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Interview mit Jan Störmer Tagungshotel Kloster Haydau, Morschen Rathaus, Lochem Kinderhort, Udestedt Max-Planck-Institut, Stuttgart Wohnanlage, Lemgo Jugendherberge Kaiserburg, Nürnberg Gymnasium, Lappersdorf Kunst am Bau, Schwarzwald-Baar-Klinikum Interview mit Iwan Baan Nummer 9

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Farbe in der Architektur

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Page 1: Colore Nr. 9

Interview mit Jan Störmer

Tagungshotel Kloster Haydau, Morschen

Rathaus, Lochem

Kinderhort, Udestedt

Max-Planck-Institut, Stuttgart

Wohnanlage, Lemgo

Jugendherberge Kaiserburg, Nürnberg

Gymnasium, Lappersdorf

Kunst am Bau, Schwarzwald-Baar-Klinikum

Interview mit Iwan Baan

Nummer 9

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Jan Störmer, Störmer Murphy and Partners, Hamburg

Editorial

„Meine Architektur wird immer von einem Ort bestimmt, nie von

irgendwelchen Regeln. Ich habe null Interesse daran, dass meine

Arbeiten wiedererkannt werden. Ich möchte nicht in formalen

Strukturen festgefahren sein.“

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Inhaltsverzeichnis

18-25

26-31

32-37

38-45 4-9

10-17

66-75

54-59

46-53 60-65

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Inhalt

4 Interview mit Jan Störmer Störmer Murphy and Partners, Hamburg

10 Tagungshotel Kloster Haydau, Morschen Störmer Murphy and Partners, Hamburg

18 Rathaus, Lochem RAU, Amsterdam

26 Kinderhort, Udestedt Bauplanung Pfi stner, Erfurt

32 Max-Planck-Institut, Stuttgart hammeskrause architekten, Stuttgart

38 Wohnanlage, Lemgo h.s.d. architekten bda, Lemgo

46 Jugendherberge Kaiserburg, Nürnberg Fritsch+Knodt&Klug, Nürnberg und Franchi & Dannenberg, München

54 Gymnasium, Lappersdorf Gutthann Architekten & Ingenieure, Straubing

60 Kunst am Bau, Schwarzwald-Baar-Klinikum David Harley, Michael Jäger, Jürgen Palmtag, Volker Saul

66 Interview mit Iwan Baan Der Architekturfotograf über die Farbe Weiß

76 Impressum Kontakt

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Jan Störmer, Dipl.-Ing. Architekt BDAJan Störmer wurde 1942 als Sohn des Bremer Architekten Rolf Störmer in Berlin geboren. 1960–62 besuchte er die Ingenieurschule in Bremen. Nach Studienaufenthalten an der Technischen Hochschule in Delft, Büropraktika und Studienreisen in den USA war er Gaststudent an der AA in London. Sein Diplom erhielt er 1969 an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg. 1970 war er an der Gründung der Hamburg Design GmbH für Architektur, Industrie und Graphik Design beteiligt, mit drei Partnern gründete er 1972 die Hamburger Architektengruppe me di um. Mit dem britischen Architekten Will Alsop bestand von 1990 bis 2000 eine Bürogemeinschaft. Heute ist er Teilhaber im Büro Störmer Murphy and Partners, zusammen mit Martin Murphy und Holger Jaedicke als Partner.

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Interview mit Jan Störmer, HamburgFo

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Der Architekt Jan Störmer über die mögliche Dauerhaftigkeit von Hotelarchitektur, den Luxus der Ein-

fachheit und darüber, warum er lieber nicht in einem von ihm selbst entworfenen Raum arbeiten möchte.

Wider die Wieder-erkennbarkeit

Interview mit Jan Störmer, Hamburg

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Interview mit Jan Störmer, Hamburg

Herr Störmer, Ihr neues Hotel im hessischen Alt-

morschen steht neben einem ehemaligen Kloster

mit 800 Jahren Baugeschichte. War das für Sie

eine Bürde oder eine Richtschnur?

Für einen Ort wie Kloster Haydau, der Würde und

Ruhe ausstrahlt und an dem zum Glück auch nicht

die Investition allein die Architektur bestimmt hat,

muss man langfristig denken. Das Haus ist so

gebaut, dass es auf Dauer neben der Klosteran-

lage bestehen kann. Ich sehe nicht, warum man es

jemals wieder abreißen sollte.

Ist die Hotelbranche dafür nicht zu schnelllebig?

Die alten Grand Hotels – hier in Hamburg bei-

spielsweise das „Atlantic“ – bleiben ja auch, was

sie sind. Die überleben 100 Jahre ohne Weiteres.

Sie werden zwar immer wieder erneuert, aber ihren

Charakter behalten sie.

In Hamburg werden Sie demnächst ein Luxus-

hotel bauen.

Und zwar direkt an der Alster. Die ist den Hambur-

gern mindestens so heilig wie Kloster Haydau den

Bewohnern von Altmorschen. Dieses herrliche,

baumbestandene Alstergrundstück war vorher

durch einen Bau aus den Siebzigern verschandelt.

Nun sind alle froh, dass die Gelegenheit zur

Jan Störmer im Gespräch

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Reparatur da ist. Auch dort wird etwas Dauer-

haftes entstehen und nicht ein Renditeobjekt, das

nach 30 Jahren abgeschrieben ist.

Die beiden Hotels in Hamburg und Altmorschen

haben keinerlei Ähnlichkeit.

Meine Architektur wird immer von einem Ort

bestimmt, nie von irgendwelchen Regeln. Ich habe

null Interesse daran, dass meine Arbeiten wie-

dererkannt werden. Ich möchte nicht in formalen

Strukturen festgefahren sein.

Wenn man sich in Ihrem Büro umsieht – hier die

breiten, alten Dielen, dort das riesige Stahlfenster –,

meint man, Sie misstrauen moderner Architektur.

Ich könnte jedenfalls nicht in einem von mir

gebauten Gebäude leben oder arbeiten. Ich würde

auch nie für mich selbst ein Haus bauen wollen.

Grauenhaft, die Vorstellung!

Warum das?

Dann würde ich ja ständig meine eigenen Fehler

sehen (lacht). Nein, im Ernst: Ein von mir selbst

entworfener Raum würde mich in meiner Arbeit

und in meinem Denken blockieren. Das hieße:

Stillstand. Meine Kreativität braucht diese inhalt-

liche Distanz zur Umgebung, wie etwa zu diesem

Altbau. Sie gibt mir die Freiheit, um zeitgemäße

Architektur zu machen. Meine Mitarbeiter empfi n-

den das übrigens genauso.

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„Ich reise viel. Ich beobachte viel. Ich bewege mich viel in heutiger Architektur.“

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Interview mit Jan Störmer, Hamburg

Weil die Räume nicht von Architekten gestaltet

sind?

Unser Büro ist eine Werkstatt! Ein Goldschmied

arbeitet ja auch nicht in einer goldenen Hülle. Der

macht die schönsten Schmuckstücke in einer

unscheinbaren Werkstatt.

Wie schaffen Sie es, eine Atmosphäre des

Zwanglosen, die ja auch von Laien geschätzt

wird, in neue Architektur umzusetzen?

Ich habe ein gutes räumliches Vorstellungsvermö-

gen, da gehöre ich vielleicht noch zur alten Schule.

Was ich skizziere, sehe ich bereits räumlich vor

mir. Ich reise viel. Ich beobachte viel. Ich bewege

mich viel in heutiger Architektur. Manches davon

hätte ich gern selber gebaut.

Kann sich solch ein Überfluss an Raum und

Material heute nur noch als Luxushotel mani-

festieren?

Nein, man kann auch sozialen Wohnungsbau in

hoher Qualität bauen.

Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Besuch in

Kloster Haydau?

Nun, der Ort Morschen, zu dem Kloster Haydau

gehört, ist ohne ein städtebauliches Konzept ent-

standen, um es mal freundlich auszudrücken. Mein

erster Gedanke vor Ort war: Da muss ein langes

Gebäude hin, damit der Klosterbereich zum Dorf

hin abgeriegelt wird – das Hotel als neue Mauer.

Das mag vielleicht hart oder arrogant gegenüber

der Umgebung klingen, aber als Architekt muss

man Wertigkeiten defi nieren.

Haben Sie damit das Dorf ausgesperrt?

Im Gegenteil: Das Klostergelände ist ja weiterhin

öffentlich zugänglich und oft sieht man Spazier-

gänger im Klostergarten; die Anwohner profi tieren

davon, dass der historisch wertvollste Teil der

Gemeinde mit dem Umbau zum Tagungszentrum

aufgewertet wurde.

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Was geschah mit der alten Klostermauer?

Der Zimmertrakt des Hotels „schwebt“ über einem

Teil der Mauer. Die alte Klostermauer wurde in

diesem Bereich denkmalgerecht aufgenommen,

alle Steine wurden nummeriert und eingelagert, um

sie später im Erdgeschoss des Hotels wieder an

originaler Stelle einbauen zu können. Die Historie

verläuft sozusagen quer durch das Sockelge-

schoss des Hotels.

Ein Hotelbau kann wegen der seriellen Zimmer-

struktur schnell etwas Monotones bekommen.

Wie haben Sie das vermieden?

Wir haben unterschiedliche Fensterformate

gewählt und diese in verschiedenen Höhen ange-

ordnet. Die Fassade des Hotels orientiert sich an

der gewachsenen Struktur des Klosters.

Wie entstand die unregelmäßige Backstein-

fassade?

Den Maurern habe ich gesagt: Vergesst alles, was

ihr gelernt habt, und mauert „falsch“. Baut jeden

fünften Stein verkehrt herum ein. Achtet nicht

darauf, ob die Steine gerade sitzen. So kam die

unregelmäßige Textur der Vorsatzschale zustande.

Der Stein ist übrigens extra für dieses Bauvorha-

ben gebrannt worden, die Mischung orientiert sich

an der Farbigkeit der alten Klostermauer – da fällt

mir eine Geschichte ein …

Blick in das Hamburger Büro von Störmer Murphy

and Partners

Tagungshotel Kloster Haydau, Morschen

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„Meine Kreativität braucht inhaltlicheDistanz zur Umgebung.“

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Bitte, gern.

Nach dem ganzen Trubel der Hoteleinweihung hat-

te ich mich kurz auf eine Parkbank zurückgezogen.

Plötzlich setzte sich eine elegante ältere Dame

neben mich und sagte: „Wissen Sie, was mir an

Ihrem Hotel gut gefällt? Dass das Auf und Ab der

Fenster wie das Notenblatt eines gregorianischen

Chorals wirkt.“ Daran hatte ich beim Entwurf zwar

nicht gedacht, aber der Vergleich gefi el mir. Ich

empfand das als ein großes Geschenk.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Nils Ballhausen, Berlin

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Tagungshotel Kloster Haydau, Morschen

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Im modernen Rahmen

Tagungshotel Kloster Haydau, Morschen

Im nordhessischen Altmorschen ist man zu Recht stolz auf das fast 800-jährige

Baudenkmal Kloster Haydau im Zentrum der Gemeinde. Mit dem Hotel von Störmer

Murphy and Partners wurde das Areal neu ausgerichtet und um einen ebenso

edlen wie bodenständigen Baustein ergänzt.

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Tagungshotel Kloster Haydau, Morschen

Die B. Braun AG ist nicht nur ein weltweit agie-

render Hersteller für Medizintechnik, sondern

längst auch Teil der Architekturgeschichte: James

Stirling und Michael Wilford entwarfen Ende der

1980er-Jahre die viel beachtete Werkanlage Pfi ef-

fewiesen, am Rande der nordhessischen Stadt

Melsungen. Nur wenige Kilometer weiter südöst-

lich liegt die Gemeinde Altmorschen. Deren ehe-

maliges Bahnhofsgebäude hat das Unternehmen

vor Kurzem denkmalgerecht sanieren lassen, um

darin ein Schulungszentrum zu betreiben. Nur ei-

nen Steinwurf davon entfernt liegt das neue „Hotel

Kloster Haydau“, mit dem sich die anspruchsvolle

Bautätigkeit des Unternehmens fortsetzt. Der mar-

kante Hotelriegel stammt vom Hamburger Büro

Störmer Murphy and Partners und ist das Resultat

eines prominent besetzten Wettbewerbs aus dem

Jahr 2009. Damit wurde – im Abseits der nordhes-

sischen Provinz – ein erstaunliches, fast acht

Jahrhunderte abbildendes Architektur-Ensemble

um ein überaus modernes Stück ergänzt.

