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Biologische Vielfalt trifft Schöpfungsspiritualität Die schönsten Pilgerwege im Landkreis Garmisch-Partenkirchen Benjamin U. Schwarz

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Biologische Vielfalt trifft SchöpfungsspiritualitätDie schönsten Pilgerwege im Landkreis Garmisch-Partenkirchen

Benjamin U. Schwarz

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Inhalt

Vorwort von Christine Sontheim Seite 7

Vorwort des Autors Seite 9

Einleitung Seite 11

Der Benedikt-Pilgerweg Seite 21

Der Franziskus-Pilgerweg Seite 71

Der Jakob-Pilgerweg Seite 123

Der Hildegard-Pilgerweg Seite 169

Literatur Seite 220

Bildnachweis / Über den Autor Seite 224

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Auf der Karte sehen Sie die Startpunkte der Pilgerwege. Für das Pilgern vor Ort empfehlen

wir die Verwendung der dazugehörigen App »Pilgerwege GAP«.

MURNAU

OBERAMMERGAUESCHENLOHE

PENZBERG

MITTENWALD

GARMISCH-PARTENKIRCHEN

Benediktweg

Jakobsweg

Hildegardweg

Franziskusweg

© navama GmbH | © OpenStreetMap contributors. Maßstab 1 : 400.000

SAULGRUB

WALLGAU

ELMAU

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Vor wort von Christ ine Sontheim

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Vorwort von Christine Sontheim

1. Vorsitzende Katholisches Kreisbildungswerk Garmisch-Partenkirchen e. V.

Die imposante Landschaft im Landkreis Garmisch-Partenkirchen mit ihren viel-fältigen Lebensräumen ist zugleich ein Hort der Artenvielfalt in Deutschland.

Im Projekt Alpenflusslandschaften wurde der Fokus auf die Reichtümer dieser Natur- und Kulturlandschaft, aber auch auf deren Gefährdung gelegt. Neben praktischen Naturschutzmaßnahmen war es ein zentrales Anliegen des Projekts, Menschen über den Wert der biologischen Vielfalt zu informieren und damit in Berührung zu bringen.

Als Träger in der Erwachsenenbildung sahen wir das Projekt als Chance im Ver-bund mit vielen Partnern, einen Beitrag dafür zu leisten, dass die faszinierenden Naturschätze unserer Heimat ins Bewusstsein möglichst vieler Menschen gelangen und auch für zukünftige Generationen erhalten werden.

Die christliche Schöpfungsverantwortung, die für uns als kirchliche Bildungs-einrichtung eine wichtige Rolle spielt, nimmt uns in die Pflicht, nicht nur mit Worten, sondern auch durch Taten für eine lebenswerte Zukunft einzutreten.

Papst Franziskus betont in seiner viel beachteten Enzyklika Laudato si’. Über die Sorge für das gemeinsame Haus die Wichtigkeit des Dialogs:

»Ich lade dringlich zu einem neuen Dialog ein über die Art und Weise, wie wir die Zukunft unseres Planeten gestalten.« (Nr. 16)

Das Motto unseres Bildungswerks lautet Dialog & Begegnung. In diesem Sinne möchten wir Menschen einladen, sich mit den drängenden Fragen unserer Zeit zu befassen und wollen ermutigen, trotz der Ernsthaftigkeit der ökologischen Pro bleme hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken. Zahlreiche Bildungsveranstaltungen im Rahmen des Projekts Alpenflusslandschaften hatten und haben dieses Anliegen.

Durch die vier Pilgerwege zum Thema Biologische Vielfalt & Schöpfungsspirituali-tät möchten wir an eines unserer Schwerpunktthemen Pilgern & Bergspiritualität,

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Vor wort von Christ ine Sontheim

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durch das wir vom Katholischen Kreisbildungswerk Garmisch-Partenkirchen schon seit Jahren mit zahlreichen Angeboten viele Menschen erreichen, anschließen.

Mit Benjamin Schwarz als Diplom-Biologen und Magister der Theologie, der in der Region aufwuchs, fanden wir einen fachkundigen Menschen, der die Thematik Biologische Vielfalt & Schöpfungsspiritualität behandeln konnte und das Konzept sowie die Inhalte der vier Pilgerwege entwickelte.

Das Projekt Alpenflusslandschaften war für uns nicht zuletzt auch ein Anreiz, in Zukunft einen eigenen Themenschwerpunkt Schöpfungsverantwortung. Mit Freude nachhaltig leben in unserem Programm zu etablieren.

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen dieses Buches und insbesondere beim Erleben der Vielfalt unserer Schöpfung.

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Vor wort des Autors

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Vorwort des AutorsVon Benjamin U. Schwarz

Passionierter Bergwanderer, Ministrant, Leiter einer Naturschutzjugendgruppe, gelebter Glaube, Interesse an Natur und biologischer Vielfalt – dies sind Schlag-lichter auf mein Leben als Jugendlicher. Sie führten dazu, dass ich im Interesse am interdisziplinären Dialog sowohl Biologie als auch Theologie auf Diplom studierte.

Die Anfrage des Katholischen Kreisbildungswerks Garmisch-Partenkirchen, im Pro-jekt Alpenflusslandschaften bei der Behandlung der Themen Biodiversität & Schöp-fungsspiritualität mitzuarbeiten, erfüllte mich nicht nur mit Freude, sondern passte auch genau zu meinen Interessen und meinem fachlichen Hintergrund.

