brandlasten in rettungswegen-16-05-01 - bft cognos · pdf filebrandschutz-tagung 2016...

13
Brandschutz-Tagung 2016 BRANDLASTEN IN RETTUNGSWEGEN GRUNDLAGEN FÜR EINZELFALLBETRACHTUNGEN Stand 01.05.2016 Andreas Plum, BFT Cognos GmbH, Aachen MOTIVATION Die Brandlastfreiheit von Rettungswegen ist ein fundamentaler Bestandteil un- serer bauordnungsrechtlichen Regelwerke. Die grundsätzliche Unzulässigkeit lässt sich aus den materiellen Anforderungen der Landesbauordnungen ablei- ten und ist durch die Rechtsprechung bestätigt (vgl. z. B. [1]). Dennoch gehören Brandlasten in Rettungswegen im Rahmen von Brandverhütungsschauen mit zu den wohl am häufigsten beanstandeten Mängeln im Betrieb eines Gebäu- des. Die „Empfehlungen zur Risikoeinschätzung von Brandlasten in Rettungswegen“ (2014-5) vom Arbeitskreis Vorbeugender Brand- und Gefahrenschutz der Ar- beitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren in der Bundesrepublik Deutschland (AGBF Bund) [2] gibt Hinweise zur Ermessensausübung bei der Durchführung der Brandverhütungsschau und zeigt die Möglichkeit der Duldung von bestimmten Brandlasten in Rettungswegen auf. Dies sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass in einem Baugenehmigungs- bzw. Zustimmungsverfahren im Einzelfall zu prüfen ist, ob ein notwendiger Ret- tungsweg seiner Funktion trotz vorhandener Brandlasten gerecht werden kann und daher Erleichterungen von den bauordnungsrechtlichen Anforderungen zugelassen werden können. Der Beitrag soll als eine Grundlage für Einzelfallbetrachtungen verstanden wer- den und dabei insbesondere die Aufstellung von elektronischen Informations- systemen und Möbeln näher betrachten. EINLEITUNG Die Brandlastfreiheit von Rettungswegen ist ein elementarer Bestandteil zur Schutzzielerfüllung der bauordnungsrechtlichen Regelwerke. Bei der Umset- zung dieser Forderung kommt es insbesondere im Gebäudebestand immer wieder zu Schwierigkeiten. Eine Nutzung von z. B. notwendigen Treppenräu- men mit Empfangsbereichen oder notwendigen Fluren mit möblierten Wartebe- reichen steht den bauordnungsrechtlichen Anforderungen zunächst entgegen.

Upload: dangbao

Post on 06-Mar-2018

246 views

Category:

Documents


2 download

TRANSCRIPT

Page 1: Brandlasten in Rettungswegen-16-05-01 - BFT Cognos · PDF fileBrandschutz-Tagung 2016 BRANDLASTEN IN RETTUNGSWEGEN GRUNDLAGEN FÜR EINZELFALLBETRACHTUNGEN Stand 01.05.2016 Andreas