Kloster Haydau, im Jahr 1235 gegründet, durch-

lebte eine wechselvolle Baugeschichte. In den ers-

ten Jahrhunderten führten die spirituell bedingt in

Armut lebenden Zisterzienserinnen ihre Ländereien

zu wirtschaftlicher Blüte. Nach den Verwüstungen

in den Bauernkriegen 1525 und der anschließen-

den Säkularisierung im Zuge der Reformation fi el

die Anlage in den Besitz der Landgrafen von Hes-

sen. Im 17. Jahrhundert baute Landgraf Moritz das

ehemalige Kloster zu einem Jagd- und Lustschloss

im Stil der Renaissance aus, seine Nachfolger

ergänzten es um eine barocke Gartenanlage,

inspiriert von den Gärten der Residenzstadt

Kassel; sogar eine Orangerie kam später

noch hinzu. 1830 wurde Haydau vom Ritter-

gut zur staatlichen Domäne und ungeach-

tet der historisch wertvollen Substanz wie

ein landwirtschaftlicher Gutshof betrieben;

im ehemaligen Refektorium war zeitweise

eine Molkerei untergebracht. Nach dem zweiten

Jan Störmer über die spirituelle Atmosphäre des Ortes

„Schon als ich bei der ersten Begehung des Bauplatzes meine Skizzen machte, war mir klar: Hier muss ein Riegel hin, um

die spirituelle Atmosphäre des Ortes wiederherzustellen. Um die Planung der Innenausstattung haben wir uns dann – wie

andere Büros auch – beim Bauherrn bewerben müssen. Wir konnten ihn mit dem Thema „Klosterzelle“ überzeugen: Alles

sollte möglichst schlicht gehalten sein und mit möglichst wenigen, aber qualitätvollen Materialien umgesetzt werden.

Bei den Oberfl ächen tritt vor allem der Eichenfarbton des Fußbodens und der Möbel in Erscheinung. Ansonsten: keine

farbigen, sondern nur weiße Wände. Alte Klosterzellen waren schließlich auch nur geschlämmt. Ich fand in diesem Kontext

auch Bilder in den Hotelzimmern unpassend. Im Zisterzienserkloster gab es ja auch keine. Stattdessen haben wir die Wän-

de mit Zitaten von Bernhard von Clairvaux geschmückt, dem der Orden viel zu verdanken hat. Seine Worte stammen aus

dem 12. Jahrhundert, haben für uns aber heute immer noch eine Bedeutung.“

Jan Störmer, Störmer

Murphy and Partners,

Hamburg

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Lageplan, M 1:3000

Gestalterisch hatten die Architekten die formale Schlichtheit des Klosterlebens im Sinn.

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Brillux colore 13Der haushohe Eingangsbereich erstrahlt in reinem Weiß und fügt sich dem Gestaltungskonzept des gesamten Gebäudes.

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Die schlichte Gestaltung, inspiriert vom Armutsideal des Klosteralltags, zieht sich durch alle Räume des Hotels. Die Einrichtung ist geprägt von Grau-, Weiß- und Schwarztönen.

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Tagungshotel Kloster Haydau, Morschen

Page 16: Colore Nr. 9

bezirk wieder eine würdige, visuell ruhige Atmo-

sphäre zu bescheren. Der Hoteleingang ist durch

einen Rücksprung im Gebäude markiert, der sich

von einer Geländekante ableitet. Im Inneren wird

der Gast von einem haushohen Foyer empfangen,

das, blendend weiß und makellos, wie ein Ausrufe-

zeichen das Programm defi niert: keinen Schnick-

schnack, bitte! Wohltuend aufgeräumt wirkt die

Lobby. Gestalterisch hatten die Architekten, die

glücklicherweise auch die gesamte Innenausstat-

tung planen konnten, die formale Schlichtheit des

Klosterlebens im Sinn. Sich auf Weniges, dafür aber

Qualitätvolles zu beschränken, gilt heute als Luxus.

In den Zimmern setzt sich dieses Konzept fort:

Eichenmöbel, Eichenboden, leinenähnliche Möbel-

bezüge und Fenstervorhänge in Grau, schlichte

Leuchten, keine Bilder, kaum Farben. Die Über-

tragung des klösterlichen Armutsideals auf das

Hotelinterieur ist für all diejenigen befreiend, die

sich von Dekoration belästigt fühlen. „Gönne dich

dir selbst. Ich sage nicht: Tu das immer. Aber ich

sage: Tu es wieder einmal. Sei wie für andere Men-

schen auch für dich selbst da.“ Derlei ewig gültige

Zitate von Bernhard von Clairvaux (1090–1153)

stehen auf den weißen Wänden oberhalb der Bet-

ten. Was der Ordensvater damals gemeint hatte,

nennt sich heute „Work-Life-Balance“.

In einem Tagungshotel liegen Erholung und Arbeit

relativ dicht beieinander. Etwas Besonderes in

Haydau ist, dass die Gäste das Hotel verlassen

Die alte Klostermauer wurde integriert und

verläuft im Erdgeschoss quer durch das Hotel.

Weltkrieg verkam die gesamte Anlage, manche

Bauteile drohten gar einzustürzen.

Mithilfe des lokalen Fördervereins und mit Unter-

stützung des Landes Hessen wurde das Gebäude

seit den 1980er-Jahren denkmalgerecht saniert

und nach und nach zu einem Kultur- und Tagungs-

zentrum aufgebaut. Die B. Braun AG förderte

dieses Unterfangen, indem sie schon damals hin

und wieder Tagungen und Veranstaltungen in den

ehemaligen Klosterräumen durchführte. Mit dem

neuen Vier-Sterne-Hotel steht den Tagungsgästen

nun auch eine hochwertige Unterkunft zur Verfü-

gung. Deren Kapazität von 130 Zimmern wird nur

etwa zur Hälfte von Braun in Anspruch genommen,

steht also das ganze Jahr über auch für „normale“

Besucher offen.

Für den Neubau wurden einige der jüngeren Do-

mänenbauten abgerissen, um die ältere Bausub-

stanz wieder freizustellen. Wer heute das Tor zum

Areal passiert, erblickt als erstes die Klosterkirche.

Sie bildet zusammen mit den drei Flügelbauten ein

intimes Geviert, den inneren Klosterhof. Der Ho-

telbau ist seinerseits so geschickt platziert, dass

er von diesem Zentrum nicht ablenkt, trotz seiner

enormen Länge von rund 120 Metern. Der Riegel

ist entlang und teilweise sogar über der nördlichen

Klostermauer errichtet worden, um die eher triviale

Dorfbebauung auszublenden und dem Kloster-

Das Pendeln zwischen Gegenwart und Vergangenheit regt zweifellos den Geist an.

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Projektdaten

Brillux Produkte Glemalux ELF 1000, Dolomit ELF 900, Sensocryl ELF 266, Silikat-Innenfarbe ELF 1806

Objekt Tagungshotel Kloster Haydau

Standort In der Haydau 2, Morschen

Bauherr B. Braun Melsungen AG, Melsungen

Nutzer Food Affairs GmbH, Eschborn

Architekten und Bauleitung Störmer Murphy and Partners, Hamburg

Tragwerksplanung Ingenieurbüro Dr. Binnewies Ingenieurgesellschaft mbH,

Hamburg

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Sven Finger über die Leitidee der Farbgestaltung

„Das Projekt Tagungshotel in Morschen war für uns vor allem aufgrund

des engen Terminplans eine Herausforderung. Mit einem konsequenten

Zeitmanagement haben wir es geschafft, in kürzester Frist eine Fläche

von insgesamt 20.000 Quadratmeter zu bearbeiten. Dabei waren wir

für den kompletten Innenbereich zuständig: vom Wellnessbereich über

den Empfang bis hin zu den Hotelzimmern. In Anlehnung an die Leitidee

der Klosterzelle wurden die Innenräume schlicht weiß gestrichen und nur

durch Zitate des Ordensgründers Bernhard von Clairvaux verziert, die wir

mittels Klebeschablonen aufgebracht haben. Als Untergrund hierfür und

für fast alle Trockenbauwände des Hotels verarbeiteten wir eine scheuer-

beständige Dispersion. Nur auf dem im Treppenhaus und teilweise in den Zimmern verwendeten mineralischen Putz wurde Sili-

katfarbe gestrichen, damit die Wand diffusionsoffen bleibt. Brillux hat uns im gesamten Prozess gut unterstützt. Die Lieferungen

erfolgten zeitgerecht und auf die Organisation und Logistik konnten wir uns absolut verlassen.“

müssen, um zu ihren Seminarräumen zu gelangen,

denn die sind mit viel originalem Gebälk in den

benachbarten ehemaligen Wirtschaftsgebäuden

eingerichtet worden (Architekt: Michael Kreter,

Kassel). Die kurzen Wege zwischen Wohnen und

Arbeiten bringen nicht nur frische Luft, sondern

auch neue Eindrücke. Längst steht fest, dass

ein Mensch in Bewegung auf andere Gedanken

kommt als einer, der den ganzen Tag in geschlos-

senen Räumen verbringt. Das Pendeln zwischen

Gegenwart und Vergangenheit, das sich in Haydau

bei jedem Spaziergang, aber auch bei jedem Blick

aus dem Hotelfenster einstellt, regt zweifellos den

Geist an.

Überaus geschickt hat Jan Störmer die Hotelfas-

sade entwickelt. Wechselnde Fensterformate in

unterschiedlichen Höhen lassen keine Monotonie

aufkommen. Zusammen mit der unregelmäßig ver-

mauerten Vorsatzschale entsteht, vor allem auch

für das Auge des Architekturlaien, der Eindruck

von etwas Gewachsenem. Mit „Retroarchitektur“,

mit angeklebten Türmchen oder Zirbelstuben hat

dieses innen wie außen moderne Gebäude hinge-

gen nichts zu tun. Es ist ein gelungenes Beispiel

dafür, wie mit den heutigen Mitteln der Architektur

ein Bogen zur Vergangenheit geschlagen werden

kann, ohne im Kitsch zu enden. Und überdies

ein vorbildlicher Beitrag zur Baukultur im länd-

lichen Raum.

Nils Ballhausen, Berlin

Sven Finger (li.), Maler- und Lackierermeister/Geschäfts-

führer, und Eugen Bischoff, Maler- und Lackierermeister/

Projektleiter, Werner & Sohn Malerbetrieb GmbH

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Tagungshotel Kloster Haydau, Morschen

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Statt einer Klostermauer riegelt das Tagungshotel

das Klosterareal von der Gemeinde Morschen ab

und schafft so eine kontemplative Atmosphäre.

TGA Schnepf Planungsgruppe Energietechnik GmbH & Co. KG, Nagold

Verkaufsberater Jörg Mönnich, Brillux Kassel

Ausführender Malerbetrieb Werner & Sohn Malerbetrieb GmbH, Fuldatal-Ihringshausen

Nutzfl äche 4.812 m²

Brutto-Geschossfl äche 8.320 m²

Brutto-Rauminhalt 31.826 m³

Störmer Murphy and Partners haben der Fassade durch die Anordnung verschiedener Fensterformate die Strenge genommen.

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Rathaus, Lochem (Niederlande)

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Architektur als Symbol für eine transparente Demokratie

Rathaus, Lochem (Niederlande)

Die 32.500-Einwohner-Stadt Lochem in der Provinz Geldern hat ein neues Rathaus – das wohl erste Null-

Energie-Rathaus in den Niederlanden. Der Entwurf von RAU aus Amsterdam steht für eine transparente

lokale Demokratie. Kräftige Farbakzente in Rot, Orange und Eisblau markieren jene Bereiche, in denen

Menschen zusammenkommen.

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Rathaus, Lochem (Niederlande)

Welche Anforderungen und Funktionen muss ein

Rathaus erfüllen? Wie kann ein Gebäude ausse-

hen, in dem sowohl Bürger ein- und ausgehen als

auch Verwaltungsangestellte und Ratsmitglieder

arbeiten? Die Gemeinde Lochem hat auf diese

Fragen in weniger als vier Jahren – vom Beginn

des Wettbewerbs bis zur Fertigstellung – eine

Antwort gefunden.

Der Neubau besteht aus drei Teilen, zwei Gebäu-

defl ügeln und der Gebäudemitte. Der Eingang mit

großzügigem Foyer und dem öffentlichen Bereich

ist in der Mitte zwischen den beiden Flügeln

positioniert und bildet das Herz des Gebäudes. In

die große Eingangshalle hinein ragt der auffallend

gestaltete Ratssaal, der neben seiner prominenten

Lage innerhalb des Gebäudes auch durch sein

außergewöhnliches Design überrascht. Runde

Formen und geschwungene Linien kombiniert mit

natürlichen Materialien wie Holz und viel Glas:

Mit seiner Offenheit repräsentiert der Ratssaal die

Transparenz der lokalen Demokratie und steht

symbolisch für das „Herz der Demokratie“.

Offenheit und Transparenz, Licht und Sichtbezüge

waren nicht die einzigen wichtigen Ausgangs-

punkte für die Gestaltung. Ein weiterer zentraler

Aspekt war die Lage der Stadt, mit ihrem histo-

rischen Zentrum auf der einen Seite und dem

Wasser der Berkel und der weitläufi gen Landschaft

auf der anderen Seite. Der Entwurf integriert den

Neubau sorgfältig in die umgebende städtische

Architektur und schlägt eine Brücke zwischen

Stadt und Fluss.

Thomas Rau über das Herz des Gebäudes

„Der transparente Ratssaal spielt eine besondere Rolle im Gebäude und für die Stadt und hat deswegen auch

eine besondere Form bekommen. Er ist das Herz der Demokratie und befi ndet sich deswegen im Herzen

des Gebäudes. Die Ratsmitglieder können die Stadt nicht aus den Augen verlieren und die Bürger haben Sicht

auf den Rat. Zudem steht der Saal für festliche Anlässe wie Hochzeiten auch Bürgern zur Verfügung.

