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436 Ernährungs Umschau | 8/2011 Fort- & Weiterbildung | Darmerkrankungen Krankheitsdefinition Der Morbus Crohn wurde erstmals 1932 von CROHN, GINZBURG und OP - PENHEIM als Enteritis regionalis oder Ileitis terminalis (Befall des letzten Anteils des Dünndarmes) beschrie- ben. Er ist gekennzeichnet durch eine chronische, die gesamte Darmwand erfassende Entzündung, die auf- grund der wandüberschreitenden (transmuralen) entzündlichen Ver- änderungen zu Verklebungen von Darmschlingen, zu Abszessen oder Fisteln führen kann. Bevorzugt er- krankt sind das terminale Ileum, wie sich auch in der Namensgebung „Ileitis terminalis“ widerspiegelt, sowie das Rektum und das Colon sigmoideum. Beim Morbus Crohn zeigt sich typischerweise ein seg- mentaler diskontinuierlicher Schleim- hautbefall (so genannte skip lesions, d. h. nur ein Befall einzelner, nicht zu- sammenhängender Darmabschnit- te), der im gesamten Gastrointesti- naltrakt von der Mundhöhle bis zum After auftreten kann. Im Gegensatz dazu breitet sich die Colitis ulcerosa in der Regel nur im Colon vom After Richtung Ileocae- calklappe aus, wobei die Erkran- kung häufig jahrelang oder dauer- haft auf den linken Kolonteil (Colon descendens, Colon sigmoideum) als „Linksseiten-Kolitis“ begrenzt bleibt. In seltenen Fällen kommt es zu einer „Backwash-Ileitis“ – einem Befall eines Teils des terminalen Ileums. Im Gegensatz zum Morbus Crohn weist die Colitis ulcerosa typischerweise ein kontinuierliches Befallsmuster mit einer überwiegend mukosalen Entzündung auf, d. h. einer auf die Schleimhaut begrenzten Entzün- dung. Entsprechend finden sich Fis- teln oder Abszesse so gut wie nie bei der Colitis ulcerosa. Epidemiologie Beide Erkrankungen treten deutsch- landweit in etwa gleich häufig auf, die Inzidenz liegt bei etwa 4 bis 5 pro 100 000 Einwohnern pro Jahr, die Prävalenz bei 50 bis 100 pro 100000 Einwohner. Interessanter- weise findet sich ein deutliches Nord- Süd-Gefälle – mit weniger Erkran- kungen im Süden – weltweit. Die Erstmanifestation der CED liegt ty- pischerweise zwischen dem 15. und 40. Lebensjahr, ein zweiter Alters- gipfel zeigt sich zwischen dem 60. und 80. Lebensjahr [1]. Verlaufsformen Als chronische Erkrankungen kön- nen die CED sehr unterschiedliche Verlaufsformen aufweisen. Etwa die Hälfte der Patienten erkrankt einma- lig und ist im weiteren Verlauf be- schwerdefrei. Die andere Hälfte der CED-Patienten weist kontinuierlich Symptome ohne beschwerdefreie In- tervalle auf oder zeigt rezidivierende Krankheitsschübe, unterbrochen von beschwerdefreien Intervallen. Nur bei einem sehr kleinen Anteil der Pa- tienten (etwa 3 %) nimmt die Krank- heitsaktivität im Verlauf kontinuier- lich zu [2, 3]. Ätiopathogenese Trotz intensiver Forschungsbemü- hungen ist die Ätiologie (die Ursa- chen), der CED noch weitgehend un- geklärt. Man nimmt eine multifak- torielle Verursachung an, wobei genetische Faktoren, Umweltein- flüsse, die angeborene Immunitäts- lage sowie psychische und diäteti- sche Faktoren eine Rolle zu spielen scheinen. Ätiologie Aus Ergebnissen epidemiologischer Untersuchungen, insbesondere aus Familien- und Zwillingsstudien, konnte eine genetische Komponente der CED gesichert werden. So besteht eine familiäre Häufung mit erhöh- tem Erkrankungsrisiko für Ver- wandte ersten Grades von Patienten mit chronisch entzündlichen Darm- erkrankungen, bei eineiigen Zwillin- gen erkrankt der zweite Zwilling in 50 bis 60 % der Fälle, bei zweieiigen Zwillingen hingegen in 4 bis 5 % der Fälle. Auch gibt es ethnische Unter- schiede in der Prävalenz der Erkran- kung mit einer Häufung in der jüdi- schen Bevölkerung [4]. Durch Einsatz molekulargenetischer Methoden konnten verschiedene Chronisch entzündliche Darmerkrankungen Grundlagen, Neues zur Diagnostik und Therapie Birgit Terjung, Bonn Der Begriff chronisch entzünd- liche Darmerkrankungen (CED) bezeichnet in Schüben verlau- fende chronische Darmentzün- dungen, hierzu zählen der Morbus Crohn und die Colitis ulcerosa. Sie unterscheiden sich in ihrem Verteilungsmuster der Darment- zündung im Kolon sowie in ihrem endoskopischen und histologi- schen Bild. In einigen Fällen ist eine exakte Zuordnung zu einer der beiden Erkrankungen nicht oder nur im weiteren Krankheits- verlauf möglich, sodass von einer Colitis indeterminata gesprochen wird. Beleg/Autorenexemplar! Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme.

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436 Ernährungs Umschau | 8/2011

Fort- & Weiterbildung | Darmerkrankungen

Krankheitsdefinition

Der Morbus Crohn wurde erstmals1932 von CROHN, GINZBURG und OP-PENHEIM als Enteritis regionalis oderIleitis terminalis (Befall des letztenAnteils des Dünndarmes) beschrie-ben. Er ist gekennzeichnet durch einechronische, die gesamte Darmwanderfassende Entzündung, die auf-grund der wandüberschreitenden(transmuralen) entzündlichen Ver-änderungen zu Verklebungen vonDarmschlingen, zu Abszessen oderFisteln führen kann. Bevorzugt er-krankt sind das terminale Ileum,wie sich auch in der Namensgebung„Ileitis terminalis“ widerspiegelt,sowie das Rektum und das Colonsigmoideum. Beim Morbus Crohnzeigt sich typischerweise ein seg-mentaler diskontinuierlicher Schleim-hautbefall (so genannte skip lesions,d. h. nur ein Befall einzelner, nicht zu-

sammenhängender Darmabschnit-te), der im gesamten Gastrointesti-naltrakt von der Mundhöhle biszum After auftreten kann. Im Gegensatz dazu breitet sich dieColitis ulcerosa in der Regel nur imColon vom After Richtung Ileocae-calklappe aus, wobei die Erkran-kung häufig jahrelang oder dauer-haft auf den linken Kolonteil (Colondescendens, Colon sigmoideum) als„Linksseiten-Kolitis“ begrenzt bleibt.In seltenen Fällen kommt es zu einer„Backwash-Ileitis“ – einem Befalleines Teils des terminalen Ileums. ImGegensatz zum Morbus Crohn weistdie Colitis ulcerosa typischerweiseein kontinuierliches Befallsmustermit einer überwiegend mukosalenEntzündung auf, d. h. einer auf dieSchleimhaut begrenzten Entzün-dung. Entsprechend finden sich Fis-teln oder Abszesse so gut wie nie beider Colitis ulcerosa.