Die vielen herausragenden Wanderwege und die großartige, vielfach noch sehr artenreiche Natur im Landkreis Garmisch-Partenkirchen, boten eine Fülle an potenziellen Wegen für die zu behandelnde Aufgabe, die Themen biologische Viel-falt und Schöpfungsspiritualität im Rahmen des Pilgerns zu verbinden.

Bereits vor dem Projekt Alpenflusslandschaften war ich oft auf den hier beschrie-benen Wegen unterwegs und es ist mir immer wieder neu ein Vergnügen, die Naturschätze zu erleben und als Hobbyfotograf etwas von diesen Schönheiten im Bild festzuhalten. Dadurch war es möglich, die meisten Abbildungen für dieses Buch selbst beizusteuern, ergänzt durch einige Fotos professioneller Fotografen.

Auch wenn die Quellen der Schöpfungsspiritualität im Christentum leider oft verschüttet wurden, sind sie vorhanden. Mir war es ein Anliegen, mich mithilfe von »Patronen der Schöpfung« auf den Weg zu machen und diese mit den jewei-ligen Wegen in Beziehung zu setzen. Inwiefern das gelungen ist, mag dem Urteil der Leserinnen und Leser dieses Buches und mehr noch der Pilgerinnen und Pilger überlassen bleiben.

Ziel war es nicht, lange Pilgerwege zu etablieren, sondern auf relativ kurzen Etappen darauf hinzuweisen, wie sehr die Vielfalt des Lebens unser Leben berei-chern kann und vielleicht auch Anstöße gibt, über Fragen nachzudenken, die uns alle bewegen. Dieses Buch ersetzt auch kein Bestimmungsbuch über Tier- und Pflanzenarten, sondern möchte Einblicke in die Vielfalt und Schönheit der Arten und Lebensräume geben und Lust auf »mehr« machen.

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Vor wort des Autors

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Die Sorge um die Schöpfung bleibt bei den Texten nicht außen vor, doch soll sie getragen sein von einer Hoffnung, und vor allem soll die Freude über die Schönheit der Schöpfung nicht zu kurz kommen, denn sie ist es, die uns Kraft geben kann, Verantwortung für die Schöpfung zu übernehmen.

Zwei Zitate aus der Enzyklika Laudato si’. Über die Sorge für das gemeinsame Haus von Papst Franziskus möchte ich Ihnen mit auf den Weg geben:

»Die Welt ist mehr als ein zu lösendes Problem, sie ist ein freudiges Geheimnis, das wir mit frohem Lob betrachten.« (Nr. 12)

»Gehen wir singend voran! Mögen unsere Kämpfe und unsere Sorgen um diesen Planeten uns nicht die Freude und die Hoffnung nehmen.« (Nr. 244)

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Wozu pilgern?

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Einleitung

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Wozu pilgern?

Spätestens seitdem im Jahr 2006 der Entertainer Hape Kerkeling sein Buch Ich bin dann mal weg – Meine Reise auf dem Jakobsweg veröffentlichte, gelangte das Thema Pilgern wieder verstärkt in die Öffentlichkeit. Nach Michael Rosenberger ist bereits seit den 1980er-Jahren ein verstärktes Interesse am Thema Pilgern und Wallfahren festzustellen (Rosenberger 2008).

Pilgern  – oder allgemein das Unterwegssein  – ist ein uraltes biblisches und wohl auch menschliches Phänomen. Man denke an Abraham, das Volk Israel in der Wüste, Jesus und seine Jünger oder die Betrachtung des menschlichen Lebens als Pilgerreise.

Während man das Wallfahren vielleicht eher mit der klassischen Volksfrömmig-keit in Verbindung bringt, bei dem man sich in einer mehr oder weniger großen Gemeinschaft, begleitet von einem geistlichen Rahmenprogramm, zu einem Wall-fahrtsort begibt, steht das Pilgern häufig für das stärker individuelle Unterwegs-sein. Wenn die konkrete Praxis des Wallfahrens oder Pilgerns – bzw. das, was jeder darunter versteht  – auch verschieden sein mag (mit Sicherheit macht es einen Unterschied, in einer Gruppe oder alleine unterwegs zu sein): Den Menschen, die sich – als Wallfahrende oder Pilgernde – auf den Weg machen, ist gemeinsam, dass sie von einer Sehnsucht getrieben sind. Diese kann im Einzelnen sehr unterschied-lich ausgeprägt sein, im Kern geht es jedoch – ob ausgesprochen oder nicht – meist um die Sehnsucht nach Tiefe, nach Sinn, um die Suche nach dem, was wirklich wichtig ist im Leben.

Der Theologe Rosenberger bringt einige Thesen des Sportwissenschaftlers Karl- Heinrich Bette zur Frage, weshalb Extremsportarten und Abenteuersuche gerade in

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Einleitung

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der Moderne so reizvoll sind, mit dem Thema Pilgern in Zusammenhang (Rosen-berger 2008; Bette 2003). Der Reiz des Abenteuers erfährt demnach zum Beispiel deshalb so eine Faszination, weil die Moderne alles planen und kalkulieren möchte, was zu Langeweile führen kann und einem das Gefühl gibt, nur ein Rädchen im Getriebe zu sein. Pilgern ist dagegen ein Wagnis, ein Unterfangen, bei dem Unvorhergesehenes geschehen kann, bei dem man weitgehend frei ist von den gesellschaftlichen Zwängen, die den modernen Menschen oft gefangen nehmen. Man setzt sich der Natur aus, man spürt den eigenen Körper und kommt dabei vielleicht auch an Grenzen. Pilgern schafft eine Unmittelbarkeit und macht den Menschen sehr häufig für das empfänglich, worum es sich lohnt, unterwegs zu sein. Und dies gilt nicht nur für den konkreten Pilgerweg, sondern auch im über-tragenen Sinn für das Unterwegssein, das Pilgern auf dem Lebensweg.