Brandschutz-Tagung 2016

BRANDLASTEN IN RETTUNGSWEGEN GRUNDLAGEN FÜR EINZELFALLBETRACHTUNGEN Stand 01.05.2016

Andreas Plum, BFT Cognos GmbH, Aachen MOTIVATION Die Brandlastfreiheit von Rettungswegen ist ein fundamentaler Bestandteil un-serer bauordnungsrechtlichen Regelwerke. Die grundsätzliche Unzulässigkeit lässt sich aus den materiellen Anforderungen der Landesbauordnungen ablei-ten und ist durch die Rechtsprechung bestätigt (vgl. z. B. [1]). Dennoch gehören Brandlasten in Rettungswegen im Rahmen von Brandverhütungsschauen mit zu den wohl am häufigsten beanstandeten Mängeln im Betrieb eines Gebäu-des. Die „Empfehlungen zur Risikoeinschätzung von Brandlasten in Rettungswegen“ (2014-5) vom Arbeitskreis Vorbeugender Brand- und Gefahrenschutz der Ar-beitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren in der Bundesrepublik Deutschland (AGBF Bund) [2] gibt Hinweise zur Ermessensausübung bei der Durchführung der Brandverhütungsschau und zeigt die Möglichkeit der Duldung von bestimmten Brandlasten in Rettungswegen auf. Dies sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass in einem Baugenehmigungs- bzw. Zustimmungsverfahren im Einzelfall zu prüfen ist, ob ein notwendiger Ret-tungsweg seiner Funktion trotz vorhandener Brandlasten gerecht werden kann und daher Erleichterungen von den bauordnungsrechtlichen Anforderungen zugelassen werden können. Der Beitrag soll als eine Grundlage für Einzelfallbetrachtungen verstanden wer-den und dabei insbesondere die Aufstellung von elektronischen Informations-systemen und Möbeln näher betrachten. EINLEITUNG Die Brandlastfreiheit von Rettungswegen ist ein elementarer Bestandteil zur Schutzzielerfüllung der bauordnungsrechtlichen Regelwerke. Bei der Umset-zung dieser Forderung kommt es insbesondere im Gebäudebestand immer wieder zu Schwierigkeiten. Eine Nutzung von z. B. notwendigen Treppenräu-men mit Empfangsbereichen oder notwendigen Fluren mit möblierten Wartebe-reichen steht den bauordnungsrechtlichen Anforderungen zunächst entgegen.

Page 2: Brandlasten in Rettungswegen-16-05-01 - BFT Cognos · PDF fileBrandschutz-Tagung 2016 BRANDLASTEN IN RETTUNGSWEGEN GRUNDLAGEN FÜR EINZELFALLBETRACHTUNGEN Stand 01.05.2016 Andreas

Brandschutz-Tagung 2016

Eine differenzierte Risikoanalyse kann jedoch dazu führen, dass im Rahmen einer schutzzielorientierten Betrachtung Brandlasten in Rettungswegen im Ein-zelfall und in begrenztem Umfang zugelassen werden können. In der Praxis treten dabei neben Möblierungen auch vermehrt visuelle Informa-tionssysteme zur Lenkung von Besuchern und Mitarbeitern auf. Visuelle Infor-mationssysteme (Informationsstelen, Monitore etc.) können Wegweiser erset-zen und darüber hinaus zu Begrüßungs-, Präsentations- und Informations-zwecken genutzt werden. Hierzu ist die Anbringung dieser Systeme im Bereich des Gebäudezugangs erforderlich. In Bestandsgebäuden stellen diese Gebäu-dezugänge häufig aber auch eine Komponente der Rettungswege dar.

Bild 1 Informationsstele im notwendigen Treppenraum eines Verwaltungsge-bäudes Um die Schutzziele unserer bauordnungsrechtlichen Regelwerke dennoch erfül-len zu können, ist vor der Anordnung brennbarer Materialien in Rettungswegen mit einer brandschutztechnischen Bewertung in Abhängigkeit von der Art des Rettungsweges (z. B. notwendiger Treppenraum, notwendiger Flur), deren An-zahl sowie der sonstigen brandschutztechnischen Infrastruktur (z. B. Brandmel-deanlage) die Zulässigkeit im Einzelfall zu beurteilen. Der Beitrag zeigt auf, welche konzeptionellen Rahmenbedingungen gegeben sein müssen und welche Anforderungen an die dann zulässigen Brandlasten in Rettungswegen gestellt werden.