Trotz unserer detaillierten Zeichnungen und Berechnungen war es für das Bauunternehmen nicht leicht, die

runde, geschwungene Form des Ratssaals zu verwirklichen. Ein Schiffsbauer hat den Bau letztlich dank seiner

spezifi schen Erfahrung mit vergleichbaren Formen ermöglicht. Nicht so wie gezeichnet, aber in Gestalt und

Ausstrahlung der Entwurfsidee entsprechend. Ich fi nde es wichtig, dass Intuition und handwerkliches Können

in Zeiten von Virtualisierung und Standardisierung noch ihren Platz haben.“Thomas Rau, RAU, Amsterdam

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Grundriss, M 1:1000

Transparenz und Farbe fördern die Kommunikation.

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Brillux colore 21Mit seiner Offenheit repräsentiert das Rathaus die Transparenz der lokalen Demokratie.

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Rathaus, Lochem (Niederlande)

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Der öffentliche Bereich ist geprägt von Offenheit und bietet den

Wartenden hohen Komfort.

Transparenz als zentrales Gestaltungsmittel: Das Raumkonzept bringt unterschiedliche

Anforderungen und Bedürfnisse in Einklang.

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Nachhaltig: Null-Energie-Rathaus

Architekt Thomas Rau hat eine Leidenschaft für

Nachhaltigkeit: „Unser Körper ist fantastisch orga-

nisiert. Er kann seinen Haushalt mit ganz einfachen

Mitteln regulieren. Warum soll das nicht auch bei

einem Gebäude funktionieren?“

Das Lochemer Rathaus ist wohl das erste CO2-

neutrale Null-Energie-Rathaus in den Niederlan-

den – es kann sich beinahe vollständig selbst mit

Energie versorgen. Dafür ist unter anderem das

Energiedach mit seinem zweifachen Energieertrag

verantwortlich: Photovoltaikzellen erzeugen Strom,

Solarzellen auf der Dachterrasse stellen Heizener-

gie bereit. Werden diese beiden Systeme kombi-

niert, können in allen Photovoltaikzellen optimale

Temperaturen gehalten werden. Dieses Konzept

erhöht nicht nur die Effi zienz der Photovoltaikzel-

len, sondern verlängert auch deren Lebensdauer,

da sie nicht überhitzen. Mit weiteren Energieeffi zi-

enztechnologien wie der Betonkernaktivierung ist

das Gebäude energieneutral. Um die Energieziele

zu erreichen, wurde das Gebäude gezielt ausge-

richtet. Im Norden lassen große Fenster viel Licht

in das Gebäude, ohne es allzu sehr aufzuheizen.

Auf der sonnigen Südseite wurden die Fenster da-

gegen deutlich kleiner dimensioniert und in Nischen

zurückgelegt, sodass sie sich quasi selbst be-

schatten und keine zusätzliche Energie zur Kühlung

der dahinterliegenden Räume benötigt wird. Auch

die Auswahl der Materialien erfolgte unter dem

Aspekt der Nachhaltigkeit, von recycelten Ziegeln

für die Fassade bis zu Cradle-to-Cradle-Möbeln.

Innenarchitektur: Farbe fördert Kommunikation

Gemeinsam mit der Gemeinde entwickelte das

Studio Groen + Schild aus Deventer ein Raumkon-

zept, das maximale Flexibilität erlaubt und zugleich

die Zusammenarbeit und die Kommunikation

fördert. Statt jedem Mitarbeiter seinen eigenen

festen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen, gibt

es verschiedene Arbeitsbereiche. Innerhalb jedes

Bereichs wählen die Mitarbeiter den Arbeitsplatz,

der am besten zu der Tätigkeit passt, die gerade

ansteht: Zusammenarbeit, Konzentration, Admi-

nistration. Wie bei der Architektur ist die Trans-

parenz auch beim Innenraumdesign ein zentrales

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Projektdaten

Brillux Produkte CreaGlas Gewebe 2111 VG Fein, Sensocryl ELF 266,

Vetrolux ELF 3100, Lacryl-PU Seidenmattlack 270, Floortec 2K-Epoxi-Siegel 848

Patrick Rosendaal über die Vorteile von Glasgewebe

„Das Gemeindehaus in Lochem ist für mich eines der schönsten Rathäuser in den Niederlanden.

Die Architektur ist ganz besonders und die Arbeitsplätze sind hell und modern. Wir waren im ge-

samten Gebäude tätig. Insgesamt haben wir 8.000 Quadratmeter Brillux CreaGlas Gewebe VG,

Dessin 2111 Fein aufgebracht und anschließend mit Brillux Sensocryl ELF 266 (helle Farbtöne)

und Vetrolux ELF 3100 (dunkle Farbtöne) gestrichen. CreaGlas Gewebe ist sehr strapazierfähig

und deshalb perfekt für dieses hochfrequentierte Gebäude geeignet. Auch die Holzeinbauten

wurden von uns lackiert und 1.000 Quadratmeter Fußboden mit Floortec 2K-Epoxi-Siegel 848

versiegelt. Herausforderungen gibt es immer auf der Baustelle, aber der Bauleiter Aan de Steg-

ge und Brillux haben uns während der gesamten Bauzeit in allen Fragen unterstützt. Wir haben

schon viele große Projekte erfolgreich mit Brillux umgesetzt.“

v.l.n.r.: Sander Rosendaal, Josef Rosendaal und Patrick Rosendaal, Rosendaal Schilderwerken B.V., DJ Beek (NL)

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Objekt Rathaus

Standort Hanzeweg 8, Lochem (NL)

Bauherr Gemeinde Lochem (NL)

Nutzer Gemeinde Lochem (NL)

Architekten RAU, Amsterdam (NL)

Innenarchitekt Studio Groen + Schild BV, Deventer (NL)

Bauleitung Modulor, Westervoort (NL)

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Rathaus, Lochem (Niederlande)

Gestaltungselement: Die im Gebäude vorhandene

Offenheit wird durch transparente Wände noch

verstärkt. Leichte Materialien und natürliches Holz

erzielen einen zeitlosen Look.

Weiteres zentrales Gestaltungsmittel im Inneren ist

Farbe: Überall dort, wo Menschen zusammenkom-

men, gibt es starke Farbakzente. Der Plenarsaal

hat farbige Stühle. In den Kaffee- und Teeküchen

wurden die Wände in Rot, Orange und Eisblau

gestrichen. Für diese sehr intensiven, matten

Farbtöne bot die Spezialinnenfarbe Vetrolux ELF

3100 den gewünschten Gestaltungsspielraum.

Dank ihrer speziellen Funktionsfüllstoffe reduziert

sie weitgehend den sogenannten „Schreibeffekt“

und lässt sich hervorragend reinigen. Mit ihren

kräftigen, intensiven Farbtönen sind die Tee- und

Kaffeeküchen außerdem von überall gut sichtbar

und schaffen eine heitere, freundliche Atmosphäre –

ideal, um in den Pausen aufzutanken.

Für die Beschichtung der insgesamt rund 10.000

Quadratmeter weißen Innenwandfl ächen setzten

die Maler Rosendaal Schilderwerken aus

Beek auf das besonders umwelt-

und gesundheitsschonende

sowie hoch strapazierfähige

Finish Sensocryl ELF 266,

das auf das CreaGlas Gewebe

2111 VG Fein aufgebracht wurde.

Katja Beiersmann, Altenberge

Überall dort, wo Menschen zusammen-kommen, gibt es starke Farbakzente.

Page 26: Colore Nr. 9

Tragwerksplanung JVZ, Nijmegen (NL)

TGA Loewijk, Almelo (NL)

Verkaufsberater Richard Rozenboom, Brillux Apeldoorn

Ausführender Malerbetrieb Rosendaal Schilderwerken B.V., Beek (NL)

Nutzfl äche 11.300 m²

Brutto-Geschossfl äche ca. 6.500 m²

Brutto-Rauminhalt 39.150 m³

Auffallend: Der in die Eingangshalle hineinragende Ratssaal überrascht durch sein außergewöhnliches Design.

Brillux colore 25

Das neue Rathaus steht am Ufer der Berker. Der Ratssaal

kragt auf den Vorplatz aus.

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Kinderhort, Udestedt

Page 28: Colore Nr. 9

Bunt im BestandMitten im Ortskern des thüringischen Udestedt hat Bauplanung Pfi stner einen Kinderhort

platziert. Mit selbstbewussten Farbakzenten setzt sich der Neubau von den denkmalge-

schützten Nachbarbauten ab.

Kinderhort, Udestedt

Brillux colore 27

Page 29: Colore Nr. 9

28 Brillux colore

Das knapp 800 Einwohner zählende Straßendorf

Udestedt bei Erfurt wurde im Krieg weitgehend vor

Zerstörung bewahrt und weist daher historischen,

teils denkmalwürdigen Bestand auf. Auch das

Schulhaus und das ehemalige Kantorgebäude im

Dorfkern wurden als schützenswert eingestuft. Da

das zur Schule gehörende, jedoch außerhalb gele-

gene Hortgebäude zu klein geworden und zudem

baufällig war, entschloss sich die Gemeinde für

einen Neubau auf dem Schulgelände.

Ein schmaler Riegel zwischen bestehender

Sporthalle und dem Kantorgebäude schließt nun

die Ecke zur Wilhelm-Pieck-Straße und fasst so

den zuvor undefi nierten Pausenhof. Hatte das

ursprüngliche Raumprogramm zunächst drei

Horträume vorgesehen, erforderte der während der

Planungsphase stetig wachsende Bedarf schnell

einen, dann zwei weitere Räume, die zudem auch

als Klassenräume des ebenfalls an die Kapazitäts-

grenzen gelangten Schulgebäudes genutzt werden

sollten. Aus dem ursprünglich geplanten einge-

schossigen Flachbau erwuchs so ein Baukörper,

der aufgrund des denkmalgeschützten Kantor-

gebäudes nur zwei Geschosse hoch sein durfte

und an den Bestand mit einem eingeschossigen

Technik- und Lagerraum anschließt.

Der Denkmalschutz hatte auch Auswirkungen

auf das Erscheinungsbild des Neubaus, so war

die Abstimmung der Fensterformate von großer

Wichtigkeit. Zur hofseitigen, den Bestandsgebäu-

den zugewandten Fassade waren große, liegende

Formate bis auf eine Ausnahme ausgeschlossen,

dagegen waren kleinteilige, stehende Formate

gefordert. Trotz dieser Einschränkungen ist es den

Architekten gelungen, die Hofansicht des Hortge-

bäudes mit zwei Fensterformaten zu rhythmisieren

und ein dynamisches Bild im Einklang mit dem

Bestand zu erzeugen. Bezüglich der Materialien

waren die Bestimmungen weniger eng gefasst,

sodass das Gebäude aus Kalksandsteinmauer-

Ein dynamisches Bild im Einklang mit dem Bestand

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Grundriss, M 1:500

Maik Pfi stner über Einfach Bauen und klare Führung

„Farbe ist für mich ein wichtiges Thema in der Architektur. Gezielte Farbgebung wirkt als Markierung, als Anziehungspunkt. Mir

geht es darum, Akzente zu setzen, besonders, was das direkte Umfeld betrifft. Das ist auch beim Kinderhort so umgesetzt, die

leuchtenden Farben erkennt man von Weitem. Das Gebäude ist deutlich ausformuliert und geht nicht in der umgebenden Be-

bauung unter. Ich bevorzuge ein klares, einfaches Bauen. Kinder brauchen auch eine klare Führung und Leitlinien, das Gebäu-

de muss einfach zu verstehen sein. Die Farbe unterstützt dabei die Struktur, hilft zu gliedern und setzt an den entscheidenden

Stellen Akzente – so zieht sich die Außenfarbe der einzelnen Boxen über den Bodenbelag in die dahinterliegenden Klassen- und

Horträume und taucht auch an deren Türen wieder auf. Die Entscheidung fi el dabei bewusst auf Grundfarben, da Kinder diese

differenzierter wahrnehmen als gedeckte Farben. Das leichte Grau als Grundton der Fassade bietet in diesem Fall, ähnlich einer

Leinwand, eine neutrale Basis, die die Farbigkeit unterstreicht.“Maik Pfi stner, Bauplanung Pfi stner,

Erfurt

Kinderhort, Udestedt

Page 30: Colore Nr. 9

Brillux colore 29Zur Straße hin wird die Fassade durch fünf bunte Kuben gegliedert.

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Page 31: Colore Nr. 9

ProjektdatenObjekt Kinderhort

Standort Schulplatz 3, Udestedt

Bauherr Landratsamt, Sömmerda

Nutzer Staatliche Grundschule Udestedt

Architekten und Bauleitung Bauplanung Pfi stner, Erfurt

Tragwerksplanung Ing.-Büro Jens Müller, Erfurt

TGA HLS-Planung Frank Ruhmann, Kölleda und Dipl.-Ing. Klaus-Peter Schaller

Ingenieurbüro für Elektrotechnik, Sömmerda

30 Brillux colore

Kinderhort, Udestedt

An den Wangen der einläufi gen Treppe ins Obergeschoss wechseln sich Farbstreifen unterschiedlicher Breite ab.

