daniel roth: gefolgschafts- betreuung...2 „etwas über sozialpolitik”, in: werks- zeitung...

54
Was den Arbeitern und Angestellten der Deutsche Werke Kiel AG (DWK) 1936 in der Werkszeitung „ihrer“ Werft versprochen wurde, war nichts we- niger als eine völlig neuartige, idealistisch am Ge- meinwohl ausgerichtete Sozialpolitik: Anders als im demokratischen System der Weimarer Repu- blik sei im „völkischen Staat“ nicht das „materiel- le Interesse irgendwelcher Parteiengruppen oder bevorzugter Men- schen“ Ausgangspunkt sozialpolitischen Handelns. Nationalsozialisti- scher Sozialpolitik, so erläuterte DWK-Sozialreferent Dr. Klingemann, gehe es vielmehr einzig um den „lebendige[n] Mensch[en] als Keimzel- le des Volkes, als Mitträger und Mitkämpfer an dem Schicksal der Volksgemeinschaft und einer besseren Zukunft“. 2 In welchem Verhältnis stand dieses Selbstbild nationalsozialisti- scher Sozialpolitik, das reichsweit in zahllosen Publikationen und Pro- pagandareden verbreitet wurde, zur sozialpolitischen Praxis im „Dritten Reich“? Nachdem Timothy W. Masons Quellensammlung und Untersu- chung „Arbeiterklasse und Volksgemeinschaft“ dreißig Jahre nach Kriegsende diesen Themenkomplex ins Blickfeld der historischen For- schung gerückt hatte, richtete sich deren Augenmerk zunächst weit we- niger auf die propagandistisch beschworene ideologische Inspiration nationalsozialistischer Sozialpolitik als vielmehr gerade auf das Span- nungsfeld machtpolitischer, wirtschaftlicher und organisatorischer In- teressen, in dem sie konzipiert und umgesetzt wurde. 3 Dabei wurde vor allem die Bedeutung sozialpolitischer Maßnahmen als Kompensations- angebot an die vom NS-Regime entmündigten und im Zuge der Aufrü- stungs- und Kriegswirtschaft verstärkt ausgebeuteten deutschen Arbei- ter herausgestellt. Sozialpolitik im „Dritten Reich“ war demnach der Preis, den das Regime – nicht zuletzt vor dem Erfahrungshintergrund der Novemberrevolution von 1918 – für seine dauerhafte innenpoliti- sche Absicherung und die ungestörte Verwirklichung seiner stets über- geordneten Aufrüstungs- und Kriegspläne zahlte: ein Preis, der allein schon im Sinne der ökonomischen Realisierung derselben Rüstungsvor- haben so niedrig gehalten wurde wie nur irgend möglich. Vorrangig als Mittel zu einem keineswegs uneigennützigen Zweck wurden auch die sozialpolitischen Aktivitäten der Deutschen Arbeits- front (DAF) gedeutet. Schon um den Bestand und den weiteren Ausbau ihres gewaltigen Funktionärskörpers zu rechtfertigen, beanspruchte die DAF, die als Auffangorganisation der zerschlagenen Gewerkschaften mit deren Vermögen und Presseorganen ausgestattet worden war, in im- mer größerem Umfang und mit wachsendem Erfolg sozialpolitische Mitsprache- und Gestaltungsrechte. Dieser „Organisationsimperialis- mus“ der DAF führte immer wieder zu Konflikten mit der nach wie vor auch separat organisierten Unternehmerschaft und staatlichen Herr- schaftsträgern, die sich in ihrem sozialpolitischen Gestaltungsanspruch – im Gegensatz zur DAF – auf das nationalsozialistische Arbeitsord- nungsgesetz berufen konnten. Zur Überprüfung, Differenzierung und Veranschaulichung umfas- sender Theorien zur Sozialgeschichte und zur Geschichte der Sozialpo- litik im „Dritten Reich“ sind seit den 1980er Jahren immer wieder Stu- Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung Zur betrieblichen Sozialpolitik der Deutsche Werke Kiel AG im „Dritten Reich“ 1 1 Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine Zusammenfassung der Untersuchung „Betriebliche Sozialpolitik der Deutsche Werke Kiel AG 1933-1945“, die im Früh- jahr 2000 vom Verfasser an der Univer- sität Kiel als Magisterarbeit vorgelegt wur- de und in Kürze in voller Länge erscheinen wird. Auf einen vollständigen Anmerkungs- apparat wurde daher hier verzichtet. 2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über die intensive For- schung der Jahre nach Veröffentlichung von Masons “Arbeiterklasse und Volksge- meinschaft” bietet Matthias Frese in: Sozi- al- und Arbeitspolitik im “Dritten Reich”. Ein Literaturbericht, in: Neue Politische Li- teratur, Jg. 38, Stuttgart 1993, S. 403- 446. Auf neuestem Stand analysiert und diskutiert wird die Politik des NS-Regimes gegenüber der Arbeiterschaft in den Vor- kriegsjahren und die Forschung zu diesem Thema in: Michael Schneider, Unterm Ha- kenkreuz. Arbeiter und Arbeiterbewegung 1933 bis 1939, Bonn 1999. Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung 247 Kiel 08 DWK 02.06.2008 12:43 Uhr Seite 247

Upload: others

Post on 02-Apr-2021

2 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

Was den Arbeitern und Angestellten der DeutscheWerke Kiel AG (DWK) 1936 in der Werkszeitung„ihrer“ Werft versprochen wurde, war nichts we-niger als eine völlig neuartige, idealistisch am Ge-meinwohl ausgerichtete Sozialpolitik: Anders alsim demokratischen System der Weimarer Repu-blik sei im „völkischen Staat“ nicht das „materiel-

le Interesse irgendwelcher Parteiengruppen oder bevorzugter Men-schen“ Ausgangspunkt sozialpolitischen Handelns. Nationalsozialisti-scher Sozialpolitik, so erläuterte DWK-Sozialreferent Dr. Klingemann,gehe es vielmehr einzig um den „lebendige[n] Mensch[en] als Keimzel-le des Volkes, als Mitträger und Mitkämpfer an dem Schicksal derVolksgemeinschaft und einer besseren Zukunft“.2

In welchem Verhältnis stand dieses Selbstbild nationalsozialisti-scher Sozialpolitik, das reichsweit in zahllosen Publikationen und Pro-pagandareden verbreitet wurde, zur sozialpolitischen Praxis im „DrittenReich“? Nachdem Timothy W. Masons Quellensammlung und Untersu-chung „Arbeiterklasse und Volksgemeinschaft“ dreißig Jahre nachKriegsende diesen Themenkomplex ins Blickfeld der historischen For-schung gerückt hatte, richtete sich deren Augenmerk zunächst weit we-niger auf die propagandistisch beschworene ideologische Inspirationnationalsozialistischer Sozialpolitik als vielmehr gerade auf das Span-nungsfeld machtpolitischer, wirtschaftlicher und organisatorischer In-teressen, in dem sie konzipiert und umgesetzt wurde.3 Dabei wurde vorallem die Bedeutung sozialpolitischer Maßnahmen als Kompensations-angebot an die vom NS-Regime entmündigten und im Zuge der Aufrü-stungs- und Kriegswirtschaft verstärkt ausgebeuteten deutschen Arbei-ter herausgestellt. Sozialpolitik im „Dritten Reich“ war demnach derPreis, den das Regime – nicht zuletzt vor dem Erfahrungshintergrundder Novemberrevolution von 1918 – für seine dauerhafte innenpoliti-sche Absicherung und die ungestörte Verwirklichung seiner stets über-geordneten Aufrüstungs- und Kriegspläne zahlte: ein Preis, der alleinschon im Sinne der ökonomischen Realisierung derselben Rüstungsvor-haben so niedrig gehalten wurde wie nur irgend möglich.

Vorrangig als Mittel zu einem keineswegs uneigennützigen Zweckwurden auch die sozialpolitischen Aktivitäten der Deutschen Arbeits-front (DAF) gedeutet. Schon um den Bestand und den weiteren Ausbauihres gewaltigen Funktionärskörpers zu rechtfertigen, beanspruchte dieDAF, die als Auffangorganisation der zerschlagenen Gewerkschaftenmit deren Vermögen und Presseorganen ausgestattet worden war, in im-mer größerem Umfang und mit wachsendem Erfolg sozialpolitischeMitsprache- und Gestaltungsrechte. Dieser „Organisationsimperialis-mus“ der DAF führte immer wieder zu Konflikten mit der nach wie vorauch separat organisierten Unternehmerschaft und staatlichen Herr-schaftsträgern, die sich in ihrem sozialpolitischen Gestaltungsanspruch– im Gegensatz zur DAF – auf das nationalsozialistische Arbeitsord-nungsgesetz berufen konnten.