Epidemiologie

Beide Erkrankungen treten deutsch-landweit in etwa gleich häufig auf,die Inzidenz liegt bei etwa 4 bis 5 pro100 000 Einwohnern pro Jahr, diePrävalenz bei 50 bis 100 pro100 000 Einwohner. Interessanter-weise findet sich ein deutliches Nord-Süd-Gefälle – mit weniger Erkran-kungen im Süden – weltweit. DieErstmanifestation der CED liegt ty-pischerweise zwischen dem 15. und40. Lebensjahr, ein zweiter Alters-gipfel zeigt sich zwischen dem 60.und 80. Lebensjahr [1].

Verlaufsformen

Als chronische Erkrankungen kön-nen die CED sehr unterschiedlicheVerlaufsformen aufweisen. Etwa die

Hälfte der Patienten erkrankt einma-lig und ist im weiteren Verlauf be-schwerdefrei. Die andere Hälfte derCED-Patienten weist kontinuierlichSymptome ohne beschwerdefreie In-tervalle auf oder zeigt rezidivierendeKrankheitsschübe, unterbrochen vonbeschwerdefreien Intervallen. Nurbei einem sehr kleinen Anteil der Pa-tienten (etwa 3 %) nimmt die Krank-heitsaktivität im Verlauf kontinuier-lich zu [2, 3].

Ätiopathogenese

Trotz intensiver Forschungsbemü-hungen ist die Ätiologie (die Ursa-chen), der CED noch weitgehend un-geklärt. Man nimmt eine multifak-torielle Verursachung an, wobeigenetische Faktoren, Umweltein-flüsse, die angeborene Immunitäts-lage sowie psychische und diäteti-sche Faktoren eine Rolle zu spielenscheinen.

Ätiologie

Aus Ergebnissen epidemiologischerUntersuchungen, insbesondere ausFamilien- und Zwillingsstudien,konnte eine genetische Komponente derCED gesichert werden. So bestehteine familiäre Häufung mit erhöh-tem Erkrankungsrisiko für Ver-wandte ersten Grades von Patientenmit chronisch entzündlichen Darm-erkrankungen, bei eineiigen Zwillin-gen erkrankt der zweite Zwilling in50 bis 60 % der Fälle, bei zweieiigenZwillingen hingegen in 4 bis 5 % derFälle. Auch gibt es ethnische Unter-schiede in der Prävalenz der Erkran-kung mit einer Häufung in der jüdi-schen Bevölkerung [4].Durch Einsatz molekulargenetischerMethoden konnten verschiedene

Chronisch entzündliche DarmerkrankungenGrundlagen, Neues zur Diagnostik und Therapie

Birgit Terjung, Bonn

Der Begriff chronisch entzünd-liche Darmerkrankungen (CED)bezeichnet in Schüben verlau-fende chronische Darmentzün-dungen, hierzu zählen der MorbusCrohn und die Colitis ulcerosa. Sie unterscheiden sich in ihremVerteilungsmuster der Darment-zündung im Kolon sowie in ihremendoskopischen und histologi-schen Bild. In einigen Fällen isteine exakte Zuordnung zu einerder beiden Erkrankungen nichtoder nur im weiteren Krankheits-verlauf möglich, sodass von einerColitis indeterminata gesprochenwird.

Beleg/Autorenexemplar!Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme.

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Kandidaten-Gene identifiziert wer-den, die die Krankheitsentstehungmit unterstützen, aber alleine dieKrankheit nicht auslösen können (sogenannte „Suszeptibilitätsgene“). Sowurden bei Erkrankten mit MorbusCrohn Varianten des CARD15-Gens(NOD2-Gens) gefunden, die durcheine verminderte Defensinexpressionim terminalen Ileum zu Defekten inder Bakterienerkennung führen [5].Defensine sind Bestandteil einer anti-bakteriell wirksamen Schleimschichtauf der dem Darmlumen zuge-wandten Seite der Darmschleim-hautzellen. Das homozygote Vor-kommen des NOD2-(CARD15-)Gens ist mit einem bis zu 17-facherhöhten Erkrankungsrisiko assozi-iert [6, 7]. Allerdings entwickelntrotzdem die wenigsten Individuenmit einer homozygoten Mutationeine definitive Erkrankung, denn derMorbus Crohn stellt keine monoge-netische Erkrankung dar, wie diesvom „Mendel-Vererbungsmodus“als Grundlage für rezessiv und do-minant vererbte Erkrankungen be-kannt ist.

Auch für die Colitis ulcerosa sind ge-netische Suszeptibilitätsgene gefun-den worden, ohne dass bislang aberein einzelner spezifischer Gendefektidentifiziert werden konnte.

Das genetisch prädisponierte Risiko,an CED zu erkranken, wird demzu-folge wesentlich durch äußere, indi-viduell variierende Faktoren wie Um-welt und Lebensstil mit beeinflusst.

Hierbei ist das Rauchen sicher der ambesten untersuchte Risikofaktor fürden Morbus Crohn. In Metaanalysenkonnte gezeigt werden, dass rau-chende Patienten mit einem MorbusCrohn nicht nur häufiger akuteSchübe erleiden, sondern auch dieAnzahl chirurgischer Interventionensowie der Bedarf an Steroiden undImmunsuppressiva bei diesen Patien-ten erhöht ist [8]. Paradoxerweiseweist der Nikotingenuss bei der Co-litis ulcerosa einen gewissen protek-tiven Effekt auf. Dabei entsprechenNikotinpflaster in ihrer Wirkungnicht dem Nikotin in der Zigarette.

Passives Rauchen scheint den glei-chen Effekt auf beide Erkrankungenzu haben wie aktives Rauchen.Auch ein hoher häuslicher Hygiene-standard scheint mit dem Auftreteneines Morbus Crohn positiv assozi-iert zu sein, umgekehrt sollenschlechtere hygienische Verhältnisse,wie z. B. in Entwicklungsländern ge-häuft zu finden, vor chronisch ent-zündlichen Darmerkrankungen ten-denziell eher schützen. Man nimmtan, dass „übertriebene“ Hygiene-standards, insbesondere in der frü-hen Kindheit, möglicherweise zueiner fehlenden Stimulation des an-geborenen Immunsystems und/oderzu einer übermäßigen immunolo-gischen Reaktion auf harmloseMagen-Darm-Infekte führen [9].Diese Beobachtung wird letztlichauch dadurch gestützt, dass Thera-piestudien mit Eiern des Schwei-nepeitschenwurmes (Trichuris suis)einen günstigen Einfluss auf denKrankheitsverlauf und die Behand-lung leichter bis mäßig ausgeprägterKrankheitsschübe der CED bewirkenkonnten. Unter dieser Therapiekommt es zu einer Stimulation derangeborenen TH2-Immunantwort,die bei den CED unterdrückt ist [10].

Der Einfluss psychischer Faktoren(Stress, seelische Belastung) auf dieEntstehung der CED scheint eher ge-ring zu sein. Stressbelastungen kön-nen durch die zum Teil sehr die Le-bensqualität einschränkenden Be-schwerden (z. B. mehrfach nächtli-che Durchfälle, erheblich einge-schränkte soziale Aktivitäten auf-grund der hohen Durchfallfrequenz)zu einer Krankheitsaktivierung füh-ren.

Diätetische Faktoren wie z. B. der(übermäßige) Genuss von raffinier-ten Kohlenhydraten in der Kindheitoder der von gehärteten Fetten schei-nen keinen wesentlichen Einfluss aufdie Entstehung der CED zu haben.

