 50 m breite Grünbrücken im hessi-

schen Waldbiotopverbundsystem – d. h. mit Blick auf die hier potenziell besonders

profitierenden Arten mit hohem Raumanspruch bzw. großräumiger Ausbreitung (z. B.

Rot-, Schwarzwild, Wildkatze, Luchs)- entwickelt werden, aber auch die Bilanzierung

der Lebensraumvernetzung von Arten mit kleineren Aktionsräumen (z. B. Haselmaus)

ermöglichen. Dies entspricht dem grundsätzlichen Ziel, dass Querungshilfen mög-

lichst vielen Arten zugute kommen sollen.

Keine Aussage wird im vorliegenden Gutachten zu den artenschutzrechtlichen Ver-

botstatbeständen des § 44 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) getroffen. Die arten-

schutzrechtlichen Prüfschritte unterscheiden sich grundsätzlich von der hier betrach-

teten Kompensationswirkung von MAQ-gerechten Querungshilfen nach der Eingriffsre-

gelung, bei der die Bilanzierbarkeit des positiven Effektes dieser Querungshilfen auf

den Lebensraumverbund derZielarten im Vordergrund steht.

Im Kontext der hier betrachteten Kompensationswirkung von MAQ-gerechten Que-

rungshilfen zur Waldlebensraumvernetzung wird in Hessen die Wildkatze Felis s. sil-

vestris als Zielart betrachtet, die repräsentativ für andere großräumig wandernde

Säuger ist und auf die sich deshalb die Untersuchung maßgeblich konzentrieren

sollte. Eine weitere Art, die die o.g. Kriterien erfüllt, ist z.B. der Luchs. Gemäß dem

derzeit gültigen Merkblatt zur Anlage von Querungshilfen für Tiere und zur Vernet-

zung von Lebensräumen an Straßen (MAQ 2008) benötigen diese Arten zur sicheren

Straßenquerung breite Wildbrücken bzw. Grünbrücken (≥ 50 bis ≥ 80 m) oder ent-

sprechend dimensionierte Unterführungen, insbesondere Talraum-Überbrückungen.

Bei der derzeit erfolgenden Überarbeitung des Merkblattes werden, entsprechend ak-

tueller Erkenntnisse über die Art, deutlich geringere Dimensionen vorgesehen. Au-

ßerdem werden Faunatunnel behandelt. Es liegt aber noch kein zitierfähiges Text-

Entwurfsstadium vor, so dass vorliegend auf die Fassung aus dem Jahr 2008 Bezug ge-

nommen wird.

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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2 Vorgehensweise und Zusammenfassung

Eine wesentliche rechtliche Grundlage für den Bau von Querungshilfen bildet die Ein-

griffsregelung nach § 13 ff. BNatSchG, in Verbindung mit den landesrechtlichen Rege-

lungen. Relevant sind insbesondere § 15 Abs. 3 BNatSchG (vorrangige Prüfung von

Maßnahmen zur Wiedervernetzung von Lebensräumen aus Gründen der flächenspar-

samen Kompensation) sowie § 2 Abs. 2 Nr. 4 und Anlage 2 Ziffer 2.2.2 der hessischen

Kompensationsverordnung (Regelungen zur Bewertung für die Aufwertung oder Neu-

schaffung von Vernetzungsbeziehungen).

Bei der Bilanzierung der Kompensationswirkung von Grünbrücken im Rahmen des Aus-

baues vorhandener Straßen ist nur der kompensatorische Anteil, der nicht zur Ver-

meidung der erhöhten Zerschneidung durch den Ausbau dient, einzubeziehen.

Zur Klärung, nach welchen methodischen Eckpunkten die Aufwertung einer Vernet-

zungsbeziehung durch eine Grünbrücke als Eingriffskompensation bilanziert werden

kann, werden nachfolgend ein populationsbezogener (vgl. Kap. 3) und ein planeri-

scher Ansatz (vgl. Kap. 4) entwickelt und auf ihre Eignung geprüft.

Populationsbiologischer Bilanzierungs-Ansatz (vgl. Kap. 3):

Bei diesem Ansatz wird geprüft, ob die Aufwertung einer Vernetzungsbeziehung

durch eine Grünbrücke über deren positive Wirkung auf den Erhaltungszustand der

Populationen bedeutsamer Arten bilanzierbar ist. Zur Begründung vgl. z.B. JEDICKE

(2015): "In der Praxis hat sich bewährt, als Kriterien für die Gestaltung von Bio-

topverbundsystemen die autökologischen Ansprüche (systematisch) ausgewählter

Zielarten zu verwenden. Diese dienen 'der Formulierung von konkreten und überprüf-

baren Zielen des Naturschutzes (...), d.h. sie ermöglichen die sachliche und räumli-

che Konkretisierung von abstrakt gehaltenen Zielen bzw. von Zielen übergeordneter

Planungsebenen. Die Eigenschaften von Arten (...), die für die Operationalisierung

der Ziele herangezogen werden, können als Bewertungskriterien verwendet werden

und als Parameter, anhand derer sich der Erfolg von Maßnahmen des Naturschutzes

und der Landschaftspflege messen lässt' (Zehlius-Eckert 1998)." Vergleiche z.B. auch

AMLER et al. (1999: 280): "Die Planung von Habitatverbundsystemen erfordert eine

eindeutige Festlegung von Zielarten. Dafür kommen nur Arten in Frage, deren Ge-

fährdung vorwiegend auf Flächenverlust und Lebensraumverinselung beruht."

Wie eingangs bereits erwähnt, wird die Wildkatze in Hessen wie auch in ganz Deutsch-

land in Bezug auf großräumige Wanderbewegungen als bedeutsame Ziel- bzw. auch

"Schirmart" (umbrella species1) des überregionalen Waldbiotopverbundes betrachtet

(HMUELV/HMWVL 2013). Es wurden für die Art u.a. großflächig potenzielle Wander-

korridore ermittelt (Hessen: SIMON 2009, 2010) und auf dieser Basis auch kritische Stra-

ßenverläufe identifiziert bzw. Wiedervernetzungserfordernisse formuliert (z.B.

BAUMANN et al. 2012 für NRW). Nach MAQ (2008) benötigt die Art zur sicheren Straßen-

querung breite Wildbrücken bzw. Grünbrücken (≥ 50 m). Daher wird für diese Art -

sowie überschlägig auch für andere durch sie repräsentierte Arten mit großräumigen

Wanderverhalten (insbesondere Luchs, Wolf) - im vorliegenden Gutachten geprüft, ob

1 vgl. auch BOYE & MEINIG (2007)

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durch eine Grünbrücke eine positive Auswirkung auf den Populationszusammenhalt

feststellbar und als Aufwertung einer Vernetzungsbeziehung bilanzierbar ist.

Diese im Kontext der Eingriffsregelung stehende Fragestellung ist strikt zu trennen

von vorhabenspezifischen artenschutzrechtlichen Prüfungen nach § 44 BNatSchG.

Deren Fragestellungen – das Vorliegen eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos für

Individuen, einer erheblichen Störung der Lokalpopulation oder einer Zerstörung von

Fortpflanzungs- und Ruhestätten – ist gesondert im Kontext des konkreten Vorhabens

und der spezifischen Situation vor Ort zu bewerten. Artenschutzrechtliche Bewer-

tungen sind nicht Betrachtungsgegenstand des vorliegenden Gutachtens.

Für eine art- bzw. populationsbezogen begründete Inwertsetzung einer mindestens

50 m breiten Querungshilfe zur Ableitung ihrer Kompensationswirkung gemäß der

Eingriffsregelung wurden vorab folgende grundsätzliche Überlegungen angestellt:

Die Durchfahrung eines Lebensraumes durch eine Bundesfernstraße führt ggf. zu ei-

ner Zerschneidung der Populationen einer bedeutsamen Art. Dadurch wird die "Effek-

tive Populationsgröße2 (Ne) " der betroffenen Population reduziert, u.U. auch in ei-

nem Umfang, der die Überlebenswahrscheinlichkeiten der entstehenden Populations-

Teile (Fragmente) - zumindest hypothetisch - signifikant verringert. Um dies auszu-

gleichen, muss die Ne für beide Populationsteile soweit als möglich auf dem ur-

sprünglichen Niveau gehalten werden (bzw. darf sich zumindest nicht substanziell

verringern). Dazu sind grundsätzlich zwei alternative, bis zu einem gewissen Grad

gleichwertige Wege möglich:

(a) Gewährleistung eines Individuenaustauschs zwischen den beiden durchfahrenen

Populations-Teilen trotz Straße mittels Querungsbauwerk(en); d.h. der Zusam-

menhang der Populations-Teile bleibt im Idealfall weitestgehend erhalten und Ne

bleibt +/- konstant;

(b) Durchführung gezielter Maßnahmen der Landschaftspflege zur Optimierung bzw.

Vergrößerung der Lebensräume der beiden getrennten Populations-Teile, d.h.

Anhebung der Ne in beiden Populationsteilen auf das Niveau der Ausgangspopula-

tion.

2 "Die für die genetische Stochastik relevante Populationsgröße ist (...) nicht die Gesamtzahl der Tiere

einer Population [= census population size] sondern die effektive Populationsgröße Ne [= effective popu-

lation size]. Diese Größe hängt von der Anzahl und dem relativen Reproduktionserfolg der an der Fort-

pflanzung beteiligten Tieren ab" (AMLER et al. 1999: 271).

Die effektive Populationsgröße Ne ist die Größe einer "idealen Population" (gemäß Hardy-Weinberg Re-

gel), deren Heterozygotie-Verlust mit einer Rate erfolgt, die der Verlustrate der tatsächlichen Popula-

tion entspricht. Eine "ideale Population" ist gekennzeichnet durch Zufallpaarung (Panmixie), Geschlech-

terverhältnis 1:1, keine überlappenden Generationen, keine Mutationen, keine Selektion, keine Migra-

tion. Ganz grundsätzlich weicht Ne immer von der tatsächlichen Individuenzahl ab (vielfach um den

Faktor 2 bis 4 geringer), da keine natürliche Population in allen theoretischen Bedingungen einer idea-

len Population entspricht. Ne ist eine fiktive Populationsgröße, die die genetische Variabilität in einer

Population beschreibt. Beispiel: In einem Löwenrudel mit 20 Männchen und 20 Weibchen (d.h. tatsäch-

liche Populationsgröße = 40) paart sich nur ein dominantes Männchen. Damit ist die Ne = 4.

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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Dazu wäre abzuschätzen, wie stark die Zerschneidung die effektive Populationsgröße

Ne für das betroffene Artvorkommen reduziert und welche Maßnahmen der Land-

schaftspflege gemäß (b) erforderlich sind, um in den beiden nun getrennten Teilpo-

pulationen den Ausgangswert von Ne langfristig zu gewährleisten.

Die Maßnahmen nach (b) sind unmittelbar bilanzierungsfähig und können insofern ei-

nen (pekuniären) Maßstab für die Inwertsetzung von Querungsbauwerken gemäß (a)

darstellen.

Was die hier exemplarisch zu betrachtende Wildkatze anbelangt, stellen sich damit

folgende Fragen:

(1) Welche Auswirkungen haben Bundesfernstraßen auf die Populationen der Wild-

katzen, insbesondere bezüglich des Zusammenhalts der Populationen (Zerschnei-

dung); wie und in welchem Umfang berühren sie den Erhaltungszustand der Po-

pulationen;

(2) Ist eine 50 m breite Grünbrücke gemäß MAQ ein geeignetes und effizientes Mit-

tel, den Zusammenhalt der Populationen der Wildkatze trotz Straße zu gewähr-

leisten.

Im Ergebnis hat hierzu die Auswertung des einschlägigen Schrifttums gezeigt, dass

der populationsbiologische Bilanzierungsansatz nicht zur Umsetzung für die vorlie-

gend betrachteten großräumig wandernden Arten (z. B. Wildkatze, Luchs, Wolf) ge-

eignet ist. Dies ist in der Anlage des vorliegenden Gutachtens umfassend dargelegt.

Der Ansatz ist aus folgenden Gründen nicht realisierbar:

Wildkatzen verunfallen zwar regelmäßig an Straßen, auch an Bundesfernstraßen,

eine qualifizierte Abschätzung insbesondere der durch die Verkehrsmortalität ent-

stehende Barrierewirkung und der Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Po-

pulationen ist nach der Datenlage aber nicht möglich.

Die Wildkatzenbestände entwickeln sich in Deutschland seit einigen Jahrzehnten

bis in die Jetztzeit hinein deutlich positiv, was sich sowohl in einer Steigerung der

Siedlungsdichte in alten Refugien als auch in der Rückeroberung lange verwaister

Arealteile niederschlägt. Die Wildkatze ist bei der Ausbreitung in der Lage, für sie

unwirtliche Räume zu durchqueren sowie Straßen und Flüsse zu überwinden. Dabei

können wandernde Tiere Distanzen von mehr als 50 km zurücklegen. Da eine er-

folgreiche (Wieder-)Besiedlung selbst für kleine, weithin isoliert erscheinende Le-

bensräume am Arealrand belegt ist, kann davon ausgegangen werden, dass das

Gros der Bestände der Wildkatze in Deutschland aktuell in (Meta-)Populationen

verbunden ist. Es ist weiter zu folgern, dass der Individuenaustausch, der durch

die zahlreichen Besiedlungsereignisse offenkundig wird, trotz Straßenmortalität

insgesamt ausreicht, um die nötige genetische Vielfalt zu gewährleisten und auch

bei kleinen und sehr kleinen Subpopulationen Inzucht zu vermeiden und das Risiko

demographischer Stochastik zu minimieren. Entsprechend ergaben auch verschie-

dene genetische Untersuchungen an deutschen Wildkatzen, dass die genetische

Diversität (Heterozygotie) durchweg hoch ist. Unter diesen Rahmenbedingungen

lässt sich kein positiver Effekt von Grünbrücken auf die genetische Stabilität der

Art „messen“.

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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Wildkatzen nutzen Grünbrücken zwar zur Querung nachweislich. Jedoch sind Wild-

katzen offensichtlich auch in der Lage, verschiedenste konventionelle Querungsmög-

lichkeiten (z.B. Forstwege-, Bahn-, Feldweg-, Gewässerunterführungen, großlumige

Amphibiendurchlässe) an großen Straßen zu nutzen. Dies gilt in jedem Fall für disper-

gierende Tiere (angesichts der vielfach nachgewiesenen Ausbreitung). Auch bei resi-

denten Wildkatzen wurde zumindest in der einzigen Vorher-Nachher-Untersuchung

festgestellt, dass sich die Querungsrate der untersuchten Tiere mittels konventionel-

ler Querungsmöglichkeiten nach Inbetriebnahme einer Autobahn nicht signifikant ge-

genüber vorher unterschied. Aus fachgutachterlicher Sicht sind daher für den vorlie-

gend in Rede stehenden Populationszusammenhalt der Wildkatze angesichts ihres op-

portunistischen Wanderverhaltens in einem Abstand von ca. 1,5 km für die Art nutz-

bare konventionelle Querungsmöglichkeiten vorzugswürdig gegenüber lediglich ei-

nem, wenn auch möglichst optimal platzierten mindestens 50 m breiten Querungs-

bauwerk. Ein artbezogene Inwertsetzung des Baues von Grünbrücken bezüglich der

Wildkatze ist auch unter diesem Aspekt nicht sinnvoll.

Der populationsbiologische Bilanzierungs-Ansatz ist somit allenfalls für ausbreitungs-

schwache (Kleintier-)Arten geeignet und wurde für diese beispielhaft beschrieben

(Kap. 3).

Planerischer Bilanzierungs-Ansatz (vgl. Kap. 4)

Abgeleitet werden kann dieser Bilanzierungsansatz aus § 21 BNatSchG (Biotopver-

bund), der Auskunft über den vom Gesetzgeber im Zusammenhang mit Vernetzung

intendierten Schutzgegenstand gibt. Danach sollen durch den Verbund heimische

Tier- und Pflanzenarten und deren Populationen einschließlich ihrer Lebensräume

und Lebensgemeinschaften dauerhaft gesichert sowie funktionsfähige ökologische

Wechselbeziehungen bewahrt, wiederhergestellt und entwickelt werden.

In der zum Biotopverbund geforderten, länderübergreifenden Abstimmung wird eine

konkrete Zielkonzeption erarbeitet und dabei die Zielartenbestimmung vorrangig auf

solche Arten abgestellt, deren Überleben von großflächigen Ökosystemen und Öko-

systemkomplexen und von der Funktionsfähigkeit eines Biotopverbundes abhängt

(KÖCK & LAU 2005, S. 12). Insgesamt zielt der Biotopverbund v.a. auf gesamtstaatlich

bzw. regional bedeutsame Tiere, Pflanzen und Habitate ab (l.c., S. 10).

Gemäß dieser Vorgaben kann die Frage nach der Inwertsetzung einer Grünbrücke

durch Rückgriff auf bundes- oder landesweite Planungsinstrumente zum Erhalt

bzw. zur Wiederherstellung des Biotopverbundes angegangen werden. Diese Vorge-

hensweise betont die abstrakten Aspekte der Eingriffsregelung (Naturhaushalt, ökolo-

gische Wechselbeziehungen usw.). Die Indikation der Vorkommen von Populationen

naturschutzrelevanter Tierarten erfolgt analog über Schutzgebiete (FFH, SPA, NSG,

Nationalparks, Biosphärenreservate) bzw. Vorkommen gesetzlich geschützter Biotope

(nach § 30 BNatSchG).

Ein entsprechender Ansatz wurde vom Auftraggeber auf Grundlage des Entwurfs des

vorliegenden Gutachtens ausgearbeitet. Die Ergebnisse sind in Kap. 4 beschrieben.

Sie zeigen, dass bei dem planerischen Bilanzierungsansatz der Wert einer Grünbrücke

umso mehr ansteigt, je größer die Anzahl der von ihr profitierenden Arten, je schutz-

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würdiger der wiedervernetzte Raum und je großräumiger der wiedervernetzte Wan-

derkorridor im hessischen Biotopverbundsystem der Waldlebensräume ist. Grünbrü-

cken als Kompensationsmaßnahme werden so in ökologisch besonders wertvolle

Räume gelenkt.

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3. Populationsbiologischer Bilanzierungsansatz

3.1 Grundsätzlicher Ansatz

Für eine art- bzw. populationsbezogen begründete Inwertsetzung einer Querungs-

hilfe, speziell einer 50 m breiten Grünbrücke, wurden vorab folgende grundsätzliche

Überlegungen angestellt:

Die Durchfahrung eines Lebensraumes durch eine Bundesfernstraße führt ggf. zu ei-

ner Zerschneidung der Populationen einer bedeutsamen Art. Dadurch wird die "Effek-

tive Populationsgröße3 (Ne) " der betroffenen Population reduziert, u.U. auch in ei-

nem Umfang, der die Überlebenswahrscheinlichkeiten der entstehenden Populations-

Teile (Fragmente) - zumindest hypothetisch - signifikant verringert. Um dies auszu-

gleichen, muss die Ne für beide Populationsteile soweit als möglich auf dem ur-

sprünglichen Niveau gehalten werden (bzw. darf sich zumindest nicht substanziell

verringern). Dazu sind grundsätzlich zwei alternative, bis zu einem gewissen Grad

gleichwertige Wege möglich:

(a) Gewährleistung eines Individuenaustauschs zwischen den beiden durchfahrenen

Populations-Teilen trotz Straße mittels Querungsbauwerk(en); d.h. der Zusam-

menhang der Populations-Teile bleibt im Idealfall weitestgehend erhalten und Ne

bleibt +/- konstant;

(b) Durchführung gezielter Maßnahmen der Landschaftspflege zur Optimierung bzw.

Vergrößerung der Lebensräume der beiden getrennten Populations-Teile, d.h.

Anhebung der Ne in beiden Populationsteilen auf das Niveau der Ausgangspopula-

tion.

Dazu wäre abzuschätzen, wie stark die Zerschneidung die effektive Populationsgröße

Ne für das betroffene Artvorkommen reduziert und welche Maßnahmen der Land-

schaftspflege gemäß (b) erforderlich sind, um in den beiden nun getrennten Teilpo-

pulationen den Ausgangswert von Ne langfristig zu gewährleisten.

Die Maßnahmen nach (b) sind unmittelbar bilanzierungsfähig und können insofern ei-

nen (pekuniären) Maßstab für die Inwertsetzung von Querungsbauwerken gemäß (a)

darstellen.

3 "Die für die genetische Stochastik relevante Populationsgröße ist (...) nicht die Gesamtzahl der Tiere

einer Population [= census population size] sondern die effektive Populationsgröße Ne [= effective popu-

lation size]. Diese Größe hängt von der Anzahl und dem relativen Reproduktionserfolg der an der Fort-

pflanzung beteiligten Tieren ab" (AMLER et al. 1999: 271).

Die effektive Populationsgröße Ne ist die Größe einer "idealen Population" (gemäß Hardy-Weinberg Re-

gel), deren Heterozygotie-Verlust mit einer Rate erfolgt, die der Verlustrate der tatsächlichen Popula-

tion entspricht. Eine "ideale Population" ist gekennzeichnet durch Zufallpaarung (Panmixie), Geschlech-

terverhältnis 1:1, keine überlappenden Generationen, keine Mutationen, keine Selektion, keine Migra-

tion. Ganz grundsätzlich weicht Ne immer von der tatsächlichen Individuenzahl ab (vielfach um den

Faktor 2 bis 4 geringer), da keine natürliche Population in allen theoretischen Bedingungen einer idea-

len Population entspricht. Ne ist eine fiktive Populationsgröße, die die genetische Variabilität in einer

Population beschreibt. Beispiel: In einem Löwenrudel mit 20 Männchen und 20 Weibchen (d.h. tatsäch-

liche Populationsgröße = 40) paart sich nur ein dominantes Männchen. Damit ist die Ne = 4.

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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Für die hier exemplarisch zu betrachtende Wildkatze wurde im vorliegenden Gutach-

ten folgenden Fragen nachgegangen:

(1) Welche Auswirkungen haben Bundesfernstraßen auf die Populationen der Wildkat-

zen, insbesondere bezüglich des Zusammenhalts der Populationen (Zerschnei-

dung); wie und in welchem Umfang berühren sie den Erhaltungszustand der Popu-

lationen;

(2) Ist eine 50 m breite Grünbrücke gemäß MAQ ein geeignetes und effizientes Mit-

tel, den Zusammenhalt der Populationen der Wildkatze trotz Straße zu gewähr-

leisten.

Im Ergebnis wurde festgestellt, dass für alle großräumig wandernden Arten - insbe-

sondere solchen mit positiver Bestandsentwicklung und flexibler Nutzung von Durch-

lässen / Unterführungen usw. (z. B. Wildkatze) – der populationsbiologische Bilanzie-

rungsansatz nicht geeignet ist. Er ist daher allenfalls für ausbreitungsschwache Klein-

tierarten anwendbar und wird hierfür beispielhaft beschrieben.