Brillux Produkte WDV-System Qju, Silicon-Putz KR K2 3649,

Silicon-Fassadenfarbe 918, 2K-PUR-Acryl Seidenglanzlack 5741

Page 32: Colore Nr. 9

Der Kinderhort auf dem Schulgelände fasst den

Pausenhof und schließt an den Bestand mit einem

eingeschossigen Technikraum an.

Technischer Berater Marc-Hinrich Müller, Brillux Erfurt

Ausführender Malerbetrieb Malerwerkstätten Heinrich Schmid GmbH & Co. KG, Weimar

Nutzfl äche 590 m²

Brutto-Geschossfl äche 685 m²

Brutto-Rauminhalt 2.784 m³

Maler Nico Dittmann zur Ausführung der Fassaden- und Malerarbeiten

„Beim Kinderhort in Udestedt waren wir sowohl für den Außen- als auch Innenbereich zuständig. Als Fassade kam

ein Wärmedämm-Verbundsystem aus 16 Zentimeter Hartschaumplatten zum Tragen, der Putz erhielt einen grauen

Anstrich. In der Regel stellt ein solches System keine große Herausforderung dar, die auskragenden, farbigen Boxen der

einzelnen Gruppenräume verursachten jedoch komplexe Vor- und Rücksprünge, die nicht ganz einfach zu lösen waren.

Hier hat uns Brillux bei Detailfragen umfassend unterstützt. Im Innenbereich bestand die Herausforderung eher in der

Vielzahl der verwendeten Farben, das vom Architekten vorgegebene Farbkonzept haben wir gemeinsam mit ihm im

Detail ausgearbeitet und abgestimmt. Bei der Ausführung erforderten die vielen, kleinteiligen Flächen mit unterschied-

licher Farbgebung besonders bei den Abklebearbeiten eine hohe Sorgfalt und Präzision, um saubere Übergänge und

Kanten zu erhalten. In vielerlei Hinsicht war der Kinderhort kein alltägliches Projekt.“

Brillux colore 31

werk mit einem Wärmedämm-Verbundsystem und

Dreifachverglasung in lackierten Aluminiumprofi -

len realisiert werden konnte. Die Anforderungen

der aktuellen Energieeinsparverordnung wurden

dadurch unterschritten. Enger gesteckt waren

die Grenzen wiederum bei der Farbwahl: Für den

Putz waren nur ortstypische Erdtöne zulässig,

angelehnt an die Farbigkeit des Kantorgebäudes,

oder ein neutraler Grauton. Bauplanung Pfi stner

entschieden sich für den Grauton, um den Neubau

farblich klar vom Bestand abzusetzen. Auf der

Gebäuderückseite zum Sportgelände und zur

Straße hin war die Denkmalschutzbehörde bereit,

den Gestaltungsfreiraum auszuweiten. So gibt sich

das Hortgebäude hier deutlich belebter: Fünf fast

raumhohe Kuben schieben sich aus der Fassade,

jeder in einer anderen, auffälligen Farbe. Orange,

gelb, grün, blau und rot setzen sich die Boxen von

der hellgrauen Fassade ab und sind jeweils einem

der dahinterliegenden Horträume zugewiesen

sowie leicht nach Süden gedreht, um die Belich-

tung zu optimieren.

Betritt man das Gebäude über die Hofseite durch

den mit einem hölzernen Portal formulierten Ein-

gang, wird man von einer mittig geknickten Wand

umarmend empfangen. Farbige Türen, analog zur

Farbe der Boxen auf der Außenseite, weisen den

Weg in den entsprechenden Gruppenraum. Die

Wange der einläufi gen Treppe ins Obergeschoss

ist mit Farbstreifen unterschiedlicher Breite rhyth-

misiert, die sich aus der Farbpalette aller Türen zu-

sammensetzen. Die Konsequenz der Farbgebung

setzt sich innerhalb der Räume mit Linoleumbelag

und einer Wand im gleichen Ton fort. Immer wieder

wird das Schema jedoch auch durch den Einsatz

von ein oder zwei ergänzenden oder kontrastie-

renden Farben aufgelockert. Hochwertige und

langlebige Materialien bestimmen den Innenraum,

so ist die Laibung der Boxen innenseitig mit

Buche-Multiplex-Platten ausgekleidet.

Seit Fertigstellung ist das Interesse am neuen

Hortgebäude groß, das Einzugsgebiet für Schule

und Nachmittagsbetreuung hat sich inzwischen

weit in die umliegenden Landkreise ausgedehnt.

Florian Thein, Berlin

Page 33: Colore Nr. 9

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Max-Planck-Institut, Stuttgart

Page 34: Colore Nr. 9

Auf dem Campus der Max-Planck-Gesellschaft in Stuttgart-Büsnau steht ein Heiligtum der

Nanowissenschaften: ein weltweit einzigartiges Präzisionslabor für Festkörperforschung.

hammeskrause architekten haben einen abgeschirmten Forschungskosmos mit knallbunten

Laborboxen gebaut.

Farben geben Orientierung

Max-Planck-Institut, Stuttgart

Brillux colore 33

Page 35: Colore Nr. 9

Markus Hammes über den Laborbau

„In enger Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und Fachingenieuren haben wir diesen Proto-

typen eines nanotechnischen Präzisionslabors entwickelt. Die elf haushohen Laborboxen bieten

im Innern störungsfreie Atmosphären, die weltweit neue Standards setzen und hinsichtlich der

baukonstruktiven Ausführung der Experimentierfl ächen zu den besten der Welt gehören.

Die Farbgebung der nach außen abgeschirmten Forschungshalle sorgt für eine klare Differenzie-

rung innerhalb der Halle und erleichtert den Forschern die Orientierung und Identifi kation mit

ihren Laborboxen.“Markus Hammes (li.), Nils Krause,

hammeskrause architekten, Stuttgart

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34 Brillux colore

Max-Planck-Institut, Stuttgart

Für das Stuttgarter Max-Planck-

Institut für Festkörperforschung

planten hammeskrause architekten drei voneinan-

der entkoppelte Baukörper: eine Halle mit elf Prä-

zisionslaboren, einen Technikkomplex und einen

L-förmigen Büro- und Labortrakt. Die Gebäude

sind jeweils eigenständig gegründet und konstruk-

tiv getrennt. Kleine Abstandsfugen zwischen den

Baukörpern stellen sicher, dass keine Störungen

von einem auf den anderen Baukörper übergehen,

dass das Ensemble aber dennoch optisch und

funktional eine Einheit bildet. Für den Bürotrakt

planten die Architekten eine Fassade, die die zwei

Geschosse des Neubaus mit Fensterbändern,

schwarzen Rahmen und mit weißen Glaspaneelen

horizontal nachzeichnet und dabei Struktur und

Farbe der benachbarten 70er-Jahre-Kolosse auf

dem Campus spiegelt. Tatsächlich sieht man auf

den Glasfl ächen der Fassade je nach Perspektive

das Spiegelbild der Nachbarbauten. Als Kontrast

zu diesen glatten Oberfl ächen ist die gemeinsame

Hülle von Forschungshalle und Technikkomplex als

Elf hermetische Welten in einem gemeinsamen Kosmos

Aluminiumrelief gestaltet: Vertikale und um

zehn Grad nach links geneigte Quadratrohrprofi le

überlagern sich und erzeugen ein Interferenzmus-

ter. Das Fassadenbild der Halle ändert sich je

nach Blickwinkel des Betrachters und beugt dem

Eindruck der Monotonie vor, der bei der Mas-

sigkeit der fensterlosen Halle zu erwarten wäre.

Die changierende Anmutung der Fassade stellt

Assoziationen zum hochtechnologischen Verfahren

her: Hochleistungsmessgeräte ermöglichen einen

Makroblick auf Nanoteilchen und erweitern unser

Wissen über die Dinge durch eine veränderte

Perspektive.

Das Betreten der Neubauten zeigt: Auch im Inneren

sind die Baukörper zunächst farblich zurückhal-

tend und klar voneinander abgegrenzt. Dem Foyer

schließen sich zwei lange, breite Flure an, die die

Außenseiten der Halle begleiten. Mit Oberlichtern

und seitlichen, zweigeschossigen Verglasungen

bilden sie einen lichten Übergang zwischen den

Räumen des Bürotraktes und der Forschungshalle.

Auch hier kann man am differenzierten Umgang

mit Material die unterschiedlichen Nutzungen

ablesen: weiß lackierte HPL-Platten ummanteln

den Arbeitsbereich für Präzisionsmessungen in der

Hightechhalle – roher Beton hingegen defi niert den

Bereich für die Standardlabore.

In der Halle stehen elf Forschungsboxen, jeweils

Schnitt, M 1:1000

Page 36: Colore Nr. 9

Brillux colore 35Jede der elf Präzisionslaborboxen in der Halle beherbergt einen anderen Versuchsaufbau.

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Page 37: Colore Nr. 9

36 Brillux colore

Max-Planck-Institut, Stuttgart

Der zweigeschossige Bürobau wird durch Oberlichter und Tageslichtlampen beleuchtet.

Projektdaten

Brillux Produkte Hydro-PU-Spray Seidenmattlack 2188, Super Latex ELF 3000, Dolomit ELF 900,

Impredur Seidenmattlack 880, Floortec 2K-Epoxi-Siegel 848, Acryl-Fassadenfarbe 100

Objekt Max-Planck-Institut

Standort Heisenbergstraße 1, Stuttgart-Büsnau

Bauherr Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissen-

schaften e.V., München

Nutzer Max-Planck-Institut für Festkörperforschung MPI FKF

Architekten und Bauleitung hammeskrause architekten, Stuttgart

Tragwerksplanung Weiske + Partner GmbH, Stuttgart

Page 38: Colore Nr. 9

Brillux colore 37

40 bis 60 Quadratmeter groß und im Raster

angeordnet. Jede Box dient einem speziellen

Versuchsaufbau und wurde von den Fachingeni-

euren und Forschern mitgeplant. So entstanden

hochspezialisierte Laborboxen aus 40 Zentimeter

dickem Beton. Jede Box wird von einem 100

Tonnen schweren Betonfundament mit Luftfe-

derung getragen und so von den seismischen

und baukonstruktiv bedingten Schwingungen

entkoppelt. Um elektromagnetische Störungen zu

vermeiden, sind die Betonwände mit Glasfaser-

stäben statt mit Stahl armiert und außen teilweise

mit verschweißten Stahlplatten ummantelt. Die

gesamte Anlagentechnik läuft gedämmt und ent-

koppelt in und aus den Boxen. Ein Alarmsystem

meldet minimalste Störungen, die die Messungen

verfälschen könnten: Elf hermetische Welten in

einem gemeinsamen Kosmos, gegründet auf Fels,

abgeschottet mit Stahl und Beton.

Den Tageslichtlampen und Glaseinsätzen zum

Flur hin ist es zu verdanken, dass die Forscher

die tägliche Isolation aushalten. Die Farbigkeit

der Boxen bringt die 15 Meter hohe Halle auf ein

menschliches Maß und bietet Orientierung im

gleichförmigen Raster. Die Architekten ließen die

unteren Hälften der Boxen neutral weiß streichen,

da die Forscher zwischen den Boxen auf Moni-

toren ihre Versuche überwachen und Papiere mit

Berechnungen aufhängen. Die oberen Flächen

der Boxen dagegen leuchten in unterschied-

lichen Signalfarben mit übergroßen Zahlen und

Buchstaben. Dadurch entstehen mit jedem neuen

Blickwinkel abwechslungsreiche Bildkomposi-

tionen – eine Farbexplosion am Hallenhimmel.

Rosa Grewe, Darmstadt

TGA Krebs Ingenieure GmbH, Ditzingen

Technische Beraterin Sabine Reith, Brillux Stuttgart

Ausführender Malerbetrieb Hürttle Anstrichtechnik GmbH, Stuttgart

Nutzfl äche 1.590 m² (NF 1-6)

Brutto-Geschossfl äche 5.250 m²

Brutto-Rauminhalt 30.800 m³Der L-förmige Bürobau mit horizontalen Fensterbändern

umschließt die Aluminiumfassade der Halle.

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Werner Baumgärtner über die Arbeit an den Laborboxen

„Das Max-Planck-Institut für Festkörperforschung war ein besonderes Projekt für uns.

Alleine die bunten Messboxen waren eine Herausforderung: Die Trapezoberfl ächen

erforderten ein sehr aufwendiges Arbeiten, beim maßgenauen Abkleben der Farbfl ächen

und dann beim Farbauftrag im Spritzverfahren. Die Boxen erhielten zuerst einen weißen

Farbauftrag, darüber dann die obere, farbige Schicht. Zwei Besonderheiten brachte

der Ort mit sich: In der Halle war es kühl, sodass die Farbtrocknung mehr Zeit benötigte

und wir genauestens darauf achten mussten, dass keine Farbläufer entstehen. Dazu

kam, dass die Halle zum Zeitpunkt der Bauarbeiten nur schwer entlüftet werden konnte.

