computerkenntnisse für wissenschaftler

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arbeitsmarkt UMWELTSCHUTZ | NATURWISSENSCHAFTEN_36|2011 IV analysen C omputerkenntnisse spielen in der Wissenschaft und im Berufsleben eine immer größere Rolle. Das gilt auch für Naturwissenschaftler und vor allem für Biologen und Geologen. Des- halb ist es kaum verwunderlich, dass vie- le Universitäten in Deutschland Studien- gänge anbieten, die den Erwerb des na- turwissenschaftlichen Wissens mit der Vermittlung von IT-Kenntnissen verbin- den. Die Fachsektion Geoinformatik in der Deutschen Gesellschaft für Geowissen- schaften stellt ganz klar fest: „Die Nut- zung PC-basierter Anwendungen zur Be- arbeitung von geowissenschaftlichen Fragestellungen in Forschung, Industrie und öffentlichen Belangen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen.“ Sektionsleiter Dr. Rouwen Lehné (TU Darmstadt) erläutert: „Die rasant steigen- de Leistungsfähigkeit von Hard- und Software eröffnet Geowissenschaftlern immer neue Bearbeitungsmöglichkeiten. Gleichzeitig erfordert diese Entwicklung ein Schritthalten des Anwenders.“ Die Fachsektion Geoinformatik verstehe sich daher nicht nur als wissenschaftliche Fachvertretung für den Bereich Geoinfor- mation in den Geowissenschaften, son- dern auch als Plattform für Austausch und Weiterbildung. Auch der Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler e.V. hat die Zeichen der Zeit erkannt: „Konstruktion, Pflege, Darstellung, Auswertung und Qualitätssi- cherung sind in der Welt der Natur- und Ingenieurwissenschaften ohne elektroni- sche Hilfsmittel nicht mehr möglich“, er- läutert Heinz Elfers, Sprecher des Forums EDV. „Digitale Werkzeuge entwickeln sich in modernen Arbeitsprozessen von elek- tronischen Hilfswerkzeugen hin zu es- sentiellen Bestandteilen einer potenten und nachhaltigen Wertschöpfungskette. Dies erfordert auch für den Geowissen- schaftler einen stetigen Lernprozess im Umgang mit den Informationstechnologi- en.“ Mittlerweile sei die EDV ein unver- zichtbares Hilfsmittel eines jeden Geo- wissenschaftlers und daher bereits zu Recht im Studium verankert. An der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden ist das der Fall, be- richtet die Geoinformatik-Lehrbeauftragte Dipl.-Ing. Ines Schwarzbach: „Nehmen wir nur die beiden grundständigen Fachgebie- te unserer Fakultät: Kartographie und Ver- messung, so ist es heute undenkbar, dass die Flut von Vermessungsdaten per Hand verarbeitet werden könnte.“ Auch die Her- stellung von Karten sei heute ohne Soft- ware und Datenbanken nicht mehr vor- stellbar. „Ganz abgesehen von zum Bei- spiel räumlichen Informationen, welche in Echtzeit beim Katastrophen-Management erforderlich sind, bei der Nutzung von Navigationssystemen oder bei Leitungs- störungen diverser Versorger“, nennt Schwarzbach einige Beispiele. Viele Einsatzmöglichkeiten Die Dresdener Wissenschaftlerin betont, dass es viele Einsatzmöglichkeiten für Geoinformatiker gibt. Wenn Naturwissen- schaftler fit sind im Umgang mit EDV und Computer, hätten sie im Bereich Geoin- formatik sehr gute Arbeitsmarktchancen. Naturwissenschaftler verbessern durch den Erwerb von Informatik-Kenntnissen deutlich ihre Chancen auf dem Ar- beitsmarkt. | Sascha Stienen Computerkenntnisse für Wissenschaftler n QUALIFIKATION

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arbeitsmarkt UMWELTSCHUTZ | NATURWISSENSCHAFTEN_36|2011IV Varbeitsmarkt UMWELTSCHUTZ | NATURWISSENSCHAFTEN_36|2011

analysen

Computerkenntnisse spielen in der Wissenschaft und im Berufsleben eine immer größere Rolle. Das gilt

auch für Naturwissenschaftler und vor allem für Biologen und Geologen. Des-halb ist es kaum verwunderlich, dass vie-le Universitäten in Deutschland Studien-gänge anbieten, die den Erwerb des na-turwissenschaftlichen Wissens mit der Vermittlung von IT-Kenntnissen verbin-den.