3.2 Mögliche Vorgehensweise

[fiktives Beispiel]: Durchfahrung des rechten quellenreichen Leiten-Hangwaldes der

Isar zwischen Niederaichbach und Niederviehbach, Landkreise Landshut und Dingol-

fing, mit einer neuen Bundesstraße (DTV 20.000, geringer Nachtanteil); der Hang-

wald dort ist kein Bestandsteil des "Länderübergreifenden Biotopverbundes Waldle-

bensräume" nach BfN 05/2010]

3.2.1 Identifizierung von Zielarten

Kriterien:

a) diversitätsbedeutsame Arten (i.d.R. RL-Arten);

b) "umbrella-species", d.h. Arten, die eine möglichst hohe Anzahl ähnlich eingebun-

dener Arten repräsentieren (bezüglich Habitatbindung, Ausbreitungsverhalten, Popu-

lationsbiologie);

c) Arten, deren Vorkommen individuenarm und natürlicherweise oder anthropogen

bedingt bereits auf fragmentierte Standorte verwiesen sind;

d) allgemein ausbreitungsschwache Arten;

e) Arten, denen eine Querung der geplanten Straße (Breite, DTV) ohne spezielle Que-

rungshilfen nicht bzw. nicht hinreichend möglich wäre (um den Genfluss aufrechtzu-

erhalten [mindestens etwa ein bis zehn Tiere pro Generation]);

f) Arten, die überhaupt in der Lage sind, Querungshilfen zu nutzen.

Anmerkung: Es sollte ein möglichst breites Spektrum von Zielarten untersucht wer-

den (soweit vorhanden), da das Ausbreitungsverhalten/-vermögen, die Erfordernisse

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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bezüglich der Habitate sowie der Zustand der Populationen auch innerhalb von Grup-

pen (z.B. Wald-Quellarten) deutlich differieren können. Prioritär zu betrachten sind

in jedem Fall ausbreitungsschwache, hoch diversitätsbedeutsame Arten, deren lokale

Populationen sich in einem schlechten Erhaltungszustand befinden.

[Beispiel: Springfrosch, Feuersalamander, Grubenlaufkäfer Carabus nodulosus, Köcherfliegen

Tinodes unicolor und Parachiona picicornis, Wasserschnecke Bythinella austriaca, alle Arten min-

destens gefährdet und relativ isoliert, d.h. in den umgebenden Hügelländern fehlend]

3.2.2 Abgrenzung der betroffenen Populationen, Abschätzung Ne

Die Abgrenzung der Populationen erfolgt artbezogen, unter Berücksichtigung habi-

tatstruktureller Gegebenheiten und der mittleren Aktionsdistanzen. Ggf. sind alter-

nativ Metapopulationsstrukturen zu beschreiben, d.h. ein System von Subpopulatio-

nen, die unregelmäßig miteinander in Austausch stehen: Beschreibung nach Durch-

wanderbarkeit der "Landschaftsmatrix", in die die Subpopulationen eingebettet sind,

bzw. nach Verlauf von Barrieren und Höchstwanderdistanzen der Arten.

Es sollte zunächst die Zensus-Populationsdichte geschätzt werden. Bei den Überle-

gungen zur Feststellung der Ne sollten dann auch "Vorbelastungen" des Erhaltungszu-

standes der Populationen berücksichtigt werden, z.B. Überalterung, hohe Mortalität,

eingeschränkte Konnektivität innerhalb des Populationsareals.

[Beispiel: Bei allen o.g. Arten sind die Bestände auf die Isarhangleite verwiesen, wobei die Ortsla-

gen Niederaichbach und Niederviehbach, beide in breiteren Quertälern gelegen, die Populationen

de facto begrenzen (d.h. knapp 5 km vor dem Eingriff zusammenhängender Leitenwald). Beim

Grubenlaufkäfer besteht ein intern eingeschränkter Austausch, der zu berücksichtigen ist (gerin-

gere Ne).

- relevante Arten: Springfrosch, Feuersalamander, Grubenlaufkäfer Carabus nodulosus - alle drei

beiderseits der Trasse mit Bestandsgrößen Ne < 500 und Ne > 50, kein Anschluss an weitere Vor-

kommen; Quellköcherfliege Parachiona nach außen stark isoliert, Häufigkeit methodisch bedingt

nicht abzuschätzen, aber kleine Bestände (Ne << 200) nicht auszuschließen.

- abzuschichten: Bythinella - Ausbreitung mittels Querungshilfen grundsätzlich nicht vorstellbar

(Verbreitung vermutlich durch Bewegungen im obersten Grundwasserleiter); Quellköcherfliege

Tinodes unicolor zwar isoliertes Vorkommen, jedoch beiderseits große Populationen in gesicherten

Quellstandorten zu vermuten (Ne > 500, d.h. keine signifikante Erhöhung des Aussteberisikos zu

befürchten.]

3.2.3 Mögliche Maßnahmen zur Sicherung der Populations-Teile

Sind überhaupt Maßnahmen realisierbar?

a) Leben die Bestände der Zielarten an der Kapazitätsgrenze ihrer Lebensräume, mit

förderlichen Reproduktions- und Mortalitätsraten: Dann ist in jedem Fall eine Flä-

chenvergrößerung erforderlich, d.h. es entsteht Flächenbedarf bzw. u.U. auch Be-

darf an Entwicklungsflächen mit speziellen Standortanforderungen;

b) Lassen sich die Bestände innerhalb der Grenzen der besiedelten Lebensräume

noch gut fördern: Erhöhung der Siedlungsdichte dort, bevorzugt durch erprobte Maß-

nahmen.

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

12

[Beispiel (alle Typ b):

- Springfrosch: Neuanlage fischfreier Tümpel (Laichgewässer) und/oder Optimierung von "Brennen-

resten"/Trockenwäldern in der fossilen Isaraue (Landlebensräume).

- Feuersalamander: Schaffung von Quellgumpen als Laichmöglichkeiten, naturnaher Umbau der

Buchen- und Eschenbachwälder.

- Grubenlaufkäfer: Quellrenaturierung (z.B. durch Rückbau Fischteiche), Entwicklung totholzrei-

cher Laubbestände im direkten Anschluss an Quellbiotope; Pflege von Nassbiotopen am Hangfuß,

Rohrdurchlässe am Fahrweg entlang des Leitenfußes schaffen.

- Köcherfliege Parachiona picicornis: Quellrenaturierung.]

3.2.4 Querungsbauwerke

Grünbrücke

Durchlässigkeit der Grünbrücke klären:

a) Anbindung des Bauwerks an die Habitate der Zielarten: Distanz, Durchwanderbar-

keit der "Zwischenräume";

b) Bauwerk selbst: Bewegungs- oder Lebensraumkorridor, Herstellungszeitraum, spe-

ziell hinreichende Etablierung von Gehölzen, sind Leiteinrichtungen möglich, usw.

Artbezogen anhand von (a) und (b) "Filterwirkung" der Grünbrücke abschätzen:

Konnektivität bzw. Austauschrate vor Straße vs. Konnektivität bzw. Austauschrate

mit Straße und Grünbrücke. Ergebnis darstellen in Reduzierung von Ne gegenüber

dem Zustand ohne Straße bzw. als Erhöhung von Ne gegenüber dem Zustand mit

Straße.

[Beispiel: Springfrosch vermutlich rasch gute Akzeptanz einer Grünbrücke, jedoch Austausch durch

letztlich punktuelle Querungsmöglichkeit sicher deutlich gegenüber "vor Straße" reduziert; Feuer-

salamander darüber hinaus Akzeptanz erst mit deutlichem Aufkommen von Gehölzen; Grubenlauf-

käfer und Parachiona insgesamt eher episodische Nutzung, Anbindung problematisch, feuchtes

Mikroklima auf der Brücke, deutliches Aufkommen von Gehölzen erforderlich.]

Alternative Bauwerke

Gibt es fachliche Alternativen, z.B. mehrere gut platzierte Rohrdurchlässe? Anlog

oben Durchlässigkeit klären und nach (a) und (b) "Filterwirkung" abschätzen, Umset-

zen in Ne.

[Beispiel: Springfrosch, Feuersalamander und Grubenlaufkäfer sowie evtl. auch die ausbreitenden

Imagines von Parachiona nutzen nachweislich bzw. vermutlich (größere) Rohrdurchlässe, die drei

letztgenannten v.a. bei hoher Feuchte. Soweit mehrere solcher Durchlässe gut platziert und mit

Leiteinrichtungen versehen werden, dürften damit sogar höhere Funktionalitäten als mit einer

Grünbrücke erreicht werden.

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

13

3.2.5 Straße

Artbezogene "Filterwirkungen" abschätzen, nach Breite und DTV, tags/nachts; bei

Ausbauvorhaben oder geplantem nachträglichen Einbau von Querungshilfen Vorbelas-

tung abschätzen, alles in Ne. Das Straßenbauwerk umfasst auch die zur Aufrechter-

haltung der Verkehre erforderlichen Durchlässe und Brücken (als Moment des Pro-

jekts).

Ermittlung des Wertes von Querungsbauwerken gemäß 1 bis 5

Für jede Art getrennt durchzuführen, dann Abgleich der Maßnahmen, Beispiel:

Springfrosch: bodengebundene Buchenwaldart, im Untersuchungsgebiet (UG) aller-

dings eher auf trockenen halboffenen und licht bewaldeten Standorten in der fossilen

Aue; gutes Migrationsvermögen auch auf trockenen Böden und offenen Flächen, teil-

weise tags-, überwiegend nachtaktiv; Population im UG und angrenzend weithin iso-

liert.

1) Vor dem Eingriff: Population zusammenhängend mit N = 300 Individuen, effektive

Populationsgröße Ne = 60.

2) Die Straße teilt die Population in einen Teil nördlich mit N = 200 und Ne = 40 und

einen Teil südlich mit N = 100 und Ne = 20. Ein gelegentlicher Wechsel einzelner In-

dividuen über die Fahrbahn der geplanten Bundesstraße ist aufgrund des geringen

Nachtverkehrs (trotz gewisser Verluste) vorstellbar. Darüber hinaus kann ein gewisser

Austausch unter der Isarbrücke erfolgen, die Moment des Planvorhabens ist. Beides

erhöht die effektive Populationsgröße der Populationsteile, auf Ne = 43 nördlich und

Ne = 23 südlich.

3) die Grünbrücke erhöht die Durchlässigkeit trotz Straße deutlich, auf nördlich Ne =

55 und südlich Ne = 45. Alternativ würde die Konnektivität durch mehrere gut plat-

zierte Rohrdurchlässe mit Leiteinrichtungen im Bereich der fossilen Isaraue und im

Unterhang der Leite noch etwas stärker angehoben: nördlich Ne = 58 und südlich Ne

= 48.

4) Um eine Kompensation durch Förderung der beiden Populationsteile mittels Maß-

nahmen der Landschaftspflege entsprechend des Effekts einer Grünbrücke zu errei-

chen, müsste die Ne von 43 auf 55 (nördlich) bzw. von 23 auf 45 (südlich) angehoben

werden. Die Zielgrößen der Bestände (N) nördlich wäre damit 275 Individuen (+ 75,

nördlich) bzw. 225 Individuen (+ 125, südlich). Mit derartig vergrößerten Beständen

wäre gewährleistet, dass jeder der beiden Populationsteile die gleiche Aussterbe-

wahrscheinlichkeit hat wie die zusammenhängende Population vor dem Bau der

Straße.

Da beim Springfrosch in der gegebenen Situation die aktuellen Bestände den verfüg-

baren Landlebensraum bei weitem nicht ausschöpfen, könnte die nötige Förderung

u.U. allein durch die Anlage zweier neuer Laichgewässer, eines nördlich und eines

südlich, erzielt werden. Die Kosten der Herstellung und der langfristigen Pflege der

beiden Laichgewässer entsprechen dann dem "Wert" der Grünbrücke.

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

14

Im gegebenen Fall wäre allerdings eine Durchlasslösung bevorzugt, da deren Wirk-

samkeit noch etwas höher einzuschätzen war als die der Grünbrücke und die Kosten

deutlich niedriger wären (als die der Grünbrücke und als die der möglichen land-

schaftspflegerischen Maßnahmen).

Anmerkungen

1) Eventuell kann eine Ne > 500, im Wert angepasst an die zu betrachtenden Arten

und das betroffene Populationssystem, als " Erheblichkeitsschwelle" herangezogen

werden. D.h. wenn eine Ne > 500 in zerschnittenen Populationsteilen auch nach Stra-

ßenbau gewährleistet bleibt, dann handelt es sich bei der Durchfahrung bezüglich

der genetischen Risiken um keinen bedeutsamen Eingriff. Eine Population in einer

Größe, die einer (artbezogen anzupassenden) Ne > 500 entspricht, ermöglicht u.a.

adaptive Evolution und gewährleistet, dass sich ungünstige Mutationen auch langfris-

tig nicht anhäufen können.

2) In bestimmten Situationen kann es erforderlich sein, die Analysen nicht nur auf

die aktuell vorhandenen Arten abzustellen, sondern auch das Potenzial zu berück-

sichtigen. Ein Kriterium könnte u.U. die Lage der geplanten bzw. bestehenden (und

zu entschneidenden) Durchfahrung einer Achse des "Länderübergreifenden Biotopver-

bundes" nach BfN oder ähnlicher Planungsinstrumente sein. Dabei sollten aber die

örtlichen Möglichkeiten von Art und Umfang einer Biotopverdichtung auf der Achse

und deren zeitliche Realisierbarkeit geprüft werden.

3) Das Spektrum von Waldarten, die speziell von Grünbrücken profitieren könn-

ten, ist vermutlich eher gering. So wurde bereits innerhalb des Projekts gezeigt,

dass Grünbrücken als Querungshilfen für artenschutzfachlich bedeutsame größere

Waldsäuger keine speziellen Vorteile bieten. Gleiches gilt z.B. auch für leitlinienori-

entiert raumwechselnde Waldfledermäuse (bedeutsam z.B. Bechstein- und Mopsfle-

dermaus), denen am besten mit Durchlässen zur gefahrlosen Straßenquerung verhol-

fen werden kann. Nur im Einschnitt werden offensichtlich fallweise auch spezielle

"Fledermausbrücken" erforderlich, die aber deutlich unaufwändiger herzustellen sind

als Grünbrücken.

Viele sich bodengebunden ausbreitende, bedeutsame Waldarten (Sumpfspitzmaus,

Feuer- und Alpensalamander, Äskulapnatter, Großcarabidae usw.) können wesentlich

flexibler und effektiver mittels Rohren zur Straßenquerung gebracht werden. Unter

Umständen nur über Grünbrücken gezielt zu vernetzen sind ausbreitungsschwache

Totholz-Insekten sowie r-Strategen bei den Schmetterlingen, Netzflüglern usw., die

breite Straßen als Freiflächen meiden (Hinweise darauf z.B. für den Mohrenfalter

Erebia aethiops) bzw. die durch niedrigen Flug bei Querungsversuchen von Straßen

mit hohem Tagesverkehrsaufkommen hohe Verluste erleiden. Allerdings verfügen sol-

che fliegenden Insektenarten vielfach auch über passive Verbreitungsmechanismen,

die eine Fernverbreitung gewährleisten (v.a. Verdriftung), die durch Straßen nicht

oder nicht wesentlich berührt werden. Daher sind auch diese Arten u.U. nur dann re-

levant, wenn z.B. dynamische Metapopulationssysteme durchfahren werden, deren

Erhalt kurze gezielte Raumwechsel erfordern.

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

15

4. Planerischer Bilanzierungsansatz

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat mit Schreiben vom

24. Juli 2012 darauf hingewiesen, dass der Bau von Querungshilfen bei Straßenaus-

bauvorhaben die übliche Bilanzierung von Eingriffswirkung, Vermeidung und Kompen-

sation erfordert. Nur so könne bestimmt werden, wie hoch die planungsrechtlich ge-

schuldeten Aufwendungen für Vermeidung bzw. Kompensation seien.

Ziel der vorliegenden Unterlage ist die Entwicklung eines planerischen methodi-

schen Ansatzes, um bei Straßenausbauvorhaben eine geplante MAQ-gerechte Que-

rungshilfe für großräumig wandernde Säuger der Wald- und Gehölzlebensräume an-

teilsmäßig als Vermeidungsmaßnahme (d.h. als Maßnahme zur Vermeidung einer ver-

mehrten Barrierewirkung infolge des Straßenausbaus) sowie als Kompensationsmaß-

nahme (d.h. als Maßnahme zur Verbesserung des Status quo hinsichtlich der Durch-

lässigkeit der Trasse) bilanzieren zu können.

Von dieser Betrachtung zu trennen ist die Frage nach dem grundsätzlichen Einsatz

von MAQ-gerechten Querungshilfen. Dieser ist gemäß den Angaben in MAQ (FGSV,

2009) und nach den Ergebnissen einer fachgutachterlicher Einschätzung im vorliegen-

den Gutachten (Heckes, 2018) in erster Linie bei bedeutsamen Wanderkorridoren

bzw. tradierten Wildwechseln – hier auch aus Gründen der Verkehrssicherheit - gege-

ben.

Sofern bereits im 2 km-Umfeld einer geplanten Grünbrücke eine für zahlreiche Arten

nutzbare – ggf. aufwertbare – Querungshilfe vorhanden ist (z. B. Forstwegeunterfüh-

rung), bedarf der Bau einer 50 m breiten Querungshilfe einer gesonderten fachlichen

Begründung.

Bei den vorliegenden Ausführungen handelt es sich um eine Orientierungshilfe für die

Bilanzierung, die eine relative Betrachtung darstellt. Dies soll über die Benennung

von Kriterien und Größenordnungen (Spannbreiten) erfolgen, damit ein projektüber-

greifend transparentes und einheitliches Vorgehen gewährleistet ist, zugleich aber

die erforderliche einzelfallspezifische Konkretisierung möglich bleibt. Eine sorgfäl-

tige Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung der projektspezifischen Situation kann

hierdurch somit nicht ersetzt werden.

Die vorliegende Unterlage hat nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Studie.

Vielmehr soll ein pragmatischer, den Grundsätzen fachlicher Plausibilität entspre-

chender Ansatz gewählt werden. Hierzu wird der gewählte Bewertungsansatz bei-

spielhaft auf zwei Fälle angewendet, die Extrembeispiele hinsichtlich der wiederver-

netzten Teillebensräume und dafür relevanten Teilkriterien (z. B. Korridorlänge, An-

teil an Schutzgebietsfläche, Vielfalt der von der Grünbrückenplanung profitierenden

Artengruppen) darstellen.

Für diese beiden Fälle, die größenordnungsmäßig das obere und untere Ende der Be-

wertungsskala abbilden, hat der gewählte Ansatz zu plausiblen Ergebnissen geführt.

In den Fällen, wo eine vergleichsweise geringe naturschutzfachliche Aufwertung um-

gebender Teillebensräume – u. a. aufgrund der geringen Länge an wiedervernetzten

Teillebensräume entsteht – sollte im Einzelfall geprüft werden, ob die hohen Bau-

werkskosten den damit verbundenen Gewinn für Natur und Landschaft rechtfertigen

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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oder ob alternativ eine weniger kostenaufwändige Lösung zur Stabilisierung betroffe-

ner Populationen, z. B. in Form der Lebensraumaufwertung, naturschutzfachlich min-

destens als gleichwertig und kostenmäßig effizienter einzustufen ist (vgl. hierzu Aus-

führungen in Heckes 2018).

Abbildung 1: Schematische Darstellung der Zerschneidungswirkung durch eine bestehende Straße

4.1 Grundsätzlicher Ansatz

Für die Bilanzierung von Grünbrücken im Zuge eines Straßenausbauvorhabens bedarf

es der Abschätzung, welche Barrierewirkung durch die bestehende Straße, d.h. Zer-

schneidungswirkung des Lebensraumes (Vorbelastungswirkung) vorliegt und welche

„Entschneidungswirkung“ (Lebensraumaufwertung) durch die Errichtung einer Grün-

brücke erreicht werden kann.

Ziel ist zum einen die Ermittlung eines Kriterienkatalogs, mit dem die Aufwertung

des „entschnittenen Korridors“ ermittelt werden kann. Hierfür wird eine Matrix aus

besonders relevanten Einzelkriterien beschrieben, aus der ein Gesamtwert für die Bi-

lanzierung nach der Zusatzbewertung der hessischen KV ermittelt werden kann.

Der Kriterienkatalog besteht aus einzelnen Faktoren, die auf einer Skala zwischen 1

und 10 entsprechend ihrer Eignung bewertet werden. Dabei bedeutet „1“ gering und

„10“ hoch. Die hierbei verwendete relative Skala soll Spielräume für eine einzelfall-

spezifische Bewertung der Zuschläge bieten. Aus der Einzelbewertung der Kriterien

wird der Durchschnittswert ermittelt (vgl. Tabelle 4). Dieser entspricht der Zusatz-

bewertung nach der hessischen KV pro m².

Bei den einbezogenen Faktoren handelt es sich um:

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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Die Bedeutung des wiedervernetzten Wanderkorridors (ist er Bestandteil der

hessischen Biotopverbundplanung4? Wie großräumig ist die hergestellte Ver-

netzung, liegen tradierte Wildwechsel im Korridorbereich vor?).

Die funktionale Bedeutsamkeit der wiedervernetzten Räume aufgrund

des Vorliegens sonstiger geschützter Teile von Natur und Landschaft

(neben der Bedeutung als Biotopverbundfläche gehört hierzu u. a. die

Ausstattung mit Naturschutzgebietsfläche, Natura 2000-Gebietsfläche

usw. oder die Wiedervernetzung solcher Flächen durch den „entschnit-

tenen“ Korridor)

des Vorliegens sonstiger naturschutzfachlich wertvoller Flächen (z. B.

faunistischen Schwerpunkträumen windenergiesensibler Arten gemäß

(PNL, 2012) bzw. deren Konkretisierung auf Ebene der Regionalpla-

nung, Naturschutzgroßprojekte des Bundes und der Länder).

Wie ist die Lage der Wiedervernetzungsmaßnahme im Lebensraum zu bewer-

ten (handelt es sich um eine mittige oder randliche Wiedervernetzung im Le-

bensraum)?

Wie groß sind die entstehenden unzerschnittenen Funktionsräume (UFR) für

Waldarten?

Wie hoch ist die Anzahl an von der Wiedervernetzung profitierenden Arten-

gruppen?

Generell ist die naturschutzfachliche Bedeutsamkeit des Korridors umso größer,

je bedeutsamer der Korridor nach der hessischen Biotopverbundplanung

ist;

in der hessischen Biotopverbundplanung wurden Waldkorridore am Beispiel

der Wildkatze entwickelt, die repräsentativ für zahlreiche großräumig wan-

dernde Waldarten (z. B. Luchs) ist. Die landesweite Biotopverbundplanung

konkretisiert und modifiziert das vom BfN konzipierte bundesweite Netz an

Waldkorridoren, z.B. durch die zusätzliche Ausweisung von landesweit beson-

ders bedeutsamen Wanderkorridoren oder von Populationsarealen (Verbrei-

tungsschwerpunkte der Zielart Wildkatze).