Nachdem wir den Beton imprägnierten, wurde klar, wir mussten die Farbgerüche noch

weiter minimieren, damit die Handwerker auf der Baustelle störungsfrei weiterarbeiten konnten. Daher verwendeten wir für

die Farbfl ächen der Messboxen zum ersten Mal das neue Brillux Hydro-PU-Spray, einen wasserverdünnbaren, geruchsarmen

Lack. Durch die PU-Verstärkung ist der Lack zudem an der Oberfl äche härter und widerstandfähiger – wichtig für die Nutzung

der Räume als Präzisionslabor.“

Malermeister Werner Baumgärtner, Hürttle Anstrichtechnik GmbH, Stuttgart

Page 39: Colore Nr. 9

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Wohnanlage, Lemgo

Page 40: Colore Nr. 9

Keiner ist alleinWohnanlage, Lemgo

Wie das Zusammenleben von Menschen mehrerer Generationen funktionieren kann,

zeigt das Wohnprojekt Pöstenhof im ostwestfälischen Lemgo. Die ortsansässigen

Architekten h. s. d. architekten ein Gebäude, das durch ein ausgewogenes Verhältnis

von Nähe und Distanz überzeugt.

Brillux colore 39

Page 41: Colore Nr. 9

Im Jahr 2006 begann die Wohnbau Lemgo eG den

Großteil ihres Bestands zu modernisieren, der sich

überwiegend aus Wohnblöcken aus den 1950er-

Jahren mit insgesamt 150 Wohneinheiten zu-

sammensetzt. Die Genossenschaft besaß zudem

ein an das Viertel angrenzendes, brachliegendes

Fabrikgrundstück in unmittelbarer Nähe zur In-

nenstadt von Lemgo. Dieses 4.800 Quadratmeter

große Areal sollte genutzt werden, um ein innova-

tives Wohngruppenprojekt zu verwirklichen und

die Revitalisierung des Quartiers abzuschließen.

Erstmals sollte es in Lemgo einen Ort geben, an

dem Menschen unterschiedlicher Herkunft, Jung

und Alt, Familien, Singles, Paare und Alleinerzie-

hende in einer Gemeinschaft zusammenleben. Das

besondere Merkmal dieses Mehrgenerationen-

projekts ist seine Entwicklung in Prozessen: vom

Finden über das Kennenlernen bis hin zum Zusam-

menwachsen der Bewohner. Die Architekten legten

großen Wert darauf, die ersten Mieter frühzeitig

in ihre Planung einzubeziehen. Im offenen Dialog

konnten sie Wohnungsgrundrisse mitgestalten und

an den organisatorischen Strukturen des

Projekts teilhaben.

Um das dreieckige Grundstück bestmöglich

auszunutzen und einen geschützten Innenhof zu

schaffen, ordneten die Architekten zwei freiste-

Gezielter Einsatz farbiger Elemente

Prof. André Habermann über Zusammenfi nden und Zusammenwachsen

„Als übergeordnetes Symbol des Entwurfs defi nierten wir das Geben und das Nehmen. Wir

haben uns vorgestellt, dass Bewohner und Baukörper wie die Glieder einer Kette aneinander

fest- und zusammenhalten, was subtil in der Fassaden- und Baukörpergestaltung erkennbar sein

sollte. Den Laubengang verstehen wir als internen, aber öffentlichen Bürgersteig. Durch die Vor-

und Rücksprünge der Wohnungen entsteht ein Spiel zwischen Verengungen und Aufweitungen,

in denen Kommunikationszonen mit Sitzbereichen gebildet werden. Die prozesshafte Entwick-

lung dieses Projektes ist ein besonderes Merkmal. Dazu gehört das Finden der Bewohner, das

Zusammenwachsen und intensive Kennenlernen vor dem Einzug. Als weitere Entwicklungsstufe

haben wir die Menschen intensiv in die Planung eingebunden. Sie konnten am Planungsprozess

teilhaben und ihre eigenen Wohnungsgrundrisse mitgestalten.“

Christian Decker (li.) und Prof. André Habermann,

h.s.d. architekten bda, Lemgo

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Grundriss, M 1:1000

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Wohnanlage, Lemgo

Page 42: Colore Nr. 9

Die Architekten haben die zukünftigen Bewohner des Mehrgenerationenprojektes von Anfang an in den Planungsprozess einbezogen.

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Page 43: Colore Nr. 9

Die beiden dreigeschossigen Wohnblöcke sind in der ersten und zweiten Etage durch Brücken miteinander verbunden.

Daran angrenzende Laubengänge erschließen die Wohnungen.

42 Brillux colore

Wohnanlage, Lemgo

Page 44: Colore Nr. 9

Zur Straßenseite bilden Vor- und Rücksprünge eine kettenartige Struktur.

Die Architekten ließen sich von der kleingliedrigenStadtstruktur der historisch gewachsenen Hansestadt Lemgo inspirieren.

hende Baukörper V-förmig

zueinander an. Die zwei

dreigeschossigen Wohnblö-

cke werden über großzügige

Laubengänge erschlossen und

sind in der ersten und zweiten

Ebene durch eine Brücke miteinan-

der verbunden. Insgesamt 33 Wohneinheiten, von

der Ein-Zimmer-Wohnung bis zur Fünf-Zimmer-

Maisonette, stehen den Mietern zur Wahl. Durch

die unterschiedlichen Wohnungsgrößen und die

Mischung aus gefördertem und nicht gefördertem

Wohnraum entsteht die vom Bauherrn gewünsch-

te heterogene Mieterstruktur. Die Bewohner des

Pöstenhofs haben die Möglichkeit, eine Gästewoh-

nung zu nutzen, sodass die einzelnen Wohnungen

keine Gästezimmer vorhalten müssen. Zusätzlich

gibt es einen großzügigen Gemeinschaftsraum für

kulturelle Veranstaltungen und eine Tagespfl ege-

einrichtung. Besonderes Augenmerk legten die

Architekten auf das Verhältnis von Nachbarschaft

und Privatheit. Sie schufen verschiedene Zonen,

von einem halböffentlichen Platz über einen ge-

meinschaftlich genutzten Innenhof mit Spiel- und

Gartenfl ächen bis hin zu privaten Loggien und

Gartenbereichen.

Im Gegensatz zur klaren Gesamtform der Baukör-

per wurde die Fassade sehr differenziert gestaltet.

Zur Straßenseite ist sie in ihrer Länge durch Vor-

und Rücksprünge gegliedert, wodurch die subtile

Wirkung einer Kette entsteht. Gleichzeitig sind für

den Betrachter die unterschiedlichen Breiten der

Wohnungen von außen nachvollziehbar. Großzü-

gige Fenster mit anthrazitfarbenen Rahmen und

weiß gestrichene Putzfl ächen wechseln sich ab.

Die Architekten ließen sich von der kleingliedrigen

Stadtstruktur der historisch gewachsenen Han-

Brillux colore 43

Page 45: Colore Nr. 9

ProjektdatenObjekt Wohnanlage

Standort Pöstenweg / Hinter den Pösten, Lemgo

Bauherr und Nutzer Wohnbau Lemgo eG, Lemgo

Architekten h.s.d. architekten bda, Lemgo

Bauleitung Wohnbau Lemgo eG, Lemgo

Tragwerksplanung Dr. Möller & Oberhokamp, Lemgo

TGA F & S GmbH, Detmold

Brillux Produkte WDV-System Qju, Rausan KR K2 3516, Silikat-Finish 1811

44 Brillux colore

Wohnanlage, Lemgo

Die Architekten schufen verschiedene Zonen: vom halböffentlichen Platz über den öffentlich genutzten Innenhof bis hin zu privaten Gartenbereichen.

Page 46: Colore Nr. 9

Das 4.800 Quadratmeter große Grundstück liegt in der Nähe der

Innenstadt von Lemgo.

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Stefan Krause über Balkone als Herausforderung

„Wir haben die Außenfassade des Pöstenhofs mit einem Wärmedämm-Verbundsystem

versehen und den Brandschutzanstrich der Stahlkonstruktion der Laubengänge aus-

geführt. Dieses Bauvorhaben war nicht alltäglich für uns, denn die besondere Heraus-

forderung bestand darin, die aufwendige Balkonkonstruktion zu dämmen. Wir haben

das Problem gelöst, indem wir jeden einzelnen Stahlträger mit einer besonders starken

Dämmschicht verkleideten. Auf diese Weise haben wir verhindert, dass die Balkone zu

Wärmebrücken werden.“

Stefan Krause, KC Krause

& Co Malereibetrieb GmbH,

Lauenau

Technischer Berater Frank Förster, Brillux Paderborn

Ausführender Malerbetrieb KC Krause & Co Malereibetrieb GmbH, Lauenau

Nutzfl äche 3.650 m²

Brutto-Geschossfl äche 5.715 m²

Brutto-Rauminhalt 17.865 m³

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sestadt Lemgo inspirieren. Hofseitig machen die

breiten Laubengänge, die neben der Erschließung

auch als Begegnungsraum für die Bewohner

dienen, und in Limettengrün gehaltene Außenwän-

de das Fassadenbild aus. Durch den reduzierten

und gezielten Einsatz farbiger Elemente hebt

sich der Pöstenhof auf erfrischende Weise von

Wohnanlagen dieser Art ab, ohne dabei aufdring-

lich zu wirken.

Neben dem gestalterischen Anspruch überzeugt

die Wohnanlage durch ihre hohe Energieeffi zienz.

Die Fassade wurde mit einem Wärmedämm-

Verbundsystem versehen, welches dazu beiträgt,

dass das Gebäude dem KfW-Effi zienzhaus-

40-Standard entspricht. Das Mehrgenerationen-

wohnen Pöstenhof in Lemgo wurde mehrfach

ausgezeichnet: mit dem Landespreis für Architektur,

Wohnungs- und Städtebau Nordrhein-Westfalen

2012, dem 2. Platz beim Deutschen Fassadenpreis

2013 in der Kategorie „Energieeffi ziente Fassaden-

dämmung“ und dem Deutschen Bauherrenpreis

Neubau 2013/2014.

Annika Frey-Viebrock, Cuxhaven

Page 47: Colore Nr. 9

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Jugendherberge Kaiserburg, Nürnberg

Page 48: Colore Nr. 9

Ochsenblutrot und AnthrazitBurg 2, eine erhabene Adresse. Hoch über den Dächern der Nürnberger Altstadt

verbirgt sich hinter Sandsteinmauern die modernste Jugendherberge Europas.

Unantastbar sei die Fassade, so der Denkmalschutz. Dafür wurde den Architekten

im Inneren größtmögliche Freiheit gelassen.

Jugendherberge Kaiserburg, Nürnberg

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Page 49: Colore Nr. 9

48 Brillux colore

Jugendherberge Kaiserburg, Nürnberg

Die Farben der Nürnberger Altstadt, das sind

seit Jahrhunderten das Rot der spitzen Dächer

und das fahle Rotgelb der Sandsteinmauern. Die

Jugendherberge thront über diesem Häusermeer:

Sie steht ganz oben, neben der Kaiserburg, und

ist historisch ein Teil von ihr – ein exponiertes

Baudenkmal, 1495 als Kornspeicher der Stadt

errichtet, später als Kaiserstallung genutzt, 1937

zur „Reichsjugendherberge“ umgebaut, im Krieg

zerstört und danach wiederaufgebaut. Dass sich

hinter den schweren Mauern und den Gauben-

fenstern des gewaltigen Steildachs seit 2013 die

„modernste Jugendherberge Europas“ verbirgt,

das ist dem Haus von außen nicht anzusehen.

Unantastbar sei die Fassade, so der Denkmal-

schutz. Dafür wurde den Architekten, dem

Nürnberger Büro Fritsch+Knodt&Klug im Team

mit den Münchnern Franchi & Dannenberg,

im Inneren die größtmögliche Freiheit gelassen.

Mit welchen Farben begegnet man nun der mit-

telalterlichen Schwere? Beim Eintritt werden die

Gäste von einem gediegenen Clubambiente emp-

fangen: Das Eichenholz der Tische und Bänke, das

anthrazitfarbene Kunstleder der Sitzecken und der

hellgraue Industrieboden gehen eine fast kühle

Mischung mit den Sandsteinbögen und -pfeilern

ein, die das Erdgeschoss strukturieren. Nichts

erinnert mehr an den ehemaligen Speisesaal, an

Klassenfahrten mit Fencheltee – dieses Image

wurde dem Haus gründlich ausgetrieben. Eine

große, schwarz-weiße Rosette ist ein Vorbote der

Wandmalereien, die das ganze Haus prägen.

