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1 Chronik der Ereignisse im Irak Ende Oktober 2005 – Ende Dezember 2006 24. Oktober In drei mit Sprengmaterial beladenen Autos drangen Selbstmordattentäter bis zum schwer bewachten Palestine-Hotel vor, in dem viele Journalisten und Diplomaten untergebracht sind. Bei der Detonation kamen mindestens 11 Wachleute und Passanten ums Leben. Ins- gesamt starben im Irak im Laufe des Tages bei Bombenanschlägen und Attentaten mindes- tens 40 Menschen. 25. Oktober Zweieinhalb Jahre nach dem Sturz des Saddam-Regimes hat die Mehrheit der Iraker für die neue demokratische Verfassung gestimmt. Wie die Wahlkommission in Bagdad mitteilte, votierten bei dem Referendum vor zehn Tagen landesweit rund 79 Prozent der Wähler für den Entwurf, 21 Prozent stimmten dagegen. „Unabhängig vom Ausgang war dies ein zivili- sierter Schritt, um den Irak auf den richtigen Weg zu bringen“, erklärte der Sprecher der Wahlkommission, Farid Ajar. Er wies Vorwürfe von Anhängern sunnitischer Parteien zurück, es habe grobe Unregelmäßigkeiten gegeben. Nach offiziellen Angaben des Pentagons sind 1993 US-Armeeangehörige seit Kriegsbeginn im März 2003 gefallen. Bei Anschlägen und Gefechten kamen im Irak heute über 20 Menschen ums Leben. 27. Oktober Durch ein Missverständnis sind heute im Irak 27 Menschen ums Leben gekommen. Nach Armeeangaben stürmten Angehörige von zwei Einheiten des Innenministeriums einen Vorort von Al-Madain in der Nähe von Bagdad, um eine Geisel zu befreien. Da die Sicherheitskräfte Zivilkleidung trugen, hielten die Dorfbewohner sie für Terroristen und eröffneten das Feuer. Bei weiteren Anschlägen und Gefechten kamen zudem 16 weitere Menschen, darunter US- Soldaten, irakische Sicherheitskräfte und Zivilisten, ums Leben. 28. Oktober Zu den weltweit mehr als 2200 Unternehmen, die Schmiergelder an den irakischen Ex- Diktator Saddam Hussein gezahlt haben, gehören laut dem Abschlussbericht einer Untersu- chungskommission unter dem Vorsitz des früheren US- Notenbankchefs Paul Volcker auch dutzende deutsche Firmen, darunter Siemens und DaimlerChrysler. Versagt habe dabei das Kontrollsystem der Vereinten Nationen. Kritisiert wurde das Gremium von den betroffenen Unternehmen sowie seitens der russischen Regierung. 29. Oktober Bei einem Autobombenanschlag nahe der irakischen Stadt Bakuba sind 40 Menschen getö- tet worden. Als das Fahrzeug auf einem belebten Markt in dem Dorf Howeidar detonierte, waren die Bewohner des Ortes gerade dabei, sich zum Mahl des islamischen Fastenbre- chens im Ramadan zu versammeln. Auch einheimische und amerikanische Soldaten wurden erneut Opfer von Anschlägen. In Kirkuk starben zwei Polizisten durch eine am Straßenrand gezündete Sprengladung. In Lati- fija südlich von Bagdad entdeckte die Polizei die Leichen von sieben ermordeten Irakern, darunter drei Polizisten. Ein US-Soldat kam im Norden des Landes durch eine Landmine ums Leben. Nach Polizeiangaben kamen bei einem Autobombenanschlag auf eine Patrouille in Dschuarf al-Sachr südlich von Bagdad zwei irakische Zivilisten ums Leben. In Bakuba, 60 Kilometer nordöstlich von Bagdad, wurde nach Polizeiangaben ein Anhänger des radikalen schiitischen

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Page 1: Chronik der Ereignisse im Irak - Gernot Erler...1 Chronik der Ereignisse im Irak Ende Oktober 2005 – Ende Dezember 2006 24. Oktober In drei mit Sprengmaterial beladenen Autos drangen

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Chronik der Ereignisse im Irak Ende Oktober 2005 – Ende Dezember 2006

24. Oktober In drei mit Sprengmaterial beladenen Autos drangen Selbstmordattentäter bis zum schwer bewachten Palestine-Hotel vor, in dem viele Journalisten und Diplomaten untergebracht sind. Bei der Detonation kamen mindestens 11 Wachleute und Passanten ums Leben. Ins-gesamt starben im Irak im Laufe des Tages bei Bombenanschlägen und Attentaten mindes-tens 40 Menschen. 25. Oktober Zweieinhalb Jahre nach dem Sturz des Saddam-Regimes hat die Mehrheit der Iraker für die neue demokratische Verfassung gestimmt. Wie die Wahlkommission in Bagdad mitteilte, votierten bei dem Referendum vor zehn Tagen landesweit rund 79 Prozent der Wähler für den Entwurf, 21 Prozent stimmten dagegen. „Unabhängig vom Ausgang war dies ein zivili-sierter Schritt, um den Irak auf den richtigen Weg zu bringen“, erklärte der Sprecher der Wahlkommission, Farid Ajar. Er wies Vorwürfe von Anhängern sunnitischer Parteien zurück, es habe grobe Unregelmäßigkeiten gegeben.

Nach offiziellen Angaben des Pentagons sind 1993 US-Armeeangehörige seit Kriegsbeginn im März 2003 gefallen.

Bei Anschlägen und Gefechten kamen im Irak heute über 20 Menschen ums Leben. 27. Oktober Durch ein Missverständnis sind heute im Irak 27 Menschen ums Leben gekommen. Nach Armeeangaben stürmten Angehörige von zwei Einheiten des Innenministeriums einen Vorort von Al-Madain in der Nähe von Bagdad, um eine Geisel zu befreien. Da die Sicherheitskräfte Zivilkleidung trugen, hielten die Dorfbewohner sie für Terroristen und eröffneten das Feuer. Bei weiteren Anschlägen und Gefechten kamen zudem 16 weitere Menschen, darunter US-Soldaten, irakische Sicherheitskräfte und Zivilisten, ums Leben. 28. Oktober Zu den weltweit mehr als 2200 Unternehmen, die Schmiergelder an den irakischen Ex-Diktator Saddam Hussein gezahlt haben, gehören laut dem Abschlussbericht einer Untersu-chungskommission unter dem Vorsitz des früheren US- Notenbankchefs Paul Volcker auch dutzende deutsche Firmen, darunter Siemens und DaimlerChrysler. Versagt habe dabei das Kontrollsystem der Vereinten Nationen. Kritisiert wurde das Gremium von den betroffenen Unternehmen sowie seitens der russischen Regierung. 29. Oktober Bei einem Autobombenanschlag nahe der irakischen Stadt Bakuba sind 40 Menschen getö-tet worden. Als das Fahrzeug auf einem belebten Markt in dem Dorf Howeidar detonierte, waren die Bewohner des Ortes gerade dabei, sich zum Mahl des islamischen Fastenbre-chens im Ramadan zu versammeln.

Auch einheimische und amerikanische Soldaten wurden erneut Opfer von Anschlägen. In Kirkuk starben zwei Polizisten durch eine am Straßenrand gezündete Sprengladung. In Lati-fija südlich von Bagdad entdeckte die Polizei die Leichen von sieben ermordeten Irakern, darunter drei Polizisten. Ein US-Soldat kam im Norden des Landes durch eine Landmine ums Leben.

Nach Polizeiangaben kamen bei einem Autobombenanschlag auf eine Patrouille in Dschuarf al-Sachr südlich von Bagdad zwei irakische Zivilisten ums Leben. In Bakuba, 60 Kilometer nordöstlich von Bagdad, wurde nach Polizeiangaben ein Anhänger des radikalen schiitischen

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Predigers Muktada al-Sadr von Unbekannten erschossen. Dort griffen Aufständische auch einen Kontrollpunkt der irakischen Armee an und verwundeten sieben Soldaten. 30. Oktober Bei den Anschlägen der Aufständischen im Irak sind nach Schätzungen des Pentagons seit Januar 2004 rund 28.000 Iraker getötet oder verletzt worden. Zuletzt wurden vom 29. August bis 16. September durchschnittlich 64 Iraker täglich bei Anschlägen getötet oder verwundet. 31. Oktober Mit 90 Toten allein im Monat Oktober hat die US-Armee im Irak die höchsten Verluste seit Januar erlitten. Bei neuen Anschlägen kamen heute sechs amerikanische Soldaten ums Le-ben. In Basra im Süden des Landes explodierte am Abend eine Autobombe in einem beleb-ten Geschäftsviertel, 20 Menschen starben, wie der britische Sender Sky News berichtete. Wie das US-Militär mitteilte, starben vier amerikanische Patrouillensoldaten bei einem Bom-benanschlag südwestlich von Bagdad. Zwei weitere Amerikaner seien bei einer Explosion im Norden des Irak getötet worden. Unterdessen griff die US-Luftwaffe Stellungen mutmaßlicher Extremisten in der Nähe von Al-Kaim im Westirak an. Dabei starben nach Angaben örtlicher Krankenhausärzte mindestens 27 Zivilisten, darunter sieben Kinder. 2. November Sechs Wochen vor der geplanten Parlamentswahl beginnen sich die irakischen Politiker zu positionieren. Der wegen seiner früheren engen Kontakte zum Pentagon umstrittene Vize-Regierungschef Ahmed Chalabi verließ die von islamischen Parteien dominierte Schiiten-Allianz. Zugleich kündigte der in einen Korruptionsskandal verwickelte frühere Verteidi-gungsminister Hasim Schaalan seine Rückkehr aus dem Exil an, um bei den Wahlen zu kandidieren. Chalabi erklärte, er wolle sich vor der für den 15. Dezember geplanten Parlamentswahl mit der Monarchie-Bewegung verbünden. Chalabi präsentiert sich genau wie auch der schiiti-sche Ex-Übergangsregierungschef Ijad Allawi als säkulare Alternative zu der Schiiten-Allianz. Der Allianz hatte sich kürzlich auch die radikale Bewegung des jungen Schiiten- Pre-digers Muktada al-Sadr angeschlossen. Für die Wahl haben bereits drei sunnitische Grup-pen ein Bündnis geschlossen. Auch die wichtigsten Kurden-Parteien treten gemeinsam an. Unterdessen setzte das US-Militär eine Offensive an der Grenze zu Syrien fort. Dabei seien mindestens sechs „Terroristen“ getötet worden, teilte das US-Militär mit. Die Häuser seien Zufluchtstätten von Terroristen gewesen.

Bei einem Hubschrauberabsturz nahe Ramadi 110 Kilometer westlich von Bagdad starben zwei US-Soldaten. 3. November Der irakische Diktator Saddam Hussein soll CNN zufolge wenige Tage vor dem Einmarsch der Amerikaner im März 2003 „im Prinzip“ bereit gewesen sein, ins Exil zu gehen. Das An-gebot sollte auf einem Sondergipfel der Arabischen Liga debattiert werden, da Saddam in-ternationale Garantien und die Zustimmung der Liga verlangt habe. Die Gipfelteilnehmer seien aber von dem kurzfristig auf die Agenda gesetzten Vorschlag überrascht worden und hätten ihn nicht weiter verfolgt. Unterdessen ging die Gewalt im Irak weiter. Die Terrorgruppe El Kaida des Jordaniers Abu Mussab al-Sarkawi drohte mit der „baldigen“ Hinrichtung von zwei marokkanischen Geiseln, die am 20. Oktober entführt worden waren. Die beiden Marokkaner hatten als Fahrer und Mechaniker der diplomatischen Vertretung Marokkos gearbeitet.

Das US-Militär gab heute den Tod von zwei amerikanischen Soldaten bekannt. Sie seien am Vortag bei Attacken getötet worden. Bei einem Angriff auf einen Kleinbus südlich von Bag-dad starben drei Iraker.

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Die USA fordern eine Verlängerung des UN-Mandats für die US-geführten Koalitionstruppen im Irak um ein weiteres Jahr. Bislang musste das Mandat alle sechs Monate erneuert wer-den. In ihrem Entwurf betont die US-Regierung, das neue Mandat solle nach acht Monaten überprüft werden und noch früher beendet werden, falls die irakische Regierung dies verlan-ge. Der irakische Ministerpräsident Ibrahim al Dschaafari hat jedoch den UN-Sicherheitsrat in einem Schreiben vom 31. Oktober ausdrücklich darum gebeten, das am 15. Dezember aus-laufende Mandat der Koalitionstruppen um ein volles Jahr zu verlängern. Im Irak sind derzeit 157.000 Soldaten aus den USA und 22.000 aus anderen Staaten stationiert 4. November Bei Angriffen von Aufständischen im Irak sind heute mindestens 14 Menschen getötet wor-den, darunter zwei Zivilisten. Bei Bakuba attackierten Aufständische ein Gebäude einer Sondereinheit des Innenministeri-ums mit Schusswaffen und Mörsern. Dabei kamen sieben Mitglieder der Sondereinheit ums Leben. Südlich von Kirkuk starben fünf Polizisten bei der Explosion eines Sprengsatzes.

In Bagdads südlichem Vorort Al-Dura kamen durch einen Sprengsatz, der an einer Haupt-straße explodierte, zwei irakische Zivilisten ums Leben. Acht Iraker wurden nach Angaben eines Arztes verletzt.

Unterdessen forderte der irakische Ableger der Terrororganisation El Kaida, der sich schon mehrfach zur Ermordung ausländischer Geiseln bekannt hat, alle Mitarbeiter diplomatischer Vertretungen zur Ausreise auf. Die Gruppe des Jordaniers Abu Mussab al-Sarkawi erklärte, sie unterscheide nicht zwischen Diplomaten und einfachen Angestellten der ausländischen Vertretungen in Bagdad. 5. November Rund 3500 US- und irakische Soldaten haben heute mit einer der größten Militäroffensiven dieses Jahres im Westen des Iraks begonnen. Nach Angaben des Militärs sollten die Sicher-heit an der Grenze zu Syrien wieder hergestellt und das regionale Netz der Extremistenor-ganisation Al-Kaida zerstört werden. Dabei soll es zu Zusammenstößen zwischen Aufständi-schen und Soldaten in der Grenzstadt Kusajba gekommen sein. Eine der wichtigsten Partei-en der sunnitischen Iraker - der Nationale Dialog - verurteilte die Offensive. 6. November Wirtschaftsprüfer im Auftrag der Vereinten Nationen haben die USA aufgefordert, der iraki-schen Regierung einen Betrag von umgerechnet ca. 176 Millionen Euro für zu teuer in Rechnung gestellte Arbeit zurückzuzahlen. Es handelt sich um Aufträge, die die US-Regierung in der Besatzungszeit des Irak an US-Firmen vergab, die aber mit irakischen Öl-einnahmen finanziert wurden. Die Sprecherin einer der betroffenen Firmen wies den Vorwurf zurück. 7. November Bei einem Selbstmordanschlag im Irak sind heute vier US-Soldaten an einem Kontrollpunkt südlich von Bagdad einem Angriff Aufständischer zum Opfer gefallen. Zuvor waren in Bag-dad bereits bei einem Selbstmordanschlag neun Menschen getötet worden, darunter 6 Zivi-listen.

Wie das US-Militär weiter bekannt gab, wurde gegen fünf US-Soldaten Anklage wegen der Misshandlung irakischer Häftlinge erhoben. Die Soldaten sollen Anfang September drei Ge-fangene auf dem Weg in ein Militärgefängnis mit Faustschlägen und Fußtritten traktiert ha-ben. Bei ihrer Militäraktion gegen Aufständische im Westirak haben die US-Truppen am Wochen-ende nach eigenen Angaben mindestens 17 Kämpfer getötet. Auch ein US-Soldat sei bei den Gefechten ums Leben gekommen.

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In Kirkuk starben heute nach Polizeiangaben zwei Angehörige der Schutztruppe für die Ölan-lagen, als sich ein Selbstmordattentäter mit einer Autobombe in die Luft sprengte. In Al-Asisija, 80 Kilometer südlich von Bagdad, fand die irakische Polizei die Leiche einer Lehrerin. Die Frau war zwei Tage zuvor von Unbekannten entführt worden. 8. November Der UN-Sicherheitsrat hat das Mandat der US-geführten Truppen im Irak für ein Jahr verlän-gert. Eine entsprechende Resolution wurde heute vom höchsten UN-Gremium in New York einstimmig angenommen. Der irakische Ministerpräsident Ibrahim Al-Dschafari hatte am 31. Oktober gebeten, die Truppen noch ein Jahr im Land zu lassen. Nach Einschätzungen des irakischen Übergangspräsidenten Talabani können die irakischen Streitkräfte frühestens 2006 „schrittweise beginnen“, die internationale Präsenz zu ersetzen. Im Prozess gegen den gestürzten irakischen Herrscher Saddam Hussein und sieben seiner früheren Getreuen wurde heute in Bagdad der Verteidiger Adel el-Subaidi getötet.

Seit Beginn der jüngsten Militäroffensive gegen Aufständische im Westirak wurden nach An-gaben der US-Armee 36 Kämpfer getötet. Bei einem Anschlag bei Bakuba starben vier iraki-sche Soldaten. In Bagdad tötete ein Selbstmordattentäter vier Zivilisten. In Basra wurden ein Polizeichef und sein Bruder ermordet.

Die EU-Kommission beschloss, im Irak eine offizielle Vertretung zu eröffnen. Nach Angaben der Kommission will die EU mit der Vertretung in Bagdad ihre Unterstützung für „den neuen Irak“ bekunden. 10. November Bei zwei Bombenanschlägen auf Sicherheitskräfte sind in Bagdad und Tikrit mindestens 45 Menschen getötet worden. Irakische Soldaten entdeckten unterdessen im Landessüden in der Grenzregion zum Iran 27 gefesselte Leichen. Die Menschen seien vermutlich erschos-sen worden, teilten Armeevertreter mit. Der britische Außenminister Jack Straw und Iraks Regierungschef Ibrahim Dschaafari for-derten Syrien bei einem Treffen in Bagdad auf, mehr gegen ein Einsickern von ausländi-schen Kämpfern zu unternehmen. Syrien ist Iraks westliches Nachbarland und wird seit län-gerem von der Regierung in Bagdad gedrängt, seine Ostgrenze besser zu sichern. 11. November US-Außenministerin Condoleezza Rice hat heute bei einem Überraschungsbesuch im Irak das zerstrittene Land gut einen Monat vor den Parlamentswahlen zur Einheit gemahnt: „Un-terschiede können eher zur Stärke als zum Nachteil gereichen.“ Alle seien aufgerufen, ein Land zu schaffen, in dem sich auch alle geborgen fühlten. Die US-Truppen würden so lange im Irak bleiben, wie sie dort gebraucht würden. Auch der neue polnische Verteidigungsminister Radoslaw Sikorski traf im Irak ein. Er sagte vor dort stationierten polnischen Soldaten, sie müssten sich womöglich auf weitere Monate Militärdienst in dem Golfstaat einstellen. Polen beteiligt sich mit rund 1700 Soldaten an der von den USA geführten militärischen Koalition. 12./13. November Im so genannten Todesdreieck südlich von Bagdad hat die Polizei am Wochenende die Lei-chen von 37 ermordeten Zivilisten entdeckt. Wie die Polizei berichtete, seien die Getöteten an zwei Orten in der Nähe von Al-Kut von Terroristen gefesselt und erschossen worden. UN-Generalsekretär Kofi Annan hat unterdessen erstmals seit dem Sturz des Saddam-Re-gimes vor zweieinhalb Jahren den Irak besucht und dabei die Initiative der Arabischen Liga für eine Irak-Versöhnungskonferenz begrüßt. Sein Treffen mit Regierungschef Ibrahim al-Dschafari wurde von einer neuen Welle der Gewalt überschattet, die zehn irakische und drei amerikanische Todesopfer verlangte.

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14. November Bei Anschlägen und einer Offensive US-geführter Kräfte sind heute im Irak fast 50 Men-schen getötet worden. Zwölf Menschen kamen bei Attentaten ums Leben. Das US-Militär tötete eigenen Angaben zufolge 37 Aufständische bei Luftangriffen auf eine Widerstands-hochburg an der Grenze zu Syrien. 15. November In einem Gebäude des irakischen Innenministeriums sind mehr als 160 Häftlinge entdeckt worden, von denen einige deutliche Folterspuren aufwiesen. Regierungschef Ibrahim al- Dschafari versprach Angaben zufolge eine Untersuchung der Vorfälle in dem geheimen Ge-fängnis.

Zwei 35 und 37 Jahre alte Iraker berichteten der „Washington Post“, sie seien im Jahr 2003 als Häftlinge brutal geschlagen, in einen Käfig mit Löwen gesperrt und erniedrigt worden. So hätten sie beispielsweise an einer Scheinexekution teilnehmen müssen.

Nach den Worten von Rumsfeld wird die Truppenstärke im Irak von derzeit 155 000 bis 160 000 Soldaten vor der irakischen Parlamentswahl am 15. Dezember nicht verringert. Sie liege über dem geplanten Stand von 138 000 US-Soldaten. Einen Zeitplan für den Abzug der Truppen aus dem Irak lehnte Rumsfeld erneut ab. Der US-Senat forderte inzwischen ange-sichts von mehr als 2000 gefallenen Soldaten und wachsenden Kriegskosten vom Weißen Haus erstmals regelmäßige Berichte über den Militäreinsatz im Irak.

Unterdessen gab das US-Militär heute bekannt, bei den schwersten Kämpfen seit Beginn der jüngsten Militär-Offensive im Westen des Irak seien mindestens 80 Aufständische getötet worden.

Ein Bericht der Vereinten Nationen wirft den amerikanischen und irakischen Truppen vor, bei ihren Militäroperationen im Westirak gegen das Völkerrecht verstoßen zu haben. Weiteren Angaben zufolge seien seit der Invasion im März 2003 bis zu 30.000 Zivilpersonen im Irak ums Leben. 16. November Das US-Verteidigungsministerium hat den Einsatz von weißem Phosphor im Irak bestätigt. Ein Pentagonsprecher bestritt jedoch am gestrigen Abend in der BBC, dass das Gift im No-vember 2004 in der Stadt Falludscha gegen Zivilisten eingesetzt worden sei. „Weißer Phospor ist eine konventionelle Munition, keine chemische Waffe“, sagte Oberstleutnant Bar-ry Venable. Die Chemikalie diene „in erster Linie als Verdunkler, für Rauchvorhänge oder zur Markierung von Zielen“. „Aber es ist eine Brandwaffe und kann gegen feindliche Kämpfer eingesetzt werden“, fügte er hinzu. Bei Menschen kann der Kontakt mit dem Gift Verbrennungen und Schäden an Lunge, Leber, Herz, Nieren oder Knochen auslösen, die tödlich sein können. US-Soldaten fanden nach irakischen Regierungsangaben bei einer Razzia in einem Gebäu-de des Innenministeriums vor drei Tagen 173 nicht registrierte Gefangene. Einige Häftlinge hätten berichtet, in der Haft misshandelt worden zu sein, sagte Ministerpräsident Ibrahim Dschaafari, der eine Sonderkommission mit einer Untersuchung beauftragte. Die meisten Häftlinge gehörten demnach zur sunnitischen Bevölkerungsminderheit.

In Bagdad und westlich der irakischen Hauptstadt wurden gestern vier US-Soldaten getötet. 22. November Der Irak droht einer Studie zufolge Milliardensummen bei der Erdölförderung zu verlieren. Entwicklungshilfegruppen und Wissenschaftler warnten den Golfstaat davor, mit internationa-len Ölkonzernen so genannte „Vereinbarungen über die Produktionsteilung“ (PSA) einzuge-hen, die dem Golfstaat Einbußen von bis zu 194 Milliarden Dollar bescheren könnten. Ver-einbarungen dieser Art sind bei der Ölindustrie sehr beliebt und sichern den Unternehmen

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große Gewinne für ihre Investitionen. Die Autoren der Studie schlagen stattdessen vor, dass die irakische Regierung selbst in die Erschließung der Ölfelder investiert. Dazu solle das Land Kredite bei Banken oder multinationalen Einrichtungen aufnehmen oder flexiblere Ver-einbarungen abschließen. Der Irak verfügt über die drittgrößten Erdölreserven nach Saudi-Arabien und dem Iran.

Auf einem Markt der nordirakischen Stadt Kirkuk hat sich heute Abend ein Selbstmord-attentäter in die Luft gesprengt und 17 Menschen mit in den Tod gerissen. Stunden zuvor war an einer Straßensperre in Kirkuk ein Selbstmordattentat verübt worden, bei dem fünf Polizisten zum Teil lebensgefährlich verletzt wurden.

Der sunnitische Rat der Religionsgelehrten, der mit den Aufständischen sympathisiert, und ein bekannter schiitischer Geistlicher erklärten vor der Presse in Kairo, der Widerstand ge-gen die ausländischen Truppen im Irak erhalte immer mehr Zuspruch. Der Vorsitzende des Sunniten-Rates, Scheich Harith al-Dhari, sagte: „Die Position der Gegner der Besatzung ist deutlich geworden, sie stehen auf der Seite derjenigen, die die Interessen des Iraks vertre-ten, sie wollen Sicherheit für den Irak und für die Region.“ 23. November Nach tagelanger Kritik an der Irak-Politik und wachsenden Forderungen nach ei-nem Truppenabzug hat die US-Regierung erstmals konkret eine Truppenreduzierung in Aus-sicht gestellt. „So, wie die Sache läuft, kann ich mit nicht vorstellen, dass wir die Trup-penzahlen, die jetzt im Irak sind sind, noch sehr lange brauchen werden“, sagte Außenminis-terin Condoleezza Rice in einem gestern Abend ausgestrahlten Interview mit dem Sender CNN. Die Regierung hatte einen Zeitplan für eine Truppenreduzierung bisher abgelehnt. Bei einer Großrazzia der amerikanischen und irakischen Truppen südlich von Bagdad wur-den nach Angaben der irakischen Armee vier bewaffnete Aufständisch getötet. Die Soldaten nahmen 13 Kämpfer gefangen, darunter einen Sudanesen. 24. November Bei einem Selbstmordanschlag vor einem Krankenhaus in der irakischen Stadt Mahmudija, die südlich von Bagdad im sogenannten Todesdreieck liegt, sind heute mindestens 32 Men-schen getötet worden. Etwa 25 weitere Iraker wurden nach Angaben von Krankenhausärzten durch die Explosion verletzt. Bei einem Autobombenanschlag Hilla kamen am Abend min-destens vier Menschen ums Leben und etwa 13 erlitten Verletzungen. In der Nähe der Nachbarstadt Latifija starben drei irakische Soldaten, als ein Sprengsatz neben ihrer Patrouille explodierte.

Im Zentralirak starb ein Mädchen, als eine Sprengladung explodierte, die es bei Spielen ge-funden hatte und polnischen Soldaten bringen wollte, die in der Gegend stationiert sind. Nach Angaben der polnischen Nachrichtenagentur PAP wurden drei Soldaten leicht verletzt.

Die US-Armee teilte mit, im Großraum Bagdad seien am Vortag drei ihrer Soldaten von Auf-ständischen erschossen worden. In Tikrit töteten drei Bewaffnete einen Angehörigen der turkmenischen Minderheit, der als Ingenieur für das Bürgermeisteramt arbeitete. Bei zwei weiteren Anschlägen in der gleichen Provinz starben ein irakischer Polizist und ein Zivilist.

Nach Angaben einer syrischen Menschenrechtsorganisation kam es am heutigen Morgen an der irakisch-syrischen Grenze zu einem militärischen Zusammenstoß zwischen Soldaten der USA und Syriens. Dabei seien drei Syrer getötet und 12 US-Soldaten verwundet oder getötet worden. 25. November Sicherheitskräfte des Innenministeriums haben in Bagdad zahlreiche mutmaßliche Terroris-ten festgenommen, unter ihnen auch zwei ihrer Kollegen. Die Terroristen sollen Morde, Ent-führungen und Sprengstoffanschläge begangen haben.

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In der Sunniten-Enklave Howeidscha bei Kirkuk töteten Extremisten in der Nacht auf heute vier irakische Soldaten und zwei Zivilisten. 26. November In Rom zeigten Bundesaußenminister Steinmeier und sein italienischer Amtskollege Fini partnerschaftliches Verständnis bei strittigen Themen wie etwa der Irak-Politik. Die italieni-sche Haltung in der Irak-Frage ist derzeit etwas unklar. Rom verwirrt die Amerikaner und andere Verbündete während des italienischen Vorwahlkampfs mit gleichzeitigen Bekenntnis-sen zum italienischen Engagement im weltweiten Antiterrorkampf einerseits und immer neu-en Äußerungen über einen möglichst raschen Rückzug der italienischen Soldaten aus dem Irak andererseits. 29. November Das Verfahren gegen den irakischen Ex-Diktator Saddam Hussein wurde in dieser Woche kurzfristig unterbrochen, da mehrere Anwälte aus Furcht vor Anschlägen nicht vor Gericht erscheinen. 1. Dezember Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Forderungen der Entführer von Susanne Osthoff im Irak zurückgewiesen und die Deutschen aufgefordert, diese Herausforderung gemeinsam zu bestehen. 2. Dezember Der Krisenstab im Auswärtigen Amt will umgehend mit den Entführern der 43 Jahre alten Deutschen Susanne Osthoff Kontakt aufnehmen. Die Archäologin war vergangene Woche im Irak verschleppt worden. Bundesaußenminister Steinmeier zufolge geht es nun darum, auf wen die Bundesregierung im Irak zugehen kann und wem sie zutraut, am ehesten Kon-takt zu den Entführergruppen aufzubauen. 3. Dezember Das US-Militär hat einem Medienbericht zufolge irakische Zeitungen dafür bezahlt, von einer US-Sondereinheit verfasste pro-amerikanische Artikel abzudrucken. Die so genannte Infor-mation Operations Task Force habe zudem eine irakische Zeitung gekauft und die Leitung eines Hörfunksenders übernommen, berichtet die Los Angeles Times. Ein Sprecher der US-Armee in Bagdad dementierte den Bericht nicht. 4. Dezember Ein Bericht der Washington Post enthüllt, dass die rot-grüne Bundesregierung von der irrtüm-lichen Entführung des Deutschen Khaled el-Masri durch die CIA im Jahr 2003 gewusst hat. Der US-Geheimdienst hatte Masri verdächtigt, Verbindungen zum Terrornetzwerk al-Qaida gehabt zu haben. Masri soll deshalb fünf Monate lang in Afghanistan verhört und misshan-delt worden sein. 6. Dezember Von der vor zehn Tagen im Irak entführten Deutschen Susanne Osthoff und ihrem irakischen Fahrer fehlt weiterhin jede Spur. Trotz intensiver Bemühungen ist es bislang nicht gelungen, ein Lebenszeichen zu erhalten. Beim Auswärtigen Amt seien zahlreiche Hinweise auf den Aufenthaltsort der Archäologin eingegangen, die sich jedoch teilweise widersprächen, hieß es. 7. Dezember Der frühere Kanzler Gerhard Schröder hat sich im arabischen Fernsehen an die Entführer der im Irak verschleppten Deutschen Susanne Osthoff gewandt und die Freilassung der Wissenschaftlerin verlangt. 12. Dezember

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Auch mehr als zwei Wochen nach ihrer Verschleppung gibt es kein Lebenszeichen von Su-sanne Osthoff. Appelle der verschiedensten Seiten an die Entführer der 43-jährigen Archäo-login verhallten bislang ungehört. Die Entführer fordern von der Bundesregierung, die Zu-sammenarbeit mit dem Irak einzustellen. 13. Dezember In einem Untersuchungsgefängnis des irakischen Innenministeriums in Bagdad sind nach einem Bericht der Washington Post erneut Gefangene misshandelt und gefoltert worden. Die 13 Häftlinge hätten so ernsthafte Verletzungen davongetragen, dass eine medizinische Be-handlung notwendig geworden sei, berichtete die Zeitung gestern unter Berufung auf iraki-sche und US-Vertreter. Der irakische Regierungssprecher Laith Kubba wollte die Vorwürfe nicht kommentieren, stellte aber eine Untersuchung in Aussicht. Nach Angaben des Blattes ist es bereits das zweite Mal innerhalb eines Monats, dass irakische und US-Vertreter Fälle von Gefangenenmissbrauch bestätigt haben. Im Irak sind nach den Worten von US-Präsident George W. Bush seit Kriegsbeginn im März 2003 etwa 30 000 Iraker getötet worden. 14. Dezember In Deutschland lebende Iraker können in München, Köln, Mannheim und Berlin während die-ser Woche ihre Stimme zur Parlamentswahl im Irak abgeben. Die Abstimmung gilt als wichti-ger Schritt auf dem Weg zur Stabilisierung des momentan durch fast täglich stattfindende Attentate zerrütteten Landes. 15. Dezember 15 Millionen Iraker sind heute an die Urnen gerufen, um ein Parlament zu bestimmen. Am 30. Januar wählten sie provisorische Abgeordnete, am 15. Oktober stimmten sie einer neuen Verfassung zu. Die 275 Volksvertreter sollen vier Jahre lang die Geschicke des Landes bestimmen. Fünf große politische Gruppierungen bewerben sich. Die bedeutendste ist die „Vereinigte Irakische Allianz“, bekannt als „Schiitische Liste“. Zu dieser Allianz gehören die Dawa-Partei (Islamischer Ruf) von Ministerpräsident Ibrahim al-Dschaafari und das „Hö-here Komitee für die Islamische Revolution im Irak“ von Abdel Asis al-Hakim. Diese schiiti-sche Liste bekam im Januar 48 Prozent der Stimmen. Unterstützt wurde sie vom Großayatol-lah Ali al-Sistani. Eine Konstante in den irakischen Wahlen dürfte die „Kurdische Allianz“ sein - der Zusammenschluss der beiden großen kurdischen Parteien von Masud Barzani und Dschalal Talabanl. Kurden stellen zwanzig Prozent der Bevölkerung. 16. Dezember Unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen haben die Iraker erstmals seit dem Sturz von Sad-dam Hussein ein Parlament für eine volle vierjährige Legislaturperiode gewählt. Etwa 15.000 irakische Soldaten und Polizisten und ebenso viele US-Soldaten waren im Einsatz, um An-schläge zu verhindern. Trotzdem wurden bei mehreren Gewalttaten mindestens zwei Men-schen getötet und neun weitere verletzt. 18. Dezember Die deutsche Archäologin Susanne Osthoff, die sich 23 Tage lang in der Hand irakischer Geiselnehmer befand, ist heute frei gelassen worden. Das Bundesaußenministerium nannte keine Einzelheiten der Befreiung. Sicherheitskreise gingen davon aus, dass die Entführung von dem sunnitischen Duleimi-Stamm organisiert wurde. 19. Dezember US-Vizepräsident Dick Cheney hat heute überraschend den Irak besucht. Während seines achtstündigen Aufenthaltes traf er sowohl Ministerpräsident Ibrahim al-Dschaafari als auch Präsident Dschalal Talabani. Er würdigte die demokratischen Fortschritte und den Verlauf der Wahlen von vergangener Woche. Daneben sprach Cheney mit Führungskräften der US-Armee im Irak. Es war die erste Reise des Vizepräsidenten in den Golfstaat nach der Invasi-

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on 2003. Der enge Vertraute des amerikanischen Präsidenten Bush war während des Golf-kriegs 1991 als Verteidigungsminister zuständig für den Militäreinsatz der USA gegen den Angriff der irakischen Truppen auf Kuwait und gilt als einer der stärksten Befürworter des Irakkriegs. 20. Dezember Bei der irakischen Parlamentswahl zeichnet sich ein Sieg der regierenden Schiiten-Allianz ab. Das zeigen erste Ergebnisse, die die Wahlkommission gestern veröffentlichte. Demnach gewann die Vereinigte Irakische Allianz in Bagdad 58 Prozent der Stimmen. Die sunnitisch geführte Irakische Front der Übereinstimmung steht mit 19 Prozent an zweiter Stelle. 14 Pro-zent der Wähler hätten sich für die säkulare Irakische Nationale Liste von Ex-Ministerpräsident Ijad Allawi entschieden, hieß es weiter. Die Daten beruhten auf der Aus-zählung von 89 Prozent der Stimmen in der Hauptstadt. In neun anderen Regionen konnten sich offenbar die schiitische Allianz und ihr Partner, das Kurdische Bündnis, durchsetzen. Endergebnisse werden in zwei Wochen erwartet. 22. Dezember Der frühere irakische Diktator Saddam Hussein hat den Boykott seines eigenen Gerichtsver-fahrens aufgegeben. Der angeklagte Ex-Staatschef nahm gestern in Bagdad wieder an dem Prozess teil. Saddam und seine sieben Mitangeklagten, allesamt Funktionäre des von der US-geführten Koalition gestürzten Regimes, werden des Mordes, der Folter, des Völker-mords und anderer Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschuldigt.

Der britische Premierminister Blair, der amerikanische Verteidigungsminister Rumsfeld und der polnische Ministerpräsident Marcinkiewicz waren heute jeweils zu Besuchen ihrer Sol-daten im Irak eingetroffen. Blair stellte einen Abzug der britischen Truppen vom Sommer 2006 an in Aussicht. Zurzeit sind im Irak etwa 8 000 britische Soldaten stationiert. Rumsfeld hatte bei einem vorherigen Besuch in Afghanistan gesagt, der „Sieg“ im Irak werde erreicht sein, wenn die irakischen Sicherheitskräfte „kompetent genug“ seien, um den Abzug der Truppen zu ermöglichen. Marcinkiewicz traf in Bagdad mit Ministerpräsident Dschaafari und Präsident Talabani zusammen.

35 politische Gruppierungen im Irak haben unterdessen heute das bisher vorliegende Teiler-gebnis der Parlamentswahl vom 15. Dezember als „gefälscht“ zurückgewiesen und die Ein-richtung eines internationalen Untersuchungsausschusses gefordert. 24. Dezember Rund 10 000 Mann will der US-Verteidigungsminister Anfang 2006 aus dem Irak abziehen. Auch der britische Regierungschef kündigte an, er wolle ein paar tausend Soldaten aus dem Süden des Irak ins ebenfalls unruhige Afghanistan verlegen. 25./26. Dezember Acht Tage nach ihrer Freilassung aus Geiselhaft im Irak hat sich die deutsche Archäologin Susanne Osthoff erstmals öffentlich zu ihrer Gefangenschaft geäußert. In einen vom arabi-schen Fernsehsender Al Dschasira ausgestrahlten Interview sagte die 43-Jährige, sie sei von ihren Entführern gut behandelt worden. Die Kidnapper hätten kein Geld gewollt, sondern die Förderung humanitärer Projekte wie etwa den Bau von Schulen oder Krankenhäusern in den sunnitischen Regionen des Iraks. 27. Dezember Die letzten ukrainischen Soldaten haben heute den Irak verlassen. Wie das Verteidi-gungsministerium in Kiew am Abend mitteilte, trafen die 44 Soldaten in einem Hafen in Ku-wait ein, von wo aus sie in ihre Heimat zurückkehren sollten. Rund 900 Soldaten waren mehr als zwei Jahre im Irak stationiert; dabei wurden insgesamt 18 Ukrainer getötet. Auch die bul-garischen Soldaten der multinationalen Streitkräfte im Irak schlossen ihren Abzug ab.

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28. Dezember Der irakische Präsident Dschalal Talabani will morgen mit dem Führer der konservativen Schiiten sprechen und versuchen, den Streit um das Ergebnis der Parlamentswahl zu schlichten. Talabani will den Vorsitzenden der größten Schiitenpartei SCIRI, Abdel Asis Ha-kim, in Suleimanijah in der gleichnamigen kurdischen Provinz im Nordirak treffen, wie es in kurdischen Politikerkreisen hieß. 29. Dezember Die Vereinten Nationen haben die Entscheidung der Internationalen Mission für die iraki-schen Wahlen (IMIE) begrüßt, zur Überprüfung des umstrittenen Wahlergebnisses vier Ex-perten nach Bagdad zu schicken. Die IMIE hatte dies heute angekündigt, nachdem die iraki-sche Wahlkommission internationale Organisationen ausdrücklich zu einer Überprüfung ihrer Arbeit eingeladen hatte. UN-Generalsekretär Annan habe die Wahlkommission zu diesem Schritt ermutigt, teilte sein Sprecher in New York mit. Die Extremistenorganisation Al-Kaida hat sich im Internet zur Entführung von fünf Angehöri-gen der sudanesischen Botschaft bekannt. In einem Video auf einer häufig von Al-Kaida ge-nutzten Webseite forderte die Gruppe um den Jordanier Abu Mussab al-Sarkaui den Sudan auf, innerhalb von 48 Stunden alle Beziehungen zur Regierung in Bagdad abzubrechen. 30. Dezember Vertreter der sunnitischen Minderheit im Irak haben die geplante Wahlprüfung durch interna-tionale Experten begrüßt. Schiitische und kurdische Spitzenpolitiker hatten kürzlich Beratun-gen über eine künftige irakische Regierung begonnen. Die beiden politischen Lager verstän-digten sich darauf, auch die Sunniten und andere Parteien an einer breiten Re-gierungskoalition zu beteiligen. Die Sunniten hatten unter dem gestürzten Machthaber Sad-dam Hussein weitgehend die Kontrolle über das Land. US-Präsident George W. Bush hat in seiner Neujahrsbotschaft weiter Unterstützung für die „jungen Demokratien“ in Afghanistan und im Irak versprochen. „Amerika wird weiter die Grundlagen für den Frieden für unsere Kinder und Enkel legen“, hieß es der Stellungnahme, die heute veröffentlicht wurde. 31. Dezember Im Irak sind heute bei einem Bombenanschlag auf die Zentrale der Sunnitischen Islamischen Partei mindestens fünf Menschen getötet worden. Zwei weitere Menschen wurden nach An-gaben vom Augenzeugen bei der Explosion in dem Ort Chalis nördlich von Bagdad verletzt. Im Zentrum von Bagdad starben zwei Polizisten, als ein am Straßenrand versteckter Spreng-satz detonierte. Sechs weitere Menschen seien verletzt worden. Bei der Explosion eines zweiten an einer Straße versteckten Sprengsatzes einem Viertel im Süden der Stadt wurden zwei Polizisten verletzt.

2006

1. Januar Nahe der irakischen Ölstadt Kirkuk haben Sicherheitskräfte vier Demonstranten erschossen, die gegen den jüngsten Benzinpreis-Anstieg protestiert haben. Der Irak hat trotz seiner e-normen Ölreserven Schwierigkeiten mit der Energieversorgung im eigenen Land, was auf den Krieg und die anhaltenden Unruhen zurückgeführt wird. Ein vor fünf Monaten im Irak entführter zyprischer Bürger ist von seinen Entführern freige-lassen worden. Der 41-jährige Garabet Jekerjian hatte für eine zyprische Lebensmittel-Firma gearbeitet.

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2. Januar Der irakische Ölminister IbrahimBahr al-Ulum hat seinen Rücktritt eingereicht. Er begründete seine Entscheidung mit seinem Widerstand gegen die drastischen Preiserhöhungen auf Kraftstoff, die die Regierung - wie vom Internationalen Währungsfonds (IWF) gefordert - an-geordnet hat. Unterdessen teilten die Behörden mit, dass der Ölexport im Dezember auf den niedrigsten Stand seit der US-geführten Invasion 2003 gefallen sei. 3. Januar Bei einem US-Luftangriff auf ein Gebäude nahe der irakischen Stadt Beidschi sind nach ira-kischen Polizeiangaben sieben Menschen getötet worden. Die Schwester des irakischen Innenministers Bajan Dschabr ist heute in Bagdad von Unbe-kannten entführt worden. Wie das Innenministerium mitteilte, wurden bei der Entführung im Stadtteil Kadissija ein Leibwächter der Frau getötet und ein weiterer verletzt. Bajan Dschabr gehört dem Obersten Rat für eine Islamische Revolution im Irak (SCIRI) an, der größten schiitischen Partei des Landes und war in den vergangenen Wochen wegen der Miss-handlung von Häftlingen in irakischen Gefängnissen in die Kritik geraten. 4. Januar US-Präsident George W. Bush hat einen weiteren US-Truppenabzug aus dem Irak nicht ausgeschlossen. Dies hänge von der weiteren Entwicklung vor Ort ab, sagte Bush heute nach einem Treffen mit US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld im Pentagon. Rumsfeld hatte vor zwei Wochen den Abzug von insgesamt 27 000 US- Soldaten aus dem Irak ange-kündigt. Vor der dortigen Wahl war die Anzahl der US- Streitkräfte auf insgesamt 158 000 erhöht worden. 5. Januar Drei Wochen nach der Parlamentswahl im Irak haben Aufständische ihre ungebrochene Schlagkraft auf grausame Weise demonstriert: Bei Bombenanschlägen wurden heute min-destens 130 Menschen getötet. 56 Opfer wurden nach einem Anschlag auf ein Rekrutie-rungsbüro der irakischen Polizei in Ramadi gemeldet, mindestens 63 Menschen kamen in Kerbela ums Leben. Ein US-Konvoi wurde von einer Bombe getroffen, dabei wurden fünf Soldaten getötet. 6. Januar Dutzende Schiiten haben heute in Bagdad gegen den US-Botschafter Zalmay Khalilzad de-monstriert. Sie warfen ihm und dem sunnitischen Parlamentskandidaten Saleh el Motlak vor, nichts zum Kampf gegen die Gewalt im Irak zu unternehmen. Die Demonstranten wiesen außerdem die Kritik von Khalilzad und den USA an den Verhörmethoden in irakischen Ge-fängnissen zurück, die schiitisch geführten Ministerien unterstehen. 7. Januar Der irakische Präsident Dschalal Talabani hat sich zuversichtlich über das Zustandekommen einer Regierung der nationalen Einheit geäußert. Die wichtigsten politischen Gruppen im Irak hätten sich im Grundsatz schon darauf verständigt, und in einigen Wochen werde sich die-ses Ziel realisieren lassen, erklärte der kurdische Politiker. Der britische Außenminister Jack Straw zeigte sich bei einem Besuch in Bagdad berührt vom Optimismus der meisten iraki-schen Politiker. Er sagte der BBC, die meisten Iraker wüssten „im Kopf, wenn auch noch nicht in ihrem Herzen“, dass die Zukunft ihres Landes in einer Regierung der nationalen Ein-heit liege. Nahe einer Patrouille des Innenministeriums sprengte sich ein Selbstmordattentäter in die Luft. Dabei wurden nach Polizeiangaben ein Offizier getötet und elf weitere Menschen ver-wundet, darunter fünf Zivilpersonen. Beim Beschuss eines Fahrzeugs in Bagdad kam eine Frau ums Leben, zwei Männer wurden verletzt.

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8. Januar Beim Absturz eines US-Hubschraubers im Irak sind alle zwölf Insassen ums Leben gekom-men. Die Maschine vom Typ Black Hawk UH-60 stürzte in der vergangenen Nacht nahe der nördlichen Stadt Tal Afar ab, wie die US-Streitkräfte mitteilten. Bei mehreren Angriffen von Aufständischen wurden fünf amerikanische Marineinfanteristen getötet. 9. Januar Zwei Selbstmordanschläge mit 29 Toten haben heute eine Parade der irakischen Polizei überschattet. Die beiden Attentäter schlugen nach Angaben der Polizei und der US-Streitkräfte während der Feiern auf dem Gelände des Innenministeriums in Bagdad zu. Die Minister für Inneres und Verteidigung sowie der amerikanische Botschafter befanden sich unter den hunderten Zuschauern. Einer der Angreifer sei von Sicherheitskräften noch ge-stoppt und angeschossen worden, seine Sprengstoffweste sei aber detoniert, sagte ein Poli-zeisprecher. Beide Attentäter seien in Uniformen ranghoher Polizisten gekleidet gewesen und hätten Ausweise besessen, die ihnen den Zugang auf das Ministeriumsgelände ermög-lichten. 10. Januar US-Präsident George W. Bush hat seine Landsleute auf eine schwierige Regierungsbildung im Irak eingestimmt. Es stünden Wochen der härtesten Politik ohne Bandagen bevor, die die arabische Welt je gesehen habe. Man sollte dies als „Freiheit in Aktion“ begrüßen. Die sunni-tische Minderheit im Irak muss nach den Worten von Bush lernen, wie sie ihren Einfluss kon-struktiv in ein demokratisches System einbringen kann und davon profitiert. Die Schiiten und die Kurden müssten verstehen, dass erfolgreiche freie Gesellschaften die Rechte von Min-derheiten vor einer Tyrannei der Mehrheit schützten. Die spanische Polizei hat heute 20 mutmaßliche Moslem-Extremisten unter dem Verdacht festgenommen, Kämpfer für den Irak rekrutiert zu haben. Einer der Angeworbenen sei der Selbstmordattentäter gewesen, der 2003 bei einem Anschlag im Irak 19 Italiener und neun Iraker mit in den Tod gerissen hatte, teilte das Innenministerium am Dienstag mit. Die Aufga-be der Gruppe sei nicht nur die Rekrutierung von Irak-Kämpfern gewesen. Sie hätten diesen auch finanziell und logistisch geholfen. Die Festgenommenen hätten Kontakte nach Frank-reich, Belgien, die Niederlande, Algerien, Marokko, die Türkei, Syrien und den Irak unterhal-ten, sagte der Minister. Zwei weitere Verdächtige stellten sich. 11. Januar Die bei den Parlamentswahlen im Irak siegreichen Schiiten wollen ihren Spitzenkandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten in den kommenden Tagen bekannt geben. Aus Kreisen der Vereinigten Irakischen Allianz verlautete, die beiden Hauptkandidaten seien der derzeiti-ge Regierungschef Ibrahim al-Dschaafari und Vizepräsident Adel Abdul Mahdi. Nach den bisherigen Auszählungen der Stimmen haben die regierenden Schiiten fast die Hälfte aller Abgeordnetensitze gewonnen. Der Verfassung nach hat der größte Block im Parlament das Recht, einen Ministerpräsidenten zu nominieren. Der Kandidat oder die Kandidatin muss vom Parlament bestätigt werden. 12. Januar Die US-Streitkräfte haben laut heute veröffentlichten Dokumenten bei Ermittlungen mutmaß-licher Folter im Irak offenbar nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Im Fall eines Irakers, der im Januar 2004 im Irak festgenommen und verhört wurde, sei die Untersuchung abgeschlos-sen worden, ohne die beteiligten US-Soldaten oder Dolmetscher zu befragen, heißt es in Dokumenten des Verteidigungsministeriums, die die Amerikanische Bürgerrechtsunion (AC-LU) veröffentlichte. 13. Januar

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Der Vorsitzende Richter im Prozess gegen den früheren irakischen Präsidenten Saddam Hussein will nach Angaben aus Justizkreisen zurücktreten. Dies könnte den bereits turbulen-ten Prozess in weiteres Chaos stürzen. Nach bisheriger Planung soll Risgar Amin am 24. Januar die nächste Sitzung in dem Prozess leiten. Der Prozess wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde bereits von mehreren Morden erschüttert. Zwei der Verteidiger von Saddams sieben Mitangeklagten wurden getötet. Auch ein Richter trat bereits zurück.

Beim Absturz eines US-Hubschraubers in der nordirakischen Stadt Mossul sind heute nach Angaben der Streitkräfte beide Piloten getötet worden. Der Aufklärungshubschrauber vom Typ OH-58 Kiowa befand sich demnach gemeinsam mit einem weiteren Helikopter auf ei-nem Patrouillenflug. Es gebe Hinweise, dass der Hubschrauber abgeschossen worden sei, sagte Generalleutnant John Vines. 14. Januar Die irakische Al-Kaida hat sich laut einer Internetmitteilung zum gestrigen Abschuss eines US-Hubschraubers im Norden des Irak bekannt. Die Kämpfer der Extremistenorganisation hätten den Hubschrauber mit mittelgroßen Waffen beschossen, hieß es in dem heute veröf-fentlichten Text. Er wurde auf einer häufig von Aufständischen benutzten website veröffent-licht und konnte zunächst nicht auf Echtheit überprüft werden. 15. Januar Im Streit über die Rolle des BND im Irak-Krieg hat die SPD Außenminister Steinmeier de-monstrativ den Rücken gestärkt. „Frank-Walter Steinmeier hat mein uneingeschränktes Ver-trauen“, sagte Parteichef Matthias Platzeck im ZDF. Dem Bundesnachrichtendienst wird vor-geworfen, den USA während des Irak-Kriegs 2003 Informationen über Angriffsziele übermit-telt zu haben. Die rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder hatte den I-rak-Krieg entschieden abgelehnt. Als Kanzleramtschef war Steinmeier seinerzeit für die Ge-heimdienste zuständig. 16. Januar Ein Selbstmordattentäter hat an einer Straßensperre der Polizei im Irak vier Polizisten und ein Kind mit in den Tod gerissen. Nach Angaben der US-Armee lieferten sich Extremisten in Al-Makdadija, nördlich von Bagdad, zuerst eine Schießerei mit der Polizei. Dann brachte der Attentäter seine Autobombe zur Explosion. Die Opposition im Bundestag wird heute voraussichtlich die Einsetzung eines Untersu-chungsausschusses über Aktivitäten deutscher Geheimdienste während des Irak-Kriegs und in Geheimgefängnissen beschließen. Die Einsetzung ist nur mit den Stimmen aller drei Op-positionsfraktionen möglich. Regierungssprecher Thomas Steg sagte, die schwarz-rote Bun-desregierung sehe einem eventuellen Ausschuss „in aller Gelassenheit“ entgegen. 17. Januar Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) informiert morgen den Auswärti-gen Ausschuss des Bundestages über die Rolle des Bundesnachrichtendienstes (BND) wäh-rend des Irak-Krieges. Dabei geht es um Aktivitäten zweier deutscher Geheimdienstagenten, die 2003 mit Wissen und Billigung der damaligen Bundesregierung Schröder in Bagdad geblieben waren. Nach Medienberichten sollen sie möglicherweise einem amerikanischen Geheimdienst Informationen gegeben haben, die der Zielbestimmung für Bombardierungen durch US-Streitkräfte dienten. Die beiden Agenten sollen heute vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium aussagen. 18. Januar SPD-Chef Matthias Platzeck hat die Politik der rot-grünen Bundesregierung im Irak erneut befürwortet. Platzeck verteidigte den Einsatz von zwei Aufklärern des Bundes-nachrichtendienstes (BND) im Irak. Jedes Land müsse dafür sorgen, „dass Aufklärung an Krisenherden stattfindet“, sagte Platzeck. Dies sei notwendig, um „ein eigenes Bild“ zu erhal-ten.

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Das parlamentarische Kontrollgremium (PKG) des Bundestags hat heute zwei BND-Mitarbeiter befragt, die während des Irak-Kriegs in Bagdad Informationen für die Bundesre-gierung gesammelt haben. Nach Ansicht aller Gremiumsmitglieder versicherten beide Agen-ten glaubhaft, in keiner Weise an der Bombardierung eines Restaurants im Stadtteil Mansur am 7. April 2003 mitgewirkt zu haben. Dies berichtete der PKG-Vorsitzende Norbert Röttgen (CDU) am Abend. Die beiden Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes berichteten laut Röttgen zudem, dass sie zu keinem Zeitpunkt direkt Kontakt zu Vertretern der USA bis zum Eintreffen der Streitkräfte in Bagdad gehabt hätten. 19. Januar Die irakische Parlamentswahl im Dezember ist internationalen Beobachtern zufolge im We-sentlichen ordnungsgemäß verlaufen. Es habe nur geringfügige Verstöße gegeben, hieß es in dem heute veröffentlichten Abschlussbericht der Internationalen Arbeitsgruppe für die ira-kischen Wahlen (IMIE). Sunnitische Politiker stellten jedoch die Schlussfolgerungen der Ar-beitsgruppe in Frage. „Wir hatten die Beobachter gebeten, die Verstöße zu untersuchen, aber leider konnten sie wegen des Drucks der USA nicht arbeiten“, sagte Hussein al-Falludschi. Vorläufigen Ergebnissen zufolge sind die Sunniten den Schiiten bei der Abstim-mung unterlegen. 20. Januar In Bagdad ist ein britischer Mitarbeiter einer US-Firma bei einem Bombenan-schlag getötet worden. Der Sprengsatz sei an einer Straße explodiert, als der 29-jährige Bri-te in einem Fahrzeug vorbeifuhr. Den Berichten zufolge wurde ein weiterer Mann bei dem Anschlag verletzt. 21. Januar Die USA drängen auf eine breite Regierungskoalition im Irak, die die nationale Einheit des Landes fördert. Nach dem amtlichen Wahlergebnis konnte sich die schiitische Bevölke-rungsmehrheit ihre dominante Rolle in der irakischen Politik auch für die nächsten vier Jahre sichern. Die Minderheit der Sunniten eroberte aber auf Anhieb ein gutes Fünftel der Sitze. Sie hatte die Wahl zum Übergangsparlament im Januar 2005 boykottiert und unterstützt den Aufstand gegen die bisherige schiitisch-kurdische Regierung sowie die US-Truppen im Land. 22. Januar Die US-Streitkräfte haben den letzten von drei im Irak inhaftierten Mitarbeitern der Nach-richtenagentur Reuters freigelassen. Der 30-jährige Kameramann Samir Mohammed Noor war seit seiner Festnahme im Juni vorigen Jahres im Bagdader Gefängnis Abu Ghraib und im Lager Bukka im Süden des Iraks festgehalten worden. Zwei weitere inhaftierte Mitarbeiter der Agentur waren am 15. Januar freigelassen worden. Über die Gründe der Festnahmen äußerten sich die US-Streitkräfte nicht. 23. Januar Geheimdienstunterlagen belegen angeblich, dass zwei während des Irak-Kriegs in Bagdad eingesetzte Agenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) Ziele mitsamt Koordinaten an ihre Zentrale in Pullach gemeldet haben. Zudem gehe aus den Unterlagen hervor, dass der BND 25 Meldungen seiner Agenten aus dem Kriegsgebiet an die Amerikaner weitergegeben habe, berichtet der Onlinedienst stern.de. Er beruft sich dabei auf zwei Teilnehmer der ge-meinsamen Sitzung von Parlamentarischem Kontrollgremium (PKG), den Spitzen der im Bundestag vertretenen Fraktionen und des BND in Berlin. Einen Tag nach der Ernennung des Kurden Rauf Raschid Abdel Rahman zum neuen Vorsit-zenden Richter wird morgen in Bagdad der Prozess gegen den früheren irakischen Präsi-denten Saddam Hussein fortgesetzt. Dieser sowie sieben weitere Angeklagte müssen sich seit dem 19. Oktober wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten. Konkret geht es um ein Massaker an rund 150 Bewohnern der Ortschaft Dudschail im Jahr 1982, wo ein Attentat auf Saddam Hussein versucht worden war. Der ehemalige Vorsitzende Richter Riskar Mohammed Amin war Anfang Januar zurückgetreten, nachdem Politiker aus dem Irak

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und den USA seine Prozessführung als zu rücksichtsvoll gegenüber Saddam Hussein kriti-siert hatten. 24. Januar Rund einen Monat nach der Freilassung der Archäologin Susanne Osthoff sind heute im Irak zwei deutsche Ingenieure entführt worden. Bewaffnete in Militäruniformen hätten die Männer vom Gelände einer Ölraffinerie in Baidschi rund 200 Kilometer nordwestlich von Bagdad ver-schleppt, teilte die irakische Polizei mit. 25. Januar Eine Woche nach Wiedereröffnung der Ölleitung in die Türkei haben irakische Rebellen durch Sabotageakte den Ölexport in das nördliche Nachbarland wieder lahm gelegt. Ein Ver-treter der irakischen Ölindustrie sagte der Nachrichtenagentur Reuters: „Die Leitungen bren-nen noch. Alle Ausfuhren in die Türkei sind gestoppt.“ Die Pipelines zum Hauptpumpenwerk Kirkuk sei am Abend angegriffen worden. Die Leitung in die Türkei ist von vitaler Bedeutung für die wirtschaftlichen Wiederaufbau des vom Krieg zerrütteten Landes. Die Rebellen im Irak bekämpfen die Besatzungstruppen und die mit ihnen kooperierende Regierung. Führende Politiker der Schiiten und Sunniten haben nach Angaben beider Seiten Gespräche über die künftige Regierung des Irak begonnen. Bei den gestern und heute einberufenen Treffen seien jedoch nur sehr generelle Punkte diskutiert worden. Volle Verhandlungen wür-den erst aufgenommen, wenn die bei der Parlamentswahl siegreiche Schiitische Allianz ihren Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten ausgewählt habe. Als Favoriten für den Posten des Ministerpräsidenten gelten der derzeitige Amtsinhaber Ibrahim al-Dschaafari so-wie Vize-Präsident Adel Abdul Mahdi. Die Sunniten, die nach einem Boykott im vergangenen Jahr erstmals im Parlament vertreten sein werden, fordern einem Vertreter zufolge unter an-derem den Posten des Präsidenten. 26. Januar Der irakische Industrieminister Ussama el Nadschafi ist unverletzt einem Attentat entronnen. Drei seiner Leibwächter wurden getötet, ein weiterer verletzt. Der Anschlag ereignete sich im Norden von Balad etwa 70 Kilometer von der irakischen Hauptstadt Bagdad entfernt. Den Angaben zufolge handelte sich bereits um den siebenten Versuch, den sunnitischen Minister zu ermorden.

Bei weiteren Anschlägen kamen im Laufe des heutigen Tages im Irak sechs Menschen ums Leben. Im Westen Bagdads geriet eine Polizeipatrouille unter Feuer, dabei wurden ein Polizist getötet und vier verletzt. Das US-Militär im Irak hat mehrere hundert Gefangene freigelassen, darunter auch fünf Frauen. Irakische und US-Vertreter betonten jedoch, die Entlassung der Frauen stehe in kei-nem Zusammenhang mit der Entführung der US-Journalistin Jill Carroll. Deren Entführer hatten mit der Tötung ihrer Geisel gedroht, falls nicht alle weiblichen Gefangenen freigelas-sen würden. Die Inhaftierung von Frauen wird von vielen Irakern als Beleidigung aufgefasst. Insgesamt sind 14.000 Verdächtige aus Sicherheitsgründen inhaftiert. 27. Januar Drei Tage nach der Entführung der beiden deutschen Ingenieure im Irak hat der Sender Al Dschasira heute ein Video mit den beiden Geiseln ausgestrahlt. Darauf rufen die verschlepp-ten René Bräunlich und Thomas Nitzschke die Regierung in Berlin auf, alles zu tun, um ihre Freilassung zu erreichen. Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteilte die grausame Entfüh-rung aufs Schärfste und forderte die sofortige Freilassung. Sie versicherte den Familien, den Angehörigen, den Mitarbeitern in der Firma und den Freunden der Geiseln, dass die Bundes-regierung alles daran setze, sie „sicher, unversehrt und gesund wieder nach Hause zu brin-gen“. Experten konnten bisher nicht feststellen, ob die Entführung eher politisch oder rein kriminell begründet war.

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Rund 500 irakische und amerikanische Truppen sind in mehreren Stadtvierteln Bagdads ge-gen Aufständische vorgegangen. Dabei brachen mehrstündige Kämpfe zwischen Sicher-heitskräften und rund 30 schwerbewaffneten Männern aus. Die Razzia in Bagdad stand im Zusammenhang mit einer Serie von Anschlägen in der irakischen Hauptstadt. Irakische Sondereinsatzkräfte durchsuchten gemeinsam mit US-Soldaten Häuser in mehreren süd-westlichen Stadtvierteln, kontrollierten Fahrzeuge und Passanten. Die heftigsten Kämpfe brachen am Morgen im Stadtviertel Dschihad aus und dauerten am Nachmittag an.

Bei weiteren blutigen Zwischenfällen kamen vier irakische Zivilisten ums Leben. 28. Januar Die Sunniten im Irak haben ihre Kräfte vor den Verhandlungen mit den Schiiten über die Re-gierungsbildung gebündelt. Dabei können sie auch auf die Unterstützung der USA zählen, die Schiiten und Kurden aufgefordert haben, die Sunniten an der Regierung zu betei-ligen. Die USA hoffen, damit den Aufstand im Irak, der vor allem von den Sunniten getragen wird, eindämmen zu können. Bei einem Bombenanschlag auf einen Süßwarenladen in der größtenteils von Sunniten be-wohnten Stadt Iskandarija sind am heutigen Abend nach Polizeiangaben zehn Menschen getötet und drei verletzt worden. Die Stadt liegt rund 50 Kilometer südlich von Bagdad. In Bagdad wurde ein US-Soldat bei der Explosion einer am Straßenrand versteckten Bombe getötet. 29. Januar Bei einer Serie von Anschlägen auf Kirchen in Bagdad und Kirkuk sind heute mindestens drei Menschen getötet und 17 verletzt worden. Rund drei Prozent der Iraker sind Christen, die meisten von ihnen zählen zur Glaubensgemeinschaft der Chaldäer. Ein Nachrichtenmoderator des US-Fernsehsenders ABC und ein Kameramann sind bei einer Explosion im Irak schwer verletzt worden. Wie der Sender erklärte, wurden Bob Woodruff und Doug Vogt in der Nähe von Tadschi von einem Sprengsatz getroffen. Beide begleiteten die 4. US-Infanteriedivision als so genannte eingebettete Journalisten und trugen Schutzklei-dung. 30. Januar Bei einem Selbstmordanschlag in der südirakischen Stadt Nassirija sind nach Polizeianga-ben zwei Polizisten getötet und 20 weitere Menschen verletzt worden. Unter den Verletzten seien sowohl Soldaten als auch Zivilisten. Das rund 375 Kilometer südlich von Bagdad gele-gene und überwiegend von Schiiten bevölkerte Nassirija war bislang von Anschlägen weit-gehend verschont geblieben. Im Kampf sunnitischer Aufständischer gegen die von Schiiten geführte Regierung sind in dem Golfstaat schon tausende Polizisten, Soldaten und Zivilisten bei Selbstmordattentaten, Autobombenanschlägen und Schießereien ums Leben ge-kommen. Der arabische Fernsehsender Al-Dschasira hat heute eine neue Videobotschaft der Anfang Januar im Irak entführten US-Journalistin Jill Carroll ausgestrahlt. Nach Angaben des Sen-ders hat die junge Frau die Öffentlichkeit in den USA aufgefordert, sich für die Freilassung aller weiblichen Gefangenen im Irak einzusetzen. 31. Januar Im Irak sind nach Angaben aus Sicherheitskreisen über 80 Terroristen aus mehreren arabi-schen Ländern festgenommen worden. Die meisten der im Süden Bagdads Festgenomme-nen würden Gruppen wie Al Tawhid, Dschihad, Ansar al-Sunna, „El Kaida im Zweistromland“ und Failak Omar zugeordnet, die alle von den USA und der internationalen Gemeinschaft als terroristische Organisationen eingestuft werden.

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Bei einer Explosion im Südirak ist heute ein britischer Soldat ums Leben gekommen. Damit erhöht sich die Zahl der im Irak getöteten Briten seit der Invasion im März 2003 auf 100, wie das britische Verteidigungsministerium in London mitteilte. Bei der Explosion nahe der Stadt Um Qasr seien außerdem drei Soldaten verletzt worden. Erst gestern war ein 22-jähriger Brite in der Provinz Maysan erschossen worden, als eine kleine Gruppe Soldaten unter Be-schuss geriet.

Die Kidnapper der zwei deutschen Ingenieure im Irak haben mit der Ermordung ihrer Geiseln gedroht. Der Sender Al Dschasira strahlte heute ein neues Video aus, auf dem die Geisel-nehmer von der Bundesregierung verlangen, ihre Botschaft in Bagdad zu schließen, alle deutschen Firmen aus dem Land abzuziehen sowie die Zusammenarbeit mit der irakischen Regierung zu beenden. René Bräunlich und Thomas Nitzschke sitzen in dem kurzen Video auf dem Boden vor vier bewaffneten und maskierten Personen. Die Entführer gehören laut Al Dschasira der bislang unbekannten Gruppe Tawhid und Sunnah Brigade an. Das Auswärtige Amt bezeichnete das neue Video von den zwei entführten Sachsen als „erneutes Zeugnis eines menschenverachtenden Verbrechens“. Neben den Deutschen wurden im Januar min-destens drei weitere Ausländer im Irak entführt. 1. Februar Gut eine Woche nach der Verschleppung von zwei deutschen Ingenieuren im Irak spitzt sich die Situation dramatisch zu. In einer neuen Videobotschaft drohen die Entführer damit, die beiden Männer umzubringen, sollte Deutschland seine Kontakte zum Irak nicht vollständig einstellen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) reagierte entsetzt und appellierte an die Geiselnehmer, die beiden Techniker aus Sachsen freizulassen. 2. Februar Bei zwei Bombenanschlägen sind in Bagdad mindestens zwölf Menschen ums Leben ge-kommen. 71 Menschen seien verletzt worden, hieß es in Polizeikreisen. Die Anschläge seien mit Autobomben verübt worden. Krankenhäuser rechneten damit, dass die Zahl der Opfer steigen könnte. Mit Selbstmordanschlägen und Bombenangriffen versuchen sunnitische Auf-ständische, die von Schiiten geführte Regierung im Irak zu stürzen. In der Hauptstadt fand die Polizei 14 Leichen, die nach Angaben aus Regierungskreisen Anzeichen von Folter auf-wiesen. In der Region Bagdads kam es heute erneut zu Anschlägen auf amerikanische Truppen. Dabei starben fünf Soldaten. Vertreter der USA und des Irak haben gewarnt, nach der jüngsten Veröffentlichung der Er-gebnisse der Parlamentswahl vom 15. Dezember sei vermehrt mit Attentaten zu rechnen. Die USA hoffen, dass der Widerstand gegen die Regierung gebrochen wird, wenn eine Re-gierungskoalition gebildet ist, an der auch Sunniten und Kurden beteiligt sind. 3. Februar Bei einem Bombenanschlag nördlich von Bagdad ist gestern Abend ein US-Soldat getötet worden, wie die amerikanischen Streitkräfte mitteilten. Es war der 2.248. US-Soldat, der seit Beginn des Irak-Kriegs umkam. Irakische Sicherheitskräfte gingen im Süden des Landes gegen Aufständische vor. Sie nahmen in Basra 22 mutmaßliche Rebellen fest und beschlag-nahmten Waffen. 4. Februar Nach dem Fund von 14 erschossenen Männern in Bagdad haben Sunniten schwere Vorwür-fe gegen die Sicherheitskräfte erhoben. Die Getöteten seien vor einer Woche von Einsatz-kräften des Innenministeriums festgenommen und gestern von ihren Angehörigen erschos-sen aufgefunden worden, erklärten sunnitische Führer. Der Vorsitzende des Rats für Natio-nalen Dialog, Chalaf al Iljan, machte die von Schiiten dominierten Sicherheitskräfte direkt für die Tötung verantwortlich und warnte vor einem drohenden Bürgerkrieg. Sunnitische Führer

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riefen zu Protesten auf. Sunniten haben den Sicherheitskräften wiederholt vorgeworfen, An-gehörige ihrer Minderheit entführt und getötet zu haben. 5. Februar Die US-Armee hat heute 50 Gefangene aus ihren Militärgefängnissen im Irak entlassen. Ü-ber ihre Freilassung hätten die multinationalen Truppen gemeinsam mit Mitgliedern der iraki-schen Ministerien für Menschenrechte, Justiz und Inneres entschieden, erklärte das ameri-kanische Militärkommando in Bagdad. Weshalb die Iraker überhaupt gefangen genommen worden waren, ging aus der Mitteilung des US-Militärs nicht hervor. Die britische Regierung will laut Presseberichten noch in diesem Frühjahr mit dem Abzug von 2000 Soldaten aus dem Irak beginnen. 500 Soldaten sollten schon Ende Mai wieder zu Hause sein, berichtete „The Independent on Sunday“. Derzeit sind rund 8.000 britische Soldaten im Irak stationiert, der Großteil nahe der südlichen Stadt Basra. Die Zeitung „The Sunday Express“ schrieb, die Hälfte der britischen Truppen solle bis zum Sommer abgezogen werden. Der Geheimplan sehe vor, dass die ersten Soldaten unmittel-bar nach der Bildung einer neuen irakischen Regierung die Heimreise antreten könnten. Die Blätter beriefen sich auf nicht näher genannte Quellen. Ein Sprecher des Verteidigungsminis-teriums erklärte zu den neuen Berichten, die Position der Regierung habe sich nicht geän-dert und das militärische Engagement ende erst, wenn die Arbeit im Irak erledigt sei.