Pathogenese

In den letzten Jahren konnten inten-sive Forschungen dazu beitragen, diePathogenese (Entstehung) der CEDweiter aufzuklären (� Abbildung 1).Bei den CED-Patienten konnte als be-vorzugte Erkrankungslokalisationdas Kolon und/oder das terminaleIleum nachgewiesen werden. An bei-den Darmlokalisationen findet sicheine ausgesprochen hohe Bakterien-

Abb. 1: Pathogenesekomplex der CED

GenetischeFaktoren

Umwelt-einflüsse

Barriere-defekt

MikrobielleDarmflora

AngeboreneImmunität

dichte, mit bis zu 1012 Mikroorga-nismen pro Gramm Stuhl im Dick-darm (im terminalen Ileum immer-hin noch bis zu 108 Mikroorga-nismen), sodass der Einfluss dieserDarmbakterien bei der Entstehungder CED derzeit intensiv diskutiertwird. In unterschiedlichen Untersu-chungen konnte eine gestörte anti-mikrobielle Antwort an der Darm-mukosa, hervorgerufen durch einenMangel an Defensinen und anderenantimikrobiellen Substanzen, gezeigtwerden. Dies führt unter anderemzu einem Barrieredefekt der Darm-schleimhaut, der wiederum eine ver-mehrte Durchlässigkeit für Bakterienund Antigene aus dem Darmlumenund damit eine Aktivierung desdarmeigenen Immunsystems (GALT= gut-associated lymphoid tissue) be-dingt [5]. Hierbei wird das so ge-nannte „adaptative Immunsystem“aktiviert. Es reagiert mit der Aus-schüttung von Zytokinen (körperei-

genen Botenstoffen wie IL-6, IL-10,TNF-alpha), die eine Entzündung derDarmschleimhaut mit bedingen.Durch Zelleinwanderung in dieDarmwand bzw. -schleimhaut re-sultieren schließlich die charakteris-tischen Schleimhautschäden der CED(� Abbildung 2) [11].

Fazit: Derzeitige pathogenetischeModelle der CED gehen davon aus,dass es im Zusammenwirken der ver-schiedenen Risikofaktoren bei gene-tisch prädisponierten Individuen zueiner Barrierestörung der Darm-schleimhaut kommt, die zu einer Ak-tivierung des darmeigenen Immun-systems mit nachfolgender Schleim-hautentzündung führt.

Symptome

Leitsymptome der CED sind Durch-fälle und Bauchschmerzen, wobei eseine Vielzahl individueller Verläufe

gibt. Eine sichere klinische Unter-scheidung zwischen Morbus Crohnund Colitis ulcerosa ist nicht immermöglich (� Tabelle 1). Bei etwa 10 %der Patienten wird erst im Verlaufeine sichere Zuordnung möglich, an-derenfalls spricht man von einer Co-litis indeterminata.

Morbus Crohn

Im Gegensatz zur Colitis ulcerosaweisen die Durchfälle beim MorbusCrohn eher selten Blut auf. Dafürkommt es gehäuft zu einem erhebli-chen Gewichtsverlust und Zeicheneiner Mangelernährung, da beimMorbus Crohn der Dünndarm nichtselten miterkrankt ist. Die charakte-ristische transmurale Entzündungkann zur Entstehung von Fisteln,Abszessen und Fissuren in der Anal-region oder im Abdomen führen. Re-zidivierend auftretende Aphthen imMund- oder Lippenbereich sollten

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Fort- & Weiterbildung | Darmerkrankungen

Abb. 2: Vereinfachtes Pathogenesemodell der CED Über eine genetisch prädisponierte, verminderte Schleim- und Defensinsynthese hinausgehend weist die anti-bakteriell wirksame Mukus-Schicht auf der darmzugewandten Seite der Darmschleimhautzellen Defekte auf. Bei zusätzlich vorliegender Mutation in den so genannten „Suszeptibilitätsgenen“ wie z. B. NOD2 kommt es zu einer vermehrten Darmwanddurchlässigkeit für Mikroorganismen. Treten diese in der Folge durch die Darm-wand, bewirkt dies eine Aktivierung des darmeigenen Immunsystems (GALT): Eine Antigenpräsentation (bakte-rielle Peptide) durch Makrophagen (1) führt zu einer Aktivierung von Lymphozyten (2), die unter anderem dieFreisetzung von proinflammatorischen Zytokinen (Botenstoffen) bewirken (3). Diese unterstützen wiederum dieEinwanderung von Entzündungszellen wie neutrophilen Granulozyten in die Darmwand (4) und es kommt so zuden charakteristischen Veränderungen in der Darmschleimhaut.

verminderte Mukus- undDefensinsynthese

Mukus-Defekt

NOD2-Mutation

Darmlumen

Darmepithel

Darmbakterien

neutrophileGranulozyten

4 entzündliche Veränderungendes Darmepithels

1 Antigenpräsentationdurch Makrophagen

2 Aktivierung vonLymphozyten

3 Freisetzung vonproinflammatorischen

Zytokinen (IL-10, TNF-alpha)

Invasionvon intraluminalenMikroorganismen

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auch an einen Morbus Crohn denkenlassen. Je nach im Vordergrund ste-hender Verlaufsform können bevor-zugt Fisteln oder Abszesse (penetrie-render Verlaufstyp) oder Engstellenim Darm (Stenosen, stenosierenderVerlaufstyp) auftreten.

Colitis ulcerosa

Im Gegensatz zum Morbus Crohnstellen blutige Durchfälle, tagsüberund nachts, ein wesentliches klini-sches Zeichen dar, das bei über 80 %der Patienten auftritt. Hierdurchkann es zu erheblichen Blutverlustenmit Ausbildung einer ausgeprägtenEisenmangel-Anämie kommen.

Extraintestinale Begleit-erkrankungen

Der Krankheitsverlauf der CED kannneben der charakteristischen gas-trointestinalen Symptomatik we-sentlich durch das Auftreten von ex-traintestinalen Begleiterkrankungenbestimmt und kompliziert werden.Hier unterscheidet man zwischenden extraintestinalen Manifestatio-nen und den extraintestinalen Kom-plikationen, die von Beschwerdendurch Arzneimitteleinnahme odereiner unabhängigen Zweiterkran-kung abzugrenzen sind (� Abbildung3).

Extraintestinale Manifestationen

Wesentlich beeinflusst werden kannder Krankheitsverlauf bei den CEDdurch das Auftreten von extraintes-tinalen Manifestationen, die nahezujedes Organ außerhalb des Gastroin-testinaltraktes befallen können. DasErkennen und damit die Behandlungder extraintestinalen Manifestatio-nen erfolgt nicht selten verzögert.Hierfür ist letztlich nicht nur dersehr variable Verlauf dieser Manifes-tationen mit ursächlich, sondernauch die Tatsache, dass diese durch-aus bereits vor den ersten Sympto-men der Darmkrankheit präsent seinkönnen. Auch kann es zum erstenAuftreten der extraintestinalen Ma-nifestationen nach operativer Entfer-

nung des gesamten Dickdarmes(Kolektomie) kommen, also zueinem Zeitpunkt, wenn die Krank-heit überwunden scheint.

Die Entstehung der extraintestinalenManifestationen ist nicht abschlie-ßend geklärt, vermutet werden im-munologische Phänomene, vermit-telt durch Gedächtniszellen, die ausdem erkrankten Darm in die jeweili-gen Organe wandern und dort eineimmunologische Mitreaktion be-wirken. � Tabelle 2 verdeutlicht diewichtigsten der vielen möglichen extraintestinalen Manifestationen.Beim Morbus Crohn treten diesehäufiger auf als bei der Colitis ulce-rosa (ca. 35 % versus 10 %). Die amhäufigsten präsenten, röntgenolo-gisch meist unauffälligen Gelenkbe-schwerden oder Hautbeteiligungenbessern sich häufig parallel zu einerTherapie der Entzündungsaktivität

der CED. Wirbelsäulenbeteiligungen,Leber- und Gallenerkrankungensowie schwere geschwürige Haut-veränderungen benötigen eine zu-sätzliche intensivierte immunsup-pressive Therapie [12–14].