Schnitt, M 1:750

Susanne Klug über Farbinszenierungen

„Die ehemalige Kaiserstallung ist ein Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg. In den

unteren drei Geschossen gab es noch relativ viel historische Bausubstanz wie Reste der

Sandsteinwände, gemauerte Bögen und denkmalgeschützte Holztüren. Das Farbkon-

zept in diesem Teil des Hauses ist eher zurückhaltend und inszeniert die historischen

Bauelemente mit klassischen, schlichten Farbtönen wie Anthrazit, Ochsenblutrot und

Weiß. Die oberen Geschosse unter dem Steildach waren komplett entkernt und standen

zur freien Verfügung: Hier haben wir mit jungen, frischen Farben gestaltet. Bei dem

Umbau dieses Hauses haben wir mit sehr vielen Menschen zusammengearbeitet, vom

Pädagogen bis zum Grafi ker, um den vielfältigen Anforderungen des Bauherrn ebenso gerecht zu werden wie dem Denkmal- und Brandschutz. Bei der

Wandgestaltung ging es auch um die Frage: Wie transportiert man ein Bewusstsein für die Geschichte des Ortes, ohne antiquiert zu wirken? So kamen die

QR-Codes zustande, die in die Ornamente eingebettet sind.“

V.l.n.r.: Susanne Klug, Alexandra Fritsch, Johannes Fritsch und Helmut

Knodt, Fritsch+Knodt&Klug ArchitektInnen, Nürnberg

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Neue Stahltreppen und ein rot verkleideter Aufzug führen zu den Seminarräumen im ersten und zweiten Geschoss.

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Page 51: Colore Nr. 9

Die Einbauten und Möbel in der Lobby sind in Grautönen und Eichenholz gehalten.

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Jugendherberge Kaiserburg, Nürnberg

Page 52: Colore Nr. 9

Unter dem Steildach: zweifarbige Flure und behagliche Zimmer

Brillux colore 51

In Feinarbeit haben die Maler Ornamente

auf die Wand schabloniert, die QR-Codes

enthalten: Die jugendlichen Gäste können

mit dem Handy die Codes scannen und

bekommen auf diese Weise Filme, Bilder und

Texte zur Geschichte des Hauses und der Stadt.

Diese Idee der Architekten, Wandgestaltung und

Pädagogik zu verbinden, setzt sich in den oberen

Geschossen fort und wird mit jedem Höhenmeter

farbenfroher: Die langen Gänge zu den Zimmern

sind in Blautönen, in Brombeer und in Grasgrün

gestaltet. Die Ornamente aus Blüten und Wappen,

die sich über Wände und Decken ziehen, verkür-

zen visuell die Länge der Flure – ein Effekt,

den auch Jugendherbergsleiterin Sigrid Natterer

sehr begrüßt.

20 Millionen Euro hat das Deutsche Jugendher-

bergswerk in den Umbau investiert. Mit dieser

Summe wurden nicht nur das Dach gedeckt und

neue Holzfenster eingebaut, sondern das Haus

wurde entkernt und mit mit einem Aufzug, mit neu-

er Haustechnik und zeitgemäßen Sanitärbereichen

ausgestattet: Anstelle einer Sammeldusche für 300

Gäste hat nun jedes der 93 Zimmer ein eigenes

Duschbad. Stockbetten gibt es zwar noch immer,

doch diese sind von den Architekten entworfen

und bilden eine Einheit mit den Einbauschränken,

den Eichentischen, dem roten Kunstleder der

Sitznischen und den Wänden in Weiß und Ochsen-

blutrot. Neben den klassischen Zwei- bis Sechs-

Bett-Zimmern bietet die Jugendherberge nun

auch Maisonettezimmer für Familien an und – als

Highlight – die Turmzimmer mit einem großartigen

Blick über die Stadt.

Wandgestaltung und Pädagogik verbinden

Page 53: Colore Nr. 9

ProjektdatenObjekt Jugendherberge Kaiserburg

Standort Kaiserstallung Burg Nürnberg, Burg 2, Nürnberg

Bauherr und Nutzer Deutsches Jugendherbergswerk Landesverband

Bayern e.V., München

Architekten und Bauleitung Fritsch+Knodt&Klug ArchitektInnen, Nürnberg,

mit Franchi & Dannenberg Architecture & Design, München

Tragwerksplanung WSP Deutschland AG, München

TGA Enco Energie Consulting GmbH, München

Brillux Produkte Dolomit ELF 900, Super Latex ELF 3000, Latexfarbe ELF 992,

Silikat-Innenfarbe ELF 1806, Impredur Seidenmattlack 880

Holger Bierbaum über ein gutes Zeitmanagement

„Die Jugendherberge war ein interessanter Auftrag für uns – man arbeitet ja nicht jeden Tag in einem Ge-

bäude wie der ehemaligen Kaiserstallung auf der Nürnberger Burg. Da großer Zeitdruck herrschte, war die

Koordination der einzelnen Gewerke komplex, aber der Bauleiter war immer vor Ort und hat mit angepackt.

Je nach Anforderung waren wir an manchen Tagen mit 20 Mann gleichzeitig auf der Baustelle, an anderen

Tagen wieder mit fünf. Wir haben die Gästezimmer in Weiß gestrichen und die Flure in den Obergeschossen

in sehr schönen Farbtönen, die die Architekten ausgewählt hatten. Die Farben mussten auf unterschiedliche

Oberfl ächen aufgetragen werden: Für die Decken haben wir Dolomit ELF 900 verwendet, die Wände in den

öffentlichen Bereichen sind mit Latexfarbe ELF 992 und Super Latex ELF 3000 gestrichen. Für die Bestands-

wände kam die Silikat-Innenfarbe ELF 1806 zum Einsatz, da diese diffusionsoffen bleiben mussten. Herr Hof-

mann und Herr Gradl von Brillux haben uns bei der Auswahl der passenden Produkte sehr gut unterstützt.“

Malermeister Holger Bierbaum,

Michael & Theo Fesel GmbH, Nürnberg

Digitale Jugendherberge im mittelalterlichen Ambiente

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52 Brillux colore

Jugendherberge Kaiserburg, Nürnberg

Das Konzept des Bauherrn, seine in die Jahre

gekommenen Jugendherbergen aufzuwerten und

die einzelnen Häuser zu spezialisieren, geht in

Nürnberg auf. Die „digitale Jugendherberge“ im

mittelalterlichen Ambiente ist seit der Wiedereröff-

nung gut ausgelastet. Zur Refi nanzierung tragen

auch die neuen Seminar- und Multimediaräume im

ersten und zweiten Geschoss und der edel reno-

vierte Eppeleinsaal bei. Letzterer bietet moderne

Technik, Platz für 200 Gäste und ist mit einem

eigenen Eingang von der Burg aus zu nutzen.

Konzertbesucher, Mitarbeiter von Firmen und na-

türlich die Schulklassen und Individualtouristen –

sie alle treffen sich im offenen Speisesaal und an

der Bar und dürfen dort auch nach der Nachtruhe

um 22 Uhr bleiben. Den Architekten ist es gelun-

gen, ein offenes Haus zu gestalten, das dennoch

die kaiserliche Würde wahrt.

Doris Kleilein, Berlin

Page 54: Colore Nr. 9

Die Jugendherberge thront auf dem Nürnberger Burgberg

(rechts oben).

Technischer Berater Johann Ludwig Gradl, Brillux Nürnberg

Verkaufsberater Peter Hofmann, Brillux Nürnberg

Ausführende Malerbetriebe Michael & Theo Fesel GmbH, Nürnberg,

Kobra Malereibetriebe GmbH, Großmehring

Nutzfl äche 4.040 m²

Brutto-Geschossfl äche 8.290 m²

Brutto-Rauminhalt 24.592 m³

Der stilvoll erneuerte Eppeleinsaal: Sandsteinpfeiler, Geländer und Holzdecke wurden saniert. Der Holzboden und die Ringleuchten mit LED-Technik sind neu.

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Page 55: Colore Nr. 9

54 Brillux colore

Gymnasium, LappersdorfFo

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Page 56: Colore Nr. 9

Brillux colore 55

Der Landkreis Regensburg hat auf der grünen Wiese ein kompaktes, klar zoniertes Gymnasium gebaut.

Mit viel Bedacht wurden Farben und Materialien gewählt, die der Beanspruchung durch 800 Kinder und

Jugendliche standhalten und eine freundliche, warme Atmosphäre erzeugen.

Gymnasium, Lappersdorf

Gelb, Rot und Orange

Page 57: Colore Nr. 9

56 Brillux colore

Gymnasium, Lappersdorf

Im Speckgürtel von Regensburg liegt

das kleine Städtchen Lappersdorf, in

dem die Bevölkerungszahl zunimmt und neue

Wohngebiete erschlossen werden. In einem

solchen liegt auch der Gymnasiumsbau, den der

Landkreis Regensburg im Jahr 2010 in Auftrag

gegeben hatte. Das VOF-Verfahren gewann die

Arbeitsgemeinschaft Gutthann Architekten und

Ingenieure aus Donaustauf und HIW Hornberger,

Illner, Weny aus Straubing und wurde mit den Leis-

tungsphasen 1–9 der HOAI – der Honorarordnung

für Architekten und Ingenieure – beauftragt.

Der rechteckige, dreigeschossige Baukörper liegt

an einem Hügel. Die Erdgeschosszone, die im

Westen leicht im Hang versinkt, tritt visuell zurück

durch große Glasfl ächen und anthrazitfarbene

Wände. Die beiden umlaufenden Obergeschosse

sind in Weiß gehalten, mit horizontalen Fenster-

öffnungen und roten Farbakzenten dort, wo sich

Lüftungselemente befi nden.

Die Schule ist um zwei Atrien herum organisiert.

Die Klassenräume im ersten und zweiten Ober-

geschoss sind in drei Riegeln um den offenen

Pausenhof angeordnet. Dieser ist etwa zur Hälfte

in breiten Stufen angelegt, die ins Obergeschoss

führen, ein perfekter Ort für Open-Air-Auffüh-

rungen. Den vierten Riegel im Osten bilden das

Foyer und die eher öffentlichen Bereiche wie Men-

sa, Mehrzweckraum, Lehrerzimmer und Fachräu-

me. Im Ostriegel befi ndet sich auch das Herzstück

des Hauses – eine großzügige, dreigeschossige

Halle. Zwei einläufi ge Treppen bilden die zentra-

le Erschließung des Gebäudes und eine Bühne

für den Auftritt von Schülern und Lehrern. Die

geschlossenen Geländer der Treppenläufe und Ga-

lerien sind aus klar lackiertem Furnierschichtholz,

ebenso wie die Trennwände zwischen Unterrichts-

räumen und Fluren – ein robustes Material, das

auch nach eineinhalb Jahren Schulbetrieb noch

keine Gebrauchsspuren aufweist. Auffallend sind

die in die Geländer eingearbeiteten Handläufe auf

zwei Höhen. Mit ihren Wölbungen und Rundungen

aus massiver Buche wirken sie fast etwas manie-

Glasfl ächen und anthrazitfarbene Wände

Joachim Gutthann über Farbgebung und Haptik

„Wir haben uns intensiv mit der Farbgebung beschäftigt. Gerade in einer Schule halten wir ein gutes

Farbkonzept und die Beschaffenheit der Oberfl ächen für sehr wichtig. Bei dem Gymnasium in Lappers-

dorf sollten es warme Farbtöne sein. Das Farbleitsystem setzt sich aus Gelb, Orange und einem hellen

Rot zusammen. In der Holzkassettendecke in der zentralen Erschließungshalle kommen auch Blau- und

Grüntöne zum Einsatz – aber alles warme, erdige Farben, die gut mit dem Ausbaumaterial harmonieren.

Im Foyer, in den Fluren und dem großen, offenen Treppenhaus haben wir uns für Holzwände entschie-

den, die aus Furnierschichtplatten bestehen – ein warmes Material in einem warmen Ton. Nach eineinhalb

Jahren Schulbetrieb gibt es hier noch keine Beschädigungen, Kritzeleien oder Gebrauchsspuren. Wir sind

überzeugt, dass Farbgebung und Haptik Einfl uss haben auf das Verhalten der Schüler und Aggressionen

verringern können.“

Joachim Gutthann, Gutthann Architekten &

Ingenieure GmbH, Donaustauf

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Grundriss 1.OG, M 1:750

Page 58: Colore Nr. 9

Brillux colore 57Die Schule ist um zwei Atrien organisiert und die Klassenräume sind im ersten und zweiten Obergeschoss angeordnet.

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Page 59: Colore Nr. 9

ProjektdatenObjekt Gymnasium

Standort Am Sportzentrum 2, Lappersdorf

Bauherr Gymnasium Lappersdorf/Landkreis Regensburg

Nutzer Gymnasium Lappersdorf

Architekten und Bauleitung ARGE Gutthann Architekten und

Ingenieure GmbH, Donaustauf und HIW Hornberger, Illner, Weny

Gesellschaft von Architekten mbH, Straubing

Tragwerksplanung Ingenieurbüro Dr. Lammel, Regensburg

Brillux Produkte Silicon-Fassadenfarbe 918, WDV-System Qju, Sensocryl ELF 267, Glemalux ELF 1000,

Dolomit ELF 900, Latexfarbe ELF 992, Floortec 2K-Epoxi-Siegel 848

58 Brillux colore

Gymnasium, LappersdorfFo

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Page 60: Colore Nr. 9

Im Gegensatz zu den beiden Obergeschossen tritt das Erdgeschoss in seiner

Gestaltung in den Hintergrund.