Fast schon beiläufig trägt das Pilgern durch ein bewusstes, sensibles Unterwegs-sein und den entschleunigten, unmittelbaren Kontakt mit der Natur dazu bei, empfänglicher zu werden für das, was einen umgibt.

Der Mensch kann hier die Natur in all ihrer Vielfalt erfahren. Es kann eine Bereicherung darstellen, die prinzipielle Offenheit, die Achtsamkeit, die einen Pilgernden oft auszeichnet, inhaltlich zu begleiten.

Genau dies möchten die Vier Pilgerwege im Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Sie möchten hinweisen auf das, was am Wegesrand an Schätzen der Natur liegt und zugleich mithilfe eines sogenannten Spirituellen Proviants einladen, dem inne-ren Weg des Pilgerns Raum zu geben.

Um auf die Frage »Wozu pilgern?« zurückzukommen: Es gibt vermutlich so viele Gründe zu pilgern, wie es pilgernde Menschen gibt. Im Grunde genommen müsste die Frage anders lauten, wenn man davon ausgeht, dass alle Menschen auf dem Weg und in diesem Sinne Pilgernde sind: Wohin und Wie wollen wir unter-wegs sein? Um diese Fragen für den Lebensweg besser beantworten zu können, kann eine konkrete Pilgerreise sehr hilfreich sein.

Wohl für alle Pilgernde gilt: Der Weg verändert den Menschen.

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Wie kommt es zu den v ier P ilgerwegen im Landkreis Garmisch-Partenkirchen?

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Wie kommt es zu den vier Pilgerwegen im Landkreis Garmisch-Partenkirchen?

In den Jahren 2014 bis 2020 lief das Projekt Alpenflusslandschaften. Vielfalt leben von Ammersee bis Zugspitze. In diesem Projekt schlossen sich 18 Partner in einem Verbund aus Naturschutz, Verwaltung, Wirtschaft, Tourismus und Bildungsbereich unter Federführung des WWF Deutschland zusammen. Gefördert wurde das Pro-jekt im Bundesprogramm Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicher-heit sowie des Bayerischen Naturschutzfonds.

Das Projektgebiet von Alpenflusslandschaften erstreckte sich von Nord nach Süd vom Ammersee bis zur Zugspitze, von Ost nach West von Bad Tölz bis Kempten. Es umfasste zwei von insgesamt 30 Hotspot-Regionen in Deutschland, in denen die biologische Vielfalt besonders groß ist. Die Hotspot-Regionen finden sich in ganz Deutschland – von der Ostsee bis zu den Alpen – und nehmen zusammen etwa elf Prozent der Fläche Deutschlands ein.

Ziel war es, ein Bewusstsein für die Besonderheit der Alpenflüsse und der an-grenzenden Naturräume mit ihren Tier- und Pflanzenarten zu schaffen. Dies ge-schah zum Beispiel durch Exkursionen, Aktionstage und Wettbewerbe, die sich an unterschiedliche Zielgruppen richteten. Ein weiteres Ziel war der Erhalt, die Si-cherstellung der Pflege sowie die Wiederherstellung artenreicher Lebensräume, wie zum Beispiel von Hangquellmooren, Schneeheide-Kiefernwäldern oder einzelner gefährdeter Arten. Außerdem ging es darum, Akteure in der Region zu vernetzen und die Basis für eine zukünftige vertrauensvolle Zusammenarbeit zu schaffen.

Das Katholische Kreisbildungswerk Garmisch-Partenkirchen e. V. beteiligte sich mit Bildungsveranstaltungen sowie der Erstellung der hier thematisierten vier Pil-gerwege zum Thema Biologische Vielfalt und Schöpfungsspiritualität am Projekt.

Die Anliegen des Projekts werden auch über den Projektzeitraum hinaus fort-geführt, wozu die im Projekt geknüpften Netzwerke eine wichtige Unterstützung sind.

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Einleitung

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2.1 Biologische Vielfalt und Schöpfungsspiritualität –

was hat das miteinander zu tun?

Biologische Vielfalt wird auch Biodiversität genannt. Dieser Begriff existiert seit den 1980er-Jahren und ist spätestens seit der Konferenz der Vereinten Nationen zum Thema Umwelt und Entwicklung im Jahr 1992 kein rein naturwissenschaft-licher Begriff mehr. Biodiversität hat auch eine gesellschaftliche und politische Dimension, wenn es um ihren Schutz geht. Auf der genannten UN-Konferenz in Rio wurde die Biodiversitätskonvention (Convention on Biological Diversity, CBD) verabschiedet, die mittlerweile 196 Länder unterzeichnet haben. Die Ziele dieser Konvention sind in erster Linie der Schutz der biologischen Vielfalt sowie deren nachhaltige Nutzung.

Biodiversität oder biologische Vielfalt wird naturwissenschaftlich auf drei Ebe-nen betrachtet. Die unterste Ebene ist die genetische Vielfalt innerhalb der Arten. Die zweite Ebene ist diejenige, die am häufigsten mit dem Begriff biologische Vielfalt in Verbindung gebracht wird, die Artenvielfalt. Die dritte Ebene schließ-lich ist die Vielfalt der Lebensräume bzw. Ökosysteme. Alle drei Ebenen hängen miteinander zusammen und bedingen sich wechselseitig.