Page 3: Brandlasten in Rettungswegen-16-05-01 - BFT Cognos · PDF fileBrandschutz-Tagung 2016 BRANDLASTEN IN RETTUNGSWEGEN GRUNDLAGEN FÜR EINZELFALLBETRACHTUNGEN Stand 01.05.2016 Andreas

Brandschutz-Tagung 2016

Schutzzieldefinition und baurechtliche Einordnung Alle brandschutztechnischen Maßnahmen, die in Gebäuden erforderlich sind, fügen sich in das baurechtliche Sicherheitskonzept der Landesbauordnungen ein. Im § 14 der Musterbauordnung (MBO) [3] werden speziell für den Brand-schutz die folgenden vier allgemeinen Schutzziele definiert: � Der Entstehung eines Brandes ist vorzubeugen. � Der Ausbreitung von Feuer und Rauch ist vorzubeugen. � Die Rettung von Menschen und Tieren muss ermöglicht werden. � Wirksame Löscharbeiten müssen ermöglicht werden. Dem Schutz von Leben und Gesundheit, insbesondere im Brandfall, wird im Baurecht ein besonderer Stellenwert zugedacht. Hierzu erfolgt in Gebäuden die Anordnung von Rettungswegen in Abhängigkeit von ihrer Größe sowie der Art oder Nutzung. Das System der Rettungswege setzt sich insbesondere aus not-wendigen Treppen (i. d. R. in notwendigen Treppenräumen gelegen) und not-wendigen Fluren zusammen. Gemäß den Anforderungen des § 33 (1) MBO [3] müssen in jedem Geschoss mit Aufenthaltsräumen mindestens zwei voneinander unabhängige Rettungs-wege vorhanden sein. Während der erste Rettungsweg in der Regel über einen notwendigen Treppenraum führt, kann der zweite Rettungsweg durch die An-ordnung von anleiterbaren Stellen in Verbindung mit Geräten der Feuerwehr sichergestellt werden. Darüber hinaus kann in Gebäuden mit besonderer Art oder Nutzung ein zweiter baulicher Rettungsweg erforderlich sein. An die Umfassungswände und Türen notwendiger Treppenräume werden nach § 35 (4/6) MBO [3] besondere brandschutztechnische Anforderungen gestellt, so dass im Brandfall ein Zeitfenster eröffnet wird, um im ersten Schritt den Nut-zern des Gebäudes eine sichere und selbstständige Flucht zu ermöglichen. Im zweiten Schritt dient der Treppenraum den Einsatzkräften als Rettungs- und Löschangriffsweg für die Fremdrettung und die Durchführung wirksamer Lösch-arbeiten. Die Anforderung des § 35 (5) MBO [3], dass Bekleidungen, Putz, Dämmstoffe, Unterdecken und Einbauten vollständig aus nichtbrennbaren Baustoffen herge-stellt sein müssen, verdeutlicht den besonderen Stellenwert des notwendigen Treppenraumes. Dies wird auch durch die Anforderungen aus der Muster-Leitungsanlagenrichtlinie (MLAR) [4] gestützt, die im notwendigen Treppenraum nur solche Installationen aus brennbaren Baustoffen zulässt, die zur Versor-gung der Rettungswege zwingend erforderlich sind (z. B. Beleuchtung).

Page 4: Brandlasten in Rettungswegen-16-05-01 - BFT Cognos · PDF fileBrandschutz-Tagung 2016 BRANDLASTEN IN RETTUNGSWEGEN GRUNDLAGEN FÜR EINZELFALLBETRACHTUNGEN Stand 01.05.2016 Andreas

Brandschutz-Tagung 2016

Aus der Summe dieser Anforderungen werden in [5] nachfolgende Ziele abge-leitet, die durch die Ausbildung eines vollwertigen notwendigen Treppenraumes erfüllt werden: � Behinderung einer Feuerübertragung vom (Brand-)Geschoss auf den not-

wendigen Treppenraum � Einschränkung der Verrauchung des notwendigen Treppenraumes (z. B.

durch Rauchschutztüren) � Behinderung einer Übertragung von Feuer und Rauch von Geschoss zu