Die größte Bedeutung für Wiedervernetzungsmaßnahmen besitzen Korridore

von landesweiter Bedeutung, die geringste Bedeutung besitzen Entwicklungs-

korridore;

je weitreichender im betreffenden Korridor die unzerschnittenen Funktions-

räume (UFR) für Waldarten sind (bei den UFR handelt es sich um Habitatein-

heiten zwischen Verkehrsinfrastruktur mit erheblicher Barrierewirkung, die

4 vgl. (HMWVL & HMUELV, 2012): Landesweiter Biotopverbund für Hessen

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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Reste eines naturschutzfachlich bedeutsamen bundesweiten Habitatverbund-

systems darstellen; vgl. BfN-Datensatz 2012: UFR Kernräume in 250m-Distanz

(BfN, 2009)) und je mehr geschützte oder wertvolle Teile von Natur und

Landschaft er beinhaltet oder miteinander vernetzt (z.B. gleichzeitige Be-

deutung des Korridors als Vernetzungsstruktur nach Art. 10 FFH-Richtlinie,

zum Verbund von Gewässerhabitaten oder von Trockenlebensräumen usw.);

wenn eine mittige statt eine randliche Zerschneidung von Teillebensräu-

men durch eine Querungshilfe behoben wird,

je höher die Anzahl der von der Wiedervernetzungsmaßnahme profitieren-

den Artengruppen sind und je bedeutsamer neben der Wanderfunktion

auch die Habitatfunktion in dem betreffenden Bereich ist; Letzteres gilt z.

B. für Bereiche, in denen sich der Korridor mit einem Populationsareal der

Zielart Wildkatze räumlich überlagert (in diesem Fall können die zu vernet-

zenden Bereiche eine besondere Bedeutung auch für tägliche Wanderungen

bei der Nahrungssuche besitzen) oder weil vorhandene Daten eine vitale

Quellpopulation der Zielart Wildkatze - oder anderer hierüber repräsentierter

Arten, z.B. Luchs - belegen (in diesem Fall können die zu vernetzenden Berei-

che z.B. ein besonderes Potenzial zur Besiedlung umliegender Räume besit-

zen).

Eine Darstellung geeigneter Kriterien und deren Bewertung in einer relativen Skala

zeigt die Abb. 2.

Abbildung 2: Schematische Darstellung der über das vorliegende Konzept entstehenden „Entschneidungswirkung“

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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Die Aufwertung (Zusatzbewertung) erfolgt aufgrund der Vernetzungsmaßnahme. Sie

verbessert die Austauschbewegungen und Wanderungen der Arten im Raum. Die Zu-

satzbewertung wird daher auf die aufgewertete Korridorfläche bezogen (vgl. Abbil-

dung 2). Für sie wird eine durchschnittliche Korridorbreite von 100m zu Grunde ge-

legt und mit der Vernetzungslänge multipliziert. Um das Aufwertungspotential des

Korridors durch die Grünbrücke zu bilanzieren, wird die so entstehende Korridorflä-

che mit dem Biotoppunktwert der Zusatzbewertung multipliziert.

Ein Flächenbezug ist sowohl im Kriterium UFR als auch in der Bilanzierungsfläche in

Form der Korridorlänge enthalten. So wird insbesondere die Bildung großer unzer-

schnittener Räume stärker gewichtet. In Tabelle 1 ist z. B. die geringe Bilanzierungs-

fläche des nur über eine geringe Korridorstrecke vernetzenden Projektes B darge-

stellt. Der Biotoppunktwert ist hier entsprechend geringer als der in Tabelle 2 darge-

stellte ermittelte Biotoppunktwert für das Querungsbauwerk beim Projekt A, das

eine vergleichsweise hohe Vernetzungslänge (14 km) besitzt.

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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Abbildung 3: Kriterienkatalog zur Bilanzierung der Aufwertung einer Wiedervernetzungsmaßnahme durch eine Grünbrü-

cke im Zuge von Straßenausbauvorhaben

Erläuterung zum Kriterium „Korridorlänge“:

Die Korridorlänge ist im Hinblick auf die Zielsetzung der weiträumigen Vernetzung

relevant. Hierbei wird maximal vernetzbare Raum zur Vereinfachung und zur Defini-

tion eines Abschneidekriteriums als ein Quadrat mit einem Flächeninhalt von 100 km²

- dies in Anlehnung an LIKI-Kriterien (Länderinitiative Kernindikatoren) - als Indikator

für einen großen unzerschnittenen Raum angesetzt.

In Anlehnung an einen Korridor wurde die Diagonale durch dieses Quadrat als maxi-

mal zu verwendende Korridorlänge definiert. Dies entspricht einer Korridorlänge von

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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rund 14 km. Für die Ermittlung der Korridorlänge ist als weiteres Abschneidekrite-

rium die Definition von dem Start- und Endpunkt des Korridors nötig. Somit müssen

stark begrenzende Barrieren im projektspezifischen Einzelfall plausibel identifiziert

werden. Hierzu gehören z. B. die Verkehrsstärke auf einer den Korridor zerschnei-

denden Straße einschließlich der Zahl der Fahrspuren und dem Vorliegen von Beton-

gleitwänden, die Einwohnerzahl eines den Korridor durchtrennenden Ortes oder die

Breite eines den Korridor zerschneidenden Kanals. In der Regel können Bundesautob-

ahnen, Gewässer 1. Ordnung und Siedlungen (d. h. keine Weiler oder Einzelgehöfte)

als stark begrenzende Barrieren betrachtet werden.

Mit der Korridorlänge und der Korridorbreite (100m) wird die Bilanzierungsfläche des

aufgewerteten Raumes (vgl. Abbildung 3) berechnet.

Bei den hier formulierten Kriterien entspricht eine maximale Bepunktung (10 Punkte)

einer besonders hohen naturschutzfachlichen Aufwertung des Raumes durch eine

Grünbrücke.

Tabelle 1 zeigt die Bilanzierung mit verschiedenen Bepunktungen beispielhaft. Auf-

gewertete Lebensräume, die auf einer Natura 2000-Gebietsfläche liegen oder solche

miteinander vernetzen, können durch eine Verdoppelung der Bewertung mit bis zu 20

Punkten bewertet werden.

4.2 Mögliche Vorgehensweise - Bilanzierung der Flächenaufwertung durch

Wiedervernetzungsmaßnahmen auf der Grundlage der hessischen Kompensati-

onsverordung und beispielhafte Verdeutlichung an zwei Beispielfällen

Die Bilanzierung erfolgt nach der allgemeinen Gleichung nach § 6 Abs. (7) Satz 5 der

hessischen KV (HMUELV, 2005):

𝐾𝑜𝑟𝑟𝑖𝑑𝑜𝑟𝑓𝑙ä𝑐ℎ𝑒 (𝑚2) ∗ 𝑍𝑢𝑠𝑎𝑡𝑧𝑏𝑒𝑤𝑒𝑟𝑡𝑢𝑛𝑔 ∗ 𝑈𝑚𝑟𝑒𝑐ℎ𝑛𝑢𝑛𝑔𝑠𝑓𝑎𝑘𝑡𝑜𝑟 (€

𝑚2)

= "𝐺𝑟ü𝑛𝑏𝑟ü𝑐𝑘𝑒𝑛𝑤𝑒𝑟𝑡"

Beispielhaft soll dies an Projekt A verdeutlicht werden, das durch eine vergleichs-

weise hohe Korridorlänge von 14 km charakterisiert ist:

14.000.000 𝑚² ∗ 9 𝑃𝑢𝑛𝑘𝑡𝑒 ∗ 0,35€

𝑚2 = 4.410.000 €

sowie am Projekt B, das eine vergleichsweise sehr geringe Korridorlänge von 3,9 km

aufweist:

3.900.000 𝑚² ∗ 3 𝑃𝑢𝑛𝑘𝑡𝑒 ∗ 0,35€

𝑚2= 409.500 €

Für diese Beispielfälle werden nachfolgend die Bewertungen zu den Einzelkriterien

zusammenfassend beschrieben und in Tabelle 1 dargestellt.

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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Projekt A befindet sich in einem Projektgebiet, das eine besonders große Korridor-

länge im landesweiten Biotopverbund aufweist. Der geplante Grünbrückenstandort

vernetzt eine mittige Zerschneidung des Gebietes in einem großen unzerschnittenen

Funktionsraum. Der Raum weist überschlägig ca. 20 % naturschutzfachliche Flächen

auf. Zudem sind die dort vorkommenden Artengruppen vielfältig.

Projekt B liegt in einem Projektgebiet mit starker Zersiedlung. Der geplante Stand-

ort der Grünbrücke hat keine relevante Bedeutung für den überregionalen Biotopver-

bund und die Lage der Entschneidung ist randlich des UFR. Der UFR weist eine relativ

kleine Größe auf und beinhaltet nur eine geringe Anzahl an naturschutzfachlich wert-

vollen Flächen. Die Artausstattung ist als durchschnittlich zu betrachten.

Bewertungsschema Einheit Projekt A Projekt B

Korridorbedeutung Qualitativ 10 0

Lage der Entschnei-

dung

m 7 2

UFR Fläche in m² 9 4

Naturschutzfachlich

wertvolle Flächen

Fläche in m² 8 3

Arten (Zahl, Ansprü-

che, Habitatfunktionen)

Qualitativ 9 5

Zusatzbewertung (ge-

rundet)

9 3

Tabelle 1: Bildung des Durchschnittswertes für die Zusatzbewertung anhand der Projektbeispiele A und B

Die nachfolgende Abbildung stellt die Größe der UFR für das Projektgebiet A dar. Die

Lage der Grünbrücke ist schematisch eingezeichnet worden.

In Abbildung 4 ist beispielhaft dargestellt, wie die Ermittlung der Länge eines wie-

dervernetzten Korridors erfolgen sollte. Als Betrachtungsgrenze dient die nächste

BAB bzw. Landstraße mit hoher Verkehrsbelastung (Verkehrsdaten zugrunde legen).

Gleichzeitig ist die Lage des Grünbrückenstandortes im Biotopverbund dargestellt.

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

23

Abbildung 4: Beispiel für die Ermittlung der Korridorlänge für Projekt A; Standort der Grünbrücke im bundes- und

landesweiten Biotopverbund

Abbildung 5: Beispielhafte Abgrenzung des relevanten Raumes zur Ermittlung des Schutzgebietsanteils im Bereich des

Projektes A (Quelle: Natura 2000 Viewer)

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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In Abbildung 5 ist die überschlägige Ermittlung des Schutzgebietsanteils dargestellt.

Das eingegrenzte Gebiet umfasst die vernetzten Bereiche. Der Schutzgebietsanteil

entspricht grob abgeschätzt 20 %. Als Betrachtungsgrenze dient die nächste BAB bzw.

Landstraße mit hoher Verkehrsbelastung (Verkehrsdaten zugrunde legen, insbeson-

dere Nachtverkehr).

Abschließend werden tabellarisch für beide Beispielfälle die Flächenaufwertungen

infolge der Wiedervernetzung vergleichend gegenüber gestellt und gemäß hessischer

KV monetarisiert. Hieraus wird ersichtlich, in welchem Ausmaß sich die naturschutz-

fachliche Aufwertung der Fläche von den tatsächlichen Bauwerkskosten unterschei-

det.

Projekt A Projekt B

Korridorlänge [m] 14.000 3.900

Korridorbreite [m] 100 100

Korridorfläche [m²] 1.400.000 390.000

Zusatzbewertung [Punkte/m²] 9 3

Wertpunkte nach hessischer KV 12.600.000 1.170.000

Umrechnungsfaktor [€/m²] 0,35 0,35

Grünbrückenwert [€] 4.410.000 409.500

Tabelle 2: Beispielhafte Darstellung des Bilanzierungsansatzes an einem geeigneten Projekt (A) und einem ungeeigneten

Projekt (B)

Kosten Grünbrücke (grobe Mittelwerte)

2-spurige Straße 4-spurige Straße 6-spurige Straße

B= 15m 1,5

B= 30m 1,0 2,5

B= 50m 2,5-4 5

B= 80m 8-9,5

Tabelle 3: Beispielhafte Darstellung der Kosten für Grünbrückenbauwerke

In der nachfolgenden Tabelle wird dargestellt, welchen Einfluss die Zusatzbewertung

auf den Bilanzierungswert hat. Für die angenommene maximale Korridorlänge (ca. 14

km) wird die Bilanzierung für 1 bis 10 Zusatzpunkte dargestellt. Liegt das Ergebnis

der Bilanzierung am unteren Ende der Skala (in diesem Fall ca. 0,5 Mio. € vgl. Ta-

belle 3) sollte geprüft werden, ob für die naturschutzfachliche Aufwertung die Er-

richtung einer Grünbrücke verhältnismäßig ist oder ob die Aufwertung von Lebens-

räumen eine mindestens gleichwertige, aber kostenmäßig effizientere Lösung dar-

stellt.

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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Tabelle 4: Beispielhafte Darstellung einer Bilanzierung über die maximale Korridorlänge von 14 km und einer Breite von

100 m: der Biotoppunktwert und der „Grünbrückenwert“ werden je nach Zusatzbewertung (1-10 Punkte) dargestellt

4.3 Ermittlung des Anteils an Vermeidung und an Kompensation durch die

Querungshilfe im Rahmen von Straßenausbaumaßnahmen

Im ermittelten Gesamtpunktewert eines durch „Entschneidung“ aufgewerteten

Vernetzungskorridors kann der Anteil an Vermeidung und Zerschneidung über-

schlägig mit Hilfe der vom BfN veröffentlichten Barrierekurve ermittelt werden.

Diese stellt die Barrierewirkung einer Straße (in Prozent) sowohl in Bezug auf

Kollisions- als auch auf Meideeffekte in Abhängigkeit der Verkehrsstärke dar.

Vor ihrer Anwendung sollte eine grobe Plausibilitätsprüfung im planerischen Einzelfall

erfolgen. Zu berücksichtigen ist beispielsweise, dass zahlreiche großräumig wandernde

Bei einer maximalen Korridorlänge von 14 km und einer Breite von 100 m entspricht die Bilanzierungsfläche 1.400.000 m²

Zusatz- bewertung

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Biotopwert- punkte (Mio.)

1,4

2,8

4,2

5,6

7

8,4

9,8

11,2

12,6

14

Wert [Mio. €]

0,49 0,98 1,47 1,96 2,45 2,94

3,43 3,92

4,41

4,9

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Waldarten nacht- und dämmerungsaktiv sind. Daher ist die Verkehrsbelastung im

Nacht- und Dämmerungszeitraum für die Ermittlung der Barrierewirkung einer beste-

henden Straße besonders relevant. Er variiert im Jahresverlauf, was in Abb. 5 und Tab.

5 verdeutlicht wird. Hiernach kann die Spanne zwischen dem kürzesten Zeitraum im

Sommer (21.00 – 4.00 Uhr), der „Übergangsjahreszeit“ im Frühjahr und Herbst (18.00

Uhr bis 6.00 Uhr) und dem längsten Zeitraum im Winter (16.00 Uhr bis 8.00 Uhr) be-

trachtet werden.

Sofern für die betrachtete Trasse keine Verkehrsmengendaten vorliegen, anhand derer

für diese 3 Zeiträume die Barrierewirkung abgeschätzt werden kann, sollte ein Vor-

schlag gemacht werden, wie eine grobe Einschätzung vorgenommen werden kann (z.

B. mit Hilfe von Daten aus repräsentativen Trassenabschnitten in der Umgebung).

Das Vorliegen von Betongleitwänden, Wildschutzzäunen oder mehrspurigen Ver-

kehrswegen kann die verkehrsbedingte Barrierewirkung zusätzlich erhöhen.

Abbildung 6 Sonnenauf- und –untergang in Deutschland Quelle: http://static.schnelle-online.info/Sonnenaufgang-Son-

nenuntergang_sc.gif, aufgerufen am 30.07.2013

Sonnen-untergang nach MEZ

Sonnen-aufgang nach MEZ

Nachtlänge in Stunden

Monate Anzahl Monate

Prozentanteil am gesamten Jahr

16.00 8.00 16 Nov.-Jan. 3 25 %

18.00 6.00 12 Feb.-April, Aug-Okt.

6 50 %

21.00 4.00 7 Mai-Juli 3 25 %

Tabelle 5: Nachtlänge in Stunden im Jahresverlauf

Hervorzuheben ist, dass beim Vorliegen von für zahlreiche der im Planungsraum

vorkommenden Arten geeigneten Querungshilfen im 2 km-Umfeld der geplanten

Grünbrücke der Bau einer MAQ-gerechten Querungshilfe besonders zu begrün-

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den ist. In diesem Fall sind Kosten und Nutzen des Bauwerkes für die Lebens-

raumvernetzung der Arten darzulegen und Alternativen zur Stützung der Popu-

lationen zu prüfen (z. B. durch Aufwertung bestehender Bauwerke, Konzeption

vieler kleiner Durchlässe im Aktionsraum einzelner Zielarten, Lebensraumauf-

wertung).

5 Literatur und Rechtsgrundlagen

BfN. (2009). Prioritätensetzung zur Vernetzung von Lebensraumkorridoren im

überregionalen Straßennetz F+E-Vorhaben im Auftrag des BfN, FKZ 3507 82 090,

Entwurf (BfN 2009a).

FGSV. (2009). Merkblatt zur Anlage von Querungshilfen für Tiere und zur Vernetzung

von Lebensräumen an Straßen. Köln: FGSV.

Heckes, U. (2018). Bilanzierung MAQ-gerechter Querungshilfen bei

Straßenausbauvorhaben - Ermittlung des Anteils an Vermeidung und Kompensation für

großräumig wandernde Säuger. Wiesbaden.

HMUELV. (2005). Verordnung über die Durchführung von Kompensationsmaßnahmen,

Ökokonten, deren Handelbarkeit und die Festsetzung von Ausgleichsabgaben

(Kompensationsverordnung – KV) vom 1. September 2005 (GVBl. I S. 624), zuletzt

geändert am 20. Dezember 2010 (GVBl.S.629).

HMWVL, & HMUELV. (2012). Landesweiter Biotopverbund für Hessen. Wiesbaden.

PNL. (2012). Abgrenzung relevanter Räume für windkraftempfindliche Vogelarten in

Hessen. Frankfurt, Hungen.

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6 Anhang: Prüfung der Bewertungsvoraussetzungen für den populationsbi-

ologischen Bilanzierungsansatz

6.1 Allgemeine Angaben zur Wildkatze

Die Wildkatze Felis silvestris ist die häufigste und am weitesten verbreitete Katzen-

art der Welt. Sie kommt mit vier phylogenetischen Linien - Unterarten bzw. Gruppen

von Unterarten - im größten Teil Afrikas und Europas sowie in Südwest- und Zentrala-

sien vor und erreicht im Osten Indien, China und die Mongolei (n. YAMAGUCHI et al.

2015).

Das Areal der im Kontext relevanten Nominatform, der Europäischen Wildkatze oder

Waldkatze Felis s. silvestris, "hatte in der postglazialen Wärmezeit die größte Aus-

dehnung und umfasste den gesamten europäischen Kontinent (...) Die bereits in prä-

historischer Zeit wohl im Zuge von Klimaänderung beginnende Arealverkleinerung

führte in der Jetztzeit zu außerordentlich starker Zersplitterung von Restarealen in

den größeren zusammenhängenden Waldgebieten Europas" (HEMMER 1993, S. 1097).

Aktuell umfasst das Areal Europa ohne Fennoskandien, Teile Nordafrikas und Klein-

asiens sowie den Kaukasus (n. YAMAGUCHI et al. 2015). Größere Verbreitungsgebiete

mit (mutmaßlich) starken Populationen bestehen v.a. in Nordostfrankreich mit Süd-

westdeutschland, Luxemburg, Belgien und der Schweiz (Zunahme, Ausbreitung), Ru-

mänien mit Slowakei, Ungarn und Bulgarien, Griechenland und der Türkei mit Kauka-

sus, europäisches Russland, Mittel- und Süditalien sowie westliches Nordafrika nörd-

lich der Sahara (STAHL & ARTOIS 1991, PIECHOKI 1990, YAMAGUCHI et al. l.c.).

Als Art ist die Wildkatze in "The IUCN Red List of Threatened Species" als ungefährdet

bewertet ("Least Concern", Stand 20.04.2014, YAMAGUCHI et al. l.c.).

In Deutschland wurde der Bestand in jüngerer Zeit mit 1.700 bis 5.000 Tieren ange-

geben (KNAPP et al. 2000 zit. nach YAMAGUCHI et al. l.c.); aktuell wird er auf 5.000 bis

7.000 Tiere geschätzt (BfN 2015, unpubl.). Aufgrund der relativen Seltenheit und des

langfristigen Bestandstrends, der als "starker Rückgang" bewertet ist, wird die Wild-

katze in der Rote Liste Deutschlands als "gefährdet" eingestuft (MEINIG et al. 2009).

Zentraler Grund war die früher starke, flächendeckende Bejagung, die die Art auf

wenige Refugien zugedrängt hat. Mittlerweile halten nach gesetzlicher Inschutz-

nahme deutliche Zunahmen bereits einige Jahrzehnte an.

Nach MEINIG (2014) ist Deutschland für den Erhalt der Nominatform "in hohem Maße

verantwortlich", aufgrund der "Lage im Hauptareal eines geschlossenen Areals". In

Hessen gilt die Art als "stark gefährdet" (KOCH & KUGELSCHAFTER 1996). Auch in diesem

Bundesland ist seit längerem ein Erstarken der Bestände mit deutlicher Ausbreitung

festzustellen (z.B. PIECHOKI 1990: 41 ff, RAIMER 20075, DENK 2009, SIMON 2009, 2010,

BRAUNEIS 2012).

5 Der Autor gibt einen breiten historischen Abriss zu den ursprünglichen Vorkommensgebieten und der intensiver Bejagung. Nur wenige Jahrzehnte nach der generellen Jagdfreigabe 1848 war danach die Wildkatze im allergrößten Teil des Bezugsraumes ausgerottet. Überlebt hat sie in Niedersachsen nur im

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National ist die Wildkatze besonders bzw. streng geschützt nach BNatSchG. Im Wa-

shingtoner Artenschutzübereinkommen wird sie in Anhang II (unter Felidae spp.) und

in der EG-Verordnung 1320/2014 in Anhang A geführt. Schließlich ist sie in Anhang IV

der FFH-Richtlinie EG 2013/17 gelistet, der Arten "von gemeinschaftlichem Inte-

resse" erfasst, die im Gebiet der Mitgliedsstaaten bedroht oder potenziell bedroht,

selten bzw. endemisch sind. Wie bei allen wild lebenden Tieren sind auch bei der

Wildkatze Tötung, Beeinträchtigung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten sowie auf

Populationsniveau bedeutsame Störungen nach § 44 Abs. 1 BNatSchG verboten.