Die biologische Vielfalt zu erhalten, stellt eine ökologische, soziale und ökono-mische Aufgabe dar. Die Vielfalt nutzt der Mensch nicht nur als Ressource für sein Leben und Überleben, sondern sie eröffnet ihm neben Erholung und ästhetischen Erlebnissen auch die Möglichkeit einer tief reichenden spirituellen Erfahrung.

Die christliche Schöpfungsspiritualität betrachtet das Leben, die Schöpfung als Gabe, die für den Menschen die Aufgabe enthält, sie zu bebauen und zu hüten (vgl. Gen 2,15). Die Nutzung soll also durchaus erfolgen, aber rücksichtsvoll und behut-sam. Willkür und Ausbeutung sind nicht vereinbar mit dem biblischen Auftrag.

Papst Franziskus betont in seiner Umwelt- und Sozial-Enzyklika Laudato  si’. Über die Sorge für das gemeinsame Haus den Eigenwert aller Lebewesen, wenn er schreibt:

»Während wir die Dinge in verantwortlicher Weise gebrauchen dürfen, sind wir zugleich aufgerufen zu erkennen, dass die anderen Lebewesen vor Gott einen Eigenwert besitzen und ihn schon allein durch ihr Dasein preisen und verherr-lichen.« (Laudato si’, Nr. 69)

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Der Mensch steht nach dem christlichen Glauben in Beziehung mit seiner Mit-welt  – zu der neben seinen Mitmenschen auch die nicht menschliche Natur gehört – sowie mit Gott. Als »Abbild Gottes« hat der Mensch den Auftrag, Gott auf Erden zu vergegenwärtigen und auch dafür einzutreten, dass Gerechtigkeit nicht nur derzeitigen Generationen zuteilwird. Gerechtigkeit als das, was wir ein-ander schulden, umfasst sowohl die unmittelbaren Mitmenschen, in einer glo-balisierten Welt jedoch auch die von unserem Lebensstil oft indirekt betroffenen Menschen in fernen Ländern, als auch zukünftige Generationen. Ihnen eine lebenswerte Schöpfung zu hinterlassen, ist eine Frage der Gerechtigkeit. Papst Franziskus schreibt dazu:

»Wenn die Erde uns geschenkt ist, dann können wir nicht mehr von einem utili-taristischen Kriterium der Effizienz und der Produktivität für den individuellen Nutzen her denken. Wir reden hier nicht von einer optionalen Haltung, sondern von einer grundlegenden Frage der Gerechtigkeit, da die Erde, die wir empfan-gen haben, auch jenen gehört, die erst noch kommen.« (Laudato si’ Nr. 159)

Die biologische Vielfalt zu schätzen und ökologische Probleme zu lösen, bedarf einer Geisteshaltung, von der unser gesamter Lebensstil und unsere Prioritätenset-zung geleitet werden. Für diese Geisteshaltung kann die christliche Schöpfungs-spiritualität Impulse geben. Papst Franziskus betont zum Beispiel die Notwendig-keit, nicht allein auf technische Lösungen zu vertrauen:

»Es müsste einen anderen Blick geben, ein Denken, eine Politik, ein Erziehungs-programm, einen Lebensstil und eine Spiritualität, die einen Widerstand gegen den Vormarsch des technokratischen Paradigmas bilden.« (Laudato si’ Nr. 111)

Wenn der Papst im Rahmen einer Schöpfungsspiritualität von »ökologischer Um-kehr« spricht, so ist damit ein Lebensstil gemeint, der nicht allein auf Konsum ausgerichtet ist.

»Die christliche Spiritualität regt zu einem Wachstum mit Mäßigkeit an und zu einer Fähigkeit, mit dem Wenigen froh zu sein. Es ist eine Rückkehr zu der Ein-fachheit, die uns erlaubt innezuhalten, um das Kleine zu würdigen, dankbar zu sein für die Möglichkeiten, die das Leben bietet, ohne uns an das zu hängen, was wir haben, noch uns über das zu grämen, was wir nicht haben. (…) Die Genüg-samkeit, die unbefangen und bewusst gelebt wird, ist befreiend. Sie bedeutet nicht weniger Leben, sie bedeutet nicht geringere Intensität, sondern ganz das Gegenteil.« (Laudato si’ Nr. 222 f.)

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Einleitung

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2.2 Das Anliegen der vier Pilgerwege

Pilgern ist eine Möglichkeit, Biodiversität und Schöpfungsspiritualität unmittelbar zu erfahren. Die Natur als Schöpfung Gottes lädt uns ein, sie mit allen Sinnen offen wahrzunehmen und mit unserer Mitwelt in Kontakt zu treten. Diesen Pro-zess bezeichnet der Hl. Ignatius von Loyola als »Gott suchen und finden in allen Dingen«.

Die vier Pilgerwege möchten auf Routen, die durch artenreiche Natur- und Kulturlandschaften führen, Informationen über die örtlichen Natur- und Kultur-schätze vermitteln und dies zugleich mit einem sogenannten Spirituellen Proviant verbinden, der einlädt, sich auch auf einen inneren, geistig-geistlichen Weg einzu-lassen. Neben der Entdeckung zahlreicher Naturschätze sind Sie somit eingeladen, sich inspirieren zu lassen, hinter den unmittelbar vor uns liegenden Dingen die Welt in ihren spirituellen Dimensionen wahrzunehmen.