Die Fachsektion Geoinformatik in der Deutschen Gesellschaft für Geowissen-schaften stellt ganz klar fest: „Die Nut-

zung PC-basierter Anwendungen zur Be-arbeitung von geowissenschaftlichen Fragestellungen in Forschung, Industrie und öffentlichen Belangen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen.“ Sektionsleiter Dr. Rouwen Lehné (TU Darmstadt) erläutert: „Die rasant steigen-de Leistungsfähigkeit von Hard- und Software eröffnet Geowissenschaftlern immer neue Bearbeitungsmöglichkeiten. Gleichzeitig erfordert diese Entwicklung ein Schritthalten des Anwenders.“ Die Fachsektion Geoinformatik verstehe sich daher nicht nur als wissenschaftliche

Fachvertretung für den Bereich Geoinfor-mation in den Geowissenschaften, son-dern auch als Plattform für Austausch und Weiterbildung.

Auch der Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler e.V. hat die Zeichen der Zeit erkannt: „Konstruktion, Pflege, Darstellung, Auswertung und Qualitätssi-cherung sind in der Welt der Natur- und Ingenieurwissenschaften ohne elektroni-sche Hilfsmittel nicht mehr möglich“, er-läutert Heinz Elfers, Sprecher des Forums EDV. „Digitale Werkzeuge entwickeln sich in modernen Arbeitsprozessen von elek-tronischen Hilfswerkzeugen hin zu es-sentiellen Bestandteilen einer potenten und nachhaltigen Wertschöpfungskette. Dies erfordert auch für den Geowissen-schaftler einen stetigen Lernprozess im Umgang mit den Informationstechnologi-en.“ Mittlerweile sei die EDV ein unver-zichtbares Hilfsmittel eines jeden Geo-wissenschaftlers und daher bereits zu Recht im Studium verankert.

An der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden ist das der Fall, be-richtet die Geoinformatik-Lehrbeauftragte Dipl.-Ing. Ines Schwarzbach: „Nehmen wir nur die beiden grundständigen Fachgebie-te unserer Fakultät: Kartographie und Ver-messung, so ist es heute undenkbar, dass die Flut von Vermessungsdaten per Hand verarbeitet werden könnte.“ Auch die Her-stellung von Karten sei heute ohne Soft-ware und Datenbanken nicht mehr vor-stellbar. „Ganz abgesehen von zum Bei-spiel räumlichen Informationen, welche in Echtzeit beim Katastrophen-Management erforderlich sind, bei der Nutzung von Navigationssystemen oder bei Leitungs-störungen diverser Versorger“, nennt Schwarzbach einige Beispiele.

Viele Einsatzmöglichkeiten

Die Dresdener Wissenschaftlerin betont, dass es viele Einsatzmöglichkeiten für Geoinformatiker gibt. Wenn Naturwissen-schaftler fit sind im Umgang mit EDV und Computer, hätten sie im Bereich Geoin-formatik sehr gute Arbeitsmarktchancen.

Naturwissenschaftler verbessern durch den Erwerb von Informatik-Kenntnissen deutlich ihre Chancen auf dem Ar-beitsmarkt. | Sascha Stienen