Irakische Sicherheitskräfte haben nach eigenen Angaben einen ranghohen Führer des Ter-rornetzwerks El Kaida im Irak festgenommen. Mohammed Rabih Abu Sar sei vor einigen Tagen in Bagdad gefasst worden, so der Chef des Nachrichtendienstes im Innenministerium, Gene-ral Hussein Kamal. 6. Februar Dänische Soldaten sind nahe der irakischen Stadt Basra nach einem Verkehrsunfall aus ei-ner aufgebrachten Menge heraus beschossen worden. Wie Verteidigungsminister Søren Gade in Kopenhagen weiter mitteilte, soll untersucht werden, ob Hintergrund des Angriffes vom Vortag möglicherweise Proteste gegen die dänischen Mohammed-Karikaturen waren. Nach Demonstrationen im Irak wegen der Zeichnungen hatte das Transportministerium in Bagdad erklärt, die Regierung wolle alle Aufträge an dänische Unternehmen bis auf weiteres einfrieren. Dänemark hatte sich als US-Verbündeter an der Invasion des Landes vor drei Jahren beteiligt und hat etwa 500 Soldaten im südlichen Irak stationiert. Im Drama um die Entführung zweier Deutscher im Irak herrscht Stillstand. Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte heute in Berlin, die Bundesregierung sei bei den Bemühun-gen um die Freilassung „keine entscheidenden Schritte weiter“ gekommen. Der Vorsitzende des Irakischen Menschenrechtsverbandes in Berlin, Faridon Abdul-Majid, rief in Bagdad zur Freilassung der beiden deutschen Geiseln auf. Die Entführung beschädige den Ruf des Is-lams in Deutschland und sei zum Nachteil der in Deutschland lebenden irakischen Familien. 7. Februar Bei einer Serie von Anschlägen im Irak sind heute mindestens neun Iraker und vier US-Soldaten getötet worden. Unter den irakischen Todesopfern war der Verwaltungschef von Falludscha, Scheich Kamal Tschaker Nasal. Wenige Stunden nach dem Anschlag wurden an den Moscheen in Falludscha Plakate angebracht, die jedem mit dem Tod drohten, der mit der US-Armee zusammenarbeite. Drei US-Soldaten kamen nach Armeeangaben bei der Explosion eines Sprengsatzes in der westlichen Provinz El Anbar ums Leben. Ein vierter erlag den Verletzungen, die er vorges-tern bei einer Bombenexplosion in derselben Provinz erlitten hatte.

Seit Beginn des Irak-Kriegs im März 2003 kamen mindestens 2.257 US-Soldaten ums Le-ben.

Im Zentrum von Bagdad wurden bei zwei Sprengstoffanschlägen drei Zivilisten getötet und 20 weitere Personen verletzt, unter ihnen fünf Polizisten. In Baakuba rund 60 Kilometer

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nordöstlich von Bagdad wurde ein Polizist erschossen. In Jussufija, 25 Kilometer südlich der Hauptstadt, starben zwei Zivilisten, als ihr Fahrzeug auf einen Sprengsatz fuhr. Im nordiraki-schen Kirkuk töteten der Polizei zufolge ausländische Sicherheitskräfte zwei Zivilisten in ei-nem Taxi. In südirakischen Basra wurden laut Polizei bei einer Bombenexplosion vier Polizis-ten verletzt. 8. Februar Der scheidende irakische Hochschulminister Sami al Mudafar hat einen Autobombenan-schlag in Bagdad unverletzt überstanden. Drei seiner Leibwächter wurden leicht verletzt. Der Minister soll sich in der Vergangenheit gegen einen stärkeren Einfluss des Islams an den Hochschulen ausgesprochen haben. In Latifija, 30 Kilometer südlich von Bagdad, wurden am Straßenrand in der Nähe einer Brü-cke zehn Bomben entschärft. Die Polizei vermutete, dass die Bomben schiitische Pilger auf dem Weg nach Kerbela treffen sollten. Darüber hinaus entdeckte die Polizei am Rand von Bagdad die Leichen von vier schiitischen Pilgern, auf die mehrfach geschossen worden war. Im Osten Bagdads verfehlte heute eine Bombe einen US-Konvoi. Ein irakischer Passant wurde getötet, ein weiterer verletzt. Bei einem zweiten Anschlag im Norden Bagdads wurden nach Polizeiangaben zwei irakische Sicherheitskräfte verletzt. Im Stadtviertel Sadr City fand die Polizei die Leichen von drei Männern, die gefesselt erschossen worden waren. Ein un-bemanntes US-Flugzeug, das zur Sicherung des Aschura-Festes eingesetzt war, ging ges-tern in der Nähe von Sadr City nieder, wie die US-Streitkräfte erklärten. Fluglotsen hätten den Kontakt zu der Maschine kurz nach dem Start in Tadschi verloren. 9. Februar Vertreter der USA haben sich nach Angaben aus westlichen Diplomatenkreisen mit iraki-schen Aufständischen getroffen. Die Gespräche befänden sich am Anfang, hieß es. Al-Kaida-Mitglieder oder Extremisten mit ähnlicher Einstellung seien nicht beteiligt gewesen. Ein Diplomat in Bagdad sagte, die USA kümmerten sich um sunnitische Nationalisten und einige Islamisten aus Reihen sowohl der Sunniten als auch der Schiiten. Ein Selbstmordattentäter hat sich an einem amerikanisch-irakischen Checkpoint nahe der syrischen Grenze in die Luft gesprengt und fünf Iraker mit in den Tod gerissen. Der Anschlag wurde nahe Obeidi verübt. In der Region war es im November zu heftigen Kämpfen gekom-men, als die US-Streitkräfte von Al Kaia unterstützte Aufständische vertreiben wollten. 10. Februar Bewaffnete Männer in Polizeiuniformen haben im Irak einen sunnitischen Imam entführt. Der Prediger der Bagdader Al-Nuaimi-Moschee, Adel Chalil Dawud, sei am frühen Morgen aus seinem Haus verschleppt worden, teilte die Polizei unter Berufung auf Angehörige und Au-genzeugen mit.

Bei einem Bombenanschlag in der westirakischen Stadt Falludscha sind zwei US-Soldaten ums Leben gekommen. Sie seien gestern getötet worden, als eine am Straßenrand versteck-te Bombe detoniert sei, teilte das US-Militär mit. Seit Beginn des Einmarsches in den Irak im März 2003 sind mindestens 2 263 US-Soldaten ums Leben gekommen. Bei einem Autobombenanschlag am südlichen Stadtrand von Bagdad sind sieben Sunniten getötet und 22 verletzt worden. Nach Angaben des irakischen Innenministeriums explodierte die Bombe im Stadtteil Dura vor einer Moschee. Das Attentat ereignete sich praktisch zeit-gleich mit der Bekanntgabe des amtlichen Endergebnisses der Parlamentswahl, bei der die religiösen Schiiten 128 der 275 Sitze gewannen. 11. Februar Die im Irak regierende schiitische Allianz hat sich offenbar auf einen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten geeinigt. Ein ranghoher Vertreter der Allianz sagte, Vizepräsident

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Adel Abdul Mahdi, der als Pragmatiker gilt, sei der Favorit. Die Vereinigte Irakische Allianz werde heute darüber befinden. Die von Schiiten dominierte Vereinigte Irakische Allianz kam der Wahlkommission zufolge auf 128 von insgesamt 275 Sitzen. Der Kurdische Block er-reichte 53 Sitze. Die verschiedenen sunnitischen Parteien errangen zusammen 58 Sitze. 12. Februar In Großbritannien ist ein neues Video über die angebliche Misshandlung von Irakern durch britische Soldaten im Irak aufgetaucht. Auf dem heute vom Fernsehsender BBC ausgestrahl-ten Video ist zu sehen, wie Soldaten irakische Jugendliche hinter eine Mauer zerren, treten und mit Stöcken verprügeln. Nach Angaben des Außenministeriums in London hat die britische Militärpolizei eine Untersuchung des Vorfalls eingeleitet. Laut Angaben der irakischen Armee sind gestern rund 100 Kilometer nördlich von Bagdad zwölf schiitische Pilger entführt worden.

Bei einer Razzia der irakischen Armee wurden zwei Verdächtige getötet und ein Soldat ver-letzt. 13. Februar Bei einem Bombenanschlag vor einer Bank in Bagdad sind heute 15 Menschen getötet und mehr als 30 weitere verletzt worden. Unklar war, wer hinter der Tat steckte. Die meisten An-schläge im Irak werden sunnitischen Aufständischen zur Last gelegt.

Die Entführer der beiden deutschen Ingenieure im Irak haben ein neues Video veröffentlicht und darin ultimativ mit der Ermordung ihrer Geiseln gedroht. Es handle sich um eine „letzte Warnung“, bevor die Entführer der Gruppe „Ansar el Tawhid wal Sunna“ die Ingenieure René Bräunlich und Thomas Nitzschke töten würden, falls die Bundesregierung ihre Forderungen nicht erfülle, sagte eine Moderatorin des arabischen Senders El Arabija.

14. Februar Nach den jüngsten Misshandlungsvorwürfen gegen britische Soldaten hat die Regionalregie-rung der irakischen Stadt Basra die Zusammenarbeit mit den Koalitionsstreitkräften aufge-kündigt. Vorgestern war in Großbritannien ein Video aus dem Jahr 2004 aufgetaucht. Darauf ist zu sehen, wie britische Soldaten irakische Häftlinge verprügeln. Maskierte Unbekannte haben im Irak elf Mitglieder einer Familie erschossen. Bei dem Mas-saker auf einem Bauernhof in der schiitischen Stadt Balad 50 Kilometer nördlich von Bagdad ist nach Angaben von Polizei und Überlebenden auch ein Stammesführer getötet worden. Das Motiv für das Verbrechen war zunächst unklar. Da die vorrangig von Schiiten besiedelte Stadt Balad an Sunnitengebiete grenzt, könnten Glaubenskonflikte eine Rolle gespielt ha-ben, die im Irak zuletzt stark zugenommen haben. 15. Februar Bei mehreren Sprengstoffattacken sind heute in Bagdad mindestens zehn Menschen ums Leben gekommen, darunter drei Schulkinder. Es war nicht erkennbar, wem der Anschlag galt.

Ebenfalls in Bagdad riss ein Selbstmordattentäter vier Polizisten mit in den Tod. Drei weitere Menschen seien verletzt worden. In der westirakischen Aufständischen-Hochburg Falludscha sprengte sich nach Polizeiangaben ein weiterer Selbstmordattentäter neben amerikanischen und irakischen Soldaten mit einer Autobombe in die Luft. Ein irakischer Zivilist starb. Auf-ständische und Soldaten der irakischen und amerikanischen Truppen hätten sich am ver-gangenen Abend in der Nachbarstadt Al-Chalidija heftige Gefechte geliefert, hieß es.

Eine weitere Autobombe explodierte vor der Technischen Universität in Bagdad. Acht Zivilis-ten wurden verletzt. Am Vortag waren bei einem Sprengstoffanschlag am selben Ort bereits mehrere Iraker verletzt worden.

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Ein australischer Fernsehsender hat offenbar bislang unveröffentlichte Bilder von Misshand-lungen irakischer Gefangener durch US-Soldaten im Bagdader Gefängnis Abu Ghraib aus-gestrahlt. Die neuen Bilder deuteten auf Tötungen, Folter und Fälle von sexueller Erniedri-gung hin, hieß es. Fotos von Misshandlungen durch US-Soldaten in Abu Ghraib hatten erst-mals 2004 weltweit Entsetzen ausgelöst. Es wurde befürchtet, dass die Bilder nach der Em-pörung über die dänischen Mohammed-Karikaturen und Videos von britischen Soldaten, die auf irakische Jugendliche einzuschlagen scheinen, die Wut auf den Westen in der Region noch anfachen könnten. Ein Anwalt der US- Bürgerrechtsbewegung ACLU sprach von einem Beweis für „systematische und weit verbreitete Misshandlungen“ durch US-Soldaten. 17. Februar Unbekannte haben in der südirakischen Stadt Basra zwei Europäer entführt. Wie aus Si-cherheitskreisen bekannt wurde, verschleppte eine Gruppe von Bewaffneten die beiden Ex-perten aus dem ehemaligen Jugoslawien in der Nähe von Schueiba im Süden der Hafen-stadt. Die Polizei und die irakische Armee leiteten eine Großfahndung ein. Der iranische Außenminister Manuschehr Mottaki hat den sofortigen Abzug der britischen Truppen aus der südirakischen Hafenstadt Basra gefordert. Die Anwesenheit der Briten de-stabilisiere die Sicherheit der Stadt und habe in jüngster Zeit auch zu negativen Auswirkun-gen in Form von Drohungen auf den Süden des Irans geführt, sagte Mottaki heute nach ei-ner Unterredung mit seinem libanesischen Kollegen Fausi Salluch in Beirut. Basra liegt etwa 35 Kilometer von der iranischen Grenze entfernt. Die meisten der rund 8.000 britischen Sol-daten im Irak sind in Basra und Umgebung stationiert. Der britische Premierminister Tony Blair dagegen lehnte einen britischen Truppenrückzug aus dem Irak erneut ab. 18. Februar Bei mehreren Anschlägen und Feuergefechten sind heute in Bagdad, Ramadi und Dora mindestens zehn Menschen getötet worden, darunter drei Zivilisten. Im Norden des Landes setzten hunderte irakische Soldaten mit Unterstützung der US-Streitkräfte die Suche nach einem Flugzeug mit fünf Deutschen an Bord fort. Die Maschine wird seit zwei Tagen ver-misst.

Das Bagdader Ölministerium teilte unterdessen mit, dass dem Irak durch Sabotageakte im Jahr 2005 mehr als sechs Milliarden US-Dollar an Öleinnahmen verloren gegangen seien.

In der südlichen Stadt Basra wurden vorgestern zwei Mazedonier entführt, wie die britischen Streitkräfte heute bestätigten. Die beiden für eine Reinigungsfirma tätigen Männer wurden auf dem Weg vom Flughafen ins Stadtzentrum verschleppt.

Im Irak sind in den vergangenen Tagen 430 Gefängnisinsassen freigelassen worden. Dies teilten die amerikanischen Militärbehörden heute in Bagdad mit. Ein gemeinsames amerika-nisch-irakisches Komitee hat seit August 2004 die Fälle von fast 28 000 Gefangenen unter-sucht. Viele der Gefängnisinsassen werden ohne Anklage über lange Zeiträume festgehal-ten.

19. Februar In den Trümmern eines abgestürzten Flugzeuges sind im Nordirak den Behörden zufolge sechs Leichen gefunden worden. Der Funkkontakt zu der in München gestarteten und über Aserbaidschan in den Nordirak geflogenen Maschine war vor drei Tagen abgebrochen. An Bord befanden sich offiziellen Angaben zufolge fünf Deutsche sowie ein irakischer Vermittler. Bei Anschlägen und Überfällen im Irak sind mindestens sieben Menschen getötet worden, unter ihnen ein hochrangiger Polizeifunktionär. Der stellvertretende Polizeichef der nordiraki-schen Stadt Kirkuk, General Hatem Chalaf el Obaidi, und zwei seiner Leibwächter wurden nach Polizeiangaben zehn Kilometer westlich von Kirkuk getötet, als eine Bombe neben ihrer Wagenkolonne explodierte.

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In der Hauptstadt Bagdad kamen bei der Explosion einer Autobombe nahe der besonders gesicherten Grünen Zone, wo sich außer Ministerien unter anderem die US-Botschaft befin-det, mindestens zwei Menschen ums Leben, vier weitere wurden verletzt. Wie das Innenmi-nisterium weiter mitteilte, sprengte sich wenig später in der Nähe ein Selbstmordattentäter in die Luft und verletzte zwei Menschen. In der Provinz Salaheddin nördlich von Bagdad griffen bewaffnete Männer einen Konvoi von drei Lastwagen mit Baumaterial für einen US-Stützpunkt an. Dabei kam ein Fahrer ums Leben, ein zweiter wurde verletzt, wie die Polizei von Tikrit mitteilte.

Zwei irakische Zivilisten starben in Falahat acht Kilometer westlich von Falludscha, als eine Bombe beim Vorbeifahren eines US-Konvois explodierte. In Balad, 70 Kilometer nördlich von Bagdad, töteten bewaffnete Männer am Abend einen in einem US-Militärstützpunkt ange-stellten Iraker. 20. Februar Nach mehreren Tagen relativer Ruhe sind im Irak heute erneut mindestens 20 Menschen bei Anschlägen ums Leben gekommen. Der schwerste Anschlag ereignete sich im Zentrum von Bagdad, wo sich ein Selbstmordattentäter in einem Bus in die Luft sprengte und mindestens zwölf Menschen mit in den Tod riss. Die zwei im Irak entführten mazedonischen Mitarbeiter einer deutschen Reinigungsfirma kamen wieder frei. 21. Februar Bei neuerlicher Gewalt im Irak sind mindestens 29 Menschen ums Leben gekommen. Bei der Explosion einer Autobombe auf einem belebten Marktplatz in Bagdad starben nach An-gaben des irakischen Innenministeriums 22 Menschen, 30 wurden verletzt. Unterdessen kam der vor zwei Monaten im Irak entführte Fahrer der jordanischen Botschaft in Bagdad frei.

Das US-Militär hat im Irak eine Bombenwerkstatt der Aufständischen entdeckt. Die Soldaten hätten zuvor einen Hinweis aus der irakischen Bevölkerung erhalten, sagte Oberst Jeffrey Snow am Dienstag dem Nachrichtensender CNN. Knapp 40 Rebellen seien im Zuge der Razzia festgenommen worden. 22. Februar In Samarra haben Unbekannte einen Sprengstoffanschlag auf die den Schiiten heilige Gol-dene Moschee verübt und damit den Zorn zehntausender Gläubiger hervorgerufen. Der höchste schiitische Würdenträger des Irak, Ayatollah Ali Sistani, mahnte die Gläubigen zur Ruhe. Regierungschef Ibrahim Dschaafari begab sich nach Samarra und rief eine dreitägige Staatstrauer aus. Nach dem Sprengstoffanschlag gingen zehntausende Schiiten im ganzen Land auf die Straßen. US-Präsident George W. Bush rief die Iraker zu Ruhe und Zurückhaltung auf. Gewalt werde nur den Terroristen helfen, ihre Ziele zu erreichen, sagte Bush heute in Washington. Die Ver-einigten Staaten seien bereit zu helfen, dass die Verantwortlichen für den fürchterlichen An-schlag zur Verantwortung gezogen würden. 23. Februar Der UN-Gesandte im Irak, Ashraf Qazi, hat heute mit führenden Politikern und Geistlichen darüber beraten, wie ein Bürgerkrieg verhindert werden kann. Nach dem Anschlag auf eine der heiligsten Stätten der Schiiten im Irak wurden bei Protesten, Angriffen, Anschlägen und gezielten Racheaktionen mehr als 130 Menschen getötet. Die US-Streitkräfte im Irak haben in den vergangenen Tagen 95 Gefangene freigelassen. Den Angaben der Streitkräfte zufolge überprüfte die zuständige Kommission bereits mehr als 28.500 Einzelfälle. Bei mehr als 14.900 Gefangenen sei die Freilassung empfohlen worden. 24. Februar

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Mit einem Ausgehverbot und scharfen Sicherheitsmaßnahmen hat die irakische Regierung die Gefahr eines Bürgerkriegs einzudämmen versucht. In Bagdad riegelten Polizisten und Soldaten die wichtigsten Straßen ab und umstellten die beiden größten sunnitischen Mo-scheen der Stadt. Die Regierung erließ ein Ein- und Ausfahrverbot für die Hauptstadt und kündigte den Einsatz der Streitkräfte an Brennpunkten an. Dennoch ließen die Sicherheits-kräfte am Mittag in der größten sunnitischen Moschee Abu Hanifa in Bagdad zahlreiche Gläubige am Freitagsgebet teilnehmen. 25. Februar Trotz einer Ausgangssperre in Bagdad und drei irakischen Provinzen reißt die Serie der Ge-walt im Irak nicht ab: Bei Anschlägen und Angriffen vor allem auf schiitische Ziele wurden im Laufe des Tages mindestens 34 Menschen getötet. Wegen des Anschlags auf die Goldene Moschee in Samarra wurden sechs Verdächtige gefasst. Bei dem Autobombenanschlag in Kerbela, 100 Kilometer südlich von Bagdad, wurden nach Krankenhausangaben fünf Menschen getötet und mehr als 50 verletzt. Beamte hätten einen Verdächtigen festgenommen, der vom Tatort fliehen wollte. 26. Februar Bei zahlreichen Anschlägen im Irak sind heute mindestens 21 Iraker und zwei US-Soldaten getötet worden. Nach Behördenangaben wurden insgesamt etwa 70 Menschen verletzt. Al-lein in der Hauptstadt Bagdad wurden durch die Explosion von acht Granaten 16 Menschen getötet und 45 weitere verletzt, wie das Innenministerium mitteilte. Weitere Anschläge wur-den in Baakuba, Madain, Hilla, Basra und Mossul verübt. Die Opfer waren vor allem Zivilis-ten und Polizisten. Vergangene Woche war die Goldene Moschee in Samarra bei einem Bombenanschlag schwer beschädigt worden. Seither wurden fast 200 Menschen getötet, die meisten vermutlich Sunniten. 2. März Unter dem Eindruck der angespannten Lage im Irak hat Ministerpräsident Dschaafari für heute erneut ein Fahrverbot verhängt. In der Hauptstadt Bagdad sei der Autoverkehr bis 16 Uhr Ortszeit untersagt, hieß es in einer Erklärung Dschaafaris. 3. März Die irakische Regierung hat für heute ein Fahrverbot in Bagdad verhängt, um eine Zunahme der Gewalt zu verhindern. Die Einwohner der Hauptstadt dürften lediglich zu Fuß zu den Freitagsgebeten gehen, teilten die Behörden mit. In dem Ort Nahrawan unweit von Bagdad wurden nach Angaben eines Lokalpolitikers die Leichen von 25 Schiiten gefunden. Sie seien Opfer eines religiös motivierten Überfalls ge-worden. Ein Sprecher des Innenministeriums räumte im Gespräch mit dem Sender ein, die Region Nahrawan sei nicht vollständig unter Kontrolle der staatlichen Sicherheitskräfte.

Nach Informationen aus Regierungskreisen wird das irakische Parlament um den 12. März herum erstmals seit der Wahl im Dezember zusammentreten. Bis dahin gilt eine Einigung auf eine gemeinsame Regierung von Schiiten und Sunniten jedoch als unwahrscheinlich.

Diplomaten, US-Regierungsbeamte und Experten reagieren erstaunt bis befremdet über die Aufregung in Berlin über die „angebliche“ Zusammenarbeit des BND mit den Amerikanern vor dem Irakkrieg. Als „völlig absurd“ kennzeichnete der Deutschland-Experte und Direktor des Atlantischen Rats in den USA, Helmut Sonnenfeld, die Vorstellung, es gebe eine Art Verschwörung, in der die US-Regierung mit Hilfe der „New York Times“ gezielt Berliner Poli-tiker oder gar die schwarz-rote Regierung diskreditieren wolle. Sonnenfeld sieht durchaus Indizien, dass „Deutschland auch für die Invasion sehr hilfreich war“.

Die Berichte der «New York Times» stehen auch im Mittelpunkt der Sondersitzung des Par-lamentarischen Kontrollgremiums (PKG) kommende Woche, in der die Bundesregierung die Abgeordneten unterrichten will. 4. März

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Der britische Premierminister Tony Blair hat die Entscheidung für eine Teilnahme am Irak-Krieg erstmals in einen religiösen Zusammenhang gestellt. Das Urteil, ob die Entsendung der Truppen 2003 richtig oder falsch gewesen sei, werde letztlich auch von Gott gefällt, sag-te Blair in einem Fernsehinterview. Wegen der Frage, ob britische Truppen 2003 in den Irak geschickt werden, habe er gebetet. Im Irak kamen im Laufe des Tages neun Menschen durch terroristische Anschläge ums Le-ben, Dutzende wurden verletzt.

Innenpolitisch verhärteten sich die Fronten im Streit um die erneute Kandidatur des Schiiten Ibrahim al-Dschafari für das Amt des Regierungschefs. Kurdische, sunnitische und säkulare Parteien verlangten vorgestern im neu gewählten Parlament seinen Verzicht auf eine weitere Amtszeit. In der 275 Sitze umfassenden Volksvertretung herrscht eine Art Patt-Situation. Die UIA verfügt über 128 Sitze und damit über knapp weniger als die Mehrheit. Sie ist auf Part-ner angewiesen, um eine Regierung bilden zu können. Der irakische Staatspräsident Dscha-lal Talabani, ein Kurde, hat sich währenddessen gegen eine zweite Amtszeit des schiitischen Ministerpräsidenten Ibrahim al Dschaafari ausgesprochen, um so die nationale Einheit nicht weiter zu gefährden.

Nach dem Ende eines Fahrverbots für Privatwagen nahm die Zahl der Anschläge wieder zu. Auf einem Busbahnhof in einem südöstlichen Vorort Bagdads wurden bei einem Bombenan-schlag mindestens sieben Menschen getötet und 25 verletzt. 5. März Das US-Militär im Irak hat Medienberichte über einen geplanten Abzug aller britischen und US-amerikanischen Soldaten bis zum Frühjahr 2007 dementiert. Die Berichte der britischen Zeitungen „Sunday Telegraph“ und „Sunday Mirror“ seien „komplett falsch“, sagte ein Spre-cher. Es gebe keinen Zeitplan für einen Abzug. Die von den USA geführte Allianz von 22 Ländern hat zurzeit etwa 160.000 Soldaten in dem Golfstaat stationiert, darunter 135.000 US-Soldaten und rund 8.500 aus Großbritannien. Seit einigen Monaten herrschen Gerüchte um eine enge Kooperation des Bundesnachrich-tendienstes (BND) mit den US-geführten Streitkräften im Irak. Dieses Thema ist besonders umstritten, da die rot-grüne Regierung von Bundeskanzler Schröder den Irakkrieg öffentlich vehement abgelehnt, die CDU jedoch, heutiger Koalitionspartner der SPD, sich auf die Seite der USA gestellt hatte. In der folgenden Chronologie sind die diesbezüglich wichtigsten Ge-schehnisse seit dem Antritt der neuen Bundesregierung im November 2005 aufgeführt:

− 24. November: Vor dem USA-Besuch des neuen Außenministers Frank-Walter Steinmeier (SPD) berichten Medien, US-Flugzeuge mit Terrorverdächtigen an Bord seien auch in Deutschland gelandet. Menschenrechtlern zufolge wurden Gefangene in CIA-Geheimgefängnisse geflogen und dort gefoltert.

− 4. Dezember: Der damalige Innenminister Otto Schily (SPD) und der damalige Kanzler-amtschef Steinmeier seien bereits Mitte 2004 über die Entführung des Deutschen Khaled el Masri durch die CIA informiert gewesen, heißt es. El Masri war nach eigenen Angaben Ende 2003 von Mazedonien nach Afghanistan verschleppt worden.

− 6. Dezember: Beim Besuch der US-Außenministerin Condoleezza Rice in Berlin kommt es zu Verwirrungen, als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) behauptet, Frau Rice ha-be Fehler im Fall El Masri eingeräumt. Rice dementiert.

− 14. Dezember: Steinmeier bestreitet im Bundestag eine Verstrickung deutscher Behörden in den Fall El Masri. Der neue Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) räumt ein, zwei deutsche Terrorverdächtige seien in Syrien und im US-Gefangenenlager Guantánamo von deutschen Behörden verhört worden.

− 8. Januar 2006: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) macht sich kurz vor ihrem Antrittsbesuch in den USA für die Schließung Guantánamos stark.

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− 11. Januar: Das ARD-Magazin „Panorama“ und die „Süddeutsche Zeitung“ berichten, zwei Mitarbeiter des BND hätten US-Truppen im Irak-Krieg geholfen, Bombenziele zu i-dentifizieren. Die Bundesregierung dementiert.

− 17. Januar: FDP, Grüne und Linkspartei befürworten die Einsetzung eines Untersu-chungsausschusses. Zusammen haben sie dafür die laut Verfassung erforderliche Stim-menzahl.

− 18. Januar: Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) sieht keine Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten der in Bagdad eingesetzten BND-Agenten.

− 19. Januar: Union und SPD verteidigen im Bundestag den Einsatz der Agenten in Bagdad und sind strikt gegen einen Untersuchungsausschuss. FDP und Linkspartei sind weiter dafür. Die Grünen zögern.

− 22. Januar: Die Regierung warnt, die Einsetzung eines Ausschusses berge die Gefahr dauerhafter Schäden für den BND und die Sicherheit in Deutschland.

− 23. Januar: Beratung der Fraktionsspitzen mit der Regierung. Danach ist die Einsetzung eines Ausschusses zunächst vom Tisch. Die Grünen wollen weitere Informationen der Bundesregierung abwarten.

− 25. Januar: Weil die Grünen nicht mitziehen, scheitern FDP und Linkspartei mit ihrem Gruppenantrag für den Untersuchungsausschuss.

− 23. Februar: Die Regierung legt einen gekürzten Bericht zur Affäre vor. Entgegen früheren Darstellungen hat der BND doch Informationen über militärische Ziele weitergegeben. Die Grünen-Spitze ist jetzt für den Ausschuss, die FDP will bis zum 6. März entscheiden.

− 27. Februar: Die „New York Times“ (NYT) berichtet, der BND habe den USA vor Beginn des Irakkriegs 2003 geheime Verteidigungspläne für Bagdad überlassen. Die Bundesre-gierung widerspricht kategorisch.

− 2. März: Die NYT legt nach und behauptet, neben zwei Agenten in Bagdad sei ein weite-rer BND-Mann direkt beim US-Kommando in Katar stationiert worden. Er habe 25 Berich-te übermittelt, darunter auch einige mit Koordinaten militärischer Ziele. Die Zeitung beruft sich auf einen Geheimbericht der Bundesregierung.

− 4. März: Die Chancen für einen Untersuchungsausschuss steigen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion Jürgen Koppelin kündigt in einem Interview die Zu-stimmung zu dem Gremium an.

Vergangene Nacht kamen bei einem Angriff auf eine sunnitische Moschee im Südwesten von Bagdad zwei Menschen ums Leben. Sechs Wächter wurden nach Polizeiangaben ver-letzt.

Bei den Gesprächen über die Regierungsbildung gab es weiterhin keine Bewegung. Streit-punkt ist vor allem die Ablehnung, die dem von der Schiiten-Allianz als Regierungschef de-signierten Chef der Dawa-Partei, Ibrahim al-Dschafari, entgegenschlägt. Das geistige Ober-haupt der Schiiten, Großajatollah Ali al-Sistani, empfing mehrere Politiker, um einen Konsens zu erreichen.

Bei der Explosion eines Sprengsatzes auf einem Markt im Süden von Bagdad starben ges-tern sieben Menschen. Elf Zivilisten wurden verletzt. In Bakuba starb ein Kind durch eine Bombe. Bei weiteren Anschlägen starben zwei Soldaten und zwei Polizisten.

Ein neuer Bericht von amnesty international verweist auf eine wachsende Zahl von Hinwei-sen, denen zufolge irakische Sicherheitskräfte, die mit den US-geführten Truppen zusam-menarbeiten, Gefangene foltern. Die Menschenrechtsorganisation dokumentiert Fälle, in denen Internierte in irakischer Haft zu Tode gekommen sind. Solche Fälle und Foltervorwürfe würden nicht ausreichend untersucht, die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen.

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8. März Die Opposition im Bundestag berät heute weiter über den Auftrag des geplanten Untersu-chungsausschusses zu den Geheimdienst-Aktivitäten im Anti-Terror-Kampf. FDP, Grüne und Linkspartei wollen sich noch in dieser Woche über die Formulierung einigen. SPD und Union haben ihre grundsätzlichen Bedenken gegen den von der Opposition geplanten Untersu-chungsausschuss zur Rolle des Bundesnachrichtendienstes (BND) im Irak und im Anti- Terrorkampf bekräftigt.

Amerikanische Soldaten haben in West-Bagdad einen Kleinbus mit den Leichen von 18 er-mordeten Irakern gefunden. Ein Polizeisprecher in Abu Ghoreib teilte mit, die Männer seien mit Seilen erwürgt worden. Die Hände der Opfer waren gefesselt, ihre Augen verbunden. Die Hintergründe des Massenmordes waren zunächst unklar.

Die religiöse Schiiten-Allianz, die bei der Parlamentswahl die meisten Sitze errungen hatte, bat derweil Übergangspräsident Dschalal Talabani, die von ihm für den 12. März anberaumte erste Sitzung des neuen Parlaments zu verschieben. Die Parteien benötigten mehr Zeit, um sich vorher noch über die Besetzung von Schlüsselpositionen im Kabinett zu einigen, sagte ein Sprecher in Bagdad.

Der Irak ist nach Einschätzung der USA immer noch Schauplatz schwerer Menschenrechts-verstöße, die von willkürlichen Tötungen und Verhaftungen bis hin zur Folter reichen. Im ver-gangenen Jahr sei eine steigende Zahl von Tötungen durch die irakische Regierung, den Geheimdienst oder die Polizei festzustellen, hieß es in dem heute vorgestellten Menschen-rechtsbericht des US-Außenministeriums. Menschenrechtsverletzungen durch US-Truppen in dem Golfstaat wurden in dem Bericht nicht erwähnt.

9. März Knapp sechs Wochen nach der Entführung der beiden Deutschen im Irak hat die Bundesre-gierung angeblich neue Hinweise auf ein Lebenszeichen der Geiseln. Das Auswärtige Amt habe den Angehörigen der verschleppten deutschen Ingenieure René Bräunlich und Thomas Nitzschke am vergangenen Wochenende mitgeteilt, dass die Entführten mit großer Sicherheit noch am Leben seien. Die irakische Polizei sucht nach bis zu 50 Leibwächtern einer Sicherheitsfirma, die unter mysteriösen Umständen aus ihrem Büro in Bagdad entführt worden sind.

In West-Bagdad kamen heute nach Angaben von Augenzeugen bei einem Sprengstoffan-schlag zehn irakische Zivilisten ums Leben, darunter Bauarbeiter und Studenten. Vor dem Jarmuk-Krankenhaus explodierte eine Autobombe. Nach Angaben des Nachrichtensenders Al-Arabija starben zwei Menschen. Die Polizei fand gestern Abend in Jussifija die Leichen von acht irakischen Männern. Drei von ihnen waren enthauptet worden. Die US-Armee berichtete, zwei ihrer Soldaten seien in den vergangenen zwei Tagen bei Gefechten mit Auf-ständischen in der westlichen Provinz Anbar getötet worden.

Die militärische Führung der USA sorgt sich zunehmend über die Lage im Irak. Wenn die irakischen Politiker nicht bald eine Regierung bildeten, dann würden sie „mit einer sehr schwierigen Lage konfrontiert, sagte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld bei einer Senatsanhörung in Washington.

Das berüchtigte Militärgefängnis Abu Ghraib in Bagdad wird in den kommenden Monaten geschlossen. Wie ein Sprecher der US-Armee mitteilte, sollen die etwa 4530 Insassen in den kommenden zwei bis drei Monaten in andere Gefängnisse im Irak verlegt werden. 10. März Die Opposition hat sich nach langen Verhandlungen auf einen Auftrag für den Geheimdienst-Untersuchungsausschuss geeinigt. Bei einem dritten Treffen räumten FDP, Grüne und Links-fraktion in Berlin die letzten strittigen Fragen aus. Ein Selbstmordattentäter riss an einer Straßensperre des irakischen und amerikanischen Militärs in Falludscha vier irakische Zivilisten mit in den Tod. In Radwanija westlich von Bag-dad kam ein irakischer Soldat durch eine weitere Autobombe ums Leben.

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Ein Justizsprecher gab gestern Abend bekannt, in Mossul und anderen irakischen Städten seien insgesamt 13 „Terroristen“ hingerichtet worden. Die irakische Armee teilte mit, sie habe in der Umgebung der westirakischen Stadt Ramadi zwölf gesuchte Terroristen festgenom-men.

In Kirkuk wurden vier irakische Frauen von Unbekannten entführt. Die Polizei erklärte, es sei noch unklar, ob die Entführung einen politischen oder kriminellen Hintergrund habe. Bei einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen den arabischen Stämmen der Al-Dschabur und Abu Hamdan in Kirkuk starb ein Zivilist. Zehn Menschen wurden verletzt. In Tikrit starb ein Polizist, als er eine Bombe entschärfen wollte. Vier weitere Beamte wurden verletzt.

11. März Im Irak ist eine amerikanische Geisel getötet worden, wie ein Sprecher des Außenministeri-ums in Washington mitteilte. Die Leiche des 54-Jährigen sei gestern entdeckt worden, sagte Sprecher Noel Clay. Der US-Bürger war eines von vier Mitgliedern einer christlichen Friedensgruppe, die am 26. November in Bagdad verschleppt wurden. 13. März Mehr als 50 Menschen sind gestern Abend bei einem schweren Anschlag in dem vorwie-gend von Schiiten bewohnten Bagdader Armenviertel Sadr-City ums Leben gekommen. Mindestens 200 Menschen wurden verletzt. Kurz hintereinander waren mehrere Autobom-ben explodiert. Bereits am Morgen waren bei einem Attentat auf eine US-Militärpatrouille sechs Iraker getötet worden. Die US-Soldaten blieben unverletzt. Auf dem internationalen Flughafen der irakischen Hauptstadt entdeckten Sicherheitskräfte einen Sprengsatz, der im Gepäck einer Maschine nach Jordanien versteckt war. Ohne konkretes Ergebnis endete gestern ein Treffen zwischen Übergangspräsident Dschalal Talabani und dem designierten Regierungschef Ibrahim al-Dschafari, bei dem es um einen Ausweg aus der Krise bei der Bildung der neuen Regierung ging. Die Kurden und Sunniten sowie ein Teil der religiösen Schiiten-Allianz, zu der Al-Dschafari gehört, lehnen seine Er-nennung zum Chef der neuen Regierung ab.

Die britische Wirtschaft hat nach einer neuen Studie von Corporate Watch seit dem Sturz von Saddam Hussein im Irak mehr als 1,5 Milliarden Euro verdient. Nach inoffiziellen Schät-zungen kostete der britische Militäreinsatz im Irak bisher umgerechnet mehr als sieben Milli-arden Euro.

Einem hochrangigen Berater des US-Außenministeriums zufolge ist die bisherige Bilanz der Geschehnisse im Irak eher gemischt. Es gäbe durchaus Erfolge im Wiederaufbau sowie im politischen Prozess, von den Rückschlägen sei jedoch ebenso Kenntnis zu nehmen.

In Kamischli, 65 Kilometer südlich von Bagdad, fand die Polizei die Leichen von fünf Zivilis-ten. Den Männern sei in den Rücken geschossen worden. Ein Zivilist starb durch eine Auto-bombe in Kirkuk. In Ost-Bagdad töteten Aufständische einen US-Soldaten. Laut US-Militär wurde ein zweiter amerikanischer Soldat gestern in der westlichen Provinz Anbar getötet.

Im Prozess gegen Saddam Hussein und sieben weitere Ex-Funktionäre seines Regimes hat erstmals ein Angeklagter, der frühere Richter al-Bandar, seine Beteiligung an der Hinrichtung von 148 Schiiten aus der irakischen Kleinstadt Dudschail zugegeben. 14. März Das US-Verteidigungsministerium hat einem Pressebericht zufolge behördeninterne iraki-sche Mitteilungen über mutmaßliche Massenvernichtungswaffen im Jahr 2002 fehlinterpre-tiert. Geheimdienstmitarbeiter hätten die Mitteilungen dahingehend verstanden, dass der Irak solche Waffen verstecke, in Wahrheit hätten sie aber gezeigt, dass Bagdad den Vorgaben der UNO zu entsprechen versuchte, berichtete das US-Magazin „Foreign Affairs“ auf seiner Website. Die irakische Polizei teilte mit, binnen 24 Stunden seien mindestens 85 Menschen erschos-sen aufgefunden worden. US-Präsident George W. Bush äußerte sich in einer Ansprache zur Lage im Irak zuversichtlich. Sein Ziel sei es, dass die irakischen Sicherheitskräfte schon

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zum Jahresende den Großteil des Landes kontrollierten, sagte Bush gestern in einer Rede bei der Stiftung für die Verteidigung der Demokratie in Washington.

Die US-Armee berichtete heute, ihre Soldaten hätten in Neu-Bagdad gestern Abend bei ei-ner Fahrzeugkontrolle neun mutmaßliche Terroristen festgenommen, bei denen sie eine „Todesliste mit den Namen mehrerer Ministerialbeamter“ gefunden habe. Unter den Ver-dächtigen sollen sich Anhänger des radikalen Schiiten-Predigers Muktada al-Sadr befinden. 15. März Aufständische haben im Irak innerhalb einer Woche 533 Anschläge auf US-Truppen und die irakischen Sicherheitskräfte verübt. Das geht aus einem Bericht des Verteidigungsministeri-ums in Bagdad hervor. In diesem Zeitraum seien 30 Autobomben und 217 weitere Spreng-sätze explodiert, hieß es.

Ein Selbstmordattentäter sprengte sich heute vor einer Grundschule in die Luft und riss zwei Menschen mit in den Tod. Sechs weitere Zivilisten wurden bei dem Anschlag verletzt, darun-ter zwei Schüler. Im Nordirak starben nach Angaben von Krankenhausärzten elf Mitglieder einer Familie bei einem US-Angriff. In Ost-Bagdad starb ein irakischer Zivilist durch die Exp-losion einer Autobombe. Der sunnitische Rat der Religionsgelehrten berichtete, der Prediger Scheich Hussein Turki sei in Makdadija gestern Abend erschossen worden. Bei weiteren Anschlägen wurden zwei Polizisten und zwei irakische Zivilisten getötet. Die US-Armee teilte unterdessen mit, zwei ihrer Soldaten seien vorgestern in der Provinz Anbar von Aufständi-schen getötet worden.

Zwei Monate nach der Parlamentswahl im Irak kommt das Parlament morgen zu seiner kon-stituierenden Sitzung zusammen. Dabei sollen die 128 neu gewählten Abgeordneten ihren Eid leisten. Bei der Parlamentswahl am 15. Januar hatte die schiitische Vereinigte Irakische Allianz gesiegt. Eine Wiederwahl des jetzigen Regierungschefs Ibrahim Dschaafari lehnen vor allem Kurden und Sunniten ab. Auf Grund der Sitzung haben die USA rund 650 zusätzli-che Soldaten in den Golfstaat beordert.

Im ganzen Land wurden unterdessen die Sicherheitsverkehrungen für das schiitische Aschu-ra-Fest verstärkt, insbesondere in den Pilgerstädten Kerbela und Nadschaf. Dort ist es wäh-rend des Festes in den vergangenen Jahren mehrfach zu tödlichen Anschlägen gekommen. 16. März Die multinationale Kriegskoalition im Irak zählt immer weniger Truppen. Während am Ein-marsch im März 2003 noch 300.000 Mann aus 38 Ländern beteiligt waren, befinden sich heute nur noch 162.000 Soldaten vor Ort. Zehn Regierungen haben ihre Truppen bereits abgezogen. Seit dem Sturz des irakischen Präsidenten Saddam Hussein sind mehr als zwei Milliarden Dollar seines Vermögens auf ausländischen Konten sichergestellt worden. Das Geld habe auf 2100 verschiedenen Bankkonten in rund 40 Ländern gelegen, sagte ein Berater des US-Finanzministeriums.

Drei Monate nach der Wahl hat heute die erste Sitzung des neuen irakischen Parlaments stattgefunden. Es ist die erste Volksvertretung, die nach dem US-Einmarsch vor drei Jahren für eine volle Sitzungsperiode gewählt wurde. Die konstituierende Sitzung der 275 Abgeord-neten hatte aber eher zeremoniellen Charakter, da drei Monate nach der Wahl über die Re-gierungsbildung noch gestritten wird.

Amerikanische und irakische Truppen haben heute im Nordirak nach eigenen Angaben mit 50 Flugzeugen den bisher größten Luftangriff seit der Invasion im Frühjahr 2003 begonnen. Ziel der mehrtägig angelegten Militäroffensive sei es, die Region von «mutmaßlichen Auf-ständischen zu säubern», hieß es.

Der Nachrichtensender Al-Arabija meldete, in Bagdad seien seit gestern 25 Leichen von Mordopfern entdeckt worden, darunter mehrere Polizisten. In Al-Ghalibija nordöstlich von Bagdad starben drei Studentinnen, als ein Sprengsatz in der Nähe ihrer Hochschule explo-dierte. In Halabdscha erschossen kurdische Sicherheitskräfte drei Demonstranten.

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17. März Das US-Militär ermittelt gegen amerikanische Soldaten, die im Verdacht stehen, 15 irakische Zivilisten getötet zu haben. Nach Informationen des US-Nachrichtensenders CNN geht es auch um den Tod eines US-Marineinfanteristen, der bei dem Zwischenfall in der westiraki-schen Stadt Haditha am 19. November vergangenen Jahres ums Leben gekommen war. Amerikanische und irakische Truppen haben bei ihrer Militäroffensive „Schwärmer“ im Nord-irak Dutzende von mutmaßlichen Extremisten gefangen genommen, darunter auch mehrere Jugendliche.

Das staatliche irakische Fernsehen berichtete, Extremisten hätten im Westen von Bagdad drei Schiiten erschossen und fünf weitere verletzt.

Die Polizei in Mahmudija südlich von Bagdad berichtete, Rebellen hätten bei einem Angriff auf einen US-Militärstützpunkt in der Stadt versehentlich zwei irakische Zivilisten getötet und vier weitere verletzt. Bei zwei weiteren Angriffen südlich der Hauptstadt starben ein Zivilist und ein Polizist. In Falludscha nahmen US-Soldaten nach Polizeiangaben elf mutmaßliche Aufständische fest.

Die einheimischen Truppen im Irak könnten nach Einschätzung eines hochrangigen US-Kommandeurs bis zum Ende des Sommers rund drei Viertel des Landes kontrollieren.Die USA erhoffen sich von der schrittweisen Übertragung von Verantwortlichkeiten auch eine allmähliche Reduzierung der eigenen Truppen in dem Land. 18. März Zum Jahrestag des US-Einmarsches in den Irak vor drei Jahren hat US-Präsident George W. Bush die Entscheidung zum Krieg gegen wachsenden Unmut in der US-Bevölkerung vertei-digt. „Wir werden diese Mission zu Ende bringen“, sagte Bush in seiner wöchentlichen Rund-funkansprache. Zehntausende Menschen haben kurz vor dem dritten Jahrestag der Invasion im Irak gegen den Krieg protestiert und den Abzug der internationalen Truppen gefordert. In London gingen nach Angaben der Polizei etwa 15.000 Menschen auf die Straße. Die Bombardierung des Irak hatte am 20. März 2003 (19. März US-Ostküstenzeit) begonnen.

Bei den Ermittlungen gegen die Entführer der Deutschen Susanne Osthoff im Irak gibt es nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ einen konkreten Verdacht. Die Bundesanwaltschaft führe seit kurzem den irakischen Scheich Dschamal al-Duleimi als Be-schuldigten, der zu Osthoffs Bekanntenkreis zählt.

Der Anführer einer sunnitischen Extremistengruppe im Irak hat sich nach Angaben der Poli-zei für die Tötung hunderter Schiiten verantwortlich erklärt. Der Mann sei zusammen mit fünf weiteren Extremisten in Dscharaf al Sachr, rund 60 Kilometer südlich von Bagdad, festge-nommen worden, berichtete ein Polizeisprecher. In der Region fielen in den vergangenen zwei Jahren hunderte schiitische Sicherheitskräfte Anschlägen und Verbrechen zum Opfer. 19. März Der frühere irakische Ministerpräsident Ijad Allawi sieht sein Land im Bürgerkrieg. Er habe seit langem auf die Gefahr eines politischen Vakuums im Irak aufmerksam gemacht, sagte Allawi. Selbst wenn sich die politischen Gruppierungen auf eine Regierung der nationalen Einheit zubewegten, so sei dies keine „unmittelbare Lösung“. Die Bundesregierung will nach Worten von Staatsminister Gernot Erler (SPD) angesichts von Kriegen und globalen Verteilungskämpfen den Dialog mit den USA ausbauen. Nur ein enges diplomatisches Zusammenwirken der USA, Russlands und der Europäischen Union könne zu einer friedlichen Lösung der Iran-Krise führen, sagte Erler bei der Frühjahrstagung des Politischen Clubs der Evangelischen Akademie Tutzing bei München. Wenn dieser politische Schulterschluss aufgegeben werde, könne es zu einer Situation wie vor dem Irak-Krieg mit einseitigen militärischen Optionen kommen.

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US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat heute mit einem historischen Vergleich für Aufsehen gesorgt: „Dem Nachkriegsirak den Rücken zu kehren wäre so, als hätten wir Nach-kriegsdeutschland wieder den Nazis überlassen.“

Tausende von Polizisten und Soldaten bewachten heute den Strom der schiitischen Pilger nach Kerbela, wo die Schiiten das Ende der 40-tägigen Trauerzeit für den im Jahr 680 getö-teten Imam Hussein begehen. In Kerbela selbst, wo sich die Gläubigen um den Schrein des Imams versammeln, herrschte ein Fahrverbot.

Die Vorsitzenden der größten politischen Blöcke im Irak haben sich auf die Bildung eines Nationalen Sicherheitsrats geeinigt. Der 19-köpfige Rat soll unter Präsident Talabani die noch zu bildende Regierung beraten, erklärten Verhandlungsteilnehmer in Bagdad.

Bei einer Explosion in einer Fabrik im Irak sind 135 Menschen durch Ammoniakdämpfe ver-giftet worden. Der Zustand einiger Opfer sei ernst, verlautete aus Polizeikreisen.

Der irakische Vizeministerpräsident Ahmed Tschalabi warf dem früheren US-Zivilverwalter im Irak, Paul Bremer, Fehler im Kampf gegen die Gewalt vor. Bremer habe die Lage falsch ein-geschätzt und habe sich das Ausmaß des Widerstands gegen die US-Besatzung nicht klar-gemacht, sagte Tschalabi dem US-Fernsehsender CNN. 20. März Der frühere irakische Ministerpräsident Ijad Allawi hat „ethnische Säuberungen“ im Irak be-klagt. 21. März Bei einem Protestzug zum dritten Jahrestag der US-Invasion im Irak sind vor dem US-Verteidigungsministerium 51 Demonstranten vorübergehend festgenommen worden. Sie wollten Verteidigungsminister Donald Rumsfeld eine Sarg-Attrappe überreichen und kletter-ten dabei über einen Absperrzaun der Polizei.

Rund zwei Monate nach der Entführung der beiden deutschen Ingenieure im Irak geht die Bundesregierung nach ARD-Informationen fest davon aus, dass die beiden noch leben. „In der Tat haben wir keine Hinweise auf irgendeine Katastrophe“, sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler. Eine Spur zu den Entführern gibt es nach seinen Worten immer noch nicht. Wenn hinter der Entführung keine politisch motivierte Gruppe stecke, kön-ne er der Einschätzung zustimmen, „dass das keine schlechte Ausgangsbasis für ein gutes Ende ist“, erklärte Erler. Der SPD-Politiker sprach von „Gerüchten und Spekulationen“, wie sie schon mehrfach aufgekommen seien. „Und sie helfen uns leider nicht weiter“, fügte er hinzu.

Bei einem Rebellenangriff auf eine Polizeistation im Osten Iraks hat es mindestens 28 Tote gegeben. Bei dem Gefecht in Mokdadija etwa hundert Kilometer nordöstlich von Bagdad wurden nach Angaben von Sicherheitskräften 18 Polizisten und zehn Aufständische getötet.

Wegen Misshandlung von Gefangenen im berüchtigten Gefängnis Abu Ghraib im Irak muss einem Hundeführer der US-Armee mit einer Haftstrafe rechnen. Ein US-Militärgericht in Fort Meade bei Washington sprach den 24-jährigen Unteroffizier Michael Smith schuldig. 22. März Im Umland der irakischen Hauptstadt Bagdad haben Aufständische heute eine Polizeiwache mit Granaten angegriffen und dabei vier Polizisten getötet. Bei einer Razzia nach dem Vorfall wurden über 70 Verdächtige festgenommen. In Bagdad beschossen Bewaffnete zwei Fahrzeuge mit schiitischen Pilgern, von denen einer starb. Zwei Polizisten wurden auf dem Weg zum Tatort erschossen. Die Pilger befanden sich auf dem Heimweg von einem großen religiösen Fest in Kerbela, das gestern ohne größere Zwischenfälle zu Ende gegangen war.

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US-Präsident George W. Bush hat die irakischen Politiker erneut zur baldigen Bildung einer Regierung aufgerufen. Das Land brauche dringend eine repräsentative Vertretung, die die Nation einen könne, sagte Bush heute in Wheeling im US-Staat West Virginia. 23. März Britische und amerikanischen Soldaten haben ausländische Geiseln im Irak befreit. Dies bestätigte der britische Außenminister Jack Straw in London. Bei den Männern handelt es sich um drei Friedensaktivisten aus Großbritannien sowie Kanada. Derweil starben bei der Detonation von mehreren Autobomben im Zentrum von Bagdad min-destens sieben Menschen. Nach dem Selbstmordanschlag auf das Hauptquartier einer iraki-schen Anti-Terror-Einheit in Bagdad beläuft sich die Zahl der Toten auf mindestens fünfzehn. 24. März Bei der Explosion eines Sprengsatzes vor einer sunnitischen Moschee, deren Imam von den USA des Aufrufs zum Widerstand beschuldigt wird, sind im Irak fünf Gläubige getötet wor-den. 17 weitere Menschen wurden nach Angaben von Augenzeugen verletzt, als die Bombe in Chalis nördlich von Bagdad nach dem Freitagsgebet explodierte. In Süd-Bagdad erschossen Unbekannte vier Zivilisten. Als die Polizei dort eintraf, detonierte ein Sprengsatz. Ein Polizist starb. Im Jarmuk-Viertel erschossen Aufständische zwei Polizis-ten. In Bagdad entdeckte die Polizei zudem die Leichen von sieben Mordopfern. Bei einem Gefecht zwischen Extremisten und irakischen Soldaten in Mahawil südlich von Bagdad starb ein mutmaßlicher Aufständischer. Ein Selbstmordattentäter sprengte sich in Falludscha ne-ben einem US-Militärkonvoi in die Luft.

Bei erneuten Anschlägen wurden heute im Irak mindestens 17 Menschen getötet. Nahe der südlich von Bagdad gelegenen Stadt Mahmudijah wurden nach Angaben aus Sicherheits-kreisen vier Kinder bei einem Angriff bewaffneter Männer auf das Haus einer Familie von Kugeln tödlich getroffen. 25. März Russland hat laut Pentagon dem Regime von Saddam Hussein aus wirtschaftlichen Gründen im Irak-Krieg geheimdienstliche Informationen über US-Truppenbewegungen und Taktiken geliefert. 27. März Großbritannien wird nach Ansicht von Premierminister Tony Blair die Zahl seiner Soldaten im Irak reduzieren können. Die irakische Regierung entwickle derzeit die Kapazitäten ihrer Si-cherheitskräfte weiter. Im gleichen Maße könne Großbritannien seine Truppen abziehen. Einen Zeitrahmen für den Abzug wollte er nicht nennen.

Bei Kämpfen mit amerikanischen und irakischen Soldaten sind in einer schiitischen Moschee in Bagdad nach Polizeiangaben 22 Menschen getötet worden. Die amerikanischen Streitkräf-te sprachen von 16 getöteten Aufständischen bei der Razzia. 15 weitere seien festgenom-men, eine „nichtwestliche Geisel“ sei befreit worden. Die Moschee sei bei dem Einsatz weder betreten noch beschädigt worden.

In einer Ortschaft nördlich von Bagdad haben die irakischen Streitkräfte 30 zumeist enthaup-tete Leichen entdeckt. Über die Identität der Toten oder die mutmaßlichen Täter machten die Behörden zunächst keine Angaben.

Bei dem Bombenanschlag auf einen Militärstützpunkt im nordirakischen Mossul sind nach Polizeiangaben mindestens 30 Menschen getötet worden. Der Stützpunkt wird gemeinsam von US-Truppen und der irakischen Armee genutzt.

Ein Selbstmordattentäter hat vor einem Rekrutierungszentrum im Nordirak 40 Männer mit in den Tod gerissen.

28. März

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Die Polizei hat in der irakischen Hauptstadt Bagdad Leichen von 14 Männern gefunden, die durch Kopfschüsse getötet wurden. Möglicherweise wurden sie Opfer religiös motivierter Gewalt. Die Spannungen zwischen sunnitischen und schiitischen Moslems hatten sich nach einem Anschlag auf eine bedeutende Schiiten-Moschee in Samarra im vorigen Monat ver-schärft und die Furcht vor einem Bürgerkrieg geschürt. 29 März Zwei US-Soldaten sind heute von irakischen Aufständischen umgebracht worden. In Bagdad haben Bewaffnete in Polizeiuniformen ein Elektronikgeschäft überfallen und mindestens neun Menschen getötet. Der brutale Überfall reiht sich ein in eine Serie von Verbrechen in der irakischen Hauptstadt, die mehr und mehr von offenbar gut organisierten Gewalttätern heimgesucht wird. 30. März Extremisten haben acht Arbeiter eines Elektrizitätswerks in der nordirakischen Stadt Baidschi erschossen.

1. April US-Außenministerin Condoleezza Rice hat zahllose Fehler ihres Landes im Irak eingeräumt, den Einmarsch in den Irak aber gerechtfertigt. „Ja, ich weiß, dass wir taktische Fehler ge-macht haben, tausende taktische Fehler“, sagte Rice gestern auf die Frage, welche Lehren seit dem Einmarsch in den Irak 2003 gezogen werden könnten. Im Ringen um die Regierungsbildung im Irak gerät der amtierende Ministerpräsident Ibrahim al Dschaafari immer stärker unter Druck. Er wurde heute aus Kreisen seiner schiitischen Alli-anz aufgefordert, als Kandidat für die nächste Amtszeit zurückzutreten.

2. April US-Außenministerin Condoleezza Rice und ihr britischer Kollege Jack Straw sind heute zu einem nicht angekündigten Besuch in Bagdad eingetroffen. Die beiden Politiker kündigten an, der irakischen Führung ihre Sorge über die Verzögerung bei der Regierungsbildung ü-bermitteln zu wollen. Seit der irakischen Parlamentswahl im vergangenen Dezember ziehen sich die Verhandlungen zur Bildung einer „Regierung der nationalen Einheit“ hin. Die US-Armee gab unterdessen den Tod von vier ihrer Soldaten bekannt, die den Angriffen Aufständischer zum Opfer fielen.

Für den Frieden im Irak hat Papst Benedikt XVI. zu zwei Tagen des Gebets und des Fastens aufgerufen. «Glaubende und Menschen guten Willens» sollten sich in der Bitte um Frieden und Einigkeit im Irak und der ganzen Welt vereinen.

Der ehemalige Chef des US-Zentralkommandos, Anthony Zinni, hat den Rücktritt von Vertei-digungsminister Donald Rumsfeld gefordert. In einem Interview mit dem Fernsehsender NBC kritisierte der General a. D., im Irak seien «katastrophale Fehler begangen worden».

3. April Nach dem Absturz eines Hubschraubers im Irak hat die US-Armee die beiden Piloten für tot erklärt. Bei der Maschine handele es sich um einen Hubschrauber des Typs AH-64D Apache Longbow, der vermutlich von Aufständischen abgeschossen worden sei. Eine militante Gruppe namens Raschedin-Armee hatte sich im Internet zu dem Angriff bekannt. Bei einem Angriff auf einem belebten Markt der südirakischen Stadt Basra haben Unbekann-te vier Polizisten und ein Kind erschossen. In der Stadt, in der fast ausschließlich schiitische Muslime leben, war es im Vergleich zu Bagdad und den Großstädten im Norden nach dem Sturz des Saddam-Regimes vor drei Jahren vergleichsweise friedlich geblieben.

4. April Das irakische Sondertribunal wird möglicherweise bereits im Mai ein zweites Verfahren ge-gen Ex-Präsident Saddam Hussein eröffnen. Dieses wird sich um die Operation „Anfal“ dre-hen, im Zuge derer die irakische Armee auf Befehl Saddams die Kontrolle über die kurdi-schen Gebiete zurückerobert hat und zehntausende Menschen getötet haben soll. Saddams

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Cousin, General Ali Hassan al-Madschid, auch „Chemie-Ali“ genannt, wird für die schlimms-ten Gräueltaten verantwortlich gemacht und soll mit Saddam auf der Anklagebank sitzen. 13. April Seit dem Bombenanschlag auf den schiitischen Askari-Schrein im nordirakischen Samarra am 23. Februar, der die schlimmsten Auseinandersetzungen zwischen Religionsgruppen seit dem Sturz von Ex-Diktator Saddam Hussein ausgelöst hat, sind nach offiziellen Angaben rund 30.000 Iraker auf der Flucht. Die Internationale Organisation für Migration geht davon aus, dass die Zahl weiter steigen wird. 16. April In der Nähe einer schiitischen Moschee explodierte heute in Mahmudija südlich von Bagdad eine Bombe und tötete nach ersten Angaben mindestens zehn Menschen. 17. April Drei Jahre nach der Invasion im Irak ist US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld zuneh-mend unter Beschuss. Unter seinen Kritikern befindet sich nunmehr auch der frühere NATO-Befehlshaber Wesley Clark. Zuvor hatten sich sechs pensionierte Generäle für eine Demis-sion Rumsfelds ausgesprochen. In Bagdad ist unterdessen der Prozess gegen den irakischen Ex-Machthaber Saddam Hus-sein und sieben Funktionäre seines alten Regimes fortgesetzt worden. Die acht Angeklagten müssen sich in diesem ersten Verfahren wegen der Hinrichtung von 148 Männern aus der irakischen Kleinstadt Dudschail vor Gericht verantworten.

Insgesamt kamen heute bei Bombenanschlägen zwei Menschen ums Leben. In einem sunni-tischen Viertel der Hauptstadt Bagdad lieferten sich Aufständische Schusswechsel mit iraki-schen Streitkräften. Mindestens eine Zivilperson wurde getötet, weitere sieben erlitten Ver-letzungen.

Die ursprünglich für heute geplante Sitzung des irakischen Parlaments ist auf Grund von Uneinigkeiten über die Regierungsbildung verschoben worden.

18. April Ein Bombenanschlag in einem Café in Bagdad hat mindestens sieben Menschen das Leben gekostet. Mehr als 20 wurden nach Angaben der Polizei verletzt. Im Westen Bagdads ent-ging eine Polizeipatrouille einem Anschlag. Ein Autofahrer wurde bei der Explosion verletzt, wie die Sicherheitskräfte mitteilten. Im Viertel Dora entdeckte die Polizei zwei Leichen. In derselben Gegend im Süden Bagdads waren gestern zwölf weitere Leichen gefunden wor-den. 19. April Im Irak sind nach Angaben von regierungsunabhängigen Organisationen seit Anfang des Jahres fast 20.000 Bürger entführt worden. Mehr als 12.000 Männer, fast 5.000 Frauen und rund 2.300 Kinder wurden dem Organisationsbündnis „Irak ohne Gewalt“ zufolge gekidnappt. Außerdem wurden seit Anfang des Jahres fast 3.500 Gewaltakte registriert. Eine Totenzahl wurde nicht genannt, verletzt wurden den Angaben zufolge 15.500 Zivilisten.

In der Universität von Bakuba, rund 60 Kilometer nordöstlich von Bagdad, eröffneten Unbe-kannte das Feuer und töteten drei Professoren, ein weiterer Professor wurde schwer verletzt.

Der umstrittene irakische Ministerpräsident Ibrahim al Dschaafari hat den Weg für die Bil-dung einer neuen Regierung freigemacht. Nun sollen die schiitischen Abgeordneten über die Nominierung des künftigen Regierungschefs entscheiden. 21. April Tausende Gefangene im Irak sind nach Ansicht der UNO illegal inhaftiert. Von knapp 15.000 Häftlingen der irakischen Behörden befänden sich lediglich rund 8.300 rechtmäßig in den Händen des irakischen Justizministeriums. Knapp 6500 Häftlinge würden dagegen von In-nen- und Verteidigungsministerium festgehalten, die dazu nicht befugt seien.

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22. April Der Sunnit Mahmud Maschhadani ist heute zum irakischen Parlamentspräsidenten gewählt worden. Vor der Abstimmung hatte Maschhadanis einziger Konkurrent um das Amt, der Sunnit Salah el Mutlak, seine Bewerbung zurückgezogen.

Der irakische Staatspräsident Dschalal Talabani hat den schiitischen Politiker Dschawad al-Malki mit der Regierungsbildung beauftragt. Talabani war kurz zuvor vom Parlament in Bag-dad in seinem Amt als Präsident bestätigt worden. Al-Malki ist die Nummer zwei an der Spit-ze der Dawa-Partei des bisherigen Übergangsregierungschefs Ibrahim al-Dschafari. Al-Dschafari, der ursprüngliche Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten, war von Sunni-ten und Kurden abgelehnt worden.

Bei einem Bombenanschlag südlich von Bagdad kamen vier US-Soldaten ums Leben. 23. April Bei einem Angriff auf das irakische Verteidigungsministerium mit einer Mörsergranate sind mindestens fünf Menschen getötet worden. Drei weitere Menschen seien verletzt worden, teilte das Innenministerium in Bagdad am Morgen mit. 24. April Im Irak geht die Gewalt auch nach dem Ende der politischen Blockade um die Regierungs-bildung unvermindert weiter. Allein am Morgen starben mindestens neun Menschen bei An-schlägen und Angriffen in Bagdad. Dutzende weitere wurden verletzt, wie das Innenministe-rium mitteilte.

Bei der Explosion einer Autobombe im Bagdader Stadtteil Bab el Moadam kamen drei iraki-sche Zivilisten ums Leben, mindestens 25 erlitten Verletzungen. In dem Unruheviertel El Du-ra im Süden Bagdads erschossen unbekannte Angreifer mindestens sechs Menschen; in einem nahegelegenen Stadtteil wurde darüber hinaus die Leiche eines offenbar Gehenkten gefunden. Bei weiteren Angriffen und Anschlägen in Bagdad und Mahmudija etwa 30 Kilo-meter südlich der Hauptstadt wurden mindestens 12 Menschen verletzt, unter ihnen zwei Polizisten und sechs irakische Soldaten. 25. April Bei neuen Angriffen im Irak sind mindestens zwölf Menschen ums Leben gekommen. 300 Kilometer westlich der den Schiiten heiligen Stadt Kerbela wurden die Leichen von sechs irakischen Angestellten einer Mobilfunkfirma gefunden, wie die Polizei mitteilte. 70 Kilometer nördlich von Bagdad erschossen Rebellen aus zwei Autos heraus zwei Polizisten, die eine Ölpipeline bewachten. Ein dritter Polizist wurde demnach verletzt. In Baakuba etwas weiter südlich töteten Rebellen einen Zivilisten und seine zehnjährige Tochter. Weitere tödli-che Zwischenfälle gab es in dem Bagdader Schiitenviertel Sadr-City und in Mahmudijah süd-lich der irakischen Hauptstadt. Insgesamt wurden zehn Menschen verletzt.

Der Anführer der El-Kaida-Terroristen im Irak, Abu Mussab al-Sarkawi, hat sich erstmals mit einer Videobotschaft zu Wort gemeldet. Darin greift der jordanische Top-Terrorist persönlich US-Präsident George W. Bush an und erklärt, seine Extremistengruppe werde den Kampf gegen die „Kreuzritter“ fortsetzen.

Der von den irakischen Schiiten nominierte Ministerpräsident Dschauad al-Maliki hat Koaliti-onsgespräche über eine Regierung der nationalen Einheit aufgenommen. 26. April Die USA haben dem designierten irakischen Ministerpräsidenten Dschawad al-Maliki ihre volle Unterstützung zugesagt. Bei der Besetzung der Fachministerien sei es jetzt wichtig, Personen nach ihrer Kompetenz und nicht nach ihrer Religionszugehörigkeit zu wählen, sagte US-Außenministerin Condoleezza Rice auf dem Weg zu einem Besuch in Bagdad. Al-Maliki hatte zuvor in einem Interview des Nachrichtensenders Al-Arabija erklärt, als Verteidigungs- und Außenminister wolle er zwei unabhängige Politiker ernennen.

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Derweil starben bei der Explosion eines Kleinbusses in Ost-Bagdad nach Polizeiangaben drei Iraker. Drei weitere Menschen wurden verletzt. Im westlichen Stadtteil Amirija kamen zwei Zivilisten durch einen Sprengsatz ums Leben, der neben einer US-Militärpatrouille de-tonierte.

Die US-Armee berichtete, amerikanische Truppen hätten gestern beim Sturm auf ein Extre-misten-Versteck in Al-Jussifija südlich von Bagdad zwölf mutmaßliche Terroristen und eine Frau getötet. 27. April Bei einem Anschlag auf ein Fahrzeug der multinationalen Truppen im Irak sind drei Italiener und ein Rumäne getötet worden. Italien hat seit Juni 2003 rund 2900 Soldaten im rak statio-niert, die bis Ende des Jahres abgezogen werden sollen. Rumänien hat etwa 860 Soldaten im Irak stationiert.

Die US-Regierung legt sich weiterhin nicht auf einen Zeitplan für den Abzug ihrer Truppen im Irak fest. Obwohl mittlerweile 250.000 irakische Soldaten ausgebildet seien, könne das Ver-teidigungsministerium nicht sagen, bis wann die US-Soldaten nach Hause kehren könnten. Im März hatte Präsident Bush angedeutet, dass ein Abzug wohl nicht mehr in seiner Amts-zeit geschehen werde. 28. April Bei einer groß angelegten Serie von Angriffen von Aufständischen im Irak sind gestern dem US-Militär zufolge 30 Menschen getötet worden. Mehr als 100 Kämpfer hätten sich in Baku-ba an dem Sturm auf Posten der irakischen Sicherheitskräfte beteiligt, teilte das Militär mit. Bei den Toten handele es sich um 21 Aufständische, sieben irakische Soldaten und zwei Zivilisten.

Nach Angaben der US-Armee kam einer ihrer Soldaten gestern Abend im Norden der Haupt-stadt Bagdad ums Leben, als sein Fahrzeug durch einen explodierenden Sprengsatz zerris-sen wurde.

29. April Die US-Armee hat im Zuge des Folter-Skandals im Militärgefängnis Abu Ghraib im Irak nach mehreren Verfahren gegen Soldaten niedriger Dienstränge nun auch einen Oberstleutnant angeklagt. Steven Jordan leitete Ende 2003 die Verhörzentrale des berüchtigten Gefängnis-ses bei Bagdad. Die Anklage wirft ihm unter anderem vor, Gefangene gezwungen zu haben, nackt ins Verhör zu gehen und sie durch Hunde eingeschüchtert zu haben. Bei neuen Angriffen im Irak sind mindestens sieben Menschen getötet und 16 weitere ver-letzt worden.