Jeder der vier Wege hat einen Patron bzw. eine Patronin, der bzw. die sich mit dem Thema Schöpfung und dem jeweiligen Weg in Verbindung bringen lässt.

Der Benedikt-Pilgerweg führt von Saulgrub durch das Ammertal zum Benedikti-nerkloster Ettal. Auf dem Weg liefert die Regel des Hl. Benedikt die Grundlage für den Spirituellen Proviant der einzelnen Stationen. Der Hl. Benedikt von Nursia kann durchaus auch für die heutigen Herausforderungen im Umgang mit der Schöpfung Antworten liefern.

Der Franziskus-Pilgerweg startet in Eschenlohe und hat nach einer Wanderung durch das Loisachtal das Franziskanerkloster St. Anton in Partenkirchen zum Ziel. Hier begleiten Sie als Pilger Originaltexte von Franz von Assisi, der wohl am ehesten von allen Heiligen mit dem Thema Schöpfung und Tiere in Verbindung gebracht wird.

Der Jakob-Pilgerweg verläuft auf dem bestehenden Jakobsweg Isar-Loisach-Leuta-scher Ache-Inn. Die Etappe von Wallgau über die Mittenwalder Buckelwiesen und die Leutaschklamm nach Oberleutasch begleiten neben den Informationen zur Biodiversität Zitate aus der Bibel und Impulse dazu.

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Der Hildegard-Pilgerweg hat die große Heilige und Gelehrte des Mittelalters Hilde gard von Bingen als Patronin. Der Weg verläuft auf den Schachen. Heilkräu-ter, mit denen Hildegard von Bingen häufig in Verbindung gebracht wird, gibt es nicht nur im Alpengarten auf dem Schachen zu bestaunen, sondern auch entlang des Weges. Der Spirituelle Proviant dieses Weges thematisiert Originalzitate von Hildegard von Bingen.

Die vier Pilgerwege möchten keine Konkurrenz zu teilweise gleich oder ähnlich lautenden Pilgerwegen sein. Außer dem Jakob-Pilgerweg, der auf einem der vielen offiziellen Jakobswege, die nach Santiago de Compostela führen, verläuft, sind die anderen Wege nicht offizieller Teil bestehender großer Pilgerwege. Gleichwohl verlaufen – wie es im Buch noch zur Sprache kommt – sowohl der Benedikt- als auch der Franziskus-Pilgerweg zu großen Teilen auf einer uralten Pilgerroute, der Via Romea.

Anliegen der vier Wege ist es, die biologische Vielfalt und Schöpfungsspiritua-lität im Landkreis Garmisch-Partenkirchen, wo Natur herausragend artenreich ist, über das Pilgern zu verbinden. Das Pilgern bleibt dabei freilich nicht auf die kon-kreten Wegetappen beschränkt. Die vielen Wanderwege im Landkreis Garmisch- Partenkirchen und darüber hinaus laden dazu ein, eigenständig beispielsweise einzelne Wege auch zu verbinden oder fortzusetzen.

Die Themen Biodiversität und Schöpfungsspiritualität lassen sich prinzipiell auf allen Wegen und Pilgerrouten erfahren und vertiefen. Mögen die vier Pilgerwege dabei ein Einstieg sein und die Sehnsucht nach »mehr« wecken.

Diese vier exemplarischen Pilgerwege möchten nicht zuletzt einladen, sich immer wieder auf den Weg zu machen, um sowohl die Sinne für das äußerlich Umgebende als auch für die inneren Prozesse zu schärfen.

2.3 Die konkrete Umsetzung

Alle vier Wege kommen bewusst ohne Informationstafeln vor Ort aus. Wo es möglich war, gibt es lediglich eine kleine Wegbeschilderung. Als Medien wurden eine Homepage und eine App entwickelt, die jeweils auch die Wegverläufe wieder-geben. Zusätzlich existiert für jeden Weg ein Faltblatt mit Kurzbeschreibungen der einzelnen Stationen, dem Wegverlauf und dem Spirituellen Proviant.

Dieses Buch stellt die ausführliche Version der Pilgerwege mit Hintergrund-informationen zu einzelnen Arten und Lebensräumen dar.

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Sie finden neben der Erläuterung der jeweiligen Station auch dazugehörige Wegbeschreibungen und bei jeder Station den Spirituellen Proviant, der zur Refle-xion und zum Nachdenken einladen möchte. Außerdem gibt es Porträts, die ein-zelne Arten oder Lebensräume ausführlicher darstellen.

Bei der technischen und organisatorischen Umsetzung des Vorhabens wurde das Katholische Kreisbildungswerk Garmisch-Partenkirchen e.V. (KBW GAP) inten-siv durch den Projektpartner navama – technology for nature unterstützt.

Ein Hinweis zu den Wegstrecken und Stationen: Es werden bei der Beschrei-bung der einzelnen Stationen im Buch jeweils die Abstände zwischen den Statio-nen angegeben. Diese dienen einer groben Orientierung. Die einzelnen Stationen sind – bis auf wenige Ausnahmen, wie zum Beispiel die Sieben Quellen oder ein Wasserfall – meist nicht auf einen eng begrenzten Ort bezogen, sondern umfassen häufig längere Etappen. Die angegebenen Entfernungen zwischen den Stationen beziehen sich auf Punkte, wo die jeweilige »Station« besonders typisch ausgeprägt ist. Punktkoordinaten der Stationen und die Wegverläufe stehen auf der Home-page www.pilgerwege-gap.de zum Download bereit. Auch die App Pilgerwege GAP gibt die Wegverläufe wieder.