Tab. 1: Klinische Symptome der CED:Morbus Crohn versus Colitis ulcerosa

Symptome Morbus Colitis Crohn ulcerosa

Blutung 27 % 89 %

Durchfälle 52 % 73 %

Bauchschmerzen 47 % 77 %

Gewichtsverlust 54 % 5 %

Fisteln 16 % 0 %

Tab. 2: Häufige extraintestinale Mani-festationen der CED (Zusam-menstellung aus [12–14])

Gelenke 25–30 %– Arthralgien (Gelenkbeschwerden)

an großen und kleinen Gelenken – Spondylarthropathien (Beschwer-

den im Bereich der Wirbelgelenke)

Haut 5–20 %– Erythema nodosum (rötlich-livide

Hautveränderungen, meist an denUnterschenkeln)

– Pyoderma gangraenosum (geschwürige, eitrige Hautverän-derungen)

Leber, Galle 7 %– Primär sklerosierende Cholangitis

(chronisch vernarbende Entzün-dung der Gallenwege)

– Autoimmune Hepatitis (durch eineImmunreaktion mit verursachte Le-berentzündung)

Augen 4 %– Konjunktivitis

(Bindehautentzündung)– Episkleritis

(Entzündung der Lederhaut)– Iritis/Iridozyklitis

(Entzündung der Regenbogen-haut)

Gefäße < 1 %

Nervensystem < 1 %

Abb. 3: Extraintestinale Begleiterkrankungen der CED

extraintestinale ManifestationenUrsache unbekannt

extraintestinale KomplikationenResorptionsstörung des Darmes

Arzneimittel-Nebenwirkung

unabhängigeZweiterkrankung

extraintestinale Begleiterkrankungenbei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED)

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Fort- & Weiterbildung | Darmerkrankungen

Fazit: Extraintestinale Manifestatio-nen können vor den ersten Sympto-men einer CED, während eines aku-ten Schubes oder in Remission odernach Darmresektion auftreten.

Extraintestinale Komplikationen

Im Unterschied zu den extraintesti-nalen Manifestationen beruhen dieextraintestinalen Komplikationenauf einer Malabsorption von Nähr-stoffen. Durch die gehäufte Miter-krankung des Dünndarmes findensich beim Morbus Crohn solcheKomplikationen deutlich häufiger alsbei der Colitis ulcerosa (� Tabelle 3).Den extraintestinalen Komplikatio-nen wird neben der eigentlichenSchubtherapie häufig zu wenig oderzu spät Aufmerksamkeit geschenkt.Aufgrund der in � Abbildung 4 dar-gestellten typischen Resorptionsorteder Nährstoffe ergeben sich die nach-folgend genannten wesentlichenMalabsorptionssyndrome bei CED[12–14]:– die sekundäre Laktoseintole-

ranz (bei Resorptionsstörung Er-krankung des oberen Dünndarms,zusätzlich Cytokin-vermittelteDysfunktion der Laktase im Duo-denum/Jejunum). Gelegentlich istauch eine Unverträglichkeit fürFruktose mit assoziiert. Eine Ab-klärung mittels H2-Atemtest solltePatienten angeboten werden

– eine multifaktoriell bedingte Anä-mie (Blutverluste, Eisenmangel,

chronischer Entzündungsprozess,ggf. Vitamin-B12-Mangel bei funk-tionellem Ausfall der Vitamin B12-Resorption im terminalen Ileum)

– Osteopenie oder Osteoporose(multifaktoriell bedingt durchMangel an Kalzium, bei Vitamin-D-Resorptionsstörung, chroni-schen Entzündungsprozessen)

– Zinkmangelsyndrome (u. a. Ge-schmacks- und Geruchsstörungen,Hautveränderungen, Wundhei-lungsstörungen, gestörte Immun-abwehr)

– Bildung von Gallensteinen undOxalatnierensteinen im Rahmeneines Gallensäureverlustsyndromes(bei gestörtem enterohepatischemKreislauf): Dem Gallensäurever-lustsyndrom liegt eine fehlendeResorption von Gallensäuren imterminalen Ileum bei langstrecki-ger Resektion oder höhergradigerEntzündung zugrunde. GelangenGallensäuren in das Kolon, resul-tiert aus der osmotischen Wirkungder Gallensäuren eine chologene Diarrhö. Zudem werden durch denGallensäureverlust in das Kolon Li-pide und fettlösliche Vitamine imDünndarm nicht mehr ausrei-chend emulgiert, es zeigen sich fet-tig glänzende Stühle (Steatorrhö).Darüber hinaus kommt es zu einervermehrten Resorption der Gallen-säuren im Kolon als KonsequenzTab. 3: Extraintestinale Komplikationen bei CED

Morbus Crohn Colitis ulcerosa

Untergewicht 70 % 18–55 %

Sekundäre Laktoseintoleranz 30–40 % 10–15 %

Hypalbuminämie 25–80 % 0–15 %

Anämie 25–85 % 22–68 %– Folsäuremangel 50–79 % 5–20 %– Vitamin-B12-Mangel 16–39 % 8–30 %– Eisenmangel 10–44 % 30–80 %

Osteopenie/Osteoporose 24–39 % 0–15 %

Kalziummangel 20–60 % 0–46 %

Magnesiummangel 30–68 % 2–55 %

Zinkmangel 42–92 % 12–52 %

Abb. 4: Typische Resorptionsorte für Nährstoffe und Vitamine im Dünn-darm

Duodenum– Kalzium, Magnesium, Eisen, Zink, Selen– Monosaccharide– Disaccharide

Dickdarm– Wasser– Elektrolyte

Terminales Ileum– Vitamin B12

– fettlösliche Vitamine

Jejunum– Aminosäuren– Fette– fettlösliche Vitamine

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einer erhöhten Bindung von nichtresorbierten freien Fettsäuren anKalzium. Durch Präzipitation vonKalziumoxalat in den Nierenkel-chen/-becken entstehen gehäuftauch Kalziumoxalatsteine. Zudembewirkt der Gallensäureverlust eineverminderte Emulgierung der Gal-lenflüssigkeit in der Gallenblaseund führt damit auch zum ge-häuften Auftreten von Gallen(bla-sen)steinen.

Fazit: Bei der Behandlung von Pa-tienten sollte routinemäßig immerauch auf das Vorliegen von extrain-testinalen Komplikationen geachtetwerden, da diese den Langzeitver-lauf maßgeblich mitbestimmen kön-nen.

Diagnostik

Die Diagnose der CED setzt sich ausverschiedenen Bausteinen zusam-men („Mosaikdiagnose“), wie derAnamnese, dem klinischen Erschei-nungsbild sowie einer Kombinationaus laborchemischen, sonografi-schen, endoskopischen, histologi-schen und radiologischen Befunden.Eine einzelne Untersuchung alsGoldstandard zur Diagnosestellungder CED existiert nicht [12–14].

