bildungsstandards – konzept und diskussion herbert altrichter johannes kepler universität linz
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Bildungsstandards – Konzept und Diskussion
Herbert AltrichterJohannes Kepler Universität Linz
Bildungsstandards – Konzept und Diskussion
1. Gründe der Aufmerksamkeit für Evaluation
2. Was sind Standards?
3. Die offiziellen Vorstellungen
4. Erste empirische Erfahrungen
5. Themen der Diskussion um Bildungsstandards
6. Bildungsstandards im „System“?
Gründe der Aufmerksamkeit für Evaluation
• Blick auf die Entwicklung der Einzelschule • Krise traditioneller Verfahren zentraler Steuerung
und Qualitätssicherung • Evaluation als Instrument der Schulentwicklung • Interesse an Informationen für die Entwicklung
und Steuerung des Gesamtsystems• internationale Vergleichsuntersuchungen, Suche
nach educational indicators• Rationalisierung von Bildung in Zeiten knapper
werdender Budgets • kritische Eltern und value for money-Orientierung • professionelle Verantwortung von LehrerInnen
Input-Steuerung
Inp
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Prozess Output
Schulautonomie – Erhöhung der Regelungsspielräume
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Pro
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Output-Steuerung
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Was sind Standards?
Standards „benennen präzise, verständlich und fokussiert die wesentlichen Ziele der pädagogischen Arbeit, ausgedrückt als erwünschte Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler. Damit konkretisieren sie den Bildungsauftrag, den Schulen zu erfüllen haben.“ (Klieme et al. 2003, 4)
Merkmale von Standards
• Orientierung an Bildungszielen (nicht an Fachinhalten)
• Orientierung an Lernergebnissen der SchülerInnen
= Kompetenzen = Fähigkeiten + Fertigkeiten + Bereitschaften
• Verknüpfung mit Aufgaben und Tests
unterschiedliche Niveaus von Standards
• Mindeststandards
• Regelstandards
• Maximalstandards - excellence
Merkmale guter Bildungs-standards (Klieme et al., 18)
Fachlichkeit auf bestimmten Lernbereich / Disziplin bezogen
Fokussierung auf Kernbereich
nicht die gesamte Breite
Kumulativität Kompetenzen am Ende eines sinnvollen Lernabschnittes
Verbindlichkeit für alle drücken Mindestvoraussetzungen aus
Differenzierung differenzieren zwischen Kompetenzstufen über/unter Mindestniveau
Verständlichkeit Formulierung ist klar, knapp, nachvollziehbar
Realisierbarkeit mit einem realistischen Aufwand erreichbar
Funktionen von Standards
für Bildungssystem für IndividuenBildungssteuerung Zulassung
Programmplanung Diagnose
System Monitoring Zuweisung zu Fördergruppen
Evaluation von Programmen Feststellung individueller Lernfortschritte
Institutionelle Rechenschaftslegung
Rückmeldung
Individuelle Rechenschaftslegung
Individuelle Berechtigungen
Weiterentwicklung von Einrichtungen
Professionalitätsentwicklung bei LehrerInnen
Funktionen von Standards
für Bildungssystem für IndividuenBeobachtung + Evaluation Beobachtung + Evaluation
▼ ▼
Rechenschaftslegung Diagnose und Lernförderung
▼ ▼
Steuerung und Weiterentwicklung
Selektion und Berechtigung
Die offiziellen Vorstellungen: Regierungsprogramm
„Erarbeitung von Leistungsstandards“ als eine der Maßnahmen zur „Schulentwicklung und Qualitätssicherung“
Die [offiziellen] Vorstellungen: „Zukunftskommission“ (2003, 58ff)
• Präzisierung der Ziele des Unterrichts in drei "Hauptfächern"
• regelmäßige, verbindliche Überprüfung an drei Schnittstellen des Bildungswesens
Leistungsbeurteilung "objektiver, fairer und vergleichbarer" (ZK 2003, 61),
„System-Monitoring“, durch das Bildungs-politikerInnen, SchulleiterInnen oder LehrerInnen jene Informationen erhalten, mit denen sie "sinnvolle Steuerungsentscheidungen" treffen können (a.a.O., 58).