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Der Weg verändert …

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Der

Benedikt Pilgerweg

Der Benedikt-Pilgerweg hat den Abtstab als Symbol. Der Weg zwischen Saulgrub und Ettal verläuft großteils auf der alten Via Romea (www.via-romea.de). Dies ist eine uralte Pilger- und Handelsstraße, die von Trondheim über Oslo, Hamburg, Gotha, Augsburg, Innsbruck und Bozen bis nach Rom führt. In der Reisechronik des Abtes Albert von Stade (bei Hamburg) aus den Jahren 1236/37 erwähnt dieser auf seiner Reise nach/von Rom auch den Ort Oberammergau. In der Römerzeit wurde der Weg als Handelsverbindung zwischen Venedig und Augsburg genutzt und schon lange davor, circa 2500 vor Christus existierte auf dieser Route ein Ast der Bernsteinstraße von der Elbmündung an die Adria.

Der Patron dieses Weges, der Hl. Benedikt von Nursia, lebte von circa 480 bis 547. Über sein Leben weiß man vor allem durch die Aufzeichnungen des Paps-tes Gregor, dem Großen († 604). Benedikt wurde als Sohn einer wohlhabenden Familie geboren. Sein Studium in Rom brach er ab, um seiner Berufung als Mönch nachzugehen. In Subiaco, wo er zunächst als Einsiedler lebte, sammelten sich be-reits weitere Mönche um ihn. Im Jahr 529 gründete er auf dem Montecassino das Stammkloster der Benediktiner.

Mit seiner Regel, der Regula Benedicti, die sich teilweise auf eine noch ältere Magisterregel beruft, legte er den Grundstein für das abendländische Mönchtum. Auszüge aus dieser Regel begleiten uns auf dem Pilgerweg. Die dazu verfassten Impulse und Reflexionsfragen sind als Einladung zu verstehen, die Original zitate auf sich wirken zu lassen und ins Heute zu übertragen. Die Benediktsregel zeichnet sich durch eine große Achtsamkeit aus. Das zeigt sich bereits durch den Auftakt der Regel mit der Aufforderung »Höre …« und »Neige das Ohr deines Herzens!«

Ein zentrales Diktum der Regel, auf das im Spirituellen Proviant noch einmal die Sprache kommt, ist: »… ut in omnibus glorificetur Deus … damit in allem

Benedikt-Pilger weg

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Start

Ziel

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3

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Start in Saulgrub, Kirche St. Franziskus

1 Eckfilz bei Saulgrub

2 Streuwiesen bei Saulgrub

3 Die Ammer

4 Naturschutzgebiet Kochelfilz

5 Ehemalige Flut mulde der Ammer

Start

A2

6 Pulvermoos

7 Hangmoore

8 Bergwiese – Ammer-gauer Wiesmahd

9 Kleine Ammerquellen

10 Ettaler Weidmoos

11 Bergwald

12 Kloster Ettal

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Ausgangspunkt: 82442 Saulgrub, Pfarrkirche St. Franziskus

Anfahrt: Mit der Bahn: Vom Bahnhof Saulgrub, der von Murnau und Oberam-mergau aus angefahren wird, sind es ca. 450 m zur Kirche St. Franziskus. Alter-nativ kann vom Bahnhof aus gleich in die Achelestraße eingebogen werden.Mit dem Auto: Saulgrub ist über die B23 zu erreichen. Parkplätze gibt es zum Beispiel am Bürgersaal, Schmiedegasse oder am Bahnhof, Bahnhofweg.Zurück zum Ausgangspunkt: Mit dem Bus vom Klostergasthof Ettal nach Saul-grub Bahnhof bzw. nach Oberammergau und von dort mit dem Zug nach Saul-grub.

Weglänge und Anforderungen: Hauptweg: Kleinere steile Passagen bei Acheleschweig und am Altherrenweg, sonst fast eben, ca. 24 km; festes Schuhwerk erforderlich. Der Hauptweg führt von Saulgrub vorbei am Eckfilz und an Streuwiesen über Acheleschwaig, Altenau, entlang der Ammer nach Unterammergau. Von dort geht es über den Altherrenweg mit Blick über das Pulvermoos durch Bergwie-sen und Hangmoore nach Oberammergau und weiter entlang der Falkenwand zu den Kleinen Ammerquellen und durchs Ettaler Weidmoos. Vorbei an der Ettaler Mühle führt der Weg am Waldrand entlang zum Kloster Ettal.

Alternativweg: Großteils ebene Wegstrecke, ca. 19 km; festes Schuhwerk erforderlich.Die Alternativroute verläuft ab Saulgrub nicht über Acheleschwaig, sondern über die Altenauer Straße nach Altenau. Ab Unterammergau verläuft die Alternativroute nicht über den Altherrenweg, sondern entlang der Ammer durchs Pulvermoos nach Oberammergau. Ansonsten ist der Weg identisch mit dem Hauptweg.

Besondere Naturräume: Hochmoor, Niedermoor, Hangmoor, Streuwiese, Pfei-fengraswiese, Bergwiese bzw. Wiesmahd-Fläche, Alpenfluss, Quellgebiet, Auwald, Bergwald.

Kulturelle Besonderheiten: Via Romea, »menschengemachte Artenvielfalt« auf Streuwiesen und Bergwiesen, Benediktinerkloster Ettal.