Sascha Donth über die Anforderungen im Innenraum

„Wir haben sämtliche Malerarbeiten im Innenbereich des Neubaus für das Gymnasium in Lappersdorf

ausgeführt – von der Vorbereitung des Untergrunds über Bodenbeschichtung, das Streichen der Tür-

zargen und Brüstungen bis zu den Wandbeschichtungen. Da die Beanspruchung in Schulen groß ist,

wurde auf robuste Materialien geachtet. So wurde in den Klassenräumen Glemalux ELF 1000 eingesetzt,

während die Treppenhäuser mit Sensocryl ELF 267 eine strapazierfähige und umwelt- und gesund-

heitsschonende Beschichtung erhielten. Ein besonderer Anreiz für uns war jedoch die bunte Decke in

der Eingangshalle. Die Gipskartonpaneele in der Holzkassettendecke haben wir in montiertem Zustand

gestrichen, dafür musste die Halle komplett eingerüstet werden. Neun verschiedene Farbtöne kamen

zum Einsatz und man freut sich, wenn es schön anzusehen ist. Da sich unser Firmensitz im 350 Kilome-

ter entfernten Waltershausen in Thüringen befi ndet, waren wir jeweils von Montag bis Donnerstag vor

Ort auf der Baustelle. Bei einer Fernbaustelle ist besonders der Lieferservice wichtig. Dieser war sehr

gut, so wie wir auch bei verschiedenen anderen Baustellen gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit

mit Brillux gemacht haben.“

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Sascha Donth, SD Malerwerkstätten,

Waltershausen/Schnepfenthal

TGA Ingenieurbüro für Gebäudetechnik Heinzelmann, KEWOG Städtebau

GmbH - Zentrum für rationelle Energieanwendung und Umwelt, Regensburg

Technischer Berater Nico Reichel, Brillux Regensburg

Ausführender Malerbetrieb Malermeister Kiefl GmbH, Runding

(Außenarbeiten) und SD Malerwerkstätten Donth GmbH & Co. KG,

Waltershausen/Schnepfenthal (Innenarbeiten)

Nutzfl äche 7.388 m²

Brutto-Geschossfl äche 11.805 m²

Brutto-Rauminhalt 43.909 m³

Brillux colore 59

ristisch und überdimensioniert im Vergleich zur

ansonsten eher sachlich anmutenden Gestaltung.

Die Handläufe seien das, was die Kinder von ihrem

Schulgebäude in Erinnerung behalten werden,

erklären die Architekten schmunzelnd. Mitgewirkt

hat der Künstler Manfred Mayerle, den sie bei der

Gestaltung der Halle einbezogen hatten. Er hat

auch der Farbgebung den letzten Schliff gege-

ben. Keine zurzeit gängigen Modefarben sind hier

eingesetzt worden, sondern warme Töne aus einer

Farbfamilie. Das Farbleitsystem sieht ein warmes

Gelb im Erdgeschoss vor, ein Orangerot im ersten

und ein Orange im zweiten Obergeschoss, die

Türeinfassungen der Unterrichtsräume bis zu den

Sitzbänken in den Fluren sind entsprechend farbig.

Eine weitere Besonderheit der Halle ist die Decke.

Im Wettbewerbsentwurf war noch ein Glasdach

geplant, das jedoch in der weiteren Bearbei-

tung einer ungerichteten Holzdecke in Form von

quadratischen Kassetten aus Brettschichtbindern

wich. Die Kassetten sind ausgefacht mit farbigen

Paneelen. Hier erfährt die Farbpalette eine Erweite-

rung um Blau, Grün, Violett und Ocker. In gewissen

Abständen werden einzelne Kassetten zu Oberlich-

tern, die seitlichen Wandungen übernehmen die

Farbe des jeweilig angrenzenden Paneels. Nachts

leuchten dann diese Farbfelder durch Beleuch-

tungsbänder am unteren Rand der Wandungen. Es

ist eine unaufdringlich bunte, sehr ansprechende

Farbgebung und Belichtung, die der Halle eine

freundliche Atmosphäre verleiht.

In nur 15 Monaten Bauzeit ist hier ein kompaktes,

klar strukturiertes und sympathisches Schulgebäude

entstanden, das zudem durch die aufwendig aus-

geführten, energetischen Maßnahmen im Außen-

bereich wie das Wärmedämm-Verbundsystem in

30 Zentimeter Dämmstoffdicke Passivhausstan-

dard erreicht. Es vermittelt den Eindruck, dass es

sich hier gut Lernen und Lehren lässt und dass es

Raum gibt zum Ausprobieren und zur Entwicklung.

Dagmar Hoetzel, Berlin

Eine unaufdringlich bunte, sehr anspre-chende Farbgebung

Page 61: Colore Nr. 9

60 Brillux colore

Kunst am Bau, Schwarzwald-Baar-Klinikum, Villingen-SchwenningenFo

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Page 62: Colore Nr. 9

Brillux colore 61

Erlebt das Gemeinschaftskunstwerk eine Renaissance? Mit einer farben-

und formenreichen Wandmalerei auf 176 Metern Länge im Schwarzwald-

Baar-Klinikum in Villingen-Schwenningen präsentieren sich vier Maler als

Zusammenarbeiter der gegenwärtigen Kunstwelt.

Erweiterte Originalität

Kunst am Bau, Schwarzwald-Baar-Klinikum

Page 63: Colore Nr. 9

V.l.n.r: David Harley, Jürgen Palmtag, Volker Saul und Michael Jäger

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„Mit der gemeinschaft-lichen Arbeit wird die Idee von der Originalitätdes Künstlers erweitert.“

62 Brillux colore

Kunst am Bau, Schwarzwald-Baar-Klinikum, Villingen-Schwenningen

„Nachdem mir die Größe des Raumes bewusst

wurde, war klar, dass ich das nicht allein machen

will,“ erläutert Michael Jäger den Ausgangspunkt

des Kunstwerks, „weniger wegen der Größe,

sondern weil ich den Ort nicht durch eine einzige

künstlerische Handschrift bestimmen wollte.“

Auch der Bauherr, der ihn zum Kunst-am-Bau-

Wettbewerb für die innere Magistrale des Klinikums

eingeladen hatte, war mit dem Bilden einer Arbeits-

gemeinschaft einverstanden.

Jäger fragte die drei Kollegen David Harley, Jürgen

Palmtag und Volker Saul, ob sie sich eine gemein-

same Wandarbeit vorstellen könnten. Denn „unsere

Malerei sollte nicht additiv auftreten, sondern sich

verzahnen und ineinandergehen.“ Zusammen sich-

teten sie ihre Bildarchive und fügten die Auswahl –

der verschiedenen Wohnorte wegen über Skype

und Internet – zu einem Ganzen zusammen. Das

Ergebnis überzeugte das Preisgericht.

Vielleicht, mutmaßt Jäger, weil ein kooperatives

Schaffen die tägliche, Hand in Hand gehende

Arbeit innerhalb der Klinik widerspiegelt. Der

Aufenthalt dort, ob als Kranker oder Besucher, ist

eine Ausnahmesituation. Deshalb wurde auf Motive

verzichtet, die etwa Organe assoziieren lassen oder

gar erzählerisch sind. Vielmehr ging es um eine Be-

stimmung des Raumes, der nicht nur lang, sondern

auch acht Meter hoch ist und in Teilen von einer

Galerie durchschnitten wird.

Dort wurden an 19 Orten Schwerpunkte gebildet,

an denen meist zwei bis drei, selten auch alle Maler

Page 64: Colore Nr. 9

Gemeinschaftsarbeit „Quartett“ lautet treffend der Titel der gemeinsam mit David Harley, Jürgen Palmtag und Vol-

ker Saul geschaffenen Kunst am Bau, zu der Michael Jäger 2011 eingeladen worden war. Re-

ferenz des 1956 geborenen Künstlers aus dem Rheinland war die 1997 entstandene, farbige

Ausgestaltung der Dualen Hochschule in Schwenningen. Damals arbeitete Jäger vor allem

mit Farbfl ächen. Nach zahlreichen weiteren, auf Architektur bezogenen Werken refl ektiert er

den Raum nun auch mit geometrischen Zeichnungen auf interessante Weise.

Brillux colore 63

Page 65: Colore Nr. 9

64 Brillux colore

Kunst am Bau, Schwarzwald-Baar-Klinikum, Villingen-Schwenningen

Page 66: Colore Nr. 9

Die Formensprachen ergänzen einander, ohne die Motive des Einzelnen zu negieren.

ProjektdatenProjekt Kunst am Bau

Standort Klinikstraße 11, Villingen-Schwenningen

Bauherr Schwarzwald-Baar-Klinikum Villingen-Schwenningen GmbH

Künstler und Ausführung Michael Jäger, David Harley, Jürgen Palmtag, Volker Saul

Gestaltete Wandfl äche ca. 176 laufende Meter

Magistrale Das Buch dokumentiert den Wettbewerb, aus dem

Michael Jäger und seine drei Kollegen siegreich her-

vorgingen, und das Gemeinschaftskunstwerk „Quar-

tett“ selbst. In hoher Druckqualität werden ausgewählte

Teile als räumliche Elemente und als autonome Bilder

vorgestellt, über die der Kunsthistoriker Martin Seidel

zu Recht bemerkt, dass „die suggerierten Perspekti-

ven und Räume, die Symbolhaftigkeit der Farben und

Formen und die angedeuteten Motive Spielraum für

persönliche Aneignungen und Assoziationen lassen“.

„Magistrale“, David Harley, Michael Jäger, Jürgen

Palmtag, Volker Saul, Verlag Kettler, Bönen,

ISBN 978-3-86206-329-1

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Brillux colore 65

gewirkt haben. Oft fi ng Jäger mit Farbfeldern an

und die drei Kollegen ergänzten nacheinander

ihren Bildteil. Die Formensprachen, von räumlich

wirkenden Flächen über gesprayte Farbwolken und

skizzenhafte Illustrationen bis hin zu rätselhaften

Zeichen, ergänzen einander, ohne die Motive des

Einzelnen zu negieren. „Mit der gemeinschaftlichen

Arbeit,“ so Jäger, „wird die Idee von der Originalität

des Künstlers erweitert.“

Die gegenseitige Refl exion in der Zusammenarbeit

belebt nicht nur die vier Maler, sondern auch die

Betrachter. Die Bilder wirken in dem langen Gang

als Landmarken oder, wie es Jäger ausdrückt:

„Wo man sich verliert, wird man durch die Malerei

aufgefangen.“

Michael Kasiske, Berlin

Page 67: Colore Nr. 9

66 Brillux colore

Interview mit Iwan Baan, AmsterdamFo

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IWAN Interview mit dem Architekturfotografen Iwan Baan

Page 68: Colore Nr. 9

Brillux colore 67

BAAN

Der Architekturfotograf Iwan BaanIwan Baan wurde 1975 in Alkmaar in der Nähe von Amsterdam geboren. Er studierte Fotografi e an der Royal Academy of Art in Den Haag, es folgten Arbeitsaufenthalte in New York und verschiedenen eu-ropäischen Städten. Zur Architekturfotografi e kam er 2005, ganz unerwartet, durch eine Arbeit für den niederländischen Architekten Rem Koolhaas. Seither lassen Architekturbüros wie SANAA, Frank Gehry, Morphosis oder Diller Scofi dio + Renfro ihre Gebäude von ihm fotografi eren. Seine Arbeiten erscheinen außerdem regelmäßig in der New York Times und anderen internationalen Magazinen. Sein Foto von Man-hattan nach dem Hurrican Sandy landete auf dem Cover des New York Magazine und wurde anschließend weltweit durchs Internet bekannt. 2010 gewann Iwan Baan den erstmals verliehenen Award der Julius Shulman Stiftung in Los Angeles. Seine Fotos zum Leben im Torre David in Caracas waren Teil des mit dem Goldenen Löwen ausgezeichneten Beitrags von Urban Think Tank auf der Biennale in Venedig 2012. Das Museum MARTa in Herford präsentierte unter dem Titel „52 Wochen, 52 Städte“ von Dezember 2013 bis März 2014 die erste Einzelausstellung Iwan Baans in Deutschland. Der Katalog ist im Verlag Kehrer, Heidelberg, erschienen.

Page 69: Colore Nr. 9

68 Brillux colore

Interview mit Iwan Baan, Amsterdam

Dass Architekten schon immer gerne zur Farbe Weiß

gegriffen haben, ist kein Zufall, meint der Fotograf Iwan

Baan. Im Weiß refl ektiert sich die Umgebung unter be-

stimmten Lichtverhältnissen. Es vermag einen Bau sogar

zu entmaterialisieren. Das Ablichten weißer Architekturen

ist jedoch selbst für einen erfahrenen Fotografen wie Baan

eine Herausforderung. Der 39-Jährige zählt Rem Koolhaas,

Toyo Ito, Zaha Hadid und Herzog & de Meuron zu seinen

Kunden. Er liefert ihnen, was lange Zeit überhaupt nicht

erwünscht war in der Architekturfotografi e: belebte Räume,

Spuren menschlichen Handelns, Zeitgeist. Iwan Baan ist

ein Weltreisender und ständig auf Achse. Sein rastloses,

von permanentem Perspektivenwechsel geprägtes Leben

spiegelt sich in seinen Fotos wider: Namenlose Hütten-

bauer faszinieren ihn ebenso wie das schicke japanische

Einfamilienhaus. Das Interview mit Marietta Schwarz wäre

beinahe ausgefallen, weil Iwan Baan seinen Flug verpasste.