Tausende Kriegsgegner sind heute durch die Straßen von New York gezogen, um ihrer For-derung nach dem Abzug aller US-Truppen aus dem Irak Nachdruck zu verliehen. Der Pro-testmarsch durch den Süden Manhattans soll nach Angaben des Veranstalters, der Organi-sation „United for Peace“, auch die Regierung von US-Präsident George W. Bush vor einem möglichen Militärschlag gegen den Iran warnen. 1. Mai Der frühere US-Außenminister Colin Powell hat in einem Interview des britischen Fernseh-senders ITV die Militärstrategie der US-Regierung zu Beginn des Irak-Kriegs in Frage gestellt. Er habe der Regierung noch vor der Invasion im März 2003 empfohlen, mehr Truppen in den Irak zu senden. Im Januar hatten Pentagon-Vertreter eingeräumt, dass auch der damalige Leiter der US-Zivilverwaltung im Irak, Paul Bremer, eine deutlich höhere Zahl von US-Soldaten gefordert hatte. 2. Mai

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Die deutschen Irak-Geiseln sind nach Angaben von Außenminister Frank-Walter Steinmeier frei. Die Leipziger Techniker Thomas Nitzschke und René Bräunlich seien nach 13 Wochen wieder in Sicherheit, sagte der Minister in Santiago de Chile. Die Nachricht stieß in Deutsch-land auf Erleichterung.

Im Jahr 2005 sind mindestens 63 Journalisten getötet worden. Dies sei die höchste Zahl seit zehn Jahren, heißt es in dem heute in Berlin vorgelegten Jahresbericht von „Reporter ohne Grenzen“. Die meisten Medienleute starben während der Ausübung ihres Berufs im Irak, so die Menschenrechtsorganisation anlässlich des morgen stattfindenden Internationalen Tages der Pressefreiheit.

Irakische und US-Soldaten haben in der vergangenen Woche im Irak nach US-Armeeangaben mehr als 100 Aufständische getötet. Bei den Kämpfen in Ramadi seien auch zwei irakische Soldaten ums Leben gekommen. 3. Mai Das Auswärtige Amt geht von einem kriminellen Hintergrund der glücklich geendeten Entfüh-rung der zwei Leipziger im Irak aus. „Alles spricht dagegen“, dass die Täter zum „harten Kern der Terroristen mit politischen Forderungen“ gehörten, sagte Staatsminister Gernot Erler. Es gebe Hinweise, dass die Entführer zu jener „Geiselindustrie“ gehörten, die sich im Irak entwi-ckelt habe und der mehr Einheimische als Ausländer zum Opfer fielen. Ein Selbstmordattentäter hat in der westirakischen Aufständischen-Hochburg Falludscha zehn Menschen mit in den Tod gerissen. Er sprengte sich nach Polizeiangaben mit seinem Sprengstoffgürtel inmitten einer Gruppe von Bewerbern für den Polizeidienst in die Luft, die vor der Hauptwache in Falludscha warteten.

Das irakische Parlament ist heute zu seiner ersten Arbeitssitzung zusammengekommen. Zu Beginn der Beratungen in Bagdad erschienen 154 von 275 Abgeordneten, wie der Parla-mentspräsident Mahmud Matschhadani mitteilte. Auf der Tagesordnung standen die Bildung eines Ausschusses, der Änderungsvorschläge zur Verfassung vorlegen soll, sowie eines zweiten Ausschusses, der die internen Regelungen zum Parlament erarbeiten soll. Das Par-lament war am 15. Dezember gewählt worden. 4. Mai Nach der Freilassung der beiden deutschen Irak-Geiseln hat der Staatsminister im Auswärti-gen Amt, Gernot Erler (SPD), dringend vor Reisen in den Irak gewarnt. „Wir hoffen, dass der aktuelle Entführungsfall einen Lerneffekt erzeugt, dass also unsere Warnungen endlich ernst genommen werden, sagte Erler der „Berliner Zeitung“. Ausländer seien im Irak äußerst gefährdet. „Kein Deutscher sollte in den Irak reisen - das ist die klare Empfehlung des Auswärtigen Amtes“, betonte Erler.

Ein Selbstmordattentäter hat in Ost-Bagdad zehn Menschen mit in den Tod gerissen. Nach Angaben der Polizei zündete er seinen Sprengstoffgürtel neben dem Gebäude eines Famili-engerichts, in dessen Umkreis zahlreiche Geschäfte liegen. 33 weitere Menschen wurden laut Augenzeugen verletzt.

6. Mai Ein Selbstmordattentäter hat heute seinen Sprengsatz auf einem irakischen Stützpunkt ge-zündet und drei irakische Soldaten mit in den Tod gerissen. Beim Absturz eines britischen Militärhubschraubers bei der südirakischen Hafenstadt Basra sind alle vier Soldaten an Bord getötet worden.

7. Mai US-Präsident George W. Bush hat in einem Zeitungsinterview Verständnis für die Weigerung Deutschlands gezeigt, den Irak-Krieg zu unterstützen. In einem Interview der „Bild am Sonn-tag“ sagte Bush auf die Frage, ob die USA sich von den Deutschen im Krieg gegen Saddam

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Hussein im Stich gelassen fühlten: „Ich habe langsam erkannt, dass es in der Natur der deutschen Bevölkerung ist, dass sie Krieg verabscheuen.“ Bei einem Anschlag in der schiitischen Pilgerstadt Kerbela südlich von Bagdad sind mindes-tens 20 Menschen ums Leben gekommen. Nach Augenzeugenberichten explodierte an ei-nem Kontrollpunkt der irakischen Armee in der Nähe des Rathauses von Kerbela eine Auto-bombe.

Bei einem weiteren Anschlag in Bagdad kamen der Attentäter sowie ein Zivilist ums Leben. 12. Mai Im Irak sind vier US-Soldaten bei einem Unfall getötet worden. Wie die Streitkräfte mitteilten, stürzte ihr Panzer gestern bei Karma in der Provinz Anbar von einer Brücke in einen Kanal. Seit Beginn des Kriegs im März 2003 sind damit nach einer Zählung der Nachrichtenagentur AP mindestens 2.434 Angehörige der US-Streitkräfte ums Leben gekommen. 14. Mai Der Irak ist am Sonntag von einer neuen Welle der Gewalt erschüttert worden. Mehr als 30 Menschen wurden getötet und Dutzende verletzt. Bei zwei Selbstmordanschlägen in der Nä-he des US-Lagers Camp Victory in der Nähe des Flughafens von Bagdad kamen mindestens 14 Iraker ums Leben. Bei einem Attentat auf einen Konvoi von Außenminister Hoscher Seba-ri nördlich von Bagdad wurden drei seiner Leibwächter getötet. Bereits gestern tötete eine Bombe zwei britische Soldaten im südlichen Basra.

Der Gouverneur von Basra suspendierte den Polizeichef der Stadt, dem er Untätigkeit ge-genüber in- und ausländischen „Terroristen“ vorwarf.

15. Mai Bei neuen Angriffen im Irak sind mindestens neun Menschen getötet und sieben weitere ver-letzt worden. Bei den Toten handelt es sich um acht Zivilisten und einen irakischen Soldaten, wie aus Sicherheitskreisen verlautete. Im Irak haben Aufständische gestern bei Gefechten südlich von Bagdad einen US-Hubschrauber abgeschossen und zwei Soldaten getötet.

Im Prozess gegen den früheren irakischen Präsidenten Saddam Hussein hat der Vorsitzen-de Richter am Montag die Anklageschrift verlesen. Wegen des Massakers an Einwohnern des schiitischen Dorfs Dudschail 1982 muss sich der Ex-Diktator unter anderem wegen Verbre-chen gegen die Menschlichkeit, Folter, Mordes und Hinrichtung von Minderjährigen verant-worten. Saddam bekräftigte, dass er das Gericht nicht anerkenne.

Wie heute bekannt wurden, kamen bereits gestern sechs US-Soldaten bei verschiedenen Anschlägen und Kämpfen im Irak ums Leben.

Im Ringen um die Regierungsbildung kündigte der irakische Präsident Dschalal Talabani an, er werde kein Kabinett akzeptieren, in dem noch wichtige Posten wie Verteidigung und Inne-res unbesetzt seien. Gestern hatte ein schiitischer Parlamentsabgeordneter gesagt, mögli-cherweise werde der designierte Regierungschef Nuri el Maliki sein Kabinett zunächst ohne die Chefs dieser beiden Ressorts aufstellen.

Das US-Militär hat nach eigenen Angaben bei Gefechten südlich von Bagdad mehr als 40 irakische Aufständische getötet. 16. Mai Bei Anschlägen im Irak sind mindestens 41 Menschen ums Leben gekommen. Allein bei einer Schießerei und einem nachfolgenden Bombenanschlag in der irakischen Hauptstadt Bagdad wurden nach Angaben des Innenministeriums mindestens 23 Menschen getötet und 38 weitere verletzt. Bewaffnete hätten an einer Bushaltestelle neben einem belebten Markt in die Menge geschossen, kurz darauf explodierte eine Autobombe.

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Bewaffnete haben in Bagdad einen Diplomaten der Vereinigten Arabischen Emirate entführt, wie die Polizei mitteilte. Die Angreifer schossen einen Wachmann nieder, als sie den Diplo-maten aus seinem Haus im Stadtteil Mansur verschleppten. 18. Mai Ein US-Abgeordneter hat im Zusammenhang mit dem Tod von 15 Zivilisten im Irak schwere Anschuldigungen gegen die US-Armee erhoben. Nach einem Attentat auf US-Truppen in Haditha im vergangenen November hätten die Soldaten nach dem Tod eines ihrer Kamera-den „überreagiert“ und „kaltblütig unschuldige Zivilisten“ getötet, sagte der ehemalige Ar-meeoffizier John Murtha in Washington. Die Zivilisten seien nicht, wie von der Armee offiziell erklärt, durch eine am Straßenrand detonierte Bombe, sondern durch Schüsse aus nächster Nähe getötet worden, sagte Murtha.

Der neue italienische Regierungschef Romano Prodi hat seine Ankündigung aus dem Wahl-kampf bekräftigt und einen Rückzug der italienischen Truppen aus dem Irak angekündigt. Die Regierung werde dem Parlament den Rückzug der ca. 2.600 Soldaten vorschlagen. „Der Krieg im Irak war ein schwerer Fehler, weil er das Problem der Sicherheit nicht gelöst, son-dern noch verschärft hat“, kritisierte Prodi unter dem Protest der Mitte-rechts-Opposition.

Zwei Tage vor der erwarteten Vorstellung der neuen irakischen Regierung hat die Gewalt im ganzen Land unvermindert angehalten. Mindestens 23 Menschen, darunter vier US-Soldaten, wurden bei Anschlägen und Übergriffen getötet.

Die Zahl der amerikanischen Toten seit der US-Invasion im März 2003 stieg damit nach ei-ner Zählung der Nachrichtenagentur AP auf 2.455.

US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld weigerte sich unterdessen, dem Kongress Zu-sagen für einen größeren Truppenabzug aus dem Irak noch in diesem Jahr zu machen. Er könne nicht versprechen, dass es bis Jahresende zu einem Truppenabzug von größerem Ausmaß kommen werde.

19. Mai Die anhaltende Gewalt im Irak hat mindestens 17 weitere Menschenleben sowie Dutzende Verletzte gekostet. 20. Mai Bei einem Bombenanschlag im Osten der irakischen Hauptstadt Bagdad sind nach Angaben aus Regierungskreisen 19 Menschen ums Leben gekommen. Weitere 36 Menschen wurden verletzt, als der Sprengsatz im Schiitenviertel Sadr City explodierte, wie es im irakischen In-nenministerium hieß. Fünf Monate nach der Parlamentswahl im Irak haben die Abgeordneten die neue irakische Regierung des designierten Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki im Amt bestätigt. Vorausge-gangen war eine zähe Debatte um die Besetzung der Posten, wobei zunächst offen blieb, wer künftig das Verteidigungs- und wer das Außenressort leiten wird. 21. Mai Einen Tag nach der Einsetzung einer neuen Regierung der nationalen Einheit sind bei neuer Gewalt im Irak elf Menschen ums Leben gekommen und 42 verletzt worden. 22. Mai Sowohl Außen- als auch Verteidigungsressort der neu gebildeten Regierung sollen zunächst eine provisorische Führung erhalten. Die Besetzung dieser für die Sicherheitslage wichtigen Ministerien scheiterte an bisher an innerirakischen Konflikten, aber auch an den Vorstellun-gen der USA, die aber insgesamt die neue Regierung als „neues Kapitel in der irakischen Geschichte“ lobten. Die Wiederherstellung der Sicherheit definierte Ministerpräsident al-Maliki als oberste Priori-tät seiner Regierung.

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Der britische Premierminister Tony Blair hat als erster ausländischer Regierungschef bei einem unerwarteten Besuch im Irak Gespräche mit der neuen Regierung geführt. Dies gab Anlass zu Vermutungen über einen möglichen Teilabzug der britischen Truppen noch in die-sem Jahr. 26. Mai: Der irakische Tennisnationaltrainer und zwei seiner Schützlinge werden vermutlich wegen des Tragens kurzer Hosen in Bagdad entführt und hingerichtet. Im südirakischen Basra werden die Leichen von zehn Folteropfern gefunden, ein sunniti-scher Imam wird auf offener Straße von Unbekannten erschossen. Doch es gibt auch einen Erfolg im Kampf gegen den Terror: Ein entfernter Verwandter Sad-dam Husseins und vermeintlicher Anführer des Widerstandes wird bei Kirkuk verhaftet. Bush und Blair gestehen unterdessen erstmals Fehler in ihrer Irakpolitik ein, z. B. was die die Entlassung der Armee betrifft. 29. Mai: Der irakische Ort Haditha rückt nach und nach in den Fokus von Medien und Öffentlichkeit. US-Marines sollen dort 24 Zivilisten in einer Racheaktion erschossen haben. 30. Mai: Die UNO spricht von etwa 80.000 Binnenflüchtlingen im Irak. Außerdem nimmt die Fragmen-tierung des Irak immer weiter zu: Mehr und mehr Sunniten wandern in überwiegend sunniti-sche Provinzen ab, auch Schiiten verlassen Provinzen, in denen sie in der Minderheit sind. 31. Mai: Die Hinweise auf eine gezielte Tötung von Zivilisten durch US-Soldaten verdichten sich: Am 19. November 2005 gab es in Haditha einen Bombenanschlag auf einen US-Konvoi, bei dem ein Marine starb. Anscheinend zogen daraufhin seine Kameraden auf der Suche nach Ver-antwortlichen durch die Stadt und töteten 24 Menschen. Abschließend soll die Tat verschlei-ert worden sein. Der Ministerpräsident al-Maliki verhängt einen einmonatigen Ausnahmezustand über die bisher relativ friedlich gebliebene Stadt Basra, dort waren in den letzten Wochen hunderte Menschen in Bandenkriegen getötet worden. Binnen 24 Stunden wurden im ganzen Land 40 Leichen gefunden, teilweise Opfer schwerer Folterungen. 1. Juni 2006: Neun Iraker, darunter eine schwangere Frau und eine Mutter mit ihrem sieben Monate alten Baby, werden von US-Soldaten erschossen. Die Beweise für ein Fehlverhalten amerikanischer Soldaten im Zusammenhang mit den Vor-gängen in der irakischen Stadt Haditha erhärten sich. Es werden vermehrt Parallelen zu Abu Ghureib und auch dem vietnamesischen Ort My Lai gezogen, in dem 1968 503 Zivilisten von Soldaten der US-Armee ermordet worden waren. 2. Juni: Es mehren sich Hinweise auch auf weitere Massaker an Zivilisten. So sollen in der irakischen Stadt Ischaki 11 Iraker – überwiegend Frauen und Kinder – getötet worden sein. Im Falle eines entführten und dann von Marines hingerichteten Mannes drohen mehrere Haftstrafen. Insgesamt sterben an diesem Freitag fünf Menschen bei Bombenanschlägen in der Haupt-stadt Bagdad. 3. Juni:

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Der al-Qaida-Führer im Irak, der Sunnit Abu Mussab al-Sarkawi, ruft in einer Audiobotschaft zum Bürgerkrieg auf gegen die schiitischen Landsleute auf. Seine Hetze trifft auf offene Ohren, seit im Februar 2006 eines der wichtigsten schiitischen Heiligtümer durch einen Bombenanschlag zerstört worden und daraufhin ein bürgerkriegs-ähnlicher Zustand ausgebrochen war. Insgesamt 45 Bürger werden bei Anschlägen in ganz Irak getötet, viele weitere schweben noch in Lebensgefahr. Ein russischer Diplomat wird Opfer eines Überfalls, bei dem vier wei-tere Russen entführt werden. 4. Juni: Die Serie von Gewaltakten im Irak reißt nicht ab: 34 Menschen werden bei Schusswechseln in verschiedenen Teilen Bagdads getötet. 5. Juni: Auch an diesem Tag gibt es zahlreiche Opfer unter der irakischen Zivilbevölkerung, so wer-den beispielsweise 50 Menschen aus einer Touristikfirma von als Polizisten getarnten Rebel-len entführt. Die Besetzung der noch immer strittigen Kabinettsposten für Verteidigung und Inneres ist weiterhin offen. In den ersten fünf Monaten des Jahres fielen 6000 Menschen den Gewaltakten im Irak zum Opfer. 6. Juni: Als Geste der nationalen Aussöhnung kündigt Ministerpräsident al-Maliki die Freilassung von 2500 Gefangen an. 7. Juni: Die ersten ca. 600 Gefangenen werden aus irakischen und amerikanischen Gefängnissen entlassen. Auch an diesem Tag werden zahlreiche Menschen Opfer der Gewalt im Irak: In Basra wer-den 14 Menschen aus einem fahrenden Auto heraus erschossen, im Nordirak werden drei Studenten vor ihrem Wohnheim sowie ein sunnitischer Hassprediger ermordet, in Bagdad kommen bei einem Bombenanschlag zwei Menschen ums Leben. 8. Juni: Ein erfolgreicher Tag für die neue Regierung al-Maliki und die US-Regierung: Es werden nicht nur die Schlüsselressorts Verteidigung und Inneres endlich besetzt, sondern es gelingt auch der bisher bedeutendste Schlag gegen den Terrorismus im Irak, die Tötung des Jordaniers Abu Mussab al-Sarkawi. Der al-Qaida-Vertreter im Irak, auf den ein Kopfgeld von 25 Millionen $ ausgesetzt war, starb am 7. Juni nördlich der Stadt Bakuba durch einen amerikanischen Luftangriff. 11. Juni: Auch nach der Ausschaltung al-Sarkawis gehen die Anschläge unvermindert weiter. 14 Menschen sterben im Irak durch Schüsse und Bomben. Andererseits sind auch neue Erfolge im Kampf gegen den Terrorismus zu vermelden, im ganzen Land werden bei Razzien 40 Verdächtige festgenommen. 12. Juni: 16 Menschen sterben bei Anschlägen, etwa ein Dutzend weitere bei Luftschlägen der Ameri-kaner auf mutmaßliche Terroristenverstecke. 13. Juni:

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Bush stattet dem Irak einen Überraschungsbesuch ab, den zweiten seit dem Einmarsch im Frühjahr 2003. Dabei lobte er die die Verfolgung der Terroristen und die Fortschritte bei der Regierungsbildung. Am selben Tag sterben fast 50 Menschen, allein im nordirakischen Kirkuk etliche bei einer Serie von Autobomben. 15. Juni: Die US-Armee gibt bekannt, dass im Verlauf der Irakoperation mittlerweile 2500 Soldaten gefallen sind, knapp 18.500 sind verwundet worden. Unterdessen verüben Rebellen und Terroristen weiterhin Anschläge im Irak. Ein Ägypter, al-Muhadschir, wird neuer Qaida-Chef im Zweistromland. 16. Juni: Mindestens elf Menschen sterben bei einem Attentat auf eine schiitische Moschee in Bag-dad. Trotz der kaum verbesserten Sicherheitslage wollen aber die Iraker schon im Juni die Sicherung des Südiraks übernehmen, mehrere dort stationierte US-Verbündete kündigen daraufhin ihren Rückzug an. 17. Juni: Auch heute sterben trotz der eingeleiteten Sicherheitsoffensive allein im Großraum Bagdad 27 Menschen. Insgesamt werden fast 40 getötet. 19. Juni: In seinem Schlussplädoyer fordert der Ankläger des Ex-Präsidenten Saddam die Todesstra-fe für ein Massaker in der schiitischen Stadt Dudschail. Saddam quittiert dieses Strafmaß mit einem Lächeln. 20. Juni: Zwei am 16. Juni entführte US-Soldaten werden ermordet aufgefunden, al-Qaida bekennt sich zu dem Anschlag. Bei einer Razzia nahe der Rebellenhochburg Bakuba werden 15 Auf-ständische getötet, dem Terror kann dennoch kein Einhalt geboten werden: Im ganzen Land sterben mindestens acht Menschen. Japans angekündigter Truppenabzug bis Ende Juli wird von den Amerikanern als Signal ei-ner verbesserten Sicherheitslage interpretiert. 21.Juni: Ein weiterer Anwalt Saddams ist Opfer eines Anschlags geworden. Der mittlerweile dritte getötete Verteidiger des Ex-Präsidenten ist von getarnten Rebellen morgens aus seinem Haus entführt und wenige Stunden später erschossen aufgefunden worden. Extremisten kündigen an, die am 3. Juni entführten Russen zu ermorden, da sich die russi-sche Regierung weigerte, ihre Truppen aus Tschetschenien abzuziehen. 22. Juni: Es wird bestätigt, dass australische Soldaten am Mittwoch versehentlich zwei irakische Leibwächter des Handelsministers erschossen haben. Dieser kündigte daraufhin an, sich für Sanktionen gegen Australien einzusetzen, sollte keine Entschuldigung bzw. Entschädigung für die „absichtliche und ungerechtfertigte kriminelle Aggression“ erfolgen. Nach der Ermordung eines seiner Anwälte treten Saddam Hussein und 55 Mitgefangene in einen Hungerstreik. Der US-Senat erteilt einem kompletten Truppenabzug bis zum 1. Juli 2007 eine klare Absa-ge.

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23. Juni: Der al-Qaida Vize-Chef, der Ägypter al-Sawahiri, droht in einer Videobotschaft mit Vergel-tungsschlägen für die Ermordung des lokalen Qaida-Anführers im Irak, al-Sarkawi, der vor zwei Wochen getötet worden war. 25. Juni: Die am 3. Juni entführten russischen Botschaftsmitarbeiter sind, wie es eine Videobotschaft nahe legt, von einer Qaida-nahen Gruppe hingerichtet worden. 26. Juni: Bei Anschlägen auf zwei nordirakische Märkte werden mindestens 40 Menschen getötet. Am Abend sprengt sich ein Selbstmordattentäter bei einer schiitischen Beerdigung in die Luft und reißt 25 Menschen mit sich in den Tod. 30. Juni: In einer Bin Laden zugeschriebenen Tonbandaufnahme würdigt Qaida-Chef Osama bin La-den den getöteten al-Sarkawi als Märtyrer und „Löwen des Islam“. Er kündigt eine Fortset-zung der Anschläge unter dem neuen Mann der al-Qaida im Irak, Abu Hamsa al-Muhadschir, an. Deren Verhinderung dürfte auch in Zukunft nicht einfacher werden: In einem auf für die Verbündeten Briten und Amerikaner überraschenden Schritt kündigt Rumänien an, seine 890 Soldaten aus Kostengründen abzuziehen. 1. Juli 2006: Das Verhältnis zwischen Sunniten und Schiiten wird durch einen verheerenden Anschlag auf einen schiitischen Markt in der Hauptstadt Bagdad, bei dem mehr als 60 Menschen sterben, erneut erschüttert. Schon wieder meldet sich Osama Bin Laden zu Wort, diesmal mit einer Warnung an alle Schiiten im Irak, dass es keine Sicherheit gäbe, solange Sunniten im Irak liquidiert würden. Auch die Slowakei schert aus der „Koalition der Willigen“ aus und kündigt einen Truppenab-zug an. 3. Juli: 28 Menschen, darunter zwei US-Soldaten, sterben, bei Anschlägen, Gefechten und Schieße-reien im ganzen Land. Jordanien verweigert die Auslieferung von Saddams Ehefrau, die seit dem Vortag u.a. mit ihrer Tochter auf der Liste der meistgesuchten Widerständler steht, die Ministerpräsident al-Maliki veröffentlichte. Dessen Initiative zur Nationalen Aussöhnung verläuft indes im Sand, nur wenige Rebellen-gruppen nehmen sein Angebot zur Aussprache an. 4. Juli: Der Mensch verroht im Krieg. Dieser Grundsatz bewahrheitet sich auch im Irak: Verschiede-ne Fälle von Vergewaltigung und Mord durch US-Soldaten drangen bisher ans Licht der Öf-fentlichkeit. Mittlerweile drohen in mehreren Prozessen vor Militärgerichten Todesstrafen für die angeklagten amerikanischen Soldaten. 5. Juli: Mindestens zehn Menschen sterben am Mittwoch durch Anschläge und Attentate im Irak. Auf besonders grausame Art und Weise kommt der Inhaber eines Geschäftes für Baumate-rialien ums Leben. Laut Polizei stachen ihm bewaffnete Männer vor seiner Frau und den Kindern die Augen aus, banden ihn an einem Auto fest und schleiften seinen Körper über die Straße bevor sie ihn erschossen. 6. Juli:

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In der irakischen Hauptstadt Bagdad sind binnen 24 Stunden 35 Leichen gefunden worden. Die meisten dieser Menschen seien gefoltert und erschossen worden, teilte die Polizei am Donnerstagmorgen mit. Allein im westlichen Stadtviertel Amirijah seien fünf Tote entdeckt worden. Im Irak werden Tag für Tag dutzende Leichen von erschossenen oder enthaupteten Menschen gefunden. Bei einem Anschlag nahe einem schiitischen Schrein in Kufa werden 13 Pilger – darunter auch mehrere Iraner – getötet. 7. Juli: Die Gewalt zwischen den Religionsgruppen hat auch heute wieder dutzende Opfer zur Fol-ge, sowohl auf schiitischer wie auch auf sunnitischer Seite sterben zahlreiche Gläubige beim Gebet durch Anschläge. 9. Juli: Die Gewalt zwischen Schiiten und Sunniten in Bagdad droht zu eskalieren. Bei einem Mas-saker an Zivilisten sowie mehreren blutigen Anschlägen in der irakischen Hauptstadt kom-men am Sonntag innerhalb weniger Stunden Dutzende Iraker ums Leben. Im Westen der Stadt errichten Bewaffnete Straßensperren und suchen anhand von Ausweispapieren sunni-tische Opfer, die auf der Stelle erschossen werden. Nach Polizeiangaben sterben mindes-tens 30 Sunniten. Augenzeugen sprechen von bis zu 50 Toten. 10. Juli: Die Appelle des Ministerpräsidenten al-Maliki zur Zurückhaltung verpuffen ungehört: Beim ersten Bombenanschlag am Montag im Osten Bagdads werden zwölf Menschen in den Tod gerissen und 62 verletzt. Wenig später detoniert ein zweiter Sprengsatz vor einem Re-staurant im Geschäftsviertel der Innenstadt, wobei sechs Menschen getötet werden und 28 weitere Verletzungen erleiden. Bei einem Anschlag auf einen Pendler-Bus in einem immer wieder von Gewalt erschütterten Sunniten-Viertel Bagdads töten bewaffnete Angreifer zu-dem sieben Menschen. 12. Juli: "Jedes Mal, wenn ich im Irak bin, sehe ich Fortschritte". US-Verteidigungsminister Rumsfeld kann seinem Besuch trotz Dutzender Toter allein an diesem Tag etwas Positives abgewin-nen. Unterdessen gerät der Prozess gegen Ex-Präsident Saddam Hussein ins Stocken. Er und seine Anwälte boykottieren das Tribunal, der vorsitzende Richter stirbt an Krebs. 16. Juli: Fast 60 Personen werden im ganzen Land bei Anschlägen auf Cafés, Marktplätze und Kon-trollpunkte von Aufständischen ermordet. 19. Juli: Entführungen, Bomben, Hinrichtungen, Folter – Bagdad bleibt in diesen Tagen keine Gewalt-tat erspart. Nach Angaben der UN sterben etwa 100 Menschen jeden Tag bei Zwischenfällen im Irak. 22. Juli: Der Aussöhnungsplan al-Malikis trifft auf Hindernisse: Es herrscht Uneinigkeit über eine ge-plante Amnestie für Aufständische. Während die Schiiten die Verurteilung der überwiegend sunnitischen Rebellen verlangen, fordern die Sunniten den Widerstand gegen die amerikani-schen Truppen nicht zu kriminalisieren. 24. Juli: Im Verlauf des Amerika-Besuchs von Ministerpräsident al-Maliki mehren sich kritische Stim-men zu seiner Amtsführung. So wird bemängelt, dass er sich schiitischen Milizen nicht ener-

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gisch genug entgegen stelle, außerdem sei sein Sicherheitskonzept für Bagdad grandios gescheitert. Etliche Tote am Vortag bestätigen diese Einschätzung. 25. Juli: Ohne einen einzigen Schuss abgegeben zu haben beendet Japan seinen Militäreinsatz im Irak. Es werden weitere Truppenerhöhungen für Bagdad beschlossen. 26. Juli: Saddam erscheint das erste Mal seit gut einem Monat wieder vor Gericht. Prompt beschimpft er seinen Pflichtverteidiger als "Feind" und verlangt – sollte ihn das ohnehin "nicht zuständi-ge" Gericht verurteilen – den Tod durch Erschießung, wie es sich für einen Militär gehöre, und nicht durch den Strang. 15 Menschen werden von als Polizisten getarnten Männern entführt. 27. Juli: Beim Anschlag auf ein Einkaufzentrum in einem von Schiiten und Christen bewohnten Viertel (in der Nähe der gestrigen Entführung) werden in Bagdad 32 Menschen getötet und weit mehr als 100 verletzt. Statt möglichst bald Soldaten abzuziehen, muss US-Verteidigungsminister Rumsfeld ankün-digen, 3500 Soldaten vier Monate länger als geplant im Irak zu stationieren. 28. Juli Die Anzahl der US-Soldaten im Irak steigt zumindest vorübergehend an. Das Pentagon ver-längert kurzfristig den einjährigen Einsatz einer bisher im Nordirak operierenden Brigade um bis zu vier Monate. Da der Ersatz für die Soldaten, die ursprünglich im Laufe der kommen-den zwei Wochen heimkehren sollten, bereits planmäßig eingetroffen ist, steigt die Soldaten-zahl von bisher 127 000 auf mehr als 130 000. Betroffen von der Verlängerung sind nach Medienberichten etwa 3700 Soldaten, die nun zur Verstärkung nach Bagdad geschickt werden sollen. 200 Soldaten der Brigade sollten ur-sprünglich an diesem Wochenende nach Hause fliegen, hieß es weiter. Zudem müsse sich ein Teil der 800 Angehörigen der Brigade, die bereits in den vergangenen Tagen in ihre Heimat zurückverlegt worden sind, auf eine erneute Entsendung binnen kürzester Zeit ein-stellen. Heute kommen bei Anschlägen und Kämpfen im Irak mindestens 17 Menschen ums Leben. In der nordirakischen Großstadt Kirkuk werden drei Iraker durch die Explosion eines Spreng-satzes getötet, der für ein Fahrzeug einer privaten Sicherheitsfirma bestimmt gewesen ist. Drei irakische Soldaten sterben im Norden von Tikrit, 180 Kilometer nördlich von Bagdad, als ihre Patrouille von Aufständischen überfallen wird. Bei einem ähnlichen Rebellenangriff auf eine irakische Streife kommen in Howeidscha nahe Kirkuk zwei Menschen ums Leben. In Diwanija südlich von Bagdad ermorden Unbekannte einen Stammesführer und seinen Sohn, in Beidschi nördlich der Hauptstadt den örtlichen Direktor der Eisenbahnverwaltung. 29. Juli Bei einem Autobombenanschlag sind in der nordirakischen Kirkuk vier Passanten getötet und 18 weitere verletzt worden. Das nahe einer Tankstelle abgestellte Fahrzeug sei offenbar per Fernzündung zur Explosion gebracht worden, so die Polizei. Bei zwei weiteren Auto-bombenanschlägen in Bagdad werden 18 Menschen verletzt. Bei Kämpfen in der teilweise von Aufständischen kontrollierten westirakischen Provinz Anbar haben nach Angaben des US- Militärkommandos in Bagdad in den letzten Tagen vier US- Marineinfanteristen ihr Leben verloren. Nach einer Reihe von Angriffen auf Konvois in der polnischen Kontrollzone im Irak wird im Hauptquartier des polnischen Militärs in Diwanja die Suche nach Sicherheitslücken fortge-setzt. Möglicherweise haben irakische Mitarbeiter einer amerikanischen Logistikfirma die Angreifer. Informiert.

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30. Juli Ministerpräsident Nuri Al-Maliki hat die Medien aufgerufen, zurückhaltend über die Gewalt zu berichten, um den Terroristen nicht in die Hände zu spielen. Al-Maliki kritisiert, manche Fern-sehsender zögen Kapital aus der Berichterstattung über die Opfer der Anschläge. Er appel-liert an die Medien, «nicht in die Falle der Terrorgruppen zu tappen, die das irakische Volk in Angst und Schrecken versetzen wollen». Die Regierung werde gegen alle Sender vorgehen, die gegen entsprechende ethische Richtlinien verstießen. Die irakische Regierung werde möglicherweise schon in den nächsten Tagen umgebildet, erklärt Hassan al Suneid, ein Abgeordneter von Al-Malikis Dawa-Partei. Beobachtern zufolge könnte unter anderem Innenminister Jawad al Bolani sein Amt verlieren. Er ist wegen der anhaltenden Gewalt ins Kreuzfeuer geraten. Am Samstagabend ist ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug nahe dem US-Konsulat exp-lodiert. Zwei Iraker werden getötet, sieben weitere verletzt. In Samarra nördlich von Bagdad wird ein sunnitischer Geistlicher erschossen, dessen Stamm als erklärter Gegner von Al Kaida im Irak gilt. In Kerbela südlich der Hauptstadt fällt ein Kommandeur des irakischen Grenzschutzes einem Anschlag zum Opfer. Bei Diwanija starten die US-geführten Koalitionsstreitkräfte eine neue Offensive gegen die Mahdi-Miliz des radikalen schiitischen Klerikers Muktada al Sadr. Wegen einer Morddrohung legt der irakische Fußballnationaltrainer sein Amt nieder. Akram Ahmed Salman und seine Familie seien massiv bedroht worden, erklärt der Fußballverband. 31. Juli Eine Gruppe von Bewaffneten hat das Büro der Irakisch-Amerikanischen Handelskammer im Zentrum von Bagdad gestürmt und zehn Angestellte entführt. Darüber hinaus überfallen die Täter ein benachbartes Mobiltelefon-Geschäft und verschleppen von dort weitere 15 Verkäu-fer und Kunden. Sie haben Polizeiuniformen getragen. Unbekannte erschießen am selben Tag in Bagdad einen hohen Offizier des neuen iraki-schen Geheimdienstes. Nach Angaben des staatlichen Fernsehsenders Al-Irakija wird in der Hauptstadt außerdem ein Regierungsbeamter ermordet. Im kurdisch verwalteten Norden des Landes jagt sich in der Grenzstadt Dohuk ein Selbst-mordattentäter mit seinem Fahrzeug an einem Kontrollpunkt der Peschmerga-Miliz in die Luft. Vier Angehörige dieser kurdischen Streitkraft sterben, zehn weitere werden laut Quellen der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP) verletzt. Es hat bisher in dieser nördlichsten, an die Türkei grenzenden Kurdenprovinz nur wenige Anschläge gegeben. In der nordirakischen Stadt Kirkuk hat am späten Sonntagabend eine bewaffnete Bande ei-nen Krankenwagen überfallen, der einen verletzten irakischen Polizisten transportiert. Sie haben drei Polizisten und einen zivilen Begleiter getötet und zwei Personen entführt. 1. August: Bei Anschlägen im Irak sind mindestens 68 Menschen ums Leben gekommen. Im Norden des Landes, rund 250 Kilometer nördlich von Bagdad in der Nähe der Stadt Beidschi, ist ein am Straßenrand versteckter Sprengsatz detoniert, als ein mit Soldaten besetzter Bus vor-über gefahren ist. Alle 24 Insassen werden getötet. In Bagdad explodiert eine Autobombe gegenüber einer Bank, in der sich Sicherheitskräfte gerade ihr Gehalt auszahlen lassen. Dort kommen mindestens 14 Menschen ums Leben. Dabei handele es sich um acht Zivilpersonen, drei Soldaten und drei weitere Sicherheitskräf-te, 37 Menschen seien verletzt worden.

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Kurz vor dem Anschlag in Bagdad ist auch in der Stadt Mukdadija eine Autobombe explo-diert. Sie reißt mindestens sieben Menschen in den Tod, einen Polizisten und sechs Zivilper-sonen. 15 weitere werden nach Angaben von Sicherheitskräften verletzt. In Bagdad nehmen Bewaffnete einen Kleinbus unter Feuer, in dem Angestellte eines Elektri-zitätsunternehmens sitzen. Fünf von ihnen komen ums Leben, die anderen sechs Insassen werden laut Polizei verletzt. Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Kontrollpunkt in Tal Afar im Norden des Landes werden drei irakische Soldaten getötet. 2. August: Ein im Irak stationierter US-Soldat hat Soldaten seiner Einheit beschuldigt, mehrere Iraker bei einer Razzia im Mai diesen Jahres ohne konkrete Verdachtsmomente erschossen zu haben. Die Soldaten hätten ihm mit dem Tod gedroht, sollte er sein Wissen über die Tat preisgeben. Bei neuen Gewalttaten sind am Mittwoch im Irak mindestens zwölf Menschen ums Leben gekommen. In Bagdad sterben drei Tagelöhner, als drei Sprengsätze fast gleichzeitig explo-dieren. Zehn weitere Menschen werden verletzt. Auf der Autobahn von Bagdad nach Syrien entführen Bewaffnete 45 Schiiten aus einem Autobus. Bomben- und Granatanschläge auf zwei Fußballplätze in Bagdad haben 14 Jugendliche das Leben gekostet. Der irakische Staatspräsident Dschalal Talabani hat sich zuversichtlich geäußert, «dass wir dem Terrorismus in diesem Jahr ein Ende setzen werden». Bis zum Jahresende würden die irakischen Sicherheitskräfte in allen 18 Provinzen des Landes die Kontrolle übernehmen, sagte Talabani am Mittwoch vor Journalisten. Der schiitische Politiker Abdel Asis al Hakim regt angesichts der anhaltenden Gewalt die Aufstellung von Bürgerwehren an. Die bisherigen Ermittlungen zu dem mutmaßlichen Massaker in der westirakischen Ortschaft Haditha erhärten nach Angaben aus dem US-Verteidigungsministerium den Verdacht gegen die beschuldigten Soldaten. In Haditha sind im November 24 irakische Zivilisten erschossen worden. In Washington ist zudem ein Bericht veröffentlicht worden, der die Probleme bei der Wiederherstellung der Infrastruktur auf Planungsfehler noch vor Kriegsbeginn zurückführt. Seit dem US-geführten Einmarsch in den Irak im März 2003 sind dort mindestens 100 Jour-nalisten getötet worden, wie die Organisation Reporter ohne Grenzen mitteilt. Für irakische Staatsangehörige christlichen Glaubens besteht trotz der Möglichkeit einer poli-tischen Verfolgung in ihrer Heimat kein Abschiebeschutz. Das entschied der Verwaltungsge-richtshof (VGH) Baden-Württemberg mit einem am Mittwoch in Mannheim veröffentlichten Grundsatzurteil. 3. August: Einem Bombenanschlag in einem Geschäftsviertel im Zentrum von Bagdad sind mindestens zwölf Menschen zum Opfer gefallen. Der Sprengsatz ist nach Angaben der Polizei an einem geparkten Motorrad versteckt worden. Etwa 30 Menschen werden verletzt. Im Tigris werden unterdessen neun Leichen entdeckt, wie die Polizei berichtete. Mindestens zwei der Toten seien gefesselt gewesen und hätten Schusswunden aufgewiesen. Weiteren Angriffen in mehreren Städten des Landes fallen erneut mehrere Menschen zum Opfer. Der bisherige britische Botschafter in Bagdad warnt laut Medienberichten vor einem Bürger-krieg im Irak und einer Spaltung entlang ethnischer Linien. William Patey habe in einem ver-traulichen Dokument an Premierminister Tony Blair und andere Politiker sowie Militärvertre-ter die Einschätzung geäußert, dass die «Aussicht auf einen Bürgerkrieg geringer Intensität und eine De-facto-Teilung des Iraks» derzeit wahrscheinlicher sei als eine erfolgreiche De-mokratisierung, berichtet die BBC. Auch der Kommandeur des US-Einsatzes im Irak, Gene-ral John Abizaid, warnt vor einem Abgleiten in den Bürgerkrieg.

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Unterdessen ist der japanische Außenminister Taro Aso zu einem Überraschungsbesuch in Bagdad eingetroffen. Es ist der erste Besuch eines japanischen Ministers in Bagdad seit der US-Invasion 2003. Aso sichert dem Irak anhaltende Unterstützung beim Wiederaufbau zu. Auf einer Pressekonferenz mit seinem irakischen Kollegen Hoschjar Sebari kündigt er 3,5 Milliarden Yen (23 Millionen Euro) an Krediten an. 4. August: Bei Bombenanschlägen und Gefechten im Irak sind erneut mindestens 35 Menschen getötet worden. Beim blutigsten Anschlag hat ein Selbstmordattentäter auf einem Fußballplatz in Hadhra zehn Menschen mit in den Tod gerissen, wie die Polizei mitteilt. In der nordiraki-schen Stadt Mossul werden mindestens 13 Menschen bei einem Selbstmordanschlag und anschließenden Schießereien getötet. Der Attentäter in Hadhra, rund 70 Kilometer südöstlich von Mossul, ist auf das Fußballfeld gefahren und hat einen Sprengsatz gezündet. Dabei sind am Donnerstagabend sieben Zuschauer sowie drei Polizisten getötet worden. 15 Menschen sind verletzt worden, darunter neun Polizisten. In Dudschail, 80 Kilometer nördlich von Bagdad haben unbekannte Angreifer vier Mitglieder einer schiitischen Familie erschossen und acht weitere verletzt. In Mossul hat sich ein Attentäter mit seinem Wagen in die Luft gesprengt und vier Polizisten mit den Tod gerissen. Mutmaßliche Aufständische haben sich daraufhin in fünf Stadtteilen Feuergefechte mit Sicherheitskräften geliefert, bei denen acht Menschen getötet worden sind. Im Bagdader Stadtteil Sadr City sind hunderttausende Jugendliche für die libanesische Hisbollah-Miliz auf die Straße gegangen. Die Organisatoren sprechen von 250.000 Teilneh-mern. Nach Angaben des irakischen Fernsehens hat das Verteidigungsministerium die De-monstration genehmigt. Diese ist friedlich verlaufen. 5. August: Wegen schwerer Misshandlung eines Irakers sind sechs US-Marineinfanteristen angeklagt worden. Die Streitkräfte haben erklärt, die Soldaten hätten den Mann im April in der Ortschaft Hamdania mit Faustschlägen und Tritten traktiert und dabei seinen Tod in Kauf genommen. Drei der sechs Angeklagten wird bereits der Mord an einem 52 Jahre alten Iraker in demsel-ben Dorf Ende April zur Last gelegt. Es gebe keinen Zusammenhang, doch sei man bei Er-mittlungen zu dem Mord auf den Fall von brutaler Misshandlung gestoßen. UN-Generalsekretär Kofi Annan will den Einsatz der Vereinten Nationen im Irak verlängern lassen. Die Sicherheitslage im Irak habe im vergangenen Jahr Anlass zu «großer» Sorge gegeben, schreibt Annan in einem Brief an den UN-Sicherheitsrat. Er beantragt beim Sicher-heitsrat, die Unterstützungsmission für den Irak (UNAMI) um ein weiteres Jahr zu verlängern. Das Mandat für den Einsatz läuft am kommenden Freitag ab, wenn der Sicherheitsrat nichts dagegen unternimmt. Bei einem Bombenanschlag auf eine irakische Armeestreife sind bei Mahmudija, 35 Kilome-ter südlich von Bagdad, vier Iraker getötet worden. Zwei Soldaten und zwei Passanten ster-ben. 6. August: Die irakischen Sicherheitskräfte sollen noch in diesem Monat die komplette Verantwortung über die bislang von Italien kontrollierte südliche Provinz Dhi Kar übernehmen. Die abzie-hende italienische Armee sei zu dem Schluss gekommen, dass die irakischen Streitkräfte die Sicherung der Lokalhauptstadt Nasarija und der restlichen Provinz in eigener Regie gewähr-leisten könnten, sagte Koalitionssprecher Charlie Burbridge. Ein Selbstmordattentäter hat sich bei einer Beerdigung in der irakischen Stadt Tikrit in die Luft gesprengt und mindestens zehn Menschen in den Tod gerissen. Etwa 20 Menschen werden nach Angaben der Polizei verletzt. Bei weiteren Anschlägen und anderen politisch motivierten Gewalttaten in verschiedenen Orten des Iraks sind der Polizei zufolge mindes-

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tens 16 Menschen getötet worden. Mehrere US-Marineinfanteristen werden bei einem Selbstmordanschlag in Falludscha in der Provinz Anbar verletzt. Der Attentäter ist nach An-gaben der US-Streitkräfte mit einem mit Sprengstoff beladenen Lastwagen in ein Haus ge-rast, in dem sich die Soldaten aufgehalten haben. Die US-Streitkräfte verstärken unterdessen wie angekündigt ihre Präsenz in Bagdad. Aus der Provinz Ninive in die Hauptstadt verlegte Soldaten sind erstmals in dem als besonders gefährlich geltenden Viertel Gasalija patrouilliert. 7. August: Bei neuen Gewalttaten im Irak sind mindestens 27 Menschen getötet und fast 50 verletzt worden. Allein in Samarra nördlich von Bagdad sterben bei einem Selbstmordattentat neun Polizisten, 30 werden verletzt. US-Außenministerin Condoleezza Rice hat in einem Interview mit der US-Zeitschrift «Time» gesagt, sie glaube nicht, dass der Irak in einen Bürgerkrieg abgleite. Ähnlich hat sich Präsident Dschalal Talabani geäußert. Die USA wollen die zuneh-mend eskalierende Lage in Bagdad bis zum Beginn des Fastenmonats Ramadan im Sep-tember in den Griff bekommen. Im Schiitenviertel Sadr City in Bagdad werden bei schweren Zusammenstößen zwischen Aufständischen und Einheiten der irakischen Armee sowie der US-Streitkräfte in der Nacht zum Montag mindestens zwei Milizionäre getötet und drei verletzt. Nach Krankenhaus-Angaben werden eine Frau und ihre Tochter getötet. Ein Selbstmordattentäter reißt in der nordirakischen Stadt Samarra neun Angehörige einer Spezialeinheit der irakischen Polizei mit in den Tod. 31 weitere Menschen werden verletzt, unter ihnen zwölf Polizisten. 8. August: Überfälle und Bombenanschläge im Irak haben mehr als 30 Menschen das Leben gekostet. Am schwersten betroffen war erneut das Zentrum von Bagdad, wo sich die Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten weiter verschärfen und möglicherweise auf einen Bürger-krieg zutreiben. In der Nähe des irakischen Innenministeriums explodieren in kurzer Folge drei Bomben. Bei einem Banküberfall im Bezirk Asamijah werden drei Menschen erschossen. Eine Serie von Anschlägen in Bakuba und Mukdadija nordöstlich von Bagdad kostet vier Schiiten das Le-ben. In Bagdad werden die Leichen von zwei irakischen Journalisten gefunden. Der 28-jährige Mohammed Abbas Hammad ist erschossen worden, als er am Montag sein Haus im Westen der Hauptstadt verlassen hat. Am Montagabend hat die Polizei die Leiche des vor zwei Wo-chen verschleppten Ismail Amin Ali gefunden. Der 30-Jährige hat als freier Mitarbeiter für mehrere Zeitungen im Land gearbeitet. Er ist nach Polizeiangaben vor seinem Tod gefoltert worden. Der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki kritisiert unterdessen einen Einsatz der US-Truppen im Bagdader Stadtteil Sadr City vom Montag. Er sei sehr verärgert und betroffen über den Einsatz. Solche Aktionen der amerikanischen Soldaten gefährdeten seine Bemü-hungen für eine nationale Versöhnung, erklärte Al-Maliki weiter. 9. August: Bei Anschlägen und Überfällen kommen im ganzen Land mehrere Menschen ums Leben. Bei einer Explosion in Bakuba nordöstlich von Bagdad werden am Dienstagabend vier Men-schen getötet. Eine schiitische Moschee und mehrere Häuser werden schwer beschädigt. Im Westen Bagdads schießen Unbekannte am Mittwoch auf eine Gruppe Männer, die auf dem Schwarzmarkt Benzin verkauft hat. Drei Menschen kommen ums Leben. Im Osten der Hauptstadt wird ein Mensch bei einem Bombenanschlag getötet.

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In Basra im Süden des Landes erschießen bewaffnete Männer auf zwei Motorrädern einen irakischen Oberst, wie die Polizei erklärt. Nach dem Absturz eines US-Armeehubschraubers in derselben Provinz werden weiterhin zwei Soldaten vermisst. Damit steigt die Zahl der seit Kriegsbeginn im März 2003 im Irak getöteten US-Soldaten laut einer AP-Zählung auf min-destens 2.595. Das US-Militär hat vier Männer festgenommen, die an der Entführung der amerikanischen Journalistin Jill Carroll im Januar beteiligt gewesen sein sollen. Die Festnahmen seien be-reits vor einem Monat erfolgt, teilt das US-Militär mit. Zuvor hätten US-Soldaten den Ort aus-findig gemacht, an dem die Journalistin als Geisel festgehalten worden sei. Carroll, die für die Zeitung «Christian Science Monitor» arbeitet, ist am 7. Januar entführt und erst am 30. März freigelassen worden. 10. August: Beim schwersten Anschlag in Irak seit knapp einem Monat hat ein Selbstmordattentäter in der Nähe eines der wichtigsten schiitischen Heiligtümer mindestens 35 Menschen mit in den Tod gerissen. Mehr als 120 Personen werden bei dem Attentat unweit der Imam-Ali-Moschee im irakischen Pilgerort Nadschaf verletzt. Der Attentäter hat sich nach Kranken-hausangaben an einem Polizei-Kontrollposten auf dem Weg zu der Moschee in die Luft ge-sprengt. Dem Krankenhaus und der Polizei zufolge sind unter den Opfern sowohl Polizisten als auch Zivilisten. Die bislang kaum bekannte Rebellengruppe `Dschamaat Dschund al-Sahaba` (Soldaten der Gefährten des Propheten) hat sich auf einer Internetseite zu dem Anschlag bekannt, der Schiiten gegolten habe. Iraks Ministerpräsident Nuri al-Maliki hat die Tat scharf verurteilt und Anhänger des ehemaligen Machthabers Saddam Hussein als Draht-zieher beschuldigt. Auch in anderen irakischen Städten kommt es erneut zu Gewalttaten. In einem Restaurant im Süden Bagdads werden nach Angaben des Innenministeriums bei einer Bombenexplosi-on sechs Menschen getötet. In Falludscha wird ein Polizist erschossen, in Mossul ein Zivilist. In Hawidscha südwestlich von Kirkuk kommen zwei Polizisten durch einen Sprengsatz an einer Straße ums Leben. In Bagdad riegeln US-Truppen den äußerst gefährlichen südlichen Stadtteil Dora ab und durchsuchen Tausende Wohnungen. Bei der dreitägigen Razzia sind nach Militärangaben 5.000 Soldaten im Einsatz gewesen. Laut irakischer Polizei sind 36 Personen festgenommen und zahlreiche Waffen sichergestellt worden. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat die knapp 400 Mitarbeiter umfassende Irak-Mission UNAMI am Freitag auf Empfehlung von Generalsekretär Kofi Annan einstimmig um ein weiteres Jahr verlängert. Mit dem Votum ist der Rat einer schriftlichen Empfehlung von Annan gefolgt. Der irakische Vizepräsident Tarek el Haschemi distanziert sich unterdessen von den Äuße-rungen des Präsidenten Dschalal Talabani, denen zufolge die irakischen Sicherheitskräfte bis Ende des Jahres die Kontrolle über das Land übernehmen könnten. 11. August: Irakische Schiiten haben am Freitag das Büro einer kurdischen Partei überfallen und in Brand gesetzt. Die Anhänger des schiitischen Geistlichen Ajatollah Mohammed al Jakubi begründen den Angriff auf das Büro der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) damit, dass deren Parteizeitung Al Jakubi in unfairer Weise kritisiert habe. In dem Zeitungsbericht hieß es, Al Jakubi schüre «Hass gegen die Kurden» und versuche «einen Krieg zwischen schiiti-schen Arabern und Kurden» zu entfesseln. Vorsitzender der PUK ist der irakische Staatsprä-sident Dschalal Talabani. Er erklärte nach dem Angriff, einige Sätze des Zeitungsartikels seien «unangemessen» gewesen, dennoch empfänden er selbst «und jeder Kurde» große Bitterkeit über Al Jakubis Äußerungen.

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Die US-Streitkräfte haben in der westirakischen Provinz Anbar die Leichen von zwei ameri-kanischen Soldaten gefunden, die seit einem Hubschrauberabsturz am vergangenen Diens-tag vermisst worden waren. Das Militärkommando in Falludscha teilte am Freitag mit, die beiden Männer seien nicht Aufständischen in die Hände gefallen, sondern bei dem Absturz ums Leben gekommen. 12. August: US-Soldaten haben bei nächtlichen Kämpfen in der Rebellenhochburg Ramadi 26 mutmaßli-che Rebellen getötet und weitere 60 bei einer Militäraktion festgenommen. Sechs weitere seien verwundet worden. Die Kämpfer hätten zuvor unter anderem mit Granaten und Ma-schinengewehren auf die US-Soldaten gefeuert. Bei einem anderen Einsatz gegen mutmaß-liche Bombenbauer verhaften US-Soldaten nach Militärangaben dutzende Aufständische in Bagdad. Truppen der USA und des Irak haben in dieser Woche ihre gemeinsamen Anstren-gungen verstärkt, um die Kontrolle über Hochburgen der Aufständischen zurückzugewinnen. An der Operation `Gemeinsam Vorwärts` sind insgesamt 50.000 Soldaten beteiligt. Bei Anschlägen und neuer Gewalt in den irakischen Städten Bakuba und Basra sind mindes-tens 13 Menschen getötet worden. Zu den Opfern zählen auch vier Bewohner eines Dorfes nahe Bakuba, die von Unbekannten entführt und zwei Stunden später tot aufgefunden wor-den sind. Bei einem Bombenanschlag im südirakischen Basra sterben unterdessen drei Menschen. Zwei Menschen werden verletzt, als die Bombe in einem Elektronikfachgeschäft in der Stadt etwa 550 Kilometer südlich von Bagdad detoniert, wie eine irakische Nachrich-tenagentur berichtet. 13. August Bei einer Serie von Explosionen sind am Sonntagabend im Südosten von Bagdad mindes-tens 57 Menschen ums Leben gekommen. Wie der britische Fernsehsender BBC berichtet, sind im Stadtteil Safaranija bei den Anschlägen mit Bomben und Raketen Dutzende Iraker verletzt worden. Ein mehrstöckiges Gebäude sei eingestürzt. Zuerst habe eine Rakete das Haus getroffen. Kurz danach habe ein Selbstmordattentäter sich in einer Menschenmenge mit seinem Motor-rad in die Luft gesprengt, als Einwohner am Einschlagsort der Rakete zusammenliefen, um den Opfern zu helfen, wie ein Vertreter des Innenministeriums sagte. Stunden zuvor haben Unbekannte einen prominenten schiitischen Geistlichen aus seinem Büro im Stadtbezirk Neu-Bagdad entführt. 14. August Die US-Streitkräfte haben Berichten über eine verheerende Anschlagserie auf ein schiiti-sches Wohnviertel in Bagdad widersprochen. Die zahlreichen Detonationen seien von einer Gasexplosion ausgelöst worden, sagte der US-Militärsprecher William Caldwell. Die iraki-sche Regierung bleibt dagegen bei der Darstellung, im Stadtteil Safranija seien mehrere Ra-keten eingeschlagen und Autobomben explodiert. Irakische Experten seien zu dem Schluss gekommen, dass die Explosionen auf Raketen und Autobomben zurückzuführen seien. Die schiitischen Extremisten im Irak erhalten nach Angaben der US-Streitkräfte Waffen, Mu-nition und Ausbildung aus dem Iran. Laut Militärsprecher Caldwell gebe es dafür Beweise. Noch nicht klar sei, ob die iranische Regierung davon wisse oder dies möglicherweise sogar unterstütze. Die US-Armee und die irakischen Sicherheitskräfte setzen unterdessen ihre Razzien in Vier-teln von West-Bagdad fort, in denen die Staatsmacht weitgehend die Kontrolle verloren hat. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums teilt mit, die irakische Armee habe seit der ver-gangenen Woche in Bagdad 150 mutmaßliche «Terroristen» und 594 weitere Verdächtige festgenommen. Bei einem Anschlag in Bagdads Sajuna-Viertel werden nach Angaben von Augenzeugen drei Menschen getötet, als vor der Post- und Passbehörde kurz hintereinander eine Auto-

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bombe und mehrere weitere Sprengsätze explodiert sind. Neun weitere Zivilisten sind ver-letzt worden. In der Region Bakuba nördlich von Bagdad haben Extremisten sieben Iraker getötet, darunter ein Polizist. 15. August Der irakische Parlamentspräsident Mahmud al Maschhadani ist von seiner eigenen Partei zum Rücktritt aufgefordert worden. Der Politiker hat unter anderem Partei für sunnitische Aufständische ergriffen. Bei einem Selbstmordanschlag in der nordirakischen Stadt Mossul kommen acht Menschen ums Leben, 51 weitere werden verletzt. Alle Opfer seien kurdische Freischärler. In der schiitischen Pilgerstadt Kerbela kommen nach Angaben von Augenzeugen sechs Menschen bei Gefechten zwischen Angehörigen der Sicherheitskräfte und Anhängern von Großajatollah Mahmud al-Hassani ums Leben. Die Behörden entscheiden wegen der ange-spannten Lage, drei Tage lang keine Pilger mehr in die Stadt zu lassen. Die Polizei nimmt rund zweihundert Schiiten fest. In der Stadt im Süden von Bagdad gilt seit Dienstag eine un-begrenzte Ausgangssperre. Auf einer Brücke südlich von Bagdad sprengt sich ein Selbstmordattentäter mit seinem Fahr-zeug in die Luft. Er riss nach Angaben des Innenministeriums fünf Menschen mit in den Tod. Extremisten haben im Irak die Goldene Moschee in Samarra angegriffen, in der sich zwei der wichtigsten Heiligenschreine der Schiiten befinden. Zwei Katjuscha-Raketen schlugen in der Nacht zum Dienstag neben der Moschee ein. In der nordirakischen Stadt hieß es, die Mo-schee, in der nach der religiösen Überlieferung die sterblichen Überreste der Imame Ali al-Hadi und Hassan al-Askari aufbewahrt werden, sei nicht beschädigt worden. Sechs Men-schen werden verletzt. 16. August: Bei zwei schweren Bombenanschlägen werden mindestens 21 Menschen getötet. Im Zent-rum der irakischen Hauptstadt detonieren in einem belebten Bezirk nach Polizeiangaben zeitgleich zwei Sprengsätze, 13 Menschen sterben, 43 weitere werden verletzt. Bei einem weiteren Anschlag auf einen Basar im östlichen Stadtteil Nahda werden laut Sicherheitsbe-hörden acht Menschen in den Tod gerissen, bis zu 28 weitere werden verletzt. Die US-Truppen und die irakischen Sicherheitskräfte haben in den vergangenen Tagen ihre Präsenz in Bagdad verstärkt, um die wachsende Gewalt zwischen Schiiten und Sunniten einzudäm-men. Nördlich der Stadt Hillah explodiert eine am Straßenrand versteckte Bombe, als eine irakische Patrouille vorbeifährt. Drei Soldaten werden getötet und vier verletzt. Die überwie-gend von Schiiten bewohnte Stadt liegt 95 Kilometer südlich von Bagdad. Auch in den Großstädten Basra im Süden und Mossul im Norden kommt es wieder zu Ge-waltausbrüchen. In Basra liefern sich bewaffnete Banden Feuergefechte mit britischen Sol-daten und irakischen Polizisten, nachdem sie das Gebäude des Stadtrates und das Gouver-neursbüro angegriffen haben. Nach Polizeiangaben werden sechs Aufständische getötet. Rund 60 Kilometer nördlich von Basra wird ein dänischer Soldat bei einem Einsatz ange-schossen. In Mossul tötet die Polizei bei Kämpfen sechs Rebellen. Im südirakischen Kerbela haben sich schiitische Aufständische Gefechte mit irakischen Soldaten geliefert. Dabei ster-ben zwölf Menschen. In Kut, 160 Kilometer südöstlich der Hauptstadt, zieht die Polizei drei gefesselte Leichen aus dem Tigris. Offenbar seien die Opfer vor ihrem Tod gefoltert worden. 17. August Die «New York Times» berichtet unter Berufung auf die US-Armee, im Juli seien im Irak mehr als 1600 entlang der Straßen versteckte Bomben explodiert. Knapp 1000 weitere Sprengsätze sind noch rechtzeitig entschärft worden. Im Januar seien es noch insgesamt 1500 Bomben gewesen. Die Aufständischen erhalten zudem immer mehr Unterstützung aus der Bevölkerung. Trotz der gestiegenen Zahl der Bombenanschläge sinkt die Zahl der getö-teten Amerikaner leicht von 42 im Januar auf 38 im Juli. Dies hänge vor allem mit einer ver-

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besserten Panzerung der Fahrzeuge und anderen Sicherheitsmaßnahmen zusammen. Die Zahl der Verletzten steigt dagegen von 287 auf 518. Bei Anschlägen und Angriffen im Irak sind landesweit mindestens 18 Menschen ums Leben gekommen. Allein sieben Iraker werden bei einem gegen Schiiten gerichteten Autobomben-attentat in Bagdad getötet, wie das Innenministerium mitteilt. 26 weitere Menschen werden demnach verletzt, als ein mit Sprengstoff präparierter Wagen auf einem Markt in dem Viertel Sadr City explodiert. Unter den Verletzten seien viele Frauen und Kinder. Sechs Menschen werden bei mehreren Schießereien in Baakuba und Umgebung getötet. Auch aus der Stadt Mukdadijah nordöstlich von Bagdad werden tödliche Anschläge vermel-det. Nahe der Stadt Suwairah südöstlich der irakischen Hauptstadt werden fünf Leichen aus dem Tiger geborgen. Zwei von ihnen sind enthauptet gewesen. Zwei weitere Leichen werden aus dem Fluss Mahrut bei Makdadijah geborgen. 18. August Mit einem zweitägigen Fahrverbot will die Regierung in Bagdad Anschläge während eines schiitischen Pilgerfests am Wochenende verhindern. Von Freitagabend bis Montagmorgen sei die irakische Hauptstadt für Fahrzeuge gesperrt, teilte die Regierung mit. Im vergange-nen Jahr sind während der Feierlichkeiten zum Todestag von Imam Mussa al Kadim rund 1.000 Menschen ums Leben gekommen. Hunderttausende von Gläubigen sind damals zur Moschee Al Kadims geströmt. Dabei ist auf einer mit Menschen überfüllten Brücke über den Tigris eine Panik ausgebrochen. Berichten zufolge ging das Gerücht um, dass sich ein Selbstmordattentäter in der Menge befinde. Die US-Streitkräfte beschlagnahmen ein um-fangreiches Waffenlager in Bagdad. Bei Razzien in den Stadtteilen Schula und Ghasilija sei-en hunderte Raketen, Granaten und Maschinengewehre sowie Material zum Bombenbau entdeckt worden, hieß es. Zwei Terrorverdächtige seien festgenommen worden. In Tadschi nördlich der Hauptstadt greifen Bewaffnete einen zivilen Konvoi an, eine Person wird nach Polizeiangaben erschossen. In Balad Rus stirbt ein Mensch bei der Explosion ei-ner am Straßenrand versteckten Bombe. In Mahmudia entdeckt die Polizei fünf Leichen, sechs weitere werden rund 40 Kilometer südlich von Bagdad aus dem Tigris gefischt. Bei den Ermittlungen zu Hinweisen auf ein Massaker von US-Soldaten in der irakischen Ort-schaft Haditha ist offenbar wichtiges Beweismaterial verschwunden. So fehlen mehrere Sei-ten aus dem Logbuch der betroffenen Einheit, wie die «New York Times» berichtet. Zudem sei die möglicherweise belastende Videoaufnahme einer Drohne den Ermittlern zunächst vorenthalten worden. Mehr als drei Jahre nach dem Sturz Saddam Husseins hat Jordanien als erstes arabisches Land seinen Gesandten im Irak als Botschafter akkreditieren lassen. Nach dem Sturz von Exstaatschef Saddam Hussein und der Einsetzung einer von den USA gestützten Regierung haben sich die arabischen Länder bei der Entsendung von Botschaftern in entsprechendem Rang zurückhaltend gezeigt. 20. August Heckenschützen haben in Bagdad ein Blutbad unter schiitischen Pilgern angerichtet. Min-destens 20 Gläubige fallen nach Regierungsangaben den Attacken während des Pilgerfests mit hunderttausenden Teilnehmern zum Opfer. Die Angreifer hätten in mehreren Stadtteilen von Gebäudedächern oder aus leer stehenden Häusern heraus auf die Schiiten geschossen, die auf dem Weg zum Imam-Mussa-Kadim-Schrein gewesen sind. Vier mutmaßliche Angrei-fer werden von Sicherheitskräften getötet. 302 Menschen werden verletzt. Die meisten Ver-letzungen seien auf die Panik zurückzuführen, die unter den Wallfahrern ausgebrochen sei. Aus Furcht vor Anschlägen während des Pilgerfestes haben die Behörden in Bagdad bereits am Samstag ein zweitägiges Fahrverbot erlassen. Iranische Truppen haben unterdessen kurdische Dörfer im irakischen Grenzgebiet beschos-sen.

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21. August Der irakische Expräsident Saddam Hussein muss sich seit heute in einem zweiten Prozess wegen Völkermordes und Kriegsverbrechen vor Gericht verantworten. Der frühere Machtha-ber und sechs seiner Mitarbeiter sind wegen einer Militäroffensive im Nordirak angeklagt, die in den 80er Jahren rund 100.000 Kurden das Leben kostete. Die Staatsanwaltschaft will die Todesstrafe für die Angeklagten beantragen. Verantwortlich für den Einsatz von Senfgas und anderen Nervengiften zeichnete damals Saddam Husseins Cousin Ali Hassan Madschid, genannt «Chemie-Ali». Sowohl Saddam Hussein als auch Al Madschid wird Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Zum Auftakt des Prozesses in Bagdad hat Saddam Hussein seine Ablehnung des Gerichts bekräftigt. Die Staatsanwaltschaft hat er vorgeworfen, den Befehl zur Operation Anfal» ge-geben zu haben. Ziel der Aktion ist gewesen, alle Kurden aus der nördlichen Region entlang der Grenze zum Iran zu vertreiben. Saddam Hussein und sieben Mitangeklagte haben sich bereits wegen eines anderen Massakers vor Gericht verantworteten müssen. In diesem Pro-zess wird für den 16. Oktober das Urteil erwartet. 22. August Großbritannien könnte einem hochrangigen britischen Offizier zufolge bis Mitte 2007 seine Truppenstärke im Irak halbieren. Der Kommandeur, der namentlich nicht genannt werden will, spricht von etwa 3000 bis 4000 Soldaten, die an einem einzigen Ort stationiert würden. Großbritannien hat gegenwärtig etwa 7000 Soldaten im Irak im Einsatz. Der Nationale Si-cherheitsberater des Landes spricht unterdessen von Fortschritten im Kampf gegen die Ge-walt in Bagdad. Die ersten tausend britischen Soldaten könnten in den kommenden vier bis sechs Monaten die Rückkehr in die Heimat antreten. Innerhalb von neun Monaten könne die Verantwortung für den Süden des Landes an die irakische Armee übertragen werden. Die verbliebenen britischen Truppen würden vermutlich in der Region um die zweitgrößte Stadt Basra stationiert werden, um weiter für Sicherheit zu sorgen. Zudem sollten sie damit ihre Unterstützung für die US-Soldaten im Zentrum des Landes zeigen, wo es weiter Sicherheits-probleme gebe. Die britischen Truppen sind im vergleichsweise ruhigen Süden des Landes stationiert. Im Juli hatten sie die Kontrolle einer Provinz an die Iraker übergeben. Berichte, der Irak könne am Rande eines Bürgerkriegs stehen, wies er entschieden zurück. `Dies ist auf keinen Fall ein Bürgerkrieg`. In der Provinz Nadschaf südlich der Hauptstadt sind der Regierung zufolge acht tote Obst-händler mit durchgeschnittenen Kehlen aufgefunden worden. Sie seien am Vortag entführt worden. Bei einem Sprengstoffanschlag auf wartende Tagelöhner werden im Zentrum von Bagdad zwei Iraker getötet. Neun weitere Menschen werden nach Polizeiangaben verletzt. Im Nor-den der Hauptstadt werden acht Menschen zum Teil schwer verletzt, als ein Tanklastwagen mit Benzin neben einer Tankstelle explodiert. In der südirakischen Stadt Amara nehmen bri-tische Soldaten bei einer Razzia nach Angaben aus Sicherheitskreisen acht Iraker fest. Es kommt zu einem Gefecht, bei dem mehrere Zivilisten verletzt werden. Im Süden von Bagdad findet die Polizei die Leiche eines Beamten der Behörde für die religi-ösen Stiftungen der irakischen Schiiten. Unbekannte in Uniformen haben in der Nacht zum Dienstag zudem den Rechtsberater der sunnitischen Stiftungsbehörde aus seinem Haus verschleppt. In einer Kaserne der irakischen Armee in Balad, 60 Kilometer nördlich von Bagdad, haben US-Soldaten in der Nacht zum Dienstag nach Angaben aus irakischen Militärkreisen elf Ira-ker festgenommen, darunter zwei hochrangige Offiziere und sieben Soldaten. 23. August

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Am dritten Tag des Völkermord-Prozesses gegen den ehemaligen irakischen Präsidenten Saddam Hussein schildert eine kurdische Zeugin einen Giftgas-Angriff auf ihr Bergdorf im April 1987. Sie selbst und ihre Kinder seien erblindet, sagte die 45-Jährige Mutter von fünf Kindern vor einem Sondertribunal in Bagdad. Die Regierung der autonomen kurdischen Re-gion im Nordirak fordert eine Entschädigung für die Opfer der unter Saddam Hussein verüb-ten Verbrechen. Der Vorsitzende Richter Abdullah al Amiri vertagt den Prozess bis zum 11. September. In dieser Zeit soll die Rechtmäßigkeit des Gerichts geprüft werden. Mit Saddam Hussein sind sechs weitere Vertreter des früheren irakischen Regimes angeklagt, unter an-derem sein Cousin Ali Hassan al Madschid, genannt «Chemie-Ali». Die Staatsanwaltschaft will die Todesstrafe beantragen. Der irakische Innenminister Dschawad Al Bolani entgeht einem Bombenanschlag. Wie die Polizei mitteilt, explodiert in Bagdad ein Sprengsatz, nachdem der Konvoi des Ministers durchgefahren war. Zwei Passanten werden getötet, darunter ein zwölf Jahre altes Kind, und mehrere Verkehrspolizisten erleiden Verletzungen. Der Minister bleibt unverletzt. Ein Ministe-riumssprecher erklärte, der Anschlag habe wahrscheinlich nicht dem Schiiten Bolani gegol-ten, sondern einem ihm in 500 Meter Abstand folgenden Konvoi der US-Streitkräfte. In der nordirakischen Stadt Mossul sprengt sich ein Selbstmordattentäter vor einer Polizeiwache in die Luft. Eine Frau wird getötet, zehn weitere Menschen erleiden Verletzungen. In Amarah im Südirak wird ein Offizier der irakischen Streitkräfte aus einem fahrenden Auto heraus er-schossen worden. Irakische Sicherheitskräfte sollen nach Plänen der Regierung in Bagdad bis zum Jahresende die Kontrolle über einen Großteil des Landes übernommen haben. Im selben Maße, in dem Militär und Polizei seines Landes stärker würden, werde die Bedeutung der ausländischen Truppen nachlassen und schließlich ganz verschwinden, sagte Ministerpräsident Nuri al-Maliki am Mittwoch. Derzeit verfügt der Irak nach US-Militärangaben über 129.000 Soldaten und 165.000 Polizisten. US-Präsident George W. Bush warnte diese Woche vor den Folgen eines vorzeitigen Rück-zugs aus dem Irak. Das US-Marinekorps hat angekündigt, es werde erstmals seit 2003 wie-der nicht im aktiven Dienst stehende Soldaten einberufen, weil sich nicht genug Reservisten freiwillig gemeldet hätten. Der Bürgermeister von Mahmudija und die örtliche Polizei wollen die Hintergründe des Mas-sakers in der Ortschaft im März untersuchen. Vier US – Soldaten wird vorgeworfen, eine 14-Jährige vergewaltigt und das Mädchen sowie seine Angehörigen ermordet zu haben. Den Angeklagten droht bei einem Schuldspruch die Todesstrafe. Ein fünfter Soldat der amerika-nischen Truppen steht vor Gericht, weil er seine Kenntnisse über den Vorfall nicht gemeldet haben soll. Das US-Militär untersucht derzeit auch Vorwürfe, Marineinfanteristen hätten im westirakischen Haditha im November 24 Zivilisten getötet. 24. August Die irakische Polizei hat nach eigenen Angaben den Anführer der militanten Islamistengrup-pe Armee der Mudschahedin verhaftet, die zahlreiche Anschläge auf US-Truppen verübt hat. Abdel Rahman Ali genannt Abu Hadschir, sei bei einer Razzia im Westen der nordirakischen Stadt Mossul gefasst worden. Aufständische töten nördlich von Bagdad elf Iraker. Nach Angaben der Polizei werden in der Nähe von Balad drei Polizisten erschossen. Zwei Leichen von Entführungsopfern finden Si-cherheitsbeamte in Baidschi. Einer der Ermordeten, seine Leiche war enthauptet, wird als Polizeioffizier identifiziert. In Bakuba, 60 Kilometer nordöstlich von Bagdad, erschossen Ext-remisten nach Angaben von Augenzeugen sechs Zivilisten. Zwölf weitere Menschen werden bei Anschlägen in der Stadt verletzt. In den vergangenen zwei Tagen sind bei zwei US – Soldaten getötet worden. Aus dem US-Militärgefängnis Camp Bucca werden auf Initiative der irakischen Regierung 55 Gefangene freigelassen.