Österreichisches Konzept Lucyshyn 2004; StGr 2004
• im Jahre 2006 nach einer Experimentierphase• an zwei Nahtstellen (4. und 8. Schulstufe) • Bildungsstandards in den Fächern Deutsch, Mathematik und
Englisch (nur 8. Schulstufe) verbindlich einzuführen; • ab dem Schuljahr 2007/08 Schülerleistungen bezüglich dieser
Bildungsstandards durch flächendeckende jährliche Tests zu überprüfen;
• deren Ergebnisse durch speziell ausgebildete LehrerInnen lokal auswerten zu lassen,
• sie sodann zentral zu verarbeiten und • an die SchülerInnen (individuell), an die jeweils betroffenen
LehrerInnen (für ihre Klassen) und (aggregiert) an die Schulverwaltung rückzumelden
Ziele des österreichischen Konzepts
• Bessere Leistungen der SchülerInnen • Gleichwertigkeit der schulischen Ausbildung und der
Abschlüsse• Beiträge zur Systementwicklung: Die „neuen Formen
der Vergleichbarkeit von Lernergebnissen und der Rechenschaftslegung [sollen] nicht nur den aktuellen Stand verlässlich beschreiben, sondern auch Hinweise auf notwendige Weiterentwicklungen für das Bildungssystem zeitnah liefern können“ (Lucyshyn 2004, 12).
Empirische Erfahrungen: Befragung von 110 Lehrkräften, die Pilotversion erproben (Freudenthaler et al. 2004)
Allgemeine Intentionen und Befürchtungen:• „Ziele der Schule transparenter machen“ (75 %); „Standards
sind ein nützliches Instrument zur Qualitätssicherung“ (69 %) mehrheitlich akzeptiert
• „noch zu vieles ist ungeklärt“ (87 %), „Von Standards zu Schulrankings ist der Weg nicht weit“ (78 %) und „der Blick auf Ergebnisse vernachlässigt Prozessdimensionen“ (74 %)
Bewertung und Anwendung der Pilotversionen: • Standards-Entwürfe „entsprechen einem modernen
Grundbildungskonzept“ (34 %) • „bringen gegenüber Lehrplänen zusätzliche Klärung und
Orientierung für die Unterrichtsarbeit“ (27 %), • 6 % der Befragten verwenden Standards intensiv und
regelmäßig für die laufende Unterrichtsplanung, 67 % hin und wieder, 27 % überhaupt nicht
• 61 % Standards = weder als Erleichterung noch als Erschwernis der Unterrichtsarbeit
Studie von Freudenthaler et al. (2004)
Erklärung der AutorInnen:• Fehlen der „für eine professionelle Implementation
erforderlichen Informations- und Unterstützungs-systeme“
Resümee: • „Die ersten Befunde zeigen, dass Lehrkräfte zum
gegenwärtigen Zeitpunkt zwar eine durchaus auf-geschlossene Einstellung gegenüber Bildungsstandards im allgemeinen haben, den vorliegenden Standards-Entwürfen bzw. deren Verwendung nicht zuletzt aufgrund zahlreicher Unklarheiten und mangelnder Unterstützung in der Arbeit mit den Standards jedoch noch eher skeptisch gegenüber stehen.“ (vgl. a.a.O., 6)
Implementierungs- und Wirkungskonzept?
• Wie kommt es durch ‚Standards’ zu einer positiven Entwicklung des Bildungssystems?
• Wie kann die Neuerung in das bestehende System implementiert werden, damit sich die erhofften Wirkungen tatsächlich realisieren?
BMBWK-Steuergruppe: • bisher Konzept für administrative Einführung
flächendeckender Tests
Implementierungs- und Wirkungskonzept?