Anamnese

Eine umfassende Anamnese ist einewesentliche Grundlage, eine CEDmöglichst frühzeitig im Krankheits-verlauf differenzialdiagnostisch zuerwägen. Mehr als vier Wochen an-haltende Durchfälle mit mehr als 3flüssigen bis breiigen Stuhlgängenpro Tag, mit oder ohne Blutauflage-rungen, sowie mögliche Begleit-symptome wie Fieber oder abdomi-nelle Schmerzen sollten an einenMorbus Crohn oder eine Colitis ul-cerosa denken lassen. Das Auftretennächtlicher Stuhlgänge ermöglichtmeistens die Abgrenzung zu osmo-tisch verursachten Durchfällen beiKohlenhydratresorptionsstörungen(Laktoseintoleranz, Fruktosemalab-sorption) oder beim Reizdarmsyn-drom.

Labordiagnostik

Die Labordiagnostik sollte entspre-chend der Leitlinienempfehlungendas C-reaktive Protein und einBlutbild umfassen [12–14]. Krank-heitsspezifische Laborparameter sindnicht bekannt1. In Stuhlkulturensollte eine Erkrankung mit infektiö-sen Durchfallerregern (u. a. Salmo-nellen, Shigellen, Campylobacter)ausgeschlossen werden. Im Einzelfallwerden bei Verdacht auf extraintes-tinale Komplikationen weitere La-boruntersuchungen notwendig, z. B.zur Erfassung von Mangelerschei-nungen (Eisen, Ferritin, Transferrin-sättigung, Zink, Kalzium, VitaminD3, Vitamin A, Vitamin B12, VitaminB1, β-Carotin). Gelegentlich kannauch die Bestimmung des Leukozy-tenmarkers Calprotectin im Stuhlfür die Abgrenzung von nicht-ent-zündlichen Ursachen von Diarrhöenund abdominellen Beschwerden hilf-reich sein, der generelle Einsatz wirdaber wegen einer begrenzten Sensiti-vität und Spezifität nicht empfohlen.

Ultraschallsonografische UntersuchungDer transabdominelle Ultraschallnimmt eine wesentliche Rolle bei der Beurteilung der entzündlichenVeränderungen einzelner Darmab-schnitte, insbesondere des termina-len Ileums beim Morbus Crohn, ein.

Mittels ergänzender Dopplersono-grafie kann neben der Darmwand-verbreiterung als Zeichen der ent-zündlichen Veränderungen auch einevermehrte Durchblutung in den ent-zündeten Darmabschnitten darge-stellt werden.

Endoskopische Untersuchungen

Bei der Erstdiagnose einer CED, ins-besondere eines Morbus Crohn, sollteeine möglichst umfassende Darstel-lung des oberen und unteren Gas-trointestinaltraktes angestrebt wer-den [12–14]. Neben einer Inspektionder Mundhöhle zum Ausschluss vonAphthen oder Veränderungen derLippen und Zunge sollte immer aucheine Ösophagogastroduodeno-skopie mit Biopsieentnahme erfol-gen. Ebenso wird standardmäßigeine Ileokoloskopie durchgeführt,das terminale Ileum sollte bei Ver-dacht auf Morbus Crohn zwingendinspiziert und biopsiert werden, da

Tab. 4: Endoskopische Veränderungen bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

1Immunologische Untersuchungen konnten eingehäuftes Vorkommen von antineutrophilenzytoplasmatischen Antikörpern (p-ANCA) beibis zu 80 % der Patienten bei Colitis ulcerosanachweisen, aber nur bei bis zu 20 % der Pa-tienten mit Morbus Crohn. Umgekehrt findensich bei Morbus Crohn vermehrt Antikörpergegen Saccharomyces (ASCA) im Blut. Da aberdie Serumtiter beider Antikörper keine Bezie-hung zur Krankheitsaktivität zeigen, haben sieim klinischen Alltag wenig Bedeutung.

Morbus Crohn Colitis ulcerosa

Lokalisation gesamter Verdauungstrakt, Kolon, selten „Backwash-bevorzugt terminales Ileum, Ileitis“Rektum, Colon sigmoideum

Befallsmuster diskontinuierlich, segmental kontinuierlich von rektalnach proximal

Schleimhautbefall transmural mukosal

Endoskopische – Aphthen – ErythemLäsionen – tiefe, landkartenartige – erhöhte Schleimhaut-

Ulzerationen verletzlichkeit– Pflastersteinrelief (Schleim- – körnig unregelmäßige

hautveränderungen bei SchleimhautoberflächeAbheilung, wie Pflastersteine – stecknadelkopfgroße aussehend) Ulzera (Geschwüre)

– Strikturen (narbige – Pseudopolypen Verengungen) (Entzündungspolypen)

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Fort- & Weiterbildung | Darmerkrankungen

hier eine der häufigsten Manifestati-onsstellen liegt. Die Darstellung desDünndarms erfolgt üblicherweisemittels einer kernspintomografi-schen Untersuchung (nach SELLINK,weitere Details siehe unten). Ist eineStenosierung im Dünndarm ausge-schlossen, kann auch eine Untersu-chung des Dünndarms mittels Kap-selendoskopie durchgeführt werden,bei der der Patient eine Kapsel miteingebauter Kamera schluckt. DerWeg der Kapsel durch den Dünn-darm wird durch außen am Körperangebrachte Sensoren aufgezeichnetund dann am Computer ausgewer-tet. In Einzelfällen kann auch eineEnteroskopie notwendig werden, beider mittels spezieller Endoskope eineUntersuchung des Dünndarms mitdirekter Biospieentnahme erfolgt.

Das Verteilungsmuster und die Arttypischer endoskopischer Verän-derungen ermöglichen im Einzelfalldie Unterscheidung zwischen Mor-bus Crohn und Colitis ulcerosa (� Ta-belle 4).

Radiologische Untersuchungen

Die Kernspintomografie des Dünn-darms (MRT nach SELLINK) stelltunter den radiologischen Untersu-chungen den Goldstandard dar [13,14]. Sie hat den großen Vorteil – ins-besondere für die häufig sehr jungen

Patienten – ohne Röntgenstrahlenauszukommen. Diese Untersuchungzeigt nicht nur die Lokalisation unddie Ausdehnung des Morbus Crohn,sondern liefert auch zusätzliche In-formationen über entzündliche odernarbige Wandverdickungen. Bei derDarstellung von Fisteln und Abszes-sen kommt der MRT-Untersuchungebenfalls eine wesentliche Bedeutungzu. Bei perianalen Fisteln oder Abs-zessen sollte zusätzlich auch der en-dorektale Ultraschall eingesetzt wer-den. Das früher häufig verwandtekonventionelle Enteroklysma nachSELLINK (Dünndarmdarstellung mitKontrastmittel, benannt nach demErstbeschreiber SELLINK) sollte auf-grund der Strahlenbelastung nurnoch Ausnahmefällen vorbehaltenbleiben.

Histologie

Für eine zuverlässige Diagnose derCED sollten Proben aus mindestensfünf verschiedenen Stellen des Kolonseinschließlich des Rektums und beimMorbus Crohn auch aus dem termi-nalen Ileum entnommen werden[13, 14]. Hierbei sind allgemein an-erkannte mikroskopische Merkmaleeines Morbus Crohn u. a. eine dis-kontinuierliche und segmentale,häufig transmurale (die gesamteDarmwand betreffende) chronischeEntzündung mit Nachweis von

Lymphozyten und Plasmazellen, eine lokale Störung der Kryptenar-chitektur sowie das Auftreten vonepitheloidzelligen Granulomen.Wenngleich der Nachweis einer gra-nulomatösen Entzündung als kenn-zeichnend für den Morbus Crohngilt, schließt das Fehlen die Diagnosenicht aus. Denn in nur etwa einemDrittel der Fälle können in den Pro-ben Granulome nachgewiesen wer-den.