Geschoss über den notwendigen Treppenraum � Gewährleistung einer der Höhe des Gebäudes entsprechenden Stand-

sicherheit für den Brandfall Neben den notwendigen Treppenräumen dienen auch notwendige Flure der Nutzung als Flucht- und Rettungsweg. Diese müssen deshalb gemäß § 36 MBO [3] besondere Anforderungen an die Breite sowie an die Seitenwände (i. d. R. feuerhemmend und in den wesentlichen Teilen aus nichtbrennbaren Baustoffen) erfüllen. Diese Flurausführung dient insbesondere der Selbstrettung von Personen ins Freie oder zum notwendigen Treppenraum. Aufgrund der zentralen Funktion als Rettungsweg kann ein notwendiger Flur grundsätzlich nicht gleichzeitig als Aufenthaltsbereich (z. B. als Warte- oder Gemeinschafts-raum) dienen, da dies die Funktion als Rettungsweg einschränken könnte. Aus-genommen sind hiervon Flure im Bereich von Nutzungseinheiten (vgl. § 36 (1) MBO) [3]. An diese Flure werden aus brandschutztechnischer Sicht keine be-sonderen Anforderungen gestellt. Flure dieser Art sind somit keine unmittelba-ren Bestandteile des Systems von Rettungswegen in Gebäuden. Ob ein Flur als notwendiger Flur oder als Flur innerhalb von Nutzungseinheiten eingestuft wird, ist den gebäudespezifischen, individuellen Brandschutzkonzepten zu entneh-men. Notwendige Flure und notwendige Treppenräume bilden somit das zentrale Element des Systems der inneren Rettungswege und sind zudem Bestandteil des Systems der inneren Abschottungen.

Page 5: Brandlasten in Rettungswegen-16-05-01 - BFT Cognos · PDF fileBrandschutz-Tagung 2016 BRANDLASTEN IN RETTUNGSWEGEN GRUNDLAGEN FÜR EINZELFALLBETRACHTUNGEN Stand 01.05.2016 Andreas

Brandschutz-Tagung 2016

Bild 2: notwendiger Flur mit zwei baulichen Rettungswegen

Bild 3: Nutzungseinheit mit einem baulichen Rettungsweg, 2. Rettungsweg über Rettungsgerät

Brandlasten in Rettungswegen Werden innerhalb von Rettungswegen Brandlasten in Form von visuellen In-formationssystemen oder Möbeln eingebracht, stellen diese aufgrund ihrer brennbaren und/oder elektronischen Bestandteile signifikante Brandlasten bzw. Brandentstehungsgefahren dar. Kommt es aufgrund von technischen Defekten oder äußeren Einwirkungen zu einem Brand innerhalb eines Gerätes, ist ohne zusätzliche Maßnahmen mit einer deutlichen Rauchentwicklung zu rechnen.

Page 6: Brandlasten in Rettungswegen-16-05-01 - BFT Cognos · PDF fileBrandschutz-Tagung 2016 BRANDLASTEN IN RETTUNGSWEGEN GRUNDLAGEN FÜR EINZELFALLBETRACHTUNGEN Stand 01.05.2016 Andreas

Brandschutz-Tagung 2016

Eine solche Brand- und Rauchentwicklung kann die Nutzbarkeit der betroffenen Rettungswege erheblich beeinträchtigen. Ob die Anordnung von Brandlasten in einem Rettungsweg aus brandschutz-technischer Sicht trotzdem vertretbar sein kann, hängt von einer individuellen Betrachtung der verfügbaren Rettungswege sowie von der brandschutztechni-schen Infrastruktur in einem Gebäude ab. Ohne eine Einzelfallbetrachtung sind Brandlasten in Rettungswegen entsprechend den bauordnungsrechtlichen Vor-gaben generell unzulässig. Gemäß § 67 MBO [3] kann von Bauvorschriften abgewichen werden, wenn auf andere Weise das geforderte Schutzziel gleichermaßen erreicht wird. Als denk-bare Kompensation zu Abweichungen von den §§ 35 (5) und 36 (6) MBO [3] kann z. B. die Anordnung eines zweiten baulichen Rettungsweges oder die In-stallation einer automatischen Brandmeldeanlage (BMA) in Betracht gezogen werden. Da eine solche Beurteilung jedoch immer in ein gesamthaftes Brand-schutzkonzept für ein Gebäude eingebettet werden muss, kann eine pauschale Aussage hierzu nicht getroffen werden. Die nachfolgende Tabelle bildet folglich nur eine Grundlage für Einzelfallbetrachtungen.