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Gott verherrlicht werde«. Dieses kann gleichsam als Überschrift über die bene-diktinische Schöpfungsspiritualität gestellt werden. Die Aussage kann besonders auch vor der christlichen Überzeugung gesehen werden, in allem, in der gesamten Schöpfung, Gott entdecken zu können (vgl. Röm 1,20).

In einer Vision wird dem Hl. Benedikt, nach einer Überlieferung des Papstes Gregor I., eine mystische Erfahrung zuteil (vgl. Gregor der Große, Buch II der Dialoge, 35,5-7). Mystik meint nichts Abgehobenes. Vielmehr geht es um das Be-wusstsein unmittelbarer göttlicher Gegenwart und darum, sich in allen Dingen des Lebens von Gott finden zu lassen. Bei der mystischen Erfahrung, die Gregor I. schildert, erscheint dem Hl. Benedikt das Irdische aus der Perspektive Gottes klein. Zugleich verliert es nicht an Bedeutung. Diese Erfahrung vermag anzudeuten, worum es einer christlichen Sicht auf die Welt geht: Das irdische Leben ist ernst zu nehmen und es ist Aufgabe des Menschen, für dieses Leben Sorge zu tragen und rücksichtsvoll damit umzugehen. Die Perspektive ist aber die Hoffnung auf eine vollendete Fülle des Lebens in Gott. Christen dürfen nicht der Gefahr er-liegen, sich darauf auszuruhen oder dies gar als Vorwand für das Unterlassen eines Engage ments für eine lebenswerte Schöpfung zu nehmen. Leben und Handeln aus dem christlichen Glauben haben das Ziel, Angst zu überwinden, aber nicht mit der Haltung, dass Irdisches belanglos wäre.

Benedikt von Nursia gibt mit seiner Regel, auch wenn sie schon fast 1.500 Jahre alt ist, auch für heute Impulse, ein Leben zu führen, das maßvoll und im heutigen Sinne nachhaltig ist.

Der Hl. Benedikt wurde 1964 von Papst Paul VI. zum Patron Europas ernannt.

1 Offene Hochmoorfläche mit vereinzelten Moorkiefern.

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Eckfilz bei Saulgrub

Von der Pfarrkirche über den Kienzerleweg und die Achelestraße zum Eckfilz.Wegstrecke: ca. 600 m.Alternativroute: Die Station 1 wird bei der Alternativroute ausgelassen.

Das Eckfilz ist ein Hochmoor (Abb. 1) und gehört zu einem Moorkomplex, von dem das südlich liegende »Altenauer Moor« als Naturschutzgebiet ausgewiesen wurde. In Bayern und Österreich werden Hochmoore als »Filze« bezeichnet. Ein Hochmoor wird im Unterschied zum Niedermoor ausschließlich vom Nieder-schlagswasser gespeist und hat keinen Kontakt zum Grundwasser oder zu Ober-flächengewässern, weil es im Laufe der Jahrtausende immer weiter in die Höhe gewachsen ist.

In intakten Hochmooren herrschen extreme Bedingungen: Durch den hohen Wasserstand und den niedrigen pH-Wert werden abgestorbene Pflanzenteile nur unvollständig zersetzt. Dadurch entsteht Torf. Im Torf sind riesige Mengen an Kohlenstoff gespeichert. Moorökosysteme enthalten etwa 3,5-mal mehr Kohlen-stoff als alle anderen Landökosysteme. In Moorböden, welche nur circa 3 Prozent der Landoberfläche ausmachen, sind 550  Gigatonnen Kohlenstoff gespeichert. Dies entspricht 30 Prozent des weltweit in Böden gelagerten Kohlenstoffs – oder so viel wie in der gesamten terrestrischen Biomasse bzw. doppelt so viel wie in der gesamten Biomasse, die in Wäldern vorkommt, vorhanden ist.

Durch Entwässerung und Torfabbau werden nicht nur die Moore als Lebens-raum seltener Tier- und Pflanzenarten zerstört, sondern auch riesige Mengen an

2 Rasenbinse (Trichophorum cespitosum). 3 Blumenbinse (Scheuchzeria palustris).

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Sonnentau-Arten

Besonderheiten auf Mooren sind die fleischfres-

senden Sonnentau-Arten. Auf den Hochmooren

kommt vor allem der Rundblättrige Sonnentau

(Drosera rotundifolia, Abb. 4) vor. Diese Art mei-

det Kalk, weshalb die sauren Hochmoorböden

der ideale Lebensraum sind. Auf Bereichen, die

nicht wie die Hochmoore ausschließlich vom Nie-

derschlagswasser gespeist sind, sondern auch

Mineralbodenwasser anzeigen, kommen auch

der Mittlere Sonnentau (Drosera intermedia) und

der Langblättrige Sonnentau (Drosera anglica,

Abb. 5) vor. Bisweilen, so auch auf diesem Moor,

kommt es zu einer Kreuzung des Rundblättrigen

Sonnentaus mit dem Langblättrigen Sonnentau.

Die Hybridart wird als Drosera x obovata bezeich-

net (Abb. 6). Alle Sonnentau-Arten verschaffen

sich auf dem stickstoffarmen Untergrund die

notwendigen Stickstoffsalze durch ihre klebri-

gen Tentakel, mit welchen sie kleine Insekten

fangen. Drüsen sondern dann Verdauungsen-

zyme ab. Diese Anpassung erlaubt es dem Son-

nentau, nährstoffarme Lebensräume wie Moore

zu besiedeln. Sie sind ein Refugium für Arten,

die auf nährstoffreicheren Standorten nicht auf

Dauer wachsen könnten – sie würden dort von

anderen Arten, die die Nährstoffe schneller in

Wachstum umsetzen können, verdrängt werden.