Im Vergleich hierzu finden sich beider Colitis ulcerosa Veränderungenvorwiegend in der Schleimhaut desKolons mit Zeichen einer chroni-schen Entzündung und Nachweisvon typischen Kryptenabszessen.

Aufgrund einer signifikant erhöhtenRate an kolorektalen Karzinomen beider Colitis ulcerosa bei 7–10 JahrenErkrankungsdauer, sollte bei einerPancolitis ab dem 7. Erkrankungs-jahr in jährlichen Abständen einekomplette Koloskopie mit der Ent-nahme von Stufenbiopsien erfolgen,bei einer Linksseitencolitis ab dem10. Erkrankungsjahr. Untersuchun-gen der letzten Jahre konnten zeigen,dass auch beim Morbus Crohn einleicht erhöhtes Risiko für kolorektaleKarzinome besteht, eine definitiveendoskopische Überwachungsstrate-gie bei langjähriger Erkrankung istnoch nicht in die Leitlinien aufge-nommen worden.

Therapie

Die Therapie der CED richtet sichnach der Schwere der Entzündungs-aktivität, der Lokalisation und demAusmaß der Erkrankung sowie nachdem bisherigen Krankheits- undTherapieverlauf, aber auch nach demAlter des Patienten und seiner per-sönlichen Lebensplanung (z. B. ge-plante Schwangerschaft, beruflicheVeränderung).

Als Zielkriterien der Therapie wirdzwischen einer Remissionsinduk-tion und einer Remissionserhal-tung unterschieden. Morbus Crohnund Colitis ulcerosa erfordern nur in

Abb. 5: Medikamente zur Behandlung der CED (modifiziert nach Netzwerk CED – Morbus Crohn/Therapie)

Aminosalicylate Immunsuppressiva Steroide Biologika

Medikamente

– Sulfasalazin– Mesalazin

– Prednisolon– Budesonid

– Azathioprin– 6-Mercaptopurin– Methotrexat– Cyclosporin A– Tacrolimus

– Infliximab– Adalimumab

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sehr wenigen Punkten unterschied-liche Therapiestrategien. An wesent-lichen Wirksubstanzen stehen Mesa-lazine oral (in Tablettenform) oderals rektale Applikation (als Einlaufoder Zäpfchen) sowie Kortikoste-roide („klassisches Kortison“ oderlokal wirksames Budesonid) zur Ver-fügung. Bei komplizierten Verlaufs-formen, die auf die oben genanntenSubstanzen nicht ausreichend an-sprechen, werden immunsuppres-sive Medikamente wie Azathioprin,Methotrexat, Cyclosporin oder sogenannte Biologika (z. B. TNF-alphaAntikörper Infliximab und Adalimu-mab) eingesetzt (� Abbildung 5). Die„konventionelle“ Behandlung derCED mit einer längerfristigen Ste-roidtherapie bei der aktiven Erkran-kung wird aufgrund niedrigerer Ne-benwirkungsraten und besseremAnsprechen zunehmend frühzeitigerzugunsten einer effektiveren im-munsuppressiven Therapie mit z. B.Azathioprin verlassen. In diesem Zu-sammenhang wird in letzter Zeitaufgrund groß angelegter prospek-tiver Studien immer wieder disku-tiert, ob ein möglichst früher Beginneiner potenten Therapie mit z. B.Biologika und dann einer langsamenReduktion der immunsuppressivenTherapie bei klinischer Besserung(„Top-down Therapie“) einer klassi-schen „Step-up Therapie“ vorzuzie-hen wäre [15, 16]. Gegenwärtig istder primäre Einsatz von Biologikaim Sinne des Top-down Therapie-konzeptes noch off-label, d. h. nochnicht von der Arzneimittelbehördezur Behandlung dieser Krankheit zu-gelassen (� Abbildung 6).

Die Therapieempfehlungen beruhensämtlich auf den Konsensuspapierender Deutschen Gesellschaft für Ver-dauungs- und Stoffwechselkrank-heiten (DGVS) und der EuropäischenCrohn und Colitis Organisation(ECCO), die in regelmäßigen Abstän-den von Expertengremien überarbei-tet werden. Eine Anpassung an dieindividuellen Gegebenheiten beimeinzelnen Patienten sollte dabei nichtaußer Acht gelassen werden [12–14].Aufgrund der neueren, hocheffekti-

ven immunsuppressiven Medika-mente strebt man heute nicht mehrnur die Remissionsinduktion an,sondern das so genannte „mucosalhealing“ (Mukosaheilung) (� Abbil-dung 7) [17, 18].

Konservative Behandlungs-algorithmen Morbus Crohn undColitis ulcerosa

Da der Schwerpunkt dieses Beitragsnicht auf der detaillierten Darstel-lung der komplexen Therapiealgo-rithmen der CED liegen soll, werdennachfolgend die wesentlichen Stu-fenkonzepte für den Morbus Crohn(� Abbildung 8) und die Linksseiten-kolitis (� Abbildung 9) der Colitis ul-cerosa lediglich in Schaubildern zu-sammengefasst. Die primäre Be-handlung der „Pancolitis ulcerosa“mit geschwürigen Veränderungenim gesamten Darm unterscheidetsich nicht wesentlich von dem Vor-gehen bei Morbus Crohn. Wegen derguten Erreichbarkeit und zugleichhohen Wirksamkeit stellen lokaleApplikationen von Klysmen undRektalschäumen bei der Linksseiten-kolitis die wesentliche Behandlungs-säule dar.

Fisteltherapie bei Morbus Crohn

Etwa 40 % der Patienten mit MorbusCrohn leiden im Verlauf ihrer Er-krankung an der Ausbildung vonFisteln, die zu einer erheblichen Ein-schränkung der Lebensqualität füh-ren können. Fisteln können sich anzahlreichen Stellen ausbilden, amhäufigsten perianal mit Mündungder Fistel rund um den After. Es kön-nen aber auch Fisteln z. B. zwischenDarm und Haut (enterokutan), zwi-schen mehreren Darmabschnitten(interenterisch), zwischen Darm undBlase (enterovesikal) oder zwischenDarm und Scheide bei der Frau (en-terovaginal) auftreten. Während beiden perianalen Fisteln ein kombiniertmedikamentöses (u. a. Therapie mitBiologika) und chirurgisches Vorge-hen Erfolg versprechend sein kann,erfordern die übrigen Fistellokalisa-tionen – wie auch die häufig assozi-iert auftretenden Abszesse – fast aus-nahmslos ein primär operatives Vor-gehen.

Ernährungstherapie

In Abhängigkeit von der Krankheits-aktivität und der Lokalisation des

Abb. 6: „Step-up“- versus „Top-down“-Behandlungsstrategien der CEDBei der Step-up Therapie erfolgt eine langsame Eskalation der Medi-kation hin zu immer stärkerer immunsuppressiver Therapie. Hinge-gen wird bei der Top-down Therapie mit der derzeit potentestenimmunsuppressiven Therapie, den Biologika, begonnen, und bei kli-nischer Besserung langsam die Intensität der immunsuppressivenTherapie reduziert.