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Der Oberkommandierende der US-Truppen im Nahen Osten sieht in der irakischen Haupt-stadt Bagdad große Fortschritte bei der Sicherheitslage. Die Verbesserungen seien auf eine Verstärkung des US-Einsatzes in Bagdad zurückzuführen, sagt General John Abizaid. Me-dienberichte, nach denen er zu Beginn des Monats vor dem US-Senat ein düsteres Bild von der Sicherheitslage im Irak gezeichnet hatte, wies Abizaid zurück. 25. August Die irakische Behörde für Korruptionsbekämpfung hat nach eigenen Angaben Besitz des Regimes von Saddam Hussein in Paris, London, Tunis und Bagdad beschlagnahmen las-sen. Saddam und seine Funktionäre hätten staatliche Gelder unter Fantasienamen angelegt, hieß es. Die Behörde untersucht nach Angaben ihres Sprechers Ali al-Schabut Korruptions-vorwürfe ab 1968. Das geistliche Oberhaupt der irakischen Schiiten, Großajatollah Ali al-Sistani, kritisiert unterdessen die Reiselust vieler irakischer Minister und Abgeordneter. Amerikanische Scharfschützen erschießen in der Aufständischen-Hochburg Ramadi nach Polizeiangaben vier Iraker. Die Männer seien an drei verschiedenen Orten in der 110 Kilo-meter westlich von Bagdad gelegenen Stadt getötet worden. Wenige Stunden zuvor haben Aufständische einen US- Militärstützpunkt nördlich von Ramadi mit Panzerfäusten angegrif-fen. In Bagdad laufen unterdessen die Vorbereitungen für eine Konferenz der irakischen Clan- und Stammesführer, bei der an diesem Samstag rund 600 Teilnehmer erwartet wer-den. 26./27. August Hunderte einflussreiche Stammesführer im Irak haben einen «Ehrenpakt» geschlossen, um die anhaltende Gewalt einzudämmen. In dem am Samstag unterzeichneten Dokument gelo-ben sie, sich für «die Einheit unseres Landes» einzusetzen. Ministerpräsident Nuri al-Maliki erklärte, der Einfluss der Stämme könne eine Schlüsselrolle im Kampf gegen Aufständische spielen. Vor allem bei der ländlichen Bevölkerung, wo Clan-Beziehungen eine große Rolle spielen, genießen die Stammesführer ein hohes Ansehen. Strittig ist die Frage der Autono-mie für die Schiiten im Süd-Irak gewesen. Die Gewalt im Irak hat am Wochenende mehr als 50 Menschen das Leben gekostet. Bei drei Anschlägen sterben am Sonntag mindestens 18 Personen, Dutzende weitere werden ver-letzt. In der Innenstadt von Bagdad reißt eine in einem Fahrzeug versteckte Bombe mindes-tens neun Menschen in den Tod. Bei einem Bombenanschlag auf ein Redaktionsgebäude in der Hauptstadt kommen mindestens drei Menschen ums Leben, 30 weitere werden nach Polizeiangaben verletzt. In Al Chalis nahe Bakuba sterben bei der Explosion einer Bombe mindestens sechs Menschen. Zwei Autobombenanschläge in der Stadt Kirkuk kosten min-destens neun Menschen das Leben, 22 weitere werden verletzt. In der südlichen Stadt Basra werden vier Menschen bei einem Anschlag getötet. Der Attentäter zündet seine Bombe auf einem Motorrad auf einem Markt. 15 Menschen werden laut Polizei verletzt. Am Samstag werden landesweit mindestens 26 Menschen getötet, darunter eine Dolmetscherin des briti-schen Konsulats in Basra. Während eines Fußballspiels in Bakuba nördlich von Bagdad werden vier Menschen bei der Explosion einer Bombe auf dem Spielfeld getötet, 20 weitere werden laut Polizei verletzt. Im Westen von Bagdad erschießen bewaffnete Männer den schiitischen Inhaber einer Bäckerei sowie einen Polizisten. Nach fast zwei Monaten Geiselhaft wird unterdessen am Samstag die sunnitische Abgeordnete Tajsir al Maschhadani wieder freigelassen. Sie ist zusammen mit fünf Leibwächtern am 1. Juli entführt worden. 28. August Bei einer neuen Gewaltwelle im Irak sind insgesamt fast 60 Menschen getötet worden. Bei Kämpfen zwischen der schiitischen Mahdi-Armee des Predigers Muktada al-Sadr und Regie-rungstruppen sterben in Diwanija, rund 200 Kilometer südlich von Bagdad, 40 Aufständische und Soldaten. Die Gefechte zählen zu den bislang schwersten zwischen irakischen Armee-

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Einheiten und schiitischen Milizen. Sie sind nach Razzien der irakischen Streitkräfte aus-gebrochen, die am Sonntagabend Häuser in drei Stadtteilen durchsucht haben und Waffen beschlagnahmt haben. Ein Selbstmordattentäter reißt an einer Straßensperre in Bagdad 16 Menschen mit in den Tod. Nach Angaben der Polizei werden weitere 62 verletzt, als der Attentäter an einem Kon-trollpunkt seine Autobombe gezündet hat. Im südlichen Vorort Al-Dura detonieren zwei wei-tere Autobomben. Zwei Polizisten und drei Zivilisten sterben. Im nordirakischen Kirkuk wird ein Armeegeneral bei einem Anschlag auf seinen Konvoi ver-letzt. In Bagdad trifft der britische Verteidigungsminister Desmond Browne zu einem Treffen mit Ministerpräsident Nuri al-Maliki und Regierungsvertretern ein. Zentrales Thema seines Besuchs war die geplante Übergabe der Kontrolle in einer weiteren südirakischen Provinz an die irakischen Sicherheitskräfte. 29. August Bei der Explosion einer Ölpipeline im Süden Iraks sind mindestens 36 Menschen ums Leben gekommen. Weitere 45 Menschen werden laut Angaben des Innenministeriums verletzt. Nach der Detonation in einem Industriegebiet zehn Kilometer südlich der Stadt Diwanija bricht ein Großbrand aus, der die Rettungsarbeiten behinderte. Mehrere Menschen hätten die Pipeline angezapft, um Treibstoff abzuzweigen. In Bagdad entdeckt die irakische Polizei die Leichen von insgesamt 24 Menschen. Die Opfer seien offenbar gefoltert und dann erschossen worden. Vier US-Soldaten sterben. Zwei von ihnen erliegen Verletzungen, die sie bei Gefechten erlitten haben. Ein weiterer ist bei einem Autounfall getötet worden. Der amerikanische Justizminister Alberto Gonzales reist zu einem eintägigen Besuch nach Bagdad. Zum Auftakt seines eintägigen Besuchs trifft er den stell-vertretenden irakischen Ministerpräsidenten Barham Saleh. Später besucht er das Tribunal, vor dem derzeit gegen Saddam Hussein verhandelt wird. 30. August Bei mehreren Sprengstoffanschlägen sind mehr als 50 Menschen getötet worden. Die bei-den schlimmsten Explosionen ereignen sich auf einem Markt in Bagdad und an einer Melde-stelle für Armeefreiwillige in Hilla. Bei der Explosion auf dem Al-Schuridscha-Markt in der Innenstadt von Bagdad sterben 26 Menschen. 57 weitere Iraker werden nach Angaben der Polizei durch die Explosion auf dem großen und belebten Markt verletzt. Die Opfer sind größtenteils Straßenhändler und ihre Kunden. Im Stadtteil Al-Alwija explodiert eine Autobombe an einer Tankstelle. Drei Men-schen werden getötet. In Hilla sterben zwölf Freiwillige, die sich für den Dienst bei der Armee melden wollen. Nach Angaben von Krankenhausärzten in der rund 100 Kilometer südlich von Bagdad gelegenen Stadt werden 37 weitere Menschen durch die Explosion des Sprengsatzes verletzt, der auf einem Fahrrad angebracht ist. Bei zwei weiteren Anschlägen in Buhris und Al-Makdadija im Norden von Bagdad kommen acht irakische Zivilisten ums Leben, darunter zwei Kinder. Drei weitere Zivilisten sterben in der nordirakischen Stadt Kirkuk, als sich ein Selbstmordattentä-ter in einem Linienbus in die Luft sprengt. Die US-Marineinfanterie greift angesichts der ausufernden Gewalt derweil zu neuen Metho-den. In den Rebellenhochburgen der westlichen Anbar-Provinz richten die Soldaten folgen-den Appell an die Bewohner: «Verehrte Bürger, die US-Armee will aus dem Irak abziehen und jeder Soldat will zu seiner Familie in den Vereinigten Staaten zurück, denn auch wir ha-ben Kinder und Familien, so wie Ihr... Deshalb schießt keine Raketen mehr ab und greift un-sere Patrouillen nicht mit Sprengsätzen an, denn dies verhindert den Abzug der Truppen aus Eurem Land.»

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31. August Bei mehreren Raketenangriffen auf Wohnviertel der irakischen Hauptstadt Bagdad sind am Abend 50 Menschen getötet worden; mehr als 257 Menschen werden verletzt. Insgesamt sieben Raketen seien im hauptsächlich von Schiiten bewohnten Osten der Stadt eingeschla-gen. „Es liegen immer noch Menschen unter den Trümmern.“, so ein Polizist. Vor der Anschlagsserie am Abend hat sich inmitten wartender Autos ein Selbstmordattentä-ter an einer Tankstelle in Bagdad in die Luft gesprengt. Dabei sind nach Polizeiangaben zwei Menschen getötet und 13 verletzt worden. Bei der Explosion einer Bombe in der Nähe eines Restaurants an einer Hauptverkehrsstraße werden acht Menschen verletzt. Im Nordosten der irakischen Hauptstadt erschießen Bewaffnete einen Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes des Ölministeriums. Zwei weitere werden verletzt. Eine von Al-Kaida geführte Gruppe veröffentlicht eine Botschaft im Internet, die die Sunniten des Landes zum Kampf gegen die schiitische Bevölkerung auffordert. US – Präsident Bush erklärt bei einer Rede in Salt Lake City, ein Abzug der amerikanischen Truppen aus dem Irak hätte zum jetzigen Zeitpunkt katastrophale Folgen. 1. September Extremisten haben mit einer Serie von Sprengstoffattacken und Raketenangriffen in den öst-lichen Schiiten-Vororten von Bagdad innerhalb weniger Minuten 67 Iraker getötet. Der staat-liche Fernsehsender Al-Irakija berichtete, mehr als 300 weitere Menschen seien verletzt worden. Irakische Beobachter erklärten, die Angriffswelle sei offensichtlich von langer Hand geplant gewesen. In Bakuba nördlich von Bagdad hat die Polizei nach eigenen Angaben die Leichen von fünf weiblichen Mordopfern gefunden. Vier der Frauenleichen haben Schusswunden am ganzen Körper aufgewiesen. Laut US-Armee sind zwei ihrer Soldaten den Verletzungen erlegen, die sie sich am vergangenen Mittwoch bei einem Angriff von Aufständischen in der westlichen Anbar-Provinz zugezogen haben. Die Sicherheitslage im Irak ist nach Einschätzung der US-Regierung derart prekär, dass sie in einen Bürgerkrieg münden könnte. Wie aus einem Bericht des Verteidigungsministeriums an den Kongress hervorgeht, betrachten die US-Streitkräfte zudem die Lage vor Ort als die schwierigste seit dem Einmarsch in den Golfstaat vor rund dreieinhalb Jahren. In den ver-gangenen drei Monaten ist demnach die Zahl der Anschläge im Irak um etwa ein Viertel auf knapp 800 pro Woche gestiegen. Die Zahl irakischer Gewaltopfer habe sich sogar um mehr als die Hälfte auf fast 120 Tote täglich erhöht. Die größte Bedrohung gehe dabei mittlerweile von der religiös motivierten Gewalt zwischen sunnitischen und schiitischen Moslems aus, während der Aufstand gegen ausländische Truppen eine immer geringere Rolle für die Sicherheitslage spiele. Der Anführer der opposi-tionellen Demokraten im Senat, Harry Reid, griff daraufhin die Regierung von Präsident George W. Bush scharf an: „Selbst das Pentagon gibt nun zu, dass der Irak in einen Bürger-krieg rutscht“. 2. September Die USA haben die Kontrolle über das berüchtigte Gefängnis Abu Ghoreib bei Bagdad offi-ziell an den Irak abgetreten. Die Anstalt sei geräumt und am Freitag an die Iraker übergeben worden, zitierten US-Medien am Samstag einen Sprecher des irakischen Regierungschefs Nuri al-Maliki. In dem Gefängnis gebe es nun keine Häftlinge mehr. Der Sprecher hat daran erinnert, dass Abu Ghoreib unter der Herrschaft des einstigen Dikta-tors Saddam Hussein Schauplatz «von Grausamkeiten und Verbrechen» gewesen sei. Er hat sich dabei auf die systematische Folter und Ermordung politischer Gegner des Regimes

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bezogen. Abu Ghoreib sei aber auch «Zeuge von Menschenrechtsverletzungen durch ame-rikanische Soldaten» geworden, so der Sprecher weiter. Das Pentagon hat erstmals offiziell eingeräumt, dass die Abwendung eines Bürgerkriegs zur Hauptaufgabe der US-Soldaten im Irak geworden ist. In einem am Freitag (Ortszeit) veröf-fentlichten Lagebericht für den Kongress heißt es weiter, die Zuspitzung von Gewalt und Chaos in den vergangenen drei Monaten beeinträchtige alle Bereiche von der Stabilität über den Wiederaufbau bis hin zur demokratischen Entwicklung im Irak. Experten sprachen von einer ungewöhnlich «nüchternen» Pentagon-Einschätzung. US-Präsident George W. Bush hat unterdessen bekräftigt, dass sich der Irak nach Auffas-sung von US-Kommandeuren und Diplomaten vor Ort nicht in einem Bürgerkrieg befinde. Bei Schießereien und Anschlägen sterben in Hilla, Falludscha, Ramadi und Bakuba. mindes-tens 14 Menschen. 3. September Nach dem Tod des jordanischen Top-Terroristen Abu Mussab al-Sarkawi vor drei Monaten ist nach Angaben der irakischen Regierung der Stellvertreter seines vermutlichen Nachfol-gers festgenommen worden. Hamed Dschumaa Farid al-Saidi sei vor einigen Tagen in ei-nem Privathaus gestellt worden, teilt der nationale Sicherheitsberater des Landes, Muaffak al-Rubaie, in Bagdad mit. Al-Saidi soll für den Anschlag auf die schiitische Moschee von Samarra im Februar verantwortlich sein. Die so genannte «Goldene Moschee» gilt als eines der wichtigsten Heiligtümer schiitischer Muslime. Nach dem Anschlag ist die Gewalt zwi-schen Sunniten und Schiiten im Irak sprunghaft angestiegen. Vor seiner Festnahme habe sich Al-Saidi in einem Privathaus verschanzt gehabt, wo er Frauen und Kinder als menschliche Schutzschilde einsetzen wollte, erklärt der Sicherheits-berater. Al- Saidi soll hinter dem neuen El-Kaida-Führer im Irak, Abu Ajub al- Masri, die Nummer zwei der Terrorgruppe El Kaida im Zweistromland sein. Der bisherige Al-Kaida-Führer im Irak Al-Sarkawi ist Anfang Juni bei einem US-Luftangriff nahe Bakuba nordöstlich von Bagdad getötet worden. Al-Masri sei zu dessen Nachfolger bestimmt worden. Im Norden des Landes droht Kurdenführer Masud Barsani, die Unabhängigkeit der Kurden-region auszurufen. Vor dem kurdischen Regionalparlament in Erbil erklärt der Präsident der kurdischen Regionalregierung, das Parlament könne die Unabhängigkeit ausrufen, wann immer es dies für richtig halte. Zuvor hat er den Behörden im autonomen Kurdengebiet ver-boten, die irakische Flagge vor öffentlichen Gebäuden zu hissen. Dies hat der irakische Staatschef Dschalal Talabani kritisiert. Bei Bombenanschlägen und Überfällen werden mindestens 20 Menschen getötet, unter ih-nen auch vier US-Soldaten. 4. September Bei einem Bombenanschlag auf einen britischen Militärkonvoi im Irak sind zwei Soldaten getötet worden. Zwei weitere sind verletzt worden. Der Anschlag habe sich rund 40 Kilome-ter von der südirakischen Hafenstadt Basra entfernt ereignet. Im Süden des Irak sind rund 7200 britische Soldaten stationiert. In der Anbar-Provinz haben bewaffnete Extremisten am Sonntag acht Angehörige einer Fa-milie erschossen, darunter mehrere Frauen und Kinder. In Bagdad und in der Stadt Kut wurden am Montag die Leichen von 35 Männern entdeckt. Die Körper wiesen Schusswunden und Folterspuren auf. Ein populärer irakischer Fußball-spieler ist am Sonntagabend in Bagdad verschleppt worden.

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Die beiden früheren Kriegsgegner Iran und Irak intensivieren ihre diplomatischen Kontakte. Aus dem Umfeld der irakischen Regierung verlautet, eine hochrangige Kabinettsdelegation werde am morgigen Dienstag in den Iran reisen. Ein iranischer Regierungssprecher kündigt zugleich an, Präsident Mahmud Ahmadinedschad werde „sehr bald“ das Nachbarland besu-chen. 5. September Das irakische Parlament hat den seit fast zwei Jahren geltenden Notstand im Land um weite-re 30 Tage verlängert. Damit behalten die Sicherheitskräfte ihre weit reichenden Befugnisse, wie das Recht zur Verhängung von Ausgehverboten und Festnahmen ohne Haftbefehl. Die britische Außenministerin Beckett ist am Montag zu einem nicht angekündigten Besuch in Bagdad eingetroffen. Sie hat sich gegen einen Abzug der 7000 britischen Soldaten ausge-sprochen, den Iraks Präsident Dschalal Talabani bis Ende 2007 für möglich hält. Bei Anschlägen in der Unruheprovinz Anbar sind drei US – Soldaten getötet worden. Zwei britische Soldaten sind bei der Explosion einer am Straßenrand versteckten Bombe im Süd-irak ums Leben gekommen. Der Gewalt im Irak fielen wieder zahlreiche Menschen zum Op-fer. In Saweria südlich von Bagdad findet die Polizei fünf Leichen mit mehreren Schusswun-den und Spuren von Folter. In Bakuba, 60 Kilometer nordöstlich von Bagdad, werden bei Anschlägen und Überfällen mindestens acht Menschen getötet. In der Provinz Dijala werden fünf Menschen erschossen. 6. September Bei einem Sprengstoffanschlag auf eine Gruppe von Tagelöhnern kommen in Bagdad neun Menschen ums Leben. Nach Angaben von Augenzeugen werden 36 Iraker verletzt. In dem vorwiegend von Schiiten bewohnten Viertel Al-Kahira im Nordosten der Stadt explodieren zwei Autobomben. In der nordirakischen Ortschaft Sindschar nahe der syrischen Grenze töten Extremisten sechs Grenzwächter. Sechs Polizisten werden bei der Attacke mit einer Autobombe verletzt. Laut US-Armee sei es in der südirakischen Stadt Nassirija zu einer großen Explosion in ei-nem illegalen Waffendepot gekommen. Verletzt wird nach ersten Berichten niemand. Unterdessen hat das irakische Parlament privaten Firmen den Import von Benzin und ande-ren Öl-Produkten gestattet, weil die heimische Ölindustrie wegen Terror, Sabotage und Misswirtschaft nicht auf die Beine kommt. Vor den irakischen Tankstellen warten die Kunden in der Regel mehrere Stunden, bevor sie an der Reihe sind, obwohl der Irak über eine der größten Ölreserven der Welt verfügt. Iraks Parlamentspräsident Mahmudal-Maschhadani hat in einem dramatischen Appell vor dem Zusammenbruch seines Landes gewarnt. Die Politiker müssten innerhalb von Monaten ihre grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten beilegen. Sonst würde der Irak zerfallen. Wenige Stunden zuvor sind bei einem Autobombenanschlag während des morgendlichen Berufsverkehrs in Bagdad acht Menschen ums Leben gekommen. Mindestens 38 weitere werden laut Polizei bei der Explosion des Sprengsatzes auf einer Hauptstraße im Norden der Stadt getötet. 7. September Die USA haben der Regierung in Bagdad das Kommando über Teile der irakischen Streit-kräfte übertragen. Erneute Anschläge zeigen indes, dass irakische Armee und Polizei noch nicht in der Lage sind, selbst für Sicherheit in dem Golfstaat zu sorgen. Bei Anschlägen sterben in Bagdad 13 Menschen. Ein Selbstmordattentäter reißt neben einer Tankstelle im Osten der Stadt neun Menschen mit in den Tod, darunter drei Polizisten. Nach Angaben des Innenministeriums werden durch die Autobombe 17 weitere Iraker verletzt.

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Bei dem Angriff auf eine Tankstelle brennen 20 Autos aus, die vor den Zapfsäulen gestan-den haben. Ein zweiter Selbstmordattentäter sprengt sich in der Innenstadt neben einer Poli-zeipatrouille in die Luft und tötet drei Polizisten. 15 Menschen erleiden Verletzungen, die meisten von ihnen Zivilisten. Bei weiteren Anschlägen kommen sechs Menschen, darunter zwei US - Soldaten ums Leben. In der irakischen Hauptstadt Bagdad sind am Vortag 27 Menschen hingerichtet worden, die als «Terroristen» zum Tode verurteilt worden waren. Die irakische Regierung verhängt un-terdessen ein einmonatiges Arbeitsverbot gegen den Nachrichtensender Al-Arabija. Der neue Al-Kaida-Führer im Irak, Abu Hamsa al Muhadscher, hat sich offenbar erstmals mit einer Tonband-Botschaft zu Wort gemeldet. Die Sprecher auf dem Band ruft seine Anhänger zum geschlossenen Kampf auf und äußert sich zuversichtlich über einen Sieg. Al Muhad-scher hat nach dem Tod von Terroristenführer Abu Mussab al Sarkawi die Führung der Al Kaida im Irak übernommen. Die USA haben ein Kopfgeld in Höhe von fünf Millionen Dollar (3,9 Millionen Euro) auf ihn ausgesetzt. 8. September Der frühere irakische Staatschef Saddam Hussein hat einem Bericht des US-Senats zufolge niemals Verbindungen zum Terrornetzwerk El Kaida gehabt, sondern die islamistischen Ext-remisten als Bedrohung für seine Führung eingeschätzt, heißt es in dem Bericht des US-Geheimdienstausschusses im Senat. Die Senatoren stellen zudem fest, dass die irakische Führung kein aktives Atomprogramm und auch kein mobiles Labor zur Herstellung biologi-scher Waffen gehabt habe. Damit wird nach Ansicht der oppositionellen Demokraten die Rechtfertigung von US-Präsident George W. Bush für die Invasion im Irak weiter in Frage gestellt. Bei einem Angriff mit Mörsergranaten werden in Mussajjib, 60 Kilometer südlich von Bagdad, drei Pilger auf dem Weg nach Kerbela getötet. Trotz Fahrverboten kommt es zu mehreren Terrorakten, denen etwa zehn Menschen zum Opfer fallen. Bei der Explosion einer Straßen-bombe südlich von Bagdad kommt auch ein US-Soldat ums Leben. Bei einem Autobomben-anschlag in der irakischen Hauptstadt Bagdad kommen zwei Menschen ums Leben. Der Sprengsatz detoniert im Zentrum der Stadt und ist offenbar gegen einen Polizeikonvoi ge-richtet gewesen. Unter den Toten sei ein Polizist. Drei Menschen werden verletzt. Nach einem Zwischenfall an der irakisch-iranischen Grenze haben sich die Spannungen in dem betroffenen Gebiet nördlich von Bagdad verschärft. Die irakische Grenzpolizei wirft dem Iran vor, irakisches Gebiet angegriffen und sechs irakische Soldaten gefangen genommen zu haben. Die Vorfälle drohen die Beziehungen zwischen den beiden Nachbarländern zu belasten. 9./10. September US-Außenministerin Condoleezza Rice beharrt trotz eines gegenteiligen Senatsberichtes darauf, dass der Irak Verbindungen zur Terrororganisation El Kaida hatte. Aus einem Bericht des früheren Geheimdienstchefs George Tenet habe die US-Regierung gewusst, dass es vor dem US-geführten Krieg gegen den Irak seit etwa einem Jahrzehnt Verbindungen zu El Kaida gegeben habe. Deshalb sei es auch falsch zu behaupten, dass die derzeitige Gewalt in dem Zweistromland nur auf religionsbedingte Spannungen zurückzuführen sei. Vielmehr herrsche «immer noch ein beträchtliches Terrorproblem» mit Extremisten, die den Irak «als Teil eines Nahen Ostens sehen wollen, in dem die Bin Ladens dieser Welt die Macht haben». Der Streit um den Föderalismus entwickelt sich zur ersten großen Bewährungsprobe für das irakische Parlament. Die religiösen Parteien der Schiiten fordern die Gründung einer auto-nomen Region Süd- und Zentralirak, ähnlich wie die jetzt schon weitgehend unabhängige Kurdenregion im Norden. Im Gegensatz dazu spricht sich das geistliche Oberhaupt der Sun-

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niten im Irak, der Mufti Scheich Abdel Karim al-Dabban, gegen eine übereilte Föderalismus-Debatte aus. Die Sunniten-Parteien lehnen den Föderalismus ab. Bei Attentaten und Terroranschlägen sterben am Wochenende mindestens 17 Menschen, darunter ein Mitarbeiter der regierungsnahen Zeitung «Al-Sabah». Er ist am Samstag auf dem Weg zur Arbeit in Bagdad erschossen worden. Drei Iraker werden getötet, als ein Sprengsatz auf einem Markt für Elektrogeräte in der Hauptstadt explodiert. Ein Selbstmordat-tentäter reißt am Sonntag im Al-Wahda-Viertel drei Polizisten mit in den Tod, die in dem Stadtteil gerade eine Razzia begonnen hatten. 11. September Die USA haben durch ihre umstrittene Irak-Politik die Terrorgefahr seit den Anschlägen vom 11. September 2001 nach Einschätzung des Präsidenten des BND erhöht. «Ich sehe den Irak-Krieg unter dem Gesichtspunkt Terrorbekämpfung schon als einen Fehler», so Ernst Uhrlau gegenüber dem ZDF. Denn Terroristen habe es vor dem Irak-Krieg in dem Land nicht gegeben. Zudem habe sich die Bedrohungslage im Vergleich zu den von El Kaida initiierten Aktionen tief greifend verändert, sagte Uhrlau. Derzeit habe man es mit sehr kleinteiligen Zellenbil-dungen zu tun. Die Gefährdung sei größer, weil sie breiter angelegt ist. Vor dem Rekrutierungsbüro der irakischen Armee am alten Militärflughafen Muthanna in Bagdad reißt ein Selbstmordattentäter 13 Iraker mit in den Tod, die sich zum Dienst bei der Armee melden wollten. Weitere 18 Menschen seien verletzt worden. Es ist bereits der neun-te Anschlag auf dieses Rekrutierungsbüro. Saddam, der erneut darauf besteht, dass er immer noch Präsident des Irak sei, mischt sich derweil in die aktuelle Debatte um die irakische Fahne ein. Er widersprach dem Präsidenten des kurdischen Autonomiegebietes, Massud Barsani. 12. September Der wegen Völkermordes an den Kurden angeklagte irakische Ex- Präsident Saddam Hus-sein fordert vor Gericht, die Aussage einer Belastungszeugin von einer Expertenkommission überprüfen zu lassen. Die irakische Christin, die einst Kämpferin einer kurdischen Miliz im Süden des Iraks gewesen war, hat am Montag vor Gericht von einem Giftgasangriff iraki-scher Truppen auf ein kurdisches Dorf im Jahr 1987 berichtet. Ein Selbstmordattentäter reißt an einer Straßensperre der irakischen Armee in Bagdad zwei Menschen mit in den Tod. Nach Angaben der Polizei werden 13 weitere Menschen verletzt, darunter mehrere Soldaten. Der Attentäter zündet seine Autobombe im Stadtteil Mansur, in dem auch die deutsche Botschaft liegt. Bei einem Bombenanschlag auf das US-Militär im Westen Bagdads kommen den Behörden zufolge sechs Zivilisten ums Leben. Einem Fern-sehsender zufolge werden zudem in der Nacht auf Dienstag bei einem Überfall auf eine schiitische Moschee südlich von Bakuba sieben Menschen getötet. Der Iran hat seinem Nachbarn Irak umfassende Hilfe bei der Wiederherstellung der Sicher-heit im Land zugesagt. Das Angebot macht Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad dem irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki, der den ehemaligen Kriegsgegner erstmals offiziell besucht. 13. September Die USA haben sich nach Einschätzung von UN- Generalsekretär Kofi Annan im Irak in eine Lage manövriert, die ihnen kein Vor und kein Zurück erlaubt: «Die USA sind in einer Positi-on, in der sie weder (im Irak) bleiben, noch ihn verlassen können». Während seiner jüngsten Nahost-Reise hätten ihm die meisten seiner Gesprächspartner erklärt, sie betrachteten die Invasion im Irak und deren Folgen als echte Katastrophe.

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Die ehemals verfeindeten Nachbarstaaten Iran und Irak haben eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit vereinbart. Ölfelder entlang der Grenze sollen gemeinsam entwickelt wer-den. Außerdem werde der Irak Rohöl an iranische Raffinerien liefern. Gemäß dem irakischen Gesundheitsministerium haben im August täglich durchschnittlich 51 Bewohner von Bagdad einen gewaltsamen Tod gefunden. Unterdessen haben in der Nacht zum Mittwoch Polizisten in Bagdad 65 Leichen gefunden, die gefesselt, gefoltert und erschossen worden seien. Bei der Explosion einer Autobombe im Osten der irakischen Hauptstadt kommen mindestens 19 Menschen ums Leben, 62 werden verletzt. Bei einem zweiten Autobombenanschlag auf die Polizei in Bagdad werden nach US-Angaben mindestens zwölf Menschen getötet und 34 verletzt. Außerdem werden zwei Poli-zeiwachen mit Granaten angegriffen, dabei kamen drei Beamte und zwei amerikanische Soldaten ums Leben. Das irakische Parlament hat mit 104 von 275 Stimmen eine Entschließung der Anhänger des radikalen schiitischen Predigers Muktada al Sadr befürwortet, in der der Abzug der amerika-nischen Truppen gefordert wird. Im Prozess gegen Saddam Hussein verlangt Staatsanwalt Munkith al Farun den Rücktritt des Vorsitzenden Richters Abdullah al Amiri, da er zugelassen habe, dass der Angeklagte den Gerichtssaal zum Forum für seine politischen Ansichten gemacht habe. 14. September Bei der Explosion einer Autobombe in der Bagdader Innenstadt sind mindestens neun Men-schen getötet worden. Fast 20 werden verletzt. Einer Reihe von Anschlägen im Mittelirak fallen mindestens zehn weitere Menschen zum Opfer, Dutzende werden verletzt. Weiterhin sterben zwei Journalisten und drei amerikanische Soldaten. In der Umgebung von Bagdad werden erneut 20 Leichen gefunden. Die Männer seien gefoltert und anschließend getötet worden. Die US-Streitkräfte nehmen nach eigenen Angaben ein führendes Mitglied der Terrororgani-sation Al Kaida im Irak fest. Laut dem amerikanischen Militärsprecher sei der Mann bereits am Dienstag gefasst worden. Der Mann sei ein persönlicher Vertrauter des neuen Anführers der Al Kaida im Irak, Abu Ajjub al Masri. Die irakischen Streitkräfte geben ebenfalls den Tod eines führenden Mitglieds von Al Kaida im Irak bekannt. Polizisten hätten Abu Dschaafar al Libi drei Tage zuvor in Bagdad erschossen. Im Prozess gegen Saddam Hussein nimmt der Vorsitzende Richter Abdullah al Amiri den angeklagten Exstaatschef indirekt in Schutz. Er sei kein Diktator gewesen. In Saddams Hei-matstadt Tikrit haben Stammesführer und sunnitische Religionsgelehrte die Freilassung Saddams gefordert. 15. September Die irakische Polizei hat innerhalb eines Tages Dutzende weitere Leichen von Menschen gefunden, die offenbar vor ihrer Tötung gefoltert worden sind. Bis Freitagmorgen seien in Bagdad insgesamt 50 Leichen geborgen worden. Die meisten der Menschen seien offenbar durch einen Kopfschuss getötet worden, nachdem sie zuvor gefesselt und gefoltert worden seien. Der führende Sunnitenpolitiker Adnan el Dulaimi hat «wohlbekannte Milizen» wie die des radikalen Schiitenpredigers Moktada el Sadr beschuldigt, hinter der Mordserie zu ste-hen. Vizeministerpräsident Barham Saleh sagt in Washington, Milizen wie diejenige von Sadr stellten eine «sehr, sehr ernste Herausforderung» dar. Der UN-Sondergesandte für den Irak, Ashraf Qazi, hat unterdessen vor einem Zusammen-bruch des Landes gewarnt. «Wenn die gegenwärtige Gesetzmäßigkeit von Uneinigkeit und Gewalt weiter anhält, besteht eine erhebliche Gefahr, dass der irakische Staat zusammen-

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bricht und in den Bürgerkrieg stürzt», hat Qazi am Donnerstag (Ortszeit) vor dem UN-Sicherheitsrat in New York gesagt. Die UNO halte jedoch an ihrer Mission im Irak fest. 16./17. September Inmitten einer Gewaltwelle mit mindestens 34 Toten am Wochenende hat Ministerpräsident Nuri el Maliki für Versöhnung unter den Irakern geworben. Mit der Bereitschaft zur Einigkeit und zum Dialog sollten die Iraker ihrem Land «den Ruin» ersparen, sagt Maliki am Samstag Am Sonntag gibt es in der Stadt Kirkuk im Norden mindestens 27 Tote und rund neunzig Verletzte durch mehrere Selbstmordanschläge. Einer der Selbstmordanschläge in Kirkuk wird von einem Einzeltäter verübt, der mit einem Lastwagen vor das Büro der Kriminalpolizei gefahren ist um sich geschossen hat. Bei dem Anschlag werden 19 Menschen getötet. Unter den Verletzten sind mehrere Polizisten. Nur fünf Minuten später gehen zwei an einer Straße im Süden der Stadt platzierte Bomben hoch und töten einen Menschen; zwölf weitere Menschen werden verletzt. Fünf weitere Selbstmordattentäter verüben in Kirkuk weitere Anschläge. In Falludscha werden bei mehreren Anschlägen vier Menschen getötet und zehn verwundet. Präsident George W. Bush kündigt an, er werde das US-Truppenkontingent im Irak von 135.000 auf ungefähr 147.000 Mann aufstocken. Ihm sei bewusst, dass die Entsendung von mehr Soldaten kurz vor den Wahlen politisch wahrscheinlich keine kluge Entscheidung sei, fügte Bush hinzu. «Aber man kann sich bei Entscheidungen nicht von der Politik leiten las-sen, wenn man einen Krieg gewinnen will.» Durch das Ausheben von Schutzgräben rund um Bagdad wollen die irakischen Behörden Attentäter künftig fernhalten. Zugleich sollten dutzende Straßen in die Hauptstadt gesperrt werden, teilte ein Sprecher des Innenministeriums mit. Aus Sicherheitsgründen werde künftig der Zugang zur Hauptstadt nur noch über 28 Kontrollpunkte möglich sein. Nach den umstrittenen Islam-Äußerungen von Papst Benedikt XVI. hat am Samstag eine bewaffnete irakische Gruppe mit Anschlägen in Rom und gegen den Vatikan gedroht. 18. September UN-Generalsekretär Kofi Annan hat nachdrücklich vor der Gefahr eines Bürgerkriegs im Irak gewarnt: Ohne umfassende internationale Unterstützung sei die Entwicklung des Iraks nach den Worten von UN-Generalsekretär Kofi Annan zum Scheitern verurteilt. «Die Weltgemein-schaft ist möglicherweise nicht in der Lage, dem Irak zum Erfolg zu verhelfen. Aber sie ga-rantiert sein Scheitern, wenn sie dem Irak nicht rechtzeitig und ausreichend hilft». Die führenden irakischen Politiker fordert Annan auf, die Spannungen zwischen Religions-gruppen und Landesteilen zu überwinden und einen Konsens in strittigen Fragen wie der Schaffung einer bundesstaatlichen Struktur zu suchen. Iraks Präsident Dschalal Talabani sagt, der Sicherheitsplan der Regierung für die Hauptstadt Bagdad zeige Wirkung. Allerdings seien die Sicherheitskräfte des Landes von `kriminellen Elementen und Mitgliedern terroristischer Gruppen` infiltriert worden. Bei zahlreichen Anschlägen kommen mindestens 62 Menschen ums Leben. Der schwerste Anschlag ereignet sich in der Stadt Tal Afar im Norden des Iraks, bei dem 22 Menschen ge-tötet und mehr als 20 verletzt werden. Im zentralirakischen Ramadi reißt ein Selbstmordat-tentäter 13 Menschen mit in den Tod, als er sich in seinem Auto vor einer Rekrutierungsstel-le der Polizei in die Luft gesprengt hat. Bei weiteren Attentaten und Überfällen kamen lan-desweit 27 Menschen ums Leben. Darüber hinaus werden nach Angaben von Sicherheits-kräften im Irak wieder 24 Leichen gefunden, allein 14 in Bagdad. 19. September

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Im Irak ist eine geplante Parlamentsdebatte über ein föderalistisches System im Land aber-mals verschoben worden. Die Abgeordneten befürchten, dass eine Debatte über die Auftei-lung von Macht und Ressourcen zwischen den großen Volksgruppen die Gewalt im Land weiter anfachen könnte. Bei der Explosion von zwei Sprengsätzen werden in der nordirakischen Stadt Scharkat 18 Menschen getötet und zwölf weitere verletzt. In der westirakischen Stadt Ramadi haben Ext-remisten am Montag Ahmed al-Karbuli (25), einen Reporter des Senders Bagdad TV ermor-det. Die US-Armee meldet derweil, ein amerikanischer Soldat sei bei einem Anschlag in Mossul getötet worden. Die US-Truppen im Irak warnen unterdessen davor, dass sunnitische Rebellen und Al-Kaida-Extremisten mit dem islamischen Fastenmonat Ramadan ihre Aktio-nen noch verstärken würden. 20. September Mit einem neuen Richter und ohne Saddam Hussein ist in Bagdad der Prozess wegen Völ-kermordes an den Kurden fortgesetzt worden. Der Vorgänger von Richter Al-Madschid, Ab-dullah Alusch al-Amiri, ist am Dienstag von der Regierung wegen «mangelnder Neutralität» abgesetzt worden. Ein Selbstmordattentäter hat auf einem Markt im Nordirak mindestens 22 Menschen mit in den Tod gerissen. Nach Angaben der Polizei sprengt er sich in der 420 Kilometer nordwest-lich von Bagdad gelegenen Stadt Tel Afar mit einem Sprengstoffgürtel zwischen den Ver-kaufsständen in die Luft. 24 weitere Menschen sind bei dem Anschlag verletzt worden. In Bagdad sind innerhalb von 24 Stunden erneut 35 unidentifizierte Leichen gefunden worden. Laut Polizeiangaben sind die Mordopfer alle gefoltert worden. Nach einer Serie von Terroranschlägen beschließt die Verwaltung von Kirkuk, außerhalb der Stadt kurdische Armee-Einheiten zu stationieren. Diese «Peschmerga»-Truppen sollen künf-tig südlich von Kirkuk jedes Fahrzeug durchsuchen und das Eindringen von Terroristen in die Stadt verhindern. Heikel ist diese Entscheidung nach Einschätzung örtlicher Beobachter, weil die Araber und Turkmenen von Kirkuk sich gegen die von den Kurden betriebene Eingliede-rung der Stadt und ihrer Ölfelder in das autonome Kurdengebiet im Norden wehren. 21. September Bei Anschlägen von Extremisten sind im Irak mindestens 20 Menschen getötet worden, dar-unter auch zwei Leibwächter des Gouverneurs der Provinz Dijala, Raed Raschid. Der Politi-ker überlebte den Sprengstoffanschlag auf seinen Konvoi in der Nähe der Provinzhauptstadt Bakuba. Die italienischen Truppen im Irak übergaben am selben Tag die Kontrolle über die südirakische Stadt Nasirija an die irakische Armee. Die US-Streitkräfte wollen indes spätes-tens bis zum Jahresende die Ausbildung und Bewaffnung der irakischen Polizeikräfte und Grenzsoldaten abschließen. Bei weiteren Anschlägen in Bakuba starben am Donnerstag sieben Polizisten. Bei einem Angriff auf eine Polizeiwache in West-Bagdad wurden sechs Beamte und zwei Passanten getötet. Zwei weitere Zivilisten starben durch die Explosion einer Autobombe im Norden der irakischen Hauptstadt. Die US-Armee nahm in der südirakischen Stadt Nadschaf den Parla-mentsabgeordneten Faleh Hasan Schanschal aus dem Schiiten-Bündnis Vereinigte Iraki-sche Allianz (UIA) fest. Schanschal ist zugleich Funktionär der Bewegung des radialen Schii-ten-Predigers Muktada al-Sadr, die der UIA angehört. In anderen Regionen des Landes haben Einheiten der irakischen Armee zwar in den ver-gangenen Wochen nominell die Kontrolle übernommen, amerikanische Truppen sind dort jedoch immer noch dauerhaft präsent. Italien, begann Mitte Juni mit dem Abzug seiner Trup-pen. Dennoch zeigte sich das US-Militär zuversichtlich, die Sicherheit des Landes bald durch ira-kische Polizeikräfte und Grenzsoldaten gewährleisten zu können, deren Ausbildung durch

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US-Truppen bis zum Jahresende abgeschlossen sei. Derzeit seien 95 Prozent einsatzbereit, sagte US-General Joseph Peterson am Mittwochabend bei einer Videokonferenz in Bagdad. 22. September Die Anwesenheit ausländischer Truppen im Irak wird nach den Worten von Präsident Dscha-lal Talabani unerlässlich bleiben, bis das Land zu seiner eigenen Verteidigung in der Lage ist. Erst dann kann über einen Zeitplan für den Abzug der multinationalen Streitkräfte aus dem Irak gesprochen werden, sagte Talabani am Freitag vor der UN-Vollversammlung in New York. Jeder Abzug müsse schrittweise erfolgen. Die USA haben rund 147.000 Soldaten im Irak stationiert. Für die Situation machte er Extremisten aus dem arabischen Ausland ver-antwortlich, die ihre Kämpfe auf irakischem Gebiet austragen. Einem in dieser Woche veröf-fentlichten UN-Bericht zufolge kamen in den vergangenen zwei Monaten 6599 Iraker durch Gewalttaten ums Leben. In Bagdad sind an verschiedenen Stellen die Leichen von 38 offensichtlich ermordeten Men-schen aufgefunden worden. Die Opfer, die zunächst nicht identifiziert werden konnten, seien alle durch Gewehrschüsse getötet worden, bestätigten Sicherheitskreise in der irakischen Hauptstadt. In der Mehrzahl der Fälle waren die Hände auf dem Rücken gefesselt und die Augen von Binden verdeckt. Schiitische Todesschwadronen, die sich oft aus Milizionären und Polizisten zusammenset-zen, sowie sunnitische Aufständischen-Kommandos beteiligen sich in Bagdad an einer er-barmungslosen Jagd auf Angehörige der jeweils anderen Religionsgruppe. In die Bagdader Leichenschauhäuser wurden allein im August 1500 Gewaltopfer gebracht. Bei zwei verschiedenen Zwischenfällen kamen am Vortag zwei US-Soldaten ums Leben. Ein GI starb im Osten von Bagdad, als unter seinem Fahrzeug ein Sprengsatz explodierte. Ein weiterer US-Soldat wurde in der westirakischen Aufstandsprovinz Anbar durch «feindliche Aktivitäten» getötet, teilte das US-Militärkommando in Bagdad mit. 23./24. September Bei Anschlägen und anderen Gewalttaten sind im Irak am Wochenende mindestens 57 Men-schen getötet und 67 verletzt worden. Zum Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan starben in Bagdad bei einem der schwersten Anschläge der vergangenen Wochen 34 Men-schen. Eine sunnitische Extremistengruppe bekannte sich zu der Tat. Die irakische Armee nahm nach eigenen Angaben zwei Rebellenführer fest. Einer US-Geheimdienstanalyse zufolge hat der Irakkrieg weltweit eine neue Generation mili-tanter Islamisten entstehen lassen. Bei dem schwersten Anschlag wurden am Samstag in Bagdad zudem 35 Menschen verletzt, viele davon erlitten schwere Verbrennungen. Der Polizei zufolge wurde die Explosion in dem verarmten Schiitenviertel Sadr City höchstwahrscheinlich durch eine Autobombe ausgelöst. Der Stadtteil ist eine Hochburg von Anhängern des radikalen Schiitenpredigers Moktada al-Sadr. Das Attentat sei Rache für Verbrechen von Al-Sadrs so genannter Mehdi-Armee an Sunniten, erklärte die Gruppe Dschamaat Dschund al-Sahaba (Armee der Prophetengenos-sen) im Internet. In Tikrit köpften Bewaffnete nach Angaben der Sicherheitskräfte neun Men-schen, die zuvor in der Nähe aus ihren Autos gezerrt wurden. Die Polizei im westlich von Bagdad gelegenen Falludscha berichtete, in den Vortagen seien zehn Leichen mit Folterspu-ren gefunden worden. Bei weiteren Anschlägen im ganzen Land wurden zahlreiche Menschen getötet oder verletzt, darunter viele irakische Sicherheitskräfte und ausländische Soldaten. Die US-Armee hatte seit Wochen gewarnt, während des Ramadans sei mit einer Zunahme der Gewalt zu rech-nen. Für die meisten sunnitischen Muslime begann der Fastenmonat am Samstag, bei den irakischen Schiiten fängt er voraussichtlich am Montag an. Nahe Mukdadija nordöstlich Bag-dads fasste die irakische Armee nach eigenen Angaben einen Anführer der Extremisten-gruppe Ansar al-Sunna, Muntasir al-Dschiburi. Die mit der irakischen Al-Kaida verbündete

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Gruppe hat sich zu Selbstmordanschlägen sowie zu Enthauptungen von Geiseln bekannt. In einer Erklärung bestritt sie die Festnahme. In Bagdad wurde laut dem Militär der örtliche An-führer einer für Anschläge auf die US-Truppen verantwortlichen nationalistischen Rebellen-gruppe festgenommen. Die `New York Times` zitierte am Samstag aus dem vertraulichen US-Geheimdienstbericht, in Folge des Irakkriegs habe sich die militante islamistische Bewegung von Osama bin La-dens Organisation Al-Kaida und den mit ihr verbündeten Gruppen auf zahlreiche unabhängi-ge terroristische Zellen ausgeweitet. Diese hätten zwar keine direkte Verbindung zu Al-Kaida, ließen sich aber von deren Ideologie inspirieren. Die Analyse ist eine erste gemein-same, formelle Einschätzung der 16 US-Geheimdienste über die weltweite terroristische Be-drohung seit dem Beginn des Irakkriegs. 25. September Das irakische Parlament hat einen Ausschuss zur Abänderung der Verfassung eingesetzt. Darauf einigten sich die einzelnen Fraktionen des Parlaments. Der Ausschuss hat 27 Mitglieder, darunter zwölf Abgeordnete des Schiiten-Blocks, fünf Kurden, vier Sunniten und weitere Parlamentarier, die kleinere Minderheiten vertreten. Er soll Vorschläge für eine Verfassungsreform vorlegen und insbesondere die verfassungsmäßigen Grenzen des im derzeitigen Grundgesetz verankerten Föderalismus genauer definieren. Britische Soldaten haben im Irak ein hochrangiges Mitglied der Extremisten-Organisation Al-Kaida getötet. Omar Faruk, der im vergangenen Jahr aus einem US-Gefängnis in Afgha-nistan entkommen ist, wurde bei einer Razzia im südirakischen Basra aufgespürt, wie ein Sprecher des britischen Militärs am Montag mitteilte. Er habe sich seiner Festnahme wider-setzt und sei erschossen worden. Der Kuwaiter Faruk war im Juni 2002 in Indonesien ge-fasst worden. 26. September Bei einer Serie von Bombenexplosionen im Großraum Bagdad sind mindestens 21 Men-schen getötet worden. Der blutigste Anschlag kostete laut Polizeiangaben in Machmudijah, 30 Kilometer südlich der irakischen Hauptstadt, mindestens sieben Zivilpersonen das Leben. Elf weitere wurden bei dem Anschlag auf ein überwiegend von Schiiten bewohnten Mehrfa-milienhaus verletzt. Im Zentrum von Bagdad wurden sechs Menschen getötet, als ein Sprengsatz in der Nähe eines Restaurants detonierte. 27. September An einer sunnitischen Moschee im Westen Bagdads haben Bewaffnete nach Polizeiangaben um sich geschossen und zehn Menschen getötet. Zu der Zeit hatten sich dort zahlreiche Muslime zum Ramadan-Abendgebet versammelt. Nach Informationen aus dem Innenminis-terium wurden einige der Opfer in der Maschaada-Moschee im Stadtbezirk Hurrija getötet. Polizeiangaben zufolge fand die Schießerei in der Umgebung der Moschee statt. Bei Kampfhandlungen in der irakischen Stadt Bakuba sind 13 Menschen getötet worden. Acht Iraker, darunter vier Frauen, starben im Morgengrauen, als die US-Luftwaffe ein Wohn-haus in der Stadt 60 Kilometer nördlich von Bagdad bombardierte. Das US-Militärkommando in Bagdad teilte in einer Erklärung mit, eine amerikanische Militäreinheit sei von dem Haus aus beschossen und hätte anschließend Luftunterstützung angefordert. Bewaffnete Rebellen griffen am selben Tag in Bakuba eine Polizeistreife an. Bei dem Feuer-gefecht kamen zwei Polizisten und drei Angreifer ums Leben. 28. September Die irakische Polizei entdeckte in Bagdad insgesamt 40 Leichen. Die Toten seien Opfer will-kürlicher Erschießungen und hätten zudem Folterspuren aufgewiesen. Bei einem Selbst-

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mordanschlag im Westen von Bagdad vor einem irakischen Militärstützpunkt wurden zwei irakische Soldaten getötet und 25 weitere Menschen verletzt. Das irakische zentrale Strafgericht hat in den vergangenen Tagen vier ausländische Staats-bürger zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt, die illegal in den Irak gereist waren. Das Gericht ging davon aus, dass sie sich bewaffneten Aufständischengruppen anschließen woll-ten. Ein Syrer und ein Jemenit erhielten jeweils 15 Jahre, ein Libanese sechs Jahre und ein Franzose fünf Jahre und einen Monat. 29. September Die Polizei in Bagdad hat erneut sieben gefesselte Leichen gefunden. Die sechs Männer und eine Frau seien offenbar vor ihrem Tod misshandelt worden, erklärten die Sicherheitskräfte Die Ermordungen werden Todesschwadronen zugeschrieben. Die irakische Regierung hat überraschend eine totale Ausgangssperre über Bagdad ver-hängt. Wie der britische Fernsehsender BBC unter Berufung auf einen Regierungssprecher berichtete, gelte die Sicherheitsmaßnahme bis Sonntagfrüh für Fußgänger und den Autover-kehr. Eine Begründung nannte der Sprecher nicht. In Bagdad kommt es jedoch ständig zu Terroranschlägen. Unbekannte erschossen in Bagdad den Schwager und den siebenjährigen Neffen von Sad-dam Husseins Richter. Die Schwester des Kammervorsitzenden am irakischen Sondertribu-nal, Mohammed al-Uraibi, überlebte den Anschlag auf ihre Familie mit schweren Verletzun-gen, bestätigte das irakische Innenministerium. 30. Sept. Während des Wochenendes wurden an verschiedenen Stellen der Hauptstadt 23 Leichen gefunden. Ihre Identität stand zunächst nicht fest. Nach Polizeiangaben wiesen sie Ein-schüsse im Kopf und Folterspuren auf. Offenbar handelt es sich um Opfer der zwischen den Religionsgruppen wütenden Gewalt. Ansonsten kehrte Bagdad am Sonntag nach der totalen Ausgangssperre zur Normalität zurück. Geschäfte und Märkte hatten wieder geöffnet, Beam-te und Angestellte gingen zur Arbeit, Schüler und Studenten besuchten ihre Schulen und Universitäten. Bei einer Reihe von Anschlägen in Bakuba wurden am Samstag acht Iraker getötet, darunter zwei Polizisten. Bei einem Selbstmordanschlag nahe einem Markt in Tel Afar, 70 Kilometer westlich von Mossul, kamen zwei Passanten ums Leben. 30 weitere Menschen wurden nach Polizeiangaben verletzt. 1. Oktober Das US-Militär im Irak hat einen geplanten schweren Anschlag auf das besonders gesicherte Regierungsviertel in Bagdad vereitelt. Im Anwesen des sunnitischen Spitzenpolitikers Adnan al- Dulaimi nahmen US-Soldaten am Freitagabend einen der mutmaßlichen Attentäter, einen Leibwächter des Politikers, fest, wie das US- Militärkommando am Wochenende bekannt gab. Der festgenommene Leibwächter, der für die Terrororganisation El Kaida im Irak gear-beitet haben soll, verfügte über einen Passier-Ausweis für die Grüne Zone. Aus Verärgerung über mutmaßliche Sicherheitslücken im irakischen Regierungsviertel haben schiitische Abgeordnete am Sonntag eine umfassende Regierungsumbildung gefordert Der irakische nationale Sicherheitsberater Muaffak al-Rubaie erklärte unterdessen am Sonn-tag auf einer Pressekonferenz in Bagdad, dass die Festnahme oder Tötung des Führers der El Kaida im Irak, Abu Ajjub al-Masri, unmittelbar bevorstehe

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Unterdessen wurden bei einer neuen Massen-Entführung am Sonntag 26 Arbeiter einer Groß-Fleischerei in Bagdad verschleppt. Die bewaffneten Entführer hätten ihre Opfer in drei Lastwagen weggefahren, die zu der Fabrik gehörten. 2. Oktober Im Irak sind die Leichen von 50 Menschen entdeckt worden. Die Getöteten seien in ver-schiedenen Bezirken der Hauptstadt Bagdad gefunden worden, teilte das irakische Innenmi-nisterium mit. Die meisten von ihnen seien durch Kopfschüsse umgekommen. Drei US-Soldaten wurden in der westirakischen Unruheprovinz El Anbar getötet, ein britischer Soldat kam in Basra ums Leben, ein weiterer britischer Soldat wurde verletzt. In Bagdad wurden vierzehn Menschen eines Computerunternehmens entführt. Die 50 Getöteten seien wahrscheinlich Opfer der Kämpfe zwischen Sunniten und Schiiten geworden, sagte ein Vertreter der Polizei. Der US-Botschafter im Irak, Zalmay Khalilzad, warnte vor der zunehmenden interkonfessionellen Gewalt im Irak. In dem Land spiele sich ein zweiter Krieg zwischen Sunniten und Schiiten ab, warnte der Diplomat im US-Nachrichtensender CNN. In Nadschaf, 160 Kilometer südlich der Hauptstadt, töteten Unbekannte nach Polizeiangaben den Direktor eines Krankenhauses und seinen Fahrer. In Bagdad wurden vier Menschen durch eine Bombenexplosion getötet. Ein hoher Offizier des irakischen Geheimdienstes wur-de nach Angaben des Innenministeriums in Bagdad erschossen. Das irakische Parlament verlängerte den seit 2004 geltenden Ausnahmezustand für den Irak mit Ausnahme der auto-nomen Provinz Kurdistan. 3. Oktober Der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki hat eine neue Initiative gestartet, um die Ge-walt zwischen den Religionsgruppen in Bagdad einzudämmen. Danach sollen Nachbar-schaftskomitees eine Zuspitzung der Gewalt rechtzeitig abwenden. Mit Vertretern der kon-fessionellen und ethnischen Blöcke wurde dazu nach Regierungsangaben Einigung erzielt. Es ist der dritte Vorstoß des seit Mai dieses Jahres amtierenden Al-Maliki, um die außer Kon-trolle geratene Sicherheitslage in der Hauptstadt zu stabilisieren. Die bisherigen Initiativen, die sich auf militärische Maßnahmen stützten, blieben jedoch wirkungslos. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen fallen im Irak täglich bis zu 100 Menschen der Gewalt zum Opfer, die meisten davon im Großraum Bagdad. Bei zwei Sprenganschlägen kamen in Bagdad drei Passanten ums Leben. Wie bekannt wur-de, töteten Aufständische allein am Montag in Bagdad insgesamt acht US-Soldaten. Vier von ihnen starben, als ihr Fahrzeug über einen Sprengsatz fuhr. Vier weitere wurden an ver-schiedenen Stellen der Stadt aus dem Hinterhalt erschossen. 4.Oktober US-Außenministerin Condoleezza Rice hat an die Kurden appelliert, den Erdölreichtum ihres Gebiets nicht für sich allein zu behalten. Die Iraker müssten das Erdöl als einigenden Faktor betrachten, sagte Rice nach einem Treffen mit dem Präsidenten der Kurdenregion, Massud Barsani, Erdöl wird im Irak außer im schiitisch bevölkerten Süden im weitgehend kurdisch kontrollier-ten Gebiet um die nordirakische Stadt Kirkuk gefördert. Nach der Annahme einer neuen Ver-fassung vor einem Jahr, die den Regionen weit reichende Autonomie gibt, befürchten die Sunniten, bei der Verteilung der Erdöleinkünfte leer auszugehen. Die Amerikaner fürchten eine weiter gehende Unabhängigkeit der Kurden von der Zentralregie-rung in Bagdad, die den Zerfall des Landes bedeuten und zum Anheizen des Kurden-Konflikts in der benachbarten Türkei führen könnte. Barsani betonte, das Kurdenparlament habe sich für ein föderalistisches System im Irak entschieden.

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In Bagdad ermordeten indes Unbekannte einen kurdischen Parlamentsabgeordneten, be-richtete die Polizei. Der Politiker Mohammed Rida war am Vortag von Bewaffneten entführt worden. Wenige Stunden später fand die Polizei seine Leiche. Sie wies Einschüsse im Kopf auf. Bei einem Feuergefecht mit Rebellen in der südirakischen Region Hartha kam ein däni-scher Soldat ums Leben, bestätigte das dänische Militärkommando in Kopenhagen. 5. Oktober Saudi-Arabien plant eine Sperranlage entlang seiner 560 Kilometer langen Grenze zum Irak, um das Einsickern von Terroristen in das Königreich zu verhindern. US-Außenministerin Condoleezza Rice traf unterdessen im Rahmen ihrer Nahostreise über-raschend in Bagdad ein. Angesichts der andauernden Gewalt im Irak sagte Rice: «Dies ist eine wichtige Zeit und eine Herausforderung für das irakische Volk.» In Bakuba, 60 Kilometer nördlich von Bagdad, kamen am Donnerstag insgesamt sechs Ira-ker durch Mörsergranaten und bei Attentaten ums Leben. Im Nordwesten von Bagdad er-schossen Aufständische wieder vier amerikanische Soldaten, wie das US-Militärkommando in der Nacht zum Donnerstag mitteilte. Bei Suweira, 40 Kilometer südlich von Bagdad, wur-den vier Leichen mit Einschüssen im Kopf und Folterspuren aus dem Tigris gezogen. Bewaffnete haben in der südirakischen Stadt Samawa drei Frauen erschossen und einem Kleinkind die Kehle durchgeschnitten. Samawa ist eine Stadt mit großer schiitischer Mehr-heit. 6. Oktober US-Außenministerin Condoleezza Rice hat am Freitag an die Kurden appelliert, den Erdöl-reichtum ihres Gebiets nicht für sich allein zu behalten. Die Iraker müssten das Erdöl als ei-nigenden Faktor betrachten, sagte Rice nach einem Treffen mit dem Präsidenten der Kur-denregion, Massud Barsani, am Freitag im nordirakischen Erbil. Nach der Annahme einer neuen Verfassung vor einem Jahr, die den Regionen weit reichende Autonomie gibt, be-fürchten die Sunniten, bei der Verteilung der Erdöleinkünfte leer auszugehen. In Bagdad ermordeten indes Unbekannte einen kurdischen Parlamentsabgeordneten, be-richtete die Polizei am Freitag. Der Politiker Mohammed Rida war am Vortag von Bewaffne-ten entführt worden. Wenige Stunden später fand die Polizei seine Leiche. Sie wies Ein-schüsse im Kopf auf. Bei einem Feuergefecht mit Rebellen in der südirakischen Region Hartha kam ein dänischer Soldat ums Leben, bestätigte das dänische Militärkommando am Freitag in Kopenhagen. 7./8. Oktober Bei Gefechten oder Attentaten sind am Wochenende im Irak erneut Dutzende von Menschen um Leben gekommen. Amerikanische und irakische Soldaten töteten nach eigenen Angaben bei Kämpfen mit einer Schiiten-Miliz in der südirakischen Stadt Diwanija rund 30 Freischärler. Am Samstag riss ein Selbstmordattentäter an einem irakischen Militärkontrollpunkt in Tel Afar, westlich von Mossul, mindestens zehn Menschen, darunter zwei Soldaten, mit in den Tod. Wie die Zeitung «Washington Post» unter Berufung auf Pentagon-Statistiken berichtete, ist die Zahl der verletzten US-Soldaten im Irak drastisch gestiegen. US-Truppen und irakische Sicherheitskräfte legten die Erdölstadt Kirkuk mit einer groß ange-legten Razzia gegen Aufständische lahm. Dabei wurden 148 Personen festgenommen, dar-unter eine Frau, die des Terrorismus verdächtig sei. Die Hauptstadt der nördlichen Provinz Tamim ist zwischen sunnitischen Arabern, Kurden und Turkmenen umkämpft und leidet un-ter häufigen Anschlägen. 9. Oktober

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Bei der Explosion einer Autobombe auf einem Markt in Bagdad sind Polizeiangaben zufolge 13 Menschen getötet worden. 46 Personen wurden verletzt, hieß es. Der Anschlag ereignete sich auf einem belebten Markt im Schaab-Distrikt im Nordosten der Stadt. Unbekannte haben in Bagdad den Bruder des irakischen Vize-Präsidenten Tarik al-Haschemi erschossen. General Amer al-Haschemi wurde in seinem Haus im Norden von Bagdad von Männern ermordet, die Polizeiuniformen trugen, bestätigte ein Sprecher der sunnitischen Irakischen Islam-Partei (IIP). Sein Bruder Tarik ist Generalsekretär der IIP. Das Anschlagsopfer war zuletzt als Berater für das Verteidigungsministerium und für die irakische Präsidentschaft tätig. Im Südirak zeigten 1200 irakische Soldaten und Polizisten zum Teil heftige Symptome einer rätselhaften Vergiftung. Dutzende seien in Krankenhäuser gebracht worden, nachdem sie im Ausbildungslager von Noamanija, 120 Kilometer südlich von Bagdad, ihr Abendessen eingenommen hatten, berichteten die örtlichen Behörden. Die Polizei nahm mehrere Perso-nen fest, die mit der Vergiftung in Zusammenhang gebracht wurden. 10. Oktober Der Hass zwischen den Religionsgemeinschaften im Irak hat erneut Dutzende Tote gefor-dert. Behörden sprachen von 60 männlichen Leichen, die innerhalb von 24 Stunden in ver-schiedenen Teilen von Bagdad gefunden worden seien. Den meisten sei in den Kopf ge-schossen worden, wie bei einer Exekution, und viele hätten Folterspuren aufgewiesen, be-richtete ein Mitarbeiter des Innenministeriums. In der Hauptstadt starben zudem zehn Men-schen bei der Explosion einer Bombe nahe einer sunnitischen Moschee. Bei Gefechten mit irakischen und US-Truppen starben nach US-Angaben elf Menschen in der schiitischen Stadt Diwanija. Die gefundenen Leichen waren den Kreisen zufolge zum Teil gefesselt und hatten die Augen verbunden. Die Folterspuren zeigen, dass sie aus religiösen oder politi-schen Gründen getötet wurden. Die US-Armee erklärte, irakische und US-Soldaten seien in Diwanija aus der schiitischen Al-Kaim-Moschee heraus beschossen worden. Bei dem Ge-fecht seien elf `Terroristen` getötet worden. Sechs von ihnen hätten die Uniformen von iraki-schen Polizisten getragen. Ärzte teilten dagegen mit, es seien zwei Personen verletzt wor-den. Eine Serie von Explosionen hat am Abend mehrere Viertel der irakischen Hauptstadt Bagdad erschüttert. Mehr als zehn Detonationen waren zu hören. Nach Angaben der Polizei ereigne-ten sie sich in den vor allem von Sunniten bewohnten Stadtbezirken Dura, Sulaich, Amirija und Sadr. Im Gebiet der Grünen Zone waren Leuchtspurgeschosse am Nachthimmel zu se-hen. Das wie eine Festung geschützte Stadtviertel beherbergt die Regierungsgebäude, die US-Botschaft sowie das Hauptquartier der US-Truppen. Informationen über Opfer lagen zu-nächst nicht vor. 11. Oktober Das irakische Parlament hat mit den Stimmen einer klaren schiitischen und kurdischen Mehrheit ein umstrittenes Föderationsgesetz gebilligt. Die Abgeordneten der sunnitischen Irakischen Konsensfront (IAF) boykottierten die Abstimmung, weil sie in dem Gesetz eine Weichenstellung für eine mögliche Spaltung des Landes sehen. Das Gesetz legt die Proze-duren fest, mit deren Hilfe sich einzelne Provinzen zu neuen Regionen zusammenschließen können, die nach der vor einem Jahr beschlossenen Verfassung weit reichende Autonomierechte bis hin zur Verfügung über die Bodenschätze haben sollen. Bei einem Selbstmordanschlag wurden in Bagdad drei Menschen getötet und 22 weitere verletzt. Bei mehreren Angriffen auf Zivilfahrzeuge starben in Bakuba, 60 Kilometer nördlich von Bagdad, neun Menschen. Aufständische töteten am Montag in der westlichen Provinz Anbar drei US-Marineinfanteristen, wie das US- Militärkommando erst jetzt in Bagdad mitteilte.