Computerkenntnisse für Wissenschaftler

n QUALIFIKATION

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Zudem handle es sich um sehr innovative und interessante Tätigkeitsfelder. Die Ab-solventen aller Studiengänge der Dresde-ner Fakultät Geoinformation erhalten laut Schwarzbach bereits seit vielen Jahren während ihres Studiums eine sehr breit angelegte IT-Ausbildung. „Bei uns gibt es praktisch kein Lehrgebiet mehr, das auf die Nutzung von Computern verzichten kann.“ Aber auch Nicht-Geowissenschaft-ler hätten eventuell Chancen. „Absolven-ten anderer naturwissenschaftlicher Stu-diengänge müssen bei Bedarf zur Fortbil-dung die Angebote der Arbeitsämter, von privaten oder öffentlichen Bildungsträ-gern und natürlich von Fachhochschulen und Unis nutzen.“ Auch Berufsverbände im Geo-Bereich (VdV, DVW, DGPF, DGfK) böten Fortbildungsveranstaltungen an. Da der IT-Sektor extrem kurzen Innovati-onszyklen unterliege, muss sich laut Ines Schwarzbach jeder Beschäftigte laufend fortbilden. „Hier stehen auch die Arbeit-

geber entsprechend in der Pflicht, dies ihren Mitarbeitern zu ermöglichen bezie-hungsweise mit dafür Sorge zu tragen.“

„Schönheit der Bioinformatik“

Über die „Schönheit der Bioinformatik als Arbeitsfeld“ philosophiert Philipp Bayer in dem Blog „Bierologie“, den er mit Bastian Greshake betreibt. Dort gibt der 25-jähri-ge Bayer Auskunft darüber, warum er lie-ber Bioinformatiker als Meeresbiologe sein will. „In den letzten Jahren und Jahr-zehnten kam es in der Biologie zu einer Flut an Informationen – mehr und besse-re Sequenzierungsmethoden wurden entwickelt, die mehr genomische Daten produzieren.“ An dieser Stelle komme der Bioinformatiker ins Spiel: „Als Bioin-formatiker sitzt man an der Schnittstelle zwischen Informatik und Biologie. Man denkt sich neue Methoden aus und ver-wendet bereits bekannte, um der Flut

Herr zu werden: Ich zum Beispiel habe in meiner Bachelor-Arbeit kurze DNA-Se-quenzen analysiert.“ Nach dem Bachelor of Science in Biowissenschaften an der Uni Münster macht Bayer derzeit den Master of IT an der University of Queens-land in Australien, wo er für 2012 auch eine Doktorandenstelle bekommen soll. „Tägliches Programmieren ist eine intel-lektuelle Herausforderung, die frustrie-rend sein kann, aber mir zuviel Spaß macht, als dass ich irgendetwas anders machen möchte“, meint er. „Wer schon mal ein umfangreicheres Programm selbst geschrieben hat und dann reali-siert, dass das Ding wirklich funktioniert, der weiß, wovon ich spreche.“ Bayers Ziel für die nächsten drei Jahre ist der Doktor. Er hat bereits eine Zusage als Bioinforma-tik-Doktorand an der University of Queensland in Brisbane. Bisherige Dok-toranden seiner künftigen Arbeitsgruppe arbeiten mittlerweile entweder als Berater/Consultants für die Industrie oder als Bioinformatiker/Datenanalysten für Konzerne, die sich auf Pflanzenzucht, Pestizide oder Ähnliches spezialisiert ha-ben. „Entweder lande ich in so einem Arbeitsfeld, oder ich bleibe an der Univer-sität.“

Bio- und Geowissenschaftler sollten sich mit dem Computer schon während ihres Studiums anfreunden, meint auch Sabine Timpf, Professorin für Geoinfor-matik an der Universität Augsburg. „In den Naturwissenschaften ist es unum-gänglich notwendig, sich mit mathemati-scher Software, zum Beispiel Mathemati-ca und auch mit Spezialsoftware wie Arc-GIS oder ENVI auszukennen.“ Im wissen-schaftlichen Bereich sei es sogar notwen-dig, selbst programmieren zu können. Klassische Tätigkeiten eines Geoinforma-tikers sind nach Professorin Timpf etwa die Raumanalyse, die Geovisualisierung und die Geosimulation, die Risikokartie-rung sowie die Erstellung von Location-based Services. Hinzu kommen Angebo-te mobiler Geodienste, die Raumdaten-erfassung sowie die Erstellung von Geo-datenbanken. Der Computer sei dabei als

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Weiterbildungen an Universitäten sind laut Sabine Timpf ebenfalls denkbar, um weitere IT-Qualifikationen zu erwerben. Die Uni Augsburg plane ein solches An-gebot in Geoinformatik für 2012. Zudem gebe es häufig auch Schulungen von Fir-men, die Spezialsoftware vertreiben. Und schließlich könne sich jeder Geowissen-schaftler auch durch das Selbststudium mit der Materie vertraut machen. Profes-sor Thomas Dankedar vom Biozentrum der Universität Würzburg setzt auf eine Kombination von breiter biowissenschaft-licher Ausbildung und spezialisierter Ver-tiefung im Fach Bioinformatik. „Damit hat man gute Chancen auf dem Arbeits-markt“, weiß der Würzburger Bioinforma-tiker.

