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Christine Zumbeck Neue Wege im BEM – Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit wiederherstellen, erhalten und fördern Fallbeispiele zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement mit AF-Coaching Partner für die Evaluation : Partnerbetriebe : Förderträger:

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Christine Zumbeck

Neue Wege im BEM –

Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit wiederherstellen, erhalten und fördern

          

Fallbeispiele zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement

mit AF-Coaching

Partner für die Evaluation: Partnerbetriebe: Förderträger:

Fallbeispiele zum BEM

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Das Projekt „Neue Wege im BEM“ hat es sich zur Aufgabe gestellt, die Durchführung des BEM mithilfe eines Ar-beitsfähigkeitscoaching zu optimieren. Im Verlauf des Projekts ist das in der Grafik dargestellte Rahmenkonzept zur Durchführung des BEM entstanden, welches die drei Ebenen: betriebliche Ebene, überbetriebliche Ebene und indivi-duelle Ebene strukturell auf das Ziel eines wirksamen Betrieblichen Gesundheitsmanagements ausrichtet.

Das AF-Coaching auf individueller Ebene bietet eine einfache, anschauliche, adäquate und systematische Vorge-hensweise für ein erfolgreiches Einzelfallmanagement. Die BEM-Berechtigten entwickeln mit Hilfe des AF-Coaching auf der Grundlage des Arbeitsfähigkeitskonzeptes verschiedene Lösungsalternativen und entscheiden, was sie wie und in welcher Form umsetzen wollen. Im Gespräch mit dem AF-Coach werden Handlungsstrategien erarbeitet und Hilfe zur Selbsthilfe systematisch gegangen. So entstehen gute, schnelle und wirksame Lösungen.

Insgesamt wurden im Projekt 22 Fälle unter Einbeziehung eines AF-Coachings durchgeführt. Die Realisierung der Fallbearbeitung hat erste Erkenntnisse gebracht, die im Rahmen einer Sammlung von Fallbeispielen Hilfestellung geben kann.

Fallbeispiele zum BEM

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Der Beitrag des Arbeitsfähigkeitscoachs in den durchgeführten BEM-Fällen

Die AF-Coachs begannen ihre Arbeit jeweils mit dem Erstgespräch, in dem den BEM-Berechtigten das Verfahren erläutert wurde einschließlich der Sicherung des Datenschutzes, der Klärung der Verantwortlichkeiten. Dieser Pro-zessteil dient der Schaffung einer Vertrauensbasis zwischen AF-Coach und Coachee.

Nach einer Einführung in das BEM-Verfahren und den beabsichtigten BEM-Prozess wurde im zweiten Schritt mit den BEM-Berechtigten durch das Haus der Arbeitsfähigkeit gegangen und die verschiedenen Stockwerke besprochen. Dazu gehört auch die private und regionale Umgebung des Hauses, deren Einwirken durch einen Balkon am Haus der Arbeitsfähigkeit bildhaft dargestellt ist.

Begehung des Hauses der Arbeitsfähigkeit bringt Hinweis

In einem Fallbeispiel wird besonders deutlich, dass der Erfolg des Coachings bei der Erstbegehung der Stockwerke des Hauses der Arbeitsfähigkeit und seiner Umgebung seinen Anfang nahm. Der BEM-Berechtigte hatte mit erheblichen psychischen Belastungen zu kämpfen, die sich durch ungelöste Probleme im Privatleben manifestiert hatten. Diese Belastungen – der Ursprung der Krankengeschichte – wären ohne die umfassende Analyse zur Arbeitsfähigkeit gemeinsam mit dem Coach aller Voraussicht nach nicht reali-siert und beachtet worden. Nur durch die Offenlegung der Krankheitshintergründe konnten Maßnahmen angedacht und später auch ergriffen werden, die genau dieses Problem angingen. Konkret war es so, dass erst durch Herausnahme aus der Wochenendschicht die nach einer Trennung neu zu organisierenden Vater-pflichten wieder verantwortlich wahrgenommen werden konnten. Die Krankheitszeiten sind seitdem auf ein Minimum zurückgegangen.