Zukunftskommission: „Notwendigkeit der gleichzeitigen Planung und Einführung [von] ‚begleitenden Maßnahmen’“:
• „gezielte Qualitätsentwicklungsmaßnahmen“• „Rechenschaftspflicht auf allen Ebenen“• „systematische Verbesserung der Lehreraus- und
–fortbildung“• „ausreichende regionale und zentrale
Unterstützungssysteme“• „Zentrum für Schulentwicklung […] entsprechend
personell und ressourcenmäßig ausstatten“
Implementierungs- und Wirkungskonzept?
„Selbstheilung durch Information“ (Neuweg 2004, 10) Zweifel an der Steuerungskraft von Lehrplänen
Standards ≠ curriculare Innovation, sondern Steuerungsinnovation
• Externalisierung der Formulierung von Zielkompetenzen an „ExpertInnen“
• (geplant: Orientierung dieser Zielformulierungen an „Kompetenzmodellen“)
• Versuch der Durchsetzung dieser Zielformulierungen durch• regelmäßig breit eingesetzte Testinstrumente• und begleitende administrative Regulative
(„Rechenschaftspflicht“, „Verbindlichkeit“)
Steuerung des Bildungswesens durch Outputinformation?
„grundsätzliches Umdenken“: „von der ressourcenorientierten Input-Steuerung der Zentralverwaltung hin zur ergebnisorientierten Output-Steuerung von autonomer werden den Schulen“ (ZK 2003, 7)
pädagogischer Auftrag Rücknahme der staatlichen Verantwortung
für Bildungsprozesse Information für Qualitätsentwicklung Individualisierung und
Entwicklungsförderung
Ausnahmen von der Outputsteuerung?? (vgl. Haider et al. 2003, 46f)
„Im sonderpädagogischen Bereich ist eine einheitliche Meßlatte für die Bewertung von Leistungen der Schüler und der Schule allerdings auch kaum sinnvoll. Zwar geht es auch hier zentral darum, Lernen und Leistung zu fordern und zu fördern. Allerdings können in der Regel keine allgemein verbindlichen Normen dafür festgelegt werden, zu welchem Zeitpunkt die SchülerInnen eines Altersjahrgangs bestimmte Fähigkeiten aufweisen bzw. vorgegebene (Leistungs-)Ziele erreichen müssen. … [Deswegen sollte aber auch hier nicht auf Standards verzichten – allerdings:] Anstatt sich hier jedoch auf die Formulierung von Ergebnis standards zu konzentrieren, die nur zu problematischen, schwer interpretierbaren und widersprüchlichen Ergebnissen führen können, erscheint es zielführender, Struktur- und Prozess-Standards sonderpädagogischer Förderung in der Schule präziser zu fassen.Solche Standards sollten aus einer möglichst umfassenden fokussierten Evaluation der Sonderpädagogik (integrative Einrichtungen und Sonderschulen eingeschlossen) abgeleitet werden.“
Verstärkung der Selektions-orientierung des Schulwesens?
Potentielle Rollen von Bildungsstandards in unterschiedlichen Modellen der Systemsteuerung
‚angelsächsisches Marktmodell’: Standard- und Testinformation = zentral für Regulierung durch Wettbewerb und Konsumentenwahl
Entwicklungsmodell: Druck der Konsumenten und des Wettbewerbs auf Schulen/LehrerInnen
Merkmale: Testinformationen werden laufend/jährlich veröffentlicht, breite Publizität, Einladung zum Vergleich (ranking, league tables)
Potentielle Rollen von Bildungsstandards in unterschiedlichen Modellen der Systemsteuerung
‚deutschsprachige Selektions-Tradition’: Standardbezogene Testinformationen ‚vervollkommnen’ Selektion
Entwicklungsmodell: Druck an SchülerInnen ‚weitergereicht’
Merkmale: Verbesserung des Beurteilungsinstrumentariums; Einsatz der neuen Instrumente v.a. an den ‚Gelenkstellen’ des Schulsystems
Potentielle Rollen von Bildungsstandards in unterschiedlichen Modellen der Systemsteuerung
„skandinavisches Förderungs-Modell’:
Bildungsstandards sind Orientierungsmarken, für deren Erreichen die Schulen mit jungen Menschen Lernkontrakt eingehen
Entwicklungsmodell: diagnose-basierte Förderung, Selbstverpflichtung der Schulen
Merkmale: Förderungsorientierung, Schüler- und Elternpartizipation, Lernkontrakte, Tests als Diagnose, Schutz der Rechte auf angemessene, standardbezogene Förderung (z.B. Ombudsman)
Verstärkung der Selektions-orientierung des Schulwesens?