6.2 Wirkung von Bundesfernstraßen auf die Populationen der Wildkatze

Wildkatzen werden regelmäßig überfahren (vgl. z.B. Bilanzierung für Hessen in SIMON

2009, S. 92 f). Im einschlägigen Schrifttum wird dazu in breiter Übereinstimmung mit

Verweis auf die Opferzahlen plus "Dunkelziffern" festgestellt, dass die Verkehrsmor-

talität - i.W. durch Kfz-Verkehr auf Straßen, speziell auch an großen und verkehrsrei-

chen Straßen wie Autobahnen und Bundesstraßen - hoch und heute die häufigste (an-

thropogene6) Todesursache von (adulten) Wildkatzen sei. Auch BIRLENBACH & KLAR

(2009) bezeichnen die Verkehrsmortalität als die Hauptgefährdungsursache für die

Wildkatze in Deutschland. Durch die Mortalität würden Straßen zu Barrieren, die Aus-

breitung bzw. Genfluss behindern oder unterbinden. In der Folge käme es zu einem

Verlust der genetischen Vielfalt bei den isolierten Populationen, was Instabilität und

im Extremfall deren Aussterben zur Folge haben könne (alles nach l.c.). Im Schrift-

tum stark untergeordnet wird darüber hinaus vermutet, dass durch die Verkehrsopfer

straßennahe Lebensräume zu sogenannten "Sunk Habitaten7" würden.

zu "Straßenmortalität als häufigste Todesursache"

Es ist offensichtlich, dass es sich bei Straßenmortalität um einen (möglichweise do-

minierenden) Teil der anthropogenen Mortalität handelt. Für die Wildkatze ist selbst-

verständlich auch eine natürliche Mortalität anzugeben.

Besonders hoch sind offensichtlich die natürlichen Verluste bei Jungen zwischen zwei

bis vier Monaten nach der Geburt (PIECHOKI 19908). GÖTZ (2009) beobachtete in der

Südeifel 13 Gehecke und stellte fest, dass in den ersten zwei Monaten nach der Ge-

burt 60 % der Jungen durch Prädation oder andere, nicht-anthropogene Ursachen

verloren gingen. Bis zum Ende des vierten Monats überlebte nur etwa ein Viertel der

Harz und im Kaufunger Wald (2 % der Landesfläche), in Hessen im Norden im Kaufunger Wald bis Meiß-ner (3 % der Landesfläche). In den 1950er und 1960er Jahre erfolgte nach l.c. eine Stabilisierung der Hauptpopulationen, mit ersten Migrationen aus den Kerngebieten wie Harz und Kaufunger Wald ins Um-feld. Nach Ausbreitung und weiterer Stabilisierung in den 1970er und 1980er Jahren wurden in den 1990er Jahren aus den "Subpopulationen der Randgebiete Kerngebiete mit Migrationswirkung". 6 eher ausnahmsweise so formuliert, z.B. bei BIRLENBACH & KLAR (2009), S. 28 7 Populations-"Senken", in denen die Mortalität die Reproduktion chronisch übersteigt, so dass eine ka-pazitätsgerechte Siedlungsdichte allenfalls durch Zuwanderung von außen aufrecht erhalten werden kann. 8einzelne Beobachtungen dazu z.B. auch in Herrmann (2014).

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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Jungen, was bei der im Gebiet gegebenen mittleren Geheckgröße von 4 einem Jung-

tier pro Weibchen entspricht9. Nach DE LEUW (zit. n. PIECHOKI l.c.) löst sich der Wurf

auf, wenn die Jungen ein Alter von fünf Monaten erreicht haben.

Was die subadulten und adulten Tiere anbelangt, so sind auch für diese natürliche

Todesursachen anzugeben. So wurden z.B. für 21 % der 96 verendet eingelieferten

Tiere im Zeitraum 1950-1988 aus dem Vorkommensgebiet in der DDR als Todesursa-

che Krankheit, Verhungern oder Prädation festgestellt (vs. etwa 50 % erlegt bzw. Fal-

lenfang und 22 % Verkehrsopfer, Piechoki 1990, S. 205). Bestandsverluste durch Ver-

hungern und Erfrieren wurden speziell in strengen, schneereichen Wintern wieder-

holt beobachtet (PIECHOKI l.c., S. 206, HERRMAN & VOGEL 2005).

Die anthropogene Mortalität mag zwar heute vom Verkehrstod dominiert werden, es

sind jedoch verschiedene weitere anthropogene Ursachen berichtet bzw. vorstellbar,

die zudem möglicherweise in den heutigen Opferstatistiken unterrepräsentiert sind.

Zu nennen sind etwa Unfälle im Rahmen der ordnungsgemäßen Jagdausübung (verse-

hentlicher Abschuss, Verenden in Fallen, Tötung durch Jagdhunde, vgl. MEYSEL 2009,

KUCKELKORN et al. zit. n. BIRLENBACH & KLAR 2009) oder bei forstlichen Arbeiten (Tö-

tung von Jungkatzen durch Abfuhr von Holzpoltern; Räumung von Windwurfflächen,

Knotengitter als Kulturzaun; vgl. BRAUNEIS 2012, GÖTZ & LANGE 2104).

Zu den aktuellen Mortalitätsraten und Todesursachen der Wildkatze in Deutschland

liegen keine fundierten wissenschaftlichen Untersuchungen vor. Insbesondere wurden

auch die zahlreich durchgeführten Telemetriestudien10 nicht dafür angelegt bzw. ge-

nutzt, die Überlebensraten oder die ursachenspezifischen Mortalitätsraten zu ermit-

teln. Solche Untersuchungen11 sind bei Feliden (v.a. Bobcat, auch Ozelot, Puma)

bzw. Karnivoren z.B. in den USA, auch Kanada, Südamerika, gang und gäbe12.

Bei Durchsicht der Artikel und Berichte zu den in Deutschland durchgeführten Tele-

metriestudien13 an der Wildkatze wurden insgesamt drei Fälle gefunden, in denen ein

Tod besenderter Tiere - durchweg durch den Straßenverkehr - dokumentiert ist:

9 Postnatale Verluste sind dabei methodisch bedingt nicht berücksichtigt. Angesichts der offensichtlich früh nach dem Wurf einsetzenden intensiven Beobachtung sowie der mittleren Geheckgrößen von vier, die sich nicht von den aus Gefangenschaftzuchten berichteten mittleren Wurfgrößen (Piechoki 1990) unterscheiden, dürften diese im vorliegenden Fall allenfalls eine stark untergeordnete Rolle gespielt haben. 10 vgl. Zusammenstellung in BIRLENBACH & KLAR (2009), in Kap. 8.1 "Telemetriegroßprojekte"; das dort an-gekündigte Projekt zu Fragen der Mortalität ist offensichtlich nicht zustande gekommen (Hupe in litt. 08/2015).

11 HERZOG (2014) weist zwar mit Recht darauf hin, dass Telemetriestudien zur Mortalität mit einem sys-tematischen Fehler behaftet sind: Sie untersuchen schwerpunktmäßig eine Altersgruppe, die die hohe Jungensterblichkeit bereits hinter sich hat und die steigende Mortalität der Tiere im höheren Alter noch vor sich hat. Zumindest der erste Aspekt ließe sich aber durch weitere Untersuchungen wie die oben zitierte von GÖTZ (2009) kompensieren.

12 z.B. LITVAITIS et al. (1987), KNICK (1990), FULLER et al. (1995), KAMLER & GIPSON (2000), KREBS et al. (2004), HAINES et al. (2005), FARIAS et al. (2005), BLANKENSHIP et al. (2006), PEREIRA et al. (2010); part. z.B. auch Spanien: FERRERAS et al. 1992

13 Die Telemetriestudien bzw. Mortalitätserfassungen ausgesetzter Wildkatzen in Bayern (vgl. z.B. HOVEL 2009) blieben an dieser Stelle unberücksichtigt, da Verhaltensabweichungen gegenüber in Freiheit auf-gewachsenen Tieren nicht auszuschließen sind. Nach LINN (1992) wurden 83 % der markierten ausgeset-zen Tiere Opfer des Verkehrs (n. FRIENBICHLER 2009 [Originalquelle nicht gesichtet]).

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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STREIF et al. (2012) telemetrierten in der Oberrheinebene am Kaiserstuhl, einem

stark fragmentierten Naturraum mit hoher Siedlungs- und Straßendichte und in-

tensiver landwirtschaftlicher Nutzung, insgesamt 21 Tiere, 11 ♀♀ und 10 ♂♂, da-

von wurden drei ♂♂ im dreijährigen Untersuchungszeitraum auf einer Bundes-

straße überfahren.

KLAR (2010) telemetrierte über die Bauphase und in der initialen Betriebsphase

entlang eines neuen Autobahnabschnitts in der Südeifel, der teilweise mit einem

Wildschutzzaun plus Überkletterungsschutz ausgestattet wurde, zwölf Wildkat-

zen, von denen eine nach Abschluss ihrer Besenderung auf der eröffneten Auto-

bahn getötet wurde.

HUPE et al. (2004) untersuchten ebenfalls entlang einer BAB, nämlich eines 3,5 km

langen Teilstücks der A 7 nördlich von Gießen. Es wurden vier Individuen besen-

dert (1 ♂ und 3 ♀♀); ein ♀ nutzte ein von der BAB durchfahrenes Streifgebiet,

querte zur Raumnutzung die Autobahn vielfach und wurde letztlich überfahren.

Abgesehen von dem Mangel an systematischen Untersuchungen zu aktuellen Mortali-

tätsraten und Todesursachen der Wildkatze gibt es in Deutschland auch praktisch

keine systematische Erfassung von Wildkatzen-Verkehrsopfern14, z.B. für reprä-

sentative Abschnitte von Straßen verschiedener Lage oder DTV. Damit fehlen die

Grundlagen, die Belastung einer Population bzw. Teilpopulation durch die Straßen-

mortalität abzuschätzen.

Eine Ausnahme diesbezüglich stellt die bereits oben erwähnte Studie von KLAR (2010,

vgl. a. HÖTZEL et al. 2007) in der Südeifel dar, in deren Zuge die vom Straßenverkehr

getöteten Wildkatzen an einem 17,4 km langen neuen Autobahnabschnitt (BAB A60

Badem-Wittlich, DTV 10.000 Kfz/24 h) systematisch erfasst wurden15. Die Untersu-

chung diente in erster Linie der Wirkungskontrolle von zwei neuartigen Wildzäunen in

einem Teil dieses Neubauabschnitts, die ein Überklettern durch die Wildkatze ver-

hindern sollen. Auf Basis der Ergebnisse der Telemetrie und der systematischen Ka-

daversammlung ermittelt die Autorin für einen beidseits 3 km breiten Korridor ent-

lang des untersuchten Autobahnabschnitts einen jährlichen verkehrsbedingten Ver-

lust von 30-40 % der dort lebenden Tiere. Dieser Wert, der bereits verschiedentlich

in weitere Publikationen Eingang gefunden hat, erscheint überprüfungswürdig16. Un-

14Im Bereich der A 36 zwischen Beaune und Dole, Frankreich, wurden auf einer Strecke von 73 km 43 tote Wildkatzen in vier Jahren registriert, entsprechend 0,1 Totfunde pro km und Jahr, bei 0,3 Totfun-den pro km und Jahr in Waldgebieten (BOUCHARDY & STAHL zit. nach BIRLENBACH & KLAR 2009).

15 Die Autorin (l.c.) verweist darauf, dass die Kontrolle von Straße, Seitenstreifen und Bankette die Op-ferzahlen tendenziell unterschätzt, da u.U. schwer verletzte Katzen sich von der Straße wegschleppen und außerhalb des kontrollierten Bereichs verenden könnten. 16 Nach KLAR (2010, S. 70) gilt: "A mortality of 0.4 per km as observed for sections using regular wildlife fencing, would mean that 30 - 40 % of the wildcats living along the motorway (6 km wide buffer zone) are killed every year."

Die Autorin hat in einem 10,4 km langen Autobahnabschnitt mit zwei verschiedenen Testzäunen tele-metriert, von denen sich ein Zauntyp als wildkatzenfest (6,4 km) und der andere als nicht tauglich (4,0 km) erwiesen hat. Darüber hinaus hat sie auf dieser Strecke sowie einem anschließenden Abschnitt von 7 km mit konventionellem Wildschutzzaun die Verkehrsopfer der Wildkatze erfasst.

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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abhängig davon kann selbst bei einem derart hoch erscheinenden Wert nicht zwin-

gend auf eine bedeutsame Belastung der betroffenen Teilpopulation geschlossen

werden (vgl. z.B. für den Wolf, BALLARD et al. 1987: Population stabil bis 40 % anthro-

pogene Mortalität).

PAN & ILÖK (2009) überarbeiteten die Bewertungsschemata für den Erhaltungszu-

stand der Arten nach Anhang II und IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie in Deutsch-

land. Bei der Wildkatze wird unter anderem zur Bewertung des Kriteriums "Beein-

trächtigungen" festgestellt (S. 163 ff), dass

eine Beeinträchtigung erkennbar, aber unerheblich sei, wenn ≤ 1 % des geschätz-

ten bzw. bekannten Gesamtbestandes durch den Straßenverkehr getötet würden,

eine erhebliche Beeinträchtigung gegeben wäre, wenn > 1 % des geschätzten

bzw. bekannten Gesamtbestandes durch den Straßenverkehr getötet würden.

Selbst wenn man hilfsweise annehmen würde, dass die Prozentwerte als jährlicher

Verlust zu lesen sind, lässt sich im Schrifttum zur Wildkatze keine Quelle finden, aus

der derartige Grenzwerte ableitbar wären17. Der Wert ist insofern nicht deutbar und

möglicherweise auch nicht belastbar.

Zusammenfassung: Auch wenn die Wildkatzenverluste durch den Straßenverkehr

hoch erscheinen mögen, erlaubt es die Datenlage nicht, die Straßenmortalität der

Wildkatze zu bewerten. Ihr mittleres Ausmaß ist nicht anzugeben und es sind auch

Unter Rückgriff auf die publizierten Daten ist wie folgt auszuführen: Auf Basis der intensiven Telemet-rie geht Klar (2010) davon aus, dass entlang des 10,4 km langen Autobahnabschnitts mit zu testenden Zäunen etwa 10-12 home ranges bestehen, das heißt dort 10-12 Tiere resident siedeln. Sie schätzt wei-ter auf Basis der Telemetrie-Ergebnisse, dass die Breite des von diesen Tieren genutzten Areals etwa 6 km beträgt, was einer Fläche von etwa 60 km2 und einer lokalen Siedlungsdichte von 0,17-0,20 Adulten pro km2 entspricht.

Auf der 11 km langen Strecke mit überwindbaren Zäunen (untauglicher Testzaun und konventioneller Wildschutzzaun) wurden bei der Suche nach Kadavern in 26 Monaten elf Verkehrsopfer gefunden, dies entspricht einem Verlust von 0,46 Tieren pro km und Jahr. Für den 6 km-Korridor entlang der Autobahn wäre dann unter Rückgriff auf die o.g. Abundanzen von einem jährlichen Verlust von 38-46 % der dort lebenden Tiere auszugehen.

In der 10,4 km langen Untersuchungsstrecke mit den Testzäunen wurden seit Beginn der Untersuchung in der Bauphase (Phase 1) insgesamt zwölf Adulte telemetriert und auch markiert. In Phase 2 nach Er-öffnung des Streckenabschnitts, in der die Totfunde registriert wurden, lebten in diesem Abschnitt acht markierte Tiere mit Sendern. Keines dieser besenderten Tiere kam im Beobachtungszeitraum ums Le-ben. Es wurden aber in dem Bereich fünf Verkehrsopfer gefunden, von denen eines markiert (jedoch nicht besendert) war.

Die Kapazität des untersuchten Bereichs wird von der Autorin (l.c.), wie bereits oben erwähnt, mit 10-12 Streifgebieten angegeben. Sie geht weiter davon aus, dass in diesem Bereich alle dort residenten Tiere erfasst und markiert waren (auch nach KLAR in litt., 14.04. 2015). Die Rate von 4 zu 1 unmarkiert zu markiert bei den Verkehrsopfern ist auf dieser Grundlage erklärungsbedürftig; ein umgekehrtes Ver-hältnis wäre unter den genannten Prämissen wesentlich wahrscheinlicher gewesen.

Möglicherweise handelt es sich bei den vier unmarkierten Verkehrsopfern komplett oder teilweise um dispergierende Tiere, die aus der Tiefe des Raumes zugewandert sind und den Lebensraum der Residen-ten zügig queren wollten. Damit würde sich die o.g. Mortalitätsrate aber auf einen größeren Raum be-ziehen bzw. sich eine u.U. deutlich niedrigere Rate für die Residenten des 6 km-Korridors ergeben. Weiter ist zu berücksichtigten, dass die Verkehrsopfer nur in einem relativ kurzen Zeitraum nach Tras-senöffnung erfasst wurden; eine Reduktion der Mortalitätsrate mit der Zeit erscheint zumindest bei den Residenten durch Gewöhnungseffekte möglich.

17 Die Prozentwerte waren in SCHNITTER et al. (2006) noch nicht angegeben.

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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für konkrete Straßenabschnitte de facto keine verlässlichen Angaben verfügbar. Es

ist unklar, in welchem Verhältnis die Straßenmortalität zu anderen anthropogenen

und insbesondere zu den natürlichen Todesursachen steht; auch dazu fehlen Daten.

zu "Barrierewirkung von Straßen, speziell mit starkem Verkehr"

Bereits die oben breit thematisierten Verkehrsopfer der Wildkatze unterstellen, dass

die Tiere Straßen queren und sich nicht etwa durch die strukturarme Asphaltfläche

oder die optischen Stimuli bzw. die Schallemissionen des Verkehrs abhalten lassen.

Es liegen auch direkte Feststellungen von Straßenquerungen über die Fahrbahn vor.

KLAR (2010) berichtet, dass Wildkatzen, die eine ungezäunte Autobahn queren woll-

ten, oft mehrere Minuten auf eine Lücke im Verkehrsfluss warteten. Die Autorin

(l.c.) stellte weiter fest, dass von ihr beobachtete Katzen die Querungen von größe-

ren Straßen (Bundesstraße, Autobahn) zeitlich an das Verkehrsaufkommen anpassten,

nämlich auf die Nachtzeit beschränkten, bis zwei Stunden vor der morgendlichen und

ein bis zwei Stunden nach der abendlichen Verkehrsspitze. Dabei schränkten Katzen

offensichtlich die Querungen bei größeren Straßen (mit DTV 10.000 und DTV 2.500

Kfz/24 h) etwas stärker auf das "Erforderliche" ein18; bei kleinen Straßen war ein sol-

cher Effekt nicht nachweisbar.

Insgesamt bestimmt offensichtlich die Mortalität das Ausmaß der Barriere (d.h. i.W.,

die Höhe der Verkehrsverluste, nicht bzw. nicht nennenswert psychische oder physi-

sche Hindernisse. Damit wären folgende Parameter wesentlich, um die Barrierefunk-

tion einer Straße für Wildkatzen qualifiziert und differenziert bewerten zu können:

(1) Die Erfolgsquote, also das Verhältnis von erfolgreichen Querungen über die Fahr-

bahn zu verunglückten/getöteten Katzen, unterschieden nach Residenten und

dispergierenden Tieren, sowie

(2) die Abhängigkeit der Verunfallungs- bzw. Querungsraten vom Ausbaugrad der

Straße und insbesondere der Verkehrsstärke.

Belastbare Daten zu (1) konnten nicht gefunden werden. In Publikationen, die die Er-

gebnisse konkreter Untersuchungen auswerten, sind die entscheidenden Informatio-

nen nicht verfügbar bzw. nicht dargelegt; es fehlen Angaben zu Zahl der erfolgrei-

chen Querungen der Tiere, ob diese über die Fahrbahn oder mittels Bauwerken quer-

ten und zur beobachteten Zeitspanne bis zum Verkehrstod, teilweise auch zur DTV

der Straße:

STREIF et al. (2012) berichten, dass drei ♂♂ eine Bundestraße regelmäßig querten

und dort überfahren wurden.

18 festgestellt von KLAR (2009, S. 64) durch Vergleich "Querungsstrecken vs. zufällige Strecken" innerhalb der home ranges: maximal < 0,01 vs. 0,03 "Crossing per line length", Unterschiede signifkant. Die größe-ren Säuger sind fähig, Gefahren wahrzunehmen und diesen u.U. gezielt auszuweichen (HERMANN & MA-

THEWS 2007). Eine gewisse Reduktion von Querungen bei größeren und verkehrsreicheren Straßen läßt sich dadurch u.U. erklären: gelegentliches Zurückweichen.

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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HUPE et al. (2004) konnte mittels Telemetrie im Bereich der randlichen Durchfah-

rung des Waldgebietes "Hainberg" durch die BAB A7 ein ♀ feststellen, dessen Akti-

onsraum Flächen beiderseits der Autobahn einschloss, das regelmäßig die Auto-

bahn überwand und letztlich überfahren wurde.

Eine Telemetrie-Studie im Deister ergab (KRUG et al. 2012), dass das einzige Tier

mit Home Range im Durchfahrungsbereich innerhalb von fünf Monaten mindestens

35 Querungen der Bundesstraße durchführte; die Bundestraße ist vierspurig19 und

die DTV wird mit 13.390 Kfz/24 h angegeben20. Das Tier hat offensichtlich bis

zum Schluss der Untersuchung überlebt.

Ähnlich unbefriedigend ist die Datenlage bezüglich Frage (2), ob und in welcher Art

und Weise die Straßenmortalität von Ausbaugrad und Verkehrsstärke abhängt. Publi-

zierte Einschätzungen, wie z.B. die Aussagen in BIRLENBACH & KLAR (2009), dass "be-

reits Verkehrswege mit mehr als 2.500 Kfz/Tag (...) für Wildkatzen Barrieren

dar[stellen], die nur selten überwunden werden (Klar et al. 2009)" und dass "ge-

schlossene Siedlungsachsen und Verkehrswege über 30.000 Kfz/Tag ohne Querungs-

hilfen ... nahezu unüberwindbar ... (Herrman & Klar in Vorb.)" seien, konnten auch

durch Rückgriff auf die zitierten Quellen nicht nachvollzogen werden.

KLAUS et al. (2012) werteten eine breit angelegte Totfundsammlung aus. Seit 1992

wurden in Thüringen 102 Wildkatzen tot aufgefunden, von denen 72 Verkehrsopfer

waren, "oft streifende jüngere Tiere". Die Autoren differenzieren nach Straßentypen;

neben jeweils einem Fund an einer Autobahn21 und einem auf einem Waldweg (Moto-

cross-Unfall) wurde für den Betrachtungszeitraum nach Länge des entsprechenden

Straßennetzes im Bundesland bilanziert. Die Unterschiede bei den relativen Fundzah-

len erwiesen sich als nicht signifikant: Kreis- und Gemeindestraßen 69 % der Funde,

0,76 Individuen/100 km; Bundesstraßen 29 % der Funde, 0,92 Individuen/100 km. 53

% der Verkehrsopfer wurden an Straßen mit niedrigen Verkehrsdichten überfahren

(bis 1.000 Kfz/Tag); mit zunehmender Verkehrsdichte nahm die relative Anzahl der

Totfunde ab.