Es hört jemand zu und es passiert etwas

Ein anderer Fall zeigt, dass die persönliche Begleitung durch den AF-Coach die Motivation, an einer Verän-derung aktiv mitzuarbeiten, erheblich verstärkt hat. Wo zu Beginn des Prozesses noch vorwiegend Skepsis und Angst vor Arbeitsplatzverlust waren, konnte im Verlauf eine aktive und positive Mitarbeit erreicht wer-den. Die BEM-Berechtigte kümmerte sich um Termine mit den potenziellen Unterstützern und überlegte sich tragfähige Maßnahmen zur Sicherung der Arbeitsfähigkeit. Als besonders unterstützend wurde die Transpa-renz des Prozesses empfunden. Persönlicher Ausdruck dieser Wandlung durch die BEM-Berechtigte: „Ich hätte nicht gedacht, dass es sowas gibt. Es hört jemand zu und es passiert was“. Ein neues Vertrauen ist bei der Beschäftigten seitdem entstanden, dass der Arbeitgeber auch zukünftig bereit sein wird, seine Mit-arbeiter mit Einschränkungen nicht fallen zu lassen, sondern beim Aufbau der Arbeitsfähigkeit zu unterstüt-zen.

Das Team muss zusammen passen

Über den Einzelfall hinaus wurde folgendes deutlich: Die eingesetzten Arbeitsfähigkeitscoachs bringen sehr unterschiedliche Persönlichkeiten und Ressourcen mit in den Prozess. Die Auswertung der Fallbeispiele zeigt auf, dass diese Ressourcen und die Passgenauigkeit der Coachs zu den BEM-Berechtigten einen deutlichen Einfluss auf den Fortgang des Prozesses nehmen. So deuteten einzelne angehende AF-Coaches an, dass sie hinsichtlich psychischer Krankheitsbilder eine Überforderung verspüren. In anderen Fällen wurde deutlich, dass das Verständnis für die Belastung durch eigene Erfahrung auf einem gleichgearteten Arbeitsplatz die Vertrauensbeziehung gefördert hat. Das Team muss zusammen passen, um Vertrauen aufbauen zu können.

Fallbeispiele zum BEM

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Die interne Vernetzung der Prozessbeteiligten fördert den Erfolg

In den Projektbetrieben gab es bereits vor der Einführung eines AF-Coachings interne Gesprächsrunden, die sich um praktikable Lösungen für BEM-Berechtigte bemüht haben. Beteiligt waren in den Betrieben unterschiedliche Akteure. Neben Arbeitgebervertreter, Betriebs-/Personalrat, Schwerbehindertenvertretung und Arbeitsmedizinern waren auch BEM-Koordinatoren oder BEM-Berater in einzelnen Betrieben bereits eingebunden.

In den Fällen, die von den AF-Coachs betreut wurden, waren die Vorab-Ergebnisse der BEM-Teams jedoch nicht ausreichend passgenau, um eine langfristige Perspektive für die BEM-Berechtigten bieten zu können. Das Coaching hat die Vernetzung der internen Akteure verbessert und das gemeinsame Bemühen, einen neuen Weg für die beein-trächtigten Beschäftigten zu finden, erhöht.

Interner Workshop – Schritt 4 der individuellen Ebene - hat geholfen

In einem Fallbeispiel war zuvor eine Stundenreduzierung mit anteiliger finanzieller Beteiligung des BEM-Berechtigten vorgenommen worden, die jedoch das Grundproblem der Krankheit nicht zu lösen vermochte. Erst ein Workshop mit dem betrieblichen BEM-Berater, dem AF-Coach und dem Vorgesetzten des BEM-Berechtigten brachte dann eine tragfähige Lösung, die in der Folge noch der Unterstützung des Betriebsarz-tes bedurfte. Dieser hat die abgesprochene Maßnahme - eine Schichtverlagerung – aus ärztlicher Sicht be-fürwortet, sodass sie später auch im Kollegenkreis rund um den BEM-Berechtigten akzeptiert werden konn-te. Flankierend konnte ein betriebsärztlich organisierter Schnuppertermin bei einem Psychologen helfen, die Krankheit auch fachärztlich anzugehen, damit sich der BEM-Berechtigte mittelfristig gesundheitlich stabili-sieren kann.