• Nationale und internationale Vergleichbarkeit
• Platzierung an den schulischen ‚Nahtstellen’
• Verbesserung der Gerechtigkeit der ziffernorientierten Leistungsbeurteilung
Verstärkung des Ideals der Leistungshomogenisierung
Perfektionierung des ‚Selektionsmodells’
Curriculare Fragen: Normierung des Unterrichts vs. „ausgewählte und grundlegende Kompetenzen“
Wer entscheidet was in welchen Fächern aus welchen Gründen als basaler Bildungsstandard anzusehen ist?
wissenschaftliche oder administrative ExpertInnen: „Expertisierung“ / „Re-Zentralisierung“ der Zielfrage
• vs. Lehrplanautonomie der 90er Jahre
Curriculare Fragen
Wie viel an Zeit und Energie von S und L wird Aktivitäten in nicht durch Standards orientierten Fächern und Lernbereichen gewidmet?
• „Erweiterungsbereich“: 1/3 der Zeit für Ergänzung, Vertiefung, Erweiterung oder festigende Übung
• „für die leistungsschwächsten SchülerInnen aber erforderlichenfalls die gesamte Unterrichtszeit zur Sicherung dieser Mindestanforderungen zur Verfügung“ (Zukunftskommission 2004, 6)
Standards als „Fundamentum“ der Bildung + variables bis verzichtbares „Additum“?
Curriculare Fragen
Wie werden ‚nicht-standardisierte’ Bildungsergebnisse gepflegt?
• fachübergreifende und überfachliche Ziele fallen fachlichen Standardgruppen schwer
• Hierarchisierung der Fächer?• Wodurch die Wichtigkeit des ‚Anderen’ im
System signalisiert und sichergestellt?
Bildungsstandards – Konzept und Diskussion
1. Gründe der Aufmerksamkeit für Evaluation
2. Was sind Standards?
3. Die offiziellen Vorstellungen
4. Erste empirische Erfahrungen
5. Themen der Diskussion um Bildungsstandards
6. Bildungsstandards im „System“?
Bildungsstandards im „System“?
Bildungsstandards im „System“?
Instrumente der
Standard-sicherung
in NRW
Leistungsverglei-che und System-monitoring
Standards und Kernlehrpläne
Parallel-arbeiten
Schulprogramme und interne Evaluation
Schulinspektion für Kontrolle und Förderung
Abschlussprüfun-gen mit zentralen Aufgaben
Lernstandser-hebung (9. Jg in E, M, D)
Landesinstitut für Schulentwicklung
weisungsunabhängige, rechtlich eigenständige „rechtsfähige Anstalt öffentlichen Rechts“ ca. 60 – 70 Stellen
3 Abteilungen: Bildungsplanarbeit: Kerncurricula, Bildungsstandards Schulentwicklung/Unter-richtsentwicklung: Konzeptent-wicklung, Diagnoseinstru-mente, Vergleichsarbeiten Qualitätsentwicklung/Evalua-tion: Instrumententwicklung für Selbst- und Fremdevaluation, Durchführung von Fremdevaluation; Bildungsberichte
Landesakademie für Lehrkräfte-fortbildung
rechtlich eigenständige „rechtsfähige Anstalt öffentlichen Rechts“
Schulentwicklungs-beraterInnen
• angesiedelt bei Schulaufsicht 200 Prozessbegleiter, 500 – 600 Berater (nicht vollberufl.)
Standardsicherung in Baden-Württemberg