Zur Überprüfung, Differenzierung und Veranschaulichung umfas-sender Theorien zur Sozialgeschichte und zur Geschichte der Sozialpo-litik im „Dritten Reich“ sind seit den 1980er Jahren immer wieder Stu-

Daniel Roth:Gefolgschafts-betreuungZur betrieblichen Sozialpolitikder Deutsche Werke Kiel AG im„Dritten Reich“1

1 Bei diesem Beitrag handelt es sich umeine Zusammenfassung der Untersuchung„Betriebliche Sozialpolitik der DeutscheWerke Kiel AG 1933-1945“, die im Früh-jahr 2000 vom Verfasser an der Univer-sität Kiel als Magisterarbeit vorgelegt wur-de und in Kürze in voller Länge erscheinenwird. Auf einen vollständigen Anmerkungs-apparat wurde daher hier verzichtet.2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks-Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell-schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2.3 Einen Überblick über die intensive For-schung der Jahre nach Veröffentlichungvon Masons “Arbeiterklasse und Volksge-meinschaft” bietet Matthias Frese in: Sozi-al- und Arbeitspolitik im “Dritten Reich”.Ein Literaturbericht, in: Neue Politische Li-teratur, Jg. 38, Stuttgart 1993, S. 403-446. Auf neuestem Stand analysiert unddiskutiert wird die Politik des NS-Regimesgegenüber der Arbeiterschaft in den Vor-kriegsjahren und die Forschung zu diesemThema in: Michael Schneider, Unterm Ha-kenkreuz. Arbeiter und Arbeiterbewegung1933 bis 1939, Bonn 1999.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung 247

Kiel

08 DWK 02.06.2008 12:43 Uhr Seite 247

Page 2: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

dien zu einzelnen Regionen oder Großbetrieben unternommen worden.4

Dabei konnte auch ein Zweig der Sozialpolitik näher beleuchtet wer-den, dem gerade der Nationalsozialismus besondere Bedeutung für dieIntegration der Arbeiterschaft in die „Volksgemeinschaft“ einräumte:die betriebliche Sozialpolitik. Hinsichtlich des Umfangs, des besonde-ren Profils und auch des Grades an konzeptioneller Eigenständigkeitbetrieblicher Sozialleistungen traten dabei beträchtliche Unterschiedezwischen Unternehmen verschiedener Branchen und Größenordnun-gen zu Tage.

Obwohl dabei Großunternehmen der metallverarbeitenden Industrieaufgrund ihrer engen Verknüpfung mit der Aufrüstungs- und Kriegs-politik des NS-Regimes besonderes Interesse zuteil wurde, sind dieRüstungswerften der „Kriegsmarinestadt“ Kiel und die von ihnen be-triebene Sozialpolitik bislang kaum in den Blickpunkt der Forschunggerückt. Aufgrund ihrer Stellung im Schnittpunkt der Interessen- undEinflusssphären von Marine, NS-Organisationen und Staatsbürokra-tie scheint jedoch gerade eine wissenschaftliche Betrachtung derstaatseigenen Werften dazu geeignet, Interessenbindung, Interessen-konflikte und ideologische Prägung nationalsozialistischer Sozialpo-litik weiter auszuleuchten.In dem vorliegenden Beitrag soll die betriebliche Sozialpolitik derDeutsche Werke Kiel AG, der bedeutendsten der Kieler Rüstungs-werften des „Dritten Reiches“, im Hinblick auf ihre Akteure, Ziele,Maßnahmen und Ergebnisse betrachtet werden. Dass ein solchesUnterfangen durch die Quellenlage nicht eben begünstigt wird, magteilweise erklären, warum es bisher – abgesehen von den Untersu-chungen Helmut Griesers zur Rüstungswirtschaft in Schleswig-Hol-stein5, die den Bereich der Sozialpolitik zumindest streifen – im we-sentlichen dem Erinnerungsschrifttum ehemaliger höherer Werftan-gestellter und einzelnen Jubiläumsschriften übriggebliebener odernachfolgender Unternehmen überlassen geblieben ist, sich rück-blickend überhaupt mit der Entwicklung der Kieler Werften zwi-schen 1933 und 1945 zu befassen6: Bombenschäden, absichtlicheAktenvernichtung angesichts des Herannahens alliierter Truppenund schließlich die Beschlagnahmungsmaßnahmen der Besatzerhaben insgesamt wenig an zeitgenössischem Schriftgut übrig ge-lassen, das zur Erforschung der Entwicklung Kiels in der NS-Zeitherangezogen werden könnte.Gerade zum hier untersuchten Bereich der betrieblichen Sozialpo-litik ist jedoch ein umfangreicher, wenn auch hinsichtlich seinerwissenschaftlichen Verwertbarkeit gewiss nicht unproblemati-scher Quellenbestand erhalten geblieben. Es handelt sich dabeium Publikationen der Deutsche Werke Kiel Aktiengesellschaft,und zwar überwiegend um solche, deren Absicht offenkundig ge-rade der Verbreitung des eingangs skizzierten Propagandabildeseiner idealistisch inspirierten Sozialpolitik und einer harmoni-schen, im Leistungsgedanken vereinten „Betriebsgemeinschaft“gilt. Mehr als zehn Jahre betrieblicher Sozialpolitik begleitete indiesem Sinne die „Werks-Zeitung“ der DWK, die von 1934 bis1944 in Zusammenarbeit mit verschiedenen Stellen der Deut-

4 Genannt seien hier: Rüdiger Hachtmann,Industriearbeit im „Dritten Reich”, Göttin-gen 1989; Carola Sachse, Siemens, derNationalsozialismus und die moderne Fami-lie, Hamburg 1990; Hans Mommsen/Man-fred Grieger, Das Volkswagenwerk und sei-ne Arbeiter im Dritten Reich, Düsseldorf1996; Gerd Wysocki, Arbeit für den Krieg.Arbeitseinsatz, Sozialpolitik und staatspoli-zeiliche Repression bei den Reichswerken„Hermann Göring” im Salzgitter-Gebiet1937/38 bis 1945, Braunschweig 1992. 5 Vorrangig mit der wirtschaftlich-organisa-torischen Bewerkstelligung des „Kieler Rü-stungswunders” befasste sich Helmut Grieserin seiner v.a. aus militärbürokratischen Quel-len schöpfenden Untersuchung „Materialienzur Rüstungswirtschaft Schleswig-Holsteins imDritten Reich” (Kiel 1987). Zwar in ihrer Be-deutung gewürdigt, aber kaum näher unter-sucht wird die Sozialpolitik der Kieler Werftenin Griesers Beitrag “,Man wird vom deutschenArbeiter bei richtiger Aufklärung desselben al-les fordern können‘. Kiel – Rüstungsschmiedeund Kriegshafen”, in: Gerhard Paul, Uwe Dan-ker, Peter Wulf (Hg.), Geschichtsumschlungen,Bonn 1996, S. 236-240. 6 Für die DWK trotz seiner unkritisch-verklären-den Darstellungsweise nicht zu vernachlässigen:Otto K. W. Neuerburg, Menschenwerk im Mahl-strom der Macht. Die hundertjährige Geschichteder Kaiserlichen Werft Kiel und der DeutscheWerke Kiel A.G., Ms. Manuskript, Kiel 1955.Außerdem Karl Radunz, Kieler Werften im Wandelder Zeiten, in: Mitteilungen der Gesellschaft fürKieler Stadtgeschichte, Bd. 48 (Jg. 1957), S.171-186. Sowie: Kieler Howaldtswerke Aktien-gesellschaft, Kiel (Hg.), 125 Jahre Kieler Ho-waldtswerke, Kiel 1963; und: Bruno Bock, Gebautbei HDW. Howaldtswerke-Deutsche Werft AG, 150Jahre, Herford 1988.7 Frau Bauer und Herrn Fugalewitsch von HDW seian dieser Stelle für die freundliche Unterstützung,die sie dem Verfasser zuteil werden ließen, herzlichgedankt. 8 Ein Exemplar dieses mit ausführlichem Text ver-sehenen Bildbandes befindet sich im StadtarchivKiel.9 Der Bildband wurde ebenfalls bei HDW eingese-hen.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung248

08 DWK 02.06.2008 12:43 Uhr Seite 248

Page 3: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

schen Arbeitsfront in der Regel allmonatlich erstellt und kostenlos andie Werksangehörigen ausgegeben wurde. In der Bibliothek des KielerInstituts für Weltwirtschaft haben die Jahrgänge 1939-1944 Kriegs- undNachkriegszeit überdauert. Die früheren Jahrgänge konnten aus Biblio-theksbeständen der Howaldtswerke-Deutsche Werft AG eingesehenwerden.7 Ebenfalls um Produkte der publizistischen Selbstdarstellungder DWK-Sozialpolitik handelt es sich bei den Bildbänden „Die Be-triebsgemeinschaften unserer Werke in Kiel und Friedrichsort in Wortund Bild“ (1940)8 und „Von unseren sozialen Einrichtungen“(1942)9.Während der offenkundig propagandistische Charakter dieser DWK-

Abb. 1: DAF-Organ und Wegbegleiter derDWK-Sozialpolitik: Die „Werkszeitung derDeutsche Werke Kiel Aktiengesellschaft“.(Die Abbildungen stammen aus: DeutscheWerke Kiel AG. Die Betriebsgemeinschaf-ten der Werke Kiel und Friedrichsort inWort und Bild. Hamburg 1940.)

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung 249

08 DWK 02.06.2008 12:43 Uhr Seite 249

Page 4: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

Publikationen einerseits dazu Anlass gibt, das in ihnen vermittelte Bildsozialer Maßnahmen und Verhältnisse im Betrieb mit besonderer Skep-sis zu betrachten, liegt gerade in ihrer werbend darstellenden Intentionauch ein Vorteil: Hatte etwa die Werkszeitung die Aufgabe, ihrer Leser-schaft das sozialpolitische Engagement der Werksleitung und der DAFmöglichst lückenlos vor Augen zu führen, so wird es in den Jahren ihresErscheinens kaum Sozialleistungen der DWK gegeben haben, die darinnicht Erwähnung finden.