Prednisolon Mesalazin/Budesonid

Prednisolon

Azathioprin/Methotrexat

Anti-TNF

Azathioprin/Methotrexat

Step-up Top-down

Episod.Anti-TNF

?Anti-TNF

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Fort- & Weiterbildung | Darmerkrankungen

Morbus Crohn können sowohl eineglobale Malnutrition als auch spezi-fische Mangelzustände für einzelneSpurenelemente oder Vitamine auf-treten, wie bereits im Abschnitt „ex-traintestinale Komplikationen“ dar-gelegt. Nicht immer ist nur eineMalabsorption für die Defizite ur-sächlich – nicht selten wird der Er-nährungsstatus auch durch eine in-adäquate Zufuhr (z. B. durch Appe-titverlust, abdominelle Schmerzen,Übelkeit und Erbrechen, Störung desGeschmacksempfindens unter dermedikamentösen Therapie), Resorp-tionsstörungen sowie erhöhte Nähr-stoffverluste (z. B. durch Fisteln, Di-arrhöen, Blutungen) maßgeblich be-einflusst. Der Einfluss dieser Fakto-ren auf den Ernährungsstatus desPatienten wird häufig unterschätzt[12–14].

Malnutrition

Bei Vorliegen einer Malnutritionsollte dem Patienten eine nährstoff-definierte Kost als Supplement ange-boten werden, wobei Elementardiä-ten oder Spezialprodukte (z. B. Im-munonutrition) keinen Vorteil ge-genüber hochmolekularen Standard-diäten bieten. In den letzten Jahrenkonnte auch gezeigt werden, dasseine enterale Ernährungstherapie zuralleinigen Schubtherapie im Ver-gleich zur Kortisontherapie nicht ge-

eignet ist (Ausnahme Kinder). Dietotal parenterale Ernährung solltenur in speziellen Situationen einge-setzt werden. Das frühere therapeu-tische Konzept des „bowel rest“ unterVerzicht auf jede Form von enteralerNahrungsaufnahme ist verlassenworden, um eine Zottenatrophie unddamit eine erhöhte Darmpermeabili-tät und Gefahr der bakteriellenTranslokation zu vermeiden. Ledig-lich bei hochgradigen Stenosierun-gen mit Subileus, bei schwerem

akutem Schub mit toxischem Ver-lauf und ggf. bei schwerster Malab-sorption im Rahmen eines operativentstandenen oder funktionellenKurzdarmsyndroms hat die total pa-renterale Ernährung bei den chro-nisch entzündlichen Darmerkran-kungen noch ihren Platz.Eine „Crohn-Diät“ oder eine „Colitisulcerosa-Diät“ gibt es nicht, viel-mehr sollten die Patienten unter er-nährungstherapeutischer Beratungeine möglichst ausgewogene Ernäh-

Glossar:Colon descendens = absteigender DickdarmColon sigmoideum = letzter Teil des Dickdarms zwischen absteigendemDickdarm und MastdarmC-reaktives Protein = Blutmarker zur Bestimmung einer EntzündungGranulome, epitheloidzellige = körnige Gewebeneubildung, z. B. als Folge entzündlicher ProzesseIleocaecalklappe = Klappe zwischen letztem Teil des Dünndarms und beginnendem DickdarmIleokoloskopie = Dickdarmspiegelung mit Spiegelung des IleumIleum, terminales = letzter Abschnitt des Dünndarms vor Beginn des DickdarmsÖsophagogastroduodenoskopie = Magenspiegelung bis in den ZwölffingerdarmParesen = LähmungenPflastersteinrelief = Schleimhautveränderungen im Abheilungsstadiumeiner CED, die im Aussehen Kopfsteinpflaster ähneln Remissionserhaltung = Erhaltung der Abheilungsphase Remissionsinduktion = Einleitung der Abheilungsphase Stenosierungen = VerengungenSubileus = Vorstufe eines Darmverschlusses

Abb. 7: Neues Therapieziel: Mukosaheilung27-jähriger Patient mit Morbus Crohn im terminalen Ileum und segmentalem Befall im Colon ascendens undColon sigmoideuma) hohe entzündliche Krankheitsaktivität mit fissuralen, fibrinbelegten Ulzerab) Nach dreimonatiger kombinierter immunsuppressiver Therapie mit Azathioprin und Infliximab klinische Remission, endoskopisch nur noch einzelne Aphthen nachweisbar.c) Nach weiteren 5 Monaten der oben genannten immunsuppressiven Therapie endoskopischer und histologi-scher Nachweis der Mukosaheilung im gesamten eingesehenen Gastrointestinaltrakt

a b c

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rung unter Berücksichtigung indivi-dueller Unverträglichkeiten (z. B. ro-hes Gemüse, Zitrusfrüchte) heraus-finden. Bei Vorliegen höhergradigerStenosierungen sollte auch auf blä-hende Gemüse- und Obstsorten ver-zichtet sowie ballaststoffärmere Nah-rungsmittel aufgenommen werden.

Anämie

Die Eisenmangelanämie stellt die häu-figste extraintestinale Komplikationbei den CED-Patienten dar. Sie beruhtauf einem ausgeprägten Eisenman-gel, verursacht durch erhöhte Eisen-verluste über blutige Diarrhöen,zum anderen auf einer intestinalenEisen-Resorptionsstörung. Da in derEntzündungssituation das Serum-ferritin als Marker für die Eisenspei-cher trotz absoluten Eisenmangelserhöht ist, sollte immer auch dieTransferrinsättigung bestimmt wer-den. Liegt der Hämoglobin-Wert< 10 g/dl, besteht eine absolute In-dikation zur Substitutionstherapie[19]. Ein Eisenmangel bedarf einerfrühzeitigen Substitutionstherapie.So besteht bei einem Hämoglobin-Defizit von 5 bis 6 Hb-Punkten rech-nerisch ein Eisendefizit von mindes-tens 1 000 mg. Alimentär lässt sichdieses Defizit nicht kurzfristig aus-gleichen. Orale Eisengaben werdenhäufig nicht ausreichend resorbiert(Ausgleich eines Eisendefizits von 2 g benötigt mindestens 6 bis 12Monate orale Eisen-Therapie), sodassbei CED-Patienten die intravenöseEisen-Substitutionstherapie bevor-zugt werden sollte. Unter den zurVerfügung stehenden Präparationenermöglicht Eisencarboxymaltose dieeinmalige Gabe von 1 000 mg proInjektion (15 min. Infusionsdauer)bei guter Verträglichkeit, wohinge-gen das überwiegend eingesetzte Ei-senglukonat pro Infusion nur ineiner Dosis von 125 mg verabreichtwerden darf (60 min. Infusions-dauer). Aus Kostengründen wird Ei-senglukonat meistens (noch) derVorzug gegeben. Aufgrund der hohen Speicherreser-ven trägt ein Vitamin-B12-Mangel inder Regel kaum zum Vorkommen

einer Anämie bei CED-Patienten bei.Nichtsdestotrotz sollte bei Morbus-Crohn-Patienten mit ausgeprägterErkrankungsaktivität im terminalenIleum oder nach erfolgter Resektionim terminalen Ileum der Serumspie-gel des Vitamin B12 überwacht undbei Bedarf Vitamin B12 substituiertwerden (in der Regel als einmal mo-natliche Injektion von 1 000 µg Vi-tamin B12 intramuskulär).