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Amerikanischen Sprengstoff im Wert von mehreren Millionen Dollar jagten Rebellen nachts in die Luft, als eine ihrer Mörsergranaten ein US-Depot bei Bagdad traf. Die Folgeexplosio-nen und der dadurch ausgelöste Großbrand waren in weiten Teilen Bagdads wahrnehmbar. Ein US-Militärsprecher bestätigte, dass ein US-Soldat und ein irakischer Übersetzer dabei leicht verletzt wurden. 12. Oktober Bei Anschlägen und Attentaten im Irak sind mindestens 23 Menschen ums Leben gekom-men. Extremisten attackierten das Büro des irakischen Fernsehsenders Al-Schabija im Os-ten von Bagdad und erschossen neun Menschen. Ein Polizeisprecher sagte, bei den Opfern handele es sich um Wachleute und Journalisten. Der Sender hatte den Betrieb vor drei Mo-naten aufgenommen. In Bagdad kamen nach Angaben des Senders fünf Iraker ums Leben, als eine Autobombe und ein Sprengsatz auf einem Platz explodierten. Unter den 25 Verletzten seien mehrere Polizisten. Bei einer Attacke auf eine Polizeipatrouille im Norden der irakischen Hauptstadt starben drei Menschen. 15 Polizisten und Zivilisten wurden verletzt. Das US-Militärkommando teilte mit, ein amerikanischer Soldat sei am Mittwoch von Aufstän-dischen in der Nähe von Kirkuk getötet worden. Zwei Soldaten wurden demnach bei dem Angriff verletzt. 13. Oktober Mit kritischen Äußerungen zum Irak-Einsatz hat der britische Armeechef eine neue Debatte über den Abzug der Truppen seines Landes ausgelöst Die Anwesenheit britischer Soldaten im Irak sei nicht die Ursache für die Sicherheitsprobleme Großbritanniens weltweit, ver-schlimmere sie aber, sagte der Chef des Generalstabs, General Sir Richard Dannatt, in ei-nem Interview der Zeitung «Daily Mail». Unterdessen machte ein britischer Untersuchungsrichter US-Soldaten für den Tod eines bri-tischen TV-Reporters zu Beginn des Irak-Krieges verantwortlich. Er wurde zunächst nahe der südirakischen Stadt Basra verwundet. In einem Kleinbus, der ihn abtransportierte, wurde er von einer amerikanischen Kugel tödlich getroffen. Im Irak erschossen Extremisten 14 Bauarbeiter, die sie am Donnerstag entführt hatten. Bei einem Gefecht am Vorabend waren zehn Extremisten und ein Polizeioffizier getötet wor-den. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen hatten die Angreifer versucht, das Gouverneurs-gebäude zu stürmen. Die Polizei nahm 39 Verdächtige fest. Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) äußerte sich in Genf besorgt über die steigende Zahl der irakischen Flüchtlinge und Vertriebenen. Jeden Tag kämen 2000 Iraker in Syrien an, sagte ein Sprecher. Im Irak gebe es inzwischen mindestens 1,5 Millionen Binnenflüchtlinge. 14. Oktober Neue Gewalt hat am Samstag im Irak mindestens 13 Menschen das Leben gekostet. Unter den Toten war eine vierköpfige schiitische Familie in Mahmudija, deren Wohnhaus am frü-hen Morgen von unbekannten Uniformierten gestürmt wurde. Sieben weitere Menschen kamen nach Polizeiangaben bei einem Granatenangriff auf ein Dorf nahe Bakuba ums Leben, fünf wurden verletzt. Im Raschid-Viertel von Bagdad detonierten gegen Mittag auf einem Parkplatz zwei Bomben. Ein Mensch wurde getötet, vier weitere wurden verletzt, wie ein Polizeisprecher sagte In Diwanija erschossen Bewaffnete nach Polizeiangaben einen Lehrer. Im Süden Bagdads wurde ein irakischer Fernsehmitarbeiter am Freitagabend aus einem fahrenden Auto heraus erschossen. Raed Kais al Schammari arbeitete als Techniker für den

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Sender Al Irakija. Erst am Donnerstag waren in den Büros eines anderen Fernsehsenders in Bagdad elf Menschen getötet worden. Nördlich von Bagdad entdeckte die Polizei sieben enthauptete Leichen. Nach Polizeianga-ben handelte es sich bei dem Verbrechen in Duluija offenbar um einen Racheakt für die Ent-führung von drei Sunniten durch eine schiitische Miliz am vergangenen Mittwoch 15. Oktober Inmitten anhaltender Gewalt zwischen Sunniten und Schiiten hat die irakische Regierung am Sonntag eine Versöhnungskonferenz abgesagt. Das von vielen Irakern mit Hoffnungen er-wartete Treffen sei aus dringenden Gründen um unbestimmte Zeit verschoben worden, teilte das Kabinett von Ministerpräsident Nuri al-Maliki mit. Dem Schiiten Al-Maliki ist es bisher nicht gelungen, eine breite politische Koalition zu schmieden. Vergeltungsschläge zwischen Sunniten und Schiiten rissen wieder Dutzende Menschen in den Tod. Bis Sonntagmittag wurden 46 Leichen geborgen, was die Gesamtzahl der Toten in diesem Konflikt binnen drei Tagen auf 63 brachte. Das Innenministerium erklärte, die Behörde gehe gezielt gegen Mitarbeiter vor, die der Mitgliedschaft in gewalttätigen schiitischen Milizen verdächtigt würden Eine Staatssekretärin im Innenministerium, Hala Schakir, entging am Sonntagmorgen knapp einem Anschlag mit einer am Straßenrand versteckten Bombe. Sieben andere Menschen wurden jedoch getötet Die US-Streitkräfte meldeten derweil den Tod von fünf ihrer Soldaten bei Kämpfen mit Auf-ständischen oder Bombenexplosionen. In der nordirakischen Stadt Mossul wurden ein Ehepaar und seine beiden Söhne von Be-waffneten getötet, die am Sonntagmorgen in ihr Haus eindrangen. Zehn Menschen fielen am Sonntag mehreren Selbstmordanschlägen in Kirkuk zum Opfer, darunter auch zwei Mädchen, vor deren Schule sich ein Attentäter in die Luft sprengte. Sieben Menschen kamen bei einem Granatenangriff auf ein Dorf nahe Bakuba ums Leben. 16. Oktober Die Racheakte zwischen Sunniten und Schiiten geht weiter. Allein 20 Menschen wurden bei zwei Autobombenanschlägen auf eine Beerdigungsgesellschaft in Bagdad in den Tod geris-sen, wie ein Polizeisprecher mitteilte. Vor seinem Haus in der Hauptstadt erschossen Unbekannte den Bruder des Generalstaats-anwalts im Prozess gegen den gestürzten irakischen Präsidenten Saddam Hussein. In Suwajrah, 40 Kilometer südlich von Bagdad, detonierte eine Autobombe auf einem Markt und tötete mindestens neun Menschen, wie der Bürgermeister erklärte In Latifija wurden acht Mitglieder einer schiitischen Familie von Bewaffneten in Uniform er-schossen, In den Straßen von Bagdad entdeckte die Polizei abermals 15 Leichen. Auslöser der religiös motivierten Gewalt in der Gegend um Balad war die Ermordung von 17 schiitischen Arbeitern am Freitag. Sie erhielten dabei häufig Hilfe von Polizisten. Saddam Hussein rief seine Landsleute in einem offenen Brief zu Einigkeit auf. Die Iraker müssten religiöse und ethnische Differenzen ignorieren und sich gemeinsam auf die Vertrei-bung der US-Truppen konzentrieren, erklärte der ehemalige Staatschef. Ein erstes Urteil gegen Saddam Hussein wird am 5. November bekannt gegeben. Bei einer Verurteilung droht ihm die Todesstrafe.

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US-Präsident George W. Bush erklärte, die USA planten keinen baldigen Abzug ihrer Trup-pen aus dem Irak. Die Regierung in Bagdad habe die volle Unterstützung Washingtons. 17. Oktober Bush versicherte in einem Interview mit dem konservativen TV-Kolumnisten Bill O'Reilly zu-dem, es gebe keinerlei Pläne, den Irak zwischen Kurden, Sunniten und Schiiten in drei weit-gehend autonome Regionen aufzuteilen. Das würde die Unruhe dort nur vergrößern. Aus dem Gefängnis heraus hat Iraks Ex-Diktator Saddam Hussein seine Landsleute per Brief ermahnt, Krieg gegen die Amerikaner, Briten und die irakische Regierung zu führen statt sich gegenseitig abzuschlachten. Die Tatsachen außerhalb der Gefängnismauern spre-chen eine andere Sprache: Sunnitische Rebellen töten schiitische Zivilisten zu Dutzenden, Schiiten-Milizen vergelten dies mit Massakern an Sunniten. Allein in der Stadt Balad nahe Bagdad starben zwischen Freitag und Dienstag fast hundert Menschen 18. Oktober Der amerikanische Präsident Bush hat Vorschläge zur Aufteilung des Iraks in drei autonome Regionen für Kurden, Schiiten und Sunniten zurückgewiesen. Das würde zu noch größerer Unordnung und zu abermals verschärften Kämpfen führen, sagte Bush in der Nacht zum Dienstag in einem Interview. Das irakische Parlament hatte in der vergangenen Woche ein Gesetz verabschiedet, das den Zusammenschluss mehrerer Provinzen zu Regionen ermöglicht. Demnach können sich drei oder mehr Provinzen zu einer autonomen Region zusammenschließen, wie das im kur-dischen Norden schon geschehen ist. Darüber müssen die Einwohner der Provinzen in ei-nem Referendum entscheiden. Vor allem unter den Sunniten, aber auch bei Schiiten war das Gesetz auf Widerstand gestoßen. Nur 138 der insgesamt 275 Abgeordneten stimmten für das Gesetz, das erst in 18 Monaten in Kraft treten soll. Bis dahin soll die im Oktober vor einem Jahr in einem Referendum ange-nommene Verfassung überarbeitet werden. Mit dem Angebot, das Grundgesetz nachzubes-sern, hatten Schiiten und Kurden Sunniten dazu bewegt, die Verfassung vorerst zu akzeptie-ren und sich an der Regierung beteiligen In Bushs Republikanischer Partei wurden unterdessen Stimmen lauter, die einen Strategie-wechsel im Irak fordern. Bush lehnte jedoch ab. Auch der britische Premierminister Blair lehnte einen Abzug der im Süden des Landes stationierten Truppen ab. In Bagdad wurde unterdessen der Völkermordprozess gegen Saddam Hussein fortgesetzt. Bei einem Raketenangriff auf ein Wohnviertel in Bagdad wurden am Dienstag drei Menschen getötet. Die amerikanische Armee berichtete am Dienstag, innerhalb von vier Tagen seien in der Ortschaft Balad insgesamt mehr als 60 Sunniten und Schiiten von Angehörigen der je-weils anderen Religionsgruppe getötet worden. 19. Oktober Aufständische haben im Irak zehn amerikanische Soldaten an einem einzigen Tag getötet. Seit Anfang Oktober kamen damit 69 US-Soldaten im Irak ums Leben. Angesichts dieser Zahlen wächst vor der Kongresswahl in den USA die Kritik an Präsident George W. Bush. Es sei ein gigantischer Fehler" gewesen, der irakischen Regierung zu ver-sichern, dass die US-Truppen so lange wie nötig im Land blieben, erklärte der demokrati-sche Senator John Kerry. Bush hatte der irakischen Regierung am Tag zuvor zugesichert, es gebe keine Frist für die Iraker, die Verantwortung für die Sicherheit im Land zu übernehmen. Im irakischen Balad einigten sich örtliche Führer beider Religionsgruppen auf eine 20-tägige Waffenruhe. Eine gemeinsame Untersuchungskommission soll außerdem das Schicksal von

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40 entführten Personen klären. Sie wurden bei einer Straßenkontrolle gestoppt und in die überwiegend von Schiiten bewohnte Vorstadt al-Nebaiji verschleppt. 20. Oktober Das US-Militär will elf amerikanischen Soldaten wegen Mordes im Irak den Prozess machen. Zwei von ihnen droht im Fall eines Schuldspruchs die Todesstrafe, wie das Verteidigungsmi-nisterium offiziell mitteilte. Vier der Soldaten werden beschuldigt, im März in Mahmudija ein 14-jähriges Mädchen vergewaltigt und anschließend getötet zu haben. Der Anklage zufolge ermordeten die Amerikaner dann auch die Eltern und die sechsjährige Schwester ihres Op-fers. Vier weiteren Soldaten wird vorgeworfen, drei Gefangene freigelassen zu haben, um sie dann zu erschießen - angeblich während eines Fluchtversuchs. Vor einem Militärgericht müssen sich ferner drei Marineinfanteristen verantworten, die im April in Hamdania einen Zivilisten erschossen haben sollen. US-Präsident George W. Bush hat erstmals Parallelen zwischen dem Vietnam- und dem Irakkrieg gezogen. Terroristen versuchten Chaos zu verbreiten und damit die Unterstützung der US-Bevölkerung für den Irak-Einsatz zu brechen. Um der Gewalt im Irak doch noch Herr zu werden, planen die USA, mehrere Reserveeinhei-ten der Marineinfanteristen zu einem zweiten Einsatz heranziehen. Bei einem Selbstmordanschlag und Gefechten zwischen Rebellen und der Polizei starben in der irakischen Stadt Mosul 20 Menschen. Nach Angaben der Polizei sprengte der Attentäter einen Tanklaster vor einem Polizeirevier. Dabei seien elf Menschen getötet und 26 verletzt worden. Neun weitere Tote habe es bei einem Gefecht um eine andere Polizeiwache gege-ben. Ein Erfolg gelang irakischen Sicherheitskräften, die bei einer Razzia gegen Extremisten nahe Kirkuk 55 mutmaßliche Terroristen festnahmen. 21. Oktober Die US-Armee hat ein Scheitern ihrer Bemühungen zur Eindämmung der Gewalt im Irak ein-geräumt und ist auf der Suche nach einem neuen Sicherheitskonzept für die Hauptstadt Bagdad. Bis vor drei Monaten galt: Iraks neue Sicherheitskräfte sollten schrittweise Aufga-ben der US-Besatzer übernehmen, die sich in ihre Camps zurückziehen. Weil aber Iraks Po-lizei und Armee von Milizen unterwandert sind, heizte das religiös motivierte Gewalt zwi-schen Sunniten und Schiiten nur weiter an. Also startete das Militär Anfang August die Operation „Gemeinsam vorwärts": Mit irakisch-amerikanischen Patrouillen und 12000 zusätzlichen Soldaten sollte Bagdad von Aufständi-schen, Milizen und Todesschwadronen gesäubert werden. Nun ist auch das gescheitert. Allein in Bagdad seien in den ersten drei Wochen des Ramadan etwa 20 Prozent mehr Ge-walttaten verübt worden als im Vorjahr. Mit einer Erklärung, in der Selbstmordattentate und Anschläge auf Muslime zur Sünde erklärt werden, wollen Islamgelehrte das Blutvergießen im Irak stoppen. Seit Donnerstagnacht dis-kutieren in der saudi-arabischen Pilgerstadt Mekka sunnitische und schiitische Gelehrte aus dem Irak über einen entsprechenden Erklärungsentwurf der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC). Die OIC, der 57 Staaten angehören, betonte, es handele sich um eine reli-giöse Initiative und nicht um einen politischen Vermittlungsversuch. Schiitische Rebellen haben am Freitag Polizeiwachen in der südirakischen Stadt Amara an-gegriffen. Zur Unterstützung der Polizei schickte die irakische Armee nach britischen Anga-ben zwei Kompanien mit etwa 230 Mann nach Amara. Die britischen Streitkräfte steuerten Luftaufklärung bei und seien zu mehr Hilfe bereit, sagte ein Sprecher. 22. Oktober

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In jüngster Zeit sieht sich die US-Armee im Irak wieder mit ausufernder Gewalt konfrontiert. Allein im Oktober kamen dort bisher 75 US-Soldaten ums Leben. Allerdings versicherte Bush, wir werden unsere Soldaten nicht vom Schlachtfeld abziehen, ehe der Einsatz vollen-det ist". Das Ziel sei unverändert der Sieg". Was sich ändere, sei die Taktik, um diesen zu erlangen. Nach einem Bericht der britischen Zeitung Guardian" erörtern Großbritannien und die USA acht Möglichkeiten für eine künftige Strategie in der Irak-Politik. Dabei gehe es dar-um, die Streitkräfte stufenweise aus dem Irak abzuziehen, das Land in einen Bundesstaat aufzuteilen oder kurzzeitig weitere Truppen im Zweistromland zu stationieren, um die Gewalt einzudämmen, berichtete die Zeitung. Nach einer Statistik der irakischen Regierung kostet die Gewalt jeden Tag 100 Zivilpersonen das Leben. Bei einem Anschlag auf einen belebten Marktplatz in Mahmudijah kamen am Samstagabend mindestens 30 Menschen ums Leben. 50 Iraker wurden verletzt. In Bagdad wurden sieben Menschen bei zwei Selbstmordanschlägen getötet. Bei einem Überfall auf zwei Busse sind am Sonntag in der Nähe der irakischen Stadt Bakuba mindestens 13 Polizeirekruten getötet worden. Wie der US-Nachrichtensender CNN weiter berichtete, wurden 25 Polizeischüler verletzt. Dutzende seien von Aufständischen entführt worden. 23. Oktober Der britische Premierminister Tony Blair hat die bisherige Strategie beim Militäreinsatz im Irak abermals verteidigt. Das US-Militärkommando teilte unterdessen mit, Aufständische hätten im Irak innerhalb ei-nes Tages sechs amerikanische Soldaten getötet. Mit 86 getöteten Soldaten ist der Oktober für die Amerikaner jetzt schon der verlustreichste Monat seit Jahresbeginn. In der südirakischen Kleinstadt al-Kahla fanden Polizisten am Montag mitten auf der Straße die enthauptete Leiche des Bruders eines schiitischen Milizenkommandeurs. Für die sunnitischen Muslime im Irak begann am Montag das dreitägige Fest des Fastenbre-chens (Eid al-Fitr) zum Ende des Ramadans. 24. Oktober Der Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte im Irak, General George Casey, erklärte am Dienstag, die Iraker sollten in 12 bis 18 Monaten in der Lage sein, mit nur geringer amerika-nischer Unterstützung selbst für Sicherheit zu sorgen. Die USA sollten gleichzeitig die Anzahl ihrer Soldaten in dem Land weiter reduzieren. Khalilzad sagte, die irakische Regierung habe zugestimmt, einen Plan für anzustrebende Fortschritte bis Ende dieses Jahres auszuarbeiten. Die Regierung in Bagdad werde jedoch nicht bestraft, wenn die Vorgaben nicht eingehalten werden könnten. Die US-Streitkräfte im Irak meldeten den Tod von vier weiteren ihrer Soldaten bei Bomben-anschlägen oder Kämpfen mit Aufständischen. Seit Beginn des Kriegs im März 2003 kamen laut einer Zählung der Nachrichtenagentur AP mindestens 2.801 Mitglieder der US-Truppen im Irak ums Leben. Der für die US-Streitkräfte als Dolmetscher arbeitende Soldat irakischer Abstammung wurde nach Militärangaben am Montagabend entführt. In der südirakischen Stadt Amara wurden am Dienstag zwei Polizisten getötet. 25. Oktober

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Al-Malikis Aufgabe sei besonders schwer, so Bush. «Wir treiben ihn an, aber wir treiben ihn nicht soweit, dass er seine Ziele nicht erreichen kann», sagte Bush. Die Sicherheit der USA hänge auch davon ab, dass ein freies Irak ein Verbündeter im Kampf gegen den Terro-rismus werde. Er sei nicht zufrieden mit der Lage im Irak, sagte Bush. Allein im Oktober seien 93 US-Soldaten und 300 irakische Sicherheitskräfte getötet worden. Er habe zeitweise gehofft, schon bald US-Truppen abziehen zu können. Diese Hoffnung habe sich zunächst zerschla-gen. 26. Oktober Im Oktober sind im Irak so viele US-Soldaten getötet worden wie seit fast zwei Jahren nicht mehr. Der bislang verlustreichste Monat für die US-Truppen im Irak war der März 2003 mit 137 Toten. Heckenschützen haben am Donnerstag 28 irakische Polizisten getötet, darunter auch den Leiter der Gruppe. 25 weitere Polizisten wurden bei dem Angriff aus einem Hinterhalt nahe der Stadt Bakuba verletzt, wie die Polizei mitteilte. Es war der zweite größere Anschlag auf einen Polizeikonvoi in der Region innerhalb weniger Tage. Bakuba gilt als Hochburg sunniti-scher Aufständischer, die immer wieder Anschläge gegen die von den USA ausgebildeten Sicherheitskräfte verüben. Wie das US-Militärkommando am Donnerstag mitteilte, töteten Aufständische am Mittwoch in der westlichen Provinz Anbar fünf amerikanische Soldaten. Spezialeinheit der Polizei nach Angaben der US-Armee am Mittwoch elf Mitglieder einer Ext-remistengruppe fest, die wegen mutmaßlicher Beteiligung an Anschlägen und Erpressung gesucht wurden. 27. Oktober Bei einem Gefecht in der irakischen Kleinstadt Chan Bani Saad sind nach Darstellung der US-Armee 43 Menschen ums Leben gekommen. Nach amerikanischen Angaben starben 24 Polizisten, 18 Extremisten und ein irakischer Zivilist. Sieben Polizisten und acht Aufständi-sche seien bei den Kämpfen verwundet worden. Laut US-Armee nahmen die irakischen Sicherheitskräfte und die amerikanischen Soldaten insgesamt 27 Aufständische gefangen. Auf Seiten der US-Truppen habe es keine Opfer gegeben, hieß es. Extremisten sprengten am Freitag im Nordirak zwei Heiligenschreine der Schiiten in die Luft. Wie die Polizei in Kirkuk berichtete, zerstörten sie in der 220 Kilometer nördlich von Bagdad gelegenen Stadt Dakuk den Schrein des Scheichs Ismail und den Schrein des Scheichs Ma-hasin. Ein Polizeisprecher machte sunnitische «Extremisten, die andere zu Ungläubigen er-klären» für die Anschläge verantwortlich. Tote oder Verletzte gab es nicht. 28.Oktober Aufständische haben am Samstag nördlich von Bagdad neun irakische Soldaten ver-schleppt. Die Entführer stoppten den Angaben zufolge den Kleinbus mit den Soldaten bei Chalis rund 90 Kilometer von Bagdad entfernt auf der Straße nach Kirkuk. Bei einer gemeinsamen irakisch-amerikanischen Militäraktion wurden am Samstag in Sched-scherija rund 30 Kilometer südlich von Bagdad 15 Aufständische getötet. Acht weitere wur-den nach Polizeiangaben gefangen genommen. Bei einer weiteren Razzia südlich der Hauptstadt erschossen US-Soldaten einen Aufständischen, wie die amerikanischen Streitkräfte mitteilten. 29. Oktober

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Amerikanische Soldaten haben am Sonntag im Irak nach eigenen Angaben 17 mutmaßliche Aufständische getötet. Das US-Militärkommando in Bagdad teilte mit, Piloten der Luftwaffe hätten an einer Hauptstraße bei Balad nördlich von Bagdad «Terroristen» beobachtet, die Angriffe auf die US-Truppen vorbereitet hätten. Bei einem ersten Luftangriff seien vier Ver-dächtige getötet worden. Ein zweiter Angriff der Amerikaner, an dem auch Bodentruppen beteiligt gewesen seien, hätten mit dem Tod von schätzungsweise 13 weiteren «Terroristen» geendet, hieß es. US-Soldaten seien nicht verletzt. Die jordanische Zeitung «Al-Arab Al-Yawm» meldete unterdessen, in Amman werde derzeit ein Treffen zwischen irakischen Aufständischen und US-Militärs vorbereitet. Berichte über angebliche Verhandlungen zwischen den Amerikanern und Rebellen waren in den vergan-genen Wochen von mehreren Aufständischen-Gruppen dementiert worden 30. Oktober Die US-Regierung vermisst tausende Waffen, die sie für irakische Sicherheitskräfte zur Ver-fügung gestellt hat. Fast vier Prozent der Waffen seien nicht mehr auffindbar, und bei etlichen weiteren fehlten wichtige Ersatzteile oder Gebrauchsanweisungen, heißt es in einer Rechnungsprüfung in Washington. Seit Beginn der Waffenlieferungen in den Irak Ende 2003 sind demnach 14.030 Waffen verschütt gegangen, darunter halbautomatische Pistolen, Ma-schinengewehre und Granatwerfer. Das Pentagon hat dem am Sonntag veröffentlichten Bericht zufolge 133 Millionen Dollar (knapp 105 Millionen Euro) in die Waffenlieferungen an das Innen- und Verteidigungsminis-terium in Bagdad investiert. Nur von etwa 10.000 der mehr als 370.250 zur Verfügung ge-stellten Waffen wurden die Seriennummern registriert, das sind weniger als drei Prozent. Bei einer neuen Welle von Anschlägen auf Polizeikräfte und Zivilisten sind im Irak am Mon-tag fast 60 Menschen ums Leben gekommen. Der folgenschwerste Terroranschlag ereignete sich in der vorwiegend von Schiiten bewohnten Bagdader Vorstadt Sadr-City, wo eine Bombe 32 Tagelöhner tötete. Nach Angaben von Ärzten wurden rund 100 Men-schen bei dem Anschlag zum Teil schwer verletzt. Mit der Anhörung weiterer Zeugen wurde derweil der Prozess gegen den irakischen Ex-Machthaber Saddam Hussein wegen Völkermordes an den Kurden fortgesetzt. Ein Selbstmordanschlag nahe der syrischen Grenze kostete am Montag sechs Polizisten das Leben. Wie der TV-Sender Al-Irakija außerdem berichtete, erschossen Unbekannte ein pro-minentes Mitglied des sunnitischen Rates der Religionsgelehrten, Essam al-Raui. Nach Angaben von Augenzeugen starben bei einem Autobombenanschlag im Bagdader Stadtteil Al-Beija fünf Menschen. In Bakuba fand die Polizei vier Leichen von Mordopfern. Zwei Arbei-ter starben, als ihr Bus bei Chalis von Extremisten beschossen wurde. Die Zahl der im Oktober getöteten US-Soldaten im Irak ist auf 101 gestiegen. 31. Oktober Nach Angaben des Pentagons vom Montag sind derzeit 150.000 US-Soldaten in dem Land, so viele wie seit den Parlamentswahlen im Januar nicht mehr. Ein Sprecher des Verteidi-gungsministeriums begründete die Truppenvergrößerung mit dem «sich überschneidenden» Auswechseln von Einheiten. Die US-Armee hatte im Oktober mit mehr als hundert Toten im Irak den verlustreichsten Monat seit mehr als anderthalb Jahren hinnehmen müssen. Zudem gibt es in Washington Befürchtungen, dass das Terrornetzwerk El Kaida die Anschläge im Land verstärken wird, um das Ergebnis der Kongresswahlen in den USA zu beeinflussen. Im Irak sind erneut zwei US-Soldaten getötet worden. Der irakische Präsident Dschalal Talabani plädierte wegen der fortdauernden religiös moti-vierten Gewalttätigkeiten für einen Verbleib der US-Truppen in seinem Land.

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Bei einem Selbstmordanschlag auf eine Hochzeitsgesellschaft in Bagdad wurden nach An-gaben aus dem Innenministerium derweil mindestens 15 Menschen getötet worden. Unter den Toten seien vier Kinder, wie aus Kreisen des Ministeriums verlautete. Der Anschlag er-eignete sich im Nordwesten der irakischen Hauptstadt. Nach einem Angriff von Aufständischen auf einen Bus nördlich von Bagdad wurden zudem mehr als 40 Menschen vermisst. Wie die Polizei und die US-Truppen mitteilten, ereignete sich der Vorfall in der Nähe der Ortschaft Tarmija. 1. November Die amerikanische Militärführung sieht den Irak auf dem Weg in den Bürgerkrieg. Dies geht nach einem Bericht der New York Times aus einer Geheimbesprechung im Zentralkomman-do (Central Command) der US-Truppen Mitte Oktober hervor. Unterdessen haben die amerikanischen Streitkräfte Checkpoints in Bagdad geräumt, nach-dem sie der irakische Premier Nuri al-Maliki öffentlich dazu aufgefordert hatte. Die Straßen-sperren hatten die Schiiten-Hochburg Sadr City praktisch abgeriegelt. London kündigt Irak-Bericht an. In Großbritannien hat die Labour-Regierung von Premiermi-nister Tony Blair unterdessen eine parlamentarische Untersuchung der britischen Beteiligung am Irak-Krieg in Aussicht gestellt. Großbritannien hat im Irak noch mehr als 7000 Soldaten im Einsatz. Nach allen Umfragen gibt es dafür in der Bevölkerung keine Mehrheit mehr. Das irakische Parlament hat der Aufteilung des Iraks in drei weitgehend autonome Regionen zugestimmt, und auch im amerikanischen Kongress zeichnet sich eine Mehrheit für das Ge-setz ab. Bevor Gewalt und Hass den völligen Zerfall der staatlichen Einheit des Iraks herbei-führen, soll sie durch die Schaffung autonomer Regionen gerettet werden. 2. November Bald nach den Wahlen in Amerika wird die Hamilton-Baker-Kommission dem Kongress ihre Vorschläge zur Beendigung des Irak-Krieges vorlegen. Inzwischen vergeht kein Tag, an dem nicht Politiker, Nahost-Experten, Generäle und sonstige wohlmeinende Beobachter ihre Exit-Strategie entwickeln. Der irakische Präsident Talabani erwartet einen Rückzug der ausländischen Truppen aus dem Irak in zwei bis drei Jahren. Bei der Explosion einer Autobombe in Bagdad wurden am Donnerstag sieben Menschen getötet und 26 verletzt. Wie aus dem irakischen Innenministerium weiter verlautete, detonier-te der Sprengsatz an einem belebten Markt im schiitischen Viertel Sadr City. Die Bombe sei ferngezündet gewesen. Nach Angaben des irakischen Innenministeriums kamen im Oktober 119 irakische Polizisten bei Schießereien, Entführungen und Bombenanschlägen um. Die amerikanischen Streitkräfte gaben am Donnerstag den Tod eines Soldaten bekannt. Bei ei-nem Luftangriff in Ramadi wurden nach amerikanischen Militärangaben ein örtlicher Al-Qaida-Führer und sein Fahrer getötet. 3. November Rund drei Jahre nach der Entdeckung der ersten Massengräber mit den Opfern des Re-gimes von Saddam Hussein entstehen im Irak nun neue Massengräber. In Kerbela, 100 Ki-lometer südlich von Bagdad, trafen am Freitag 176 Leichen unbekannter Mordopfer ein, von denen die meisten enthauptet worden waren. Seit der Eskalation der Gewalt zwischen Schiiten und Sunniten seien auf diesem Wege bereits 1476 Tote nach Kerbela gebracht worden. Einige der vorwiegend kurdischen und schiitischen Opfer, von denen ein Teil lebendig begraben worden war, konnte von Angehörigen identifiziert werden. Die Toten wurden anschließend auf Friedhöfen bestattet.

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Bei zwei Razzien in Al-Mahmudija südlich von Bagdad töteten die US-Truppen mit Unterstüt-zung der Luftwaffe am Freitag nach eigenen Angaben etwa 13 mutmaßliche «Terroristen». Aufständische töteten im Irak vier amerikanische Soldaten. Ein fünfter Soldat starb bei einem Unfall in Nord-Bagdad. Der Sprecher der US-Truppen im Irak, Generalmajor William Caldwell, hatte zuvor erklärt, das amerikanische Militär begrüße die Ministerpräsident Nuri al-Maliki angekündigte Aufsto-ckung der Truppen um 30 000 Soldaten Das Innenministerium hatte angekündigt, 90 000 zusätzliche Polizisten zu rekrutieren. 4. November Im Prozess gegen den früheren irakischen Machthaber Saddam Hussein wegen eines Mas-sakers an Schiiten wird an diesem Sonntag möglicherweise das Urteil verkündet. Die Regie-rung in Bagdad hat aus diesem Grund die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Saddam und sechs mitangeklagte frühere Funktionäre seines Regimes stehen zurzeit wegen Völkermords an Kurden in den Jahren 1987 und 1988 vor Gericht. Ein Urteil sollte jedoch zunächst im ersten Verfahren gegen Saddam und sieben Mitangeklagte wegen der Hinrich-tung von 148 Schiiten im Jahr 1982 gefällt werden. Der eigentliche Prozess wegen des Mas-sakers war bereits im Juli nach neunmonatiger Dauer mit den Plädoyers der Pflichtverteidi-ger abgeschlossen worden. Zuvor hatte die Generalstaatsanwaltschaft die Höchststrafe für Saddam sowie für Vizepräsident Taha Jassin Ramadan und Saddams Halbbruder Barsan al-Tikriti gefordert. Saddams Anwälte warnten vor kurzem in einem Brief an US-Präsident George W. Bush vor einer Eskalation der Gewalt im Irak, sollte der Ex-Präsident zum Tode verurteilt werden. Wie viele Anhänger Saddam noch hat, ist unklar. Unter Schiiten ist der frühere Machthaber ver-hasst, und auch die sunnitischen Aufständischen stehen nicht geschlossen hinter ihm. Bei einem Anschlag auf einen Fahrzeugkonvoi der Präsidentengarde starben am Freitag-abend fünf Sicherheitsbeamte. Ob Präsident Dschalal Talabani oder ein anderer hochrangiger Politiker in dem Konvoi reiste, wurde nicht mitgeteilt 5. November Vor gut einem Jahr begann der erste Strafprozess vor einem Sondertribunal gegen den frü-heren irakischen Machthaber Saddam Hussein. Die wichtigsten Stationen des turbulenten Verfahrens seit seiner Festnahme am 13. Dezember 2003 waren: 30. Juni 2004: Saddam wird der irakischen Justiz überstellt, bleibt jedoch unter amerikani-scher Bewachung. 17. Juli 2005: Das Sondertribunal bringt erste Anklagepunkte gegen Saddam vor. Im Mittel-punkt steht das Massaker von 1982 in Dudschail. 19. Oktober 2005: Beginn des ersten Prozesses gegen ihn und sieben weitere Angeklagte. 20. Oktober 2005: Ein Anwalt des mitangeklagten früheren Chefs des Revolutionären Ge-richtshofes, Awad Hamed al-Bander, wird in Bagdad entführt und ermordet. 8. November 2005: Ein Anwalt des mitangeklagten Ex-Vizepräsidenten Taha Jassin Rama-dan wird in Bagdad ermordet. 28. November 2005: Chaotische Szenen im Gericht. Angeklagte beschweren sich über mangelnden Rechtsbeistand. 5. Dezember 2005: Erneut Tumult im Gericht. Der Vorsitzende Richter Risgar Mohammed Amin versucht mühsam, die Kontrolle zu behalten. Die Anwälte zweifeln die Rechtmäßigkeit des Verfahrens an und fordern mehr Schutz für die Verteidiger. 14. Januar 2006: Richter Amin reicht seinen Rücktritt ein. Ihm war vorgeworfen worden, den Angeklagten zu viel Raum zur Selbstdarstellung gegeben und sie nicht entschieden genug in ihre Schranken verwiesen zu haben.

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29. Januar 2006: Erste Sitzung unter Leitung des neuen Richters Rauf Raschid Abdel Rah-man. 15. Mai 2006: - Saddam und seine sieben Mitangeklagten plädieren auf nicht schuldig. 19. Juni 2006: Generalstaatsanwalt fordert für Saddam sowie für Ex- Vizepräsident Taha Jassin Ramadan und Saddams Halbbruder Barsan al- Tikriti die Todesstrafe. 20. Juni 2006: Der stellvertretende Vorsitzende von Saddams Anwälteteam wird in Bagdad entführt und ermordet. 10. Juli 2006: Schlussplädoyers der Pflichtverteidiger. 21. August 2006: Zweiter Prozess wegen Völkermordes an den Kurden beginnt. 5. November 2006: Urteilsverkündung im Verfahren wegen des Massakers in Dudschail. Saddam Hussein, sein Bruder Al-Tikriti und Ex-Richter Al-Bandar werden zum Tode verur-teilt. Der frühere Vizepräsident Taha Jassin Ramadan erhält lebenslänglich, drei weitere An-geklagte Haftstrafen von jeweils 15 Jahren. Ein örtlicher Funktionär von Saddams Baath-Partei wird freigesprochen. Der irakische Ex-Präsident Saddam Hussein ist dreieinhalb Jahre nach seinem Sturz durch die US-Armee zum Tode durch den Strang verurteilt worden. Das Sondertribunal für die Verbrechen des alten Regimes in Bagdad ordnete am Sonntag außerdem die Hinrichtung seines Halbbruders Barsan al-Tikriti und des ehemaligen Richters Awad al-Bandar an. US- Präsident George W. Bush sprach von einem «Meilenstein» für die junge irakische Demokratie. Die britische Außenministerin Margaret Beckett sagte: «Ich begrüße, dass Saddam Hussein und die anderen Angeklagten für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen wur-den.» Amnesty International nannte den Prozess «unfair». Das Todesurteil zeige, dass noch immer die Logik des «Auge um Auge, Zahn um Zahn» herrsche, sagte in Rom Kardinal Renato Raf-faele Martino, Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden. Die EU nahm das Urteil «zur Kenntnis». Die finnische Ratspräsidentschaft unterstrich je-doch, dass die EU die Todesstrafe ablehne. Ähnlich äußerte sich Bundeskanzlerin Angela Merkle. Zugleich unterstrich sie die Notwendigkeit der gerichtlichen Aufarbeitung der Saddam-Ära. Italiens Ministerpräsident Romano Prodi sagte: «So grausam ein Verbrechen auch ist, so wendet sich doch unsere Tradition und unsere Ethik vom Gedanken der Todes-strafe ab.» In Bagdad waren nach der Urteilsverkündung Freudenschüsse zu hören. Iraks Ministerpräsi-dent Nuri al-Maliki nannte das Urteil gegen Saddam eine «Lektion für alle Verbrecher und Terroristen» In Saddams Heimatstadt Tikrit demonstrierten laut Augenzeugen trotz einer Ausgangssperre am Sonntag Hunderte seiner Anhänger gegen das Todesurteil. Bei einem Mörserangriff auf Wohnhäuser in dem vorwiegend von Sunniten bewohnten Bagdader Stadtteil Adhamija star-ben laut Augenzeugen mindestens 20 Menschen Saddam nahm den Urteilsspruch relativ gelassen auf. Er rief: «Es lebe das Volk, es lebe die (islamische) Nation, Allahu akbar (Gott ist groß). Gegen Saddam läuft noch ein zweiter Prozess wegen Völkermordes an den Kurden. Es ist jedoch noch unklar, ob dieses Verfahren, in dem es um die Angriffe auf kurdische Dörfer im Nordirak in den Jahren 1987 und 1988 geht, vor einer Hinrichtung Saddams noch beendet werden kann. 6. November

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Im nordirakischen Kurdengebiet sind durch heftige Regenfälle 20 Menschen ums Leben ge-kommen und zahlreiche Häuser zerstört worden. Einen Tag nach der Verkündung des Todesurteils gegen den frühen Machthaber Saddam Hussein hat es im Irak erneut vereinzelt Demonstrationen für Saddam gegeben. Der Europarat sprach sich am Montag gegen die Vollstreckung der Todesstrafe gegen Sad-dam aus. Der neue Irak solle nicht auf Rache, sondern auf der Achtung der Menschenrechte aufgebaut werden. Der britische Premierminister Tony Blair sagte, auf Nachfragen von Jour-nalisten: «Wir sind gegen die Todesstrafe, ob dies Saddam Hussein ist oder jemand ande-res.» Die US-Armee gab unterdessen den Tod von fünf ihrer Soldaten im Irak bekannt. Nach An-gaben des Militärkommandos starben am Montag zwei Piloten beim Absturz eines Armee-hubschraubers in der Provinz Salaheddin. In dem am Montag von der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International veröf-fentlichten Index, in dem die Wahrnehmung der Korruption in 163 Ländern untersucht wurde, belegt der Nachkriegs-Irak 160. Platz. 7. November Zwei Tage nach der Verkündung des Todesurteils gegen den früheren irakischen Machtha-ber Saddam Hussein sollte dieser am Dienstag schon wieder vor Gericht erscheinen. Wegen des Völkermordes an den Kurden. Die US-Armee teilte unterdessen mit, sie habe am Dienstag in der nordirakischen Stadt Baidschi zwei mutmaßliche «Terroristen» getötet. Am Wochenende hätten die US-Truppen in Bagdad 24 Verdächtige gefangen genommen. Im Irak sind 57 Beamte der Folter an hunderten Gefangenen beschuldigt worden. Darunter seien hochrangige Polizisten und Angestellte des Innenministeriums. Mitte Oktober kündigte das Innenministerium zudem den Ausschluss von 3000 Polizisten an. Bei einem Selbstmordanschlag in einem Café in Bagdad sind am Dienstagabend mindestens 17 Menschen getötet worden. Wie Sicherheitskräfte und Ärzte weiter mitteilten, erlitten. mindestens 20 Menschen Verletzungen. Nach dem Sturz Saddams Husseins im Frühjahr 2003 durch US-geführte Truppen ist das Land gespaltener als zuvor. Besonders Schiiten und Sunniten bekämpfen sich. Saddam Hussein hatte die verschiedenen Volksgruppen im Irak Versöhnung aufgerufen. «Ich appelliere an die Araber und Kurden im Irak, sich zu vergeben, zu versöhnen und die Hände zu reichen», sagte er vor dem Sondertribunal in Bagdad 8. November Bei einem Mörserangriff auf einen Fußballplatz im Bagdader Viertel Sadr City sind am Mitt-woch acht Spieler und Zuschauer getötet worden. 20 Menschen seien verletzt worden. Insgesamt wurden bei einer Serie von Anschlägen in verschiedenen Teilen Iraks mindestens 60 Menschen getötet. US-Soldaten nahmen bei mehreren Razzien 48 Aufständische fest und töteten 14, teilten die amerikanischen Streitkräfte in Bagdad mit. US-Botschafter Zalmay Khalilzad sicherte der irakischen Regierung Unterstützung zu. Unterdessen wurde der Völkermordprozess gegen den gestürzten Präsidenten Saddam Hussein fortgesetzt.

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Irakische Parlamentarier stellten unterdessen Regierungschef Al- Maliki kritische Fragen zur Sicherheitsstrategie seiner Regierung. Im Zentrum der Kontroverse steht die Forderung der Sunniten-Parteien nach einer Auflösung der schiitischen Milizen, deren Todesschwadronen an Mordkampagnen gegen Sunniten be-teiligt sein sollen. Bei Gefechten, Razzien und Anschlägen kamen unterdessen erneut mindestens 32 Men-schen ums Leben. Die US-Truppen töteten nach eigenen Angaben 14 mutmaßliche Extre-misten und befreiten eine Geisel. In Bagdad wurden fünf Iraker bei Explosionen getötet. In der Aufständischen-Hochburg Ramadi erschossen die Amerikaner nach Angaben vom Mitt-woch vier mutmaßliche Extremisten. In ihrem Versteck seien am Dienstag unter anderem Sprengstoffwesten gefunden worden. In der westlichen Anbar-Provinz töteten Aufständische einen US-Soldaten. 9. November Seit dem Sturz Saddam Husseins vor dreieinhalb Jahren sind im Irak nach Angaben des Gesundheitsministers mindestens 150.000 Zivilpersonen bei Anschlägen getötet worden. Auf jedes Todesopfer kämen zudem etwa drei Verletzte, sagte Minister Ali al Schemari am Don-nerstag in Wien. Bombenanschläge und andere Gewalttaten im Irak kosteten am Donnerstag erneut mindestens 38 Menschen das Leben. Der Minister rief die USA auf, den Irakern rasch die Kontrolle über Polizei und Streitkräfte zu übertragen. «Sie sollten uns die Macht übergeben, wir sind ein souveränes Land», sagte er. Am Donnerstag wurden bei zwei Bombenanschlägen auf Märkte in Bagdad insgesamt min-destens 16 Menschen getötet und 54 verletzt, wie die Polizei mitteilte. Anschläge im übrigen Land kosteten mindestens weitere 22 Menschen das Leben. In der irakischen Öffentlichkeit wurde der Rücktritt von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld mit Jubel begrüßt. In der irakischen Hauptstadt Bagdad hat die Polizei innerhalb eines Tages 37 Leichen von Gewaltopfern gezählt. 17 von ihnen kamen am Donnerstag bei Terroranschlägen ums Le-ben, 95 weitere Menschen wurden dabei verletzt. 20 Leichen von Unbekannten fanden die Beamten in den Straßen der Stadt. Die US-Armee teilte mit, sie habe seit Beginn der Woche im Irak mindestens 60 Aufständische getötet. In Bagdad explodierten am Donnerstag zwei Autobomben vor der Akademie der schönen Künste und im Geschäftsviertel Karrade. Ein weiterer Sprengsatz detonierte auf einem Markt im Stadtzentrum. 10. November Der Generalsekretär des sunnitischen Rates der Religionsgelehrten im Irak glaubt nicht, dass das Land nach einem Abzug der amerikanischen und britischen Truppen in einen Bür-gerkrieg. Für das Chaos und die Gewalt im Land machte er die ausländischen Truppen, die «Geheimdienste einiger Nachbarstaaten», die irakische Regierung und ihre Parteimilizen sowie kriminelle Banden verantwortlich. Ein Selbstmordattentäter riss am Freitag nahe der nordirakischen Stadt Mossul mindestens sechs irakische Soldaten in den Tod. Es seien ein Oberst und fünf weitere Angehörige der Streitkräfte ums Leben gekommen. Zehn Soldaten wurden den Armeeangaben zu Folge verletzt. Die irakischen Streitkräfte haben am Freitag die Verhaftung eines örtlichen Al-Kaida-Führers gemeldet. Zusammen mit Abu Muhajjam al Masri, genannt «der Ägypter», wurden elf weitere

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Mitglieder der Zelle in der westirakischen Stadt Rawah, 275 Kilometer nordwestlich von Bag-dad, festgenommen, wie das Verteidigungsministerium mitteilte. Bei Anschlägen wurden unterdessen erneut drei amerikanische US-Soldaten getötet, wie die US-Streitkräfte am Freitag in Bagdad mitteilten. Damit stieg die Zahl der seit Anfang des Mo-nats im Irak getöteten US-Soldaten auf 23 11. November Bei zwei Autobombenanschlägen in der Innenstadt von Bagdad sind am Samstag mindes-tens acht Menschen in den Tod gerissen worden. Fast 40 Menschen erlitten Verletzungen, wie die Polizei mitteilte. Bei weiteren Anschlägen und Überfällen wurden in der irakischen Hauptstadt mindestens drei Menschen getötet. Das slowakische Verteidigungsministerium gab den Tod eines slowakischen und eines pol-nischen Soldaten bekannt. Damit sind bislang 18 Soldaten aus Polen und vier aus der Slowakei im Irak getötet worden. Die Regierung in Bratislava hat angekündigt, ihre Truppen im Februar abzuziehen. Bei einer Razzia nahe der westlichen Stadt Tal Afar töteten Sondereinheiten der irakische Polizei nach eigenen Angaben zwei mutmaßliche Aufständische. Für Hinweise auf den Verbleib eines entführten Soldaten setzten die US-Streitkräfte eine Belohnung von 50.000 Dollar (knapp 39.000 Euro) aus. Der 41-Jährige war am 23. Oktober während eines Besuchs bei der Familie seiner irakischen Frau verschleppt worden. Sunnitische Aufständische haben im Irak bei einer Massenentführung zehn Schiiten er-schossen und 50 weitere verschleppt. Insgesamt wurden am Samstag mindestens 62 Men-schen getötet. Der Überfall auf die Busreisenden wurde nach Angaben der irakischen Polizei am Samstag auf einer berüchtigten Fernstraße südlich von Bagdad verübt, die durch mehrheitlich von Sunniten bewohntes Gebiet nach Nadschaf führt, wo sich das wichtigste Heiligtum der Schii-ten befindet. In anderen Teilen Iraks wurden unterdessen mindestens 52 Menschen bei Angriffen und Anschlägen getötet. 12. November US-Militärführung will ihre bisherige Strategie im Irak ändern. US-Präsident George W. Bush will am Montag mit Mitgliedern eines parteiübergreifenden Ausschusses zur Irak-Politik unter Leitung von Ex-Außenminister James Baker zusammentreffen. Im Irak kamen unterdessen am Wochenende bei neuer Gewalt 70 Menschen ums Leben. Bei dem folgenschwersten Anschlag starben am Sonntag 34 Menschen vor einem Rekrutie-rungsbüro in Bagdad, als sich ein Selbstmordattentäter in die Luft sprengte. Nach Angaben arabischer Nachrichtensender fand die Polizei zudem mehr als 30 Leichen von Mordopfern. Australien und Großbritannien sind sich nach Angaben des australischen Premierministers John Howard einig, dass ein Abzug ihrer Truppen aus dem Irak derzeit nicht absehbar ist. Bei Angriffen im Irak sind sieben Soldaten der USA und Großbritanniens getötet worden. Bei dem Angriff auf eine britische Patrouille im Süden des Landes seien drei weitere britische Soldaten schwer verletzt worden, teilte das Verteidigungsministerium in London am Sonntag mit. Damit stieg die Zahl der seit Kriegbeginn im Irak getöteten US-Soldaten auf 2844 13. November

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Die Baker-Kommission, der jeweils fünf Demokraten und Republikaner angehören, will ihre Empfehlungen für eine neue Strategie im Irak bis Ende Dezember vorlegen. Al-Mailiki ver-sprach, seine Regierung werde ab sofort offensiver gegen die willkürlich mordenden Milzen vorgehen. Im Irak kamen am Montag bei Terroranschlägen und Attentaten mindestens 27 Menschen ums Leben. Nach Angaben von Augenzeugen starben bei dem folgenschwersten Anschlag zehn Zivilisten, als im Osten Bagdads eine Bombe in einem Bus explodierte. 15 weitere Menschen wurden verletzt. Ein Selbstmordattentäter griff im Westirak eine Polizeiwache an und tötete fünf Beamte. In Mossul töteten Unbekannte einen Kameramann des Fernsehsen-ders Al-Sharqija. Er ist der vierte Mitarbeiter des Senders mit Sitz in Dubai, der im Irak einem Attentat zum Opfer fiel. In Bagdad kamen am Montag zwei amerikanische Soldaten bei einer Sprengstoffattacke ums Leben. Die US-Armee teilte weiter mit, ein Selbstmordattentäter habe am Sonntag in der Provinz Salaheddin zwei amerikanische Soldaten durch die Explosion einer Autobombe getötet. 14. November Nur wenige Stunden nach einer spektakulären Massenentführung in Bagdad sind am Diens-tagabend 20 Opfer wieder freigekommen. Der staatliche Nachrichtensender Al-Irakija berichtete unter Berufung auf einen Regierungssprecher, die Entführer hätten 20 Beamte des Instituts für Kulturforschung freigelassen. Das Schicksal der übrigen Entführungsopfer war noch unklar. Unterdessen gerieten irakische Polizisten unter Tatverdacht. Der Nachrich-tensender Al-Arabija berichtete, fünf Beamte seien festgenommen worden, weil sie mögli-cherweise in die Entführung verwickelt seien. Bewaffnete Männer hatten am Morgen mehr als 100 Beamte, Experten und Besucher aus dem Institut verschleppt. Die Entführer hätten zum Teil Uniformen einer Spezialeinheit des Innenministeriums getragen, sagte Hochschul-minister Abed Thejab al-Adschili. Beobachter vermuteten, dass es sich bei den Entführern tatsächlich um Polizisten handelte. Die Spezialeinheit des Innenministeriums wird von den Sunniten-Parteien oft als verlängerter Arm der schiitischen Partei-Milizen bezeich-net. Allerdings benutzen Terroristen im Irak häufig auch gestohlene oder nachgemachte Uni-formen. Seit dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein sind im Irak Dutzende von Professoren ermordet worden. Der irakische Fernsehsender Al-Scharkija meldete derweil, bei einem US-Luftangriff in der westirakischen Aufständischen- Hochburg Ramadi seien in der Nacht zum Dienstag mindes-tens 30 Menschen getötet worden. 15 weitere Iraker seien verletzt worden. Nach Informationen von Al-Arabija kamen bei einem Autobombenanschlag auf einem Markt in Bagdad am Dienstag zehn Menschen ums Leben. In Bakuba fand die Polizei die Leichen von 15 Mordopfern. Extremisten töteten in der Stadt vier Polizisten. Augenzeugen berichte-ten, in der 120 Kilometer südlich von Bagdad gelegenen Ortschaft Al-Noamanija sei bei einem Sprengstoffanschlag ein polnischer Soldat getötet worden. Bei der von Ministerpräsident Nuri al-Maliki angekündigten Kabinettsumbildung sollen nach Angaben aus Regierungskreisen in den kommenden Wochen zehn der 27 Minister ausge-tauscht werden. Al-Maliki hatte am Sonntag erklärt, er wolle unfähige Minister, die nur durch das zwischen den Parteien ausgehandelte Quotensystem zu ihren Posten gekommen seien, durch Fachleute ersetzen. 15. November Einen Tag nach der spektakulären Massenentführung im Irak war das Schicksal vieler Gei-seln am Mittwoch immer noch unklar. Ein Mitarbeiter des Hochschulministeriums sagte, die

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Kidnapper hätten bislang etwa 70 der mehr als 150 Geiseln freigelassen. Die Freigelassenen seien von den Entführern geschlagen und beleidigt worden, sagte ein Sprecher. Ein Beam-ter, der die Hotline für die Angehörigen der Entführungsopfer beim Hochschulministerium betreut, behauptete, die Miliz des radikalen Schiiten-Predigers Muktada al-Sadr habe die Mitarbeiter des Instituts für Kulturforschung entführt. Sie würden an verschiedenen Orten im Stadtteil Sadr-City festgehalten. An der Entführung waren Männer in Uniformen einer Sondereinheit des Innenministeriums beteiligt. Ein Sprecher des Hochschulministeriums erklärte, die nach der Entführung festge-nommenen fünf Polizisten stünden aber nicht unter Tatverdacht, ihnen werde nur vorgewor-fen, dass sie nichts gegen die Kidnapper unternommen hätten. Bei neuer Gewalt kamen im Irak am Mittwoch mindestens 27 Menschen ums Leben. Das US-Militär teilte mit, Aufständische hätten in der Anbar-Provinz am Dienstag vier amerikani-sche Soldaten getötet. Bei dem folgenschwersten Anschlag explodierte eine Autobombe an einer Tankstelle in der Nähe des Innenministeriums. Zehn Menschen starben nach Angaben der Polizei. In Mossul wurden eine irakische Journalistin der Lokalzeitung «Al- Masar» und ihr Fahrer erschossen. Eine andere Zeitung in Mossul ist unterdessen wegen einer Karikatur des Re-gierungschefs von der Schließung bedroht. Der Bezirksgouverneur Amer Dschihad erklärte, der Provinzrat habe die Schließung der Zeitungsredaktion beschlossen. 16. November Zwei Tage nach der Massenentführung von bis zu 150 Beamten in Bagdad haben Extremis-ten am Donnerstag erneut etwa 60 Menschen entführt. Drei Augenzeugen berichteten im staatlichen Fernsehsender Al-Irakija, bewaffnete Männer hätten im Adl-Viertel im Westen der Stadt die Fahrgäste von sechs Kleinbussen verschleppt und anschließend erschossen. Die Fahrgäste stammen aus dem vorwiegend von Schiiten bewohnten Viertel Kadhimija. Es teilte am Donnerstag außerdem mit, der am Mittwoch in Süd-Bagdad entführte Dekan des Instituts für die Ausbildung von Lehrern im technischen Bereich, Ali Schakir sei freigelassen worden. Die US-Armee berichtete derweil, Aufständische hätten am Dienstag und Mittwoch in Bag-dad und in der Provinz Dijala vier amerikanische Soldaten getötet. Die Armee teilte außerdem mit, die US-Luftwaffe habe am Donnerstag mehrere Gebäude in Al-Jussifija südlich von Bagdad bombardiert. Dabei seien neun «Terroristen» getötet worden. Die Soldaten nahmen neun Verdächtige gefangen. Bei weiteren Attacken von Extremisten kamen im Irak am Donnerstag mindestens 23 Menschen ums Leben. 17. November Wegen der Vergewaltigung und Ermordung eines 14-jährigen irakischen Mädchens sowie dem Massaker an ihrer Familie ist ein US-Soldat zu bis zu 90 Jahren Haft verurteilt worden. Eine unabhängige Kommission soll Misshandlungsvorwürfe gegen niederländische Soldaten bei ihrem Einsatz im Irak vor drei Jahren untersuchen. Sie hätten 15 Gefangene bei Verhö-ren mit Wasser übergossen, ihre Sicht mit sehr dunklen Skibrillen stark eingeschränkt sowie sie starken Lichtquellen und lauten Geräuschen ausgesetzt, um sie am Schlafen zu hindern, berichteten Kamp und die Zeitung. Im Süden des Iraks wurde nach Angaben aus Sicherheitskreisen ein Österreicher getötet, der am Donnerstagabend zusammen mit vier Amerikanern entführt worden war.

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Vizeministerpräsident Barham Saleh erklärte derweil, bei der Entführung von sechs Klein-bussen, in denen vor allem Schiiten gesessen hatten, in West-Bagdad am Donnerstag seien 40 Menschen getötet worden. Zwei Beamte, die nach der Massenentführung im Institut für Kulturforschung wieder freige-lassen worden waren, erklärten, die Entführer seien Polizisten gewesen. Die US-Armee teilte am Freitag mit, ein amerikanischer Soldat sei am Donnerstag in der Provinz Dijala getötet worden.

Im Südirak ist nach Angaben örtlicher Behörden eine US-Geisel tot aufgefunden worden 18. November Der britische Premierminister Tony Blair hat massive Schwierigkeiten beim bisherigen Ver-lauf des Irak-Einsatzes zugegeben. Zugleich bekräftigte der Premierminister, dass es keinen baldigen Abzug der britischen Truppen geben werde. Bei einem überraschenden Besuch in der südirakischen Stadt Basra sagte der britische Finanzminister Gordon Brown dem Irak unterdessen eine zusätzliche Wiederaufbauhilfe von mindestens 100 Millionen Pfund (rund 148 Millionen Euro) zu. Auf der Suche nach einem Ausweg aus dem Kriegsdilemma im Irak ist der frühere US-Außenminister James Baker einem Zeitungsbericht zufolge mit syrischen Vertretern zusam-mengetroffen. Im Irak ist am Samstag einführender schiitischer Politiker von Bewaffneten getötet worden. Dem Parteifreund zufolge war Al-Adhadh einer der wichtigsten Entscheidungsträger in der schiitisch geführten Regierung von Ministerpräsident Nuri al-Maliki. Die irakische Polizei hat nach eigenen Angaben das Versteck von fünf im Irak entführten westlichen Sicherheitsleuten ausfindig gemacht. Die irakischen Sicherheitskräfte kontrollierten die ganze Umgebung und er hoffe, dass die Befreiung .der Geiseln «bald» er-folgen könne. 19. November Ein Selbstmordattentäter hat am Sonntag im Irak mindestens 22 Bauarbeiter mit in den Tod gerissen. Ein Polizeisprecher sagte, 44 weitere Menschen seien bei dem Anschlag in der Stadt Hilla zum Teil schwer verletzt worden. Bei weiteren Attentaten starben am Sonntag im Irak drei Menschen. Der arabische Nachrichtensender Al-Arabija berichtete derweil, im Südirak seien vier ameri-kanische Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma befreit worden, die am vergangenen Donnerstag entführt worden waren. Extremisten haben im Nordirak drei Kinder mit einem Sprengsatz getötet, der in einer Puppe versteckt war. Ein viertes Kind wurde durch die Explosion verletzt. Bewaffnete Männer in Militäruniformen haben anscheinend einen stellvertretenden iraki-schen Gesundheitsminister aus seiner Wohnung in Bagdad entführt. Auch ein Berater des Vize-Ministers sagte, Al-Saffar sei entführt worden. 20. November Extremisten haben in Bagdad innerhalb von 24 Stunden einen Minister und zwei stellvertre-tende Minister attackiert. Bei einem Angriff auf den Konvoi des Vizegesundheitsministers Hakim al-Samili starben am Montag nach Polizeiangaben zwei Leibwächter. Der schiitische Staatsminister Mohammed al-Oraibi überlebte am Montag eine Sprengstoffattacke auf sei-nen Konvoi.

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Ein Medizinprofessor der Universität Babylon fiel in Mahawil, 80 Kilometer südlich von Bagdad, einem Attentat zum Opfer. In Bakuba töteten Extremisten zehn Menschen. Bei der Explosion eines Sprengsatzes auf einem Markt in Ost-Bagdad wurden am Montag nach Angaben des staatlichen Fernsehsenders Al- Irakija zahlreiche Menschen getötet oder verletzt. Die US-Armee teilte mit, Aufständische hätten am vergangenen Wochenende in Bagdad und in der Provinz Anbar je einen amerikanischen Soldaten getötet. Unterdessen verlautet die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, dass das To-desurteil gegen Saddam das Ergebnis eines unfairen Prozesses sei, der vor Verfahrens-mängeln nur so strotze. Extremisten töteten am Montag im Irak mindestens 20 Menschen. Unter den Opfern war nach Angaben des staatlichen Fernsehens auch ein Fernsehschauspieler Ungeachtet der herrschenden Gewalt hat die Europäische Union am Montag mit dem Irak Verhandlungen über ein Handels- und Kooperationsabkommen vereinbart. Seit 2003 hat die EU 720 Millionen Euro für den Wiederaufbau des Iraks zur Verfügung gestellt. 21. November Der Irak und Syrien haben die Wiederaufnahme ihrer diplomatischen Beziehungen angekün-digt. Sie waren von Damaskus 2003 aus Protest gegen die US-Besatzung im Irak eingefro-ren worden. Der zur Bewegung des radikalen Schiiten-Predigers gehörende Abgeordnete Falah Schan-schal sagte in einer Sitzung des Parlaments, bei einem US-Luftangriff in Bagdads Schiiten-Vorstadt Sadr-City seien am Dienstag vier Zivilisten getötet worden. Unter den Opfern sei ein sieben Monate alter Säugling. Die US-Armee teilte mit, bei einer irakisch-amerikanischen Razzia in Sadr-City seien sieben mutmaßliche Extremisten festgenommen worden. Bei einer weiteren Razzia in Bagdad töte-ten US- Soldaten nach Militärangaben drei «Terroristen». 22. November Noch nie seit dem Kriegsbeginn im Frühjahr 2003 Jahren sind im Irak so viele Zivilisten getö-tet wie im Oktober dieses Jahres. Dabei seien 3709 Menschen ums Leben gekommen. Hauptgrund für die «bislang nie da gewesene» Zahl von zivilen Todesopfern sei die Gewalt zwischen den beiden Religionsgruppen Sunniten und Schiiten Der irakische Ölminister Hussein al-Schahristani räumte ein, dass Beamte seines Ministeri-ums einen Teil der Einnahmen der staatlichen Ölindustrie an Terrorgruppen weitergereicht haben. Mehrere Beamte seien vom Dienst suspendiert worden. Die US-Armee teilte mit, amerikanische und irakische Soldaten hätten im so genannten To-desdreieck südlich von Bagdad 45 mutmaßliche Terroristen und Kriminelle gefangen ge-nommen. Nahe der Aufständischen-Hochburg Falludscha seien zwei Entführungsopfer befreit und 13 mutmaßliche Aufständische festgenommen worden. Das katholische Hilfswerk Kirche in Not erklärte, die Zahl der Christen, die aus dem Irak flüchteten, habe sich in den vergangenen Monaten «explosionsartig» erhöht. In der irakischen Hauptstadt Bagdad sind am Mittwoch 59 Leichen ermordeter Menschen gefunden worden. 23. November

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Eine blutige Anschlagserie mit weit mehr als 130 Toten hat am Donnerstag Bagdads Schii-ten-Vorort Sadr-City erschüttert. Mehr als 200 Iraker wurden verletzt, als in dem Stadtteil, in dem rund zwei Millionen Menschen dicht gedrängt leben, mehrere Bomben exp-lodierten und Mörsergranaten einschlugen. Die schiitische Vorstadt, Hochburg des radikalen Predigers Moktada al-Sadr und seiner Miliz, wird immer wieder vor allem von sunnitischen Extremisten angegriffen. Bei einer Razzia von US-Soldaten in Sadr-City waren am Morgen nach Polizeiangaben vier Iraker ums Leben gekommen. Ein Polizeisprecher sagte, acht weitere Menschen seien ver-letzt worden. Bewaffnete Extremisten griffen am Donnerstag das Gesundheitsministerium im Zentrum der Stadt an. Sicherheitskräfte lieferten sich ein Feuergefecht mit den Angreifern. Berichte über Verletzte gab es jedoch nicht. Amerikanische Truppen suchen in Sadr-City seit einem Monat nach einem US-Soldaten ira-kischer Herkunft, der in Bagdad verschleppt worden war. Laut US-Armee richtete sich auch die Razzia am Donnerstag gegen die mutmaßlichen Entführer. Fünf Verdächtige seien fest-genommen worden, hieß es. 24. November Seit Beginn des Irak-Krieges im März 2003 sind in dem Land am Euphrat und Tigris nach Schätzungen privater Organisationen bis zu 53 000 Zivilisten der blutigen Gewalt zum Opfer gefallen. Zu den folgenreichsten Anschlägen gehörten: 05. Januar 2006: Bei Selbstmordanschlägen kommen vor einem Rekrutierungsbüro der Poli-zei im westirakischen Ramadi sowie in der Pilgerstadt Kerbela mehr als 120 Menschen ums Leben. 14. September 2005: In Bagdad lässt ein Selbstmordattentäter sein Auto in einer Gruppe von Arbeitern explodieren: Mindestens 112 Tote. An diesem Tag sterben bei Anschlägen insge-samt rund 150 Zivilisten. Am 31. August 2005 führen allein schon Gerüchte über einen drohenden Terroranschlag zu einer Massenpanik in Bagdad. Dabei sterben mehr als 1000 Pilger. 28. Februar 2005: Bei der Explosion einer Autobombe in Hilla werden mehr als 130 Men-schen zerfetzt, mindestens 124 werden verletzt. 02. März 2004: Mindestens 181 Menschen sterben bei mehreren Bombenanschlägen wäh-rend des schiitischen Aschura-Festes in Bagdad und der Schiiten-Hochburg Kerbela. Hun-derte werden verletzt. Nach der verheerenden Anschlagserie in Bagdads Schiiten-Vorstadt Sadr-City mit bis zu 200 Toten hat am Freitag eine Serie blutiger Racheakte die sunnitischen Viertel der Stadt erschüttert. Es habe mehr als 30 Tote gegeben, meldeten arabische Medien unter Berufung auf Augenzeugen. Die politischen Führer der Sunniten und Schiiten riefen ihre Anhänger zur Mäßigung auf. Einzig der radikale Schiiten-Prediger Muktada al-Sadr, der in dem Bagdader Vorort Sadr-City seine größte Gefolgschaft hat, gab sich kämpferisch. In Tel Afar im Norden des Landes sprengten sich zwei Selbstmordattentäter auf zwei Auto-märkten in die Luft. Krankenhausärzte zählten 24 Tote und 45 Verletzte. In Bagdad feuerten Unbekannte nach Angaben des Rates der Religionsgelehrten mehrere Mörsergranaten auf den Sitz der sunnitischen Vereinigung. 25. November In Bakuba nördlich der Hauptstadt entdeckten irakische Polizisten am Samstag die Leichen von 21 Mitgliedern einer Familie. Sie waren am Vortag von Männern entführt worden, die sich als irakische Polizisten ausgaben.

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Bei einer Reihe von Einsätzen nördlich von Bagdad töteten Truppen der US-geführten Koali-tion im Irak insgesamt 22 Extremisten. In Bakuba etwa 60 Kilometer nördlich der Hauptstadt kamen vier irakische Frauen bei einem Angriff der Koalitionstruppen ums Leben. Angesichts anhaltender Gewalt und einer politischen Krise im Irak warb US-Vizepräsident Dick Cheney bei Gesprächen in Saudi-Arabien um die Unterstützung des Königshauses. Bei einem Selbstmordanschlag nahe der irakischen Stadt Falludscha sind am Samstag drei Iraker und ein US-Soldat getötet worden. Neun weitere irakische Zivilpersonen und ein ame-rikanischer Soldat wurden verletzt, wie die Koalitionsstreitkräfte mitteilten. Bei einem Autobombenanschlag und anhaltenden Kämpfen im Irak sind mindestens elf Menschen getötet worden. Rund 40 Kilometer südlich Bagdads starben am Sonntag fünf Iraker, als in der Nähe einer Moschee ein am Straßenrand geparktes Auto explodierte, berichtete die Polizei. 23 Menschen wurden verletzt, sieben davon lebensgefährlich. Das US-Militär in Bagdad gab derweil bekannt, Soldaten der Koalitionstruppen hätten bei einem Einsatz in Bakuba nördlich von Bagdad vier militante Extremisten getötet. 11 mutmaß-liche Terroristen seien festgenommen worden. US-Soldaten hätten ein Waffenlager ausgehoben und zerstört, hieß es. 26. November Der Kampfeinsatz der Vereinigten Staaten im Irak dauert jetzt bereits länger als die US-Beteiligung am Zweiten Weltkrieg. Mit drei Jahren, acht Monaten und acht Tagen kämpfen die US-Soldaten im Irak seit diesem Montag länger als ihre Kameraden von Dezember 1941 bis Mai 1945. Die US-Zeitung «New York Times» berichtete, die am Aufstand im Irak beteiligten radikalen Gruppen verfügten über so große Einnahmen, dass sie sogar schon Terrorgruppen im Aus-land mitfinanzieren könnten. Mit dem Schmuggel von Erdöl, Entführungen, Geldfälschung und Spenden islamischer Wohltätigkeitsorganisationen kassierten diese irakischen Gruppen pro Jahr bis zu 200 Millionen Dollar (153 Millionen Euro). Der irakische Präsident Dschalal Talabani besucht am Montag erstmals das Nachbarland Iran. Talabani will im Iran um Unterstützung für die Stabilisierung seines Landes werben. Nach iranischen Regierungsangaben sollen bei dem Besuch wichtige Abkommen vereinbart werden. 27. November Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad und sein irakischer Amtskollege Dschalal Talabani betonten das Interesse an einer Zusammenarbeit zur Befriedung des Iraks. Der Iran stehe «voll an der Seite des Iraks, sowohl in guten als auch in schlechten Zeiten», sagte Ahmadinedschad nach einen Treffen mit Talabani am Montag in Teheran. Der irakische Staatschef betonte: «Wir brauchen die Hilfe des Irans bei der Bekämpfung des Ter-rorismus und für eine Rückkehr der Sicherheit in unserem Land.» Großbritannien will sein rund 7000 Soldaten umfassendes Kontingent im Irak nach den Wor-ten von Verteidigungsminister Desmond Browne bis Ende 2007 stark verringern. Der italienische Ministerpräsident Romano Prodi kündigte den Abzug der restlichen 60 von ursprünglich 3000 Soldaten seines Landes aus dem Irak bis Ende der Woche an. Die US-Armee teilte mit, Aufständische hätten in Bagdad am Sonntag drei amerikanische Soldaten getötet. Nördlich der irakischen Hauptstadt stürzte nach Angaben des Nachrichten-senders Al-Arabija ein US-Kampfflugzeug ab. Zum Schicksal des Piloten gab es zunächst keine Angaben. Bei Angriffen von Extremisten starben im Irak am Montag 20 Menschen.