Weitgehend ohne propagandistische Verbrämung treten die Kontu-ren der DWK-Sozialpolitik im „Handbuch wissenswerter Bestimmun-gen über gemeinnützige Einrichtungen, soziale Vergünstigungen, Zu-wendungen usw.“ hervor, das 1939 zum ersten Mal aus den betreffendenAnordnungen und Bekanntmachungen der Werksleitung zusammenge-stellt worden war und in einer Fassung vom 21. November 1940 im In-stitut für Weltwirtschaft erhalten geblieben ist. Satzungsartig werdendarin die einzelnen betrieblichen Sozialleistungen der DWK aufgeführt.

Hingegen enthält die „Betriebsordnung für die Werke Kiel undFriedrichsort der Deutsche Werke Kiel Aktiengesellschaft“ von 193510

kaum Festlegungen zu betrieblichen Sozialleistungen der Werke. Aller-dings listet sie die Pflichten der Arbeitnehmer und die Disziplinarmaß-nahmen im Falle ihrer Verletzung recht umfassend auf und gibt auf dieseWeise einen gewissen Einblick in die Ausgestaltung der innerbetriebli-chen Herrschaftsordnung der DWK.

Über die Unternehmensentwicklung der DWK, zu der die Entwick-lung ihrer betrieblichen Sozialleistungen im Verhältnis zu sehen seinwird, gewähren schließlich in begrenztem Umfang die Geschäftsberich-te Aufschluß, welche die Aktiengesellschaft DWK bis Anfang 1944auch dem Kieler Institut für Weltwirtschaft zukommen ließ.

Zusammenfassend lässt sich für die Quellengruppe der DWK-Publi-kationen und die in ihnen vermittelten Informationen das Problem derinteressengeleiteten Einseitigkeit bzw. Unvollständigkeit konstatieren:Während nicht davon auszugehen ist, dass etwa in der Werkszeitungoder in den Bildbänden zu „Betriebsgemeinschaft“ und „sozialen Ein-richtungen“ Tatsachen behauptet werden, die in krassem Widerspruchzur erlebten Wirklichkeit der Werftangehörigen standen, blieb der Pro-paganda auch, ohne sich lächerlich zu machen, die Möglichkeit, weni-ger präsentable Seiten der sozialen Wirklichkeit im Betrieb schlicht aus-zublenden und das Augenmerk – auch des heutigen Lesers – ausschließ-lich auf die Leistungsangebote der DWK-Sozialpolitik zu lenken. Ähn-liches gilt für die im „Handbuch wissenswerter Bestimmungen…“ wie-dergegebenen Regelungen, wenngleich diese nicht nur Leistungen auf-führen, sondern auch die für ihre „Gewährung“ notwendigen Bedingun-gen. Denn da der einzelne Arbeitnehmer durch die Erfüllung dieser Be-dingungen in der Regel keinerlei Anspruch auf die jeweilige Soziallei-stung erwarb, hing deren Bewilligung letztlich von ungeschriebenenRegeln ab, die jedoch sowohl im „Handbuch“ als auch in den übrigenPublikationen der DWK weitgehend im Dunkeln bleiben. Gefilterte In-formationen, die oft da aufhören, wo es aus Sicht des Historikers geradebesonders interessant wird, bieten auch die Geschäftsberichte derDWK. So bleiben in den darin enthaltenen Vorstandsberichten zahlrei-

10 Bibliothek des Instituts für Weltwirt-schaft.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung250

08 DWK 02.06.2008 12:43 Uhr Seite 250

Page 5: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

che Vorgänge absichtlich unerwähnt, die für die wirtschaftliche Ent-wicklung des Unternehmens durchaus von großer Bedeutung waren,und dies nicht erst mit Beginn des Krieges: Auch der Umfang der Rü-stungsaufträge der Werft in den ersten Jahren nach der MachtübernahmeHitlers wird in den Vorstandsberichten systematisch verschleiert.

Die Einseitigkeit des so vermittelten Bildes auch in der Darstellungder einzelnen Maßnahmen betrieblicher Sozialpolitik der DWK immerwieder bewusst zu machen erscheint umso wichtiger, als es aufgrundder ungünstigen Überlieferungslage nur selten möglich ist, die aus derSelbstdarstellung der DWK gewonnenen Informationen anhand vonQuellen zu überprüfen, zu ergänzen und gegebenenfalls zu korrigieren,die nicht der Zensur der Werksleitung oder der DAF unterlagen. Konnteschon Otto Neuerburg für seine kaum zehn Jahre nach Kriegsende er-stellte Werftgeschichte nicht auf ein Firmenarchiv der DWK zurückgrei-fen, so sind auch von Seiten derjenigen staatlichen und nationalsoziali-stisch-parteiamtlichen Stellen, die mit der Kontrolle und Gestaltung vonSozialpolitik oder auch der Beobachtung der politischen Stimmung inKiel befasst waren, keine kompakten Aktenbestände erhalten geblieben.

Eine Ausnahme stellt hier lediglich der von Hamburg aus amtieren-de „Reichstreuhänder der Arbeit für das Wirtschaftsgebiet Nordmark“dar, der zugleich als „Sondertreuhänder für die deutschen Seeschiffs-werften“ fungierte. Aus dem von ihm hinterlassenen Aktenschriftgut,das nach dem Krieg ins Hamburger Staatsarchiv gelangt ist, konnten ei-nige speziell die DWK betreffende Informationen gewonnen werden,die allerdings nur einzelne Aspekte der sozial- und vor allem lohnpoliti-schen Verhältnisse in dem Kieler Großbetrieb punktuell erhellen.11 All-gemeine Daten zur Lohn- und Arbeitsmarktsituation in Kiel finden sichauch in den Akten des 1943 gegründeten Gauarbeitsamtes Schleswig-Holstein (Landesarchiv Schleswig).12 Einblick in die Aufsichts- und Re-gelungstätigkeit der für Kiel zuständigen Reichstreuhänder geben über-dies deren von 1934 bis Anfang 1945 erschienene „Amtliche Mitteilun-gen“.13

Ansonsten jedoch konnte Schriftgut staatlicher und parteiamtlicherAkteure, zu deren Aufgabenfeld es gehörte, sozialpolitische Maßnah-men auf den Kieler Werften voranzutreiben, zu beaufsichtigen oder zubeobachten, lediglich bruchstückhaft in Korrespondenzen organisato-risch übergeordneter Stellen aufgefunden werden. Für den Bereich derstaatlichen Aufsichtsbehörden wurden hierzu die erhaltenen Akten desRegierungspräsidenten der Provinz Schleswig-Holstein,14 des Reichsar-beitsministeriums (RAM), der Reichskanzlei und des Reichssicherheits-hauptamtes (RSHA)15 ausgewertet. Einzelne Berichte von Kieler Glie-derungen der NSDAP und der DAF fanden sich in der spärlichen Hin-terlassenschaft der Gauleitung Schleswig-Holstein16 bzw. des BerlinerZentralbüros der DAF.17

Aufgrund ihrer Bedeutung als Korrektiv für die Erfolgsmeldungender DWK-Werkspresse sind unter diesen Überlieferungsbruchstückenbesonders jene hervorzuheben, die interne Lageberichte zur sozialenLage und politischen Stimmung in Kiel enthalten und – wenn auch nurfür eng begrenzte Zeiträume – interessante Schlaglichter auf das hierbehandelte Thema werfen. So sind aus den Jahren 1935 und 1936 insge-

11 Staatsarchiv der Freien und Hanse-stadt Hamburg (i. F.: StAHH ), Bestand356-4. 12 Schleswig-Holsteinisches Landesar-chiv, Schleswig (i. F.: LAS ), Abt. 580(Landesarbeitsamt).13 Jge. 1934-1944 der “Amtlichen Mit-teilungen” waren in der Universitätsbiblio-thek Kiel zu finden; eine einzelne, im Ja-nuar 1945 erschienene Ausgabe, nach deroffenbar keine weiteren mehr erschienensind, befindet sich in der Bibliothek des In-stituts für Weltwirtschaft.14 LAS, Abt. 309.15 Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde(i. F.: BArch), Bestände R 3901 (Reichsar-beitsministerium, z. T. früher unter R 41geführt), R 43 II (Reichskanzlei) und R 58(Reichssicherheitshauptamt).16 LAS, Abt. 454.17 BArch, NS 5 IV.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung 251

08 DWK 02.06.2008 12:43 Uhr Seite 251

Page 6: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

samt sieben Monatsberichte der Staatspolizei-(leit)stelle Kiel erhaltengeblieben,18 die auch hinsichtlich der Misserfolge sozialpolitischer undpropagandistischer Maßnahmen unter den Arbeitern in den Rüstungsbe-trieben kein Blatt vor den Mund nehmen.