Aber auch der umgekehrte Weg ma-che Sinn. Sowohl Dankedar wie sein Kol-lege Prof. Jörg Schultz sind als Bioinfor-matiker auch Zweitmitglieder bei der Fa-kultät für Informatik. „Hier betreuen und unterrichten wir Studenten der Informa-tik, die dann zusätzliche Kenntnisse in Bioinformatik und damit in Grundlagen der Biologie haben.“

Das reine Mischstudium sei laut Dan-kedar schwer zu beurteilen, laufe an manchen Universitäten und Fachhoch-schulen häufig auf bessere Computer-kenntnisse und erste Einblicke in Biologie hinaus. Es empfehle sich bei der Wahl des Studiengangs, genau hinzugucken. „Ein guter Studiengang ist in Lübeck (Computational Life Sciences), obwohl auch dort die Informatik stärker ist.“ Den Würzburger Weg hält Dankedar für eine gute Lösung. Die Uni entlässt Biologen mit starken Kenntnissen in Biologie, aber zusätzlich Computerkenntnissen in Bioin-formatik. An der Uni Würzburg kann man außerdem Informatik, Bioinformatik oder auch Biologie (wenn man Informatiker ist) als Nebenfach studieren. „Es ist sogar möglich, Biologie und Informatik als Hauptfach parallel zu studieren“, sagt Dankedar. „Ich betreue dazu gerade ei-nen Diplomanden, der dann seinen Schwerpunkt in der Informatik setzen will.“

Der Würzburger Bioinformatiker hält es auch für möglich, dass sich Absolven-ten naturwissenschaftlicher Studiengän-ge fort- und weiterbilden. Zum Beispiel durch ein Aufbaustudium Naturwissen-schaftliche Informatik – „seit vielen Jah-ren an der Uni Bielefeld erprobt und ein hervorragender Studiengang“. Ebenso könne man Programmierkenntnisse durch Kurse oder eigenes Studium er-werben und in weiteren Kursen stetig verfeinern. „Dazu gibt es sowohl Kurse an der Uni – auch bei uns – wie auch berufs-spezifische – zum Beispiel zum System-administrator.“ Gerade Physiker verfügten häufig über sehr gute Computerkenntnis-se, ohne das eigens in einem Aufbaustu-dium gelernt zu haben: „Wir haben auch solche Leute in der Bioinformatik.“

Eine besondere Verbindung gehen Bio-wissenschaften und Computer beim „Bio-computing“ ein. Professor Thomas Dan-kedar erläutert: „Die Idee ist hierbei, gute biologische Einsichten mit Hilfe des Com-puters zu gewinnen, also große Daten-mengen und komplexe Daten hierdurch deutlich besser zu verstehen – aber mit dem Ziel, biologische Vorgänge besser zu erklären.“ An der Universität Würzburg werden so Bakterien untersucht, ihr Stoff-wechsel und ihr Verhalten als Infektions-erreger. Das sei ein langer, bekannter Schwerpunkt der Uni Würzburg, der jetzt durch die Bioinformatik verstärkt gepflegt werde. Das Biocomputing soll in Würz-burg auch dazu beitragen, neue Behand-lungsinstrumente für Herz-Kreislauf-Er-krankungen zu entwickeln. Auch der gro-ße Kampf gegen Schlaganfall und Herzin-farkt wird also mit naturwissenschaftlichen und informatischen Waffen geführt. So gesehen eine segensreiche Verbindung.

n INTERVIEW

„Excel allein reicht nicht aus“

Antje Krause, Professorin für Bioinforma-tik, über interdisziplinär aufgestellte Na-turwissenschaftler.