Brandschutztechnische Infrastruktur

Anordnung „qualifizierter“ Brandlasten als Erleichterung möglich?

2. baulicher Rettungsweg

Brandmelde-anlage

Ja Ja +

Ja Nein +

Nein Ja - / o

Nein Nein -

Tabelle 1: Grundlagen für Einzelfallbetrachtungen

Visuelle Informationssysteme in Rettungswegen In Informationsstelen und Monitoren ohne besondere Anforderungen befinden sich i. d. R. LCD-Bildschirme sowie weitere Komponenten, insbesondere Steu-er- und Übertragungseinheiten sowie Lüfter und Kabel, die dem Betrieb der Systeme dienen. Die Oberflächen können aus (brennbaren) Kunststoffen be-stehen. Die Brandlast solcher Geräte kann als hoch bewertet werden, so dass

Page 7: Brandlasten in Rettungswegen-16-05-01 - BFT Cognos · PDF fileBrandschutz-Tagung 2016 BRANDLASTEN IN RETTUNGSWEGEN GRUNDLAGEN FÜR EINZELFALLBETRACHTUNGEN Stand 01.05.2016 Andreas

Brandschutz-Tagung 2016

die Installation in Rettungswegen aus brandschutztechnischer Sicht nicht zuläs-sig ist. Es ist jedoch möglich, visuelle Informationssysteme brandschutztechnisch da-hingehend zu optimieren, dass ihre Aufstellung innerhalb von Rettungswegen vertretbar wird. Hierbei gibt es drei grundsätzliche Ansatzpunkte: System mit Löschanlage In visuellen Informationssystemen dieses Typs ist im Inneren handelsübliche Technik verbaut, an die keine besonderen brandschutztechnischen Anforde-rungen gestellt werden. Das System wird allerdings mit einer Objektlöschanlage ausgestattet, die so ausgelegt ist, dass ein eventuelles Brandereignis auf das Innere des Gerätes beschränkt bleibt. Ein Auslösen der Objektlöschanlage ist den Nutzern automatisch zu melden. Mit der Installation einer solchen Objekt-löschanlage kann die Einbringung von Brandlasten in den Fluchtweg kompen-siert werden. Brandlastoptimiertes System

Die verwendete Technik im Inneren der visuellen Informationssysteme dieses Typs wird auf das nach dem Stand der Technik mögliche Mindestmaß an Brandlast reduziert. So werden keine Kunststoffgehäuse eingebaut (mit Aus-nahme von zwingend erforderlichen Kleinkomponenten, z. B. Transistoren, Mikrocontroller), Kabel u. ä. werden auf ein absolutes Minimum gekürzt und es werden – soweit möglich – gegen Entflammen geschützte Bauteile und Platinen eingebaut. Mittels Brandlastermittelung in Anlehnung an die DIN 18230 wird die Höhe der Brandlast in einer Einzelfallbetrachtung nachgewiesen. Des Weiteren sind die einzelnen funktionalen Bereiche der visuellen Informa-tionssysteme (z. B. Display, Steuerelektronik, Datenverarbeitung bzw. Speiche-rung) in geschlossenen Gehäusen aus nichtbrennbaren Baustoffen untereinan-der zu trennen. Notwendige Öffnungen der Kästen (z. B. für Kabeldurchführun-gen) werden auf das betriebsnotwendige Maß reduziert. Darüber hinaus werden Maßnahmen zur Reduzierung der Brandentstehungs-gefahr getroffen. So sind z. B. energetisch sparsame Komponenten zu verwen-den, die Auslastung des/der Netzteile/s ist gering zu halten, es werden keine drehenden Teile installiert (stattdessen z. B. SSD-Platten, passive Lüftungs-elemente etc.) und es werden geeignete Maßnahmen gegen Überspannung und Überhitzung vorgenommen. Das visuelle Informationssystem muss über einen eigenen Fehlerschutzschalter (FI) abgesichert sein.