Zeitgenössische Quellen, die gänzlich ohne Rücksichtnahme auf dieZiele des Nationalsozialismus Auskunft über die Kieler Rüstungswerf-ten zwischen 1933 und 1945 geben, gibt es nur in sehr geringem Um-fang. Während dem Bericht einer Informationseinheit der US-Armee,die unmittelbar nach der britischen Besetzung Kiels Bilder und Faktenüber die dortigen Industrieeinrichtungen und ihre Bombenschäden sam-melten,19 kaum etwas über die sozialen Verhältnisse auf den Werften zuentnehmen ist, gibt es auch in der Berichterstattung illegaler sozialisti-scher Organisationen nur einige wenige Berichte, die auf die Kieler Rü-stungsindustrie und die Stimmung unter den dort beschäftigten Arbei-tern Bezug nehmen. Verwertbares Material fand sich hier in den„Deutschland-Berichten“, die von 1934 bis 1941 vom Exilvorstand derSozialdemokratischen Partei Deutschlands („Sopade“) herausgegebenwurden.20 Einzelne Zusatzinformationen konnten den Berichten des So-pade-Grenzsekretariates Kopenhagen entnommen werden, die im Ar-chiv der sozialen Demokratie (Bonn / Bad Godesberg) einzusehensind.21

Zurück zur „Rüstungsschmiede des Reiches“: Die wirtschaftliche Entwicklung desWerftstandortes Kiel und der Deutsche Werke Kiel AG in der NS-Zeit. Obwohl be-triebliche Sozialpolitik unter dem Nationalsozialismus in reichsweitverfolgte Strategien zur Befriedung, Indoktrination und Leistungsmoti-vation der arbeitenden Bevölkerung eingebunden war, wurden ihr be-wusst Spielräume gelassen, um auf die „soziale Frage“ so eingehen zukönnen, wie sie sich vor Ort stellte und wie es die wirtschaftliche Situa-tion des jeweiligen Betriebes erlaubte und erforderte. Auf welche beson-deren Probleme mußte betriebliche Sozialpolitik in der Kieler Werft-wirtschaft reagieren? Welche Möglichkeiten waren ihr durch ihre wirt-schaftliche Entwicklung zwischen der Machtübernahme Hitlers und derKapitulation des Deutschen Reiches gegeben?

Nachdem der Marinestützpunkt Kiel bis zum Ende des Ersten Welt-krieges mit seinen Werften von der kaiserlichen Flottenrüstungspolitikprofitiert hatte und durch diesen Aufschwung überhaupt erst seine Be-deutung als Industriestandort erlangt hatte, war die Stadt durch die Rü-stungsbeschränkungen des Versailler Vertrages erstmals hart mit derProblematik konfrontiert worden, die in ihrer einseitigen, ganz auf denBedarf der Marine ausgerichteten Wirtschaftsstruktur lag: Ohne denStaat als ständigen Auftraggeber, dessen Rüstungsinvestitionen auf demOstufer der Kieler Förde zum Aufbau riesiger Schiffbaukapazitäten ge-führt hatten, schwebte ständig das Damoklesschwert massenhafter Ent-lassungen über den Beschäftigten der Werften, deren Löhne einen be-trächtlichen Teil der Kieler Bevölkerung ernährten.

Wenngleich es in den Jahren der Weimarer Republik durchaus Ver-suche gegeben hatte, diese wirtschaftliche Monostruktur zu überwindenund Kiel etwa als Handels- und Umschlaghafen am östlichen Ausgangdes Nord-Ostsee-Kanals zu etablieren, hatte sich bis zum Ausbruch derWeltwirtschaftskrise 1929 nichts Grundsätzliches daran geändert, dass

Abb. 2: Nicht irgendein Rüstungsstandort:Adolf Hitler und der Oberbefehlshaber derKriegsmarine, Großadmiral Raeder, bei ei-nem Besuch des Kieler Werkes am29.5.1936.

18 BArch, R 58 / 1128, 386, 480,529, 552, 570, 604. Die Berichte, dieüber das ehemalige Zentralarchiv der SEDins Bundesarchiv gelangt sind, liegen inKopie auch im Landesarchiv Schleswig(Abt. 410 /290) vor. 19 The United States Strategic BombingSurvey: DEUTSCHE WERKE A.G., Kiel /Germany, o. O. 1947 (Stadtarchiv Kiel6541 e1). 20 Deutschland-Berichte der Sozialdemo-kratischen Partei Deutschlands (Sopade)1934-1940, neu herausgegeben von KlausBehnken, Frankfurt a. M. 1980. 21 Archiv der sozialen Demokratie, Be-stand SPD-Parteivorstand / Emigration(Sopade), Mappen 48 und 49 (Grenzse-kretariat Kopenhagen / Richard Hansen).

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung252

08 DWK 02.06.2008 12:43 Uhr Seite 252

Page 7: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

08 DWK 02.06.2008 12:43 Uhr Seite 253

Page 8: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

die Stadt weitgehend vom Schiffbau abhängig blieb, einer Branche, dieohne das stabilisierende Element staatlicher Aufträge in besonderemMaße konjunkturellen Schwankungen unterworfen war (und ist). Ent-sprechend hart wurde Kiel getroffen, als die von der New Yorker Börseausgehende, weltweite Banken- und Handelskrise auch die zivile Nach-frage nach Schiffsneubauten fast völlig zum Erliegen brachte: Für denMonat des Machtantritts Adolf Hitlers verzeichnen die StatistischenMonatsberichte der Stadt Kiel, das damals 219 978 Einwohner zählte,22 910 gemeldete Erwerbslose, davon allein 6 353 in der Branche derEisen- und Metallverarbeitung.

In dieser Situation eröffneten sich mit dem Machtantritt Hitlers fürKiel neue Perspektiven ökonomischer Prosperität: Gerade im Bereichder Flottenrüstung, der im Versailler Vertrag besonders enge Grenzengesetzt worden waren, gab es beträchtlichen Nachholbedarf, um das an-gestrebte Ziel der Aufrüstung auf ein Niveau der Kriegsbereitschaft zuerreichen. Dass mit dem Anknüpfen Kiels an seine Rolle als Rüstungs-schmiede der Kaiserlichen Marine auch der Abschied von allen Ansät-zen einer Umstellung auf eine vielfältigere, an die zivile Nachfrage inFriedenszeiten angepasste Wirtschaftsstruktur verbunden war, wurdevor dem Hintergrund der schweren Krise eher mit Erleichterung als mitBesorgnis registriert.

Der Aufschwung, den die Werftindustrie nun nahm und der alle an-deren Zweige des Kieler Wirtschaftslebens bald wieder völlig in denHintergrund drängte, führte ausgesprochen rasch zur Beseitigung der lo-kalen Massenarbeitslosigkeit. Bereits im Februar 1935 verzeichnete dieamtliche Arbeitslosenstatistik der Stadt nur noch 7111 Erwerbslose – anFacharbeitern der metallverarbeitenden Berufe herrschte nach Beobach-tungen der Kieler Staatspolizei (Stapo) einen Monat später gar schonspürbarer Mangel. Einen weiteren Schub erhielt der Rüstungsboom inKiel, als mit dem deutsch-britischen Flottenabkommen vom 18. Juni1935 jeglicher Grund für die deutsche Marine entfallen war, bei ihrerinsgeheim längst eingeleiteten Aufrüstung noch irgendwelche Rück-sicht auf das Ausland zu nehmen. Im September 1935 wurden bereitsMetallfacharbeiter aus Gebieten außerhalb Schleswig-Holsteins nachKiel geholt, und vier Monate später meldete die Kieler Stapo, der „un-geheure Arbeiterbedarf der Rüstungsbetriebe“ erlaube es nicht mehr,eine „einwandfreie Auslese unbedingt zuverlässiger Arbeiter“ zu garan-tieren.

Mit dieser Entwicklung sah die Staatspolizei durchaus die Gefahr„marxistische[r] Zersetzungstätigkeit“ verbunden, registrierte sie dochgleichzeitig eine verbreitete Unzufriedenheit unter den Kieler Arbeitern,als deren Ursache sie immer wieder die Diskrepanz zwischen den nachwie vor niedrigen Löhnen der Werftarbeiter und den steigenden Lebens-haltungskosten herausstellte. Außerdem wurden als Gründe verbreiteterUnzufriedenheit Versorgungsschwierigkeiten und schließlich auch einMangel an erschwinglichen Wohnungen erwähnt. Gerade der Woh-nungsmangel sollte sich im Zuge des immer umfangreicheren, balddurch Dienstverpflichtungen erzwungenen Zuzugs von Arbeitern zumschwerwiegendsten sozialen Problem in der Stadt entwickeln. Auch dieLohnfrage blieb jedoch ein Bereich, in dem immer wieder Kompromis-

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung254

08 DWK 02.06.2008 12:43 Uhr Seite 254

Page 9: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

se zwischen staatlichen Stabilisierungsvorgaben und dem Erwartungs-druck der stark beanspruchten Arbeiter der Werftindustrie gefundenwerden mussten. Nachdem es erst im Juli 1939 zu einer staatlich abge-segneten pauschalen Anhebung der Löhne in der Schiffbauindustrie ge-kommen war, durch die sie an das Niveau erheblich besser bezahlenderBranchen der metallverarbeitenden Industrie angenähert werden sollte,sah sich der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, Großadmiral ErichRaeder, bereits Ende 1940 dazu veranlasst, auf eine Angleichung derLöhne auf den Rüstungswerften an jene in der von Göring protegiertenFlugzeugindustrie zu drängen.22 Auf keinen Fall sollte der Fortgang des1939 aufgelegten, ehrgeizigen Programms zum Ausbau der U-Boot-Flotte durch mangelnde Motivation oder gar Abwanderung von Arbeits-kräften der Werftindustrie beeinträchtigt werden. Da sich sowohl Ra-eder als auch sein auf Lohnstabilisierung bedachter Widerpart, der Son-dertreuhänder für die deutschen Seeschiffswerften Friedrich Völtzer, inihren Anliegen auf Führerbefehle berufen konnten, wurde am Ende einKompromiss ausgehandelt, der die Werftarbeiter ohne allgemeine Lohn-steigerung zufriedenstellen sollte: Nach einer Prüfung der Möglichkei-ten und Notwendigkeiten in den einzelnen Betrieben durch den Sonder-treuhänder sollten die Sonntagszuschläge verdoppelt und „nach Mög-lichkeit“ betriebliche Sonderleistungen verbessert werden. Auch wollteman sich seitens der Marine darum bemühen, durch Abgabe von Le-bensmitteln und Bohnenkaffee aus eigenen Vorräten Sonderzuteilungenan Werftarbeiter zu ermöglichen.