Zinkmangel

Dem Zinkmangel als extraintestinaleKomplikation wird häufig zu wenigAufmerksamkeit bei CED-Patientengeschenkt. Die Dokumentation eineserniedrigten Serum-Zinkspiegels alsAusdruck des Zinkmangels stellt dieVoraussetzung für eine Erstattungs-fähigkeit der häufig über lange Zeit-räume einzunehmenden Zinkpräpa-rationen dar. Die verschiedenenZinkpräparate weisen eine sehr un-terschiedliche Bioverfügbarkeit auf.Hier hat sich der Bindungspartnerdes Zinks als wesentliche Einfluss-größe erwiesen: Bei Kopplung anAminosäuren, z. B. Histidin, werdendie höchsten Resorptionsraten er-

reicht. Die tägliche Dosis der Zink-substitution sollte bei 15 bis 45 mgliegen, ergänzt um eine zinkreicheErnährung (z. B. Nüsse, Hülsen-früchte, Hafer, Weizen, Käse, Kakao).

Osteopenie/sekundäre Osteoporose

Wenngleich bis zu 65 % der Patien-ten mit Morbus Crohn erniedrigteVitamin-D-Serumspiegel aufweisen,findet sich aber nur bei 5 % der Pa-tienten eine manifeste Osteoporose.Wesentlich bei der Entstehung derOsteopenie/Osteoporose scheint einMissverhältnis zwischen Osteoklas-ten- (knochenabbauend) und Osteo-blastenaktivität (knochenaufbauend)sowie ein zusätzlich osteoklastischerEffekt von Botenstoffen, die eine Ent-zündung unterhalten, zu sein. Ver-stärkt werden diese pathophysiolo-gischen Parameter durch zusätzlicheklinische Risikofaktoren wie eineDauertherapie mit Kortikosteroiden,einen niedrigen Body Mass Index alsAusdruck der Malnutrition, eine be-gleitend bestehende sekundäre Lak-toseintoleranz mit verminderter ali-mentärer Vitamin-D- und Kalzium-

Abb. 8: Therapiealgorithmus des Morbus Crohn (eigene Darstellung, nach den Leitlinien der DGVS 2008 und der ECCO 2010 [13, 14])

Remission

schwere Aktivität1. Prednisolon (1 mg/kg KG oral oder i.v.)2. ggf. plus Mesalazin

Remission

milde bis mäßigeAktivität1. Mesalazin (p.o., rektal)2. Budesonid (Befall term. Ileum)

Erhaltungstherapieggf. Mesalazin

Rezidiv

Rezidiv

Rezidiv

Immunsuppressiva– Azathioprin– ggf. Methotrexat i.m.

zusätzlich Infliximab/Adalimumab

Chirurgie(Option) keine Remission

keine Remission

keine Remission

keineRemission

keine Remission

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Fort- & Weiterbildung | Darmerkrankungen

aufnahme mit ggf. sekundäremHyperparathyreoidismus sowie alsFolge von ausgedehnten Dünndarm-resektionen und nachfolgenden Re-sorptionsdefiziten. Die Leitlinien der Fachgesellschaften(DGVS, ECCO) empfehlen eine sehrfrühe Substitutionstherapie mit Kal-zium (1 000 mg/Tag) und VitaminD3 (800–1 000 IE/Tag) bei längererKortikosteroidtherapie oder bei leichterniedrigter Knochendichte (T-Wert< -1, Messung mittels DEXA-Scan).Gleichzeitig sollte ein regelmäßigeskörperliches Training erfolgen undauf Nikotin- und Alkoholgenussverzichtet werden. Eine ergänzendeBehandlung mit Biphosphonatensollte erst bei nachgewiesener Kno-chenfraktur eingeleitet werden.

Gallensäureverlustsyndrom

Zur Behandlung des Gallensäurever-lustsyndroms stellt die Einnahme

von Colestyramin in Pulver- oderGranulat-Form das wesentliche The-rapieprinzip dar. Hierdurch kommtes zu einer Bindung der Gallensäu-ren im Kolon und damit einer un-mittelbaren Verbesserung der klini-schen Symptome wie Diarrhöen,Fettstühle oder Blähungen. Eine er-gänzende Substitution von Kalziumsollte erfolgen. Darüber hinaus soll-ten oxalsäurehaltige/-reiche Lebens-mittel gemieden werden wie z. B.Rhabarber, Mangold, Spinat, Erd-nüsse, Kakao. Bei länger bestehen-dem Gallensäureverlustsyndromkann – nach Bestimmung der Se-rumspiegel – auch eine Substitutionvon fettlöslichen Vitaminen not-wendig werden. Diese ist aber nurbei Kopplung der Vitamine an Bin-dungspartner, die ähnlich der MCT-Fette mizellenunabhängig im oberenDünndarm resorbiert werden (z. B.Xyl-ADEK, Fa. Meduna; Xylamin,Fa. Bastian) sinnvoll. Für die intra-

venöse Substitution stehen Multivi-taminpräparationen der fettlöslichenVitamine nicht mehr ohne Weiteresim Handel zur Verfügung.

Sonstige Mangelzustände: Thiamin-(Vitamin-B1)-Mangel

Malnutrition im Rahmen schwererCED-Verläufe kann auch zu einemrelevanten Thiamin-Mangel führen.Da die körpereigenen Reserven beiHypoalimentation oder Malabsorp-tion nur 3–4 Wochen reichen, sollteauch an eine frühzeitige Spiegelbe-stimmung und intravenöse Substi-tution gedacht werden. Mangel-symptome präsentieren sich durchEinschränkungen der kognitiven Fähigkeiten, z. B. Müdigkeit, Abge-schlagenheit, Konzentrationsschwä-che, aber auch durch Parästhesienund periphere, z. T. nicht mehr re-versible Paresen bei längerem Ver-lauf.

Fazit

Die zum Teil komplexen Verläufechronisch entzündlicher Darmer-krankungen erfordern eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeitzwischen Hausarzt, Gastroentero-loge oder betreuendem CED-Zen-trum, Ernährungsfachkraft und Pa-tient, um eine optimale Diagnostikund Therapie zu ermöglichen, zumanderen aber auch extraintestinaleBegleiterkrankungen und Komplika-tionen frühzeitig erkennen und ef-fektiv therapieren zu können.

PD Dr. med. Birgit TerjungChefärztin der Abteilung für Innere Medi-zin mit Schwerpunkt Gastroenterologieund ErnährungsmedizinSt. Josef-Hospital Bonn-BeuelHermannstraße 3753225 BonnE-Mail: [email protected]

Abb. 9: Therapiealgorithmus der Linksseitenkolitis der Colitis ulcerosa(eigene Darstellung, nach den Leitlinien der DGVS 2008 und der ECCO 2010 [12, 14])Abkürzungen: topisches 5-ASA = 5-Aminosalicylsäure (Mesalazin) als Klysme, Rektalschäume oder Suppositorien. Orales 5-ASA = 5-Aminosalicylsäure als Tabletten oder Mikropellets.

Linksseiten-Colitis ulcerosaunkomplizierter intermittierender Verlauf

leichte bis mäßigeAktivität

topisches5-ASA

distal ausgedehnt

ausgeprägteAktivität

+

kein Ansprechen Orales Prednisolon

– ggf. + Azathioprin– Infliximab* (vor allem Pancolitis)– falls keine Besserung oder Komplikationen (toxisches Megakolon): Operation (Proktokolektomie mit ileoanalem Pouch)

orales5-ASA

Rezidivprophylaxe:Mesalazin

* bei fehlendem Ansprechen auf Azathioprin; noch keine Zulassung von Adalimumab für die Colitis ulcerosa

Die Literatur zu diesem Artikel finden Sie im Internetunter www.ernaehrungs-umschau.de/service/literaturverzeichnisse/

DOI: 10.4455/eu.2011.961