Hilfsmittel fast überall unerlässlich. Absol-venten von geoinformatischen Studien-gängen haben laut Sabine Timpf sowohl in der Privatwirtschaft als auch bei Behör-den gute Berufsaussichten. Geowissen-schaftler mit IT-Kenntnissen werden demnach gebraucht in Immobilienfir-men, in Windkraft- und Umwelttechnolo-gie-Unternehmen, bei Energieversor-gungsunternehmen und bei Stadtwer-ken, in Verkehrsplanungsbüros, bei Versi-cherungen (für das Risikomanagement), in Altlastensanierungsbüros sowie bei Rohstoffexplorationsfirmen. Für den Be-hördensektor nennt Prof. Timpf Bezirksre-gierungen, Stadtplanungsämter, Vermes-sungsämter, regionale Planungsverbän-de, das Bundesamt für Raumordnung sowie das Bundesministerium für Wirt-schaft. Eingesetzt werden gute Geoinfor-matiker auch in der Bauleitplanung, in den Umweltministerien und den Wasser-wirtschaftsämtern sowie in den Landes-ämtern für Umwelt und den Landesan-stalten für Bodenkunde sowie Pflanzen-schutz.

Master-Studiengänge

Im Sommersemester 2012 beginnt an der Uni Augsburg voraussichtlich ein Masterstudium Geoinformatik. Ein Ba-chelorstudium Geoinformatik wurde im Sommersemester 2011 gestartet. Inter-essierte haben aber auch die Möglichkeit, sich zum Beispiel an der Fernuniversität Hagen für ein Fernstudium anzumelden.

INTERNET

Über die Schönheit der Bioinformatik als Arbeitsfeld: www.wissenslogs.de/wblogs/blog/bierologieForum EDV des Berufsverbandes Deutscher Geowissenschaftler: www.geoberuf.deDeutsche Gesellschaft für Geowissen-schaften, Fachsektion Geoinformatik:www.dgg.de

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Das wird leider von vielen unterschätzt. Es reicht eben nicht, mit Excel, Access und einer Skriptsprache umgehen zu können. Auch hier ist der eigentliche Schlüssel die Interdisziplinarität, das heißt Biologen/Mediziner und Mathematiker/Informatiker gehen zunächst einmal un-terschiedlich an Fragestellungen heran, suchen unterschiedlich nach Lösungen und sprechen zunächst einmal nicht die-selbe Sprache. In der Bioinformatik gibt es leider nur wenige Möglichkeiten, sich als Naturwissenschaftler in IT weiterzubil-den, meist erfolgt das aus Interesse im Selbststudium.

Es heißt, Computer erleichtern die Arbeit von Naturwissenschaftlern ungemein.Grundsätzlich ja, aber eine Gefahr be-steht darin, dass sich viele Naturwissen-schaftler auf die Software einfach verlas-sen und deren Ergebnissen blind vertrau-en, wie sie es bei einem Laborexperiment nie tun würden. Auch die in der Wissen-schaft geforderte Reproduzierbarkeit von Ergebnissen ist im Moment häufig nicht gegeben. Vielen Naturwissenschaftlern, insbesondere Biologen und Medizinern, ist häufig noch nicht klar, welche Vorteile und welche Möglichkeiten ihnen die Bio-informatik bietet. In letzter Zeit ist wieder eine starke Nachfrage nach Bioinformati-kern festzustellen, da neue Labortechni-ken wie Next-Generation-Sequencing zu immer größeren Datenmengen führen. Die eigentliche Analyse der Daten und der damit verbundene Erkenntnisgewinn findet also dann nicht im Labor, sondern am Computer statt. Die Verzahnung von Laborexperiment und Computeranalyse wird zunehmend enger.