Aber dann erschien er doch noch – mit leichtem Jetlag,

aber sehr lässig in einem uralten Mercedes.

Weiß ist nicht gleich Weiß

Page 70: Colore Nr. 9

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Foto

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Einfamilienhaus in Osaka, Japan. Architekt: Sou Fujimoto, Tokio

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Perez Art Museum in Miami, Florida. Architekten: Herzog & de Meuron

70 Brillux colore

Interview mit Iwan Baan, Amsterdam

Page 72: Colore Nr. 9

Brillux colore 71

Sie kommen gerade aus Boston, waren davor

vier Tage in Miami und davor in New York. Sie

müssen müde sein!

Ja, ein bisschen. Aber das ist mein Normal-

zustand, so halb im Jetlag. Man fällt aus dem

Flugzeug und weiß noch nicht so genau, wo man

eigentlich ist. Ich lebe ja aus dem Koffer heraus

und habe keinen festen Wohnsitz. Mein Studio in

Amsterdam ist vor anderthalb Jahren komplett

ausgebrannt. Seitdem bin ich ein richtiger Noma-

de. Aber die letzten sieben, acht Jahre war das

auch nicht wesentlich anders.

Was treibt Sie an, so zu leben?

Es gibt einfach so viel zu sehen auf der Welt! Ich

sage mir immer: Lieber Heimweh haben als zu Hau-

se sein. Und da die Gebäude nicht zu mir kommen,

muss ich zu ihnen. Das Reisen gehört einfach dazu.

Ihre Karriere begann durch die Zusammenarbeit

mit Rem Koolhaas. Wie sind Sie zusammenge-

kommen? Haben Sie ihm Bilder von sich gezeigt?

Ich habe damals ein Konzept für einen interaktiven

Auftritt im Rahmen einer Ausstellung gemacht.

Das gefiel Rem Koolhaas. Dann schlug ich ihm vor,

den Bau seines CCTV Towers in Peking zu doku-

mentieren. Was für mich aber auch einschloss, die

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Page 73: Colore Nr. 9

Weiß kann im Tagesverlauf viele Farben annehmen.

Kunstmuseum Louvre-Lens, Pas-de-Calais, Frankreich. Architekten: SANAA, Tokio

72 Brillux colore

Interview mit Iwan Baan, Amsterdam

schnelle Veränderung der Gesellschaft, der Stadt

darum herum zu zeigen und auch, wie die tausen-

den Arbeiter auf der Baustelle leben. Es gibt einfach

eine Menge Geschichten zu erzählen. Eigentlich

hatte ich nie vor, Architekturfotograf zu werden.

So etwas wie der perfekte Winkel hat mich nie

interessiert, sondern das, was um die Architektur

herum passiert: die Menschen, der Kontext,

die Stadt. Mein Background ist die Dokumentar-

fotografie.

Neben diesen „be-

lebten“ Neubauten

berühmter Architekten

dokumentieren Sie

aber auch gerne

namenlose Architektur

und bizarre urbane

Situationen. Zum

Beispiel den schwim-

menden Slum in Lagos, die Aufnahmen eines

Bezirks in Kairo, in dem Müllsammler leben oder

das Leben im Torre David, einer Hochhausruine

in Caracas. Wie stoßen Sie auf solche Orte?

Meistens erzählt mir jemand davon. Im Fall von

Kairo war es ein Freund. Und dann braucht man

eine Kontaktperson, der die Leute in der Nach-

barschaft vertrauen. Zu den Menschen vor Ort

muss man dann selbst irgendwie eine Beziehung

aufbauen. Das dauert manchmal. Aber die Leute

sind ja auch sehr stolz auf das, was sie sich auf-

gebaut haben. Darin unterscheiden sie sich nicht

von einem Rem Koolhaas oder einer Zaha Hadid,

die einem ihr neuestes Projekt zeigen wollen! Nur

dass sie das mit ihren eigenen Händen erschaf-

fen haben. Und plötzlich zeigen sie dir sogar ihr

Schlafzimmer.

Die Müllsammler in Kairo leben seit Jahrzehnten in

diesem Bezirk. Es ist ein hochverdichtetes Viertel,

illegal und unkontrolliert in die Höhe gebaut.

Das ist ein Mikrokosmos. Von außen betrachtet

totales Chaos, es stinkt,

es sieht aus wie ein

riesiger Müllhaufen. Und

dann kommst du in die

Wohnungen und sie sind

aufwendig dekoriert, in-

dividuell aufgehübscht.

Ein faszinierender Ort.

Iwan Baan, Sie gelten

als derjenige, der die Menschen zurück in die

Architekturfotografie geholt hat. Sie bilden ab,

wie sie sich ihre gebaute Umgebung aneignen

und scheuen dafür auch nicht die ungewohnte

Perspektive. Was denken Sie über die klassische

Architekturfotografie, in der alles schön recht-

winklig, im Goldenen Schnitt, ohne stürzende

Linien sein muss?

Nennen Sie mich nicht Architekturfotograf! (lacht)

Menschen machen einen Ort aus. Und sie veror-

ten ein Bild auch zeitlich. Die meisten Architekten

Page 74: Colore Nr. 9

Allahabad, Indien. Temporäre Bauten aus Zelten, Stoffen und Saris

Brillux colore 73

wollen zeitlose Fotos, ohne Bezug zu Zeit und

Raum. Deshalb soll es auf diesen Bildern keine

Autos geben oder Leute, an deren Modestil man

sieht, wann das Bild entstanden ist. Aber ich finde,

gerade das gibt Bildern einen Mehrwert.

Nichtsdestotrotz ist dieser Ansatz jahrzehntelang

in der Architekturfotografie nicht nachgefragt wor-

den. Wie haben Sie es geschafft, die Architekten

zu überzeugen?

Ich arbeite selten auf Bestellung. Ich verfolge mei-

ne eigenen Projekte so, wie ich es für richtig halte.

Am Ende mögen es die Leute oder eben nicht.

Ich habe zu den Architekten keine Beziehung wie

ein Dienstleister zu seinen Kunden. Dass sie mir

sagen, „mach mal ein Bild von dieser Ecke oder

jener“, käme nicht vor. Dafür haben die Archi-

tekten meistens noch einen anderen Fotografen.

Ich bin eher für die Atmosphäre zuständig und für

die Geschichte.

Sie sind der Geschichtenerzähler!

Das versuche ich, ja. Wenn man mal in die Ge-

schichte der Architekturfotografie schaut, wurde

das häufig ganz anders praktiziert. Ich war nie

bei einem Shooting von Julius Shulman dabei,

aber man erzählt sich, dass er Models perfekt im

Raum platziert und stundenlang auf das richtige

Licht gewartet hat. Er hat ja auch mit diesen

großen Plattenkameras gearbeitet. Das ist ein

ganz anderer Ansatz. Ich suche eher den rich-

tigen Moment.

Page 75: Colore Nr. 9

Architekten wollen ihre

Gebäude oft leicht erschei-

nen lassen.

São Paulo, Brasilien. Eine Megacity mit 13 Millionen Einwohnern

74 Brillux colore

Interview mit Iwan Baan, Amsterdam

In Ihrer jüngsten Serie „52 Wochen, 52 Städte“,

die auch im MARTa Herford zu sehen war, gibt es

auffallend viele weiße Architekturen. Ist das Zufall?

Ja, das ist faszinierend. Architekten lieben Weiß.

Mit Farbe hingegen können viele gar nicht so rich-

tig gut umgehen. Die meisten sind ja auch schwarz

gekleidet!

Sie meinen, die Welt

der Architekten be-

steht nur aus Schwarz

und Weiß?!

(lacht) Nicht wirklich!

Die Farbe Weiß ist

interessant, sie kann

im Tagesverlauf viele

andere Farben anneh-

men. Weiß reflektiert

die Farben der Umge-

bung. Und Architekten

wollen ihre Gebäude oft leicht erscheinen lassen

und die Konstruktion verbergen, das funktioniert

mit Weiß ganz gut.

Und was bedeutet Weiß Ihnen als Fotograf? Etwa

die weiße Bibliothek von Zaha Hadid in Wien oder

der gläserne Louvre-Lens von SANAA Architekten,

der auf dem Foto ja dann auch weiß ist?

Diese Gebäude sind auf jeden Fall eine Herausfor-

derung für mich. Der Louvre in Lens ist ja nicht nur

weiß, sondern aus einem reflektierenden Material,

nämlich aus Glas. Die Architekten versuchen im

Prinzip, damit das Gebäude „verschwinden“ zu

lassen, obwohl es 500 Meter lang ist. Eigentlich ist

es ein großer Akt des Sichauflösens! Ein anderes

Beispiel ist Fujimotos Serpentine Pavillon: Von

Weitem sah er fast aus wie eine große Wolke mit

diesen weißen, dünnen Stäbchen, die sich gen

Himmel aufzulösen scheinen. Ein vieldeutiger Ort.

Gibt es auch langweilige

Orte für Sie? Oder eine

Stadt, die Sie überhaupt

nicht reizt?

Das ist schwierig zu

sagen. Es gibt natürlich

Orte, an denen ich nie

leben wollte, die aber

trotzdem sehr faszinie-

rend sind: Dubai, Abu

Dhabi, diese Städte,

die komplett von Entwicklern aus dem Boden

gestampft werden mit Materialien von der Stange.

Man heuert einen Architekten an, der eine mo-

dische Fassade entwirft, doch hinter ihr befinden

sich im Prinzip nur billige Wohn- oder Büroboxen.

Das hat nichts mit Architektur zu tun. Das ist das

genaue Gegenteil. Trotzdem ist es interessant zu

sehen, wie diese Städte entstehen.

Iwan Baan, vielen Dank für dieses Gespräch.

Marietta Schwarz, Berlin

Page 76: Colore Nr. 9

Temporärer Pavillon der Serpentine Gallery in London. Architekt: Sou Fujimoto, Tokio

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Page 77: Colore Nr. 9

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Herausgeber Brillux GmbH & Co. KG, Münster

Redaktion + Konzept Bauverlag BV GmbH, Gütersloh

Grafi sches Konzept + Layout formba – grafi kdesign + konzeption, Hamburg

colore Ausgabe Nr. 9, Juni 2014

Page 78: Colore Nr. 9

Die Ausgaben 1–8 der colore

können unter www.brillux.de/

colore bestellt werden.

Farbe in der ArchitekturKinderzahnarztpraxis, Berlin

Mercedes-Benz Museum, Stuttgart

Hans Otto Theater, Potsdam

Saegeling Medizintechnik, Heidenau

Johannes Wesling Klinikum, Minden

Kindertagesstätte, Leinefelde

Farbe in der ArchitekturFirmenzentrale Unilever, Hamburg

Deutscher Pavillon EXPO 2010, Shanghai

Theater, Gütersloh

RS +Yellow Lager- und Distributionszentrum, Münster

Kameha Grand Hotel, Bonn

Parkhaus Stubengasse, Münster

Hauskapelle der Barmherzigen Brüder, Straubing

SAP-Niederlassung, St. Ingbert

Verwaltungs- und Produktionsgebäude, Umkirch

ECE Rhein-Galerie, Ludwigshafen

Kindertagesstätte, Leipzig

Kronthal-Schule, Kronberg im Taunus

Kurhaus Grand Hotel Moderne, Ahrenshoop

Medizinische Praxis pioh, Frechen

Max-Planck-Gymnasium, Lahr

THE SQUAIRE, Frankfurt a. M.

Stadtregal, Ulm

Hochschule, Bremerhaven

Slinky Springs to Fame – Brückenskulptur, Oberhausen

Coface Arena, Mainz

Tramturm, Freiburg

Tauern Spa Zell am See, Kaprun

Seniorenheim, Bochum

Blaues Haus, Nürnberg

Spiegel-Hochhaus, Hamburg

Universitätsklinikum, Erlangen

Haus der Jugend, Hamburg

Mehrfamilienhaus mit Galerie, Berlin

Realschule, Dachau

Gabrieli-Gymnasium, Eichstätt

Brillux Bürozentrale, Münster

Forschungszentrum „adidas Laces“, Herzogenaurach

Firmenzentrale Kaffee Partner, Osnabrück

Dortmunder U, Zentrum für Kunst und Kreativität

Verwaltungsgebäude der Stadtwerke, Lemgo

Herderhof, Freiburg

Mehrfamilienhaus, Neu-Ulm

Seniorengerechtes Bauen, Pforzheim

Ensemblehaus, Freiburg

Piano del Colore, Lingen

Nya Nordiska, Dannenberg

Parkhaus P8, Bochum

Büro- und Geschäftshaus, Herford

Rotteck-Gymnasium, Freiburg

Augenklinik, Rostock

Mensa der SRH Hochschule, Heidelberg

Wohnhaus, Gütersloh

Wohnhochhaus, Hamburg

Rettungswache, Leverkusen

BIQ – das Algenhaus, Hamburg

Wohnhaus, Medebach

Aesculap Akademie, Bochum

Museum Kunst der Westküste, Alkersum

Brillux Showroom, Münster

Fassadensanierung, Magdeburg

Evangelische Grundschule, Karlsruhe

Hotel Sans Souci, Wien

Nummer 8

Page 79: Colore Nr. 9

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