POTT-DÖRFER & RAIMER (2007) werteten 117 Totfunde in Niedersachsen aus, erfasst

über einen Zeitraum von 1950 bis 2007.Davon waren 69 eindeutige Straßenopfer. Die

Autoren dokumentieren alle Straßenabschnitte, von denen zwei oder mehr Opfer be-

kannt wurden (d.h. etwa 40 % der insgesamt erfassten Straßenopfer). Dabei handelt

es sich um22

3 Autobahnabschnitte, 2 mit einer DTV > 50.000 Kfz/24 h und 1mit > 20.000 Kfz/24

h, mit 4 bzw. 2 Opfern (gesamt 6 Opfer);

7 Bundesstraßenabschnitte, 4 mit DTV > 10.000 und 3 mit DTV > 2.500, mit 11 bzw.

10 Opfern (gesamt 21 Opfer);

5 Abschnitte von Bundes-, Land- und Kreisstraßen mit DTV > 1.000 mit 12 Opfern;

eine Bundesstraße mit DTV < 1.000, mit 2 Opfern.

19 eig. Ermittlung nach Google Earth

20 Innerhalb des Aktionsraums des Tieres waren drei Amphibiendurchlässe und eine vermutlich wenig befahreneStraßenbrücke (Flurwege, eig. Ermittlung nach Google Earth) verfügbar. 21 Für die Autobahnen gehen die Autoren davon aus, dass dort Totfunde i.d.R. nicht geborgen werden. 22 eigene Bilanzierung nach den publizierten Übersichten.

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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Insgesamt wird deutlich, dass nicht nur größere Straßen mit hohem und sehr hohem

Verkehrsaufkommen Opfer fordern, sondern dass - relativ wie absolut gesehen - auch

Straßen mit moderatem Verkehr erheblich zu den Verlusten beitragen.

KAUTZ (2005) untersuchte im Zuge einer Diplomarbeit zahlreiche Totfunde, die über

einen Zeitraum von 24 Jahren von der OEKO-LOG Freilandforschung, Parlow und

Trippstadt, erfasst wurden. "Auf der Basis von 250 Totfunden von Wildkatzen wurde

die Abhängigkeit der Totfunde von der Verkehrsbelastung der [Fundstelle-]Straßen

ermittelt. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Verkehrsmortalität oberhalb von 7.000

Kfz/24 h nicht mehr proportional zur Verkehrsdichte ansteigt" (HERRMANN & MATHEWS

2007, unpubl., S. 32 f). Die l.c. beigefügte Grafik (Abb. 7), die in HERRMANN & MA-

THEWS als Abb. 7 geführt wird (S. 33), lässt erkennen, dass die Anzahl der Totfunde

bei Straßen mit einer DTV von 1.000 bis etwa 7.000 Kfz/24 h steil von 1 bis 3,5 an-

steigt, die Kurve dann stark verflacht und im Bereich von 10.000 bis knapp 40.000

von etwas mehr als 3,5 bis knapp 5 liegt. Sie ähnelt im Verlauf grob der "Barriere-

kurve" in Hänel & Reck (2011), die aber zusätzlich zu "Pfotengängern" auch auf Daten

zu Huftieren basiert, mit anderem Sehvermögen und Verhalten, und daher im Kon-

text der Wildkatze weniger zutreffend erscheint.

Abb. 7: Anzahl Totfunde von Wildkatzen an Straßen im Verhältnis zu deren täglichem Verkehrsaufkommen (DTV in

Kfz/24 h); aus HERRMANN & MATHEWS 2007, unpubl., S. 33.

KAUTZ (l.c.) stellt darüber hinaus durch die Totfund-Analysen fest, dass Opfer v.a. in

der Nähe von Kurven bzw. in unübersichtlichen Streckenabschnitten mit Büschen und

Bäumen gefunden wurden und sich die Unfallstellen v.a. im Wald oder in Biotopkom-

binationen mit Wald, speziell in großen Waldgebieten befinden. Die meisten Tot-

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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funde entfallen auf die Dämmerungsphase und die Nacht bzw. auf die Monate Feb-

ruar/März [also zur Haupt-Ranzzeit] und Oktober/November [nach Auflösung der

Würfe].

Zu etwaig unterschiedlichen Betroffenheiten von residenten und dispergierenden

Tieren liegen keine Untersuchungen bei der Wildkatze vor. PIECHOKI (1990) erfasste

elf aus dem Harz abgewanderte Tiere, die getötet wurden, davon allerdings nur ein

Tier an einer Straße. Neun davon waren junge bzw. jung erwachsene Kuder und zwei

davon weibliche Tiere. Nach HELLER (1985) waren alle im Stromberg-Gebiet aufgefun-

denen Verkehrsopfer junge Kuder. Nach HUPE (2007) weisen Totfunde an Bundesstra-

ßen [im Umfeld des Solling] daraufhin, dass die Verluste zwischen dem 10. und 20.

Lebensmonat (migrierende Wildkatzen) und bei Kudern während der Ranz erhöht

seien. Vermutlich besteht also ein höheres Risiko für dispergierende Subadulte und

dabei insbesondere für Kuder.

Betrachtet man hilfsweise die Daten zu besser untersuchten, ähnlichen Katzenarten

(v.a. Bobcat Nordamerika), so dürften die "Ausbreiter" auch bei der Wildkatze tat-

sächlich überwiegend Subadulte sein (Altersklasse III n. PIECHOKI 1990, 11-24 Monate),

mit deutlichem Überwiegen der Männchen. Für diese Tiere ist anzunehmen, dass sie

wesentlich größere und weniger klar abgegrenzte Streifgebiete als die Residenten

nutzen (z.B. LITVAITIS et al. 1987, KAMLER & GIBSON 2000 [Bobcat]) und dabei vielfach

auch in Lebensräume mit geringer Qualität ausweichen (KAMLER & GIBSON 2000

[Bobcat], PALOMARES et al. [Pardelluchs]). Sie unterliegen einer höheren natürlichen

wie auch höheren anthropogenen Mortalität als die Residenten, speziell auch wenn

es sich um Kollisionen auf Straßen handelt (BLANKENSHIP et al. 2006 [Bobcat]).

Die o.g. Telemetriestudien an Wildkatzen im Nahbereich großer Straßen zeigen in je-

dem Fall aber, dass auch residente Tiere (in geringerem Maße) Opfer werden, insbe-

sondere bei bestehender oder neuer Durchfahrung ihrer Aktionsräume.

Zusammenfassung: Wildkatzen versuchen regelmäßig Straßen aller Kategorien ggf.

mit einer gewissen Vorsicht und in möglichst verkehrsarmen Zeiträumen zu queren.

Dabei können sie vor allem in unübersichtlichen Situationen verunfallen. Davon sind

offensichtlich sowohl residente wie dispergierende Tiere betroffen. Wie hoch das

Verhältnis zwischen erfolgreichen Querungen zu Verunfallungen ist23 und ob es dabei

quantitative Unterschiede zwischen Residenten und dispergierenden Tieren gibt, ist

de facto unbekannt. Vermutlich sind "Ausbreiter" stärker betroffen.

Es gibt Hinweise darauf, dass das Unfallrisiko mit der Verkehrsstärke ansteigt, jedoch

nicht proportional (evtl. wegen verstärkter Durchlassnutzung). Jedenfalls tragen

auch Straßen mit einer DTV unter 10.000 Kfz/24 h substanziell zur Gesamtheit der

Verkehrsopfer bei, und auch auf ausgesprochen schwach befahrenen Straßen sind

Verluste zu verzeichnen (u.U. durch geringere Achtsamkeit der Tiere). Damit kann

anhand der verfügbaren Daten zur Verkehrsmortalität die Barrierewirkung einer

Straße auf die (Teil-)Populationen der Wildkatze nicht abgeschätzt werden. Eine

erste Näherung für die relative Barrierestärke kann die artspezifische "Barrierekurve"

nach HERRMANN & MATHEWS (2007) darstellen.

23 STEFEN (2011): "Verkehrsopfer [von Wildkatzen] an Straßen belegen die mißglückten Versuche, diese zu überwinden, wie viele gelungene Querungen allerdings geschehen sind, bleibt unsichtbar."

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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zu "Behinderung bzw. Unterbindung von Ausbreitung und Genfluss"

Ganz allgemein werden bei Isolation populationsbiologisch die stärksten Effekte

durch "demografische Stochastik" erwartet: Bei sehr kleinen Populationsisolaten

(etwa 15 fortpflanzungsfähige Weibchen, vgl. AMLER et al. 1999) kann allein der Zu-

fall dazu führen, dass z.B. nur noch ein Geschlecht vorhanden ist und das Isolat er-

lischt. Inzuchtdepression ist v.a. unterhalb einer effektiven Populationsgröße (=

Ne)24 von 50 nicht auszuschließen. Die langfristige Überlebensfähigkeit einer Popula-

tion soll unterhalb einer effektiven Populationsgröße von 500 bis 1.000 (sog. MVP =

minimum viable population) in Frage gestellt sein, durch Beeinträchtigung der gene-

tischen Vielfalt, die eine Anpassung durch Evolution an veränderte Bedingungen nicht

mehr erlaube.

Alle drei isolationsbedingten Negativeffekte werden bei der Wildkatze in Deutschland

befürchtet. Im "Aktionsplan Wildkatze in Deutschland", der von einem breiten Kollek-

tiv mit Wildkatzenschutz und -forschung Befasster getragen wird, halten BIRLENBACH &

KLAR (2009) fest, dass Straßen mit ihrer verkehrsbedingten Mortalität die Ausbrei-

tungsbewegungen der Wildkatze erschweren oder verhindern. Durch diese Barrieren,

in Verbindung mit ausgeräumten Offenlandschaften und Siedlungen, die ebenfalls als

Hindernisse bewertet werden, würde in keiner der Wildkatzenpopulationen in

Deutschland eine Individuenzahl von 4.000-7.000 auch nur annähernd erreicht. Dieser

Wert entspräche der "kleinsten überlebensfähigen Population" [minimum viable po-

pulation = MVP]. Weiter wären [isolierte] Populationen mit Individuenzahlen von we-

niger als 100 Tieren aufgrund zufälliger Ereignisse und einer geringen genetischen

Variabilität in ihrem Überleben bedroht. Die Situation erfordere ein Gegensteuern.

Aus der Feststellung, dass in keiner der Wildkatzenpopulationen in Deutschland eine

Individuenzahl von 4.000 - 7.000 bzw. die Größe einer MVP erreicht wird bzw. gege-

ben ist, kann weder eine aktuelle noch eine chronische bzw. potenzielle Gefährdung

für die Wildkatze abgeleitet werden. Die MVP, in der u.a. adaptive Evolution gewähr-

leistet ist und in der sich ungünstige Mutationen auch langfristig nicht anhäufen kön-

nen, wird im Naturschutz in der Regel als Langzeitziel für die Sicherung der globa-

len Population einer Art bzw. einer verwandtschaftlichen Linie herangezogen (vgl.

dazu z.B. ALLENDORF & RYMAN 2002). Möglicherweise wäre es noch sinnvoll, für das

große geschlossene Vorkommensgebiet in Nordostfrankreich mit Belgien, Luxemburg,

Schweiz und Südwestdeutschland zu prüfen, ob hier die Bedingungen der MVP erfüllt

sind25. Jedenfalls ist aber das Ziel, eine substanzielle evolutionäre Einheit von Felis

24 Die effektive Populationsgröße beruht auf der Fortpflanzungsrate einer idealisierten Population mit

zufälliger Allelverteilung. Die Gesamtgröße einer Population kann irreführend sein, da nicht alle Mit-glieder der Population sich fortpflanzen und ihre Allele nicht an die nachfolgende Generation weiterge-ben können (n. WIKIPEDIA). 25 Es ist dringend anzunehmen, insbesondere auch aufgrund einer anhaltend positiven Bestandsentwick-lung, dass in diesem größten geschlossenen Vorkommensgebiet der Wald-Wildkatze die Größe der MVP erreicht wird. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Wert für die MVP stark zurückgeht, wenn auch nur ein geringer genetischer Eintrag aus einer anderen Population erfolgt (NOWELL & JACKSON 1996). SAY et al. (2012) stellte im "Main Area" des Nordostfrankreich-Areals eine bemerkenswert hohe geneti-sche Variablität fest.

MVP [mit Ne = effektive Populationsgröße = Anzahl der in einer Generation reproduzierenden Tiere, und N = Populationsgröße]: allgemein empfohlener Mindestwert Ne ≥ 500 bis 1.000, unter Berücksichtigung

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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s. silvestris auf einem Bruchteil ihres Areals, d.h. allein in Deutschland, genetisch

dauerhaft unverändert bzw. evolutiv aktiv zu sichern, nicht sinnvoll.

Für kurzfristige lokale Naturschutzziele, die auch in den deutschen Arealteilen der

Wildkatze Sinn machen, gilt im Allgemeinen eine effektive Populationsgröße26 Ne≥50

als Gewähr, dass sich Inzuchteffekte27 in einem tolerablen Rahmen bewegen (z.B.

SHAFFER et al. 2002) und das Risiko demographischer Effekte minimiert ist. Da Ne von

der Generationslänge der betreffenden Art abhängt, könnte bei der Wildkatze sogar

ein höherer Wert Ne ≥ 200, d.h. eine Populationsgröße N ≥ 300 - 550 Individuen28,

sachgerecht sein, um 95 % der Heterozygotie über einen Zeitraum von 100 Jahren zu

gewährleisten.

Allerdings sind von den o.g. potenziellen Beeinträchtigungen i.d.R. nur Populationen

betroffen, die komplett isoliert sind. Bereits ein geringer Genfluss kann genetisch

wirksam sein und die effektive Populationsgröße deutlich erhöhen29. Ein bis zehn Mig-

ranten pro Generation gelten als ausreichend bzw. zufriedenstellend zur Verringe-

rung des Verlustes von genetischer Vielfalt ("One-Migrant-per-Generation Rule", vgl.

MILLS & ALLENDORF 1996).

Im vorliegenden Fall der Wildkatze in Deutschland gibt es eine starke Evidenz dafür,

dass populationsgenetische und demographische Probleme in Folge von Isolation der-

zeit keinen signifikanten Einfluss auf den Erhaltungszustand der Population haben.

Das zentrale Argument dafür ist die seit Jahrzehnten anhaltende Positiventwicklung

der Bestände, mit Steigerung der Siedlungsdichten in bereits länger besiedelten

(Rückzugs-)Gebieten und Ausbreitung in neue bzw. seit langem verwaiste Areale30, in

denen sich ihrerseits rasch wieder kopfstarke Bestände aufbauen. Dazu gibt es aus

allen Teilen des deutschen Verbreitungsgebietes zahlreiche Feststellungen (bis Ende

der Generationslänge der Wildkatze eher Ne ≥ 2.000 bis 4.000, bezogen auf das für Katzenarten bislang empirisch festgestellte Verhältnis Ne/N von 0,37 bis 0,64 (n. NOWELL & JACKSON 1996) entsprechend einer MVP von 3.100 -11.000 Individuen.

26 Anzahl der in einer Generation reproduzierenden Tiere

27Drei Bedingungen müssen erfüllt sein, um die Überlebensfähigkeit einer kleinen Population zu redu-zieren: Inzucht muss auftreten, Inzuchtdepression muss eintreten und die Eigenschaften der Organis-men, die von Inzuchtdepression betroffen sind, müssen geeignet sein, die Überlebensfähigkeit der Po-pulation zu berühren.

Bei Feliden ist Inzuchtdepression in situ nur bei zwei hoch isolierten und z.T. zusätzlich fragmentierten Kleinpopulationen bekannt (Florida-Puma, Löwen im Ngorongoro Krater/Tansanania, ref. in NOWELL &

JACKSON 1996). Es gilt aber auch hier: "Although inbreeding results in demonstrable costs in captive and wild situations, it has yet to be shown, that inbreeding depression has caused any population to de-cline" CARO & LAURENSON 1994). In der Regel sind die primären Gründe des Aussterbens deterministisch und beruhen auf Lebensraumverlust bzw. -veränderung oder Raubbau durch Jagd etc. Reduzierte gene-tische Diversität ist ein Symptom, eher nicht der Grund.

28 gemäß des für Katzenarten bislang empirisch festgestellten Verhältnisses von Ne zu N von 0,37 bis 0,64 (n. NOWELL & JACKSON 1996) 29 vgl. das von ALLENDORF & RYMAN (2002) zitierte Beispiel, nach dem (gemäß Modellrechnung) das Einset-zen eines Bären pro Jahr in eine Population von 100 Bären die Gefahr von Inzucht soweit senkt, als wenn die effektive Populationsgröße Ne von 35 auf 194 erhöht würde!

30 Ausbreitung offensichtlich auch in unerwartete Arealteile hinein: Am 17.08.2015 berichtet die SZ von (Lockstock-)Nachweisen dreier Tiere im Nationalpark Bayerischer Wald [nach PIECHOKI 1990 letzte Nach-weise dort vor 1930].

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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der 1980er Jahre kompiliert von PIECHOKI 1990, jüngere Arbeiten z.B. Schweiz: NUSS-

BERGER et al. 2007, HARTMANN 2009; Thüringen: GÖRNER 2012, UNGER et al. 2012; Hes-

sen: KRÜGER 1998, POTT-DÖRFER & RAIMER 2004, POTT-DÖRFER & DÖRFER 2007, RAIMER

2007, DENK 2009, RAIMER 2009, SIMON 2009, 2010, unpubl., BRAUNEIS 2012); Niedersach-

sen: HUPE 2007a,b, KRUG et al. 2012, SODEIKAT & KÖGLBERGER 2012; Baden-Württem-

berg: KRAFT et al. 2009, STREIF et al. 2012; Nordrhein-Westfalen: TRINZEN 2006, 2009;

Sachsen: STEFEN 2011; Bayern: FROBEL & THEIN 2009, SCHÖNFELD 2009; Sachsen-Anhalt:

STUBBE & STUBBE 2001, MEYSEL 2009; Rheinland-Pfalz: HERRMANN et al. 2008, KNAPP

2009, SCHIEFENHÖVEL & KLAR 2009). Die mehrfach diskutierte Frage, ob neue Bestände

ggf. zunächst übersehen und erst später entdeckt wurden, ist im Zusammenhang

nicht relevant. An der bis heute anhaltenden Bestandserholung und Wiederausbrei-

tung bestehen keine grundsätzlichen Zweifel.

Die Entwicklung ist auch plausibel, da sie mit einem Rückgang der früher kompro-

misslosen und flächengreifenden Bejagung der Art einhergeht31, die zu großflächiger

Auslöschung geführt hat. Nur Restbestände hatten dies überdauert. Mittlerweile ist

die Wildkatze seit langem geschützt und ganzjährig geschont. Unabhängig davon ist

es in den letzten Jahrzehnten beim Gros der Jägerschaft offensichtlich nach und

nach zu einem Paradigmenwechsel gekommen (z.B. HUPE 2007), so dass durch Acht-

samkeit gegenüber der nun positiv besetzten Wildkatze nur noch geringe Verluste

durch Unfälle im Rahmen der ordnungsgemäßen Jagdausübung entstehen.

Mit der Ausbreitung war auch festzustellen, dass die Habitatbindung der Art deutlich

breiter ist, als dies die Ausstattung der bewaldeten Mittelgebirgsbiotope suggerierte,

in denen die Tiere aufgrund schlechterer Bejagbarkeit früher Refugien fanden. So-

lange gute Jagdmöglichkeiten auf Wühlmäuse und beruhigte Rückzugszonen speziell

für die Jungenaufzucht vorhanden sind, können ganz offensichtlich sowohl regulär

bewirtschaftete Forste wie auch (strukturreiche halboffene) landwirtschaftlich ge-

nutzte Räume besiedelt werden32. Die Art erscheint insoweit gut befähigt, auch in

der modernen Kulturlandschaft zu überleben.

Die Ausbreitung, die eine "Surplus"-Produktion unterstellt, erfolgt dabei nachweislich

sowohl über ausgeräumtes Offenland hinweg als auch durch Siedlungsgebiete (vgl.

z.B. STEFEN 2011) und unter Querung stark befahrener Straßen. Die Ausbreitungsge-

schwindigkeiten wurden in jüngerer Zeit auf 0,8 km bis 2,0 km/pro Jahr geschätzt

(SCHIEVENHÖVEL & KLAR 2009, RAIMER 2009).

31 Die zeitliche Verzögerung beim Nachlassen der Jagddrucks entstand u.a. dadurch, dass außerhalb der bekannten Wildkatzen-Rückzugsgebiete Wildkatzen häufig als wildernde Hauskatzen identizifiert und abgeschossen wurden (vgl. PIECHOKI 1990). Analoges gilt wohl auch bezüglich Fallenfängen.

Weitere im einschlägigen Schrifttum aufgeführte Gründe für die positive Bestandsentwicklung der Art, wie große Windbrüche und milde bzw. schneearme Winter, mögen regional bzw. phasenweise von Be-deutung sein, können u.E. aber den bereits seit langem anhaltenden Trend nicht erklären. Auch aus Nordostfrankreich, Belgien, Luxemburg und der Schweiz werden zeitparallele Zunahmen und Ausbrei-tungen berichtet (zusammenfassend z.B. in PIECHOKI 1990, YAMAGUCHI et al. 2015).

32 Zur Frage der Waldbindung gibt es unterschiedliche Auffassungen, jedoch kann mittlerweile als gesi-chert gelten, dass ausgehend vom Wald auch die angrenzenden Offenländer stark in die Aktionsräume einbezogen und auch in Mitteleuropa - wie in Südeuropa - halboffene, strukturreiche "Mosaik"-Land-schaften besiedelt werden (in Deutschland z.B. Kyffhäuser, PIECHOKI nach STEFEN 2011).

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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Ein besonders aussagekräftiges Beispiel ist die Wiederbesiedlung des Hakel (nachfol-

gende Angaben i.W. nach MEYSEL 2009). Der Hakel bei Heteborn ist ein bis 245 m ü.

NN aufragender Höhenzug des nordöstlichen Harzvorlands im Landkreis Harz und

Salzlandkreis in Sachsen-Anhalt. Er umfasst etwa 1.300 ha Laubwald und diverse

(überlagerte) Schutzgebiete. Die Ausrottung der Wildkatze im Hakel erfolgte wohl

um 1894; zumindest gab es ab da bis 1940 keine Hinweise auf Vorkommen. Im Jahr

1956 wurde im Hakel ein Wildforschungsgebiet eingerichtet. Ab diesem Zeitpunkt

wurden dort intensive wissenschaftliche Inventarisierungen durchgeführt, auch an

Raubsäugern. Speziell zu erwähnen sind die von 1961 bis in die Gegenwart betriebe-

nen Untersuchungen an der Population des Dachses mit Baubeobachtungen. Trotz der

guten Voraussetzungen gelang zunächst nur eine einzige Beobachtung einer Wild-

katze im November 1981 (in Dachsbau). Die Wildkatze war also bis Anfang der 1990er

Jahre nicht (dauerhaft) präsent. Erste Hinweise auf Wiederbesiedlung ergaben sich

dann 1997; von da an bis 2006 gelangen insgesamt 64 Beobachtungen, davon elf Re-

produktionsnachweise.