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In Bagdad wurde der Völkermordprozess gegen den früheren Machthaber Saddam Hussein und sechs weitere Angeklagte fortgesetzt. In diesem Verfahren läuft derzeit die Berufung. 28. November Die «New York Times» berichtete, dass die Miliz des radikalen Schiitenpredigers Muktada al-Sadr massive Unterstützung von der libanesischen Hisbollah erhalte. Die Kooperation sei-vom Iran vermittelt worden. Der Gouverneur der nordirakischen Provinz Kirkuk überlebte am Dienstag zum dritten Mal einen Attentatsversuch. Ein Selbstmordattentäter sprengte sich im Zentrum Kirkuks mit ei-nem Sprengstoffgürtel neben dem Konvoi von Abdel Rahman Mustafa in die Luft. Er riss einen Zivilisten mit in den Tod. 20 weitere Menschen wurden nach Polizeiangaben verletzt, darunter vier Leibwächter des kurdischen Politikers. Extremisten zündeten überdies am Dienstag kurz hintereinander zwei Autobomben vor dem Jarmuk-Krankenhaus in Bagdad. Vier Menschen starben, unter ihnen ein Polizeioffizier. Der Weltsicherheitsrat hat das Mandat für die von den USA geführte multinationale Truppe im Irak um ein weiteres Jahr verlängert. Alle 15 Mitgliedsstaaten des höchsten UN-Gremiums stimmten der von Washington eingebrachten Resolution 1723 zu. Damit können die 160 000 Mann starken Kräfte noch bis zum 31. Dezember 2007 im Irak bleiben. Der irakische Minis-terpräsident Nuri al-Maliki hatte schriftlich um Fortsetzung der militärischen Unterstützung gebeten. 29. November Rund 750 jordanische Oppositionelle und einige Iraker protestierten in Amman gegen Bush. Vier Minister und 30 Parlamentsabgeordnete der Bewegung des radikalen irakischen Schii-ten-Führers Muktada al-Sadr legten am Mittwoch aus Protest gegen das Treffen Al-Malikis mit Bush vorübergehend ihre Ämter nieder Extremisten töteten am Mittwoch im Irak mindestens 19 Menschen. In Bagdad stürmten Be-waffnete eine Pensionsbehörde und erschossen vier Wächter. Nach Angaben des US-Militärs wurden bei Einsätzen amerikanischer Soldaten am Dienstag und Mittwoch insgesamt 16 Iraker getötet, darunter fünf Kinder. Die Armee teilte mit, die US-Luftwaffe habe am Mittwoch in der Nähe von Bakuba acht «Terroristen» getötet. Auch zwei Zivilistinnen seien bei den Kämpfen ums Leben gekommen. Nach einem Feuergefecht hät-ten US-Soldaten in einem Haus sechs Tote gefunden: einen Mann und fünf Mädchen sowie «eine verletzte Frau, die es ablehnte, sich behandeln zu lassen.» In der Provinz Salaheddin wurde am Dienstag ein US-Soldat getötet. In der Anbar-Provinz töteten Rebellen am Mitt-woch einen weiteren Soldaten. 30. November Bush lobt den irakischen Regierungschef und spricht ihm seine volle Unterstützung aus. Al-Maliki betonte, seine Regierung sei weiter offen für die Zusammenarbeit mit den Nachbar-staaten Iran und Syrien. Unterdessen geht das Blutvergießen unvermindert weiter. Polizei und US-Armee fanden die Leichen von 80 Mordopfern, mindestens 15 weitere Menschen starben bei Anschlägen und Gefechten. Südkorea wird möglicherweise Ende 2007 alle seine Soldaten aus dem Irak zurückziehen. Südkorea stellt mit derzeit mehr als 2300 Mann das drittgrößte Truppenkontingent im Irak - nach den USA und Großbritannien. 01. Dezember Die irakische Regierung kündigte für kommenden Februar eine internationale Konferenz in Bagdad an, um nach Wegen für eine Stabilisierung des Landes suchen. Eingeladen werden

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sollten vorrangig die Anrainerstaaten, darunter auch Syrien, der Iran und Saudi-Arabien sowie Vertreter der Arabischen Liga, sagte Außenminister Hoschiar Sebari Die US-Armee tötete derweil im Irak nach eigenen Angaben 16 Aufständische. Ein mutmaß-licher «Terrorist» wurde am Freitag bei einer US-Razzia in Tadschi nördlich von Bagdad er-schossen, wie das meldete das Militärkommando in Bagdad mitteilte. Am Donnerstag hätten amerikanische Soldaten in der Nähe von Samarra 14 Männer getötet, die ihren Konvoi an-gegriffen hätten. Ein Terrorverdächtiger wurde von den Amerikanern in Jussufija erschossen. Bei zwei Sprengstoffanschlägen mit Autobomben kamen im Irak sieben Menschen ums Le-ben. Polizei und US-Armee fanden die Leichen von 80 Mordopfern, mindestens 15 weitere Menschen starben bei Anschlägen und Gefechten. Die italienische Militärmission im Irak ist beendet. Der italienische Verteidigungsminister Artu-ro Parisi nahm am Freitag in der südirakischen Stadt Nassirija, wo die Soldaten seit Juni 2003 stationiert waren, an der Zeremonie der Flaggeneinholung teil. 02. Dezember Bei der Explosion von drei Autobomben auf einem belebten Marktplatz in Bagdad sind am Samstag nach Angaben von Krankenhausärzten 61 Iraker ums Leben gekommen. Rund 100 weitere Zivilisten wurden zum Teil schwer verletzt. Zehn Geschäfte brannten nieder. Nach Angaben von Augenzeugen detonierte im Bezirk Sadrija zunächst ein Sprengsatz, als Pas-santen den Opfern zu Hilfe kommen wollten, sei eine weitere Autobombe explodiert, dann noch eine dritte. Derweil kritisierte einer der einflussreichsten irakischen Schiitenführer Vorschläge von UN-Generalsekretär Kofi Annan als «unrealistisch, falsch und illegal», eine internationale Irak- Konferenz außerhalb des Landes einzuberufen und den Iran und Syrien einzubeziehen. 03. Dezember Bush setzt nur wenige Tage nach seinem Treffen mit dem irakischen Regierungschef Nuri al-Maliki seine Gespräche mit irakischen Spitzenpolitikern fort. Am Montag wird er in Washing-ton mit dem Vorsitzenden der Schiiten-Partei SCIRI, Abdul Asis al-Hakim, zusammenkom-men, der dem Iran nahe steht. Bei einem amerikanischen Luftangriff im Irak wurden in der Nacht zum Sonntag zwei Frauen und ein Kind getötet. Die US-Armee berichtete, zusammen mit den zivilen Opfern seien bei dem Angriff in Gharma westlich von Bagdad auch sechs «Terroristen» ums Leben gekom-men. In der nahe gelegenen Ortschaft Tadschi starb ein US-Soldat bei einer Sprengstoffattacke. Einen Monat nach dem Todesurteil gegen Saddam Hussein hat der irakische Expräsident offiziell Berufung eingelegt, wie ein Justizsprecher am Sonntag in Bagdad mitteilte. 04. Dezember In Bagdad ermordeten Extremisten am Montag erneut einen Journalisten. Der staatliche TV-Sender Al-Irakija berichtete unterdessen, die Polizei habe den von Extremisten entführten Assistenten der Medien-Fakultät der Universität Bagdad befreit und dabei vier mutmaßliche Entführer getötet. Das Sondertribunal für die Verbrechen des alten Regimes begann unterdessen mit der Prü-fung des Berufungsantrags von Ex-Machthaber Saddam Hussein. Außerdem wurde am Montag der zweite Prozess gegen Saddam wegen Völkermordes an den Kurden fortgesetzt. Der scheidende UN-Generalsekretär Kofi Annan hat die Lage im Irak als «viel schlimmer» als in einem Bürgerkrieg bezeichnet. Annan appellierte an die regionalen und internationalen Mächte, dem Irak zu helfen.

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Präsident George W. Bush ist im Weißen Haus mit dem irakischen Schiitenführer Abdelasis al-Hakim zusammengetroffen. Al-Hakim leitet den iranfreundlichen Hohen Rat für die Islami-sche Revolution im Irak (SCIRI). Bush danke Al-Hakim für dessen «Bekenntnis zu einer Re-gierung der Einheit» in Bagdad. 05. Dezember Bei einer Serie von Autobomben-Explosionen sind am Dienstag in Bagdad rund 40 Iraker getötet worden. Der irakische Außenminister Hoschiar Sebari räumte unterdessen ein, dass der Einfluss des Nachbarlandes Iran im Irak wächst. Die Schiiten-Allianz, die größte Fraktion im irakischen Parlament, unterhält enge Beziehungen zu Teheran. Augenzeugen und die Polizei berichteten, im Al-Baijaa-Viertel, im Süden der irakischen Hauptstadt, seien am Morgen kurz hintereinander drei Autobomben an einer Tankstelle de-toniert. 16 Menschen starben, mehr als 20 Iraker wurden verletzt. Im Norden der Hauptstadt explodierte laut Augenzeugen eine Autobombe, als ein Bus mit Beamten der Behörde für die religiösen Stiftungen der Schiiten vorbeifuhr. Nach der Explosi-on attackierten Extremisten die Überlebenden. 15 Menschen seien getötet, 9 weitere verletzt worden, hieß es. Zwei weitere Sprengsätze töteten im Bezirk Al-Amil acht Menschen. Die US-Armee teilte mit, Aufständische hätten einen amerikanischen Soldaten getötet und fünf weitere US-Soldaten verletzt. Der designierte US-Verteidigungsminister Robert Gates sieht sein Land auf der Verliererseite im Irakkrieg und hat vor einer Ausweitung des Konflikts gewarnt. Vor dem Streitkräfteaus-schuss des Senats sagte er am Dienstag auf die Frage, ob die USA den Krieg gewinnen: «Nein.» Gates zeigte sich für einen möglichen Strategiewechsel im Irak bereit. 06. Dezember Die 142-seitige Studie der Baker-Kommission empfiehlt einen Rückzug der US-Kampftruppen bis 2008 sowie Verhandlungen der USA mit dem Iran und Syrien. Die bisheri-ge Strategie müsse geändert und neue Optionen wahrgenommen werden, um den «Alb-traum der Gewalt» zu beenden, betonte der republikanische Ex- Außenminister James Ba-ker, der gemeinsam mit dem Demokraten Lee Hamilton die zehnköpfige Kommission geleitet hatte. Bush betonte, dass er die 79 Vorschläge der Kommission «sehr ernst nehmen» werde. Der Bericht biete eine Chance für eine neue Einigkeit in der Irak-Politik der USA. Ein Sieg im Irak ist nach Einschätzung des britischen Premierministers Tony Blair derzeit nicht in Sicht Blair wirbt bereits seit längerer Zeit für eine diplomatische Gesamtlösung für den Nahen Osten, an der auch Staaten wie Syrien und der Iran beteiligt werden. Im Folgenden Auszüge aus dem am Mittwoch in Washington vorgestellten Bericht sowie Zitate von der Pressekonferenz Bakers und Hamiltons: - «Wir glauben, dass es ein Fehler für die USA wäre, das Land zu früh zu verlassen. (...) Wir empfehlen keinen übereilten Truppenrückzug aus dem Irak, weil es zu einem Blutbad und einem erweiterten regionalen Krieg führen könnte.» - «Die Iraker wurden von einem albtraumhaften, tyrannischen Regime befreit, nur um nun den Albtraum brutaler Gewalt zu erleben.» - «Die Lage im Irak ist ernst und verschlechtert sich. Es gibt keinen Weg, der einen Erfolg garantiert. (...) Es gibt keine Zauberformel, die die Probleme des Iraks lösen wird.» - «Die USA sollten deutlich die Zahl der Soldaten erhöhen, einschließlich von Kampftruppen, die eingebettet in die irakischen Armee-Einheiten diese unterstützen. (...) Wir empfehlen eine fünffache Verstärkung der US-Truppen, die das irakische Militär ausbilden, von (...) 4000 auf 20 000 Mann. Wir empfehlen nicht, die Gesamtstärke der US-Truppen - wie vorgeschlagen -

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um 100 000 bis 200 000 Mann zu erhöhen. (...) Zusätzliche Streitkräfte dieser Größenord-nung sind einfach nicht vorhanden.» - «Eine militärische Lösung wird die Gewalt im Irak nicht beenden. Wir müssen den Irakern helfen, sich selbst zu helfen.» - «Die Ereignisse im Irak könnten unsere Empfehlungen überholen. Aus diesem Grund glau-ben wir, dass Entscheidungen mit einiger Dringlichkeit von unseren führenden Politikern ge-troffen werden sollten.» - «Wir empfehlen keine Teilung des Iraks. (...) Das könnte zu einem humanitären Desaster und einem breit angelegten Bürgerkrieg führen.» Die Baker-Kommission hat in ihren Empfehlungen zur Beilegung der Krise im Irak eine Ein-beziehung Deutschlands vorgeschlagen. Deutschland könne sich an einer internationalen Unterstützungsgruppe beteiligen, die durch eine gemeinsame diplomatische Anstrengung einen Ausweg aud der Krise weisen könne, heißt es in dem am Mittwoch in Washington vor-gelegten Abschlussbericht der Expertenkommission. Der nationale Sicherheitsberater, Muwaffak al-Rubai, sagte vor der Presse in Bagdad, meh-rere führende Mitglieder der Terrorgruppe El Kaida im Irak seien verhaftet worden. Derweil starben bei einem Angriff mit Mörsergranaten auf einen Markt in Bagdad acht Menschen. Nach Polizeiangaben wurden 40 weitere Menschen verletzt. Bei einem Autobomben-Anschlag in der Schiiten-Vorstadt Sadr-City wurden nach US-Militärangaben drei Iraker getö-tet und acht weitere verletzt. 07. Dezember Der US-Präsident lehnte erneut direkte Gespräche mit Syrien und dem Iran ab. Er wies da-mit einen der zentralen Vorschläge der Baker-Kommission zurück. Israels Ministerpräsident Ehud Olmert wies Empfehlungen der Baker-Kommission für eine Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen mit Syrien vorerst zurück. Im Irak zeigten sich sowohl die Regierungsparteien in Bagdad als auch die irakische Opposi-tion unbeeindruckt von dem Baker-Bericht. Die Analyse sei unklar, die empfohlene Strategie nicht praktikabel, kritisierte ein Abgeordneter der oppositionellen INA-Partei von Ex- Regierungschef Ijad Allawi. Ein Vertreter der Arabischen Liga sagte, der Baker-Bericht lasse die Rechte der irakischen Bevölkerung, die unter den katastrophalen Folgen der US-Invasion zu leiden habe, völlig außer Acht. Syrien begrüßte die Experten-Empfehlungen im Grundsatz. Der französische Außenminister Philippe Douste-Blazy lobte das Baker-Papier als «hellsich-tig». Nach Ansicht des Koordinators für die deutsch-amerikanischen Beziehungen, Karsten Voigt (SPD), können Europa und die USA nach einer möglichen Irak-Neuorientierung Wa-shingtons wieder enger zusammenrücken. Wie das Hochschulministerium mitteilte, erschossen Unbekannte am Donnerstag den Vorsit-zenden der Fakultät für Psychologie und Erziehung der Universität Bagdad, Al-Harith Abdul Hamid. Bei weiteren Anschlägen wurden am Donnerstag mindestens fünf Menschen getötet. Die US-Armee hatte am Mittwoch im Irak zehn Soldaten verloren. 08. Dezember Bei einem amerikanischen Angriff auf zwei Häuser einer Großfamilie sind am Freitag im Irak etwa 20 Menschen getötet worden. Vier Männer der Familie hätten sich am Freitagmorgen unter freiem Himmel ein Gefecht mit den US-Truppen geliefert und seien dabei getötet wor-den. Anschließend hätten die Soldaten in den Häusern, die den Brüdern Mohammed und Mahmud Dschalmud gehörten, vier Frauen sowie zehn Kinder im Alter zwischen zwei und vierzehn Jahren erschossen. Dann habe die Luftwaffe die Häuser bombardiert.

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Die US-Armee erklärte dagegen, amerikanische Soldaten hätten am Freitag in der Nähe des Tharthar-Sees 20 «Terroristen» getötet, darunter zwei Frauen. Bei einem anschließenden Luftangriff seien 18 weitere Menschen getötet worden. Im Versteck der Extremisten habe man später Waffen und Sprengstoffwesten gefunden. Wenige Tage vor seinem Deutschland-Besuch hat Israels Ministerpräsident Ehud Olmert die deutschen Bemühungen kritisiert, Syrien in den Nahost-Friedensprozess einzubeziehen. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Jens Plötner, hatte zuvor in Berlin betont, der Syrien-Besuch Steinmeiers habe seinen Zweck erfüllt. 09. Dezember In der irakischen Pilgerstadt Kerbela sind am Samstag bei einem Autobombenanschlag sie-ben Menschen getötet und rund ein Dutzend weitere verletzt worden. Bei einer Razzia in einem Haus in Doluija, 80 Kilometer nördlich von Bagdad, erschossen US-Soldaten nach Angaben irakischer Behörden unterdessen drei irakische Soldaten, die sie versehentlich für Aufständische gehalten hatten Die USA haben Deutschland zu einem größeren Engagement bei der Stabilisierung des Irak aufgefordert. Allerdings sieht Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) derzeit keine Möglichkeit, die direkte deutsche Hilfe auszuweiten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte unterdessen neue Nahost-Initiativen für die Zeit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft an. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD), zeigte sich derweil von der Ab-sage der US-Regierung zu direkten Gesprächen mit Syrien und Iran nicht überrascht. Eine Einbeziehung beider Länder wäre ein Eingeständnis, dass die Irak-Politik der US-Regierung bisher falsch gewesen sei, sagte Erler. Zugleich betonte er, es sei sinnvoll, ohne Vorbedin-gungen Verhandlungen aufzunehmen, wie es die Baker-Hamilton-Kommission empfohlen habe. 10. Dezember US-Außenministerin Condoleezza Rice hat sich für ein stärkeres internationales Engage-ment bei der Lösung der Krise im Irak ausgesprochen. Dabei nannte sie am Freitag nach einem Treffen mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier auch Deutschland. Steinmeier hatte bei seinem eintägigen Kurzbesuch in Washington grundsätzlich die Unter-stützung Deutschlands für neue diplomatische Bemühungen im Nahen Osten signalisiert, aber zugleich vor zu hohen Erwartungen gewarnt. Es bleibe zudem dabei, dass deutsche Soldaten nicht in den Irak gingen. Zugleich sagte Merkel nach einem Treffen mit Ägyptens Staatspräsident Husni Mubarak am Sonntag in Berlin, dass Deutschland ein stärkeres Engagement bei der Ausbildung irakischer Streitkräfte außerhalb des Landes prüfe. Merkel plädierte dafür, im Nahen Osten die Vermitt-lergruppe aus USA, EU, Russland und den Vereinten Nationen (UN) wiederzubeleben. Bei neuen Angriffen im Irak sind am Sonntag mindestens elf Menschen ums Leben gekom-men. Neun Iraker seien von Bewaffneten im Westen Bagdads getötet worden, berichteten Sicherheitsdienste. 11. Dezember Nach mehr als zwei Jahrzehnten haben der Irak und Syrien wieder Botschaften im jeweiligen Nachbarland eröffnet. In Anwesenheit von Vertretern beider Staaten wurden die Flaggen des Iraks und Syriens auf den Gebäuden der neuen Vertretungen in den Hauptstädten Bagdad und Damaskus gehisst.

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Die irakische Polizei hat am Montag erneut 60 Leichen von Mordopfern in Bagdad gefunden. In der nordirakischen Kleinstadt Tus griffen rund 20 bewaffnete Männer das Haus einer turkmenischen Schiiten-Familie an. Sie töteten eine Frau und drei ihrer Söhne im Alter zwischen fünf und 13 Jahren. Zwei Töchter wurden nach Polizeiangaben verletzt. In Bagdad wurden am Montag mindestens drei Bombenanschläge verübt. Dabei starben zwei Studenten. Zehn Menschen wurden verletzt. Das US- Militärkommando teilte mit, Auf-ständische hätten in der Nacht zum Montag in Nord-Bagdad drei amerikanische Soldaten mit einem Sprengsatz getötet. UN-Generalsekretär Kofi Annan hat zum Abschluss seiner Amtszeit scharfe Kritik an der Regierung von US-Präsident George W. Bush geübt. In seinem Bericht an den Sicherheitsrat betont Annan, die Krise im Irak sei mittlerweile wohl die dringendste Krise der Welt. 12. Dezember Ein Selbstmordattentäter hat am Dienstag in der Innenstadt von Bagdad 57 Tagelöhner mit in den Tod gerissen, die auf der Straße auf Arbeit gewartet hatten. Rund 150 weitere Men-schen wurden nach Polizeiangaben verletzt, als sich der Attentäter in seinem Auto inmitten der Hilfsarbeiter in die Luft sprengte. Ein Sprecher des irakischen Innenministeriums erklär-te,der Selbstmordattentäter habe rund 120 Kilogramm Sprengstoff zur Detonation gebracht. Augenzeugen berichteten unterdessen, Extremisten hätten in Mossul, 450 Kilometer nördlich von Bagdad, einen irakischen Fotografen getötet, der für die Agentur Associated Press ge-arbeitet habe. Bei weiteren Attentaten und Anschlägen wurden am Dienstag im Irak mindes-tens fünf Menschen getötet. 13. Dezember US-Präsident George W. Bush will seine neue Strategie für den Irak erst im neuen Jahr ver-künden. Bush führt derzeit Gespräche mit Mitgliedern seiner Regierung über den künftigen Irak-Kurs Bei neuen Gewalttaten im Irak sind am Mittwoch mindestens 57 Menschen ums Leben ge-kommen. Hinter der Bluttat sollen Kämpfer der Mahdi-Armee des radikalen Schiitenpredigers Muktada al-Sadr stecken. Bei weiteren Gewalttaten wurden mindesten 37 Menschen getötet. Mindestens zehn Zivilisten kamen am Mittwoch ums Leben, als vor einer Moschee in der von Schiiten bewohnten Ortschaft Al-Kamalija östlich von Bagdad eine Autobombe explodierte. In der Nähe von Kirkuk im Norden sprengten sich gleichzeitig zwei Selbstmordattentäter in ihren Lastwagen vor dem Quartier einer Polizeitruppe in die Luft, die zur Bewachung der Ölindustrie abgestellt ist. Die Attentäter rissen neun Polizisten mit in den Tod. Einige Einhei-ten der Wachtruppen für die Ölindustrie stehen im Verdacht, mit Milizen zu kooperieren. In Neu-Bagdad starben fünf Menschen, als zwei Autobomben explodierten. Im sunnitischen Al-Madain südlich von Bagdad wurden neun Mitglieder einer Familie bei einem Überfall auf ihr Haus getötet. Bei weiteren Gewalttaten in Bagdad starben zwei Menschen. Die «New York Times» (Mittwoch) berichtete, Saudi-Arabien habe den USA gedroht, dass Riad die irakischen Sunniten finanziell unterstützen könnte, sollte nach einem Abzug der amerikanischen Truppen im Nachbarland ein Bürgerkrieg ausbrechen. 14. Dezember Eine Gruppe bewaffneter Extremisten in Armeeuniformen verschleppte in einem Geschäfts-viertel rund 30 Ladenbesitzer und Passanten. Augenzeugen berichteten, die Männer hätten im Al-Sinik-Viertel willkürlich Menschen zusammengetrieben und mit etwa zehn Fahrzeugen abtransportiert. Zum Zeitpunkt der Entführung hätten sich zahlreiche Angehörige der staatli-chen Sicherheitskräfte in dem Viertel, in dem sowohl Sunniten als auch Schiiten Geschäfte haben, aufgehalten.

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In der Nähe eines US-Militärstützpunktes, 120 Kilometer südlich von Bagdad, entführten Un-bekannte am Donnerstag nach Polizeiangaben vier Iraker, die dort für die US-Armee arbeite-ten. In Al-Suwaira, 45 Kilometer südlich von Bagdad, fand die Polizei am Donnerstag nach eige-nen Angaben acht Mordopfer in den Fluten des Tigris. 15. Dezember US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, einer der Hauptarchitekten des Irakkrieges, ist am Freitag nach fast sechs Jahren als Chef des Pentagons mit militärischen Ehren verab-schiedet worden. Nachfolger des 74-jährigen wird der frühere CIA-Direktor Robert Gates, der am Montag vereidigt werden soll. Der Irakische Rote Halbmond fühlt sich in seiner Arbeit von den US-Truppen stärker behin-dert als durch Angriffe Aufständischer. Die US-Truppen im Irak seien ein größeres Problem als andere Kräfte, sagte der Vizepräsident der Organisation, Dschamal al Karbuli. Der Rote Halbmond gehört zur internationalen Rotkreuzbewegung mit Sitz in Genf. Büros des Roten Halbmonds in Bagdad, Anbar und Nadschaf seien wiederholt von Koalitionstruppen angegrif-fen worden, die nach Aufständischen suchten. Für den Roten Halbmond arbeiten im Irak rund 1.000 Angestellte und 200.000 Freiwillige. 16. Dezember Der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki hat bei einer «Versöhnungskonferenz» am Samstag in Bagdad ehemalige Offiziere der irakischen Streitkräfte unter Saddam Hussein zur Rückkehr in die neue Armee aufgefordert. Al-Maliki reichte auf der Veranstaltung in Bag-dad demonstrativ den Sunniten und auch den Mitgliedern der unter Saddam dominierenden Baath-Partei die Hand zur Versöhnung. Der schiitische Regierungschef forderte ein Ende der ethnisch-religiösen Spannungen und Konflikte und forderte die Einheit aller Iraker. Im Irak sind am Samstag bei neuer Gewalt mindestens elf Menschen getötet worden, darun-ter neun Zivilisten. Bei Iskandarijah südlich von Bagdad kam eine vierjähriges Mädchen ums Leben, als ein Wohnviertel von einer Mörsergranate getroffen wurde, wie irakische Sicher-heitskräfte mitteilten. Ein Mann wurde verletzt. Allein in der Region von Baakuba, der Haupt-stadt der Provinz Dijala, wurden acht Menschen getötet. 17. Dezember Bewaffnete in Polizeiuniformen haben in Bagdad bis zu 30 Mitarbeiter des Roten Halbmon-des entführt. Die Entführer seien am Sonntag gewaltsam in ein Büro der Hilfsorganisation am Al-Andalus- Platz in der irakischen Hauptstadt eingedrungen und hätten zunächst Frauen und Männer getrennt, sagte ein Sprecher des Roten Halbmondes. Dann hätten die Kidnapper zwischen 25 und 30 Männer in Autos mit zivilen Kennzeichen verschleppt. Der britische Premierminister Tony Blair hat der irakischen Führung am Sonntag bei einem unangekündigten Besuch in Bagdad weitere Unterstützung versprochen. US- Präsident George W. Bush erwägt nach einem Bericht der «New York Times» die der-zeit rund 140 000 Soldaten starke US-Truppe um 20 000 Mann aufzustocken. Derweil fanden Kanalarbeiter in der schiitischen Pilgerstadt Kerbela ein Massengrab mit rund 100 Leichen - vermutlich von Schiiten, die Saddams Truppen bei der Niederschlagung eines Aufstandes in den 90er Jahren getötet hatten. 18. Dezember Einen Tag nach ihrer Entführung sind 15 Mitarbeiter des Roten Halbmondes am Montag in Bagdad wieder freigelassen worden.

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Unterdessen unterzeichneten der Irak und Syrien in Damaskus eine Vereinbarung, in der sich beide Länder zur Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus verpflichten. Bis-lang hatten sowohl die USA als auch der Irak Damaskus vorgeworfen, an seiner Grenze zu wenig gegen das Eindringen von Militanten in den Irak zu unternehmen. Syrien hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Am Montag tötete eine Gruppe von Bewaffneten einen irakischen Polizisten in Kirkuk. Der neue US-Verteidigungsminister Robert Gates sagte am Montag bei seiner Vereidigung im Pentagon, dass er sehr bald in den Irak reisen werde, um sich von der Militärführung eine ehrliche Einschätzung über die derzeitige Lage geben zu lassen. 19. Dezember Die Zahl der Anschläge in den vergangenen drei Monaten habe um 22 Prozent auf 959 An-schläge pro Woche zugenommen, heißt es in einem 50 Seiten langen Bericht des Penta-gons. Als größte Gefahr wird erstmals nicht das Terrornetzwerk El Kaida, sondern die Miliz des radikalen Schiiten-Predigers Muktada el-Sadr genannt. Ebenfalls in Bagdad wurden unterdessen 26 der insgesamt mehr als 30 verschleppten Mit-arbeiter des Roten Halbmondes freigelassen, die am vergangenen Sonntag von Entführern in Polizeiuniformen verschleppt worden waren. Trotz aller Einwände der US-Regierung sind zwei einflussreiche demokratische US-Senatoren nach Syrien geflogen. Der ehemalige Präsidentschaftskandidat John Kerry und sein Kollege Christopher Dodd wollen bei Gesprächen mit Präsident Baschar el-Assad und Vertretern der Regierung in Damaskus sondieren, ob Syrien bereit ist, bei der Stabilisierung des Iraks zu helfen. 20. Dezember Das Terrornetz El Kaida sieht sich in Kontrolle über den Irak. Eine entsprechende Behaup-tung stellte der zweite Mann an der Spitze der Terrorgruppe, Eiman al-Sawahiri, in einer Videobotschaft auf, die der Nachrichtensender Al-Dschasira am Mittwoch ausstrahlte. Die irakische Regierung übernahm unterdessen von den US-Truppen die Verantwortung für die Sicherheit in der Provinz Nadschaf. Bei zwei Autobombenanschlägen in Bagdad kamen am Mittwoch mindestens 16 Menschen ums Leben. Ein Selbstmordattentäter riss an einer Straßensperre mindestens elf Iraker mit in den Tod. Auf einem Parkplatz im Al-Kasra-Viertel detonierte laut Augenzeugen eine zweite Autobombe. Vier Menschen starben, sieben weitere wurden verletzt. US-Präsident George W. Bush will die amerikanischen Streitkräfte angesichts der Dauerbe-lastungen im Irak und in Afghanistan verstärken. 21. Dezember Drei Tage nach seinem Amtsantritt führte Gates sein erstes Gespräch mit dem irakischen Regierungschef Nuri al-Maliki über mögliche zusätzliche Militärhilfe. Zuvor hatte sich in Bagdad ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt und 13 Iraker mit in den Tod gerissen. Die Männer wollten sich für den Dienst bei der Polizei bewerben. In der vorwiegend von Sunniten bewohnten Anbar-Provinz töteten Aufständische am Don-nerstag zwei amerikanische Soldaten. Mehr als ein Jahr nach einem mutmaßlichen Massaker an 24 Zivilisten in dem irakischen Ort Haditha sind vier US- Soldaten wegen Mordes angeklagt worden. Vier weitere müssen sich

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unter anderem wegen Pflichtverletzung und Behinderung der Justiz verantworten. Die Mari-neinfanteristen sollen nach Zeugenaussagen am 19. November 2005 in dem 200 Kilometer nordwestlich von Bagdad gelegenen Ort das Blutbad unter den Irakern angerichtet haben, bei dem auch Frauen und Kinder starben. 27. Dezember Die nahende Hinrichtung des ehemaligen irakischen Gewaltherrschers Saddam Hussein bleibt umstritten. Einen Tag nach der Bestätigung des Urteils gegen Saddam und zwei seiner Gefolgsleute bekräftigten am Mittwoch die Regierungen Deutschlands, Frankreichs und Ita-liens ihre Ablehnung der Todesstrafe. Das Weiße Haus in Washington hatte hingegen zuvor die Entscheidung des irakischen Appelationsgerichts, das Todesurteil zu bestätigen, als «Meilenstein» bezeichnet. Für die Bundesregierung erklärte Sprecher Thomas Steg, man sei unverändert gegen die Todesstrafe. Kritik am Gerichtsverfahren gegen Saddam vermied der Sprecher. Es gebe keine Hinweise, dass der Prozess gegen geltendes irakisches Recht verstoßen habe. Frank-reichs Präsident Jacques Chirac wolle das Verbot der Todesstrafe im kommenden Jahr in der Verfassung festschreiben, teilte der Elyséepalast mit. Das Pariser Außenministerium erklärte, die Entscheidung über Saddams Schicksal obliege «dem irakischen Volk und den souveränen Behörden des Iraks». Paris befürworte «die weltweite Abschaffung der Todes-strafe». US-Regierungssprecher Scott Stanzel hatte am Vorabend die Entscheidung des irakischen Berufungsgerichts ausdrücklich begrüßt: «Der heutige Tag ist ein Meilenstein im Streben des irakischen Volkes, die Herrschaft eines Tyrannen durch die Herrschaft des Rechts zu ersetzen... Saddam hat einen gebührenden Prozess und sein Recht bekommen, das er dem irakischen Volk so lange vorenthalten hat.» Dagegen bezeichnete der Leiter des Vertei-digerteams von Saddam den Prozess als «Siegerjustiz». «Das sind politische Gerichte (...), da sie von den Invasoren eingerichtet wurden», sagte Chalil al-Dulaimi dpa in Amman. Auch in der irakischen Bevölkerung gehen die Meinungen über die Todesurteile auseinan-der. Nach Angaben des Büros von Ministerpräsident Nuri al-Maliki haben sich bereits hun-derte von Irakern aus allen Religions- und Volksgruppen als Saddams Henker beworben. Allerdings sei ein solcher Posten gar nicht ausgeschrieben, sagte Al-Malikis Berater Bassam al-Husseini des US-Fernsehsender ABC. In Bagdad gabe es zum anderen Stimmen für einen Aufschub des Todesurteils. Nur dann könnten auch die anderen 13 Saddam zur Last gelegten Gewalttaten wie der Massenmord an den Kurden Ende der 80er Jahre oder der Überfall auf Kuwait 1990 vor Gericht kommen. «Das Todesurteil sollte noch nicht vollstreckt werden. Wir wollen die volle Wahrheit über die-sen Mann erfahren, der unser Volk so lange mit eiserner Faust unterdrückt hat», verlangte der 23-jährige Student Mustafa Al-Haschemi. Andere Iraker plädierten für eine baldige ge-heime Vollstreckung, um Gewaltaktionen von Saddam-Anhängern vorzubeugen. Ein irakisches Berufungsgericht hatte am Dienstag das Todesurteil gegen Saddam und zwei seiner Gefolgsleute wegen der Ermordung von 148 Schiiten in der Kleinstadt Dudschail 1982 bestätigt. Es muss nun binnen 30 Tagen vollstreckt, zuvor aber vom Präsidenten unterzeich-net und das Justizministerium mit der Durchführung beauftragt werden. Staatspräsident Dschalal Talabani hat dies bereits abgelehnt. Offen ist, ob und wann einer seiner beiden Stellvertreter für ihn unterschreibt. Bei einem Autobombenanschlag in Bagdad kamen am Mittwoch mindestens acht Menschen ums Leben. Mindestens zehn weitere Menschen wurden nach Polizeiangaben verletzt, als im Norden der irakischen Hauptstadt vor einem Café ein mit Sprengstoff beladenes Auto explodierte. (dpa)

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Das US-Verteidigungsministerium wird Anfang Januar 3300 Soldaten nach Kuwait entsen-den. Die zur 82. Luftlandedivision gehörende Brigade sei die Ablösung für bereits in den Irak verlegte Marineinfanteristen, erklärte das Ministerium am Mittwoch in Washington. Sie werde in Ku-wait dem Befehl des für die Großregion zuständigen Kommandos (USCENTCOM). US-CENTCOM führt das Kommando für alle Einsätze der Armee in Nordafrika sowie Südwest- und Zentralasien und kann die in Kuwait stationierten Reserveeinheiten bei Bedarf kurzfristig verlegen. Präsident George W. Bush will im Januar eine neue Strategie für den Einsatz im Irak verkünden, die eine Aufstockung der Truppen beinhalten könnte. Nach der Bestätigung des Todesurteils gegen den ehemaligen irakischen Machthaber Sad-dam Hussein richtet sich die US-Regierung bei Vollstreckung des Urteils auf die Möglichkeit zusätzlicher Gewalt im Irak ein. «Dies ist sicherlich etwas, dessen sich die internationalen Truppen und die irakische Armee bewusst ist», sagte ein Sprecher des Weißen Hauses am Mittwoch in Crawford im US-Bundesstaat Texas. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass sich dieFeinde jedweder Entschuldigung für neue Gewalt bedienten. Auf den Vollstreckungster-min habe die US-Regierung keinen Einfluss. «Das ist Sache der Iraker und wir sind dabei nur Beobachter», sagte der Sprecher. Ein Berufungsgericht in Bagdad hatte am Dienstag die Anfang November verhängten To-desurteile gegen Saddam Hussein, seinen Halbbruder Barsan el Tikriti und den ehemaligen Präsidenten des Revolutionstribunals, Awad el Bandar, bestätigt. Nach irakischem Recht müssen sie nun binnen 30 Tagen vollstreckt werden. Eine Begnadigung ist nicht möglich. 28. Dezember Bei Bombenanschlägen in Bagdad sind am Donnerstag mindestens elf Menschen getötet und zahlreiche verletzt worden. Sieben Iraker starben nach Angaben des arabischen Nach-richtensenders Al-Arabija, als in einem Stadion ein Sprengsatz detonierte. Einzelheiten wa-ren zunächst nicht bekannt. Im Zentrum der Stadt explodierten nach Angaben der Polizei auf einem belebten Flohmarkt zwei Bomben. Vier Menschen kamen ums Leben, mindestens zehn weitere erlitten Verletzungen. Nach Augenzeugen stürzte unterdessen in der Nähe von Bakuba rund 60 Kilometer nordöst-lich von Bagdad ein amerikanischer Apache- Kampfhubschrauber ab. Es sei Feuer an Bord ausgebrochen. Die Unglücksursache war zunächst unklar. Das Gebiet um Bakuba ist eine-Hochburg der Aufständischen. Die US-Armee berichtete am Donnerstag, drei Soldaten seien getötet worden, als am Vortag Sprengsätze neben zwei Patrouillen im Großraum Bagdad detonierten. (dpa) 29. Dezember Ein Selbstmordattentäter hat sich nach dem Freitagsgebet in einer Ortschaft nordöstlich von Bagdad in die Luft gesprengt und mindestens zehn schiitische Gläubige mit in den Tod ge-rissen. Mindestens elf Menschen seien bei dem Anschlag in Hussainia al-Halis, rund 60 Ki-lometer von der irakischen Hauptstadt entfernt, verletzt worden, berichtete die Polizei. Unter den Toten sei auch der Vorbeter der schiitischen Moschee des Ortes. (dpa) Nach der Bestätigung des Todesurteils gegen Saddam Hussein deutet alles auf eine schnel-le Vollstreckung hin. Es werde keine Verzögerungen geben, sagte der irakische Ministerprä-sident Nuri al-Maliki am Freitag in Bagdad. Vorerst befand sich der frühere irakische Macht-haber aber noch in amerikanischem Gewahrsam, wie sein Anwalt Chalil al Dulaimi mitteilte. Saddam Hussein wurde bislang auf dem US-Stützpunkt Camp Cropper nahe des Bagdader Flughafens festgehalten. Al-Maliki sagte, wer sich der Hinrichtung widersetze, beleidige die Ehre der Opfer des alten Regimes. Der Respekt vor den Menschenrechten gebiete es, die Todesstrafe zu vollstre-cken. Die US-Regierung stellt sich offenbar auf eine Hinrichtung schon am Wochenende ein,

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wie aus Regierungskreisen in Washington verlautete. Diese Einschätzung basiere auf Infor-mationen, die US-Vertreter in Bagdad von der irakischen Regierung erhielten. Die Übergabe des Verurteilten an die irakischen Behörden bedarf nach Angaben aus Bagdader Regie-rungskreisen der schriftlichen Genehmigung des irakischen Justizministeriums. Ressortchef Haschim Abdul Rahman al Schebli befand sich am Freitag allerdings außer Landes. Also werde sein Stellvertreter das notwendige Schreiben unterzeichnen, hieß es. Eine Genehmi-gung der irakischen Präsidentschaft sei nicht erforderlich. Darin hätten Staatschef Dschalal Talabani und seine beiden Stellvertreter übereingestimmt. Sobald alle Formalitäten erledigt seien, könne Saddam Hussein direkt zur Hinrichtungsstätte gebracht werden. Widersprüchli-che Angaben gab es über einen Besuch von Verwandten bei dem Todeskandidaten. Einer seiner Verteidiger sagte, zwei seiner Halbbrüder hätten ihn am Donnerstag besucht. Saddam Hussein habe ihnen dabei sein Testament übergeben. Während das Treffen vom irakischen Verteidigungsministerium bestätigt wurde, kam vom Sondertribunal, das das Todesurteil ver-hängt hatte, ein Dementi. Später erklärte der Hauptverteidiger Dulaimi, die US-Behörden hätten genehmigt, dass jemand die persönlichen Dinge seine Mandanten abholen könne. Wer dies tun solle und zu welchem Zeitpunkt, wurde nicht mitgeteilt. Wegen eines Massa-kers an Schiiten in den 80er Jahren wurde Saddam am 5. November zum Tod durch den Strang verurteilt. Ein Berufungsgericht betätigte das Urteil am Dienstag. Nach internationaler Kritik erklärte ein Sprecher des Weißen Hauses am Donnerstag, nach Einschätzung der US-Regierung habe der Prozess weder das Völkerrecht noch irakische Gesetze verletzt. Unter-dessen ging die Gewalt im Irak weiter. Ein Selbstmordanschlag in Chalis nördlich von Bagdad kostete am Freitag mindestens neun Zivilpersonen das Leben. Zwölf weitere Menschen wurden verletzt, wie die Polizei mitteilte. US-Soldaten töteten bei Razzien im Umkreis von Bagdad mindestens sechs mutmaßliche Aufständische und stellten nach Militärangaben zahlreiche Waffen sicher. Die irakischen Si-cherheitskräfte nahmen 13 Terrorverdächtige fest. (APD) 30. Dezember Im Irak werden arabischen Fernsehsendern zufolge die letzten Vorbereitungen für die Hin-richtung des früheren Präsidenten Saddam Hussein getroffen. Ein islamischer Geistlicher sei am Ort der geplanten Exekution eingetroffen, um Saddams letzte Worte entgegenzunehmen, berichtete der von den USA unterstützte Sender Al-Hurra am Samstag. Wo Saddam gehängt werden solle, ließ der Sender offen. Nach Angaben des Senders Al-Arabija fanden sich Zeu-gen ein, die Reuters zuvor gesagt hatte, sie sollten sich zur Vollstreckung des Todesurteils einfinden. Saddam war Anfang November wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Tode am Strang verurteilt worden, was ein Berufungsgericht vor wenigen Tagen bestätigte. (rts) Der frühere irakische Diktator Saddam Hussein ist tot. Wie der irakische Sender Al-Hurra am Samstagmorgen berichtete, wurde das Todesurteil gegen den 69-Jährigen in Bagdad um 06.00 Uhr Ortszeit (0400 MEZ) vollstreckt. (dpa) Bei der Explosion einer Autobombe in der südirakischen Stadt Kufa sind am Samstag bis zu 30 Menschen getötet und dutzende weitere verletzt worden. Nach Angaben von Sicherheits-kräften detonierte der Sprengsatz am Morgen auf einem Fischmarkt in der hauptsächlich von Schiiten bewohnten Stadt etwa 170 Kilometer südlich der Hauptstadt Bagdad. Ein Beamter, der nicht namentlich genannt werden wollte, sprach von bis zu 30 Toten und 45 Verletzten. Aus einer anderen Sicherheitsquelle war von mindestens 16 Toten und etwa 30 Verletzten. Kufa liegt etwa zehn Kilometer entfernt von der den Schiiten heiligen Stadt Nadschaf. (AFP) Bei Autobombenanschlägen in überwiegend von Schiiten bewohnten Gebieten sind im Irak am Samstag mindestens 45 Menschen getötet und 75 weitere verletzt worden. In der Pilger-stadt Kufa - rund 170 Kilometer südlich Bagdads - explodierte nach Angaben der Polizei am

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Vormittag in einem Bus ein Sprengsatz. Die Behörden zählten 30 Tote und 75 Verletzte. In Schiiten-Vierteln der irakischen Hauptstadt detonierten drei Autobomben, die mindestens 15 Menschen in den Tod rissen. Unklar war, ob die Tat im Zusammenhang mit der Exekution Saddam Husseins steht. Der Ex-Diktator war am frühen Samstagmorgen durch den Strang hingerichtet worden. Die unter dem Saddam-Regime unterdrückten Schiiten haben als stärkste Religionsgruppe inzwischen die Mehrheit in Regierung und Parlament. (dpa) 31. Dezember Kurz vor dem Jahreswechsel istdie Zahl der getöteten US-Soldaten im Irak auf 3000 gestie-gen. Auf einer Internetseite, welche die toten US-Soldaten auflistet, hieß es am Sonntag, der Tod des 22-jährigen Dustin R. Donica am 28. Dezember sei zuvor nicht bekannt gegeben worden. Ein US-Militärsprecher im Irak konnte dies zunächst nicht bestätigen. `Jeder Verlust ist tragisch, aber die Gesamtzahl der Toten ist nicht entscheidend`, sagte ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums. Die US-geführten Truppen und das irakische Militär haben es nicht geschafft, für Sicherheit in der irakischen Hauptstadt Bagdad zu sorgen. Täglich kommt es zu Anschlägen mit zahlreichen Toten. Bisher kamen mehrere zehntausend Einheimische ums Leben. US-Präsident George W. Bush will in den nächsten Wochen eine neue Strategie für den Irak vorlegen. Kritiker fordern einen Zeitplan für den Truppenabzug. (rts) 1. Januar Nach der Beisetzung Saddam Husseins haben im Irak tausende Anhänger des hingerichte-ten Ex-Machthabers dessen Grabstätte aufgesucht. Am Montag hielten Sympathisanten am zweiten Tag in Folge Gedenkfeiern und Protestmärsche in dessen Heimatregion Tikrit ab, wie ein AFP-Reporter berichtete. Der Ex-Machthaber war am Sonntag, 24 Stunden nach seiner Hinrichtung, in seinem Geburtsort Audscha bei Tikrit beigesetzt worden. In den welt-weiten Reaktionen wurde mehrfach die Sorge geäußert, die Hinrichtung werde eine Befrie-dung des von Gewalt zerrissenen Landes noch erschweren. Während des mehrtägigen is-lamischen Opferfestes blieb es im Irak relativ ruhig. Anhänger Saddam Husseins stellten in Tikrit Trauerzelte auf und verlasen Koranverse. Si-cherheitskräfte richteten Straßensperren ein, um den Strom der Anhänger zur Grabstätte im vier Kilometer südlich der Stadt gelegenenen Audscha einzudämmen. Im 20 Kilometer süd-lich von Tikrit gelegenen El Dur versammelten sich hunderte Anhänger von Saddam Hus-seins offiziell aufgelöster Baath-Partei zu einer Demonstration. Einige schwenken Porträts des Toten und priesen ihn als «Märtyrer». Die Schiiten feierten die Hinrichtung dagegen. In Sadr City, einem schiitischen Stadtteil von Bagdad, jubelten die Einwohner. Jugendliche ris-sen sich um Aufnahmen von der Exekution. Bereits am Sonntag hatten sich hunderte Iraker auf den Weg zur Grabstätte gemacht. Sad-dam Hussein wurde am Sonntag um 04.00 Uhr Ortszeit in einem Gebäude seiner Familie in Audscha in einem schmucklosen Grab beigesetzt. In dem Dorf sind auch die beiden Söhne Saddam Husseins, Udai und Kusai, beerdigt, die im Juli 2003 von der US-Armee in Mossul getötet worden waren. Zunächst hatte es geheißen, Saddam Hussein solle anonym beige-setzt werden, damit sein Grab nicht zur Pilgerstätte werde. Nach Angaben des Vize-Gouverneurs der Provinz Salaheddin, deren Hauptstadt Tikrit ist, gab US-Präsident George W. Bush persönlich die Erlaubnis für den Transport der Leiche mit einem US-Hubschrauber. Bush hatte die Hinrichtung des Ex-Machthabers, dessen Sturz er mit dem Einmarsch der US-Streitkräfte im März 2003 herbeigeführt hatte, als «Meilenstein» für den Weg des Irak zur Demokratie bezeichnet. In Europa war die Vollstreckung des Todesurteils mit Zurückhaltung aufgenommen worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekräftigte die grundsätzliche Ablehnung der Todesstrafe durch Deutschland und die EU, doch werde das Urteil respek-

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tiert. Sie wünsche dem irakischen Volk, dass es einen «Weg ohne Gewalt und in Frieden» gehen könne. Die finnische EU-Ratspräsidentschaft äußerte die Befürchtung, die Vollstreckung des Urteils könne zur weiteren Spaltung des Irak beitragen. Auch die Regierungen in Rom und Moskau äußerten die Sorge, die Spannungen zwischen den verschiedenen religiösen Gruppierungen im Irak könnten sich nun noch verschärfen. Das irakische Fernsehen hatte am Samstag Aufnahmen gezeigt, wie Saddam Hussein von seinen Henkern der Strick um den Hals gelegt wurde. Später strahlte ein irakischer Sender auch Bilder von dem Leichnam aus. Eine vollständige Videoaufnahme von der Hinrichtung des 69-Jährigen wurde im Internet veröffentlicht. Darin war unter anderem zu hören, wie Zeugen der Exekution wenige Augenblicke vor dem Tod des irakischen Ex-Präsidenten den Namen seines größten schiitischen Widersachers riefen, des Radikalen Moktada Sadr. Insgesamt ist die vermutlich mit einem Handy gemachte Aufnahme zwei Minuten und 38 Sekunden lang. Saddam Hussein wirkte sehr ruhig. Die Anwesenden, die sich in dem engen Raum drängten, begannen gemeinsam mit dem zum Tode Verurteilten, das letzte Gebet zu sprechen. Dann ertönten die Rufe «Moktada, Moktada, Moktada!» Saddam Hussein schaute erschaunt und schien zu sagen, «Fahr zur Hölle». Er sprach das muslimische Glaubensbe-kenntnis. Die Falltür öffnete sich, noch während er betete. Die letzten Bilder zeigen den am Galgen hängenden Leichnam. Der Tote, der eine Kapuze über dem Kopf verweigert hatte, hatte die Augen geöffnet. (afd) 2. Januar Nach der Hinrichtung Saddam Husseins haben inoffizielle Filmaufnahmen von den letzten Minuten des ehemaligen Diktators die Spannungen im Irak geschürt. Die Regierung leitete Ermittlungen ein, wer das Video mit einem Mobiltelefon hergestellt hat. In der nordirakischen Stadt Mossul zogen am Dienstag hunderte Sunniten durch die Straßen, um ihrem Ärger über die Vorgänge während der Hinrichtung Saddams Luft zu machen. Die Vollstreckung des Todesurteils am Samstag zum Auftakt eines der größten islamischen Feste wurde von den Schiiten gefeiert, löste aber Wut und Rachegefühle unter den Sunniten aus. Der schiitische Regierungschef Nuri el-Maliki hatte US-Regierungsvertretern zufolge gegen deutlichen Widerstand der USA auf eine schnelle Hinrichtung des ehemaligen Macht-habers gedrängt. `Die Amerikaner wollten die Hinrichtung um 15 Tage aufschieben. Aber der Ministerpräsident war sehr hartnäckig`, sagte ein Regierungsvertreter. Der Gewalt zwischen Sunniten und Schiiten im Irak fielen im Dezember den offiziellen Statis-tiken zufolge 1930 Zivilisten zum Opfer. Insgesamt sind nach Angaben des Innenministeri-ums im vergangenen Jahr 12.320 Zivilisten getötet worden, zudem 1231 Polizisten und 602 irakische Soldaten. UN-Statistiken zufolge kommen derzeit täglich 120 Zivilisten ums Leben. Allein für Oktober hatten die Vereinten Nationen (UN) auf der Basis von Daten des Gesund-heitsministeriums und des Bagdader Leichenschauhauses rund 3700 tote Zivilisten errech-net (rtr)

9. Januar

Nach fast vier Jahren ununterbrochener Gewalt im Irak stellt US-Präsident George W. Bush in der Nacht zum Donnerstag seine neue Strategie vor. Mittwoch um 21.00 Uhr (Ortszeit, Donnerstag 03.00 Uhr MEZ) werde sich Bush in einer Rede an die Nation wenden, sagte Präsidialamtssprecher Tony Snow am Montag. `Der Präsident wird die Nation über seinen

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Plan für den weiteren Weg im Irak und im weltweiten Krieg gegen den Terrorismus informie-ren.` Bush arbeite noch an den letzten Feinheiten des Plans. Details gab Snow nicht be-kannt. Erwartet wurde jedoch, dass der Plan eine kurzfristige Verstärkung der US-Truppen im Irak um bis zu 20.000 Soldaten vorsieht. Zudem soll es ein Beschäftigungsprogramm für die Bevölkerung im Irak geben. Die Kosten sind unklar, dürften jedoch mehrere hundert Milli-onen Dollar betragen. Bush braucht jedoch für die Finanzierung die Zustimmung des Kon-gresses, der in diesen Tagen mit einer demokratischen Mehrheit neu zusammentritt. Füh-rende Abgeordnete zeigten sich auch zunächst skeptisch über die zu erwartenden Elemente des Planes. Es müsse ein übergeordnetes Ziel für den Einsatz der Truppen im Irak geben, sagte der Demokrat Ike Skelton, der neue Vorsitzende des Streitkräfteausschusses im Rep-räsentantenhaus. Senator Edward Kennedy aus Massachusetts warnte: `Jede Bitte um wei-tere Truppen muss sehr, sehr gut begründet und von einem ausführlichen Plan begleitet sein.` Republikaner wie Senator Lindsey Graham erklärten dagegen, die Entsendung weite-rer Soldaten sei überfällig. Die USA haben mehr als 130.000 Truppen im Irak stationiert. Et-wa 3000 Soldaten sind seit dem Beginn des Krieges dort getötet worden. Bush sieht sich mit einer schwindenden Unterstützung für den Krieg in der Bevölkerung konfrontiert. (REU-TERS)

Frankreich hat sich für einen Rückzug ausländischer Truppen aus dem Irak in den kommen-den zwei Jahren ausgesprochen. Es sei klar, dass ein Rückzug vor oder um die US-Wahlen Ende 2008 stattfinden könne, sagteder französische Außenminister Philippe Douste-Blazy am Dienstag im Fernsehsender Canal+. Es müsse «einen Abzugshorizont dieser ausländi-schen Streitkräfte geben, damit die Iraker ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen». Er wolle sich nicht auf ein genaues Datum festlegen, sagte Douste-Blazy. Die US Präsidentschaftswahlen im November 2008 seien aber ein auf der Hand liegender Termin. US-Präsident George W. Bush sollte am Mittwoch seine neue Irak-Strategie vorstel-len. Diese soll laut Medienberichten zunächst eine Aufstockung der Truppen beinhalten, um die Lage in den Griff zu bekommen. Frankreich hatte sich 2003 nicht am Einmarsch in den Irak beteiligt. (AFP) Ein Mitarbeiter des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen, Unicef, ist in Bagdad erschos-sen worden. Der 52-jährige Janan Jabero sei ersten Berichten lokaler Behörden zufolge in der Nacht getötet worden, als er mit seinem Auto unterwegs gewesen sei, teilte die UN-Organisation am Dienstag mit. Es sei unklar, aus welchem Grund Jabero erschossen worden sei und von wem, sagte eine Sprecherin in Genf. Jabero hat den Angaben zufolge seit 1999 für Unicef gearbeitet. In Bagdad fallen täglich Dutzende Menschen der Gewalt zwischen Schiiten und Sunniten zum Opfer. Im vergangenen Jahr wurden mehr als 20.000 Menschen im Irak getötet. (REUTERS) Nach Saddams Hinrichtung: «Video-Filmer» der Justiz übergeben

Die irakische Regierung hat nach eigenen Angaben ermittelt, wer die Hinrichtung von Ex-Machthaber Saddam Hussein mit einer Handy-Kamera gefilmt hatte. Regierungssprecher Ali al-Dabbagh sagte am Dienstag, der Verdächtige sei bereits den Justizbehörden übergeben worden. Nach der Hinrichtung vom 30. Dezember war zunächst ein Wachmann festgenommen worden. Unter Verdacht geriet auch der nationale Sicher-heitsberater Muwaffak al-Rubai. Die Veröffentlichung des Hinrichtungs-Videos und die Be-schimpfung des früheren Diktators durch dessen Henker hatten international für Empörung gesorgt.

Der Regierungssprecher sagte: «Die irakische Regierung hat den irakischen Richtern die Person übergeben, die die Vollstreckung des Todesurteils gegen Saddam Hussein mit dem Mobiltelefon gefilmt hatte.» Außerdem lehne die Regierung das Verhalten der zwei Iraker ab, die während der Hinrichtung laut den Namen des radikalen Schiiten-Predigers Muktada al-Sadr gerufen hatten. Das von mehreren Fernsehsendern und auf Internet-Seiten veröf-fentlichte Video zeigt, wie Saddam in den letzten Minuten seines Lebens von den Bewachern

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beschimpft wird und wie sie ihrer Freude Ausdruck verleihen, als er tot am Galgen hängt. Saddam hatte ihnen kurz vor Vollstreckung des Urteils noch «Fahrt zur Hölle!» zugerufen.

Der stellvertretende irakische Generalstaatsanwalt Munkid al-Farun hatte vier Tage nach der Hinrichtung erklärt, die Video-Aufnahme sei nicht heimlich entstanden und auch nicht illegal. Ungesetzlich sei lediglich die kommerzielle Verbreitung der Aufnahme, die vor allem in den Schiiten-Vierteln von Bagdad zum Verkaufsschlager wurde. (dpa)

USA wollten Hinrichtung Saddam Husseins verschieben

Die USA wollten die Hinrichtung von Saddam Hussein um bis zu zwei Wochen verschieben, wie der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki am Dienstag mitteilte. Eine entsprechende Bitte habe US-Botschafter Zalmay Khalilzad vorgebracht, sagte Al-Maliki in einem Interview des Fernsehsenders Al Arabija. Saddam Hussein sollte nach dem Willen Washingtons dem-nach nicht am 30. Dezember, sondern zehn bis 14 Tage später gehängt werden. Die Regie-rung in Bagdad habe dies aber abgelehnt, weil man Demonstrationen von Angehörigen des gestürzten Staatschefs vermeiden wollte. Saddam Hussein war wegen eines Massakers an Schiiten in den 80er Jahren zum Tod verurteilt worden. (AP)

10. Januar

Tausende Iraker verteidigen Saddam-Hinrichtung: «Er hat es verdient»

In der irakischen Stadt Hilla sind am Mittwoch Tausende von Demonstranten auf die Straße gegangen, um die international kritisierte Hinrichtung von Ex-Machthaber Saddam Hussein gut zu heißen. «Er hat bekommen, was er verdient hat», skandierten die Teilnehmer des Protestzuges, der von der Verwaltung der südlich von Bagdad gelegenen Provinz Babylon organisiert worden war. Der Tod des früheren Diktators sei «der Beginn einer neuen Phase der Stabilität» stand auf ihren Transparenten. in Hilla leben vorwiegend Schiiten.

Es sei unverständlich, weshalb arabische Staaten die Exekution Saddams zu Beginn des islamischen Opferfestes gerügt hätten, meinten die Demonstranten. Saddam war am 30. Dezember gehängt worden. Anschließend tauchten neben einem offiziellen Video auch mit der Kamera eines Mobiltelefons aufgenommene Bilder auf. Während das offizielle Video die Hinrichtung selbst nicht zeigte, war auf der Handy-Aufzeichnung auch zu hören, wie Saddam beschimpft wird.

Bei zwei Selbstmordattentaten in Tel Afar kamen am Mittwoch sieben Menschen ums Leben. Wie die Polizei mitteilte, zündete einer der beiden Attentäter in der 420 Kilometer nordwest-lich von Bagdad gelegenen Stadt eine Autobombe neben einer Polizeipatrouille. Zusammen mit ihm starb ein Kind. Der zweite Attentäter zündete seinen Sprengstoffgürtel vor einer Polizeiwache und riss vier Polizisten mit in den Tod. Augenzeugen behaupteten, die Polizeiwache werde von Milizionären der «Mahdi-Armee» genutzt, die auf das Komman-do des radikalen Schiiten-Predigers Muktada al-Sadr hört.

Der Nachrichtensender Al-Arabija berichtete, bei einem US-Angriff in der Bagdader Schiiten-Vorstadt Sadr-City seien vier Angehörige einer Familie getötet worden. Ein Iraker starb in Mahmudija durch eine Autobombe. Die US-Armee teilte mit, Aufständische hätten am Dienstag in der Dijala-Provinz einen amerikanischen Soldaten getötet.

Der nationale Sicherheitsberater Muwaffak al-Rubai erklärte, das geistliche Oberhaupt der Schiiten, Großajatollah Ali al-Sistani habe bei einem Treffen mit ihm in Nadschaf betont, im Irak dürften nur Soldaten und Polizisten Waffen tragen. Alle anderen Gruppierungen müssten entwaffnet werden.

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Unterdessen sind in Hamburg Zahlen über die Opfer des Krieges seit seinem Beginn am 20.März 2003 veröffentlicht worden. Ein Bild des Krieges in Zahlen (Stand 10.1.07): Irakische Opfer: - Angehörige der Armee und Sicherheitskräfte: mindestens 5950 - Zivilisten: zwischen 30 000 (laut US-Regierung) und 58 700 (laut Menschenrechtsgruppen), davon starben rund 9800 bei Anschlägen Ausländische Opfer: - USA: 3004 getötete US-Soldaten, mindestens 22 032 Verwundete - Großbritannien: 128 getötete Soldaten - andere Nationalitäten: 123 getötete Soldaten - Mitarbeiter ausländischer Firmen: 377 Tote

- In- uns ausländische Journalisten: 92 Tote, darunter 56 Mordopfer - Angehörige internationaler Hilfsorganisationen: 81 Tote - Zahl der entführten Ausländer: insgesamt 298, davon starben 54 (dpa)

11.Januar

Bush setzt auf militärische Lösung im Irak Nach vier Jahren Krieg im Irak hat US-Präsident George W. Bush einen weiteren Versuch angekündigt, den Aufstand mit mehr Truppen niederzuschlagen. In einer Fernsehansprache bekannte er sich erstmals zu Fehlern und übernahm die Verantwortung dafür. Jetzt sollen 21.500 zusätzliche Soldaten ein robustes Mandat erhalten, um die Gewalt vor allem in Bag-dad einzudämmen. Dort wurden bei einer Offensive amerikanischer und irakischer Truppen im sunnitischen Wohnviertel an der Haifa-Straße seit Beginn der Woche 80 Auf-ständische getötet. Die bisherigen Bemühungen um mehr Sicherheit in Bagdad seien gescheitert, weil nicht ge-nügend Truppen dafür eingesetzt worden seien, sagte Bush am Mittwochabend in Washing-ton. Außerdem seien die US-Truppen von zu vielen Einschränkungen behindert worden. Künftig sollen sie freie Hand erhalten, um in Wohnviertel einzudringen. Auch werde es keine politische oder religiöse Einflussnahme mehr geben, sagte Bush. Der US-Präsident wandte sich gegen Forderungen der Demokratischen Partei, ein Ende der amerikanischen Militär-präsenz im Irak einzuleiten. Dies würde nur zu einem Kollaps der irakischen Regierung füh-ren, «dieses Land auseinander reißen und zu massenhaftem Tod von unvorstellbarem Aus-maß führen». Die Verstärkung der Truppen könne dazu beitragen, den Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen und «die Ankunft des Tages zu beschleunigen, an dem unsere Truppen mit der Heimkehr beginnen werden». Die oppositionelle Demokratische Partei rea-gierte mit scharfer Kritik auf die Rede Bushs. «Die Eskalation unserer militärischen Verwicklung im Irak ist genau die falsche Botschaft, und wir sind dagegen», hieß es in einer gemeinsamen Erklärung von Nancy Pelosi und Harry Reid, den Führern der Partei in beiden Kammern des Parlaments. Bush habe schon zum dritten Mal in seiner Amtszeit die Verstärkung der Truppen angekündigt, sagte Pelosi. «Zwei Mal hat es nicht funktioniert.» In beiden Kammern wird die Abstimmung über eine Entschließung vorbereitet, die Bush dazu aufrufen soll, keine weiteren Soldaten in den Irak zu schicken. Kurzfristig werde die neue Strategie eher zu einer Ausweitung der Gewalt führen, warnte Bush. «Selbst wenn unsere neue Strategie exakt funktioniert wie geplant, wird es weiter tödliche Akte der Gewalt geben, und wir müssen mit weiteren irakischen und amerikanischen Opfern rechnen.» (AP) Irakische Regierung begrüßt Bush-Rede

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Die irakische Regierung hat die Pläne von US-Präsident George W. Bush zur Stabilisierung des Landes begrüßt. Die derzeitige Situation sei nicht hinnehmbar, sagte ein Berater von Ministerpräsident Nuri al-Maliki, Sadik al Rikabi, am Donnerstag. Die Regierung begrüße die Selbstverpflichtung der USA zum Erfolg. Dabei sei es wichtig, dass die Iraker selbst die Führung der militärischen Einsätze übernähmen. «Der amerikani-sche Plan kann ohne uns nicht zum Erfolg führen», sagte Rikabi. Die Rede von Bush wurde vom staatlichen irakischen Fernsehen direkt übertragen. Der US-Präsident kündigte an, 21.500 Soldaten zusätzlich in den Irak zu verlegen. Sein Programm sieht ferner 1,2 Milliar-den Dollar für Wiederaufbau und Wirtschaftshilfe vor. (dpa) US-Armee stürmt iranisches Konsulat im Nordirak - Iran protestiert Wenige Stunden nach der Irak-Rede von US-Präsident George W. Bush haben amerikani-sche Soldaten am Donnerstag das iranische Konsulat in der nordirakischen Stadt Erbil ge-stürmt. Wie ein Sprecher der kurdischen Sicherheitskräfte weiter berichtete, wurden dabei fünf iranische Mitarbeiter von den Amerikanern abgeführt. Der Iran bestellte daraufhin die Botschafter des Iraks und der Schweiz ins Außenministerium ein und verlangte eine Erklärung für das Vorgehen. Die Schweiz vertritt die diplomatischen Interessen der USA im Iran. Die Soldaten, die bei ihrer Razzia im Morgengrauen auch Hubschrauber eingesetzt hätten, beschlagnahmten nach Angaben des kurdischen Sprechers Dokumente und Compu-ter. Die iranische Führung wird von den politischen und religiösen Vertretern der irakischen Sunniten verdächtigt, die Schiiten-Milizen im Irak zu unterstützen und sich mit eigenen Kämpfern an Todesschwadronen zu beteiligen. Die US-Truppen hatten vor drei Wo-chen bereits vier iranische Militärberater und zwei Diplomaten gefangen genommen. Die Diplomaten waren nach kurzer Zeit wieder freigelassen worden. Den Militärberatern war vor-geworfen worden, sie seien an Anschlägen auf Angehörige der irakische Sicherheitskräfte beteiligt gewesen. US-Außenministerin Condoleezza Rice forderte den Iran und Syrien am Donnerstag in Washington auf, die Unterstützung von militanten Gruppen im Irak, im Libanon und den Palästinensergebieten zu beenden. Ziel der US-Außenpolitik in der Region bleibe es, Reformer im Kampf gegen Extremisten zu unterstützen. (dpa) 12.Januar Proteststurm gegen Bushs Irak-Plan in USA Der Plan von US-Präsident George W. Bush zur Entsendung von zusätzlichen Soldaten in den Irak stößt in den USA auf immer heftigeren Protest. Nach Umfrageergebnissen vom Freitag lehnt eine große Mehrheit der Bevölkerung das Konzept ab. In Washington wandten sich neben den Demokraten auch mehrere namhafte Republikaner entschieden gegen eine Aufstockung der Truppen. Für eine von den Demokraten angestrebte - allerdings nicht bin-dende - Resolution gegen den Plan zeichnete sich in beiden Häusern des Kongresses eine Mehrheit auch mit Stimmen mehrerer Bush-Parteifreunde ab. Das Weiße Haus zeigte sich «enttäuscht» über den Widerstand. Es sei zwar mit starker Kritik gerechnet worden, aber nicht in einem solchen Ausmaß, zitierte US-Medien am Freitag na-mentlich nicht genannte Regierungsbeamte. Bush selbst und andere Verfechter riefen dazu auf, dem Plan eine Chance zu geben. Unter den insgesamt 21 Mitgliedern des Auswärtigen Senatsausschusses, der die Ministerin befragte, war nach Angaben von Teilnehmern «kein einziger, der nicht zumindest Skepsis» gezeigt hätte. Nach dem am Freitag veröffentlichten Ergebnis einer Umfrage des Senders CNN sind 60 Prozent der Bevölkerung gegen Bushs Plan und nur 32 Prozent dafür. Eine

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«Washington Post»/ABC-Befragung ergab eine 61-prozentige Ablehnung und eine Zustim-mung von 36 Prozent. (dpa) Gefährliches Pflaster für Journalisten - Hoffnung auf mehr Pressefreiheit enttäuscht Der Irak wird von den USA gern als das Land in Nahost herausgestellt, in dem die demo-kratischen Verhältnisse besonders fortgeschritten sind. Doch der Umgang mit den Medien spricht eine andere Sprache. Unterdrückt wurde die Meinungsfreiheit bereits unter Saddam Hussein. So belegte das Land zwischen Euphrat und Tigris 2002 auf dem Index der Presse-freiheit den 130. Platz. Doch 2006 erreichte es mit 64 Journalistenmorden einen weiteren Tiefstand: Von insgesamt 168 gelisteten Staaten belegte es Platz 154. Der Index, der alljähr-lich von der internationalen Organisation Reporter ohne Grenzen herausgegeben wird, do-kumentiert den Umgang einzelner Nationen mit den Journalisten. Zugrunde liegen Angaben ber das politische Klima, in denen die Medienvertreter arbeiten müssen, die Zahl der Morde, Misshandlungen, Festnahmen, Drohungen und Vertreibungen. Mit dem Ende der Diktatur von Saddam Hussein zeichnete sich zunächst Licht am medialen Horizont ab. Mehr als 200 neue Zeitungen und ein Dutzend Fernsehsender nahmen den Betrieb auf. Doch die Erwar-tungen sollten sich nicht erfüllen. Spätestens als Journalisten dazu übergingen, von den Ü-bergriffen auf die Zivilgesellschaft und den wachsenden Widerstand gegen die Besatzer zu berichten, wurden sie erneut zur Zielscheibe von Übergriffen. Diese Situation habe dazu ge-führt, dass viele Berichterstatter aus Angst vor Vergeltungsschlägen bestimmte Themen mieden, so Iraks Nationale Kommission für Kommunikation und Medien(INCMC). Innerhalb weniger Tage nach der Machtübernahme der irakischen Interimsregierung stürmten und schlossen die Sicherheitskräfte das Bagdad-Büro der arabischen Nachrichten-senders al-Jazeera. War zunächst nur von einer einmonatigen Sendepause die Rede, wurde sie auf unbestimmte Zeit verlängert. Bis heute hat sich daran nichts geändert. Im November 2004 drohte die Regierung sogar damit, alle al-Jazeera-Journalisten, die aus dem Irak berichten würden, festnehmen zu lassen. Doch auch Berichterstatter anderer Medien bekamen den harschen Wind der Restriktion zu spüren. `Meine Freundin, die französische Journalistin So-phie-Anne Lamouf, die von einem Hotel in Bagdad aus über die Situation in Fallujah berich-tet hatte, wurde des Landes verwiesen`, berichtet ein irakischer Journalist. Im Irak hat die freie Presse viele Feinde: die eigene Regierung, die US-Armee, Terroristen, Widerstands-gruppen, Todesschwadronen und kriminelle Banden. Aus Angst vor Übergriffen sind auslän-dische Journalisten dazu übergegangen, sich in gut gesicherten Hotels zu verschanzen. Wenn sie sich dennoch herauswagen, dann nur, wenn sie von US-Soldaten begleitet wer-den. Der Generaldirektor der Weltkulturorganisation UNESCO, Koichiro Matsuura, hat kürz-lich auf einem internationalen Treffen in Paris die internationale Gemeinschaft aufgefordert, dem Irak dabei zu helfen, ein günstiges Umfeld` für Journalisten zu schaffen und die Mei-nungsfreiheit zu garantieren. (IPS) Proteste gegen Verhaftung von Iranern im Nordirak Die Verhaftung von fünf Iranern in der nordirakischen Stadt Erbil hat zu Verstimmungen zwi-schen den dortigen US-Truppen und den örtlichen Behörden geführt. Die von Kurden gestell-te Regionalregierung beklagte sich am Freitag darüber, dass sie über die Razzia vom Vortag nicht unterrichtet wurde. Dabei stürmten amerikanische und andere ausländische Soldaten am Flughafen von Erbil ein iranisches Verbindungsbüro, das nach Angaben der irakischen Regierung derzeit zum Konsulat ausgebaut wird. Sechs Iraner wurden von den US-Truppen in Gewahrsam genommen, einer von ihnen wurde kurze Zeit später wieder frei-gelassen. Die US-Truppen bestätigten lediglich die Festnahmen, äußerten sich aber nicht zur Nationalität der Betroffenen. Sowohl das irakische Außenministerium als auch die US-Botschaft in Bagdad betonten, dass es sich bei dem erstürmten Gebäude nicht um eine offizielle diplomatische Vertretung gehandelt habe. Die kurdische Regionalregierung verlang-te die sofortige Freilassung der Inhaftierten. Sie äußerte die Befürchtung, dass die Spannungen zwischen den USA und dem Iran irakischen Interessen schaden könnten. Die USA haben dem Iran wiederholt vorgeworfen, die Aufständischen im Irak gezielt zu unter-

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stützen.(dpa) 13.Januar Al-Maliki stellt sich hinter Bushs neue Irak-Strategie Der irakische Ministerpräsident Nuri Al-Maliki hat sich am Samstag offiziell hinter die neue Strategie von US-Präsident George W. Bush gestellt. Er betonte aber in einer Erklärung sei-nes Büros, dass die Kontrolle über die Militäraktionen in Bagdad bei der irakischen Regie-rung liege. Öffentlich hat sich Al-Maliki bislang nicht zu den US-Plänen geäußert, die Bush am Mittwochabend vorstellte. Das Vorhaben, die US-Truppen um 21.500 Soldaten aufzusto-cken, um die anhaltende Gewalt in den Griff zu bekommen, «repräsentiert eine gemeinsame Vision und ein beiderseitiges Einvernehmen der irakischen Regierung und der US-Regierung», erklärte Al-Malikis Sprecher Ali al Dabbagh. Die amerikanischen Truppen würden den Irakern unterstützend zur Seite stehen, um den Sicherheitsplan Al-Malikis für Bagdad umzusetzen. Der Gewalt im Irak fielen am Samstag erneut mehrere Menschen zum Opfer. Ein Polizist wurde in der Innenstadt von Bagdad aus dem Hinterhalt erschossen, bei der Explosion einer Autobombe wurden mehrere Menschen verletzt. Anschläge und Angriffe im Nordirak kosteten mindestens fünf Menschen das Leben. Unterdessen traf die New Yor-ker Senatorin Hillary Clinton zu Gesprächen mit irakischen und amerikanischen Regierungs- und Militärvertretern im Irak ein. Die Demokratin, die Bushs Pläne zur Verstärkung der US-Truppen ablehnt, wurde von zwei weiteren Kongressabgeordneten begleitet. Bush verteidig-te am Samstag seine neue Irak-Strategie gegen die Kritik der oppositionellen Demokraten und einiger Abgeordneten in den eigenen Reihen. «Alles abzulehnen, ohne etwas vorzu-schlagen, ist unverantwortlich», erklärte er. Bush betonte, es handele sich nicht einfach um eine Verstärkung des bisherigen Einsatzes. «Wir haben eine neue Strategie mit einer neuen Mission: dabei zu helfen, die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten, vor allem in Bag-dad», sagte der US-Präsident. «Unsere Pläne sehen eine Führung der Iraker vor.» (dpa)

15.Januar

Saddams Halbbruder und Ex-Richter in Bagdad hingerichtet

Gut zwei Wochen nach dem irakischen Ex-Diktator Saddam Hussein ist am Montag in Bag-dad auch dessen Halbbruder Barsan al-Tikriti gehängt worden. Zusammen mit dem einst gefürchteten früheren Geheimdienstchef wurde auch der ehemalige Richter am Revolutions-gericht, Awad al-Bandar, hingerichtet. Sie sollen neben Saddam in dessen Geburtsort Al-Audscha bei Tikrit beigesetzt werden. Regierungssprecher Ali al-Dabbagh erklärte, bei Bar-sans Hinrichtung sei etwas «sehr Ungewöhnliches passiert». Kurz nachdem das Genick des früheren Geheimdienstchefs gebrochen sei, sei der Körper ohne den Kopf zu Boden gefal-len. «Der Kopf löste sich bei der Vollstreckung des Urteils vom Körper», sagte Al-Dabbagh. Der Hinrichtung hätten nur wenige Menschen beigewohnt. Diese hätten unterschreiben müs-sen, dass sie nichts Ungesetzliches tun, erklärte der Sprecher, in Anspielung auf die Veröf-fentlichung des mit einem Handy aufgenommen Videos, das die Hinrichtung von Saddam zeigt. Diese Aufnahmen hatten international Kritik ausgelöst. Der neue UN- Generalsekretär Ban Ki Moon hatte an die irakische Regierung appelliert, die weiteren Todesurteile nicht zu vollstrecken. Auch die deutsche EU-Ratspräsidentschaft hatte sich gegen die Hinrichtung weiterer irakischer Ex-Funktionäre ausgesprochen. Al-Bandar und Barsan al-Tikriti waren Anfang November zusammen mit Saddam wegen ihrer Beteiligung an der Hinrichtung von 148 Schiiten im Jahr 1982 zum Tode verurteilt worden. Der Gouverneur der Provinz Sala-heddin, Abdullah al-Dschabara, sagte, Al-Bandar habe sich gewünscht, neben Saddam be-erdigt zu werden. Saddam war am 30. Dezember exekutiert worden. Nachdem auf dem ille-

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gal verbreiteten Video von Saddams Hinrichtung zu hören gewesen war, wie der Ex-Machthaber von seinen Henkern beschimpft worden war, betonte der Regierungssprecher, diesmal habe es keine Verunglimpfungen gegeben. Die arabische Zeitung «Al-Sharq Al-Awsat» schrieb in ihrer Ausgabe vom Montag, Saddam habe kurz vor seiner Hinrichtung gegenüber einem seiner Anwälte «Fehler» eingeräumt. «Ich gestehe, dass ich viele Fehler gemacht habe, aber so wie ich den Staat und die Partei geführt habe, so war es richtig», zitierte ihn der Anwalt und frühere Justizminister aus Katar, Naguib al-Nueimi. Der Anwalt berichtete außerdem, ein US-General habe Saddam während des Dudschail-Prozesses ge-fragt, ob er wie der französische Kaiser Napoleon Bonaparte im Exil sterben wolle oder wie der italienische Diktator Benito Mussolini, der hingerichtet worden war. Saddam habe dar-aufhin gesagt: «Ich bin weder Napoleon noch Mussolini. Ich bin nur Saddam Hussein.» (dpa)

Erste zusätzliche US-Soldaten im Irak eingetroffen

Im Rahmen der von US-Präsident George W. Bush angekündigten Truppenaufstockung sind die ersten Soldaten im Irak eingetroffen. Das teilte der Befehlshaber der amerikanischen Truppen im Irak, General George Casey, am Montag mit. Eine genaue Zahl nannte er nicht. Berichte, in Bagdad seien bereits 4.000 Mann eingetroffen, seien zu hoch gegriffen, erklärte Casey lediglich. Bush hat in der vergangenen Woche die Entsendung weiterer 21.500 Solda- ten in den Irak angekündigt, 17.500 davon sollen in der irakischen Hauptstadt stationiert werden. (dpa)

16.Januar

Rice nimmt Iraks Regierung in die Pflicht - 19 Tote bei Anschlägen

US-Außenministerin Condoleezza Rice und ihr saudiarabischer Kollege Saud al-Faisal ha-ben die irakische Regierung aufgefordert, sich ernsthaft für eine nationale Versöhnung einzusetzen. «Die Iraker müssen entscheiden, was für einen Staat sie wollen», sagte Rice am Dienstag in der saudischen Hauptstadt Riad. Sie könne sich nicht vorstellen, dass die Regierung von Ministerpräsident Nuri al-Maliki einen Staat wolle, der von Konflikten zwi-schen den Religionsgruppen geprägt sei. Al-Faisal erklärte, die Iraker selbst müssten versu-chen, die Gewalt auf politischem Wege einzudämmen. Andere Staaten könnten dabei nur Hilfe leisten. Der saudiarabische Außenminister sagte, sein Land heiße die «Ziele» gut, die US-Präsident George W. Bush in seinem neuen Irak-Strategiepapier festgelegt habe. Ob er auch die von Bush vorgeschlagenen Methoden zur Erreichung dieser Ziele gutheißt, ließ Al-Faisal offen. Ein Sprecher des Justizministeriums in Bagdad teilte mit, die US Armee und die irakischen Sicherheitskräfte hielten in ihren Gefängnissen derzeit mehr als 24 000 Iraker ohne Anklage fest. Der Sprecher erklärte: «14 447 von ihnen befinden sich im Gewahrsam der multinationalen Truppen, 8303 in den Haftanstalten des Innenministeriums und 1346 in den Haftanstalten des Verteidigungsministeriums.» In den Gefängnissen der beiden Ministe-rien seien die Haftbedingungen schrecklich, fügte der Beamte hinzu. Die Zellen seien hoff-nungslos überfüllt.