Im Vergleich zu anderen Küstenstädten mit Schiffbauindustriescheinen die Löhne auf den Kieler Werften 1943/44 leicht über demDurchschnitt gelegen zu haben, was nach Ansicht des neu eingerichte-ten Gauarbeitsamtes für Schleswig-Holstein durchaus nicht völlig durchentsprechend hohe Lebenskosten aufgewogen wurde. Es ist jedoch aufder Grundlage der erhaltenen, zeitlich weit auseinander liegenden undzudem auf unterschiedliche Aspekte gerichteten Angaben der staatli-chen Stellen zum Lohnniveau in der Kieler Werftindustrie nicht mög-lich, allgemeine Schlüsse etwa auf die Entwicklung der Stimmung oderdes Lebensstandards der dort Beschäftigten zu ziehen. Festzuhaltenbleibt, dass die staatlich beauftragten Reichstreuhänder sowohl vor alsauch während des Krieges Vorstöße unternahmen, um allgemeine Lohn-steigerungen möglichst zu unterbinden. Hingegen wurden, um die Be-schäftigten dennoch zufriedenstellen zu können, „soziale Betriebsver-besserungen allgemeiner Art außerhalb der Sphäre der eigentlichenLohn- und Arbeitsbedingungen, die keine lohnpolitischen Auswirkun-gen zeigen“,23 ermutigt. Man wollte sozialen Frieden, aber zu einemmöglichst niedrigen Preis.

Auch in der wirtschaftlichen Entwicklung der DWK stellt das Jahr1933 einen Wendepunkt dar: Der Antritt der von Adolf Hitler geführten„Regierung der nationalen Konzentration“, auf deren Agenda die „Wie-derwehrhaftmachung“ des Deutschen Reiches ganz oben stand, gab dasSignal für die endgültige Rückkehr des reichseigenen Kieler Großunter-nehmens zu seinen Wurzeln als maritime Rüstungsschmiede.

Die Weichen für eine solche Entwicklung waren jedoch bereits inden Jahren zuvor gestellt worden, wenngleich nach dem Ersten Welt-

22 Vgl. Tilla Siegel, Leistung und Lohn inder nationalsozialistischen “Ordnung derArbeit”, Opladen 1989, S. 143ff. 23 Rundschreiben Reichstreuhänder derArbeit für das Wirtschaftsgebiet Nordmarkan die Gauobmänner der DAF der norddeut-schen Gaue u.a. v. 30.7.1938, LAS, Abt.454 / 24.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung 255

08 DWK 02.06.2008 12:43 Uhr Seite 255

Page 10: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

krieg durchaus auch Ansätze für eine andere Zukunft der DWK-Betrie-be in Kiel-Gaarden und Friedrichsort erarbeitet worden waren. So warder Werft auf dem Ostufer der Kieler Förde – bis 1918 als „KaiserlicheWerft“ ein Eckpfeiler der deutschen Flottenrüstung – in Folge der Be-stimmungen des Versailler Vertrages keine andere Wahl geblieben, alsihre Produktion auf die zivile Nachfrage umzustellen. Zusammen mitden übrigen staatlichen Rüstungsbetrieben von 1920 an zunächst vomReichsschatzministerium unter dem Dach der „Deutsche Werke Aktien-gesellschaft, Berlin“ verwaltet, hatte man zunächst eine bunte Palettevon „Friedenserzeugnissen“ hergestellt.

In den folgenden Jahren der allmählichen Stabilisierung war es denKieler Werft- und Maschinenbaubetrieben, die 1925 zusammen mit denehemaligen Torpedowerkstätten in Friedrichsort als selbständiges Un-ternehmen „Deutsche Werke Kiel Aktiengesellschaft“ aus dem BerlinerDachkonzern ausgegliedert worden waren, jedoch hauptsächlich aufihrem angestammten Tätigkeitsfeld – Neubau und Reparatur von Schif-fen aller Art – sowie außerdem in Entwicklung und Bau von Dieselmo-toren und Eisenbahntriebwagen gelungen, dauerhaft Marktanteile fürsich zu gewinnen. Auf diese Weise konnten die zuletzt noch währenddes Krieges ausgebauten, gewaltigen Produktionskapazitäten zumindestteilweise ausgelastet und der hochqualifizierte Kern der Belegschaft ge-halten werden.

Trotz dieser durchaus erfolgreichen Ansätze einer Konversion zumprivatwirtschaftlich strukturierten Anbieter ziviler Qualitätsgüter und-dienstleistungen war die DWK jedoch zu keinem Zeitpunkt vom Staatals Subventions- oder Auftraggeber unabhängig geworden. NachdemAufträge der Reichsbahn und auch unmittelbare staatliche Subventio-nen wesentlich dazu beigetragen hatten, den Werken über die erstenNachkriegsjahre zu helfen, erhielt die DWK, deren alleiniger Aktionärauch nach 1925 das Deutsche Reich blieb, bald auch wieder Aufträgeder deutschen Seestreitkräfte: Auf einen Reparaturvertrag im Herbst1925 folgte im Mai 1926 der erste Auftrag der Reichsmarine zum Neu-bau eines Kriegsschiffes, des Kleinen Kreuzers „C“, später auf den Na-men „Karlsruhe“ getauft.

Als noch bedeutsamer sollte sich jedoch der politisch heftig umstrit-tene Auftrag zum Bau eines neuartigen, leichten Panzerschiffes, des„Panzerkreuzers A“, erweisen, den die DWK im August 1928 erhielten:Die Arbeiten an dem im Mai 1931 von Reichspräsident von Hindenburgauf den Namen „Deutschland“ getauften Schiff retteten die Werke überdie folgenden Jahre der weltweiten Wirtschaftskrise, in denen der Auf-tragseingang aus der Privatwirtschaft zeitweise völlig zum Erliegenkam. Im Vorstand der dennoch schwer angeschlagenen DWK, deren Be-legschaft auf dem Tiefpunkt der Krise kaum mehr als 3200 Arbeiter undAngestellte umfaßte, richteten sich die Hoffnungen in dieser Situationmehr denn je auf neue Aufträge der Reichsmarine, zumal die Arbeitenan der „Deutschland“ im Winter 1932/33 ihrem Ende zugingen und manmit einem gefährlichen Beschäftigungseinbruch rechnen mußte.

Tatsächlich kam es noch im Geschäftsjahr 1932/33 zu einer spürba-ren Entspannung der wirtschaftlichen Lage der DWK, die es sogar er-möglichte, die Belegschaft bis Ende September 1933 auf 5400 Köpfe

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung256

08 DWK 02.06.2008 12:43 Uhr Seite 256

Page 11: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

auszubauen. Zum einen war diese positive Entwicklung sicherlich aufdie verbesserte Auftragslage der zivilen Produktionszweige der DWKzurückzuführen.

Der Ausschlag gebende Grund für den erstaunlichen, von ausge-sprochen optimistischen Zukunftserwartungen zeugenden Ausbau derBelegschaft bis zum Herbst 1933 ist jedoch sicherlich darin zu suchen,dass die Aufträge der Reichsmarine für die DWK bereits zu diesemZeitpunkt keineswegs auf die „Übertragung umfangreicher Reparatu-ren“ beschränkt geblieben waren, die der Vorstandsbericht jenes Ge-schäftsjahres ausweist: Nachdem der Rüstungsetat der Reichsmarinebereits in den ersten Monaten nach der Machtübernahme Hitlers mehr-fach aus Mitteln aufgestockt worden war, die der Reichstag für Arbeits-beschaffungsmaßnahmen bewilligt hatte, waren die DWK mit dem Baueines Kleinen Kreuzers beauftragt worden, der noch im November 1933auf Kiel gelegt wurde.

Dieser Neubauauftrag sollte jedoch nur der Anfang einer Kette vonGroßaufträgen der Marine sein, die in den folgenden Jahren die zivilenProduktionsbereiche der DWK völlig in den Hintergrund drängten: Be-reits Ende Januar 1934 erhielt die DWK ein Schlachtschiff in Auftrag,dessen Deplacement bei voller Ausrüstung die von den Siegermächtendes Weltkrieges festgelegte Obergrenze um mehr als das Dreifacheübersteigen sollte. Verzögerte sich der Baubeginn dieses später auf denNamen „Gneisenau“ getauften Schiffes nicht zuletzt aufgrund des deut-schen Bemühens, die Zustimmung Englands für eine weitgehendeLockerung der Rüstungsbeschränkungen zu gewinnen, so wurde mitdem ebenfalls vertragswidrigen Bau von 6 Unterseebooten des Typs IIA, der sich eher geheimhalten ließ, schon 1934 begonnen. Bereits am15. Juni 1935 – also drei Tage vor Abschluss des deutsch-britischenFlottenabkommens, das der deutschen Seite entgegen den Bestimmun-gen des Versailler Vertrages in bestimmtem Umfang auch den Bau vonU-Booten und Großkampfschiffen gestattete – wurde das erste U-Bootvom Typ II A „zu Wasser gesetzt“24. Noch im selben Jahr erhielt dieDWK Neubauaufträge für vier Zerstörer und nicht zuletzt einen Schwe-ren Kreuzer, der später den Namen „Blücher“ erhalten sollte.