Was hat es mit dem Thema „Biocompu-ting“ auf sich?In der Bioinformatik versucht man, verein-facht dargestellt, mit Methoden der Ma-thematik und Informatik Fragestellungen aus der Biologie und der Medizin zu be-antworten. Beim Biocomputing wird hin-gegen biologisches Material (zum Bei-spiel DNA) verwendet, um mathemati-

sche oder informatische Fragestellungen zu beantworten. Dabei handelt es sich meist um Optimierungen und Berech-nungen. Es wird also Computer-Hardware gebaut, die unter anderem auch Molekü-le oder ganze Zellen enthält.

Mit der Professorin Antje Krause sprach Sascha Stienen.

n PORTRAIT

Datenbanken für biologische Denker

Dr. Wolfgang Müller vom Heidelberger Institut für theoretische Studien (HITS)

Während seines Studiums an der Uni in Konstanz stellt Wolfgang Müller (Jahrgang 1969) fest, „dass ich Physik können möchte, aber nicht machen will“. Des-halb absolviert er parallel ein Informatik-Diplom an der Fern-Universität Hagen. 2001 promoviert Müller an der Université de Genève und habilitiert sich 2008 an der Universität Bamberg. Seit 2009 leitet Dr. Müller die Forschungsgruppe „Scienti-fic Databases and Visualization“ am HITS in Heidelberg.

„Wir erstellen und pflegen Datenban-ken für Biologen, die in der Systembiolo-gie arbeiten“, erklärt Müller die Aufgabe seiner Forschungsgruppe. In den Daten-banken stehen viele komplexe Daten, die

arbeitsmarkt: In welchen Fachgebieten arbeiten später Absolventen von IT-Na-turwissenschaft-Studiengängen wie Bio-informatik?Antje Krause: In der Bioinformatik ist es sehr weit gefächert und häufig bemerken die Studierenden auch erst während ih-res Studiums, in welche Fachrichtung sie sich weiter entwickeln möchten. Das reicht dann von reiner Laborarbeit – ins-besondere Molekularbiologie oder Gene-tik – mit der Verwendung von IT als Werkzeug bis hin zur reinen Software-Entwicklung in einem IT-Unternehmen mit nur wenig Berührung zu biologischen Fragestellungen.

Dazwischen liegen dann zum Bei-spiel Stellen als Scientific Programmer in der biologischen Forschung, als Da-tenbank-Entwickler in der Klinischen Forschung oder als IT-Spezialist in einem Biotech-Unternehmen. Da eine nicht zu unterschätzende Stärke der Absolventen auch in der Interdisziplinarität liegt, gibt es auch Absolventen, die in eigentlich fachfremden Sparten der IT-Branche einsteigen.

Wenn jemand ein konventionelles natur-wissenschaftliches Studium gemacht hat. Wie kann er sich in IT fortbilden?

INTERVIEWPARTNERIN

Antje Krause

(Jahrgang 1966) ist Professorin für Bioinformatik an der Fachhochschule Bingen und hat selbst Naturwissen-schaftliche Informatik an der Universi-tät Bielefeld studiert.

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arbeitsmarkt UMWELTSCHUTZ | NATURWISSENSCHAFTEN_36|2011VIII IXarbeitsmarkt UMWELTSCHUTZ | NATURWISSENSCHAFTEN_36|2011

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noch nicht in Zusammenhänge gebracht wurden. Das Datenmanagement für sys-tembiologische Projekte beschreibt Mül-ler als „Versuch, was vor 150 Jahren in einem Kopf stattgefunden hat, auf sehr viele Köpfe zu verteilen“. Die Datenbank als Zwischenspeicher des Wissens soll Theoretikern und Experimentellen Biolo-gen ermöglichen, bereits Erforschtes schneller und einfacher zu nutzen. So besteht ein Teil der Arbeit der Forschungs-gruppe darin, eine Datenbank für biologi-sche Denker zu pflegen, die so genannte metabolische Modelle konstruieren, um zu qualitativ belastbaren Ergebnissen zu gelangen.