Page 8: Brandlasten in Rettungswegen-16-05-01 - BFT Cognos · PDF fileBrandschutz-Tagung 2016 BRANDLASTEN IN RETTUNGSWEGEN GRUNDLAGEN FÜR EINZELFALLBETRACHTUNGEN Stand 01.05.2016 Andreas

Brandschutz-Tagung 2016

Durch die Reduzierung der Brandlast und der Brandentstehungsgefahr auf ein absolutes Minimum werden die Schutzziele des Bauordnungsrechts eingehal-ten, insbesondere da die restlichen Brandlasten und Brandentstehungsgefahren durch nichtbrennbare Baustoffe voneinander getrennt sind. Die Brandgefahr wird so derart minimiert, dass sie mit den im Rettungsweg zulässigen Installati-onen (z. B. Allgemeinbeleuchtung) gleichgesetzt werden kann.

Gekapseltes System

Visuelle Informationssysteme dieses Typs verfügen über ein möglichst dichtes Gehäuse. Es sind keine Lüftungsschlitze oder andere Öffnungen zulässig und innerhalb des Systems wird ein Rauchmelder verbaut. Durch die vollständige Kapselung des Gehäuses ist sichergestellt, dass bis zur Auslösung des systemeigenen Rauchmelders kein Rauch aus dem Gehäuse in den Fluchtweg gelangt. Gleichzeitig wird der Zustrom von Sauerstoff soweit reduziert, dass ein mögliches Brandgeschehen niederenergetisch verläuft. Bei-des trägt dazu bei, dass die Nutzbarkeit des Fluchtweges im Brandfall nicht sig-nifikant eingeschränkt wird, wodurch aus brandschutztechnischer Sicht gegen die Aufstellung des visuellen Informationssystems keine Bedenken bestehen. Ein Maßstab für die Kapselung kann z. B. die Schutzklasse 65 (staubdicht, strahlwassergeschützt) nach DIN EN 60529 sein. Die jeweilige Qualität muss durch den Systemhersteller mit entsprechenden Nachweisen belegt werden können. Das nachstehende Flussdiagramm ver-deutlicht die Einstufung der Systeme:

Page 9: Brandlasten in Rettungswegen-16-05-01 - BFT Cognos · PDF fileBrandschutz-Tagung 2016 BRANDLASTEN IN RETTUNGSWEGEN GRUNDLAGEN FÜR EINZELFALLBETRACHTUNGEN Stand 01.05.2016 Andreas

Brandschutz-Tagung 2016

Bild 4: Flussdiagramm zur Einstufung von besonders geschützten visuellen In-formationssystemen Zudem müssen alle Systeme über Gehäuse sowie Oberflächen im Bereich des Bildschirms verfügen, die aus nichtbrennbaren Materialien bestehen (Glas, Me-tall etc.). Unnötige Brandlasten sind generell zu vermeiden (z. B. überdimensio-nierte Steckerleisten, Kabellängen). Darüber hinaus ist darauf zu achten, dass trotz der Aufstellung von visuellen Informationssystemen die erforderlichen Fluchtwegbreiten an jeder Stelle des notwendigen Flures bzw. des notwendigen Treppenraumes dauerhaft zur Verfügung stehen. Zudem sind die Aufstellberei-che der Systeme mit einem Rauchwarnmelder zu überwachen. Möbel in Rettungswegen Moderne Möbel bestehen in der Regel aus mehr als einem Material und sind nicht als „Gesamtbauteil“ hinsichtlich der Baustoffklassen nach DIN 4102 (z. B. Baustoffklasse B1) geprüft. Dennoch ist eine Klassifizierung der einzelnen