Innerhalb von weniger als zwei Jahren war die wirtschaftliche Lageder DWK damit vom drohenden Beschäftigungseinbruch zur drohendenÜberlastung durch Rüstungsaufträge umgeschlagen. Um die ehrgeizi-gen Neubauprojekte der Marine auch nur annähernd termingerecht um-setzen zu können, mußte sich die reichseigene Werft zum einen völligaus dem Handelsschiffbau zurückziehen. Zum anderen aber mussten dieohnehin nicht geringen Produktionskapazitäten der Werft erheblich aus-gebaut werden. Am 19. Dezember 1934 wurde das Aktienkapital derDWK zu diesem Zweck von 11 Millionen auf 15 Millionen Reichsmarkaufgestockt. Es begann ein kontinuierlicher Ausbau der Betriebsanla-gen, vor allem aber der Belegschaft. Schon für das Geschäftsjahr1934/35 berichtete der Vorstand in diesem Zusammenhang überSchwierigkeiten bei der Anwerbung von Facharbeitern. Dass es derDWK in den folgenden Jahren des Rüstungsbooms dennoch gelang, dieZahl ihrer Arbeiter und Angestellten vor allem durch Anwerbung undDienstverpflichtung von Facharbeitern aus dem gesamten Reichsgebiet

24 O. Neuerburg, Menschenwerk, S.347. Vgl. auch ebd., S. 326 und S. 346.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung 257

08 DWK 02.06.2008 12:43 Uhr Seite 257

Page 12: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

um mehrere Tausend zu steigern, unterstreicht ihre längst wiedergewon-nene Bedeutung als „Waffenschmiede des Reiches“25.

Auch in der Zusammensetzung der Führungsgremien der DWK fanddiese Entwicklung ihren Niederschlag. Am 1. Oktober 1935 gingen dieAktien des Unternehmens vom Reichsfinanzministerium auf dasReichskriegsministerium über, das die Vertretung der staatlichen Inter-essen in der Unternehmensführung seinerseits in die Hände des Oberbe-fehlshabers der nunmehr in „Kriegsmarine“ umbenannten Seestreitkräf-te legte. Neuer Aufsichtsratsvorsitzender der DWK wurde Admiral a. D.Emil Heusinger von Waldegg, bis dahin Chef des Allgemeinen Marine-amtes / B in Berlin. Im Vorstand der DWK hatte man an die Traditionder Kaiserlichen Werft angeknüpft, die oberste Leitung einem Marine-offizier zu übertragen: „Betriebsführer“ der DWK im Sinne des natio-nalsozialistischen Arbeitsordnungsgesetzes wurde Korvettenkapitäna. D. Heinrich Middendorff, der am 16. Dezember 1936 auch den allei-nigen Vorsitz des Vorstandes übernahm.

Nachdem es der DWK vor allem in Folge der zahlreichen Mari-neaufträge bereits im Geschäftsjahr 1935/36 geglückt war, die Verlusteder Krisenjahre auszugleichen und fortan schwarze Zahlen zu schrei-ben, gewann der Ausbau der Werke zu einem Hauptstandort der deut-schen Flottenrüstung durch den 1936 verkündeten Vierjahresplan nochweiter an Dynamik. Dies fand in einem weiteren Ausbau der Neubauka-pazitäten und der Kapitalgrundlage der Werke seinen Ausdruck: Im Fe-bruar 1937 wurde der Bau einer dritten Helling mit einer Länge von323,5 m in Auftrag gegeben, auf der Großkampfschiffe von über50 000 t Deplacement entstehen sollten. Das Aktienkapital der DWKwurde bis Ende 1938 gar auf 40 Mio. RM aufgestockt und damit ge-genüber dem Herbst des Vorjahres mehr als verdoppelt.

Lediglich einen Zwischenschritt bei der Umsetzung weiterreichen-der Marineplanungen stellte hingegen die Übernahme des gesamtenAktienpakets der Howaldtswerke AG durch die DWK dar, die am 1.April 1937 für knapp 7 Millionen RM „im Auftrag der Kriegsmarine“26

erfolgte. Noch im November 1937 beschloss das Oberkommando derKriegsmarine, die Kieler Werft der Howaldtswerke am nördlichen Uferder Schwentine mit dem südlich der Flussmündung liegenden Kriegs-marinearsenal zur Kriegsmarinewerft Kiel zusammenzufassen.27 Zudiesem Zweck ging das Aktienpaket der Howaldtswerke am 1. April1939 in den unmittelbaren Besitz der Kriegsmarine über.

Noch weiter reichende Pläne der Kriegsmarine zur „Gewinnungeiner reichseigenen Marinewerft in Kiel“28 unter Einschluss auch derDWK wurden durch den Kriegsbeginn ebenso vereitelt wie die Fort-setzung des Baus von Großkampfschiffen. So mussten auf den Deut-schen Werken die Arbeiten an einem weiteren Kleinen Kreuzer ein-gestellt werden, die gerade erst vor zwei Monaten begonnen wordenwaren. Auch der bereits am 8. Dezember 1938 vom Stapel gelaufeneFlugzeugträger „Graf Zeppelin“ konnte nicht mehr fertiggestellt wer-den. Hatten die Maschinenbauwerkstätten der DWK bis zu diesem Zeit-punkt noch in bescheidenem Umfang für die zivile Nachfrage produ-ziert, so wurden diese Aktivitäten mit Kriegsbeginn auf ein Minimumreduziert.

25 Diese Wendung wird in der Werkszei-tung immer wieder zur Hervorhebung derbesonderen militärischen Bedeutung derDWK gebraucht. 26 O. Neuerburg, Menschenwerk,S. 310.27 Zur Lage der Werften an der Fördevgl. die Skizze bei K. Radunz, Kieler Werf-ten, S. 175.28 Großadmiral Erich Raeder nannte die-ses Ziel am 26. November als entscheiden-des Motiv für die Übernahme der Howaldt-Aktien. (Zitiert nach O. Neuerburg, Men-schenwerk, S. 311.)

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung258

08 DWK 02.06.2008 12:43 Uhr Seite 258

Page 13: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

Statt dessen wurde nun der Bau von Unterseebooten forciert. Nach-dem die DWK bis Kriegsbeginn lediglich 16 U-Boote der kleineren Ty-pen II A, II B und II C fertiggestellt hatte, begann auf der Werft noch imSpätherbst 1939 die Produktion der größeren, auch für den Einsatz imAtlantik geeigneten Boote des Typs VII C. Hinzu kam ab Mai 1940 dieHerstellung von Versorgungsunterseebooten vom Typ XIV. Insgesamtlieferte die DWK vom Beginn des Krieges bis Mitte März 194458 U-Boote an die Kriegsmarine. Außerdem wurden 155 Bugteile fürdie vom Frühjahr 1943 an in Sektionsbauweise hergestellten Boote desneu entwickelten Typs XXI hergestellt.

Diese Bautätigkeit, neben der die Werft noch umfängliche Repara-turarbeiten an nahezu allen bekannten Großkampfschiffen der Kriegs-marine bewältigen musste, bedeutete für die DWK eine weitere Steige-rung der an sie gestellten Anforderungen. Das Dauerproblem des Fach-arbeitermangels, dem durch verstärkte Anstrengungen in Ausbildungund Umschulung kaum beizukommen war, wurde durch Einberufungenzur Wehrmacht weiter verschärft. Was daraus zunächst folgte, warenzum einen massive Ausweitungen der Arbeitszeit, zum anderen immerneue Bemühungen, die Effizienz der geleisteten Arbeit weiter zu stei-gern.

Abb. 3: Der Vertrauensrat des Kieler Wer-kes tagt in Anwesenheit des „Betriebsfüh-rers“ Heinrich Middendorff (2. v.r.).

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung 259

08 DWK 02.06.2008 12:43 Uhr Seite 259

Page 14: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

Mit Fortschreiten des Eroberungskrieges wurden jedoch auch beider DWK in immer größerem Umfang „Fremdarbeiter“ eingesetzt, umdie Produktion in dem geforderten Umfang aufrecht zu erhalten. Dassdie Beschäftigung von Ausländern in der Rüstungsproduktion der DWKerst 1941 begann, ist offenbar vor allem darauf zurückzuführen, dassden unter militärischer Aufsicht stehenden Rüstungsbetrieben ein Ein-satz von Ausländern in diesem Bereich aus Erwägungen der Spionage-und Sabotageabwehr erst Ende Juni 1940 gestattet worden war.29 BisEnde Februar 1943 wuchs der Anteil von Ausländern an der Belegschaftdes Werkes Kiel, die zu diesem Zeitpunkt 13 695 Menschen umfaßte,auf über 14% an. Im Werk Friedrichsort, in dem insgesamt 4 007 Arbei-ter und Angestellte beschäftigt waren, erreichte er gar knapp 24% derBelegschaft.