Die Wiederbesiedlung erfolgte mit Sicherheit vom Harz aus; die minimale Distanz zu

den bekannten Wildkatzenlebensräumen am Harzrand ist mit 16 km angegeben. Der

Raum dazwischen weist zunächst schmale Galeriewälder entlang des unteren "Selke"

auf (mit Querung von sechs Ortslagen), im Weiteren aber auch noch einen großen Be-

reich offener, strukturarmer Feldflur33. Den mutmaßlichen Bewegungskorridor queren

nach eig. Ermittlung zwei Bundestraßen, B 185 (DTV 1.400-5.800 Kfz/24 h) und die B

6n (DTV 10.900-12.900 Kfz/24 h, DTV Stand 2010) sowie die Landstraßen L73 und

L85.

Aktuell ist die gesamte Waldfläche des Hakel von der Wildkatze besiedelt; nur ein

etwa 120 ha großer Bereich im Westteil in der Nähe der Ortslage Heteborn mit Auf-

kommen von Spaziergängern und Wirtschaftsverkehr blieb ohne Nachweise. Die Be-

obachtungen weisen darauf hin, dass die Waldränder bevorzugt genutzt werden; es

liegen auch Feststellungen aus der umgebenden Feldflur vor (bis 1.400 m von der

Waldkante), die darauf hinweisen, dass die Katzen diese, obwohl dort intensiver

Ackerbau betrieben wird, regelmäßig nutzen (auch n. MEYSEL in litt 08/2015; vgl.

dazu JEROSCH & GÖTZ 2011). Als Quartiere werden im Gebiet v.a. Dachsbaue, darüber

hinaus auch Waldkauzkästen und Holzstapel genutzt, totholzreiche Forstabteilungen

werden präferiert.

Bis 2009 wurden zwei Todesfälle dokumentiert: ein adultes Weibchen wurde von ei-

nem Jagdhund getötet, und ein einjähriges Männchen wurde Verkehrsopfer an der

Landstraße [L77] bei Heteborn.

Nach Einschätzung von MEYSEL (2009 und in litt.) ist die Population stabil und repro-

duziert regelmäßig. Die Siedlungsdichte ist hoch und der Aktionsraum schließt auch

Teile der angrenzenden Feldflur mit ein.

33POTT-DÖRFER & DÖRFER (2007) sehen angesichts der Besiedlung von isolierten Wäldern wie Schauener Holz, Großer Fallstein und eben dem Hakel eine erfolgreiche Durchwanderung offener und halboffener Gebiete als belegt an.

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

41

Geht man von einer sehr guten allgemeinen Dichte von 0,5 Tiere/km2 aus (Höchst-

wert n. HUPE & MEISSNER sowie RAIMER & SCHNEIDER zit. nach RAIMER 2009) und arron-

diert den Hakel-Wald hilfsweise um etwa 250 m, um die Funktionen der Feldflur zu

berücksichtigen, ist die lokale Individuengemeinschaft vermutlich nicht größer als 8-

10 Tiere. Bei einem solchen Bestand als Komplett-Isolat müsste entsprechend mittel-

bis langfristig mit Inzucht gerechnet werden, und allein aufgrund demografischer

Stochastik wäre trotz des idealen Lebensraumes seine Überlebenschance sehr be-

grenzt (vgl. z.B. AMLER et al. 1999, S. 270).

Die Wiederbesiedlung des Hakel in den 1990er Jahren unterstellt, dass maximal in-

nerhalb einer Generationsdauer mindestens ein ♀ und ein ♂ das Gebiet erreicht ha-

ben, angesichts des offensichtlichen Überwiegens (junger) Kuder bei den Dispergie-

renden vermutlich sogar mehrere ♂♂. Es ist weiterhin anzunehmen, dass die Etab-

lierungsversuche von Zuwanderern aus dem ("chronisch überbevölkerten") Harz seit-

her im Mittel mit ähnlicher Frequenz anhalten. Das bedeutet, dass ein mehr oder we-

niger regelmäßiger Input erfolgt, der den Genfluss hinreichend34 aufrecht erhält

bzw. die Population rettet35, wenn z.B. im ungünstigen Fall nach einem sehr stren-

gen Winter oder einer Epidemie nur einzelne Weibchen übrig bleiben.

Da die Entfernung zwischen Harz und Hakel mit 16 km über den aus Telemetriestu-

dien bekannten mittleren (Tages-)Aktionsdistanzen der Wildkatze liegt, sind beide

Bestände, trotz des anzunehmenden regelmäßigen Austauschs, vorsorglich nicht als

Population i.e.S. anzusehen. Der Hakel ist aber ohne Zweifel eine gut eingebundene

Subpopulation einer (vermutlich großen) Metapopulation36.

Im Fall des Hakels ist die Wiederbesiedlung über einen praktisch waldfreien Korridor

erfolgt, der sehr geringe Qualitäten als Dauerlebensraum aufweist. Es ist aber durch-

aus zu erwarten, dass dispergierende Tiere derartige Bereiche nutzen. PALOMARES et

al. (2000) etwa weisen für den iberischen Pardelluchs Lynx pardinus nach, dass sich

34 vgl. oben, mit Bezug auf MILLS & ALLENDORF (1996)

35 "rescue effect", vgl. BROWN & KODRIC-BROWN (1977)

36 vgl. "Faustregel 3" in AMLER et al. (1999, S. 202): ... Populationen, die aufgrund ihrer Entfernung und habitatstruktureller Gegebenheiten offenbar in geringem Maße und unregelmäßig untereinander in Ver-bindung stehen, werden zu einer Metapopulation zusammengefasst [n. Levin, Hanski & Gilpin, in l.c. im Sinne von REICH & GRIMM 1996). Als unregelmäßig zurückgelegt gelten die bekannte Höchstwanderdistan-zen. Die Entfernung zwischen Harz und Hakel entspricht eher dem unteren Bereich einer mittleren Aus-breitungsdistanz (Tagesleistung bis 10 km, nach HERRMANN & MATHWES 2007), so dass es u.U. auch ge-rechtfertigt wäre, beide als eine Population aufzufassen.

Zu den möglichen Wanderdistanzen: PIECHOKI (1990, S. 184) dokumentiert Funde von Abwanderern aus Harz und Thüringer Wald, davon zwölf, bei denen ein "Ausbreitungsradius" angegeben werden konnte. Danach erreichten die dispergierenden Tiere in der Mehrzahl Wanderdistanzen von 13-25 km, bevor sie diese durch ihren Tod dokumentierten. Als maximale Distanzen wurden zweimal um 50 km und einmal 80 km registriert; nach GOETZ (mdl. Mitt. an Hermann & Mathew 2007) legte ein einjähriger Kuder eine Strecke von bis zu 35 km zurück. BOWMANN et al. (2002) stellten fest, dass sich die Ausbreitungsdistan-zen bei Säugetieren proportional zu ihrer home range-Größe verhalten (Wurzel der home range-Fläche x Faktor). Setzt man für die Wildkatze in Mitteleuropa eine (vorsorglich eher niedrige) mittlere home range-Größe von 500 ha an, so errechnet sich für die mittlere Dispersionsdistanz ein Wert von 15,7 km

(√home range x 7) und für die maximale ein Wert von 89,4 km (√home range x 40), was i.W. den empi-risch gewonnenen Daten entspricht.

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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die Habitatnutzung zwischen dispergierenden Tieren und Residenten signifikant un-

terscheidet: Die dispergierenden Tiere nutzen Habitate geringerer Qualität, dabei

auch Flächen, die der intensiveren menschlichen Nutzung unterliegen, Residente ha-

ben ihren Schwerpunkt dagegen im unterwuchsreichen mediterranen Buschland mit

Kaninchen-Populationen.

In diesem Zusammenhang ist auch die Arbeit von PEDLAR et al. (1997, zit. n. FAHRIG

2003) von Interesse. Danach ist für viele Arten die Einwanderungsrate eher eine

Funktion der Länge bzw. Breite eines Habitatpatches als dessen des Patches. Für sol-

che Arten sollte die Einwanderungsrate höher sein, wenn die Landschaft aus einer

großen Zahl kleiner Patches besteht (hoher Fragmentierungsgrad), als wenn sie eine

kleine Zahl großer Patches umfasst. Dies ist durchaus auch für die Wildkatze anzu-

nehmen.

Der mutmaßliche Bewegungskorridor zwischen Hakel und Harz ist zwar überwiegend

ausgeräumtes Offenland, quert aber nur relativ wenige Straßen und insbesondere

keine Autobahn. Es gibt aber verschiedene Beispiele, dass auch stark befahrene Au-

tobahnen eine Ausbreitung und demzufolge auch einen dauerhaften Austausch zwi-

schen den Teilpopulationen bzw. innerhalb der Population nicht verhindern (vgl.

dazu auch Kap. 6.2).

So berichten etwa SODEIKAT & KÖGLBERGER (2012) über die Wildkatzen-Besiedlung des

"Elms", eines relativ isoliert erscheinenden Vorposten (sensu auct.) an der nördlichen

Verbreitungsgrenze und hielten in diesem Zusammenhang fest, dass die nördlich des

Elms liegende Lüneburger Heide mit ihren gut geeigneten Wildkatzenhabitaten an-

scheinend immer noch wildkatzenfrei sei. Die Autoren (l.c.) führen dies darauf zu-

rück, dass die Siedlungsräume um Braunschweig ein in ihrer Gesamtheit kaum zu

durchquerendes Hindernis darstellen und betonen dabei das enge Verkehrsnetz, mit

insbesondere der stark befahrenen Bundesautobahn A 2 (vgl. dazu auch Tost et al.

2014). Sie konstatieren, dass deshalb nur ein Netzwerk von Wanderkorridoren, Que-

rungshilfen wie Grünbrücken und Untertunnelungen die weitere Ausbreitung der

Wildkatze in Richtung Lüneburger Heide fördern könnte (vgl. entsprechenden Ausfüh-

rungen auch in RAIMER 2009).

Auch ohne dass derartige Maßnahmen ergriffen wurden, breitete sich die Wildkatze

aber weiter in Richtung (Süd-)Heide aus. Bei einer Untersuchung des Forstamtes Wol-

fenbüttel wurden Wildkatzen in jüngster Zeit auch nördlich der BAB A2, unter ande-

rem im Lappwald und im Drömling nachgewiesen (nach "News" der Niedersächsischen

Landesforste in www, Stand 27.04.2015 / download 08/2015, vgl. a. TOST et al.

2014). Der Lappwald liegt etwa 10 km nordöstlich des Elms; eine mögliche Zuwande-

rung unterstellt zwingend Querungen der A2, die in diesem Bereich eine DTV von

67.000 bis 75.000 Kfz/24 h hat (Stand 2010). Der Drömling liegt ebenfalls nördlich

der A2, etwa 26 km nord-nordöstlich des Elms und 14 km nordöstlich des Lappwalds.

HUPE (2007a) untersuchte die "Transitzone" im nordwestlichen Harzvorland zwischen

Solling und Hainberg auf Wildkatzenvorkommen [Distanz Luftlinie etwa 45 km]. Der

Autor bewertet im Zusammenhang die westlich des Harzes bzw. des Hainbergs (Areal

der Harzpopoulation) Nord-Süd verlaufende BAB A7 als bedeutsame Barriere. Den-

noch konnte er letztlich in sechs von elf mit Lockstock beprobten Waldkomplexen

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der "Transitzone", also östlich der BAB, Wildkatzen nachweisen. Die BAB konnte also

die Ausbreitung vom Harz nicht verhindern.

HUPE hebt in l.c. weiter den Hildesheimer Wald als noch wildkatzenfrei hervor und

führt dies auf die Trennwirkung der BAB A7 und des dazwischen liegenden Siedlungs-

gebietes zurück. Am 29.12.2010 berichteten dann die Weserbergland-Nachrichten

unter dem Titel "Wildkatze am Ith und Deister", dass auch einzelne Individuen der

Wildkatze im Hildesheimer Wald nachgewiesen werden konnten (mit Lockstock und

Fotofallen; Angaben nach www37).

SCHIEFENHÖVEL & KLAR (2009) untersuchten die Ausbreitung der Wildkatze im Wester-

wald. Nach ihren Erkenntnissen hat sich dort der besiedelte Bereich vom Jahr 2000

auf das Jahr 2008 mehr als verdreifacht und ein neuer "Kernraum" ist entstanden (S.

942). Dieser Kernraum liegt südlich der Autobahnen A3 und A48. Jedoch gelang in

jüngerer Zeit auch eine Reihe von Nachweisen nördlich und "die Dokumentation von

mehreren Querungsereignissen von Wildkatzen mittels Infrarotkameras zeigen, dass

diese durchaus in der Lage sind die Autobahnen zu unterqueren" (l.c., S. 953, vgl.

auch Ausführungen in Kap. 6.2).

Insgesamt führen die obigen Erwägungen zu der Auffassung, dass auch kleine Vor-

kommen, die in eine von Wildkatzen nicht dauerhaft nutzbare Landschaftsmatrix ein-

gebettet sind, den für ihren langfristigen Erhalt notwendigen Individuen-Austausch

erhalten. Das anhaltend expansive Verhalten der Populationen an allen "Fronten"

zeigt, dass auch die moderne Landschaft für die Wildkatze noch hinreichend durch-

lässig ist. Die Tiere können unwirtlich erscheinende "Bewegungskorridore" nutzen und

dabei ggf. auch große Distanzen (maximale Ausbreitungsdistanz > 50 km) sowie Stra-

ßen und ausgebaute Flüsse überwinden. Straßen, auch die größeren, stellen bislang

offensichtlich trotz der Verkehrsopfer keine Barrieren dar, die die Populationsdyna-

mik bzw. den Populationszusammenhalt substanziell beeinträchtigen würden.

Vermutlich erreicht die Mortalität durch den Straßenverkehr (linienhaft) ein weitaus

geringeres Ausmaß als in früheren Zeiten durch die starke Bejagung (praktisch flä-

chenhaft), so dass die anthropogene Sterblichkeit in der Summe heute vermutlich ge-

ringer ist. Zudem treffen Verkehrsverluste (im Unterschied zur Bejagung) heute mög-

licherweise überwiegend dispergierende Tiere, die auch in der Naturlandschaft ei-

nem höheren Mortalitätsrisiko unterliegen würden. Damit wäre Verkehrsmortalität

zumindest zum Teil (auch) eine kompensatorische Mortalität38. Die Diagnosen zur

Straßenmortalität entsprechen grundsätzlich auch den aktuellen Feststellungen von

HERZOG (2014) zum Wolf Canis lupus, einem weiteren expansiven Karnivoren. Der Au-

tor (l.c., vgl. dort) kommt aufgrund des tendenziell exponentiellen Wachstums der

Population im Verhältnis zur bekannten Verkehrsmortalität zu der Einschätzung, dass

37 dort wörtlich: "... der Verfasser der Studie bezeichnet die Population der Europäischen Wildkatze in den Hauptverbreitungsgebieten Harz und Solling zurzeit als stabil. In den zwischen Harz und Solling lie-genden Wäldern und bewaldeten Höhenzügen (Weser- und Leinebergland) steigt die Zahl der Beobach-tungen an und eine Ausbreitung nach Norden und Westen ist zu verzeichnen. Nachweise liegen aus dem Deister (nordwestliche Ausbreitungsgrenze) und dem Elm (Nordöstliche Ausbreitungsgrenze) vor. Auch die Neubesiedlungen des Hildesheimer Waldes oder der Waldgebiete nördlich von Bad Pyrmont weisen daraufhin, dass die Wildkatze sich Richtung Norden ausbreitet." 38 Eingriffe in den Populationsüberschuss

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44

"aus der Sicht des [fachlichen] Artenschutzes (…) die Kollisionsereignisse im Straßen-

verkehr (...) von nachrangiger Bedeutung" sein dürften.

Entsprechend des oben postulierten Genflusses innerhalb der (Meta-)Populationen

ergaben auch genetische Untersuchungen keine Hinweise auf eine Reduktion der ge-

netischen Vielfalt innerhalb der deutschen Wildkatzen-Bestände (HERTWIG et al.

2009, ECKERT et al. 2010, HARTMANN et al. 2013, NOWACK et al. 2014). "Bottelnecks39",

die im Zusammenhang mit dem starken Zurückdrängen auf wenige Refugien durchaus

möglich erschienen, sind nicht bzw. nicht sicher indiziert. Die einzige derartige Fest-

stellung betrifft ausgerechnet das ehemalige Rückzugsgebiet Pfälzerwald40, mit di-

rektem Kontakt zu den Vorkommen in den französischen Vogesen und damit einer be-

reits früher mutmaßlich zahlenmäßig bedeutenden Population41. Die Autoren schlie-

ßen allerdings auch eine vergleichsweise geringe Probenzahl als Erklärung des positi-

ven bottleneck-Tests nicht aus. Unabhängig davon gilt eine rasche bzw. anhaltende

Bestandserholung, wie sie auch in diesem Teil der Areals stattfand und stattfindet,

"als effektivste Form von genetischem Management" (MAEHR et al. 2002), und es sind

zahlreiche Arten zu nennen, die durch einen genetischen Flaschenhals gingen, dann

wieder deutlich zunahmen und als vitale Populationen existieren (z.B. Gepard A-

cinonyx jubatus, mit historischem "Bottelneck").

Genetische Unterschiede innerhalb der deutschen Wildkatzen-Bestände wurden in

verschiedenem Ausmaß festgestellt. Dies erstaunt nicht, da ganz allgemein die aller-

meisten Arten (phasenweise) aus vielen (Teil-)Populationen bestehen bzw. bestanden

und so als Resultat ihrer Geschichte eine mehr oder weniger ausgeprägte genetische

Divergenz aufweisen.

HARTMANN et al. (2013) untersuchten Wildkatzenbestände in Taunus, Hunsrück und

dem dazwischen verlaufenden Rheintal sowie beidseits des Autobahn A3. Dabei er-

wies sich das Rheintal als deutliche Barriere für den Genfluss, obwohl Katzen nach-

weislich durch den Rhein schwammen (Telemetrie-Nachweis) und einzelne Individuen

genetisch als Migranten bzw. jüngere Rückkreuzungen mit Migranten42 vom gegen-

überliegenden Flussufer zu identifizieren waren.

Bei der BAB A3 zeigte sich dagegen nur eine schwache, aber signifikante Differenzie-

rung; dies unterstellt ebenfalls gewisse Einschränkungen bezüglich des Genflusses. Es

wurde aber auf jeder Autobahnseite eine nennenswerte Beimischung von Wildkatzen

der anderen Autobahnseite festgestellt und es konnten (im Vergleich zum Rhein)

weit weniger Individuen mit hoher a posteriori-Wahrscheinlichkeit der einen oder der

anderen Seite zugeordnet werden. Die BAB A3 weist im untersuchten Abschnitt etwa

50 Unterführungen auf. Bei parallel durchgeführten Felduntersuchungen konnte eine

39 "genetischer Flaschenhals": starke genetische Verarmung, die durch Reduktion auf eine sehr kleine, oft nur aus wenigen Individuen bestehende Population hervorgerufen wird (n. Wikipedia, gekürzt).

40 bereits mit Stand 1988 als guter Bestand eingeschätzt, mit 300-400 Tiere (Reimers in Piechoki 1990, S. 37)

41 Say et al. (2012) stellen mit Bezug auf die Wildkatzen-Vorkommen in Nordostfrankreich fest, dass de-ren genetische Diversität bemerkenswet hoch bzw. die dortigen Populationen nicht durch einen Mangel an genetischer Diversität gefährdet seien.

42 vier der fünf Migranten waren Kuder

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45

Katze auf beiden Seiten nachgewiesen werden. Zwei von neun untersuchten Waldun-

terführungen wurden regelmäßig von Wildkatzen genutzt; dort wurden 17 Querungen

in fünf Monaten registriert.

Für den Erhaltungszustand der Population entscheidend in dieser Situation sind aber

nicht etwaige genetische Differenzen, die - wie oben bereits erwähnt - auch natürli-

cherweise eher den Regelfall darstellen, sondern das ebenfalls erbrachte Resultat,

dass die genetische Diversität der Wildkatzen in der untersuchten Region insgesamt

hoch ist (HARTMANN et al. 2013). Es ergaben sich definitiv keine Hinweise auf einen

Verlust der genetischen Vielfalt; die mittlere Heterozygosität über alle loci wurde

mit Ho = 0,67 festgestellt, vs. He43 = 0,72.

Zusammenfassung: Die Wildkatzenbestände in Deutschland (und den westlich an-

grenzenden Ländern) entwickeln sich seit einigen Jahrzehnten kontinuierlich deutlich

positiv, was sich sowohl durch eine Steigerung der Siedlungsdichte in alten Refugien

als auch durch die Rückeroberung lange verwaister Arealteile zeigt. Bei der Ausbrei-

tung ist die Wildkatze offensichtlich in der Lage, für sie unwirtliche Räume zu durch-

queren sowie Straßen und Flüsse zu überwinden. Dabei können wandernde Tiere Dis-

tanzen bis > 50 km zurückgelegen. Die erfolgreiche Besiedlung eines isoliert erschei-

nenden Habitatkomplexes erfordert, dass mindestens zwei Tiere, ein Männchen und

ein Weibchen innerhalb einer Generationslänge (etwa 3-4 Jahre) das Gebiet errei-

chen. Auf dieser Grundlage kann davon ausgegangen werden, das das Gros der Be-

stände in Deutschland in Metapopulationen verbunden ist und der Individuenaus-

tausch (trotz Straßenmortalität) insgesamt hinreicht, um die nötige genetische Viel-

falt zu gewährleisten, auch bei kleinen und sehr kleinen Teilpopulationen Inzucht zu

vermeiden und das Risiko demographischer Stochastik zu minimieren. Verschiedene

genetische Untersuchungen an deutschen Wildkatzen ergaben entsprechend, dass die

genetische Diversität (Heterozygotie) durchweg hoch ist.

zu "Straßennahe Lebensräume als Populations-Senken"

Es wurde mehrfach nachgewiesen, dass Wildkatzen straßennahe Lebensräume nicht

meiden, sondern diese in ihren Aktionsraum einschließen. Beobachtungen von Klar

(2010, vgl. a. HÖTZEL et al. 2007) und HUPE et al. (2004) zeigen bzw. legen nahe, dass

der unmittelbare Nahbereich von Autobahnen auch als Ruhe- bzw. Fortpflanzungs-

stätte genutzt wird. Dies ist auch von anderen "störungsempfindlichen" Arten be-

kannt44 und hat mit einiger Sicherheit damit zu tun, dass diese Randbereiche i.d.R.

schlecht erschlossen sind bzw. dass Menschen sie wegen der starken Lärmentwick-

lung meiden.