Page 10: Brandlasten in Rettungswegen-16-05-01 - BFT Cognos · PDF fileBrandschutz-Tagung 2016 BRANDLASTEN IN RETTUNGSWEGEN GRUNDLAGEN FÜR EINZELFALLBETRACHTUNGEN Stand 01.05.2016 Andreas

Brandschutz-Tagung 2016

Komponenten möglich. Die Risiken von Wechselwirkungen und gegenseitigen Beeinflussungen sind dabei jedoch so groß, dass zur Klassifizierung von Pols-termöbeln besondere Prüfnormen zu berücksichtigen sind. Grundlegende Be-trachtungen hierzu wurden auch in einzelnen Versuchsreihen durchgeführt und unter brandschutztechnischen Gesichtspunkten bewertet ([7]). Gegenwärtig genormt sind im nationalen Bereich brandschutztechnische Anfor-derungen an Polsterverbunde in der DIN 66084. In dieser Norm erfolgt eine Einstufung bzw. Klassifizierung auf Grundlage der Ergebnisse der Prüfverfah-ren nach DIN EN 1021 Teil 1 („brennendes Streichholz“) und Teil 2 („glimmende Zigarette“) sowie nach DIN 54341 („brennende Zeitung“). Darüber hinausge-hende brandschutztechnische Qualitäten weisen z. B. Polsterverbunde auf, die nach dem britischen Standard BS 5852 mit einem Holzkrippenbrand erfolgreich geprüft wurden. Wichtig ist hierbei eine Prüfung des jeweiligen Gesamtsystems und nicht nur der einzelnen Komponenten wie z. B. des Bezugsstoffes. In der Regel weisen Möbel mit verbessertem Brandverhalten Brandbarrieren zwischen Schaumstoff und Bezugsstoff in Form eines nichtbrennbaren Spezialvlieses auf. Die vorgenannten Prüfungen können als Nachweis für ein verbessertes Brand-verhalten herangezogen werden, nicht aber zum Nachweis der bauordnungs-rechtlich geforderten Nichtbrennbarkeit. Über die reine Betrachtung der Brennbarkeit ist auch die Menge der brennbaren Stoffe zu beschränken, so dass nur Sitzmöbel mit einzelnen Polsterelementen (gepolsterte Sitzfläche und Rückenlehne) zu wählen sind, die über Unterkon-struktionen aus nichtbrennbaren Baustoffen verfügen. Neben den Anforderungen an die Brennbarkeit sind auch Anforderungen an die Positionierung im Raum zu stellen. So darf die erforderliche nutzbare Breite von Rettungswegen (gemäß den einschlägigen baurechtlichen Vorschriften) an kei-ner Stelle durch das Aufstellen von Möbeln eingeschränkt werden, erforderliche Handläufe müssen jederzeit nutzbar sein und der Aufstellbereich sollte über eine Brandfrüherkennung (z. B. Brandmeldeanlage) verfügen. ZUSAMMENFASSUNG Die grundsätzliche bauordnungsrechtliche Forderung nach einer Brandlastfrei-heit von Rettungswegen schließt nicht aus, dass in Einzelfällen die geplante Brandlast (z. B. Möbel, Monitore) und/oder das System der Rettungswege selbst so beschaffen sein kann, dass Brandlasten nach einer Analyse und Be-wertung der Risiken als Erleichterung zugelassen werden können.

Page 11: Brandlasten in Rettungswegen-16-05-01 - BFT Cognos · PDF fileBrandschutz-Tagung 2016 BRANDLASTEN IN RETTUNGSWEGEN GRUNDLAGEN FÜR EINZELFALLBETRACHTUNGEN Stand 01.05.2016 Andreas

Brandschutz-Tagung 2016

Es sollte z. B. in einem Büro- und Verwaltungsgebäude mit zwei baulichen Ret-tungswegen im Zuge einer Erleichterung möglich sein, visuelle Informationssys-teme bzw. Möblierungen mit besonderen brandschutztechnischen Qualitäten in einem der baulichen Rettungswege aufzustellen, wohingegen die Aufstellung bei nur einem baulichen Rettungsweg nicht möglich sein wird.