Unterdessen war die DWK erheblich weiter expandiert und erntetetrotz aller Engpässe an Arbeitskräften und Rohstoffen weiter die Früch-te des Rüstungsbooms. Drei Wochen nach Kriegsbeginn war ihr Aktien-kapital erneut erhöht worden und erreichte nach einer weiteren Auf-stockung im Herbst des folgenden Jahres mit 50 Mio. RM seinenHöchststand. Nach der Kapitulation Polens hatte die DWK die polni-sche Marinewerft in Gdingen übernommen, die sie vom Frühjahr 1940an als „Werk Gotenhafen“ rasch zu einem bedeutenden Reparaturstütz-punkt für die Kriegsmarine ausbaute. Hinzu kamen im Geschäftsjahr1942/43 noch zwei Werften in Griechenland – Skaramanga und Salamis– die ebenfalls überwiegend Reparaturzwecken dienten. Im selben Ge-schäftsjahr erreichte der Gesamtumsatz der DWK mit über 240 Mio.RM seinen höchsten Stand.

Wenngleich Kiel schon von 1940 an unter britischen und US-amerikanischen Fliegerbombardements zu leiden hatte, die auch bei denDeutschen Werken zahlreiche Todesopfer forderten, kam es in derKieler Werft erst durch den bis dahin schwersten Angriff am 24. Juli1944 zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung der Produktion. Auch da-nach kam die Herstellung von Bugsektionen für den U-Boot-Typ XXI,die längst in Bunker verlagert worden war, nicht völlig zum Erliegen,bis die Angriffe vom 9. bis 14. April 1945 das Werksgelände auf demOstufer der Kieler Förde vollends in eine Trümmerlandschaft verwan-delten. Knapp drei Wochen später, am 5. Mai 1945, endete die Entwick-lung der Deutsche Werke Kiel AG als Großunternehmen der Kieler Rü-stungsindustrie mit der Besetzung der Werft durch britische Truppen.Sozialpolitische Akteure und Institutionen. In der Betriebsordnung, die Vor-standsmitglied und „Betriebsführer“ Middendorff am 14. August 1935für die Werke Kiel und Friedrichsort in Kraft setzte, war der Anspruchder Unternehmensführung auf alleinige Entscheidungskompetenz „inallen betrieblichen Angelegenheiten“ unmissverständlich formuliert:„Einheitliche, verantwortliche Führung und aufrichtige, reibungsloseGefolgschaft“ seien „unerläßlich“, um den Betrieb „gesund und lei-stungsfähig zu erhalten“. Konnte sich dieser Führungsanspruch, derideologisch auf dem nationalsozialistischen Führerprinzip und rechtlichauf dem „Gesetz zur Ordnung der Nationalen Arbeit“ vom 20. Januar1934 (Arbeitsordnungsgesetz) fußte, auch in der Praxis der betriebli-chen Sozialpolitik behaupten?

29 Vgl. Jörg Tillmann-Mumm, Der„Fremdarbeitereinsatz” in der Kieler Rü-stungsindustrie, Magisterarbeit, Univer-sität Kiel 1988, S. 36, 41.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung260

08 DWK 02.06.2008 12:43 Uhr Seite 260

Page 15: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

Reichstreuhänder der Arbeit und Gewerbeaufsicht. Ursprünglich lediglich alsProvisorium „bis zur Neuordnung der Sozialverfassung“30 eingerichtet,wurde das Amt des „Treuhänders der Arbeit“ (ab 1937: „Reichstreuhän-ders der Arbeit“ / RTdA) durch das Arbeitsordnungsgesetz dauerhaft alsstaatliche Instanz zur „Erhaltung des Arbeitsfriedens“ in den Betriebenetabliert. An die Adresse der Arbeitnehmer war damit die Botschaft ver-bunden, dass sich nun neben dem im AOG eher vage zur Fürsorge ver-pflichteten „Betriebsführer“ auch der Staat der „Betreuung“ ihrer Be-lange annehme.

Gemäß dem AOG umfasste der Aufgabenbereich des RTdA nebender Festsetzung von Tarifordnungen (anstelle der Aushandlung von Ta-rifverträgen in der Weimarer Republik) die Aufsicht über die Lohn- undArbeitsbedingungen und ganz allgemein über die sozialen Verhältnissein den Betrieben eines größeren „Wirtschaftsgebietes“. Dabei sollte erjedoch lediglich Rahmenrichtlinien für Löhne, Arbeitsdauer und be-triebliche Sozialleistungen aufstellen und nur im Falle, dass diese ohneseine Genehmigung übertreten wurden, in die Gestaltungsfreiheit der„Betriebsführer“ eingreifen.

Anders als die DAF, die stets eine aktivere sozialpolitische Rolle an-strebte, als ihr im Herrschaftskompromiss zwischen Staatsbürokratie,NS-Funktionären und Wirtschaftsverbänden zugestanden worden war,spielte Reichstreuhänder Friedrich Völtzer, der als RTdA für das „Wirt-schaftsgebiet Nordmark“ wie auch als „Sondertreuhänder für die deut-schen Seeschiffswerften“ fast die gesamte NS-Zeit hindurch für dieDWK zuständig war, offenbar durchaus den ihm zugewiesenen Part ei-ner möglichst zurückhaltenden Aufsichtsinstanz.

Gingen dennoch zahlreiche von der DWK erbrachte Sozialleistun-gen auf Weisungen des RTdA zurück, so handelte es sich dabei in derRegel um die Umsetzung von Vorgaben, die ihm selbst von übergeord-neten Reichsbehörden gesetzt worden waren. Da diese jedoch im Zugeder forcierten Rüstungsanstrengungen des Reiches hauptsächlich aufdie Unterbindung eines weiteren Ansteigs der Arbeitskosten abzielten,trat der RTdA spätestens seit der „Lohnstoppverordnung“ von 1938 eherals Bremser eines weiteren Ausbaus betrieblicher Sozialpolitik auf. Wiesich in dem bereits erwähnten Streit um eine Angleichung der Werftlöh-ne an die Löhne der Flugzeugindustrie (1940/41) zeigte, war RTdAVöltzer jedoch eher geneigt, verbesserte Sozialleistungen zu tolerierenals generelle Lohnerhöhungen.

Noch weniger als der RTdA treten die Gewerbeaufsichtsbehörden inder Gestaltung der betrieblichen Sozialpolitik in den Vordergrund. Dassdie von ihnen ausgeübte Überwachung der Sicherheits- und Gesund-heitsvorschriften in den Betrieben der DWK keine weiteren Spuren hin-terlassen hat, mag zwar einerseits auf die schlechte Überlieferungslageauch ihrer Akten zurückzuführen sein.31 Ein anderer Grund liegt jedochsicherlich darin, dass die angestammten Kompetenzen dieser traditio-nellen, staatlichen Behörden mehr und mehr von entsprechenden Glie-derungen der DAF beansprucht wurden.Kriegsmarine. Eher auf taktisch begründete Diskretion denn auf mangeln-den Einfluss scheint indessen der Umstand zurückzuführen zu sein, dassauch die Kriegsmarine kaum öffentlich als gestaltende Kraft bei der

Nächste Seite:Abb. 4: Führerprinzip statt Mitbestim-mung: Betriebsappell in der großen Schiff-bauhalle im Werk Kiel.

30 Gesetz über Treuhänder der Arbeitvom 19. 5. 1933, in: RGBl. 1933 I,S. 285, § 2, Abs. 1.31 Vgl. LAS, Abt. 309/34649-34651,34653, 34655.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung 261

08 DWK 02.06.2008 12:43 Uhr Seite 261

Page 16: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 262

Page 17: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 263

Page 18: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

Konzeption und Umsetzung betrieblicher Sozialpolitik auf der Rü-stungswerft DWK in Erscheinung trat. Schon weil die Marine auf einehohe Produktivität der Werft in Gaarden und des Maschinenbaubetrie-bes in Friedrichsort angewiesen war, musste sie an einer umfassendensozialpolitischen „Betreuung“ der dort beschäftigten Arbeiter interes-siert sein. Hinzu kamen jedoch noch Erwägungen der Spionage- und Sa-botageabwehr. So hielt das OKW in seinen Richtlinien zur „Sabotage-abwehr in der Wehrwirtschaft“ fest:

„Im Rahmen der mittelbaren Abwehrmaßnahmen gegen Sabotage(und gleichzeitig gegen Verrat und Spionage) innerhalb des Wehrwirt-schaftsbetriebes ist ein besonders wichtiger Punkt die soziale Betreuungder Gefolgschaft zur Erzielung echten Betriebsgemeinschaftsgeistes(Gewährung anständiger Lohn- und Arbeitsbedingungen, gesundheitli-che Fürsorge, Altersversorgung usw.).“32

Tatsächlich fand die DWK in den Kieler Dienststellen der Kriegs-marine häufig dringend benötigte Unterstützung, wenn es darum ging,den Weg für die Umsetzung eigener sozialpolitischer Vorhaben zu eb-nen. Dazu mag beigetragen haben, dass sich die DWK bester Kontaktezur Marineführung erfreute, deren Wurzeln bis in ihre Zeit als Marine-

Abb. 5: Die betriebliche Sozialpolitik derDWK fand durchaus die Anerkennung der„Deutschen Arbeitsfront“: Das „Leistungs-abzeichen für vorbildliche Förderung vonKraft durch Freude“