Bei Sprengstoffanschlägen kamen am Dienstag in Bagdad mindestens 19 Iraker ums Leben. Nach Polizeiangaben detonierten kurz hintereinander zwei Bomben neben einer sunniti-schen Moschee im Zentrum der irakischen Hauptstadt. 15 Menschen starben bei dabei, 70

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weitere wurden verletzt. Bei einem dritten Anschlag kamen vier weitere Menschen ums Le-ben.

Ein Komitee der irakischen Regierung entschied am Dienstag in Bagdad, jede kurdische Familie, die in die nordirakische Stadt Kirkuk zurückkehrt, solle dort ein Stück Bauland sowie zehn Millionen Dinar (5780 Euro) erhalten. Die Araber aus dem Südirak, die nach der Ver-treibung der Kurden im Zuge der «Arabisierungspolitik» des Regimes von Saddam Hussein in Kirkuk angesiedelt worden waren, sollen nach Angaben des Vorsitzenden des Komitees in Kirkuk, Kaka Rosch Sedik, in ihre Heimat zurückkehren. Dies habe das Komitee bei seiner Sitzung in Bagdad entschieden. Unklar sei noch die Höhe der Entschädigungs-zahlungen an die Araber. (dpa)

17.Januar

Saddam-Vize soll bald gehängt werden - Dutzende Tote bei Anschlägen

Der ursprünglich zu lebenslanger Haft verurteilte frühere irakische Vizepräsident Taha Jassin Ramadan soll in spätestens fünf Wochen gehängt werden. Oberstaatsanwalt Dschafer al-Mussawi sagte der arabischen Zeitung «Al-Hayat» (Mittwochausgabe): «Im Dudschail-Prozess wird es nur noch eine Sitzung geben und zwar am 25. Januar, um das Todesurteil gegen Taha Jassin Ramadan zu verkünden.» Danach müsse die Todesstrafe innerhalb von 30 Tagen vollstreckt werden. Das Sondertribunal für die Verbrechen des alten Regimes hatte in einem Berufungsverfahren entschieden, die Haftstrafe für Ramadan sei «zu mild» gewe-sen. In dem Prozess wegen der Hinrichtung von 148 Schiiten in der Kleinstadt Dudschail waren am 5. November Ex-Präsident Saddam Hussein, dessen Halbbruder Barsan al-Tikriti und der frühere Richter Awad al-Bandar zum Tod durch den Strang verurteilt worden. Alle drei wurden inzwischen hingerichtet. Ramadan erhielt eine lebenslange Haftstrafe. Drei weitere Angeklagte wurden zu je 15 Jahren Haft verurteilt. Einen Funktionär der Baath-Partei aus Dudschail sprach das Gericht frei. US-Präsident George W. Bush sagte in einem am Dienstag vorab veröffentlichten Interview des Fernsehsenders PBS, die Voll-streckung der Todesurteile habe auf Grund der Umstände gewirkt als seien es «Rachemor-de». Arabische Mitglieder von Saddams Verteidigungsteam erklärten am Mittwoch in Jordanien, Saddams Halbbruder und der Ex-Richter Al- Bandar seien am ver-gangenen Montag nicht hingerichtet, sondern «gefoltert und getötet» worden. Sie forderten eine internationale Untersuchung. Die irakische Regierung hatte erklärt, bei der Hinrichtung am Galgen habe sich Barsans Kopf vom Körper gelöst. Bei drei Sprengstoffanschlägen kamen am Mittwoch im Irak mindestens 18 Menschen ums Laben. Extremisten zündeten vor einer Polizeiwache in der nordirakischen Stadt Kirkuk eine Autobombe. Zwei weitere Bomben explodierten auf einem Markt in der Bagdader Schiiten- Vorstadt Sadr-City und neben einem Büro der Bewegung des radikalen Schiiten-Predigers Muktada al-Sadr. Die Zahl der Todesopfer der Anschlagserie in Bagdad vom Dienstag stieg unterdessen auf mehr als 100. Krankenhausärzte und die Polizei teilten am Mittwoch mit, 236 Menschen seien bei den Terrorattacken verletzt worden. Allein bei dem Angriff auf die Mustansirija- Universität seien 70 Menschen getötet worden, darunter 60 Studenten. Die Uni blieb am Mittwoch geschlossen. Andere Hochschulen waren nach Angaben von Au-genzeugen geöffnet, allerdings blieben viele Studenten aus Furcht vor weiteren Anschlägen den Vorlesungen fern. (dpa)

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18.Januar

100 Tote bei US-Offensive im Irak - Al-Maliki macht USA Vorwürfe

Die US-Armee hat bei einer Offensive gegen mutmaßliche Extremisten in einem irakischen Dorf nach eigenen Angaben rund 100 Menschen getötet und 50 Verdächtige gefangen ge-nommen. Das Armeekommando in der nördlich von Bagdad gelegenen Provinz Dijala teilte am Donnerstag mit, die amerikanisch-irakische Operation in dem Dorf Turki, die am 4. Januar begann, habe sich gegen frühere Funktionäre des Regimes der Baath-Partei von Saddam Hussein, El-Kaida-Terroristen und andere «sunnitische Extremisten» gerichtet. Die Extremisten hätten im November 39 Zivilisten entführt und ermordet. In dem Dorf hätten die Soldaten große Waffendepots entdeckt, in denen über 1150 Katjuscha-Raketen gelagert worden seien. Ministerpräsident Nuri al-Maliki warf den USA derweil mangelnde Unterstüt-zung bei der Ausstattung der irakischen Streitkräfte vor. Im Kampf gegen Aufständische sei-en unnötig viele Menschen gestorben, weil die USA nicht ausreichend Waffen geliefert hät-ten, sagte er der der britischen Zeitung «The Times». Regierungsspre-cher Ali al-Dabbagh sagte am Donnerstag, die Regierung bemühe sich um die Freilassung von fünf Iranern, die von den US-Truppen vergangene Woche im Nordirak gefangen genommen worden waren. Die Iraner, die in einer Art staatlichen Handels-vertretung arbeiteten, waren von den Amerikanern verdächtigt worden, Extremisten bei An-griffen auf US-Soldaten und irakische Einheiten unterstützt zu haben. Al-Dabbagh richtete jedoch gleichzeitig eine indirekte Warnung an Teheran, indem er erklärte: «Wir fordern alle auf, die Präsenz der amerikanischen und britischen Truppen zu respektieren, denn diese geht auf eine irakische Entscheidung zurück.» Es gehe nicht an, dass andere Staaten auf irakischem Boden «ihre Rechnungen begleichen». In Bagdad explodierten am Donnerstag innerhalb weniger Stunden fünf Autobomben. Nach Polizeiangaben wurden insgesamt 18 Iraker getötet, 47 wurden verletzt. Drei Autobomben detonierten auf einem Gemüsemarkt in dem südlichen Vorort Al-Dura und töteten insgesamt zehn Zivilisten. Bei zwei weiteren Autobombenanschlägen in der Innenstadt starben fünf Menschen. Die Arabische Liga verurteilte den Anschlag auf die Mustansirija-Universität vom vergange-nen Dienstag, bei dem 70 Menschen ums Leben gekommen waren. In einer am Sitz der Liga in Kairo veröffentlichten Erklärung hieß es, der feige Anschlag sei von Kräften verübt wor-den, die das Land vernichten wollten, «indem sie die Elite des Volkes angreifen». (dpa)

Kaum Hilfe für Flüchtlinge und Vertriebene - Kritik an US-Regierung

Angesichts der eskalierenden Flüchtlings- und Vertriebenenkrise im Irak wächst die Kritik an der minimalen Hilfe aus den USA. Nicht nur Menschenrechtler verlangen ein größeres En-gagement, sondern auch der Rechtsausschuss des US-Senats unter dem Vorsitz des demo-kratischen Senators Patrick Leahy. "Wir dürfen die tragischen und unmoralischen Fehler der Vietnamära nicht wiederholen", sagte Leahy. Er reagierte damit auf einen Bericht

von Ellen Sauerbrey, Ministerialdirektorin im US-Außenamt. Sie hatte dem von Leahy gelei-teten Gremium zuvor mitgeteilt, dass die USA dem Irak für 2007 nicht mehr als 20 Millionen US-Dollar an bilateraler Hilfe für humanitäre Belange zur Verfügung stellen werden. Ganze 30 Millionen Dollar pro Tag hingegen lässt sich die US-Administration ihre militärischen Ope-rationen im Irak kosten. Scharfe Kritik erntete Sauerbrey mit dem Hinweis darauf, dass die USA seit 2003 nicht mehr als 466 Irakern den Flüchtlingsstatus gewährt haben. Eine groß-

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zügigere Haltung stünde den USA gut zu Gesicht, betonte der Ausschuss. Washington müs-se sich um die Flüchtlingskrise kümmern und gerade den Irakern Asyl gewähren, die zuvor mit den USA zusammengearbeitet hätten und jetzt verfolgt würden. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) fliehen jeden Monat rund 100.000 Iraker vor der zusehends wachsenden Unsicherheit in ihrer Heimat. Für das Jahr 2007 hat die UN-Organisation um Hilfe in Höhe von 60 Millionen Dollar gebeten, um das Schlimmste zu verhindern. Zurzeit tragen die irakischen Nachbarländer Jordanien und Syrien die Hauptlast des Flüchtlingsstroms. Nach UNHCR-Angaben sind bis zu zwei Millionen Iraker in die Nachbarländer geflohen. Schätzungen zufolge leben in Syrien gegen-wärtig zwischen 500.000 und einer Million Iraker, in Jordanien bis zu 700.000, in Ägypten zwischen 20.000 und 80.000 und im Libanon bis zu 40.000. Unbekannt ist die Zahl der irakischen Flüchtlinge in der Türkei. (IPS)

21.Januar

19 US-Soldaten am Samstag im Irak getötet

Im Irak sind am Samstag mindestens 19 US- Soldaten ums Leben gekommen. Nach US Medienberichten war dies damit einer der verlustreichsten Tage für die US-Streitkräfte seit Beginn des Irakkriegs im März 2003. Nach Angaben des US-Nachrichtensenders CNN star-ben im Irakkrieg bisher 3029 US-Soldaten. Allein beim Absturz eines US-Hubschraubers nahe der irakischen Hauptstadt Bagdad wurden alle 13 Insassen getötet. Das teilte das amerikanische Militär in Bagdad mit. Später verloren bei einem Angriff irakischerMilizionäre in der irakischen Pilgerstadt Kerbela etwa 110 Kilometer südlich von Bagdad fünf US-Soldaten ihr Leben. Dies sagte ein Sprecher der Koalitionstruppen in Bagdad. Der Angriff habe einem Koordinierungszentrum der amerikanischen und irakischen Streitkräfte gegolten. Ein im Nordirak stationierter US-Soldat erlag am Samstag seinen Verletzungen. Zudem gaben die US-Streitkräfte am Samstag bekannt, dass am Freitag zwei US-Soldaten getötet wurden. Fünf weitere US-Soldaten wurden am Samstag bei einer Attacke von Extremisten in der ansonsten relativ friedlichen schiitischen Pilgerstadt Kerbela getötet. Nach Angaben des Militärs in Tikrit vom Sonntag starb ein amerikanischer Soldat am Samstag durch einen Sprengstoffangriff im Nordirak. Ein US-Soldat kam bei einer Attacke auf seine Patrouille in Nord-Bagdad ums Leben. Unterdessen trafen 3200 zusätzliche amerikanische Soldaten in Bagdad ein. Generalleutnant Ray Odierno erklärte am Sonntag, die 2. Brigade der 82. Infanterie-Division werde in der irakischen Hauptstadt und in den Vororten stationiert. Sie werde aber erst am 1. Februar komplett einsatzfähig sein. US-Präsident George W. Bush hatte die Entsendung von 21 500 zusätzlichen Soldaten in den Irak angekündigt. US-Außenministerin Condoleezza Rice erklärte in einem Interview des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel», sie habe von der Bundesregierung Unterstützung für Bushs neue Irak-Strategie erhalten. Rice versicherte nach ihrem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier, die USA wollten den Konflikt im Irak nicht durch Militäraktionen gegen den Iran verschärfen: «Wir wollen keine Eskalation. Unser Plan ist es, auf die iranischen Aktivitäten zu reagieren, die uns schaden.» Gespräche mit dem Iran und Syrien über die Lage im Irak lehnte sie aber ab. (dpa) Schiitenführer Sadr will sich wieder an Iraks Regierung beteiligen

Die Bewegung des radikalen Schiitenführers Moktada Sadr will sich offenbar wieder am politischen Prozess im Irak beteiligen. Die Schiitenbewegung wolle ihren seit Ende Novem-

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ber andauernden Boykott der Regierungsbeteiligung aufgeben, erklärte der Abgeordnete Saleh Hassan Issa el Ogaili, ein Mitglied der Bewegung Sadrs. Mit dem Parlament sei eine Übereinkunft unterzeichnet worden, wonach ein Terminplan zum Abzug der US-Truppen erörtert werden solle. Die Bewegung habe ferner verlangt, an derEnt-scheidung über die Aufstellung irakischer Sicherheitskräfte künftig beteiligt zu werden. Zu-dem solle die Regierung nicht mehr über eine Verlängerung es Mandats der US-geführten Koalitionstruppen entscheiden, ohne dem Parlament darüber Bericht zu erstatten. Die Be-wegung bezeichnet die Koalitionstruppen als Besatzer. Die Gruppierung Sadrs, welche fünf der 37 Minister und 32 der 275 Abgeordneten im Parlament stellt, hatte Ministerpräsident Nuri el Maliki nach einem Treffen mit US-Präsident George W. Bush am 29. November die Unterstützung entzogen. Sadr führt auch die berüchtigste schiitische Miliz im Irak, die so ge-nannte Mehdi-Armee. Diese soll mittlerweile 60.000 Kämpfer unter Waffen haben und wird von der US-Regierung als gefährlichste sektiererische Kraft im Land einge-stuft. (IFS)

22.Januar

Mehr als 100 Tote bei Anschlägen im Irak

Mehr als 100 Menschen sind bei Anschlägen am Montag im Irak getötet worden. Im Zentrum Bagdads explodierten zur Mittagszeit zeitgleich zwei Autobomben auf dem stark besuchten Markt Bab al-Schardschi. Der Polizei zufolge kamen mindestens 88 Menschen dabei ums Leben. Zudem seien 170 Menschen verletzt worden, hieß es. Auch bei Bakuba nördlich von Bagdad war ein Markt das Ziel von Attentätern. 14 Menschen wurden bei der Explosion einer Bombe getötet, 40 weitere verletzt. Einem Polizeisprecher zufolge sprengte sich ein Selbst-mordattentäter mitten unter Schiiten in die Luft, die sich für eine religiöse Feier versammelt hätten. Ministerpräsident Nuri al-Maliki beschuldigte Anhänger des hingerichteten Ex-Machthabers Saddam Hussein, die Anschläge in Bagdad verübt zu haben. Eine "Koalition von Saddamisten und Terroristen"stecke hinter der Tat, erklärte Maliki. "Diese Terroristen glauben, dies werde den Willen des irakischen Volkes brechen und Streit säen." Am Morgen hatten irakische Truppen mit US-Unterstützung das vorwiegend von Sunniten bewohnte Viertel Adhamija im Norden der Hauptstadt abgeriegelt. Einwohner berichteten, dort habe es in den vergangenen Nächten wiederholt Schießereien gegeben. Der Absturz eines US-Kampfhubschraubers am Samstag ist nach Informationen des Fernsehsenders CNN durch feindliches Feuer verursacht worden. Der Sender zitierte US-Regierungsvertreter mit der Aussage, der `Black Hawk` sei von einer tragbaren Rakete getroffen worden. Beim Absturz waren alle zwölf Insassen des Helikopters getötet worden. Insgesamt waren am Samstag 25 US-Soldaten zu Tode gekommen. (REUTERS)

23.Januar

Bush sieht keine Ende des Irak-Kriegs

US-Präsident George W. Bush sieht in den letzten beiden Jahren seiner Amtszeit kein Ende des amerikanischen Engagements im Irak ab. Dies sei notwendig, weil bei einem Scheitern im Irak kommende Generationen von Amerikanern dafür bezahlen müssten - so lautet dem Weißen Haus zufolge eine der Kernbotschaften seiner Rede zur Lage der Nation, die Bush am späten Dienstagabend (Ortszeit) vor dem Kongress in Washington halten wollte. Trotz eines Rekordtiefs seiner Popularität in den USA und trotz wachsenden Widerstands selbst

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in seiner eigenen Partei strebt Bush weiterhin einen «Sieg» und eine erfolgreiche Demokrati-sierung im Irak an. Auch bei den Republikanern wächst allerdings das Unbehagen an dem Kurs des Präsidenten. Das Vertrauen der US-Bürger zu Bush befindet sich derzeit auf einem Allzeit-Tief. Jüngsten Umfragen zufolge lehnen zwei Drittel der Amerikaner die Irakpolitik ab. Die Zustimmung zur Politik Bushs ist auf rund 33 Prozent gesunken. Erstmals wird Bush bei seiner jährlichen Rede vor den beiden Häusern des Kongresses vor einem demokratisch dominierten Plenum sprechen. Die Republikaner hatten im November bei den Kongresswah-len eine herbe Schlappe einstecken müssen und die Mehrheiten im Repräsen-tantenhaus und Senat verloren. (dpa)

24.Januar

Bush fordert Unterstützung seiner neuen Irak-Strategie

US-Präsident George W. Bush hat den US-Kongress zur Unterstützung seiner neuen Strate-gie im Irak und zur Einheit im Krieg gegen den Terrorismus aufgefordert. In seiner Rede zur Lage der Nation sagte der Präsident am Dienstagabend (Ortszeit) im Kongress, ein Sieg im Irak sei nach wie vor möglich. Bush zeigte sich überzeugt, dass islamische Terro-risten die USA nach wie vor angereifen wollten. Mit Blick auf die Umwelt sprach er indes von einer «ernsthaften Herausforderung» durch den Klimawandel. Bush verteidigte die Entsen-dung von mehr als 20 000 zusätzlichen Soldaten in den Irak. Sie seien notwendig, um die Lage dort zu stabilisieren. Die Iraker könnten dies noch nicht alleine bewältigen. Als wach-sende Gefahr bezeichnete er schiitische Extremisten, die ihre Weisungen und Waffen häufig aus dem Iran erhielten. Sie strebten zudem nach einer Dominanz im Nahen Osten. Der Krieg gegen den Terror sei die «entscheidende ideologische Schlacht», bei der die Sicherheit der Vereinigten Staaten auf dem Spiel stehe. (dpa)

Tote bei Kämpfen um Rebellen-Hochburg in Bagdad

Irakische und US-Soldaten haben bei stundenlangen Gefechten im Zentrum Bagdads 30 mutmaßliche Aufständische getötet. Wie das irakische Verteidigungsministerium erklärte, nahmen die Truppen bei Angriffen auf eine Rebellen-Hochburg zudem 35 Personen fest. Dem US-Militär zufolge konzentrierte sich der Einsatz am Mittwoch auf das Gebiet der Haifa-Straße und wurde von Hubschraubern und gepanzerten Fahrzeugen unterstützt. Damit solle die Kontrolle über eine zentrale Stelle in der Hauptstadt gesichert werden, sagte ein Spre-cher. Über dem Kampfgebiet stieg während des ganzen Tages dichter Qualm auf. Anwohner berichteten von Gewehrfeuer und Scharfschützen auf Dächern. Im Gebiet der Haifa-Straße waren irakische und US-Soldaten bereits Anfang des Monats gegen Aufständische vorge-gangen und hatten nach offiziellen Angaben mehr als 100 Kämpfer getötet. Unter den Ge-fangenen waren nach Darstellung der irakischen Regierung viele Araber, die Verbindung zur Extremistengruppe Al-Kaida haben sollen. Die Haifa-Straße führt auf einer Länge von zwei Kilometern durch die schwer bewachte Grüne Zone, in der unter anderem die irakische Re-gierung ihren Sitz hat. Unbekannte eröffneten unterdessen in einem anderen Teil Bagdads das Feuer auf den Konvoi des irakischen Ministers für höhere Bildung, Abd Dhiab al-Adschili. Dabei wurden ein Leibwächter getötet und ein weiterer schwer verletzt. In Großbritannien setzte sich derweil die Debatte um einen Zeitpunkt für einen Truppenabzug fort. Premiermi-nister Tony Blair nannte die Festlegung auf einen Termin unverantwortlich. `Aus unser Sicht würde ein willkürlicher Zeitplan denjenigen ein verheerendes Signal senden, die wir im Irak bekämpfen`, sagte er in London und stieß mit dieser Haltung auf heftige Kritik bei der Oppo-sition. Großbritannien hat etwa 7100 Soldaten im Süd-Irak stationiert. (Reuters)

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25.Januar

Al-Maliki: Iraker übernehmen Kommando in Bagdad - US-Truppen helfen

Die Iraker übernehmen bei der Umsetzung des neuen Sicherheitsplanes für Bagdad laut Regierungschef Nuri al-Maliki das Kommando. Die amerikanischen Truppen sollen den ein-heimischen Sicherheitskräften nur unterstützend zur Seite stehen. «Dieser Plan ist 100 Pro-zent irakisch, erstmalig steht eine derart große Operation unter irakischem Kommando», sagte der irakische Ministerpräsident am Donnerstag vor dem Parlament in Bagdad. «Die Rolle der multinationalen Truppen wird es sein, die irakischen Einheiten zu unterstützen», fügte er hinzu. Der Sicherheitsplan, der die Entwaffnung aller Aufständischen und Milizen vorsieht, soll im Februar umgesetzt werden. Vizepräsident Adel Abdul Mahdi sagte beim Weltwirtschaftsforum in Davos: «Wenn wir den Krieg um Bagdad gewinnen, dann können wir den Lauf der Dinge noch ändern.»

Die US-Botschaft in Bagdad bestätigte derweil einen Angriff irakischer Aufständischer vom vergangenen Dienstag, bei dem fünf Leibwächter der Botschaft getötet worden waren. Die Amerikaner hätten für die US-Sicherheitsfirma Blackwater gearbeitet, erklärte Botschafter Zalmay Khalilzad. Sie hätten zum Zeitpunkt des Angriffs in Ost-Bagdad zwei Mitarbeiter der Botschaft geschützt, die sich dort zu Gesprächen aufgehalten hätten. Laut Botschaft schos-sen die Aufständischen einen Helikopter ab. Zu dem Angriff haben sich gleich zwei sunniti-sche Extremisten-Gruppen bekannt. Bei einer Explosion auf dem Al-Schurdscha-Markt in Bagdad kamen am Donnerstag nach Polizeiangaben vier Iraker ums Leben, 20 weitere wur-den verletzt. Die Bombe war auf einem Motorrad angebracht worden. Die für diesen Don-nerstag vorgesehene Verkündung des Todesurteils gegen Ex-Vizepräsident Taha Jassin Ramadan wurde auf den 12. Februar verschoben, weil die Nebenkläger und ihre Anwälte nicht vor dem Sondertribunal für die Verbrechen des alten Regimes erschienen waren. Ra-madan war in dem Prozess wegen der Hinrichtung von 148 Schiiten in Dudschail erst zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Dann wandelte ein Berufungsgericht das Urteil in ein Todesurteil um. Er soll, genau wie bereits Ex-Machthaber Saddam Hussein und zwei weitere frühere Regimegrößen, gehängt werden. (dpa)

Irak bereitet Großoffensive gegen Aufständische vor

Die irakische Regierung will die anhaltende Gewalt in Bagdad mit einer neuen Großoffensive in den Griff bekommen. Für die Aufständischen werde es keinen sicheren Ort mehr geben, sagte Ministerpräsident Nuri al-Maliki am Donnerstag vor dem Parlament. Der Einsatz mit Unterstützung der 21.500 Soldaten, die die USA zusätzlich in den Irak schicken wollen, wer-de sich gleichermaßen gegen sunnitische wie schiitische Extremisten richten. Bei neuen Anschlägen in Bagdad kamen unterdessen wieder mehr als 25 Menschen ums Leben, zahl-reiche weitere wurden verletzt. Die bevorstehende Operation werde nicht die letzte Schlacht gegen die Aufständischen sein, sagte Al-Maliki weiter. «Wir haben keine andere Wahl, als Gewalt einzusetzen, und kein Ort, an dem wir angegriffen werden, wird sicher sein, selbst wenn es eine Schule ist, eine Moschee, ein Parteibüro oder ein Wohnhaus.» Zugleich versicherte er jedoch, dass die Menschenrechte von Zivilpersonen gewahrt bleiben sollten. Wann die Offensive beginnen soll, sagte der Regierungschef nicht. Im Zentrum von Bagdad dauerten die heftigen Straßenkämpfe zwischen amerikanischen und irakischen Soldaten auf der einen und sunnitischen Aufständischen auf der anderen Seite weiter an. Scharfschützen verschanzten sich auf Dächern von Hochhäusern und lieferten sich Schießereien mit an Fenstern postierten Rebellen. Die US-Streitkräfte setzten auch Kampfhubschrauber vom Typ Apache ein. Über dem Stadtteil an der Haifa-Straße am Westufer des Tigris stiegen dunkle Rauchwolken auf. Die US-Streitkräfte meldeten den Tod eines Soldaten; ob dieser mit den Kämpfen an der Haifa-Straße in Zusammenhang stand, war jedoch zunächst nicht bekannt.

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Der irakische Regierungssprecher Ali al Dabbag sagte, Ziel der Offensive sei es, die Haifa-Straße «von Terroristen und Gesetzlosen zu säubern». Nach Angaben des irakischen Ver-teidigungsministeriums wurden 30 Aufständische getötet und 27 gefangen genommen. Ein US-Militärsprecher teilte mit, bei der Militäraktion mit der Bezeichnung «Tomahawk Strike II» seien auch schwere Waffen beschlagnahmt worden. (dpa)

26.Januar

18 Jahre Haft für US-Soldat wegen Mordes an irakischen Gefangenen

Wegen Ermordung irakischer Gefangener ist ein weiterer US-Soldat zu 18 Jahren Haft verur-teilt worden. Ein Militärgericht in Fort Campbell (US-Bundesstaat Kentucky) befand den 21 Jahre alten Gefreiten Corey Clagett darüber hinaus der Beteiligung an einer Verschwör-ung und Behinderung der Justiz für schuldig, wie das Pentagon am Donnerstag (Ortszeit) in Washington mitteilte. Caglett hatte sich zuvor schuldig bekannt. Nach Verbüßung von sechs Jahren Haft kann er auf Bewährung entlassen werden. Angeklagt waren insgesamt vier Sol-daten, die bei einer Razzia am 9. Mai 2006 nahe der zentralirakischen Stadt Samarra drei gefangene Iraker erschossen hatten. Zunächst hatten sie behauptet, die Iraker auf der Flucht getötet zu haben. Drei der angeklagten US-Soldaten, die alle der angesehenen 101. Luft-landedivision angehörten, hatten sich später für schuldig erklärt. Der 24-jährige William Hunsaker wurde Anfang Januar ebenfalls zu 18 Jahren Haft verurteilt. Justin Graber (21) erhielt wegen seiner Beteiligung an der Aktion eine neunmonatige Gefängnisstrafe.(dpa)

27.Januar

Vier US-Soldaten im Irak entführt und «hingerichtet»

Eine Gruppe von bewaffneten Männern, die sich als Amerikaner tarnten, haben im Irak vier US-Soldaten entführt und später mit Kopfschüssen getötet. Wie das US-Militär in Bagdad am Samstag bestätigte, ereignete sich der Vorfall am 20. Januar. Damit wurde eine frühere offi-zielle Darstellung korrigiert, der zufolge die vier Soldaten zusammen mit einem Kameraden direkt bei einem Überfall auf ein Regierungsgebäude in Kerbela im Zentralirak ums Leben gekommen seien. In der neuen Mitteilung des Militärs heißt es nun, dass die Aktion anschei-nend sorgfältig vorbereitet worden war. Danach trugen die neun bis 12 Unbekannten bei ih-rem Überfall anscheinend US-Uniformen und auch Waffen amerikanischen Typs. Sie such-ten das Gebäude außerdem in einem Konvoi von fünf Geländewagen auf, wie sie häufig auch vom US-Militär benutzt werden. Der Mitteilung zufolge drang die Gruppe gezielt an ira-kischen Sicherheitskräften vorbei in eine Abteilung vor, in der sich die US-Soldaten aufhielten. Sie griffen die Amerikaner dann mit Gewehren und Handgranaten an. Ein US-Soldat wurde auf der Stelle getötet, seine vier Kameraden wurden von den Männern in die Fahrzeuge verschleppt. Die Kolonne mit den entführten Sol-daten passierte zunächst ungehindert eine irakische Kontrollstelle. Die dortigen Sicherheitskräfte wurden dann aber doch misstrauisch und nahmen die Verfolgung auf. Die Entführer ließen schließlich die Geländewagen zurück und flüchteten. In den Autos fanden die Verfolger die Leichen von drei Entführten, ein vierter lebte noch, starb dann aber auf dem Weg in ein Krankenhaus. Die neue Darstellung der Ereignisse wurde kurz nach einem Be-such der neuen Präsidentin des US-Abgeordnetenhauses, Nancy Pelosi, in Bagdad bekannt. Die entschiedene Gegnerin des Irak-Krieges und der von US-Präsident George W. Bush beschlossenen Truppenaufstockung war dabei auch mit dem irakischen Regierungs-chef Nuri al-Maliki zusammengetroffen. Nach Medienberichten machte Pelosi bei der

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Begegnung klar, dass sie und ihre demokratischen Parteikollegen einen raschen Rückzug der US-Truppen wollten. Einer Mitteilung der irakischen Regierung zufolge antwortete Al-Maliki, dass der Truppenabzug durch eine schnellere Ausbildung der irakischen Sicher-heitskräfte und eine schnellere Lieferung von Ausrüstung beschleunigt werden könnte. (dpa)

28.Januar

Ministerberater in Bagdad erschossen

Unbekannte haben einen Mitarbeiter des irakischen Industrieministers und drei seiner Be-gleiter erschossen. Der Berater von Minister Fausi Hariri sei zusammen mit seiner Tochter sowie Fahrer und Leibwächter in Bagdad in einen Hinterhalt geraten, teilten Sicher-heitskräfte am Sonntag mit. Bewaffnete hätten im Viertel Jarmuk im Westen der irakischen Hauptstadt auf den Fahrzeugkonvoi Adel Abdel Mohsens geschossen. (AFP)

Zehntausende fordern in Washington Rückzug aus dem Irak

Zehntausende Irakkrieg-Gegner haben am Wochenende in Washington gegen den Kurs von US-Präsident George W. Bush demonstriert. Auf Plakaten und in Sprechchören forderten die Demonstranten statt der von Bush beschlossenen Entsendung zusätzlicher 21 500 Soldaten einen sofortigen Truppenabzug. Zu den Rednern am Samstag gehörte auch die frühere Anti- Vietnamkriegsaktivistin Jane Fonda. Organisiert wurde die Demonstration, auf der auch die Schauspieler Susan Sarandon, Tim Robbins und Danny Glover sowie der schwarze Bürgerrechtler Jesse Jackson sprachen, von der Vereinigung «United for Peace and Justi-ce» (Vereint für Frieden und Gerechtigkeit), ein Dachverband von etwa 1400 verschiedenen Gruppen. Obwohl die Teilnehmerzahl deutlich hinter den vom Veranstalter erhofften 100 000 zurückblieb, war es eine der größten Protestkundgebungen seit Beginn des Irak-Krieges vor fast vier Jahren. Auch Ehefrauen und Kinder von zur Zeit im Irak statio-nierten Soldaten waren ebenso gekommen wie Militärangehörige selbst, die allerdings ent-sprechend geltender Vorschriften nicht in Uniform protestieren durften. «Lasst meinen Mann nach Hause - sofort», forderte eine von der Westküste angereiste jungeDemonstrantin auf einem Plakat. Auf anderen Transparenten wurde eine Amtsenthebung Bushs verlangt. Bei Anschlägen und Gefechten im Irak wurden am Wochenende fast 60 Menschen getötet. Nach Polizeiangaben starben in Bagdad zwei Regierungsberater, die beiden Töchter des einen Beamten und sieben Begleiter, als Bewaffnete das Feuer auf ihre Autos eröffneten. Fünf Schülerinnen kamen bei einem Mörserangriff auf eine Mittelschule im Bagdader Adel-Viertel ums Leben, 20 wurden verletzt. Weitere sechs Menschen wurden durch die Explosion einer Autobombe auf einem Markt in der Schiiten-Vorstadt Sadr-City und bei anderen Bom-benexplosionen getötet. Auch in der Erdölstadt Kirkuk im Norden gab es sechs Tote. Bei Razzien gegen sunnitische Extremisten nahm die US-Armee am Sonntag nach eigenen Angaben 21 Verdächtige fest. 14 mutmaßliche Aufständische seien am Samstag bei einem Luftangriff südlich von Bakuba getötet worden, hieß es. Irakische Sicherheitskräfte töteten nach offiziellen Angaben 14 «Terroristen» in Kufa, südlich von Bagdad. (dpa)

Saddams Cousin "Chemie-Ali" räumt Genozid an Kurden ein

Der wegen Völkermordesangeklagte Cousin des ehemaligen irakischen Machthabers Sad-dam Hussein hat eingeräumt, für das Massaker an Kurden verantwortlich zu sein. Er habe den Auftrag gegeben, im Rahmen der Operation "Anfal" die Dörfer zu räumen und die Men-

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schen zu vertreiben, sagte Ali Hassan al-Madschid am Sonntag vor Gericht. Dabei zeigte "Chemie-Ali" jedoch kein Schuldbewusstsein. Es habe sich um ein legitimes Vorgehen des Militärs gehandelt, schließlich hätten die Kurden zum Ende des iranisch-irakischen Krieges auf Seiten des Iran gekämpft. "Ich entschuldige mich nicht. Ich habe keinen Fehler gemacht", sagte Maschid. Auf die Frage eines Richters, warum manche Angriffe auf die Kurden nach einem Waffenstillstand mit dem Iran verübt worden waren, gab Maschid jedoch keine ein-deutige Antwort. Er gilt als der Drahtzieher des Massakers, bei dem 1988 rund 180.000 Menschen getötet wurden, viele davon durch Giftgas. Tausende Dörfer wurden zerstört. Bei einer Verurteilung droht Maschid als Hauptangeklagtem die Todesstrafe. (REUTERS)

29.Januar

Polizei: 250 Tote und 130 Festnahmen in irakischer Schiiten-Region

Bei Gefechten nahe der südirakischen Pilgerstadt Nadschaf sind nach Angaben der Polizei seit Sonntag rund 250 mutmaßliche Terroristen getötet und 130 weitere Verdächtige fest-genommen worden. Ein Polizeisprecher in der fast ausschließlich von Schiiten bewohnten Stadt sagte am Montag, «etwa 100 der Festgenommenen sind keine Iraker, sie stammen aus dem Jemen, aus Algerien, Pakistan und Afghanistan». Zu möglichen Opfern unter den irakischen Sicherheitskräften machte der Sprecher keine Angaben. Diese hatten am Sonn-tag, nachdem sie die mutmaßlichen Extremisten in den Feldern von Al-Sarka im Norden von Nadschaf umzingelt hatten, die US-Luftwaffe zur Hilfe gerufen. Der Sprecher erklärte, ein US-Hubschrauber sei bei der Operation abgestürzt. Zwei amerikanische Soldaten seien ums Leben gekommen. Die irakische Polizei vermutet, dass die sunnitischen Extremisten schiiti-sche Pilger angreifen wollten. Hunderttausende von Schiiten hatten sich in den vergangenen Tagen auf den Weg zu den heiligen Stätten in Nadschaf und Kerbela ge-macht, um das A-schura-Fest zu begehen. Bei den Feierlichkeiten, die nach offiziellen Angaben an diesem Montag ihren Anfang nehmen sollen, begehen die Schiiten den Todes-tag des Imams Hus-sein, dessen Schrein in Kerbela steht. Die von den Schiiten dominierte irakische Regierung hatte den Montag zum Aschura-Tag erklärt. Die schiitischen Geistlichen hatten dagegen er-klärt, der wichtigste Tag werde dieser Dienstag sein. (dpa)

30.Januar

Bagdad korrigiert Opferzahlen: 263 Tote in Nadschaf, 392 Festnahmen

Nach der Offensive in der irakischen Pilgerstadt Nadschaf hat die Regierung in Bagdad am Dienstag zum wiederholten Male ihre Angaben zur Zahl der Getöteten korrigiert. Der staatli-che Fernsehsender Al-Irakija meldete unter Berufung auf das Verteidigungsministe-rium, bei den Angriffen, die am Sonntag begonnen hatten und am Montag endeten, seien insgesamt 263 Menschen getötet worden. 210 weitere Menschen hätten Verletzungen erlitten. Außer-dem habe die Polizei 392 Verdächtige festgenommen, darunter mehrere Araber aus anderen Staaten. Die Festgenommenen gehörten einer Extremistengruppe an, die sich zwischen den Feldern der Ortschaft Al-Sarka bei Nadschaf in Gräben versteckt ha-be. Der aus der südirakischen Stadt Diwanija stammende Anführer der Gruppe sei unter den Toten. Die von staatlicher Seite verbreiteten Informationen über die Gruppe, die nach Regierungsangaben mit Hilfe der US-Luftwaffe «vollständig zerschlagen wurde», sind bis-

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lang sehr lückenhaft. Angeblich soll es sich um eine Sekte schiitischer Fanatiker handeln, die einen Angriff auf die in Nadschaf beheimatete Spitze des schiitischen Klerus geplant haben soll. Hunderttausende schiitische Pilger sind in den vergangenen Tagen in dem Nadschaf benachbarten Kerbela eingetroffen, um an den religiösen Feierlichkeiten zum Todestag des Imams Hussein teilzunehmen. Der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira berichtete, während der Aschura-Feierlichkeiten im Irak seien bei zwei Selbstmordattentaten in der Nähe der Grenze zum Iran am Dienstag 20 Menschen getötet und 40 weitere verletzt worden. (dpa)

Führungsmitglied der Al Kaida im Irak festgenommen

Irakische Sicherheitskräfte haben am Dienstag nördlich von Bagdad ein Führungsmitglied der Terrororganisation Al Kaida im Irak festgenommen. Regierungssprecher Ali al Dabbagh sagte dem staatlichen Fernsehsender Irakija, bei dem Toten handele es sich um den Chef der Gruppe in der Provinz Salahuddin. Zwei seiner Anhänger seien bei dem Einsatz in Beid-schi, 250 Kilometer nördlich von Bagdad, ums Leben gekommen. Nach Angaben des Spre-chers wurden 59 weitere Verdächtige festgenommen. (AP)

31.Januar

Studie: Truppenverstärkung der USA im Irak reicht nicht aus

Die von US-Präsident George W. Bush angekündigte Verstärkung der amerikanischen Trup-pen im Irak reicht nach Einschätzung von Experten nicht aus, um den Konflikt wirksam einzudämmen. Zugleich kritisierte das Internationale Institut für Strategische Studien (IISS) in London am Mittwoch, dass es der irakischen Regierung am «politischen Willen mangelt», das Land zu befrieden und wieder aufzubauen. In seinem neuen Jahresbericht zum militäri-schen Gleichgewicht in der Welt erklärte das renommierte Institut, die USA würden mit der Entsendung von 21 500 weiteren Soldaten wichtige «Aspekte der Doktrin des Kampfes ge-gen Aufständische» ignorieren. Das Verhältnis von einem US-Soldaten auf 184 Einwohner Bagdads liege deutlich unterhalb der Empfehlungen, die zuvor von den US-Streitkräften selbst ausgearbeitet worden seien, erklärte IISS-Direktor John Chipman. US-Senator Barack Obama, einer der aussichtsreichsten Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der US-Demokraten, forderte unterdessen einen Rückzug aller US-Kampftruppen aus dem Irak bis März 2008. Keine noch so große Zahl von US-Soldaten könne die politischen Differenzen lösen, die dem Bürgerkrieg im Irak zu Grunde lägen, heißt es in einem am Dienstag dem Senat vorgelegten Gesetzentwurf Obamas.

Bei der Explosion einer Autobombe wurden in Bagdad drei Zivilisten getötet. Ein Gericht in Mossul verurteilte neun Iraker wegen «Terrorismus» zum Tode. Der Nachrichtensender Al-Arabija berichtete, in Bagdad seien die Leichen von drei Professoren und eines Studenten gefunden worden, die am vergangenen Sonntag entführt worden waren. (dpa)

01.Februar

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Blutiger Januar im Irak Dreimal so viele Gewaltopfer wie im Vorjahr - Bagdad lädt Nachbarstaaten zu Sicherheits-konferenz ein.

Fast 2.000 getötete Zivilpersonen und ebenso viele Verletzte lautet die offizielle Januar-Bilanz der blutigen Gewalt im Irak. Damit lag die Zahl der Todesopfer laut den am Donners-tag veröffentlichten Zahlen des Bagdader Gesundheitsministeriums mehr als dreimal so hoch wie die im Januar 2006. Auch der Februar begann erneut mit tödlichen Anschlägen. Bei der Explosion einer Bombe an einer Bushaltestelle in Bagdad wurden am Donnerstag sechs Menschen getötet und zwölf verletzt. Ein Anschlag auf einen Kleinbus kostete ebenfalls sechs Menschen das Leben, wie die Polizei mitteilte. In den sunnitischen Stadtteil Asamija schlugen den dritten Tag in Folge mehrere Mörser ein. Dabei wurden laut Krankenhausmitarbeitern vier Menschen getötet und etwa ein Dutzend verletzt. Bei den Angriffen handelte es sich offensichtlich um Vergeltungsaktionen für Anschläge auf Schiiten während des Aschura-Festes. Die irakische Regierung legte am Donnerstag einen ersten ausführlichen Bericht zu einer Militäroffensive nahe Nadschaf vor, bei der am Wochenende rund 200 Extremisten getötet und etwa 600 festgenommen wurden. Regierungssprecher Ali al Dabbagh bekräftigte die Darstellung, dass die Gruppe Soldaten des Himmels während des schiitischen Aschura-Fests Anschläge auf Pilger plante. Bagdad rief unterdessen mehrere Nachbarstaaten dazu auf, im kommenden Monat an einer Konferenz zur nationalen Sicher-heitslage teilzunehmen. Eingeladen seien die Türkei, Jordanien, Syrien, Saudi-Arabien, Ku-wait und der Iran sowie Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate, verlautete aus dem Außenministerium in Bagdad. Ferner sollten die Vereinten Nationen, die Arabische Liga und die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) an dem Treffen teilnehmen. Der Irak hat schon öfter an solchen Sicherheitskonferenzen in der Golfregion teilgenommen, doch haben diese noch nie im eigenen Land stattgefunden. Als kritisch gilt die Einladung an Syrien und den Iran. Die Regierung in Bagdad stellte am Mittwoch alle Flüge von und nach Syrien vor-erst ein und schloss einen Grenzübergang zum Iran. Die Maßnahmen stünden in Zusam-menhang mit den Vorbereitungen für einen neuen Sicher-heitsplan, sagte der Abgeordnete Hassan al Sunneid, der dem Verteidigungsausschuss des Parlaments angehört. Die beiden Nachbarländer werden beschuldigt, Aufständische im Irak zu unterstützen. (AP)

02.Februar

Opferzahl nach Anschlag in Hilla steigt auf 73 - 167 Verletzte

Nach dem Anschlag auf eine belebte Einkaufstraße in der irakischen Stadt Hilla ist die Zahl der Todesopfer auf 73 gestiegen. Krankenhausärzte in der rund 100 Kilometer südlich von Bagdad gelegenen Stadt berichteten am Freitag, rund 167 weitere Menschen seien verletzt worden, als sich am Donnerstagabend kurz hintereinander zwei Selbstmordattentäter auf der Straße in die Luft sprengten. Am Donnerstag war zunächst von rund 60 Toten die Rede gewesen. Im Irak wurde am Freitag darüber spekuliert, ob der Doppelanschlag im

Zusammenhang mit der Militäroffensive gegen eine radikale schiitische Sekte steht, bei der Anfang der Woche nach Regierungsangaben 263 Menschen getötet worden waren. Die ira-kische Einheit, die die Operation gegen die Kämpfer der Gruppe «Soldaten des Himmels» geleitet hatte, hat ihren Sitz in Hilla.

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Nördlich von Bagdad stürzte nach Angaben irakischer Augenzeugen ein amerikanischer Mili-tärhubschrauber ab. Das US-Militärkommando in Bagdad wollte den Absturz am Freitag zu-nächst jedoch weder bestätigen noch dementieren. (dpa) US-Geheimdienste werten Lage im Irak als "Bürgerkrieg" - Experten warnen vor weite-rer Verschlechterung der Lage In einer neuen Beurteilung zur Lage im Irak haben die US-Geheimdienste eine pessimisti-schere Einschätzung abgegeben als bislang von der US-Regierung vertreten. Die derzeitige Gewalt im Irak weise Anzeichen für einen «Bürgerkrieg» auf und könne sich noch erheblich verschlechtern, heißt es in der gemeinsamen Lagebeurteilung der 16 US-Geheimdienste an Präsident George W. Bush, die am Freitag veröffentlicht wurde. Das Wei-ße Haus vertritt bislang die Auffassung, die Situation im Irak stelle trotz aller Schwierigkeiten keinen Bürgerkrieg dar. Dem widersprachen die Geheimdienste in ihrem Bericht: «Der Beg-riff 'Bürgerkrieg' beschreibt zutreffend einige Schlüsselelemente des Konflikts», heißt es dort. Als Beispiele nannten die Experten die Verhärtung der Fronten zwi-schen den ethnischen und religiösen Gruppen im Land, die Vertreibung von Zivilisten und den «grundlegenden Wandel in der Art der Gewalt». Die Gewalt habe dabei noch nicht ihren Höhepunkt erreicht: «Die allgemeine Sicherheitslage wird sich in einem Maße weiter ver-schlechtern, wie es Ende des Jahres 2006 der Fall war», heißt es in dem Bericht. (AFP)

Irakische El Kaida bekennt sich zu Abschuss von US-Hubschrauber Der irakische Arm des Terrornetzwerks El Kaida hat sich zum Abschuss eines US-Hubschraubers im Nordirak bekannt. Die Maschine sei abgeschossen worden und vollstän-dig ausgebrannt, erklärte der El-Kaida-Zweig islamischer Staat im Irak am Freitag auf einer islamistischen Internetseite. Zuvor hatte ein Mitarbeiter des US-Verteidigungsminis-teriums in Washington mitgeteilt, laut vorläufiger Untersuchung sei der Hubschrauber vom Typ Apache abgeschossen worden. Der Absturz ereignete sich nach Angaben der irakischen Armee na-he einer US-Basis im nordirakischen Tadschi. Die US-Armee teilte zudem den Tod von sechs US-Soldaten mit. Die Kämpfer der Organisation Islamischer Staat im Irak hätten neue Methoden gefunden, um gegen die US-Luftwaffe vorzugehen, hieß es in der Internet-Erklärung weiter. Zudem wurde die Veröffentlichung eines Films angekündigt, der den Hub-schrauber-Abschuss zeige. Die Echtheit der Erklärung konnte von unabhängiger Seite zu-nächst nicht bestätigt werden. Es war bereits der vierte Abschuss eines Hubschraubers im Irak innerhalb von zwei Wochen. Über mögliche Opfer des neuen Vorfalls wurde zunächst nichts bekannt.

Nach Kämpfen in der westirakischen Aufstandsregion El Anbar starben nach Armeeangaben am Freitag zwei US-Soldaten, ein anderer Soldat habe einen tödlichen Herzschlag erlitten. Bereits am Donnerstag seien drei US-Soldaten bei Unfällen ums Leben gekommen. (AFP) 03.Februar Neun Tote bei Schießereien und Anschlägen im Irak Bei Schießereien und Anschlägen im Irak sind am Samstag mindestens neun Menschen getötet worden. In Samarra, 125 Kilometer nördlich der Hauptstadt Bagdad, seien sechs

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Polizisten an einem Kontrollpunkt erschossen worden, teilten Sicherheitskräfte mit. Sechs weitere Kollegen seien bei dem Überfall verletzt worden. Die Polizei verhängte im Anschluss eine Ausgangssperre. In der Ölstadt Kirkuk, 250 Kilometer nördlich von Bagdad, kam bei einem Selbstmordattentat ein Zivilist ums Leben, 16 weitere wurden nach Polizeiangaben verletzt, darunter mehrere Frauen und Kinder. Bei einem Autobombenanschlag in Mahmudija, südlich von Bagdad, starb ein Mensch, neun weitere wurden verletzt. In dem nordöstlich gelegenen Charnabat in der Unruheprovinz Dija-la starb ein Mensch beim Beschuss des Dorfes durch Aufständische. Vier weitere wurden nach Polizeiangaben durch Mörser verletzt. (AFP) 04.Februar Tote bei neuen Anschlägen in Bagdad - Journalistin erschossen Einen Tag nach dem verheerenden Anschlag auf einen Markt in Bagdad mit über 130 Toten sind am Sonntag erneut mehrere Bomben in der irakischen Hauptstadt explodiert. Bei einem Angriff auf eine Patrouille starben vier irakische Polizisten. Augenzeugen berichteten, bei der Explosion einer Autobombe in dem Viertel Bab al- Moasam seien mehrere Menschen getötet worden. Ein US-Soldat erschoss nach Angaben von Augenzeugen die Journalistin Suhad Ibrahim, die für das staatliche irakische Medien-Netzwerk arbeitete. Ibrahim sei auf ihrem Weg zur Arbeit an einer amerikanischen Patrouille vorbeigefahren, ohne diese weiter zu beachten, hieß es. Die US-Soldaten im Irak eröffnen wegen des Risikos von Selbstmordattentaten häu-fig das Feuer auf vorbeifahrende Fahrzeuge, wenn die Fahrer nicht sofort auf Zuruf anhalten. Der Bombenanschlag auf den Markt im Bagdader Stadtteil Sadrija, bei dem außerdem rund 300 weitere Menschen zum Teil schwer verletzt worden waren, war der folgenschwerste An-schlag im Irak seit sechs Monaten gewesen. (dpa) US-Armee gibt Abschuss von vier Helikoptern zu Die US-Armee hat am Sonntag erstmals zugegeben, dass vier in den vergangenen zwei Wochen abgestürzte Hubschrauber im Irak von Aufständischen abgeschossen wurden. Es scheine, dass die Abstürze alle «auf die eine oder andere Weise auf Schüsse von Aufständi-schen zurückgehen», sagte General William Caldwell, Sprecher der US-Streitkräfte im Irak, bei einer Pressekonferenz. «Wir haben bereits nötige Anpassungen unserer Taktik und un-seres Vorgehens vorgenommen», um gegen diese Bedrohung vorzugehen», fügte er hinzu. In den vergangenen zwei Wochen waren drei Hubschrauber der US-Armee und ein Helikop-ter einer privaten US-Sicherheitsfirma abgestürzt. Dabei kamen 20 Menschen ums Leben. In der Nähe eines der Hubschrauber war eine Luftabwehrrakete entdeckt worden. (AFP) Badische Zeitung (Freiburg) über den Irakkrieg «Für die Gewalt im Irak gibt es keine Worte mehr. Sie haben sich abgenutzt. Am Samstag 137 Tote bei einem Selbstmordanschlag in Bagdad, Dutzende Tote in anderen Städten. Im noch jungen Jahr schon wieder 2000 tote Zivilisten, im vergangenen Jahr 18000. Die meis-ten sind Opfer des sich ausweitenden Bürgerkrieges zwischen Schiiten und Sunniten. Des-halb ist es unsinnig zu glauben, die USA könnten - und sei es mit Verstärkung, wie Bush meint - die Lage in den Griff bekommen. Sie können diesen Krieg nicht mehr gewinnen, weil er ein Bürgerkrieg geworden ist, bei dem die Amerikaner nicht zum Schlichter taugen. Gibt es überhaupt ein Mittel? Eine Idee verdient jedenfalls mehr Beachtung, als sie bisher be-

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kommt: eine Auflösung des künstlich entstandenen irakischen Einheitsstaates in zwei, ver-mutlich drei neue Staaten. Vieles daran wäre problematisch, man denke an die Verteilung der Ölvorkommen und die ethnische Zusammensetzung der Großstädte. Also unrealistisch? Die Antwort gibt die Realität selbst: Die Aufteilung hat schon begonnen, gewaltsam, vielleicht ist die Entwicklung unumkehrbar. Die ethnische Entflechtung ist in vollem Gange. Letzte Klammern dieses Staates sind die wackelige Regierung in Bagdad und die zunehmend ent-mutigten US-Truppen. Patentrezepte gibt es nicht. Aber angesichts der Lage muss auch ü-ber bisherige Tabus nachgedacht werden. Alles, was hoffen lässt, die Gewalt im Irak zu beenden, verdient es, ernst genommen zu werden.»

05.Februar

USA vor Großoffensive in Bagdad - 24 Tote bei Anschlägen

Kurz vor der von den USA angekündigten Großoffensive in Bagdad sind in der irakischen Hauptstadt 24 Menschen bei Anschlägen ums Leben gekommen. Dutzende weitere Opfer wurden bei den drei Attentaten am Montag verletzt. Der schwerste Anschlag wurde auf eine Tankstelle im Viertel Saidija im Süden der Stadt verübt, dort starben zehn Menschen. Zwei weitere Autobomben explodierten in einer Autoreparaturwerkstatt und nahe eines Kinder-krankenhauses im Zentrum der Hauptstadt. Am Samstag hatte beim bisher schwersten Bombenanschlag im Irak seit dem Einmarsch der US-Truppen 2003 ein Selbstmordattentäter mindestens 135 Menschen mit in den Tod gerissen. Er hatte sich auf einem belebten Markt in Bagdad mit einem Lastwagen in die Luft gesprengt, der nach Angaben des Innenministe-riums mit einer Tonne Sprengstoff beladen war. Mehr als 300 Menschen wurden verletzt. Ein hochrangiger Militärvertreter hatte am Sonntag mitgeteilt, die US-Armee stehe kurz vor ei-nem Großeinsatz gegen Aufständische in Bagdad. Dies werde als letzter Versuch gesehen, ein Abgleiten des Landes in den Bürgerkrieg zu verhindern, sagte Oberst Doug Heckman, Berater der 9. irakischen Armee-Division. Geplant sei, dass irakische und US-Soldaten die Wohnviertel der Hauptstadt nach Extremisten und illegalen Waffen durchsuchten und dann die Gegenden abriegelten. Um der Lage Herr zu werden, hat Bush den Einsatz von 21.500 weiteren Soldaten angekündigt. Das Kommandozentrum für den Einsatz wurde der Armee zufolge am Montag besetzt. Es werde jedoch noch ein paar Tage dauern, bis die Vorberei-tungen abgeschlossen seien, sagte Militärsprecher Christopher Garver. In den Straßen deu-tete sich die bevorstehenden Offensive noch nicht an. Einzig im Stadtbezirk Dura fiel ein Konvoi aus Transportfahrzeugen und Panzern auf, der sich in Richtung Stadtzentrum wälzte. Nach Angaben der Polizei kam es im nördlichen Bezirk Adhamija zu Kämpfen, nachdem Extremisten die sunnitische Gegend angegriffen hatten. Angaben über Opfer wurden nicht gemacht. Wie Augenzeugen berichteten, zerrten bewaffnete Männer in Polizeiuniformen zu-dem mehrere Anwohner der gemischt-religiösen Bagdader Wohngegend Amil aus ihren Wohnungen und zündeten mindestens fünf Wohnungen an. Ein Anwohner sagte, er habe acht Leichen gesehen. Die Bewaffneten hätten sich erst zurückgezogen, nachdem die US-Armee eingegriffen habe. Im südirakischen Basra wurde am Montag ein britischer Soldat durch die Detonation eines am Straßenrand deponierten Sprengsatzes getötet. Damit stieg die Zahl der seit März 2003 im Einsatz im Irak getöteten Soldaten auf 100, wie das britische Verteidigungsministerium mitteilte. (REUTERS)

06.Februar

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Iranischer Diplomat in Bagdad gefangen genommen

Im Zentrum von Bagdad ist ein iranischer Diplomat entweder entführt oder von Soldaten ge-fangen genommen worden. Bewaffnete Männer in der Uniform der irakischen Armee stopp-ten am Sonntag den Botschaftssekretär in seinem Auto und nahmen ihn mit, wie ein Spre-cher der iranischen Vertretung am Dienstag mitteilte. Die Regierung in Teheran machte die USA für das Schicksal von Dschalal Scharafi verantwortlich. In der Annahme, dass es sich um eine Entführung handelte, schossen irakische Polizisten auf die bewaffneten Männer und nahmen mehrere von ihnen fest. Am Montag seien sie aber wieder freigelassen worden, sagte ein Regierungssprecher in Bagdad. Ein irakischer Regierungsbeamter teilte mit, der Diplomat sei von Angehörigen einer Spezialeinheit festgenommen worden, die den US-Streitkräften unterstehe. Der amerikanische Militärsprecher Christopher Garver wies dies jedoch zurück und erklärte, an dem Vorfall seien keine US-Truppen beteiligt gewesen. Der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Mohammed Ali Hosseini, verurteilte das Vor-gehen gegen den Botschaftssekretär als «aggressiven Akt und Verletzung des Völker-rechts». Scharafi sei von bewaffneten Männern entführt worden, die «unter der Aufsicht der amerikanischen Truppen im Irak operieren», sagte Hosseini nach einer Meldung der amtli-chen Nachrichtenagentur IRNA und fügte hinzu: «Der Iran macht dieamerikanischen Trup-pen im Irak verantwortlich für die Sicherheit und das Leben des iranischen Diplomaten.» (AP)

«Independent»: Beginn des Truppenrückzugs aus dem Irak fraglich

Zum Tod des 100. britischen Soldaten im Irak schreibt am Dienstag die linksliberale britische Zeitung «The Independent»: «Der Tod des 100. britischen Soldaten im Irak ist ein weiteres trauriges Kapitel in diesem schlecht geplanten Krieg. Im Süden des Landes gibt es immer mehr Unruhe, und der Trend geht weiter in die falsche Richtung. Die geplante Übergabe der Provinz Meysan an die irakischen Behörden wurde bis auf weiteres verschoben. Der stufen-weise Rückzug britischer Truppen, dessen Beginn für Mai geplant war, könnte sich ange-sichts der eskalierenden Gewalt ebenfalls verzögern. Es scheint, als ob die 7500 Briten bis auf weiteres im Süden des Iraks bleiben werden, und die Situation dort wird immer turbulenter. (...) Das Schicksal der britischen Soldaten ist mit dem der Amerikaner verknüpft. Ein hartes Durchgreifen der USA in Bagdad könnte dazu führen, dass sich die Gewalt auf andere Teile des Landes verlagert. Es ist paradox: Je erfolgreicher militärische Operationen in der Haupstadt sind, umso mehr könnte sich die Situation für die Briten im Süden ver-schlechtern.» (dpa)

Warten auf die Sicherheitsoffensive in Bagdad

Einen Monat schon wartet Bagdad auf den Beginn der Sicherheitsoffensive der irakischen und amerikanischen Streitkräfte, mit der dem Blutvergießen in der irakischen Hauptstadt ein Ende bereitet werden soll. Seit der Ankündigung des Großeinsatzes durch den irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki am 6. Januar sind die Straßen Bagdads zwar weniger überfüllt, aber auch gefährlicher. Bei Anschlägen wurden binnen Monatsfrist hunderte Men-schen getötet. Die schiitische Mahdi-Miliz des radikalen Predigers Muktada al Sadr hat sich weitgehend aus den Straßen zurückgezogen und ihre Kontrollstellen abgebaut. Die Miliz wird für zahlreiche Angriffe in Bagdad verantwortlich gemacht. Nachdem der schiitische Ministerpräsident al-Maliki auf Druck von US-Präsident George W. Bush seine schützende Hand von den Kämpfern zurückgezogen hat, wies Al Sadr sein Leute an, sich vorläufig im Hintergrund zu halten, ihre Waffen zu verstecken und die Uniformen auszuziehen. Der Rückzug der Mahdi-Miliz von den Straßen macht es aber wiederum militanten Sunniten leichter, schiitische Einrichtungen anzugreifen. So haben sich Selbstmordattentäter in den vergangenen Wochen verstärkt belebte Märkte in schiitischen Wohngegenden zum Ziel ge-

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nommen, die nicht mehr länger von Milizionären der Mahdi-Miliz bewacht werden. Beidem folgenschwersten Abschlag dieser Art wurden am Samstag mehr als 130 Menschen getötet. Der Anschlag auf den Sadrija-Markt war der blutigste eines einzelnen Täters seit Beginn der US-Invasion im Irak vor fast vier Jahren. Die irakischen Sicherheitskräfte können solche An-schläge trotz verstärkter Präsenz in den Straßen der Hauptstadt nicht verhindern. Dazu ist ihre Zahl immer noch zu gering. Denn äußerlich ist noch nicht viel von der erwarteten Groß-offensive der einheimischen und amerikanischen Truppen zu sehen. Nach dem Selbstmord-anschlag vom Samstag mehren sich allerdings die Anzeichen, dass der Groß-einsatz unmit-telbar bevorsteht. Polizisten und Soldaten errichteten am Montag neue Straßensperren. Der irakische General Abbud Gambar übernahm das Kommando über die Sicherheitsopera-tion, an der bis zu 90.000 Soldaten und Polizisten beteiligt sind. Bagdad soll für die Operati-on in neun Bezirke eingeteilt werden. In jedem davon könnten bis zu 600 US-Soldaten zur Unterstützung der irakischen Truppen eingesetzt werden. US-Präsident Bush hat im Januar im Rahmen seiner neuen Irak-Strategie die Entsendung weiterer 21.000 Soldaten angekün-digt. Viele sehen in der groß angelegten Operation die letzte Chance, die Gewalt in Bagdad und Umgebung einzudämmen. Der Gewalt im Irak sind im Jahr 2006 nach amtlichen Angaben aus Bagdad insgesamt 16.273 Iraker zum Opfer gefallen. Getötetwurden 14.298 Zivilpersonen, 1.348 Polizisten und 627 Soldaten, wie aus Erhebungen der irakischen Ministerien für Gesundheit, Inneres und Verteidigung vom Januar hervorgeht. In jüngster Zeit hat die Gewalt so überhand genommen, dass nach UN-Angaben täglich rund 100 Iraker getötet werden. Angesichts dieser Zahlen dringt die Bevölkerung Bagdads, von der die ü-berwältigende Mehrheit in Frieden leben will, auf einen raschen Beginn der Großoffensive der Sicherheitskräfte. (AP)

07.Februar

Vier Millionen Irak-Flüchtlinge - UN warnen vor Desaster Die Notlage von Millionen Irakernauf der Flucht könnte sich dem UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) zufolge zu einer wahren Katastrophe ausweiten. Er sehe diese Gefahr angesichts von vier Millionen irakische Flüchtlinge, sagte UNHCR-Chef Antonio Guterres am Mittwoch Reuters. `Wir sind alle überrascht vom Ausmaß des Problems`, fügte er hinzu. Die zuneh-mende Gewalt lenke allmählich die Aufmerksamkeit auf das Ausmaß der Krise. Viele Länder, darunter die USA, akzeptierten die Krise nur widerwillig, die als Folge einer verfehlten Nach-kriegspolitik im Irak gewertet werden könne, sagte Guterres in Jordaniens Hauptstadt Am-man. Etwa 1,8 Millionen der insgesamt 26 Millionen Iraker sind UNHCR-Angaben zufolge innerhalb des Landes wegen religiöser Auseinandersetzungen und Gesetzlosigkeit auf der Flucht. Rund zwei Millionen weitere Landsleute sind in Nachbarstaaten geflohen oder ins Exil gegangen. Allein die Nachbarländer Jordanien und Syrien hätten 1,2 Millionen Flüchtlinge aufgenommen, sagte Guterres. Allerdings müsse diesen Ländern nun bei der Versorgung der Menschen geholfen werden. Große Probleme gebe es vor allem in den überlasteten Ge-sundheits- und Schulsystemen. Guterres befindet sich auf einer einwöchigen Reise durch den Nahen Osten. (REUTERS) US-Armee nimmt im Irak Vize-Minister fest - 32 Tote bei Anschlägen Zu Beginn ihrer Militäraktion gegen Terroristen und Milizen in Bagdad hat die US-Armee am Donnerstag den stellvertretenden irakischen Gesundheitsminister Hakim al-Samili festgenommen. Al-Samili gehört der Bewegung des radikalen Schiiten-Predigers Muktada al-Sadr an, die eine eigene Miliz unterhält und an der Regierungskoalition von Ministerpräsident Nuri al-Maliki beteiligt ist. Was ihm vorgeworfen wird, blieb zunächst unklar. Ein Sprecher

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des Ministeriums erklärte, amerikanische und irakische Soldaten seien in das Gebäude ein-gedrungen und hätten in die Luft geschossen, bevor sie Al-Samili abführten. Amerikanische Offiziere hatten am Mittwoch erklärt, der neue Sicherheitsplan für Bagdad werde ein Prozess mit vielen Einzelschritten sein und keine große militärische Offensive. Bei Terroranschlägen und Angriffen von Aufständischen kamen am Donnerstag mindestens 32 Iraker ums Leben, mehr als 50 weitere wurden verletzt. In Al-Asisija südlich von Bagdad starben nach Angaben von Polizei und Krankenhausärzten 14 Menschen durch die Explosi-on einer ferngezündeten Autobombe, die in der Nähe eines Gemüsemarktes detonierte. Die Polizei nahm anschließend fünf Verdächtige fest, darunter eine Frau. In Ost-Bagdad starben sechs Menschen, als eine Autobombe neben einer schiitischen Moschee explodierte. Eine von sunnitischen Abgeordneten geforderte Befragung von Verteidigungsminister Abdel-kader Mohammed Dschasim im Parlament fand am Donnerstag unter Ausschluss der Öffent-lichkeit statt. Der Minister erklärte Einzelheiten des neuen Sicherheitsplans für Bagdad, an dessen Umsetzung irakische und amerikanische Truppen beteiligt sind. (dpa) 09.Februar Aufständische im Westirak töten drei US-Soldaten Aufständische haben in der westirakischen Anbar- Provinz haben erneut drei amerikanische Soldaten getötet. Das US- Militär in Falludscha berichtete am Freitag, die Soldaten seien bei Gefechten am Vortag ums Leben gekommen. Am Mittwoch waren in der vorwiegend von Sunniten bewohnten Provinz bereits vier US-Soldaten getötet worden. In Bagdads südlichem Vorort Arab Dschabur, einer weiteren Hochburg der sunnitischen Aufständischen, starben bei einem Angriff der US-Luftwaffe am Donnerstagabend nach Militärangaben acht «Terro-risten». Amerikanische Soldaten hätten, nachdem sie bei einer Razzia in dem Viertel unter heftigen Beschuss geraten seien, die Unterstützung der Luftwaffe angefordert, hieß es. Diese habe daraufhin ein Haus bombardiert, in dem sich die Schützen verschanzt hätten. Die Festnahme von Vize-Gesundheitsminister Hakim al-Samili durch die US-Truppen schlug derweil weiter hohe Wellen. Gesundheitsminister Ali al-Schammari sagte am Freitag in Bag-dad: «Ich habe nach der Festnahme Ministerpräsident Nuri al-Maliki angerufen, und dieser sagte mir, dass er über diese Aktion nicht informiert worden sei.» Al-Maliki hatte Ende Janu-ar betont, der neue Sicherheitsplan für Bagdad sei «hundertprozentig irakisch». Die US-Truppen sollten die Iraker bei seiner Umsetzung lediglich unterstützen. (dpa) 10.Februar Washington vermutet Iran hinter Bombenangriffen im Irak Die US-Regierung vermutet, dass eine Reihe von Bombenangriffen mit besonders starker Sprengkraft im Irak auf iranische Ursprünge zurückzuführen sind. Für die Mitwirkung des Iran gebe es «ziemlich gute Belege», sagte US-Verteidigungsminister Robert Gates am Freitag am Rande des NATO-Treffens in Sevilla. Die «New York Times» berichtete auf ihrer Internet-Seite, die Belege seien von US-Geheimdiensten gesammelt worden. Sie deuteten darauf hin, dass der Iran schiitischen Kämpfern im Irak «tödliche Unterstützung» zukommen lasse. Die Sprengsätze seien stark genug, um Panzer etwa vom Typ M-1-Abrams zu zerstören.