Drehstuhl wurde trotz Nichtbehinderung angeschafft

Ein Arbeitsfähigkeitscoach betont in der Beschreibung seines Fallbeispiels als außergewöhnliches Ereignis, dass nur durch die Zusammenarbeit der internen Akteure erreicht werden konnte, dass ein Drehstuhl zur Arbeitserleichterung angeschafft wurde, obwohl der BEM-Berechtigte (noch) keinerlei Behinderung nach-weisen konnte. Er beschreibt dies als Ausfluss des gemeinsamen Willens der Prozessbeteiligten, alle Mög-lichkeiten auszuschöpfen, um den Kollegen wieder voll in die Arbeit zu integrieren. Die beteiligte Schwerbe-hindertenvertretung hat parallel geholfen, den entsprechenden Antrag auf Schwerbehinderung zu stellen. Darüber hinaus wurde die Arbeitszeit belastungsgerecht reduziert.

Neuer Vorgesetzter unterstützt

In einem weiteren Fall war offensichtlich der direkte Vorgesetzte eher Teil des gesundheitlichen Problems denn der betrieblichen Lösung. Es hatte im Vorfeld Kontroversen zwischen dem BEM-Berechtigten und der Leitungskraft gegeben, die als Auslöser oder zumindest Verstärker der Krankheit angesehen werden konn-ten. Mit dem Ausscheiden konnten die Wünsche der BEM-Berechtigten auf Wiedereingliederung auf dem alten Arbeitsplatz gemeinsam mit dem neuen Vorgesetzten erfolgreich umgesetzt werden. Das in dieser Phase weiter laufende Coaching sicherte den Prozesserfolg ab.

Fallbeispiele zum BEM

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Erfolgsfaktor externe Leistungen

In mehreren bearbeiteten BEM-Fällen reichten die internen Möglichkeiten der Unternehmen nicht aus, um eine er-folgreiche Eingliederung zu bewerkstelligen. Das Wissen um externe Unterstützung war dann von großer Bedeutung. Insbesondere das Integrationsamt konnte in zwei Fällen entscheidend zur Lösung beitragen. Andere externe Akteure könnten noch besser eingebunden werden, z.B. durch Abstimmung des Reha-Plans zwischen den Beteiligten. Hiermit könnte eine stufenweise Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess besser als bisher vorbereitet werden.

Ausgleich des Gehaltsverlusts

In einem Fall war es erforderlich, die BEM-Berechtigte infolge erheblicher Verschleißerscheinungen auf ei-nen körperlich weniger belastenden Arbeitsplatz zu versetzen. Dieser Arbeitsplatz war jedoch in einer nied-rigeren Gehaltsgruppe angesiedelt, sodass es eigentlich zu einem für die BEM-Berechtigte untragbaren Ge-haltsverlust gekommen wäre. Hier hat das Integrationsamt nach Besichtigung des Arbeitsplatzes im Rah-men der Hilfe in besonderen Lebenslagen mit einem Ausgleich des Gehaltsverlusts unter die Arme gegriffen. Die BEM-Berechtigte kann die neue Tätigkeit, die auf ihre verbliebenen körperlichen Ressourcen abge-stimmt wurde, sehr gut bewältigen. Sie ist mit der gefundenen Lösung zufrieden.