Müller hat zum Thema „inhaltsbasier-te Bildersuche“ promoviert, das heißt zur Frage, wie Bilder nach visuellen Ähnlich-keiten gruppiert werden können. In die HITS-Forschungsgruppe sei er gekom-men, „weil ich komplexe Daten organisie-

ren kann“. Seine Forschungsgruppe be-steht aber nicht nur aus Informatikern, sondern auch aus Kuratoren, die einen naturwissenschaftlichen Hintergrund ha-ben, sich aber auch mit Informatik aus-kennen. Diese Mitarbeiter lesen wissen-schaftliche Veröffentlichungen, extrahie-ren Informationen und stellen die Qualität

der erfassten Daten sicher. „Wie ich Da-ten in ein System eingebe, unterliegt stets einem Ermessensspielraum“, erläu-tert Müller. Die Kuratoren haben als Na-turwissenschaftler ein Gefühl dafür, wie Nutzer suchen und welche Daten sie fin-den wollen. Die Kuratoren in seiner For-schungsgruppe sind diplomierte oder promovierte Biologen oder Biochemiker. „Sie sind die erste Anlaufstelle für uns Informatiker, wenn wir eine neue Softwa-re schreiben.“

Die übrigen Mitglieder der Forschungs-gruppe sind studierte Informatiker oder Bioinformatiker. Müller berichtet von ei-nem Chemiker, der sich erfolgreich fort-gebildet habe und mittlerweile sehr gut programmieren könne. Die meisten Ku-ratoren selbst können zwar programmie-ren, sagt Müller, sie hätten aber nicht das Gefühl, irgendwann auf dieselbe Ge-schwindigkeit zu kommen wie die Infor-

matiker-Kollegen. Programmierkunst sei indes erlernbar, betont Müller: „Program-mieren ist zu einem kleinen Teil eine Wissenschaft und zu einem großen Teil Handwerk, für das man eine gewisse Fingerfertigkeit erwerben muss.“ Müller glaubt, dass man sich diese Tätigkeit „als flexibler Mensch“ selbst aneignen kann.

„Ich habe mir Programmieren mit 14 bei-gebracht.“

Der Informatiker mit naturwissen-schaftlichem Hintergrund rät angehen-den Kollegen, sich möglichst früh Pro-grammierkenntnisse anzueignen. Müller berichtet, dass es hervorragende kosten-lose Entwicklungswerkzeuge (Freeware, z.B. wie http://eclipse.org) für Software gibt, die auch im Professionellen und Forschungsumfeld breit verwendet wer-den.

In seiner Physik-Diplomarbeit hat Mül-ler zur Durchführung und Analyse von Messungen viel programmiert. Der oben erwähnte programmierende Chemiker hat auch auf diese Art den Einstieg gefun-den. Deshalb hält er eine entsprechend ausgerichtete naturwissenschaftliche Ab-schlussarbeit für eine gute Gelegenheit herauszufinden, ob einem Informatik liegt. Wer aus der Naturwissenschaft um-steigen möchte ohne alles hinzuwerfen, dem empfiehlt Müller das Studium an einer Fern-Universität. Die Hagener Vorle-sungen seien sehr gut gewesen. Die Entscheidung für dieses Studium habe sein Leben „massiv positiv beeinflusst“. Wer kundig im Programmieren ist, erwer-be im Informatik-Studium unter anderem das Wissen über Algorithmen (Rechen-methoden). Er erfindet das Rad nicht neu, sondern kann sich unter Standardal-gorithmen die für den jeweiligen Fall beste Lösung auswählen. Eigene Algo-rithmen werden nur da entwickelt wo nötig. „Mit einem gewissen Maß ab Pro-grammierkenntnis lernt man leicht, mit diesem Baukasten umzugehen.“

Obwohl Dr. Müller Informatiker ist, möchte er sein Physik-Studium nicht mis-sen. „Für das, was ich mache, ist es sehr wichtig, Naturwissenschaften gelernt zu haben.“ Wertvoll sei das Wissen, wie ein Naturwissenschaftler denkt und fühlt, weil er interdisziplinär mit diesen Kolle-gen arbeiten muss. „In vielen Projekten muss ich andere motivieren, Daten ein-zugeben.“ Da ist es von Vorteil zu wissen, wann der Zeitpunkt für solche Appelle besonders günstig ist.

Immer auf dem Laufenden bleiben: In der IT-Branche ist die Soft-und Hardware schnell veraltet. Foto: © Nicole2/pixelio.de