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"Ich glaube, dass der Iran entweder in die Bereitstellung der Technologie oder sogar der Waffen selbst involviert ist", sagte Gates. Diese Waffen seien «extrem tödlich». Über die Details könne er selbst nicht mit Sicherheit urteilen. Allerdings könnten etwa Seriennummern der Sprengsätze als Beleg angesehen werden. Die US-Armee hatte bereits eine Veranstaltung in Bagdad angesetzt, um auf die Zusammenhänge zwischen dem Iran und bestimmten Anschlägen hinzuweisen. Der Termin wurde jedoch kurzfristig abgesagt, weil die Belege als noch nicht ausreichend angesehen wurden. (AFP) 11.Februar Mindestens 30 Tote bei Selbstmordanschlag im Irak Bei einem Selbstmordanschlag im Irak sind am Sonntag mindestens 30 Menschen getötet und 50 verletzt worden. Bei den meisten Opfern handelt es sich um Polizisten, die sich zum Dienstantritt vor der Polizeiwache des bei Tikrit gelegenen Dorfes Adwar versammelt hatten. Der Täter fuhr einen Kleinlastwagen in die Menge und zündete eine Bombe, die unter einer Heuladung versteckt war. Das Gebäude sei nicht mit Barrieren gesichert gewesen, sagte ein Polizeisprecher. Adwar liegt 20 Kilometer südöstlich von Tikrit, der Heimatstadt des hinge-richteten Expräsidenten Saddam Hussein. (AP) Siebzehn Extremisten bei Militäraktion im Irak getötet Irakische und amerikanische Soldaten haben bei einer gemeinsamen Razzia in Bakuba am Sonntag 17 Aufständische getötet. Bei einem Feuergefecht in seien dabei 20 weitere Extre-misten verletzt worden, teilten die irakischen Behörden weiter mit. Weitere 30 Terrorverdäch-tige wurden festgenommen. Bei dem Einsatz mit Unterstützung der Luftwaffe seien in der 60 Kilometer nördlich von Bagdad gelegenen Stadt vier Häuser zerstört worden. In der nördlich von Bagdad gelegenen Provinz Dijala, wo US-Soldaten ebenfalls gegen Aufständische vorgehen, wurde nach Militärangaben ein amerikanischer Soldat erschossen. (dpa)

12.Februar

Steinmeier: Möglicherweise zwei Deutsche im Irak entführt

Im Irak sind möglicherweise erneut zwei deutsche Staatsbürger von Unbekannten entführt worden. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte am Montagmorgen in Brüssel vor einer Sitzung des EU-Außenministerrates, er könne eine «gewaltsame Entführung» nicht ausschließen. Die beiden Deutschen würden seit Dienstag vergangener Woche vermisst. Weitere Details wurden zunächst nicht bekannt. Aus informierten Kreisen in Bagdad hieß es

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zur Identität der Entführten nur, es seien keine Journalisten. Es ist die dritte Entführung Deutscher nach den Fällen Susanne Osthoff Ende 2005 sowie René Bräunlich und Thomas Nitzschke Anfang 2006. Alle waren äußerlich unversehrt freigekommen. Die «Berliner Mor-genpost» berichtete zu dem neuen Fall unter Berufung aufSicherheitskreise, die Beiden sei-en in Bagdad verschleppt worden. Die Entführung dauere bereits mehrere Tage an. Eine der Geiseln hat demnach familiäre Verbindungen nach Berlin.

Laut ZDF sind noch zeitweise Vertreter deutscher Firmen im Irak, aber auch deutsche Mitar-beiter der zahlreichen Sicherheitsfirmen. Auch könne es sich bei den Entführten um Deutsch-Iraker handeln, also Menschen mit deutschem Pass, die in ihre Heimat zurückge-kehrt sind, sagte am Morgen ein ZDF-Korrespondent. (dpa)

15.Februar Weiter Schweigen über deutsche Entführungsopfer in Bagdad Das Schicksal der beiden deutschen Entführungsopfer im Irak und die Hintergründe ihrer Verschleppung bleiben weiter im Dunkeln. Das Auswärtige Amt wollte sich auch 10 Tage nach der Entführung nicht zum Stand der Bemühungen um die Freilassung der beiden Deut-schen - angeblich Mutter und Sohn - äußern. Unklar war auch am Donnerstag, ob der Krisenstab bereits Kontakt zu den Geiselnehmern hat. Die «Bild»-Zeitung hatte berichtet, es gebe noch keine direkte Verbindung. Bei den Ent-führten soll es sich um eine mit einem Iraker verheiratete 60 Jahre alte Deutsche und ihren 20-jährigen Sohn handeln, der als Techniker im irakischen Außenministerium beschäftigt ist. Angeblich wurden sie aus ihrer Wohnung in Bagdad verschleppt. Die Geiselnehmer sollen gedroht haben, den Mann zu erschießen. Sie sollen auch dessen Schwester in Deutschland kontaktiert haben, die dann die deutschen Behörden einschaltete. (dpa) Sicherheitsoffensive in Bagdad ausgeweitet Amerikanische und irakische Truppen haben ihre Sicherheitsoffensive in Bagdad ausgeweitet. Zentrum des Einsatzes war am Donnerstag der vorwiegend von Sunniten be-wohnte Stadtteil Dora, eine Hochburg der Aufständischen. Die Soldaten rückten aber auch in andere sunnitische und schiitische Stadtviertel ein, wo sie Waffen und Munition be-schlagnahmten. Bei der Explosion von zwei Autobomben wurden in Dora vier Zivilpersonen getötet. Die Soldaten nahmen bei einer Razzia in Mahru, 40 Kilometer südlich von Bagdad, mehrere Verdächtige fest. Die US-Streitkräfte erklärten, die Durchsuchunghabe sich gegen die Mahdi-Miliz gerichtet, der religiös motivierte Morde und Entführungen vorgeworfen wer-den. In der Hauptstadt wurden die Kontrollen von Autos und Motorrädern verstärkt. Im Süd-irak schlossen britische und irakische Truppen am Donnerstag zwei Grenzübergänge zum Iran, um einen von den USA vermuteten Waffenschmuggel aus dem Nachbarland zu unter-binden. Die Sicherheitskräfte weiteten auch die Marinepatrouillen aus, wie es in einer Erklä-rung hieß. Damit soll der Schiffsverkehr mit Ziel Südirak besser überwacht werden. Im Rah-men der landesweiten Sicherheitsoffensive wurden zudem um die Stadt Basra zusätzliche Kontrollpunkte eingerichtet. Die US-Streitkräfte gaben am Donnerstag den Tod eines weite-ren amerikanischen Soldaten bekannt. Der Marineinfanterist sei bei einem Kampfeinsatz in

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der Provinz Anbar ums Leben gekommen, hieß es in einer Erklärung. Erst am Mittwoch hat-ten die Streitkräfte den Tod von sechs US-Soldaten gemeldet. Seit Beginn des Irak-Kriegs im März 2003 kamen nach einer Zählung der Nachrichtenagentur AP bereits mindestens 3.133 US-Soldaten ums Leben. Der radikale schiitische Prediger Muktada al Sadr hält sich nach Angaben eines irakischen Regierungsberaters im Iran auf. Sami al Askari erklärte am Don-nerstag, Al Sadr sei vor einigen Tagen in den Iran gereist. Es handele sich um einen Besuch in dem Nachbarland und keinesfalls um eine Flucht. Der amerikanische Militärsprecher Willi-am Caldwell erklärte lediglich, der Prediger halte sich nicht im Irak auf. Alle Hinweise deute-ten darauf, dass er im Iran sei. Anhänger von Al Sadr hatten am Mittwoch erklärt, der Predi-ger habe angesichts der beginnenden Sicherheitsoffensive im Irak nicht die Flucht angetre-ten. Er halte sich immer noch in der den Schiiten heiligen Stadt Nadschaf auf. (AP) 16.Februar Zeitung: Irak-Geiseln haben Familienangehörige in Berlin Die im Irak entführten beiden Deutschen haben Verwandtschaft im Berliner Ortsteil Zehlen-dorf und im Bezirk Spandau. Das berichtet die «Berliner Zeitung» (Samstagausgabe) unter Berufung auf Sicherheitskreise. Die Wohnhäuser der Verwandten würden derzeit von Polizeibeamten observiert. Über die Angehörigen hätten die Entführer ein Lebenszei-chen der Geiseln übermittelt. (ddp) Repräsentantenhaus beschließt Resolution gegen Irak-Politik Bushs Das US-Repräsentantenhaus hat eine Resolution gegen die Entsendung von weiteren 21 500 US-Soldaten in den Irak beschlossen. Das Abgeordnetenhaus in Washington stimm-te am Freitag mit 246 gegen 182 Stimmen für die Resolution. Darin wird zwar die Entsendung neuer Truppen kritisiert, gleichzeitig aber die Unterstützung der im Irak statio-nierten Soldaten betont. Die Resolution ist vor allem symbolischer Natur und für US-Präsident George W. Bush als Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte nicht bindend. Am Samstag wird der Senat über die Resolution abstimmen. Auch hier verfügen die Demo-kraten wie im Repräsentantenhaus seit der Wahl im vergangenen November über eine Mehrheit. Die Demokraten betrachten die Verabschiedung der Entschließung als einen «ers-ten Schritt»: Mit der Beschneidung des Haushalts könnten sie Bush zu einer Kursänderung in seiner Irakpolitik zwingen. «Dieses Land braucht einen dramatischen Kurswechsel im Irak und es liegt in der Verantwortung dieses Kongresses, den Weg dahin zu ebnen», sagte der demokratische Abgeordnete und Vietnamkriegs-Veteran, John Murtha. Republikaner kritisierten die Resolution, weil sie die Terroristen ermutige und die Militärs demotiviere. «Der Feind möchte, dass unsere Männer und Frauen in Unform glauben, der Kongress unterstütze sie nicht», meinte der Republikaner und Ex-Vietnamkriegsgefangene Sam Johnson. «Wir müssen aus unseren Fehlern lernen», sagte er. Diesmal dürften die USA nicht wie in Korea, Vietnam oder Somalia einfach gehen, «bevor die Arbeit erledigt ist». (dpa) 17.Februar

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Außenamt bemüht sich weiter um Freilassung zweier Deutscher im Irak Das Auswärtige Amt hält sich zum Schicksal der beiden im Irak entführten Deutschen wei-terhin bedeckt. Der Krisenstab bemühe sich intensiv um die sichere Rückkehr, sagte ein Sprecher am Samstag in Berlin. Zugleich bat er um Verständnis, dass er zum Schutz der Betroffenen keine weiteren Einzelheiten nenne. Der «Spiegel» hatte am Freitag berichtet, es gebe einen telefonischen Kontakt zu den Ent-führern über ein Familienmitglied in Deutschland. Seit der Verschleppung der 60 Jahre alten Frau und ihres erwachsenen Sohns am 6. Februar in Bagdad laufe der Kontakt zwischen einer Tochter der Deutschen und den Entführern über das Handy eines der Opfer. Anfang vergangener Woche sei den Angehörigen auch ein Lebenszeichen der Geiseln übermittelt worden. Die mindestens sechs Entführer hätten sich zur Untergrundgruppe «Dschaisch al-Islam» - «Islamische Armee» - bekannt und politische Forderungen wie einen wirtschaftlichen Boykott des Irak gestellt. Der Krisenstab halte dennoch weiter auch einen rein kriminellen Hintergrund für möglich. (dpa) Rice überraschend in Bagdad US-Außenministerin Condoleezza Rice ist am Samstag überraschend in der irakischen Hauptstadt Bagdad eingetroffen, wie aus US-Kreisen verlautete. Der unangekündigte Be-such ist Teil einer Nahost-Reise der Ministerin. Rice will noch im Lauf des Tages in Jerusalem mit ihrer israelischen Kollegin Zipi Livni zusammentreffen. Am Montag ist dort ein Dreiergipfel mit dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert und dem palästinensi-schen Präsidenten Mahmud Abbas geplant. (AP) Mindestens zehn Tote und knapp 80 Verletzte bei Anschlag in Kirkuk Bei dem Doppelanschlag im nordirakischen Kirkuk sind am Samstag nach jüngsten Angaben mindestens zehn Menschen getötet und 79 weitere verletzt worden. Wie die Polizei mitteilte, explodierten zwei mit Sprengstoff bestückte Autos in einem überwiegend kurdischen Viertel. Zunächst war von sieben Toten und 48 Verletzten die Rede gewesen. In der Gegend um Kirkuk gibt es große Ölvorkommen, die für die wirtschaftliche Entwicklung des Irak von Be-deutung sind. Die irakische Verfassung sieht bis zum Jahresende eine Volksabstimmung über den Status der Region vor. Von kurdischer Seite gibt es Bestrebungen, Kirkuk in die autonomen Kurdengebiete einzugliedern (AFP) Clinton plädiert erneut für Abzug der US-Truppen aus dem Irak Die Bewerberin um die demokratische Präsidentschaftskandidatur, Hillary Clinton, hat sich in einem Internet-Interview gegen eine Aufstockung und für einen schrittweisen Abzug der US-Truppen aus dem Irak ausgesprochen. «Wir müssen diesen Krieg auf einem klugen Weg beenden, nicht auf einem Weg der Republikaner oder Demokraten, sondern auf einem si-cherem Weg, der unsere Truppen so schnell wie möglich nach Hause bringt», sagte sie am Freitag. Falls Präsident George W. Bush den Krieg nicht beende, bevor er sein Amt 2008 verlässt, werde sie es tun, falls sie Präsidenten werde, sagte die derzeitige Senatorin von New York. Die Frau des ehemaligen Präsidentin Bill Clinton gilt als Favoritin der Demokraten, ist aber wegen ihre wankelmütigen Haltung zum Irak-Krieg innerhalb der eigenen Reihen umstritten,

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da sie als Senatorin ursprünglich für die Invasion der US-Truppen im Irak 2003 gestimmt hatte. Clinton reiste kürzlich in den Irak. (AFP) 18.Februar US-Soldat wird in Mordfall zu acht Jahren Gefängnis verurteilt Im Prozess um den Mordan einem 52-jährigen Iraker ist am Samstag ein weiterer US-Soldat zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Der 22-jährige Robert Pennington bekannte sich schuldig der Verschwörung und Verschleppung des Irakers und muss deswegen für acht Jahre ins Gefängnis. Im Austausch für seine Kooperation ließen die Ankläger die Mordvor-würfe gegen Pennington fallen. Insgesamt stehen in dem Fall acht Militärangehörige vor Ge-richt. Pennington und seine Einheit haben Aussagen der Angeklagten zufolge Haschim Ibra-him Awad versehentlich verschleppt und getötet. Ursprünglich seien sie auf der Suche nach einem Attentäter gewesen. Erst nach dem Tod des Mannes sei ihnen der Irrtum aufgefallen. Die Soldaten hätten daraufhin versucht, die Tat zu vertuschen und ein Gewehr und eine Schaufel neben die Leiche gelegt, um den Eindruck zu erwecken, der Iraker habe eine Bom-be am Straßenrand vergraben wollen. (REUTERS) Widersprüchliche Berichte über britischen Truppenabzug aus Irak In Großbritannien hat es am Sonntag widersprüchliche Berichte über einen Truppenabzug im Irak gegeben: Die Zeitung «News of the World» berichtete unter Berufung auf einen rangho-hen Regierungsmitarbeiter, London wolle im Mai fast die Hälfte der über 7000 britischen Sol-daten aus dem Irak abziehen. Die Lage in der südirakischen Stadt Basra erlaube dies nun; es sei an der Zeit, «die irakischen Truppen weitermachen zu lassen». Großbritannien will demnach rund 3000 Soldaten im Mai aus dem Irak zurückholen. Das Verteidigungsministerium nannte den Bericht eine Spekulation und verwies darauf, dass jeder Truppenabzug von der Sicherheitslage abhängig und mit Großbritanniens Verbündeten abzusprechen sei. Die Regierung in London hatte angekündigt, dass sie im Laufe des Jahres «tausende» Soldaten aus dem Irak abziehen wolle. Die Tageszeitung «Independent» berichtete unter Berufung auf einen ranghohen Mitarbeiter im Verteidigungsministerium, Premierminister Tony Blair wolle den geplanten Abzug viel-mehr hinauszögern. Ein ursprünglich geplanter Abzug von rund tausend Soldaten im April solle - auf Druck der Vereinigten Staaten - auf August verschoben werden. Großbritannien ist der wichtigste Verbündete der USA im Irak und der zweitgrößte Truppensteller in dem Zwei-stromland. Die US-Regierung versucht mit einem neuen Sicherheitsplan derzeit, die tägliche Gewalt im Irak, insbesondere inder Hauptstadt Bagdad, einzudämmen. (AFP) Fast 60 Tote bei neuen Autobombenanschlägen in Bagdad Ungeachtet der neuen Sicherheitsoffensive in Bagdad haben Attentäter am Sonntag wieder fast 60 Menschen in den Tod gerissen. Auf einem offenen Markt in der überwiegend von Schiiten bewohnten Neustadt detonierten fast zeitgleich zwei Autobomben. Dabei wurden nach Polizeiangaben mindestens 56 Menschen getötet und 127 verletzt. Es war der bislang verlustreichste Zwischenfall seit Beginn der Sicherheitsoffensive irakischer und amerikani-scher Einheiten vor einigen Tagen. Im schiitischen Stadtviertel Sadr City explodierte eben-falls eine Autobombe. Dabei wurden mindestens ein Mensch getötet und etwa zehn weitere verletzt. Zuvor hatte die irakische Führung ihre Sicherheitsoffensive in Bagdad als Erfolg bezeichnet. Razzien und Patrouillen in überwiegend sunnitischen Vierteln hätten zu einem

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Rückgang von «Verbrechen und Terrorangriffen» um 80 Prozent geführt, sagte Brigadege-neral Kassim Mussawi. (AP) 19.Februar Schicksal von Irak-Geiseln bleibt ungewiss Zwei Wochen nach der Entführung einer 60-Jährigen und ihres Sohnes im Irak laufen die Bemühungen des Auswärtigen Amtes um ihre Freilassung weiter auf Hochtouren. Der Kri-senstab bemühe sich "intensiv darum", die Rückkehr der beiden Deutschen zu ihren Famili-en zu ermöglichen, sagte eine Sprecherin am Montag auf Anfrage. Mit Rücksicht auf die Si-tuation der Geiseln wollte das Auswärtige Amt keine weitere Stellungnahme abgeben. «Der Spiegel» hatte berichtet, dass die Entführer in mehreren Telefonaten mit Angehörigen der Familie in Deutschland Anfang vergangener Woche politische Forderungen gestellt hät-ten. Dazu gehöre auch ein wirtschaftlicher Boykott des Irak. Der Krisenstab des Auswärtigen Amtes gehe inzwischen Hinweisen nach, wonach die Geiselnehmer aus Kreisen der iraki-schen Widerstandsbewegung stammen könnten, hieß es in dem Bericht weiter. (ddp)

Schiiten-Führer Al-Sadr übergibt Bagdad Liste mit Namen Abtrünniger

Der seit Wochen abgetauchte radikale Schiitenführer Moktada al-Sadr hat der irakischen Regierung eine Namensliste von Milizionären übergeben, die eigenmächtig Gewalttaten ver-üben. Haidar al-Obeidi von der schiitischen Dawa-Partei sagte der irakischen Zeitung «Al-Baijana Al-Jadida» (Montagsausgabe): «Al-Sadr hat klar gesagt, dass er nicht für alle Aktio-nen der Mahdi-Armee verantwortlich ist und dass er diese zum Teil verurteilt.» Die Mahdiar-mee ist die Miliz der Sadr-Bewegung. Sie steht im Verdacht, an der Entführung und Ermor-dung von Sunniten beteiligt zu sein. Die Sadrbewegung hat vor allem in den städtischen Ar-menvierteln viele Anhänger hat, ist mit sechs Ministern an der Regierung beteiligt. Al-Obeidi, der zu der Partei von Ministerpräsident Nuri al-Maliki gehört, erklärte zu den Spe-kulationen um den Aufenthaltsort Al-Sadrs: «Wir haben keine Informationen darüber, ob sich Al-Sadr im Irak aufhält oder nicht, aber wir haben ihn nicht getroffen und wir haben auch von keinem anderen gehört, der ihn in den vergangenen drei Wochen getroffen hätte.» Die US-Streitkräfte hatten vergangene Woche mitgeteilt, Al-Sadr sei in den Iran geflohen. Die Sadr-Bewegung und die iranische Führung bestreiten dies. Al-Obeidi erklärte, die US- Streitkräfte wollten Al-Sadr mit derartigen Gerüchten aus seinem Versteck locken. «Die

Amerikaner wollen ihn zu Fall bringen, und wenn er sich nicht in der Öffentlichkeit zeigt, dann sagen sie, dieser Mann versteckt sich und ist geflohen.» (dpa)

Erneut mehr als 40 Tote bei Anschlägen im Irak

Die anhaltende Gewalt im Irak hat am Montag mehr als 40 Menschen das Leben gekostet. Allein bei einem Angriff mit Mörsergranaten in einem überwiegend von Schiiten bewohnten Viertel Bagdads wurden mindestens elf Menschen getötet. Die Geschosse schlugen nach Polizeiangaben kurz vor Sonnenuntergang im Stadtteil Dora ein. In Ramadi westlich der Hauptstadt starben neun Passanten bei einem Autobombenanschlag. In der Innenstadt von Bagdad sprengte sich ein Selbstmordattentäter in einem Bus in die Luft, der in das schiiti-sche Viertel Karradah unterwegs war. Laut Polizei wurden fünf Menschen getötet. In Safrani-

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ja, einem schiitischen Viertel im Südosten Bagdads, kostete eine Bombenexplosion drei Po-lizisten das Leben. Nur rund hundert Meter entfernt wurden bei einem Anschlag auf einen Markt mindestens fünf Menschen getötet. Etwa 30 Kilometer südlich der Haupt-stadt, in Mahmudija, kamen bei der Explosion einer Autobombe zwei Menschen ums Leben. Aus der vorwiegend von Sunniten bewohnten Stadt Duluija wurden bei einem Bombenanschlag vier Todesopfer gemeldet. Bei einem Angriff auf eine Basis der US Trup-pen nördlich von Bagdad wurden zwei Soldaten getötet und 17 weitere verletzt, wie die Streitkräfte mitteilten. Außerhalb des gemeinsam von irakischen und amerikanischen Soldaten genutzten Stützpunkt habe ein Selbstmordattentäter ein Auto in die Luft gesprengt, hieß es. Anwohner berichteten, der Attentäter habe versucht, die Barrieren um die Basis in Tarmija zu durchbrechen. Die Streitkräfte meldeten außerdem den Tod von fünf weiteren Soldaten. Die iranische Regierung wies unterdessen Berichte zurück, wonach sich der iraki-sche Schiitenführer Muktada al Sadr im Land aufhält. Der radikale Geistliche sei nicht im Iran, erklärte ein Sprecher des Außenministeriums am Sonntag. Entsprechende Erklärungen seitens der USA seien «psychologische Kriegsführung», um den Druck auf Teheran weiter zu erhöhen. Ein Vertrauter des irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki hatte erklärt, Al Sadr sei in das Nachbarland geflohen. Aus dem Umfeld des Predigers verlautete, Al Sadr habe den Irak bereits vor drei Wochen verlassen. Die USA werfen dem Iran vor, Al Sadrs Miliz mit Waffen und Geld zu unterstützen. (AP)

20.Februar Auswärtiges Amt bemüht sich weiter um Freilassung von Irak-Geiseln Im Fall der zwei im Irak entführten Deutschen bemüht sich der Krisenstab des Auswärtigen Amtes weiter um eine Freilassung. Es werde alles getan, um ihnen die Rückkehr zu ihren Familien zu ermöglichen, sagte ein Sprecher am Dienstag auf ddp-Anfrage. Mit Rücksicht auf die Situation der Geiseln wollte das Auswärtige Amt keine weitere Stellungnahme abge-ben. «Der Spiegel» hatte berichtet, dass die Entführer in mehreren Telefonaten mit Angehörigen der Familie in Deutschland Anfang vergangener Woche politische Forderungen gestellt hät-ten. Der Krisenstab des Auswärtigen Amtes gehe Hinweisen nach, wonach die Geiselnehmer aus Kreisen der irakischen Widerstandsbewegung stammen könnten, hieß es in dem Bericht weiter. Die im Umland von Berlin geborene 60-jährige Frau und ihr 20 Jahre alter Sohn waren vor zwei Wochen in Bagdad verschleppt worden. (ddp) Großbritannien übergibt Kommando über Basra an irakische Armee Großbritannien hat das Kommandoüber eine irakische Armee-Division in Basra an die Iraker selbst übergeben. Damit bekämen die Soldaten ihre Befehle künftig direkt aus einem iraki-schen Hauptquartier in Bagdad, teilte die britische Armee am Dienstag mit. Dies sei ein wich-tiger Schritt zur Übernahme der Sicherheitsverantwortung für die südirakische Stadt durch die Armee des Golfstaats. Die Kommandoübergabe gilt als erster Schritt zu einer Reduzie-rung der britischen Militärpräsenz im Irak. Zwar hat die Regierung in London formell noch keinen Abbau ihrer dort stationierten Truppen angekündigt. Verteidigungsminister Des Brow-ne hat jedoch die Hoffnung geäußert, tausende Soldaten bis Ende des Jahres nach Hause zu holen. Premierminister Tony Blair hatte am Sonntag gesagt, Großbritannien werde seine Truppenstärke senken, sobald die Iraker für die Sicherheit von Basra zuständig seien. Ange-sichts der Entscheidung von US-Präsident George W. Bush, die US-Truppen aufzustocken, könnte sich ein Truppenabbau jedoch als politisch heikel erweisen. Großbritannien hat der-

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zeit rund 7100 Soldaten im Irak. Nachdem die Truppen mehrere Provinzen im Süden des Landes bereits an die irakische Armee übergeben haben, sind die britischen Soldaten nun noch in Basra und einem nahe gelegenen Stützpunkt konzentriert. (REUTERS) 148 Verletzte nach Angriff im Irak - Vorwürfe gegen Polizei Bei einem Anschlag auf einen Tanklastwagen mit Chlorgas sind im Irak am Dienstag vier Zivilisten getötet und 148 weitere verletzt worden. Der Lastwagen detonierte in Tadschi nörd-lich von Bagdad neben einem Schnellrestaurant, wie die Polizei mitteilte. Zahlreiche Kinder wurden ins Krankenhaus gebracht. Beobachter gingen allerdings nicht von einem gezielten Gas-Angriff aus, sondern vermuteten, dass die Extremisten wohlmöglich nicht wussten, dass sich in dem Fahrzeug Gas statt Öl befand. Vergewaltigungsvorwürfe einer jungen Frau sorgten unterdessen für Streit zwischen sunniti-schen und schiitischen Politikern. Die Sunnitin aus Bagdad hatte am Montagabend in einem tränenreichen Interview im arabischen TV-Sender Al-Dschasira erklärt, drei Polizeioffiziere hätten sie vergewaltigt, weil sie angeblich für Aufständische gekocht haben soll. Die Regie-rung bezichtigte die Frau, die ihr Gesicht während des Interviews halb verhüllt hatte, der Lü-ge. Sunniten-Führer forderten die Regierung auf, Konsequenzen aus der Affäre zu ziehen und erklärten, die US-Truppen hätten die Frau auf Drängen ihrer Nachbarn aus der Polizeistation geholt. Im Al-Saijdija-Viertel im Südwesten Bagdads starben am Dienstag drei Zivilisten, als eine Autobombe an einer Tankstelle detonierte. Zehn Menschen wurden laut Polizei verletzt. Die US-Armee berichtete unterdessen, drei amerikanische Soldaten seien am Montag bei einem Bombenanschlag ums Leben gekommen. Der Sprengsatz explodierte südwestlich von Bag-dad neben einer Patrouille der US-Armee. Die säkulare Partei INA des früheren Ministerpräsidenten Ijad Allawi meldete derweil einen Sprengstoffangriff auf ihr Büro in der schiitischen Pilgerstadt Nadschaf in der Nacht zum Dienstag. Nach Angaben der Partei entstand erheblicher Sachschaden. Verletzt wurde niemand. (dpa) 21.Februar Blair kündigt Teilrückzug aus dem Irak an Der britische Premierminister Tony Blair hat am Mittwoch einen Teilabzug der 7100 im Irak stationierten britischen Soldaten angekündigt. Zunächst werde in den kommenden Monaten die Zahl der Soldaten um 1600 auf 5500 reduziert, sagte Blair vor dem britischen Parlament. Bis zum Spätsommer könnte sich die Präsenz dann sogar auf «unter 5000» Soldaten verrin-gern, so Blair weiter. Nach seinen Worten werden britische Truppen die irakischen Sicherheitskräfte aber auch im kommenden Jahr weiter unterstützen und «so lange bleiben, wie die Iraker uns wollen.» Die britischen Soldaten sind in und um die Stadt Basra im Süden des Landes stationiert. Blair sagte, die Situation in Basra sei noch immer «schwierig und manchmal gefährlich». Die Sicherheitslage habe sich aber gebessert und sei mit der schwie-rigen Lage in der Hauptstadt Bagdad nicht zu vergleichen.

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Das nächste Kapitel in der Geschichte der Stadt Basra werde von den Irakern geschrieben, sagte Blair weiter. Die Briten wollten die Verantwortung für die Sicherheit Schritt für Schritt den Irakern überlassen. Man wolle die Iraker in der Region nun auch mit Entwicklungs- und Wiederaufbauprogrammen unter die Arme greifen, sagte der Regierungschef in der wöchent-lichen Fragestunde im Unterhaus in London. (dpa) Dänen ziehen Irak-Truppen ab und verstärken Einsatz in Afghanistan Dänemarks Regierung will die eigenen Bodentruppen im August komplett aus dem Irak ab-ziehen und dafür den militärischen Einsatz in Afghanistan verstärken. Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen begründete die Entscheidung am Mittwoch in Kopenhagen mit einer «sehr positiven Entwicklung» im südirakischen Einsatzgebiet der mehr als 400 däni-schen Soldaten. Zur geplanten Truppenverstärkung in Afghanistan sagte der Regierungs-chef: «Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die NATO hier den Kampf gegen die Tali-ban gewinnt.» Der Abzug aller Bodentruppen aus dem Irak sei «in enger Absprache» mit der britischen Regierung beschlossen worden, sagte Rasmussen. Er hatte seine Pressekonferenz zeitgleich mit der Ankündigung des schrittweisen britischen Truppenabzuges durch Premierminister Tony Blair vor dem Londoner Unterhaus anberaumt. Über die Reaktion von US- Präsident George W. Bush sagte der dänische Ministerpräsident: «Er hat mir am Telefon gesagt, wie sehr er sich darüber freut, dass die positive Entwicklung im Irak diesen Truppenabzug möglich macht.» Die dänische Regierung hatte sich an der Invasion im Irak im Jahr 2003 militärisch beteiligt und ist seitdem als besonders enger US- Verbündeter aufgetreten. Heimische Umfragen hatten in den letzten Monaten ergeben, dass sich eine deutlich steigende Mehrheit der Dä-nen gegen das militärische Engagement im Irak ausspricht. (dpa) Bulgarisches Parlament stimmt Verlängerung des Irak-Einsatzes zu Das Parlament in Sofia hat am Mittwoch der Verlängerung des Einsatzes bulgarischer Solda-ten im Irak um ein weiteres Jahr bis zum 31. März 2008 zugestimmt. Der entsprechende Re-gierungsvorschlag wurde mit 146 zu 17 Stimmen angenommen. Die 120 bulgarischen Soldaten im Irak beteiligen sich nicht an Kampfeinsätzen. Die Einheit, die unter US-Kommando steht, hilft bei der Bewachung des Flüchtlingslagers Aschraf nördlich von Bagdad. Die Bulgaren haben seit Beginn ihres Einsatzes im August 2003 dreizehn Soldaten verloren. Sieben wurden von Aufständischen getötet, einer wurde von US-Soldaten verse-hentlich erschossen und fünf kamen bei Autounfällen ums Leben. Auch sechs bulgarische Zivilpersonen wurden im Irak von Aufständischen getötet. (AP) Elf Tote bei Anschlag in heiliger Stadt der Schiiten Beim schwersten Anschlag seit Monaten in der irakischen Stadt Nadschaf hat ein Selbst-mordattentäter am Mittwoch elf Menschen in den Tod gerissen. Zwei Opfer waren Polizisten, wie die Behörden mitteilten. Die für die Schiiten heilige Stadt wird von der Polizei und der Miliz des radikalen Geistlichen Muktada al Sadr streng kontrolliert. Nadschaf ist zudem Sitz des geistlichen Führers der Schiiten im Irak, Großayatollah Ali al Sistani. Der Attentäter brachte die Autobombe am Vormittag in der Nähe eines Marktes im Stadtzentrum zur Explosion. Es gab zahlreiche Verletzte. Auch in Bagdad kamen bei einem Autobomben-anschlag mindestens zwei Menschen ums Leben, 31 erlitten laut Polizei Verletzungen. Die Vergewaltigungsvorwürfe einer 20-jährigen Irakerin heizten die Spannungen zwischen Sun-niten und Schiiten weiter an. Ministerpräsident Nuri al-Maliki entließ am Mittwoch den Leiter einer sunnitischen Stiftung. Ahmed Abdul-Ghafur al Samaraie, dessen Behörde für die sunni-

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tischen Moscheen und Schreine des Landes zuständig ist, hatte wie andere prominente Sunniten die Haltung der Regierung in dieser Frage kritisiert hatte. Al-Maliki hat die Vorwürfe der jungen Sunnitin gegen drei Beamte der schiitisch dominierten Polizei als haltlos zurückgewiesen. Die Anschuldigungen seien lanciert worden, um die Sicherheitskräfte zu diskreditieren. Am Mittwoch teilte sein Büro mit, eine medizinische Untersuchung der Frau habe keinen Hinweis auf eine Vergewaltigung ergeben. Die 20-Jährige hat erklärt, sie sei am Sonntag festgenommen und auf einer Poli-zeiwache sexuell missbraucht worden. Bei Kämpfen in der irakischen Provinz Anbar kam erneut ein amerikanischer Marineinfanterist ums Leben. Wie die US-Streitkräfte am Mittwoch mitteilten, wurde der Soldat am Dienstag getötet. Die Provinz Anbar westlich von Bagdad gilt als Hochburg der Aufständischen. (AP) 22.Februar Anzeichen für neue Strategie von Aufständischen im Irak Eine Woche nach Beginn der US-Offensive im Großraum Bagdad mehren sich die Hinweise auf eine veränderte Strategie der Aufständischen. Am Mittwochabend wurde zum zweiten Mal in einer Woche ein Chlorgas-Transporter angegriffen. Außerdem schossen die Rebellen erneut einen US-Hubschrauber ab. Am Donnerstagmorgen waren in Bagdad mehrere heftige Explosionen zu hören. Aufständische sprengten in Bagdad einen mit Chlorgasbehältern be-ladenen Kleinlaster in die Luft. Dabei wurden nach Polizeiangaben mindestens fünf Men-schen getötet. Mehr als 55 Menschen mussten mit Atembeschwerden und Augenreizungen ins Krankenhaus eingeliefert werden. Erst einen Tag zuvor war nordwestlich von Bagdad ein Bombenanschlag auf einen Tanklaster mit einer Chlorgassubstanz verübt worden. Nördlich von Bagdad wurde am Mittwoch ein US-Hubschrauber vom Typ Black Hawk abgeschossen, wie ein Militärsprecher mitteilte. Alle neun Soldaten an Bord der Maschine wurden von einem zweiten Hubschrauber gerettet. Damit wurden seit dem 20. Januar bereits mindestens acht US-Hubschrauber abgeschossen worden oder abgestürzt. Dabei kamen 28 Soldaten und Zivilpersonen ums Leben. (AP) Mit einem britischen Traditionsregiment in den Irak Der britische Prinz Harry, der demnächst im Irak eine Aufklärungseinheit befehligen wird, gehört als Unterleutnant den Blues and Royals an - einem Regiment der britischen Gardeka-vallerie mit jahrhundertelanger Tradition und enger Verbindung zum Königshaus. Das heuti-ge Regiment ging 1969 aus einem Zusammenschluss der beiden berühmten Kavalleriere-gimenter Royal Horse Guards (Blues) und Royal Dragoons (Royals) hervor. Beide Regimen-ter bestanden seit dem 17. Jahrhundert und kämpften unter anderem in der berühmten Schlacht von Waterloo, in der Napoleon 1815 eine schwere Niederlage beigebracht wurde. Befehlshaberin des Regiments ist Königin Elizabeth II., Harrys Großmutter. Die Blues und die Royals waren auch im Ersten und Zweiten Weltkrieg im Einsatz sowie später in Nordirland, Zypern und im Falkland-Krieg gegen Argentinien. 1994/95 sandte das Regiment Soldaten nach Bosnien. Im Irak wurde im Jahr 2003 ein Blues-and-Royals-Soldat versehentlich von US-Soldaten getötet. Gemeinsam mit den Life Guards, die ihre Ursprünge in einer Leibgarde des im 17. Jahrhun-dert regierenden britischen Königs Charles II. haben, bildet das Blues-and-Royals-Regiment

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die Household Cavalry. Deren Soldaten leisten sowohl bei Kampfeinsätzen Dienst als auch bei militärischen Zeremonien. Ein Teil der Household Cavalry ist im Westen Londons in der Nähe von Schloss Windsor stationiert. Weitere Soldaten der Household Ca-valry haben im Hyde Park im Zentrum Londons ihr Quartier. (AFP) Vier irakische Soldaten wegen Vergewaltigung angeklagt Im Irak sind vier einheimische Soldaten wegen der Vergewaltigung einer elffachen Mutter angeklagt worden. In der Anklage werde einer Gruppe irakischer Soldaten vorgeworfen, die Frau vor ein paar Tagen in ihrem Wohnhaus vergewaltigt zu haben, sagte General Nad-schim Abdullah El Dschuburi, Bürgermeister der 80 Kilometer vom nordirakischen Mossul entfernten Ortschaft Tall Afar, in der sich die Tat ereignet haben soll. Zunächst hatten demnach fünf Soldaten unter Verdacht gestanden. Eine Untersuchungskommission sei je-doch zu dem Ergebnis gekommen, dass einer der Soldaten die Tat habe verhindern wollen, sagte El Dschuburi. Obwohl er seine Kameraden mit der Waffe bedroht habe, habe er sie jedoch nicht von der Vergewaltigung abhalten können. Das Opfer war den Anga-ben zufolge eine verheiratete Frau, die älter als 40 Jahre ist und elf Kinder hat. In der irakischen Hauptstadt Bagdad hatte am Montag eine Frau mehreren irakischen Poli-zisten vorgeworfen, sie vergewaltigt zu haben. Die Angelegenheit hatte in der irakischen Re-gierung einen Streit ausgelöst zwischen dem schiitischen Ministerpräsidenten Nuri El Maliki, der die Vorwürfe der Frau zurückwies, und mehreren sunnitischen Politikern, die für sie Par-tei ergriffen. Im Irak droht Vergewaltigern die Todesstrafe. (AFP) 23.Februar 100 Jahre Haft für US-Soldaten wegen Mordes und Vergewaltigung Ein 24 Jahre alter US-Unteroffizier ist wegen gemeinschaftlicher Vergewaltigung und Ermor-dung eines irakischen Mädchens zu 100 Jahren Haft verurteilt worden. Militärrichter Stephen Henley sprach den Feldwebel Paul Cortez am Donnerstagabend (Ortszeit) in Fort Campbell (US-Bundesstaat Kentucky) außerdem der Beteiligung am Mord von drei Familienmitgliedern des Mädchens schuldig. Der Unteroffizier wurde nach Angaben des Militärgerichts unehren-haft aus den Streitkräften entlassen. Nach einer Vereinbarung zwischen Anklage und Vertei-digung muss Cortez mindestens zehn Jahre Haft verbüßen, bevor er den Antrag auf Bewäh-rung stellen kann. Im Gegenzug muss er in den anhängigen Verfahren gegen drei mitange-klagte Soldaten aussagen. Cortez hatte sich in der vergangenen Woche schuldig bekannt, in Mahmudija südlich von Bagdad gemeinschaftlichmit drei Kameraden eine 14-Jährige verge-waltigt und dann durch einen Schuss direkt ins Gesicht getötet zu haben. Die Idee sei beim Kartenspielen entstanden. Der Anklage zufolge ermordeten die Amerikaner dann auch die Eltern und die sechsjährige Schwester ihres Opfers. Wegen seines Geständnisses entging Cortez der Todesstrafe. Vor dem Urteilsspruch ent-schuldigte sich der US-Soldat: «Ich bedauere, was ich getan habe (...) Ich entschuldige mich für all das Leid und die Schmerzen, die ich der ... Familie zugefügt habe». Die drei anderen Soldaten warten noch auf ihren Prozess. Sie gehören der 101. Luftlandedi-vision an, die ihren Hauptstützpunkt in Fort Campbell (US-Staat Kentucky) hat. (dpa) US-Armee nimmt Sohn von wichtigem irakischen Parteiführer fest

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Im Irak hat die US-Armee den Sohn eines wichtigen schiitischen Parteiführers festgenom-men. Soldaten hätten Ammar el Hakim, dessen Vater Abdel-Asis Hakim der Vorsitzende der stärksten Schiitenpartei ist, auf dem Rückweg aus dem Iran festgenommen, sagte ein rang-hohes Mitglied des Obersten Rates der islamischen Revolution im Irak (CSRII) am Freitag in Bagdad. Die Soldaten hielten Hakims Fahrzeug demnach nahe des Grenzpostens Mehran an, etwa 130 Kilometer östlich von Bagdad, weil die Scheiben seines Fahrzeugs verdunkelt gewesen seien, obwohl dies im Irak verboten ist. Mit Hakim wurden den Angaben zufolge zwei seiner Leibwächter festgenommen. Es sei aber «an-scheinend schon eine Lösung gefunden», sagte das Parteimitglied. Der Fernsehsender El Irakia berichtete ebenfalls über die Festnahme. (AFP) Steinmeier will Einladung zu Bagdad-Besuch annehmen Bundesaußenminister Frank-WalterSteinmeier will in die irakische Hauptstadt Bagdad rei-sen. "Eine Einladung an die EU-Troika - also Vertreter des Ratsvorsitzes, des Außenbeauf-tragten und der Kommission - liegt vor", sagte der amtierende EU-Ratsvorsitzende der Zei-tung `Die Welt` (Samstagausgabe). Er sei sich mit dem EU-Außenbeauftragten Javier Sola-na und Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner einig, dass ein solcher Besuch stattfin-den sollte, sobald es die Lage erlaube. "Darüber bleiben wir mit Bagdad im direkten Ge-spräch", sagte der Minister weiter. Der Zeitpunkt sei keine Frage von Wochen, Monaten oder Quartalen, sondern hänge von der Sicherheitslage ab. Deutschland hat noch bis Ende Juni den Ratsvorsitz in der Europäischen Union (EU). (REUTERS) 24.Februar 39 Tote bei Bombenanschlag im Irak Bei einem Bombenanschlag auf eine Moschee in der westirakischen Stadt Habbanija sind am Samstag mindestens 39 Menschen getötet und mehr als 60 verwundet worden. Wie die Behörden mitteilten, explodierte ein mit Sprengstoff und Baumaterialien beladener Lastwa-gen. Der Anschlag richtete sich gegen sunnitische Gläubige und galt als Anzeichen für wachsende Konflikte unter den Sunniten. Der Imam der Moschee hatte sich gegen die Auf-ständischen ausgesprochen. Auch in Bagdad hielt die Gewalt an. Bei Anschlägen in vor al-lem von Schiiten bewohnten Stadtteilen wurden am Samstag mindestens 14 Menschen getö-tet. Nach Einbruch der Dunkelheit waren dann rund 20 schwere Explosionen zu hören. Nach US-Angaben handelte es sich um Artilleriefeuer. Anwohner berichteten von einem Gefecht zwischen den US-Streitkräften und Aufständischen im Süden von Bagdad. Als Reaktion auf die vorübergehende Festnahme des Sohns eines prominenten schiitischen Politikers war es zuvor zu heftigen Protesten der Schiiten gekommen. Rund 8.000 Menschen versammelten sich in Nadschaf, schwenkten irakische Fahnen und Bilder von Abdul Asis al Hakim und sei-nem Sohn Amar. Abdul Asis al Hakim ist Vorsitzender der größten schiitischen Partei, dem Obersten Rat für die Islamische Revolution im Irak (SCIRI) und unterhält seit langem enge Beziehungen zum Iran. Amar al Hakim war am Freitag nach seiner Rückkehr aus dem Iran von US-Soldaten festgenommen und erst nach fast zwölf Stunden wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Al Hakims Festnahme sei eine Beleidigung des gesamten irakischen Volkes, sagte einer der Demonstranten in Nadschaf, Hassan al Schebli. Die US-Truppen nannten die Festnahme von al Hakim einen «unglücklichen Vorfall», US-Botschafter Zalmay Khalilzad entschuldigte sich umgehend. Die US-Streitkräfte betonten, al Hakim sei während der ganzen Aktion «mit Würde und Respekt» behandelt worden. Al Hakim erklärte hingegen, er selbst sei grob behandelt, seine Leibwächter seinen «heftig misshandelt» wor-den. Er sei aus dem Wagen herausgezogen und durchsucht worden. «Behandelt man so

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eine nationale Persönlichkeit? Dies steht nicht in Übereinstimmung mit der Souveränität I-raks.» Der irakische Vizepräsident Adil Abdul Mahdi nannte das Verhalten der US-Soldaten «unangemessen, töricht und willkürlich». Zwtl: Rund 800 Zivilbeschäftigte des Pentagons im Irak getötet Seit Kriegsbeginn wurden im Irak neben mehr als 3.100 US-Soldaten auch nahezu 800 Zivil-beschäftigte des Pentagons getötet, wie eine Erhebung der Nachrichtenagentur AP ergab. Die Zivilbeschäftigten sind meist bei Unternehmen angestellt, die wie Halliburton, Blackwater und Wackenhut Großaufträge des US-Verteidigungsministeriums angenommen haben. Sie kümmern sich um Reparaturarbeiten für die Streitkräfte, bereiten Mahlzeiten zu, übersetzen Dokumente, bewachen Gefangene oder schützen Militärkonvois. Zu jedem Tod eines Solda-ten gibt das Pentagon eine Pressemitteilung heraus. Die Todesfälle der Zivilbeschäftigten im Irak bleiben jedoch weitgehend im Dunkeln. Unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz hat AP jetzt die Unterlagen zu den im Irak getöteten Zivilbeschäf-tigten über das Arbeitsministerium erhalten. Dort waren bis Ende vergangenen Jahres 769 Todesfälle von Zivilbeschäftigten im Irak und 3.367 Fälle von Verletzungen registriert. (AP) US-Luftwaffe greift Ziele im Südosten Bagdads an Die US-Luftwaffe hat am Samstagabend mutmaßliche Rebellenstellungen in Bagdad ange-griffen. Wie ein Sprecher des Kommandos für die Umsetzung des Sicherheitsplans in der irakischen Hauptstadt sagte, wurden «terroristische Ziele» bombardiert. Diese seien im Rahmen des Sicherheitsplans mit der irakischen Armee abgestimmt worden. Gegen 22.00 Uhr Ortszeit (20.00 Uhr MESZ) erschütterten rund dreißig heftige Explosionen den Südosten der Hauptstadt. Aus dem Innenministerium verlautete, die Angriffe richteten sich gegen Rebellenstellungen im Viertel Bo'aitha am Stadtrand. Die US-Armee war zunächst für einer Stellungnahme nicht zu erreichen. Die Südosten der Millionenstadt ist weniger dicht bebaut und von landwirtschaftlichen Betrieben geprägt. Rebellen errichten dort häufig Straßensper-ren. Der Sicherheitsplan für Bagdad trat am 14. Februar in Kraft. (AFP) 25. Februar Neue Anschläge in Bagdad schwächen US-Sicherheitsoffensive Neue Anschläge mit über 40 Toten haben am Sonntag die irakische Hauptstadt Bagdad er-schüttert und die vor zehn Tagen begonnene US-Sicherheitsoffensive weiter geschwächt. Mindestens 40 Menschen wurden bei einem Selbstmordanschlag vor einer Wirtschaftsfakul-tät in Bagdad getötet, 30 weitere wurden verletzt. Zuvor waren bei einem Autobombenan-schlag in der Nähe der iranischen Botschaft zwei Menschen getötet und acht verletzt wor-den. Ein Sprecher der US-Armee dementierte, dass die US-Luftwaffe mutmaßliche Rebel-lenstellungen in Bagdad angegriffen habe Der Selbstmordanschlag richtete sich gegen die Wirtschaftsfakultät der Mustansarija-Universität im Osten der irakischen Hauptstadt, die überwiegend von Schiiten besucht wird. Die Fakultät liegt außerhalb des Campus in der Nähe des Schiitenviertels Sadr City. Die meisten der Opfer waren Studenten, die Hälfte von ihnen Frauen, wie Sicherheitskräfte mitteilten. Bei einem Doppelanschlag auf die Universität waren Mitte Januar mindestens 70 Menschen getötet und 140 verletzt worden.

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Rund 50 Meter von der iranischen Botschaft entfernt explodierte am Sonntagmorgen ein Kleinbus mit Sprengstoff. Dabei wurden zwei Passanten getötet. Ein Sprecher der Botschaft sagte der Nachrichtenagentur AFP, er glaube nicht, dass die Botschaft das Ziel des An-schlags gewesen sei. Im Norden des Landes wurden am Snntag mindestens vier weitere Menschen von Aufständischen getötet. Ein Sprecher der US-Armee dementierte einen US-Luftangriff auf mutmaßliche Rebellenstel-lungen vom Samstag. Die US-Armee habe nach einem Angriff von Aufständischen mit schwerer Artillerie zurückgefeuert. Ein irakischer Armeeoffizier, der mit der Umsetzung des Sicherheitsplans in der irakischen Hauptstadt betraut ist, hatte zuvor von Bombardements auf «terroristische Ziele» gesprochen. Diese seien im Rahmen des Sicherheitsplans für Bag-dad, der am 14. Februar in Kraft trat, mit der irakischen Armee abgestimmt worden. (AFP) Iraks Präsident Talabani zu ärztlicher Behandlung in Jordanien Der irakische Präsident Dschalal Talabani ist zur ärztlichen Behandlung nach Jordanien ge-bracht worden. Wie der irakische Präsidentschaftsrat am Sonntagabend in Bagdad bekannt gab, hat sich der 73-Jährige überarbeitet und ist wegen Schwächeerscheinungen «zu zu-sätzlichen medizinischen Untersuchungen» ins Nachbarland gebracht worden. Es bestehe jedoch «kein Anlass zur Besorgnis», hieß es in der Erklärung weiter. Talabani steht als Kur-de an der Spitze des dreiköpfigen irakischen Präsidentschaftsrats. Das irakische Staatsoberhaupt wurde noch am Abend im Hussein-Klinikum in Amman auf-genommen. Auf Anweisung des jordanischen Königs Abdullah II. an die esundheitsbehörden sollte Talabani bis zu seiner Genesung «die besten Behandlung» erhalten. (dpa) 26.Februar Minderheiten im Irak werden auf vielfältige Art verfolgt Die religiös motivierte Gewalt im Irak trifft die Minderheiten wie Christen, Juden, Palästinen-ser und Turkmenen besonders stark. Ethnische und religiöse Minderheiten des Landes würden zu Opfern «von Angriffen, Entführungen und Drohungen von allen Seiten, und einige Gemeinden, die seit 2000 Jahren im Irak leben, stehen jetzt vor der Vernichtung», heißt es in einem Bericht, den die in London ansässige Menschenrechtsgruppe Minority Rights Group International am Montag veröffentlichte. Im Kampf um die Vorherrschaft im Irak würden sie von Sunniten, Schiiten und Kurden gleichermaßen mit Gewalt überzogen. Die Minderheiten im Irak machen rund zehn Prozent der Bevölkerung aus. Von den schät-zungsweise 1,8 Millionen irakischen Flüchtlingen gehöre aber jeder dritte einer Minderheit an, heißt es in dem Bericht «Assimilation, Exodus, Vernichtung: Die Minderheiten im Irak seit 2003» weiter. «Die Gemeinden der irakischen Minderheiten leben unter hoffnungslosen Be-dingungen, die sowohl im Irak als auch im internationalen Geschehen vollkommen ignoriert werden.»

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Obwohl zahlreiche Christen außer Landes fliehen müssten, weil sie der Kollaboration mit den amerikanischen und britischen Truppen verdächtigt würden, hätten nur sehr wenige in den USA und in Großbritannien Aufnahme gefunden. Das Flüchtlingsproblem dürfe aber nicht nur den Nachbarstaaten des Irak überlassen werden, betonte die Minority Rights Group In-ternational. (AFP) Irakischer Vizepräsident bei Anschlag leicht verletzt Der irakische Vizepräsident Adel Abdul Mahdi ist am Montag bei einem Autobombenan-schlag mit Prellungen davongekommen. Nach Angaben eines seiner Berater galt der An-schlag offenbar dem Politiker. Die Bombe explodierte in der Nähe eines Gebäudes im Wes-ten Bagdads, in dem er an einer Konferenz teilnahm. Mindestens zehn Zivilpersonen wurden in den Tod gerissen, 18 weitere wurden verletzt. Der Schiit Abdul Mahdi ist einer von zwei Vizepräsidenten des Iraks. Er wurde zur Untersuchung in ein Krankenhaus eingeliefert. Er habe zum Zeitpunkt des Anschlags eine Rede gehalten und sei gestürzt, sagte der Berater. (AP) USA - Neue Beweise für iranische Waffen im Irak Die USA haben nach eigenenAngaben neue Beweise für den Einsatz iranischer Waffen im Irak. Das US-Militär teilte am Montag mit, mehrere Waffen iranischer Bauart, darunter Rake-ten und Mörsergranaten, seien am Samstag in der Nähe der Stadt Bakuba nördlich von Bagdad gefunden worden. Es stehe außer Zweifel, dass die Waffen iranischer Bauart seien. Allerdings gebe es keine Möglichkeit herauszufinden, ob die Regierung in Teheran an Waf-fenlieferungen in das Nachbarland beteiligt sei. Die betreffenden Waffen wurden Journalisten von US-Militärvertretern auf einer US-Basis in Bagdad gezeigt. Für welche Gruppe irakischer Aufständischer die Waffen bestimmt waren, blieb unklar. US-Major Jeremy Siegrist sagte, die Waffen seien in der Nähe eines Dorfes gefunden worden, in dem Anhänger der Mehdi-Miliz des einflussreichen schiitischen Geistlichen Moktada al-Sadr aktiv seien. Nach US-Einschätzung zählt die Miliz von Sadr zu den größten Bedrohungen für die Sicherheitslage im Irak. Die USA werfen dem Iran vor, die Gewalt im Irak anzuheizen und damit gegen die US-Truppen zu arbeiten. Der Iran hat diese Vorwürfe zurückgewiesen. Wegen des weiter ungelösten Atomstreits mit dem Iran haben sich die Fronten zuletzt verhärtet. Medienberich-te über erste Vorbereitungen eines Angriffs auf den Iran haben die USA zurückgewiesen. (REUTERS) 14 Tote bei Anschlag mit Krankenwagen im Irak Bei einem Anschlag mit einer in einem Krankenwagen versteckten Bombe sind im Irak 14 Menschen getötet worden. Das Attentat habe sich gegen eine Polizeiwache im westlich von Bagdad gelegenen Ramadi gerichtet, sagte Omar el Aluani, Arzt eines nahe gelegenen Krankenhauses. Sieben Menschen seien bei dem Anschlag verletzt worden. Unter den To-ten seien fünf Polizisten und neun Zivilisten, darunter auch drei Kinder und drei Frauen. Der Stadtteil, in dem sich der Anschlag ereignete, wird von einem sunnitischen Stamm kontrol-liert, der sich gegen El Kaida stellt. Der Krankenwagen war Aluani zufolge vor zwei Tagen gestohlen worden. Ein Selbstmordat-tentäter habe ihn in die Polizeiwache gefahren, wodurch diese eingestürzt sei. (AFP) 27.Februar

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Schicksal von Irak-Geiseln weiter ungewiss Das Schicksal der beiden im Irak entführten Deutschen bleibt ungewiss. Der Krisenstab ar-beite rund um die Uhr daran, ihnen die Rückkehr zu ihren Angehörigen zu ermöglichen, sag-te ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Dienstag auf ddp-Anfrage. Die im Umland von Berlin geborene 60-jährige Frau und ihr 20 Jahre alter Sohn waren vor rund drei Wochen in Bagdad verschleppt worden. (dpa) Iraks Kabinett billigt Öl-Gesetz - Weitere blutige Anschläge Das irakische Kabinett hat nach wochenlangen Beratungen den Entwurf eines neuen Öl-Gesetzes beschlossen. Danach sollen die Öl- und Gas-Einnahmen in einen zentralen Fonds fließen, sagte Ministerpräsident Nuri al-Maliki am Dienstag vor Journalisten in Bagdad. Die Gelder des Fonds würden dann auf die 18 Provinzen gemäß der Bevölkerungszahl aufge-teilt, erläuterte Al-Maliki. Die Bestimmung soll es auch den sunnitischen Politikern, deren Provinzen über keine nennenswerten Vorkommen verfügen, ermöglichen, für die Vorlage zu stimmen.

Mit der geplanten Neuregelung werden nach den Worten des Regierungschefs «die Bürger des Iraks zu den hauptsächlichen Besitzern des Öl- und Gasreichtums». Mit Reserven im Umfang von 115 Milliarden Barrel verfügt der Irak über die drittgrößten Erdölvorkommen der Welt. Die am Montagabend vom Kabinett angenommene Vorlage muss noch vom Parlament verabschiedet werden. Der Entwurf sieht keine explizite Privatisierung der Ölindustrie vor. Er setzt aber jene starke regionale Dezentralisierung um, wie sie auch in der 2005 in einer Volksabstimmung gebilligten und von den Sunniten abgelehnten Verfassung enthalten ist. Bei Anschlägen kamen indes in Bagdad, Mossul und Ramadi mindestens neun Menschen ums Leben. In der irakischen Hauptstadt starben durch eine Autobombe sowie durch einen Sprengsatz in einem Restaurant insgesamt fünf Menschen. In der Nähe der nordirakischen Stadt Mossul sprengte sich ein Selbstmordattentäter am Eingang eines Bauunternehmens in die Luft. Er riss mindestens drei weitere Menschen in den Tod, berichtete die Nachrichten-agentur Aswat al-Irak. Bei der Explosion einer Autobombe vor einer Moschee in Ramadi, 100 Kilometer westlich von Bagdad, wurden am Vortag 15 Menschen getötet, darunter Frauen und Kinder, bestätigte das US-Militärkommando.

Irakische Sondereinheiten und US-Soldaten durchsuchten am Dienstag die Bagdader Schii-ten-Vorstadt Sadr-City, eine Hochburg des radikalen schiitischen Predigers Muktada al-Sadr. Dabei nahmen sie 16 Personen fest, die unkontrollierbaren Fraktionen von Al-Sadrs Miliz, der so genannten Mahdi-Armee, angehören sollen. Zu Zusammenstößen kam es dabei nicht. (dpa)

18 Kinder beim Fußballspielen im Irak getötet

In der westirakischen Stadt Ramadi sind am Dienstag 18 Kinder beim Fußballspielen durch eine Autobombe getötet worden. Die Kinder im Alter zwischen zehn und 15 Jahren spielten nach Angaben aus dem Verteidigungsministerium auf dem Fußballplatz, als der Sprengsatz in der Nähe explodierte. 20 weitere Kinder wurden verletzt. Erst am Montag waren in Ramadi

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15 Menschen bei einem Attentat getötet worden, für das das Terrornetzwerk El Kaida ver-antwortlich gemacht wird. Aufgrund der Verschlechterung der Sicherheitslage stellt die deut-sche Hilfsorganisation HELP ihre Projekte im Irak ein.

Ramadi liegt in der Unruheprovinz El Anbar, einer Hochburg des Widerstands gegen die US-Truppen. Gleichzeitig bekämpfen sich dort rivalisierende sunnitische Gruppen. Am Samstag waren bei einem Anschlag auf die sunnitische Mosche in Habbanija bei Ramadi 56 Menschen getötet worden. Auch dafür machte die Regierung das Terrornetzwerk El Kaida verantwortlich. Im Herbst hatten einflussreiche sunnitische Scheichs in El Anbar eine Offen-sive gegen aus- und inländische Unterstützer des Terrornetzwerks gestartet. Die Anschlag-serie der vergangenen Tage wird als Reaktion darauf gewertet.

In Bagdad starben am Dienstag bei einem Autobombenanschlag im mehrheitlich schiitischen Viertel Karrada nach Angaben aus Sicherheitskreisen zwei Menschen, sieben wurden ver-letzt. Bei einem zweiten Anschlag in dem Viertel auf den Konvoi einer wichtigen Persönlich-keit starben fünf Passanten; der Konvoi selbst wurde nicht getroffen. In weiteren Stadtvier-teln wurden bei Bombenanschlägen und durch Beschuss mit Mörsergranaten mindestens zwölf Menschen getötet, darunter drei US-Soldaten. Im nordirakischen Mossul kamen bei einem Anschlag mindestens sechs Polizisten ums Leben.

Die Hilfsorganisation HELP kündigte aufgrund der Sicherheitslage an, am Mittwoch ihre Hilfsprojekte im Irak einzustellen. Betroffen sind Projekte zur Minenräumung und Wasserver-sorgung. Nach Angaben der Organisation wurden die HELP-Projekte im Irak nach dem Ab-zug der internationalen Mitarbeiter im September 2004 ausschließlich von irakischen Mitar-beitern betreut. «Wir bedauern sehr, dass wir dem irakischen Volk nicht weiter bei der Be-wältigung seiner schwierigen Situation helfen können und unsere irakischen Mitarbeiter aus Sicherheitsgründen entlassen müssen,» sagte HELP-Geschäftsführer Wolfgang Nierwetberg in Bonn.

Um die prekäre Sicherheitslage soll es auch in einer internationalen Konferenz gehen, zu der die irakische Regierung die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates und alle Nachbarlän-der einlud. Nach Angaben eines Regierungsberaters sollen auch der Iran und Syrien teilnehmen. (AFP)

28. Februar

Schicksal der beiden entführten Deutschen im Irak weiter unklar

Das Schicksal der beiden vor rund drei Wochen im Irak verschleppten deutschen Staatsan-gehörigen ist weiter ungewiss. Der Krisenstab arbeite intensiv rund um Uhr, um eine sichere Rückkehr der beiden Deutschen zu ihren Familien zu erreichen, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Mittwoch auf Anfrage. Einzelheiten wurden zum Schutz der Betroffe-nen nicht mitgeteilt. Bei den Entführten soll es sich nach Medienberichten um eine etwa 60 Jahre alte Frau und ihren 20-jährigen Sohn handeln, die seit Jahrzehnten im Irak leben. Sie waren am 6. Februar aus ihrer Wohnung in der irakischen Hauptstadt Bagdad von be-

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waffneten Unbekannten verschleppt worden. Unklar ist bislang, ob die Tat einen politischen Hintergrund hat oder die Kidnapper in erster Linie auf Lösegeld aus sind. Anders als bei den Entführungen der beiden Leipziger René Bräunlich und Thomas Nitzschke im vergangen Jahr wurden bisher weder ein Geiselvideo veröffentlicht noch konkrete Forderungen be-kannt. Im Irak halten sich noch etwa 100 Bundesbürger auf. Das Auswärtige Amt warnt seit Jahren eindringlich vor Reisen in das Land. (dpa)

Irak zieht Bericht über getötete Kinder in Anbar zurück Der Irak hat einen Berichtzurückgezogen, dem zufolge am Dienstag zahlreiche Kinder bei einem Anschlag nahe eines Fußballplatzes in Anbar getötet wurden. Es habe wegen eines ähnlichen Angriffs am Tag zuvor Verwirrung gegeben, sagte am Mittwoch ein Sprecher der Sicherheitskräfte in der Provinz. Das US-Militär hatte am Dienstag erklärt, es lägen keine Informationen über einen neuen Anschlag in Anbar vor. Allerdings habe die US-Armee nahe einem Fußballfeld eine kontrollierte Sprengung vorgenommen, wobei 30 Menschen verletzt worden seien. Stammesführer hatten für den Angriff die Al-Kaida verantwortlich gemacht. (REUTERS)

Versöhnungskonferenz soll Irak mehr Stabilität bringen Irak hat Nachbarstaaten und die UN-Vetomächte zu einer Konferenz nach Bagdad eingela-den, um das von Aufstand und Aufruhr heimgesuchte Land zu stabilisieren. Das Treffen am 10. März soll dem Land mehr Sicherheit bringen und damit auch zur Aussöhnung des iraki-schen Volkes beitragen, wie Ministerpräsident Nuri al-Maliki am Mittwoch erläuterte. Auch hoffe er auf Unterstützung für seine Regierung der nationalen Einheit. Offizielle Einladungen wurden demnach an die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats sowie an Ägypten, die Arabische Liga und die Organisation der Islamischen Konferenz verschickt. Die USA, Frankreich und Syrien sagten zu, der Iran erwägt eine Teilnahme. Die Bundesregierung be-grüßte die Pläne. Besonders positiv sei, dass die einflussreichen Nachbarstaaten des Iraks - Syrien und Iran - in die Konferenz eingebunden werden sollen. Der stellvertretende Regie-rungssprecher Thomas Steg stellte zudem die Teilnahme Deutschlands in Aussicht. Es liege nahe, dass Deutschland als gegenwärtiger Vorsitzender in der Gruppe der acht wirtschafts-stärksten Nationen (G-8) an den Konferenzen mitwirke. Das Kabinett habe aber noch keine formelle Entscheidung dazu getroffen, sagte Steg. Das Treffen im März soll zunächst auf der Ebene von Beamten abgehalten werden. Nach US-Angaben wird dem voraussichtlich ein zweites Treffen im April auf Außenminister-Ebene folgen. Der Ort der zweiten Konferenz ist der Bundesregierung zufolge noch unklar. Teilnehmen sollen neben den ständigen Mitglie-dern im UN-Sicherheitsrat und den Nachbarstaaten des Irak auch die Minister der acht wich-tigsten Industrienationen (G8). USA SAGEN TEILNAHME ZU - IRAN ERWÄGT EBENFALLS Die USA haben bereits ihre Teilnahme an den Konferenzen bereits zugesagt. Außenministe-rin Condoleezza Rice hatte zudem die Teilnahme Irans und Syriens als wünschenswert be-zeichnet. Ein Sprecher des US-Präsidialamts betonte aber, dass die Vereinigten Staaten ihre Politik gegenüber den beiden Staaten nicht änderten. `Es ist nur ein weiteres Beispiel für die diplomatische Arbeit der USA`, sagte er. Iran und Syrien werden von den USA beschuldigt, für die Unruhen im Irak mit verantwortlich zu sein. Insbesondere werden ihnen mangelnde Kontrollen der gemeinsamen Grenze vorgeworfen, über die Nachschub für die Aufständi-schen in das Land gebracht wird. Bei Teilnahme der USA und des Iran könnte es erstmals auch zu direkten Gesprächen zwischen beiden Staaten kommen, zu denen sich die US-Regierung bislang erst bereit erklärt hat, wenn der Iran auf die Fortsetzung seiner Uran-Anreicherung verzichtet. Wie die syrische Nachrichtenagentur Sana meldete, will auch die Regierung in Damaskus Vertreter zur Konferenz schicken. Auch die Führung in Teheran be-tonte ihre Bereitschaft zur Teilnahme. Der Chefunterhändler bei den Atomgesprächen und

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Chef des nationalen Sicherheitsrats, Ali Laridschani, sagte, Iran tue sein möglichstes, um eine Lösung für die Konflikte im Nachbarland zu erreichen. `Wir werden an dem Treffen teil-nehmen, wenn wir zu dem Schluss kommen, dass es im Interesse des Iraks ist`, sagte er in Teheran. (REUTERS)