Unterstützung: Arbeitsassistenz

Die interne Unterstützung einer BEM-Berechtigten reichte in einem weiteren Fall durchaus weit. Sie erhielt durch interne Regelungen die Möglichkeit, mehr Ruhepausen einzulegen und zu Wochenenddiensten und Sonderschichten nicht mehr herangezogen zu werden. Die weiterhin im Rahmen der Tätigkeit anfallenden schweren Arbeiten konnten jedoch unter keinen Umständen von der BEM-Berechtigten bewältigt werden. Hier unterstützte das Integrationsamt mit einer Arbeitsassistenz. Diese wird zukünftig die körperlich stark belastenden Teilarbeiten für die BEM-Berechtigte ausführen, der Hauptteil der Tätigkeiten kann jetzt von der BEM-Berechtigten unter den neuen Rahmenbedingungen bewältigt werden.

Fallbeispiele zum BEM

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Vereinzelte „Störungen“ sind Teil des Prozesses

Nicht jeder BEM-Prozess läuft von Anfang bis Ende rund. Insbesondere mit prozessunterbrechenden neuen Krank-heitszeiten muss beim BEM ein Umgang gefunden werden. Diese Krankheitszeiten können den Verlauf zwar ins Stocken bringen, ein Abbruch wurde jedoch z.B. in nachfolgender Fallkonstellation nicht gewünscht.

Kontakt in der Krankheitsphase

Der AF-Coach und die BEM-Berechtigte befanden sich inmitten der Analyse der Arbeitsbedingungen, als die BEM-Berechtigte vor deren Abschluss erneut langzeitkrank wurde. Die Kontaktaufnahme des AF-Coach während der Krankheitsphase wurde von ihr positiv aufgenommen, obwohl sie zunächst die Weiterführung des Coachings nach der Krankheit favorisiert hatte. Es war dann in dieser Phase möglich, die aktuell als hilf-reich empfundenen Schritte zu klären. Die zwischen AF-Coach und BEM-Berechtigter abgesprochene Wie-dereingliederung mit Krankengeldbezug konnte in der Folge unter den als sinnvoll empfundenen Arbeitsbe-dingungen durchgeführt werden.

Fallbeispiele zum BEM

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Literatur

Giesert, M./Weßling, A. (2012): Betriebliches Eingliederungsmanagement in Großbetrieben. Betriebs- und Dienstver-einbarungen. Fallstudien. Frankfurt a.M.: Bund-Verlag.

Giesert, M. Danigel, C. (2011): Handlungsleitfaden für ein Betriebliches Eingliederungsmanagement. Arbeitspapier, Gesundheit und Qualität der Arbeit, Nr. 199. Düsseldorf Baumann, E. (2011): Betriebliches Gesundheitsmanagement – Wie geht man es an? In Giesert, M. (Hrsg.): Erfolg-reich führen … mit Vielfältigkeit und Partizipation der Beschäftigten. Hamburg: VSA-Verlag. S. 229-235. Giesert, M. (Hrsg.) (2011): Arbeitsfähig in die Zukunft. Willkommen im Haus der Arbeitsfähigkeit! Hamburg: VSA-Verlag.

Liebrich, A./Giesert, M./Reuter, T. (2011): Das Arbeitsfähigkeitscoaching im Betrieblichen Eingliederungsmanage-ment. In: Giesert, M. (Hrsg.): Arbeitsfähig in die Zukunft. Hamburg: VSA-Verlag, S. 81-95.

Liebrich, A./Reuter, T.: Arbeitsfähigkeitscoaching. Ein neuer Ansatz für das Betriebliche Eingliederungsmanagement. Folien zum Vortrag auf der Messe A+A 2011.

Reuter, T./Giesert, M./Liebrich, A. (2011): Der Datenschutz im Betrieblichen Eingliederungsmanagement. Ein Beispiel aus dem Projekt „Neue Wege im BEM“ In: Giesert, M. (Hrsg.): Arbeitsfähig in die Zukunft. Hamburg: VSA-Verlag, S. 173-183.

Eggerdinger, C./Giesert, M. (2007): Impulse für den Erfolg – psychische Belastungen bei der Arbeit reduzieren! Düs-seldorf: Hans-Böckler-Stiftung. (PDF, 1,4 MB)

Links

www.neue-wege-im-bem.de

http://www.hawai4u.de/

http://www.abi-nrw.de/