4 Rundblättriger Sonnentau (Drosera rotundifolia).

6 Mischung aus Rund blätt rigem und Langblättrigem Sonnen tau – die Hybridart Drosera x obovata.

5 Langblättriger Sonnentau (Drosera anglica).

Treibhausgasen freigesetzt. Daher ist es wichtig, zum Schutz der Moore Entwässe-rungsgräben zu schließen und torffreie Erde zu verwenden. Das hiesige Hochmoor wurde in der Vergangenheit auch zur Streugewinnung für Tierställe genutzt, auch wenn der Ertrag gering war. Eine typische Baumart auf Mooren des Alpenvorlan-des ist die Moorkiefer (Pinus rotundata), auch Spirke genannt (Abb. 1).

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Der Haupttorfbildner sind Moose, vor allem Torfmoose (Sphagnen). Auf ihnen wachsen auf den nährstoffarmen Lebensraum angepasste Arten wie die Rosmarin-heide (Andromeda polifolia, Abb. 79), die Rasenbinse (Trichophorum cespitosum, Abb.  2), das Weiße Schnabelried (Rhynchospora alba) oder das Scheidige Woll-gras (Eriophorum vaginatum). Die in Deutschland stark gefährdete Blumenbinse (Scheuchzeria palustris, Abb. 3) ist eine typische Art, die in den »Schlenken« vor-kommt. So werden die kleinen Vertiefungen bzw. besonders nassen Stellen im Hochmoor bezeichnet. Die Pendants sind »Bulte«, kleine Erhebungen im Moor, die trockenere Mikrostandorte bilden. Sie werden gerne von der Besenheide (Calluna vulgaris, Abb. 80) besiedelt.

»Höre auf die Weisung des Meisters, neig das Ohr deines Herzens!«

(Regel des Hl. Benedikt, Prolog 8)

Das Hören stellt für den Hl. Benedikt die Basis für den Weg mit Gott dar. Das »Ohr

des Herzens zu neigen« verdeutlicht, dass es dabei um mehr als nur die Wahrneh-

mung eines Geräusches oder eines Wortes geht. Es geht um die Verinnerlichung,

um ein Sich-Ergreifen-Lassen. Das erste und letzte Wort der Regel des Hl. Benedikt

ergänzen einander. Der Sinn des »Höre« zu Beginn wird durch die Aussage »Du wirst

ans Ziel gelangen« am Ende der Regel erschlossen.

Um mit dem Ohr des Herzens hören zu können, ist eine äußere und eine sich daran

anschließende innere Stille notwendig. Das Pilgern in der Natur stellt eine Möglich-

keit dar, in sich zu hören, denn in uns ist der vornehmste Ort, wo Gottes Stimme

erkannt werden kann.

Was hilft mir, mit dem »Ohr des Herzens« zu hören?

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Bald nach dem Eckfilz erreicht man linker Hand eine große Streuwiesenfläche; rechts befindet sich der Wetzsteinrücken.Wegstrecke: ca. 300 m. Alternativroute: Von der Pfarrkirche über die Ammergauer Straße, nach gut 600 m rechts in die Altenauer Straße einbiegen. Nach knapp 500 m erreicht man am süd-lichen Ortsrand von Saulgrub Streuwiesenflächen.Wegstrecke ab Pfarrkirche: ca. 1,1 km.

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»Eine spirituelle, religiöse Beziehung zur Natur fördert den acht- samen Umgang mit der Schöpfung. Dieses Buch lässt die Schöpfung als Geschenk erkennen, das zu hüten ist.« (Dr. theol. Anselm Grün, Benediktiner-Pater und Bestseller-Autor)

»Historisch gewachsene Kulturlandschaften werden immer mehr zu Sehnsuchtsorten, zu Orten der Muße, Demut und damit verbundener Spiritualität. Dem Autor gebührt großer Dank für dieses Buch, das uns zum Bewusstwerden von Schönheit, Vielfalt und Nützlichkeit, aber auch von Verletzlichkeit der uns anvertrauten Heimat Natur führt.«(Prof. Dr. Michael Succow, Landschaftsökologe und Naturschützer)

Pilgern schärft die Sinne, hebt den Blick für das Unscheinbare im Alltag und

öffnet die Ohren für die leisen Töne des Lebens. Der Landkreis Garmisch-

Partenkirchen ist eine Schatzkiste der biologischen Vielfalt, die sich entlang

uralter Wege entdecken lässt.

Vier Pilgerwege laden dazu ein, aufzubrechen in diese artenreichen Natur-

und Kulturlandschaften. Schritt für Schritt bleiben Pilgerinnen und Pilger hier

dem Leben auf der Spur und lernen kennen, wovon sie und ihr Leben getra-

gen sind. Die vielfältige Natur ist dabei nicht nur abwechslungsreiches Foto-

motiv, sondern sorgt für ein funktionierendes Ökosystem. Sie trägt darüber

hinaus auch zur Gesundheit bei und ist Quelle lebendiger Spiritualität.

Dieser Pilgerführer gibt Einblicke in die reichhaltige Flora und Fauna und

ist doch mehr. Er versorgt Pilgernde mit »geistlichem Proviant« und hilft

ihnen, sich mit Leib und Seele auf den Weg zu machen.

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