43 o -observed, e - expected (bei zufälliger Paarung, d.h. wie nach Hardy-Weinberg erwartet); bei voll-ständiger Inzucht gilt H = 0 44 z.B. eig. Beob. von aktiver Biberburg im Querungsbereich einer S-Bahn-Trasse mit stark befahrener Autobahn, Lkr. Freising

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46

Durch Telemetrie-Untersuchungen ist bekannt, dass auf Straßen, die zusammenhän-

gende Wildkatzenlebensräume queren, residente Tiere dem Verkehr zum Opfer fal-

len45 (HUPE et al. 2004, KLAR 2010, STREIF et al. 2012). Dabei sind von einem erhöhten

Mortalitätsrisiko offensichtlich v.a. solche Individuen betroffen, deren Streifgebiete

zentral durchfahren werden bzw. obligate Habitatrequisiten auf beiden Seiten der

Fahrbahn aufweisen. Die Todesfälle entstehen dann i.W. bei der Querung über die

Straße bzw. durch Verunfallung an Querungsbauwerken, in denen der Kfz-Verkehr

über- oder unterführt wird und ein (nächtliches) Verkehrsaufkommen besteht.

Weiter gibt es Beobachtungen, dass Individuen bestimmte Teile ihres Aktionsraums,

die vom Hauptteil durch die Fahrbahn abgeschnitten wurden, nach Fertigstellung ei-

ner Autobahn aufgaben (KLAR 2010). Solche Tiere werden aber nur dann vor Ort ver-

bleiben, wenn die lokale Lebensraumkapazität vs. Siedlungsdichte ein "Ausweichen"

möglich macht. Begünstigend für ein "Ausweichen" wirkt dabei u.U., dass sich die

Streifgebiete der Wildkatzen mehr oder weniger stark durchdringen können (nach

zahlreichen Telemetriestudien, Zitate vgl. in BIRLENBACH & KLAR 2009). Jedenfalls un-

terliegen solche Residente oder andere, deren Aktionsraum zwar in den straßenna-

hen Bereich hineinreicht, jedoch nicht bis auf die Gegenseite, offensichtlich keinem

nennenswerten Verunfallungsrisiko (nach Verteilung von Telemetrie-Ortungspunk-

ten).

Die Untersuchung von HUPE et al. (2004) legt nahe, dass "riskante Streifgebiete", die

eine Nutzung von beiderseits der Straße gelegenen Flächen erzwingen, fallweise wie-

der besetzt werden. Zumindest wurde ein solches Streifgebiet an der lange beste-

henden BAB A7 mit Beginn der Telemetrie-Untersuchung (zu einem quasi zufälligen

Zeitpunkt) besetzt vorgefunden, und von dem residenten ♀ unter regelmäßiger Que-

rung genutzt, bis dieses letztlich überfahren wurde. Ob solche Streifgebiete über ei-

nen längeren Zeitraum betrachtet tatsächliche eine "Senke" darstellen (Mortalität >

Reproduktion) ist nicht sicher zu sagen, jedoch möglich. Substanzielle Vorteile der

straßennahen Lage, die Verluste ausgleichen könnten (vgl. z.B. FAHRIG & RYTWINSKI

2009), sind jedenfalls nicht erkennbar.

KRUG et al. (2012) stellten fest, das sich bei einem Männchen der Aktionsraum zu fast

gleichen Anteilen östlich und westlich der B 217 (Deister-Pforte bei Springe) ver-

teilte. Die Telemetrie ergab, dass das Tier innerhalb von fünf Monaten mindestens 35

Querungen der Bundesstraße durchführte und bis zum Ende der Untersuchung über-

lebte. Die Bundestraße ist vierspurig46 und die DTV wird mit 13.390 Kfz/24 h angege-

ben. Innerhalb des Home Ranges - etwa 1.800 m Straßenlänge - befinden sich drei

Amphibiendurchlässe und eine vermutlich wenig befahrene47 Straßenbrücke (Flur-

wege), alles mit Gehölzen eingebunden, und nach l.c. vermutlich zur Querung ge-

nutzt. Die Autoren vermuten aber auch eine freie Querung über die Fahrbahn.

45 als residente Tiere werden hier solche gewertet, die im Rahmen von Telemetrie oder Lockstock-Un-tersuchungen regelmäßig über einen substanziellen Zeitraum in einem bestimmten Areal nachgewiesen wurden. 46 eig. Ermittlung n. Google Earth 47 eig. Ermittlung n. Google Earth

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47

Wie hoch die Belastung der Population/Teilpopulation ist, muss natürlich im Einzel-

fall betrachtet werden. Beeinträchtigungen auf der lokalen Ebene sind insbesondere

bei sehr kleinen Beständen und einer Summationswirkung durch mehrere bis zahlrei-

che Straßen im Aktionsraum mit substanziellem Nachtverkehr nicht auszuschließen.

Zusammenfassung: Residente Wildkatzen unterliegen offensichtlich dann einem be-

sonderen Mortalitätsrisiko, wenn sie einen Aktionsraum nutzen, der mehr oder weni-

ger zentral von einer Straße durchfahren wird. Nur randlich getroffene oder an die

Straßen angrenzende Aktionsräume ohne Anteil auf der Gegenseite unterliegen wahr-

scheinlich keinem erhöhten Verunfallungsrisiko. Wie hoch die Belastung der Popula-

tion/Teilpopulation ist, muss im Einzelfall betrachtet werden. Bedeutsame Beein-

trächtigungen sind insbesondere bei sehr kleinen Beständen und einer Summations-

wirkung durch mehrere bis zahlreiche Straßen mit Nachtverkehr nicht auszuschlie-

ßen.

6.3 Eignung der Grünbrücken für die Art, andere Querungsmöglichkeiten

Grünbrücken

Es gibt bislang nur einzelne Akzeptanz-Feststellungen der Wildkatze für Grünbrü-

cken; Effizienzkontrollen48 liegen nicht vor.

PIR et al. (2011) untersuchten eine 150 m breite Grünbrücke, mit randlicher Mit-

überführung einer wenig befahrenen Straße, an der A7 bei Pettingen-Mersch 18 km

nördlich von Luxemburg-Stadt. Das Untersuchungsgebiet, dessen Fläche mit 500 ha

angegeben ist, umfasst eine teils nur schmal zusammenhängende Kette von Waldin-

seln mit einer Länge von insgesamt 5,6 km, die in eine strukturreiche Agrarland-

schaft eingebettet ist49. Etwa mittig in dieser Achse durchfährt die A7 zentral eine 80

ha große Waldinsel, die im Querungsbereich 1 km breit ist; dort ist im nördlichen

Drittel die Querungshilfe platziert. Die Untersuchung erfolgte zwischen November

2009 und September 2010. Es kamen Lockstöcke (n = 51) zum Einsatz, die bis zu 2,5

km westlich und 1,7 km östlich der Durchfahrungsstrecke installiert wurden. Nach

Abb. 4 in l.c. wurden die Lockstöcke gezielt im Bereich der Grünbrücke und dem dort

anschließenden autobahnnahen Korridor verdichtet; dort waren auch einzelne Stöcke

außerhalb des Waldes platziert. Nur neun Lockstöcke befanden sich außerhalb des

Korridors.

Insgesamt wurden 122 "Wildkatzen-verdächtigte" Haarproben erfasst, von denen 29

aus allen Bereichen des Untersuchungsgebietes genetisch analysiert wurden. Danach

waren neun Wildkatzen zu unterscheiden, fünf ♂♂und vier ♀♀. Maximal wurden zwei

Katzen je viermal und zwei Katzen je dreimal nachgewiesen; die übrigen wurden nur

zweimal bzw. einmal (n=6, vgl. S. 67) registriert. Für zwei ♀♀ und ein ♂ konnte eine

48 im Sinne von vorher-nachher-Querungsraten oder paralleler Untersuchung von Kontrollabschnitten; vgl. z.B. LESBARRÈRES & FAHRIG (2012, S. 375): "These studies [die überwiegende Mehrzahl der Kontrollun-tersuchungen von Querungshilfen] simply reported evidence for the presence or numbers of animals found in particular ecopassages and thus cannot be used to evaluate their effectivness to mitigate road effects on animal crossing rates."

49 hier und im weiteren eig. Feststellungen nach Google Earth

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48

Querung der Grünbrücke nachgewiesen werden. Zwei weitere Tiere, ein ♀ und ein ♂,

wurden auf der Brücke registriert. Von einem der beiden querenden ♀♀ gelangen in-

nerhalb der Untersuchung insgesamt vier Nachweise, drei im Winter 2009/2010 und

ein Nachweis im August 2010. Bei diesem ♀ dürfte es sich insofern um ein residentes

Individuum gehandelt haben. Für die übrigen Tiere, die an bzw. auf der Brücke fest-

gestellt wurden, ist dies nicht begründet zu vermuten, womit dispergierende Tiere

nicht auszuschließen sind.

Die Studie zeigt, dass Wildkatzen eine Grünbrücke querten, darunter mit einiger Si-

cherheit mindestens ein residentes Tier. Wie oft bzw. wie regelmäßig die Brücke ge-

nutzt wurde, ob auch dispergierende Tiere querten und insbesondere wie sich die

Austauschrate über die Autobahn mit Brücke von der Austauschrate ohne Brücke un-

terscheidet und ob durch das Bauwerk Todesfälle durch den Straßenverkehr vermie-

den werden konnten, bleibt offen. Ein Rückschluss zur Effizienz bzw. auf die Bedeu-

tung der Maßnahmen für die Population ist daher nicht möglich50.

Gleiches gilt auch für die Untersuchung einer Grünbrücke in Hessen. Es handelt sich

um ein 50 m breites Bauwerk über die seit langem bestehende A7 zwischen den An-

schlussstellen Fulda-Nord und Hünfeld, zentral im Michelsrombacher Wald51. Die

Grünbrücke wurde im Dezember 2011 fertiggestellt. 2013 erfolgte eine "Ersterfassung

zum Monitoring" der Brücke (PGNU 2013), u.a. mittels Fährtensuche und Kamera-Fal-

len. Speziell zur Erfassung der Wildkatze wurden zusätzlich 22 Lockstöcke installiert,

verdichtet an bzw. auf der Brücke und im Bereich möglicher Zuwegungen, unterge-

ordnet auch verteilt innerhalb der beidseits angrenzenden Forste bis in eine Distanz

von einigen hundert, maximal 1.000 m. Die Lockstöcke wurden zur Ranzzeit betrie-

ben, mit Installation im Januar 2013 und fünf Kontrollen bis Mitte April 2013. Die Un-

tersuchungen lieferten keine Wildkatzen-Nachweise; auch bei diversen "verdächti-

gen" Haarproben von den Lockstöcken war der Befund letztlich negativ (ULLMANN in

litt. 08/2015).

Bei weiterführenden Untersuchungen 2014/2015 wurden dann aber Wildkatzen mit-

tels Fotofallen wie auch mittels erneut exponierter Lockstöcke nachgewiesen. Die

Beobachtungen weisen darauf hin, dass die Grünbrücke u.U. von zwei Individuen ge-

nutzt wird. Weitere Auswertungen sind in Vorbereitung (ULLMANN in litt. 08/2015).

Zusammenfassung: Bei beiden ausgewerteten Untersuchungen handelt es sich um

Akzeptanz-Studien. Sie zeigen, dass Wildkatzen Grünbrücken zur Querung nutzen,

möglicherweise nach einer gewissen Gewöhnungsphase. Daten, die eine Bewertung

50 Im Kapitel "Diskussion" der zitierten Arbeit werden verschiedene Feststellungen getroffen, die nicht nachvollziehbar sind. So gehen PIR et al. (2011) offensichtlich davon aus, dass Wildkatzen i.W. im Wald leben und dort auch bevorzugt migrieren sowie davon, dass die gegenständliche Grünbrücke "die ein-zige durchlässige Querungsmöglichkeit der A7 entlang der Nord-Süd-Waldachse zwischen Roeser [27 km südlich] und Fridhaff [12 km nördlich] sei. Was die letzte Feststellung anbelangt, so sind im Luftbild (nach google earth) bereits unweit der Grünbrücke diverse Über- und Unterführungen erkennbar, auch ein Durchlass eines Fließgewässers mit Galeriewald, und knapp 4 km südlich wird die Autobahn im Be-reich eines größeren Waldgebietes über etwa 2,8 km im Tunnel geführt.

51 Der Michelsrombacher Wald gehört zu dem Populationsareal "Schlitzerland" im Sinne von Simon (2010); der erste Nachweis erfolgte dort im Jahr 2000, durch einen Todfund bei Berngerode.

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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der Bedeutung der beiden Grünbrücken in Bezug auf den Erhaltungszustand der be-

troffenen Wildkatzen-Population erlauben, liegen nicht vor.

Andere Querungsmöglichkeiten

Auch bezüglich weiterer Querungsmöglichkeiten ist die Anzahl konkreter Untersu-

chungen zur Wildkatze eher gering52. Die wichtigste Arbeit ist die von KLAR (2010,

vgl. auch KLAR et al. 2010, HÖTZEL et al. 2007) in der Südeifel, da es sich insgesamt

um die einzige "Vorher-Nachher"-Untersuchung handelt; sie wurde in der Bauphase

und der initialen Betriebsphase der BAB A60 durchgeführt (Neubau Badem-Wittlich,

DTV 10.000 Kfz/24 h).

Es wurden insgesamt zwölf Wildkatzen entlang eines 10,4 km langen Abschnitts tele-

metriert, in Phase 1 (Bau, ohne Zäunung, ein Jahr) neun Tiere, in Phase 2 (Betriebs-

phase + Zäunung, zwei Jahre) acht Tiere. Der 10,4 km lange Abschnitt wurde kurz

vor Eröffnung der BAB beiderseits auf 6,4 km mit wildkatzensicherem Wildschutz-

zaun(LÜTTMANN et al. o.D.53) und auf 4,0 km mit feinmaschigem Wildschutzzaunverse-

hen.

Die Untersuchung ergab, dass in der Bauphase (Phase 1) alle telemetrierten Katzen

ohne Hinweise auf Irritationen über die gerodete Trasse bzw. später über die asphal-

tierte Fahrbahn wechselten und unter zwei weit überspannenden Viadukten querten

(KLAR 2010). Es wird in l.c. implizit davon ausgegangen, dass die für die Bauphase do-

kumentierte Raumnutzung in etwa der vor dem Eingriff entsprach.

In Phase 2 (Betrieb + Zäunung54) ergaben sich keine Hinweise darauf, dass die tele-

metrierten Katzen die Zäune überwanden. Möglichkeiten für einen Wechsel der Auto-

bahnseiten boten insofern nur die Querungsbauwerke, von denen sich sieben inner-

halb der untersuchten Home Ranges befanden. Sechs davon wurden nachweislich von

den besenderten Katzen genutzt.

Am stärksten frequentiert waren die beiden bereits oben erwähnten Viadukte; fünf

von sieben Katzen, die Viadukte innerhalb ihrer Home Ranges hatten, nutzen diese.

Die anderen Querungsbauwerke wurden jeweils nur von einer Katze genutzt, am ge-

ringsten eine Forstweg-Überführung. Die einzelnen Wildkatzenindividuen hatten je-

weils ihr bevorzugtes Querungsbauwerk; die Tiere nahmen Umwege in Kauf, um zu

diesem zu gelangen (ggf. mehr als 1 km).

Bei Betrachtung der einzelnen Individuen ergab sich für die Querungsrate pro Tag

und Stelle zwischen der Bauphase (Phase 1) und der initialen Betriebsphase mit Zäu-

nung (Phase 2) kein signifikanter Unterschied.

52 Es liegen darüber hinaus noch sogenannte "Passierbarkeitsanalysen" vor, die vorhanden Durchlässe und Überführungen sowie ggf. auch deren Anbindungen im Sinne eines "expert judgements" bewerten (SARBÖCK & REIMER 2007, Tost et al. 2014). Darüber hinaus existeren Feststellungen von Straßenquerun-gen durch Wildkatzen, bei denen eine Nutzung von Durchlässen vermutet wird (KRUG et al. 2012).

53 nach www.researchgate.net/publication/242163011

54 Wildkatzensicherer Wildschutzzaun und kleinmaschiger Wildschutzzaun; auch die kleinmaschige Aus-führungsform wurde im Verlauf der Untersuchung von telemetrierten Katzen nach Datenlage nicht über-wunden, obwohl sie sich letztlich als überkletterbar erwies.

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

50

In Phase 2 wurden 21 tracking-sessions aufgenommen, bei denen Wildkatzen auf < 50

m an die Autobahn-Durchlässe herankamen:

zwölfmal näherte sich die Katze zügig und querte;

dreimal drehte die Katze um und lief zu einer anderen Querungsstelle;

dreimal blieb die Katze einen Tag vor Ort und querte in der nächsten Nacht;

dreimal drehte die Katze um und querte nicht.

Von den telemetrierten Katzen wurde eine (nach Abschluss der Besenderung) im Be-

reich des mit feinmaschigem Wildschutzzaun versehenen Abschnitts überfahren. Dar-

über hinaus verunglückten im telemetrierten Abschnitt noch fünf unmarkierte (mög-

licherweise dispergierende) Tiere und im anschließenden Abschnitt ohne Telemetrie

mit regulärem Wildschutzzaun weitere sechs Tiere, alle erfasst durch systematische

Kadaversuche über 26 Monate. Zwei der Verkehrsopfer fanden sich an einem Straßen-

durchlass und eines auf Höhe eines Lochs im Abschnitt mit wildkatzensicherem Wild-

schutzzaun.

HÖTZEL et al. (2007) weisen darauf hin, dass bei dem hier referierten Telemetriepro-

jekt in der Südeifel die Raumnutzung einer der untersuchten Wildkatzen ("Gerti") be-

sonders intensiv erfasst wurde und dokumentierten ihr Querungsverhalten und ihre

Durchlassnutzung. Das Streifgebiet von "Gerti" wurde von der neuen A60 zentral

durchfahren (l.c., S. 50 ff); es ergaben sich folgende Beobachtungen:

Am 03.12.2002 wurde der Wildschutzzaun befestigt; die Freigabe der BAB er-

folgte am 11.12.2002. Bis 29.12.2002 blieb Gerti ausschließlich nördlich der

BAB. Die erste Querung erfolgte dann am 31.12; auch am 19./20.01. wurde

Gerti wieder südlich der BAB festgestellt. Im Februar und März 2003 wurden

die nördlichen wie auch die südlichen Streifgebietsteile genutzt, mit "Kern-

zone" des Streifgebiets direkt an der BAB in der Nähe einer Straßenunterfüh-

rung. Im April und Mai wechselte Gerti erneut von Süd nach Nord. Im Sommer

und Herbst erfolgte eine gleichmäßige Nutzung des gesamten Streifgebiets.

Insgesamt verringerten sich nach Freigabe der Autobahn mit Zäunung im 1.

Jahr die Querungen von Gerti, im 2. Jahr ergaben sich wieder die Verhält-

nisse wie vor Eröffnung: registrierte Querungen vor Eröffnung 11 / 1.000 h,

im Jahr nach Eröffnung 6 / 1.000 h, im zweiten Jahr nach Öffnung erneut 11

/ 1.000 h.

Für Gerti bestanden innerhalb des Streifgebietszwei Möglichkeiten zur Que-

rung: die "Salmtalbrücke", eine große Talbrücke mit Bach, dort erfolgten re-

gelmäßig Querungen, sowie ein sehr technischer Straßendurchlass, mit nur

2,5 m breiten Erdstreifen hinter der Leitplanke, dieser wurde am häufigsten

genutzt.

Auf Grundlage der Telemetrie-Ergebnisse und abgeleitet aus den Home Range-Grö-

ßen unter Bezug auf BISSONETTE & ADAIR (2008) postuliert KLAR (2010), dass in Wildkat-

zen-(Dauer-)Lebensräumen eine Querungsmöglichkeit pro 1,5 bis 2 km Straße erfor-

derlich ist, wenn für jedes Home Range eine eigene Querung zur Verfügung stehen

soll.

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

51

Weitere Untersuchungen:

HUPE et al. (2004) untersuchten die Akzeptanz von Querungsbauwerken durch Wild-

katzen im Bereich der BAB A7 nördlich von Seessen mittels Telemetrie, Spurbetten,

Lockstäben und Fotofallen. Im untersuchten Abschnitt mit Länge 3,5 km55 existieren

fünf Querungsbauwerke: zwei Wirtschaftsweg-Unterführungen (Länge 43 und 31 m,

Höhe knapp 6 m), eine 6,3 m breite Wirtschaftsweg-Überführung, ein Gewässer-

durchlass mit Kastenprofil 3,5 x 1,9 m (B x H) und ein Gewässerdurchlass in Beton-

rohr. Das zuletzt genannte Bauwerk wurde offensichtlich nicht untersucht. An den

übrigen gelangen an beiden Seiten diverse Lockstocknachweise, allerdings an der

Ostseite regelmäßig deutlich mehr. In Spurbetten in den beiden Überführungen wur-

den ein bzw. zweimal "Katzen"-Spuren gefunden, bei einer der Überführungen gelang

ein Foto einer Katze auf der Ostseite (Fotofalle).

SCHIEVENHÖVEL et al. (2010 ab) untersuchten 40 km Autobahnstrecke innerhalb des

Westerwaldkreises, 28 km der A3 (mit DTV 80.900 Kfz/24 h) und 12 km der A48 (mit

DTV 40.900 Kfz/24) auf Wildtierquerungen in Unterführungen. Von 39 Querungsbau-

werken entlang der o.g. Autobahnstrecke wurden 24 untersucht: zehn Straßen-, neun

Wirtschaftsweg- und zwei Eisenbahnunterführungen sowie drei Bachdurchlässe. Im

Zeitraum Februar bis Anfang April bzw. Februar bis Mitte Mai 2009 wurden regelmä-

ßig Trittsiegel registriert bzw. Infrarotkameras betrieben. Von den zahlreichen Wild-

tiernachweisen entfallen 96 auf "Katzen"-Querungen, die sich auf 19 Unterführungen

beziehen. Von den Fotobelegen waren sieben als cf. Wildkatzen und 26 als cf. Haus-

katzen zu identifizieren. Die sieben Querungsnachweise von cf. Wildkatzen erfolgten

an vier Unterführungen: eine 5 m breite Forstwegunterführung mit sehr geringem

Verkehr und einigem Fußgängeraufkommen sowie drei Straßenunterführungen mit ei-

ner Breite von 9 bis 12 m praktisch ohne Fußgängerverkehr. Die unterführten Straßen

sind mit einer DTV von > 1.000, 2.000 und etwa 5.600 Kfz/24 h angegeben. Die Dis-

tanz der genutzten Unterführungen zur nächsten Siedlung wurde mit 820, 168, 600

und 560 m festgestellt. Die Autoren gehen unter Vorbehalten davon aus, dass die Un-

terführungen im untersuchten Bereich, auch angesichts der Dichte von einem Bau-

werk pro Autobahn-km, eine hohe Bedeutung für das "Nutzungsverhalten der Wild-

katze" haben.