Bild 5: Aufstellung von Möbeln und Informationssystemen als Erleichterung möglich

Bild 6: Brandlasten im Rettungsweg unzulässig Die Prüfung muss im Rahmen eines Baugenehmigungs- bzw. Zustimmungsver-fahrens erfolgen und Erleichterungen auf Grundlage des § 51 (1) MBO [3] müs-sen beantragt werden. Eine detaillierte Beschreibung der Systeme bzw. der geplanten Brandlasten ist im Brandschutzkonzept erforderlich. Nach Umset-

Page 12: Brandlasten in Rettungswegen-16-05-01 - BFT Cognos · PDF fileBrandschutz-Tagung 2016 BRANDLASTEN IN RETTUNGSWEGEN GRUNDLAGEN FÜR EINZELFALLBETRACHTUNGEN Stand 01.05.2016 Andreas

Brandschutz-Tagung 2016

zung müssen nachvollziehbare Nachweise über die eingebrachten Produkte vorgelegt werden. Insbesondere bei der Anordnung von Möbeln in Rettungswe-gen wird die größte Schwierigkeit in der Durchsetzung der darüber hinaus er-forderlichen Brandlastfreiheit im Betrieb des Gebäudes liegen. Bei Neubaumaßnahmen sollte vorrangig durch eine entsprechende Auslegung von Foyer- und Empfangsbereichen als Nutzungseinheiten, die nicht als Ret-tungswege dienen, das Aufstellen von brennbaren Materialien im Rettungsweg selber vermieden werden. Alternativ bietet die Muster-Richtlinie über bauauf-sichtliche Anforderungen an Schulen [8] mit dem Begriff der Halle die Möglich-keit, einen von zwei erforderlichen baulichen Rettungswegen einer Nutzung zuzuführen. Bei einer schutzzielorientierten Betrachtung können vergleichbare Konzepte entwickelt werden. Dabei kann einer der baulichen Rettungswege über eine Halle geführt werden, für die zwar besondere bauliche Anforderungen zu berücksichtigen sind (z. B. Umfassungsbauteile, Baustoffe und Rauchablei-tung), deren Nutzung mit mobilen Brandlasten aber möglich ist.

Page 13: Brandlasten in Rettungswegen-16-05-01 - BFT Cognos · PDF fileBrandschutz-Tagung 2016 BRANDLASTEN IN RETTUNGSWEGEN GRUNDLAGEN FÜR EINZELFALLBETRACHTUNGEN Stand 01.05.2016 Andreas

Brandschutz-Tagung 2016

LITERATUR: [1] Beschluss 2. Senat, Oberverwaltungsgericht NRW, Aktenzeichen 2A239/12

vom 20.02.2013 [2] AGBF 2014-5 „Empfehlungen zur Risikoeinschätzung von Brandlasten in

Rettungswegen“, AGBF Bund [3] Musterbauordnung (MBO), November 2002 [4] Muster-Richtlinie über die brandschutztechnischen Anforderungen an Lei-

tungsanlagen (MLAR), 17.11.2005 [5] BauO NRW - Kommentar, 12. Auflage, Gädtke, Czepuck, Johlen, Plietz,

Wenzel, Werner Verlag, Düsseldorf 2011 [6] DIN 66084, Klassifizierung des Brennverhaltens von Polsterverbunden, Juli

2003 [7] Ein Prüf- und Beurteilungskonzept zum Nachweis der „Schwerentflamm-

barkeit“ von Sitzen, B. Bansemer, M. Halfmann, J. Wellding, F.-W. Wittbe-cker, vfdb 4/2009

[8] Muster-Richtlinie über bauaufsichtliche Anforderungen an Schulen

(Muster-Schulbau-Richtlinie - MSchulbauR), Fassung April 2009