In der Zeitschrift "Naturschutz und Landschaftsplanung" wurde 2015 in der Rubrik

"kurz und bündig" berichtet, dass der BUND und der NABU mittels Fotofallen die Que-

rung von Wildkatzen in zwei großlumigen Amphibiendurchlässen an der B 217 bei Se-

demünder zwischen Springe und Hameln (vierspurig, DTV etwa 15.000 bis 20.000

Kfz/24 h56) nachgewiesen haben. Auch ein Straßendurchlass unter der B 217 des

Flüsschens Haller bei Springe diente zumindest einem Tier bei niedrigem Wasser-

stand regelmäßig zur Passage. Bei hohem Wasserstand wurde dann eine Wildkatze

auf der Straße tot aufgefunden.

HARTMANN et al. (2013) untersuchten die Genetik von Wildkatzen in Taunus und Huns-

rück sowie dem dazwischen verlaufenden Rheintal. In diesem Zusammenhang berich-

55 eig. Ermittlung mittels Google Earth

56 eig. Ermittlung, nach Verkehrszahlendatenbank, Jahr 2010

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

52

teten sie, dass die BAB A3 im untersuchten Abschnitt etwa 50 Unterführungen auf-

weist. Zwei von neun der untersuchten Wald-Unterführungen wurden regelmäßig von

Wildkatzen genutzt; dort wurden 17 Querungen in fünf Monaten registriert.

Zusammenfassung: Wildkatzen sind offensichtlich in der Lage, verschiedenste gän-

gige Querungsmöglichkeiten an großen Straßen zu nutzen. Belegt ist die Nutzung vor

allem von Unterführungen bzw. Durchlässen: Talbrücken/Viadukte, Forst- und Wirt-

schaftswege sowie Straßenunterführungen (auch verkehrsreichere), Fließgewässer-

und großlumige Amphibien-Durchlässe.

Bei der einzigen Vorher-Nachher-Untersuchung wurde bei residenten Wildkatzen fest-

gestellt, dass sich die Querungsrate der untersuchten Tiere mittels gängiger Que-

rungsmöglichkeiten nach Inbetriebnahme der Autobahn nicht signifikant gegenüber

vorher unterschied. Bei einer dieser Katzen, die besonders intensiv untersucht

wurde, ergaben sich Hinweise auf eine möglicherweise erforderliche Gewöhnungs-

phase: Im ersten Jahr nach Bau sank die Querungsrate zunächst um 45 % ab, er-

reichte aber im zweiten Jahr nach Bau wieder das Ausgangsniveau.

Die Nutzung von gängigen Querungsbauwerken ist fallweise offensichtlich mit einem

gewissen Mortalitätsrisiko verbunden: zwei Todesfälle beziehen sich auf eine enge

Straßen-Unterführung mit Nachtverkehr, ein Verkehrs-Opfer entstand an einem be-

reits vorher mehrfach genutzten Fließgewässerdurchlass, der bei Hochwasser nicht

"trockenen Fußes" passierbar war, woraufhin die Katze über die Straße querte.

Alle obigen Ausführungen beziehen sich mit einiger Sicherheit auf Residente. Zum

diesbezüglichen Verhalten dispergierender Tiere sind keine Beobachtungen verfüg-

bar, es ist aber davon auszugehen, dass auch die subadulten "Ausbreiter" Durchlässe

nutzen.

6.4 Inwertsetzung Grünbrücken anhand der Populationen der Wildkatze

Vernetzung, dispergierende Tiere

Bei der Wildkatze wurde angenommen, dass durch deren "hohe" Verkehrsmortalität

v.a. große Straßen zu bedeutsamen Barrieren würden. In der Folge käme es zu iso-

lierten (kleinen) Populationen und damit zum Verlust der genetischen Vielfalt, Insta-

bilität und im Extremfall zum lokalen Erlöschen.

Die Auswertung des Schrifttums ergab jedoch Folgendes

Die Wildkatze ist ausbreitungsstark. Dispergierende Tiere überwinden nach-

weislich Distanzen > 50 km. Bei ihren Raumwechseln sind sie keineswegs an

Wald(-Korridore) gebunden, sondern überwinden auch längere Strecken z.B.

in der ausgräumten Agrarlandschaft.

Die Wildkatze ist in der Lage, gängige Querungsbauwerke wie v.a. Forst- und

Feldweg- aber auch Straßen- und Bahnunterführungen sowie Gewässerdurch-

lässe und sogar größer dimensionierte Amphibiendurchlässe zu nutzen. Auch

erfolgreiche Querungen über die Fahrbahn von Straßen mit hohem Verkehrs-

aufkommen sind berichtet.

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

53

Die Bestände der Wildkatze entwickeln sich in allen Teilen ihres deutschen

Verbreitungsgebiets seit langem und bis heute anhaltend deutlich positiv und

die Art verhält sich expansiv. Offensichtlich hat die anthropogene Mortalität

trotz zunehmendem Straßenverkehr in der Summe abgenommen, zumindest

soweit, dass Populationsdynamik bzw. Genfluss nicht entscheidend behindert

werden.

Mit diesen Feststellungen wird dem artbezogenen Ansatz der Inwertsetzung von

Grünbrücken bezüglich der Wildkatze die Grundlage entzogen, da eine signifikante

Reduktion der effektiven Populationsgröße Ne durch Straßen-Zerschneidung auch

ohne spezielle Maßnahmen, wie z.B. eine Grünbrücke, im Regelfall nicht transparent

ermittelbar ist.

Der Austausch innerhalb der Population und zwischen Teilpopulationen wird auch bei

der Wildkatze v.a. von den Subadulten getragen, die dabei erhebliche Distanzen (>

50 km) überwinden können. Diese weit umherstreifenden Individuen treten nicht nur

im Bereich hochwertiger Dauerlebensräume bzw. der vielfach gut bekannten "Kern-

zonen" der Wildkatzenverbreitung auf, sondern insbesondere auch außerhalb davon.

Dabei ist ihr Auftreten habitatstrukturell kaum vorherzusagen (z.B. auch ausge-

räumte Agrarlandschaften). Für diese dispergierenden Tiere ist es von Bedeutung,

dass sichere Querungsmöglichkeiten "allerorts" bestehen und Querungsbauwerke wie

Wegedurchlässe etc. möglichst über den gesamten Verlauf größerer Straßen vorhan-

den sind. Eine "naturgemäß" zentrale Maßnahme wie eine Grünbrücke, womöglich in-

nerhalb von Optimallebensräumen platziert, wäre daher eine höchst ineffiziente

Maßnahme.

Auch die Vorstellung, diese an verschiedensten Stellen entlang einer gegebenen

Straße auftreffenden dispergierenden Tieren mit einem speziellen Zaun, der bei in-

tensiver Wartung eine Straßenquerung zuverlässig verhindert, über längere Strecken

zu einer Grünbrücke leiten zu können, ist angesichts der in der Regel zahlreichen

konventionellen Querungsbauwerke (z.T. >1 Bauwerk/Straßen-km), an denen ein sol-

cher Zaun zwangsweise unterbrochen werden müsste, unrealistisch57.

Es ist an dieser Stelle noch einmal daran zu erinnern, dass die seit langem anhal-

tende (Wieder-)Ausbreitung der Wildkatze belegt, dass dispergierende Tiere in der

Lage sind, trotz Straßenopfern die moderne Kulturlandschaft und ihr Straßennetz mit

den in der Regel zahlreichen konventionellen Querungsbauwerken in hinreichendem

Maße zu durchdringen. Aus fachgutachterlicher Sicht sind für den Populationszusam-

menhalt dieser opportunistisch wandernden Art entsprechende Querungshilfen alle

1,5 bis 2 km innerhalb des Wildkatzenlebensraumes anzustreben.

Residente Tiere

Ein erhöhtes Mortalitätsrisiko für straßennah ortstreu siedelnde Tiere ist i.W. für sol-

che Individuen berichtet, deren Streifgebiet zentral von einem Straßenneubau durch-

fahren wird bzw. die ein Streifgebiet besetzen, das aufgrund der Habitatverteilung

57 CAIN et al. (2003) stellten fest, dass Bobcats "culverts" nutzen, jedoch erhöhten 100 m lange Leitzäune die Nutzung nicht.

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

54

eine Nutzung beider Seiten einer bestehenden Straße erfordert. Auch bei Tieren mit

zentral durchfahrenem Streifgebiet sind Fälle belegt, bei denen die erforderlichen

Querungen (über einen längeren Zeitraum) erfolgreich bewältigt wurden. Wie hoch

die Verluste letztlich lokal sein können, ist nicht erforscht, vermutlich i.d.R. aber e-

her gering. Eine Verunfallung solcher Tiere ist möglich, wenn sie über die Fahrbahn

wechseln bzw. wenn sie durch enge Durchlässe untergeordneter Straßen mit substan-

ziellem Nachtverkehr queren und dazu die Fahrbahn nutzen (müssen). Das zuletzt ge-

nannte Risiko bliebe auch dann bestehen, wenn Wildzäune mit Überkletterungsschutz

installiert wären. Der Errichtung einer Grünbrücke, die konstruktionsbegingt die ge-

fahrlose Querung der Residenten garantiert, erscheint unverhältnismäßig. Dies gilt

insbesondere auch deshalb, weil eine solche Grünbrücke grundsätzlich ineffizient

wäre: Sie würde maximal von wenigen residenten Individuen genutzt, nämlich denen,

deren Aktionsräume unmittelbar an das Bauwerk angrenzen bzw. sich im Bereich der

Grünbrücke überschneiden. Um ein risikofreies Queren aller Residenten sicherzustel-

len, müsste im ungünstigsten Fall entlang der gesamten Berührungsstrecke einer

Straße mit Wildkatzenlebensräumen alle 1,5 bis 2 km ein solches Bauwerk geschaffen

werden. Daher ist sowohl die Anlage als auch die Aufwertung bestehender kleinerer

Bauwerke, für die eine ausreichende Wirksamkeit prognostizierbar ist, in diesen Ab-

ständen die wesentlich effizientere Alternative.

Sofern zum Beispiel im Zuge von Ausbauvorhaben im Bundesfernstraßennetz durch

die artenschutzrechtlich gebotene Errichtung von wildkatzensicheren Zäunen Auswir-

kungen zu befürchten sind, könnten diese möglichen Belastungen der lokalen Indivi-

duengemeinschaften z.B. durch habitatverbessernde Maßnahmen effektiv aufgefan-

gen bzw. vermieden werden. Auch eine Entschärfung vorhandener, aber nicht ge-

fahrlos nutzbarer Durchlässe wäre eine Option (Vermeidung).

Zusammenfassende Bewertung

Grünbrücken werden von Wildkatzen als Querungsmöglichkeit großer Straßen nach-

weislich akzeptiert. Grünbrücken sind darüber hinaus konstruktionsbedingt gut geeig-

net, eine unfallfreie Querung der Tiere zu garantieren.

Jedoch besteht für die Zielart "Wildkatze" grundsätzlich bzw. auch im Speziellen

keine fachlich begründete Möglichkeit, eine Grünbrücke im Zusammenhang mit der

Eingriffsreglung – hier mit Blick auf die „messbare“ Verbesserung des Populationszu-

sammenhaltes - differenziert in Wert zu setzen.

Damit sind für den artbezogenen Ansatz der Inwertsetzung ggf. andere Zielarten o-

der Zielartenkollektive heranziehen. Die Ergebnisse kursorischer Untersuchungen

dazu sind in Kap. 3 dokumentiert.

In neueren Schriften wird vielfach festgestellt, dass Grünbrücken als multifunktio-

nale Bauwerke zu gestalten und zu begründen sind. Unter diesem Aspekt spricht vie-

les für die alternative Entwicklung eines planerischen Ansatzes, um bei Straßenaus-

bauvorhaben eine geplante MAQ-gerechte Querungshilfe als Vermeidungsmaßnahme

(d.h. als Maßnahme zur Vermeidung einer vermehrten Barrierewirkung infolge des

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

55

Straßenausbaus) sowie als Kompensationsmaßnahme (d.h. als Maßnahme zur Verbes-

serung des Status quo hinsichtlich der Durchlässigkeit der Trasse) bilanzieren zu kön-

nen. Ein Konzept dazu ist in der vorliegenden Studie enthalten.

Soweit unabhängig von der Frage einer Grünbrückenbewertung eine gute Durchlässig-

keit von Bundesfernstraßen speziell für die Wildkatze angestrebt wird (fahrbahnnahe

Home Ranges, dispergierende Tiere), sollte eine Querungsmöglichkeit pro 1,5 km

Straße realisiert werden. Dazu können gezielt z.B. großlumige Amphibiendurchlässen

eingebaut werden, soweit eine entsprechende Durchlässigkeit nicht ohnehin bereits

durch gängige Querungsbauwerke wie Feldweg-, Forstweg-, Straßen-, Bahn- und

Fließgewässerdurchlässe erreicht wird. Folgende Hinweise zur Optimierung gängiger

Durchlässe bzw. Entschärfung katzenunfallträchtiger Straßenabschnitte sind zu ge-

ben:

Unterführungen untergeordneter Straßen mit Nachtverkehraufkommen sind

beiderseits binnenwärts einer Leitplanke mit Geländestreifen zu versehen,

die dauerhaft keine hohen Raumwiderstand bieten (Erde mit schwachem Be-

wuchs, regelmäßig gemähter Grünstreifen, Mineralmulch);

Fließgewässerunterführungen sollten mit breiten, hochwassersicheren Land-

bermen versehen werden;

vor dem Eingang grundsätzlich geeigneter Querungsbauwerken sollten, seit-

lich etwas versetzt, so dass der Einblick nicht verwehrt wird, kleine Gebüsch-

gruppen gepflanzt werden, die Versteckmöglichkeiten bieten;

bei ungezäunten Straßen sollte der Straßennahbereich ab der Bankette breit

offen gestaltet werden, dass ein sich annäherndes Tier die Fahrbahn auf mög-

lichste weite Strecken gut einsehen kann.

6.5 Kursorische Prüfung weiterer Großsäugerarten

Nach ULLRICH et al. (2004) zählen folgende weitere Großsäugerarten, für die Waldbio-

tope eine Bedeutung haben, zu den bundesweit bedeutsamen Zielarten für den Bio-

topverbund:

Wolf Canis lupus

Luchs Lynx lynx

Elch Alces alces

Rothirsch Cervus elaphus

Diese Arten können im Zuge des vorliegenden Gutachtens nicht vertieft untersucht

werden, jedoch erfolgt jeweils eine kurze Einschätzung dazu, ob bei analoger Bear-

beitung des Themas etwaig differenzierende artenschutzfachliche Bewertungskrite-

rien für Grünbrücken zu erwarten sind.

Wolf

Zur Frage der Mortalität durch Verkehrswege beim Wolf in Deutschland liegt eine ak-

tuelle Studie von HERZOG (2014) vor. Darin kommt der Autor (l.c., S. 240f) zu folgen-

dem Schluss: „Wir können aber bei der Betrachtung der Wachstumsfunktion für das

Wolfsvorkommen in Deutschland [Daten aus den Jahren 2000 bis 2013, als Abb. 1 in

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

56

l.c., S. 238; „aktuell im Übergang zum exponentiellen Wachstum“] davon ausgehen,

dass offenbar die initiale ebenso wie die mittel- bis langfristige Bestandsentwicklung

durch die derzeitige gesamte anthropogene Mortalität, welche im Wesentlichen

durch den Straßenverkehr bestimmt wird, nicht oder kaum behindert wird. Aus der

Sicht des Artenschutzes dürften die Kollisionsereignisse im Straßenverkehr daher von

nachrangiger Bedeutung sein.“

Es ist bekannt, dass Wölfe dem Straßenverkehr zum Opfer fallen (z.B. im Frühjahr

auf der A661 bei Frankfurt). Es ist auch bekannt, dass Wölfe eine Autobahn mit einer

DTV von > 15.000 Kfz/24 h über die Fahrbahn erfolgreich querten, dass sie gängige

Querungsbauwerke nutzten, z.B. 8-12 m breite Überführungen von Wegen, und dass

sie bei breitem Angebot an gängigen Querungsbauwerken sogar Streifgebiete mit An-

teilen beiderseits einer Autobahn halten können (kompiliert in HERRMANN & MATHEWS

2007).

Damit sind auch beim Wolf keine Kriterien für eine Inwertsetzung von Grünbrücken

im Rahmen der Eingriffsregelung – dies mit Blick auf einen „messbaren“ verbesserten

Populationszusammenhalt der Art - erkennbar.

Wenn im Rahmen von Ausbauvorhaben wolfsichere Schutzzäune vorgesehen werden,

sind für diese Art populationsstützende Maßnahmen in Verbindung mit der Aufwer-

tung vorhandener kleinlumigerer Durchlässe / Unterführungen entlang der zerschnit-

tenen Habitate der Art eine wirksame und effiziente Lösung.

Luchs

Derzeit gibt es nur im Harz und in den Wäldern südöstlich von Kassel (Kaufunger

Wald, Söhre, Riedforst) sowie im Bayerischen Wald nachweislich reproduzierende

Luchsvorkommen. Einzelne Tiere ließen sich in verschiedenen weiteren Regionen

nachweisen, so am Vogelsberg, im Schwarzwald sowie in Erzgebirge, Vogtland und

Oberlausitzer Bergland usw. Während das Luchsvorkommen im Bayernwald offen-

sichtlich stagniert (WÖLFL 2012), erscheint der Bestand im Harz und in Nordhessen

derzeit expansiv (Nationalparkverwaltung Harz nach www, Stand 05/2015 und Denk

2014).

Der Luchs leidet nach wie vor in hohem Maße unter illegaler Verfolgung, was vermut-

lich der ausschlaggebende Grund für eine geringe oder fehlende "Überschussproduk-

tion" ist58 (d.h. die Reproduktion gleicht maximal bzw. i.W. die Verluste in den elter-

lichen Territorien aus). In einer Situation mit sehr geringem "Output" behindern mög-

58 U.U. spielt auch die regional starke Bejagung des Rehwildes eine Rolle (Herzog, mdl. Mitt. 2016).

Dadurch könnten Lebensraumkapazität bzw. Reproduktionerfolg verringert werden.

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

57

licherweise auch die immer wieder berichteten Verkehrsverluste der Art die Wieder-

ausbreitung59. Beim Luchs wurden auch erfolgreiche Querungen verkehrsreicher Stra-

ßen/(gezäunter)Autobahnen60 registriert bzw. sind solche Querungen durch entspre-

chende Ortswechsel zu unterstellen (z.B. KAPHEGYI 2004, HULLEN 2004, auch BREITENMO-

SER-WÜRSTEN et al. 2001).

Während illegale Tötung in hohem Maße die für die Populationen besonders bedeut-

samen Residenten trifft, handelt es sich bei den Opfern des Straßenverkehrs offen-

sichtlich v.a. um dispergierende Tiere, also solche, die auch natürlicherweise einem

höheren Mortalitätsrisiko unterliegen (z.B. in Hessen n. DENK 2014: drei Totfunde

subadulter Männchen im Zeitraum 2011-2014, davon zwei verhungert und eines auf

der A44 überfahren).

In dem gut untersuchten Schweizer Vorkommensgebiet "Nordwestalpen" z.B. wurden

im Zeitraum 1996 bis 2000 insgesamt elf Luchse illegal getötet, wobei die Autoren

eine höhere Dunkelziffer als bei den anderen Todesursachen vermuten. Den elf ge-

wilderten Luchsen sowie weiteren legal geschossenen bzw. verbrachten Tieren ste-

hen fünf Verkehrsopfer im gleichen Zeitraum gegenüber, bei denen es sich in vier

Fällen um subadulte oder juvenile Tiere handelte (BREITENMOSER-WÜRSTEN et al. 2001).

Bezogen auf den gesamten Schweizer Bestand ist der Anteil der Verkehrsverluste al-

lerdings höher: inkl. Dunkelziffer werden die Ursachen "illegale Tötung" auf 32 % und

"Straßenverkehr" auf 29 % der Gesamtmortalität geschätzt (BREITENMOSER-WÜRSTEN et

al. 2007, zit. nach HERDTFELDER 2012). Eine in Polen untersuchte Population (über-

haupt keine Verkehrsverluste!) wurde als abnehmend eingeschätzt; als verantwort-

lich dafür wurden in erster Linie illegale Abschüsse genannt (JEDRZEJEWSKI et al. 1996,

zit. nach BREITENMOSER-WÜRSTEN et al. 2001). Dass z.B. der Bayernwaldbestand auch

im Jahr 2015 noch unter Wilderei leidet, wird durch die Deponierung abgeschnittener

Luchspfoten im Lamer Winkel, Lkr. Cham, dokumentiert. Illegale Tötung ist im ge-

samten Böhmerwald eine wesentliche Verlustursache (z.B. WÖLFL 2004, ENGLEDER

2004, BUFKA & CERVENY 2004).

Insgesamt erinnert die Situation des Luchses damit an die der Wildkatze vor einigen

Jahrzehnten. Auch bei dieser Art waren durch illegale Verfolgung die Bestände weit-

gehend in Reliktarealen gefangen. Mit dem allmählichen Rückgang der jagdlichen

Verluste erstarkten die Bestände wieder, die Wildkatze wurde expansiv und konnte

eine "Überschussproduktion" realisieren, mit der sie heute in der modernen Kultur-

landschaft eine eindrucksvolle Populationsdynamik entfaltet hat. Möglicherweise

deutet die Entwicklung beim Luchs im Harz mit Ausbreitung nach Hessen an, dass

dort ein entsprechender "Umschlagpunkt" erreicht ist (bzw. dort Wilderei nie ein

Thema war).

Im Ergebnis ist auch beim Luchs davon auszugehen, dass eine Grünbrücke im Hinblick

auf einen verbesserten Populationszusammenhalt in der Regel nicht bilanzierbar ist.

Auch für diese Art ist aus fachgutachterlicher Sicht dafür Sorge zu tragen, dass ein

59 BREITENMOSER-WÜRSTEN et al. (2001) stellen telemetrisch auch ein "Zurückweichen" vor einer Autobahn für drei dispergierende Tiere fest.

60 Besonders eindrücklich bei dem telemetrierten Luchs M8 siehe http://www.luchsprojekt-harz.de/de/luchsprojekt/7_forschungsprojekt/ergebnisse_m8.php

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Bilanzierung MAQ-gerechten Querungshilfen: Vermeidung und Kompensation für großräumig wandernde Säuger

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möglichst breites bzw. dichtes Angebot an ggf. optimierten konventionellen Que-

rungsbauwerken vorhanden ist.

Elch

Der Elch gilt in Hessen als ausgestorben und war möglicherweise auch in den entspre-

chenden Naturräumen auch früher nicht dauerhaft heimisch. Aktuell treten nur epi-

sodisch einzelne wandernde Tiere auf. Die Art ist im Zusammenhang ohne Relevanz.

Rothirsch

Eine populationsbiologische Bilanzierung von Grünbrücken wird zwar durch die jagd-

liche Nutzung des Rothirsches erschwert. Jedoch steht außer Frage, dass die Art in

durch Verkehrswege zerschnittenen Rotwildgebieten von MAQ-gerechten Grünbrü-

cken – insbesondere solchen an tradierten Wildwechseln - profitiert. Durch die Bau-

werke wird nicht nur der genetischen Verarmung des Rothirsches entgegengewirkt,

sondern auch ein wichtiger Beitrag zur Verkehrssicherheit geleistet.

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