32 Sabotageabwehr in der Wehrwirt-schaft (Mai 1940), BArch R58 / 3582,Bl. 34.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung264

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 264

Page 19: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

werft des Kaiserreiches zurückreichten. Am deutlichsten kam dieseNähe zwischen staatlicher Rüstungswerft und Kriegsmarine sicherlichdarin zum Ausdruck, dass die DWK in einigen Bereichen der betriebli-chen Sozialpolitik, etwa im Werkswohnungsbau und bei der betriebsge-bundenen Krankenversicherung, eng mit der Kieler Kriegsmarinewerftzusammenarbeitete, die unmittelbar den Seestreitkräften unterstand. In-dessen geht aus den Quellen nicht hervor, ob die Rolle der Kriegsmarineauf die Unterstützung sozialpolitischer Initiativen der DWK beschränktblieb oder ob sie mitunter auch selbst den Anstoß zu betrieblichen Sozi-alleistungen gab. Zusammenfassend ist jedoch zu konstatieren, dass dieMarine im Gegensatz zum RTdA, für den die Kostenfrage mehr undmehr in den Vordergrund rückte, nicht hemmend, sondern fördernd aufdie Sozialpolitik der DWK einwirkte. Deutsche Arbeitsfront. Auf der Grundlage der Vermögenswerte, Presseor-gane und Mitglieder, die ihr aus der Hinterlassenschaft der zerschla-genen Gewerkschaften zugeschanzt worden waren, verfügte die Deut-sche Arbeitsfront (DAF) über eine erhebliche organisatorische Schlag-kraft. Es verwundert daher nicht, dass sie sich zu keinem Zeitpunkt mitder ihr ursprünglich zugedachten Rolle als Propagandaagentur der„Volksgemeinschaft“ ohne eigene sozialpolitische Gestaltungsmöglich-keiten zufriedengab. Vielmehr entfaltete sie nach einer Phase der organi-satorischen Konsolidierung eine Vielzahl von Aktivitäten und Initiati-ven, die ihren umfassenden sozialpolitischen Mitspracheanspruch un-übersehbar werden ließ. Timothy Mason hat darauf hingewiesen, dassdieser sozialpolitische „Totalitätsanspruch“ von Seiten der konkurrie-renden Herrschaftsträger in der Staatsbürokratie und in den Unterneh-mensführungen um so schwieriger zurückzuweisen war, als er auch ausder Rolle der DAF als alleiniger Repräsentantin der NSDAP im Bereichder betrieblichen Sozialpolitik erwuchs – ein Umstand, dem für diestaatseigene Rüstungswerft DWK besonderes Gewicht zugefallen seindürfte.

So entwickelte sich neben den Werksinstanzen zur Gestaltung undUmsetzung betrieblicher Sozialpolitik im Laufe der „Friedensjahre“recht ungestört eine wuchernde Vielfalt von Organisationsstrukturen,mit Hilfe derer die DAF weiten Teilen der DWK-Sozialpolitik ihrenStempel aufdrückte. Der Bereich der organisierten Freizeitgestaltungetwa war fest in den Händen der DAF-Unterorganisation „Kraft durchFreude“ (KdF), die in den Betrieben der DWK einen umfangreichenApparat überwiegend ehrenamtlicher Funktionäre aufbaute und unter-hielt. Auch in die Arbeitsplatzgestaltung mischte sich die DAF ein:Schwerpunkte sozialpolitisch motivierter Neuerungen gab hier dasKdF-Amt „Schönheit der Arbeit“ vor.

Ein wichtiger Hebel zur Durchsetzung ihrer Ziele in den Betriebenwaren für die DAF die „Leistungswettkämpfe der Betriebe“: Reichsweitwinkte Betrieben, die sich bei der Umsetzung und Unterstützung vonZielen und Aktivitäten der DAF besonders kooperativ zeigten, die pre-stigereiche – und u.U. auch für den Erhalt von Staatsaufträgen relevante– Auszeichnung als „Nationalsozialistischer Musterbetrieb“. 1940 und1941 erhielten die DWK-Standorte in Kiel und Friedrichsort diese Aus-zeichnung.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung 265

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 265

Page 20: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

Auch die sozialpolitische Propaganda war eine Domäne der DAF.Das wichtigste Forum hierfür war zweifellos die Werkszeitung, in derdie DWK-Beschäftigten monatlich über Inhalte, umwälzende Bedeut-samkeit und ideologisches Fundament der Sozialpolitik ihrer „Betriebs-gemeinschaft“ ins propagandistische Bild gesetzt wurden. Obwohl dieWerkszeitung auch der Betriebsführung zur Darstellung ihrer sozialpo-litischen Initiativen zur Verfügung stand, deutet ein Ereignis aus demJahre 1938 darauf hin, dass sie dennoch vorrangig ein Propagandaorgander DAF blieb: In einer Ergänzung seines Sozialberichts an den Reichs-arbeitsminister hielt RTdA Völtzer betreffs „Veröffentlichungen derDeutschen Arbeitsfront“ folgendes fest: „Die mir seinerzeit konkret vor-getragenen Klagen stammen insbesondere von dem Direktor der Deut-schen Werke in Kiel, Herrn Neuerburg, der in einer Besprechung im Ja-nuar dieses Jahres darauf hinwies, daß diese Art der Veröffentlichungenüber Verbesserungen der sozialen Arbeitsbedingungen […] zu ständigenAnfragen der Gefolgschaft an die Vertrauensmänner und dieser wieder-um an den Vertrauensrat führen mit dem Wunsche, auch bei den Deut-schen Werken in Kiel, die von sich aus schon viel für ihre Gefolgschaftgetan haben, solche weiteren Verbesserungen einzuführen.“33

Wandte sich hier ein Angehöriger der Werksleitung an eine staatli-che Stelle, um sich über die DAF-redigierte Werkszeitung zu beschwe-ren, so wirft dies auf das Verhältnis von Arbeitsfront und Betriebs-führung der Deutschen Werke ein bezeichnendes Licht.

Eher mäßiger Erfolg scheint der DAF beim Aufbau funktionstüchti-ger „Werkscharen“ an den DWK-Standorten Kiel und Friedrichsort be-schieden gewesen zu sein. Erklärungen, was denn überhaupt Sinn undAufgabe dieser Betriebsformation von DAF- und SA-Angehörigen sei,treten in der Berichterstattung der Werkszeitung ebenso als Konti-nuitätselement hervor wie die wiederholte Aufforderung beizutretenund mitzutun: Nachdem die Anfänge der DWK-Werkschar 1936 vonBeteuerungen begleitet gewesen waren, diese sei weder eine „Prätoria-ner- oder Streikbrechergarde“ noch eine „in der althergebrachten Weiseaufgezogene Theatertruppe“, sondern vielmehr damit befasst, „Sprech-chöre, Thing- und Werkspiele“ einzuüben, um Feierabend und Werks-veranstaltungen zu „verschönern“, musste auch noch vier Jahre späterrhetorisch gefragt werden: „Was ist eigentlich aus der Werkschar gewor-den; man sieht ja nichts mehr von ihr?“

Der Werkszeitung zufolge umfasste das Aufgabenfeld der Werk-schar zu diesem Zeitpunkt neben intensiver „politischer Schulung“ derAktivisten jedoch bereits „das gesamte Arbeitsgebiet der DAF“. DieWerkscharleute sollten neben ihren Auftritten als Marschformation undMusikzug bei betrieblichen Feierlichkeiten vor allem durch persönli-ches Beispiel eine Vorbildfunktion im Sinne der nationalsozialistischen„Betriebsgemeinschaft“ erfüllen. Nach Kriegsbeginn wurden der Werk-schar, deren Stärke 1941 immerhin 156 Mann erreichte, auch Aufgabenin Luftschutz, Unfallhilfe und Werksfeuerwehr übertragen. Dass mi-litärischer Drill fester Bestandteil sämtlicher Werkschar-Aktivitätenwar, verdeutlicht ein Dienstplan, den die Werkszeitung im März 1942veröffentlichte: Selbst für den „Jugendbetriebsabend (Mädchen)“ ver-zeichnete dieser als ersten Tagesordnungspunkt: „Schießen.“

33 Der Reichstreuhänder wird in einemSchreiben des Reichsarbeitsministers anden Reichswirtschaftsminister vom 7. Juni1938 zitiert, abgedruckt in: T. Mason, Ar-beiterklasse und Volksgemeinschaft,S. 98f.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung266

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 266

Page 21: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

Im Auftrag der Werksleitung. Obwohl die betriebliche Sozialpolitik derDeutsche Werke Kiel AG in vieler Hinsicht in einen Rahmen eingebun-den war, der von staatlichen Stellen und den Eingriffen der NS-Massen-organisation DAF vorgegeben wurde, blieb ihre unmittelbare Ausgestal-tung und Umsetzung doch unbestritten Sache des „Betriebsführers“:Ihm und seinen Beauftragten oblag es letztlich festzulegen, mit welchensozialpolitischen Maßnahmen in den Betrieben der DWK in Kiel-Gaar-den und Friedrichsort an das vorgegebene Ziel harmonischer, national-sozialistisch ausgerichteter, vor allem aber disziplinierter und leistungs-fähiger „Betriebsgemeinschaften“ herangegangen wurde. Während dieDAF zur Durchsetzung ihrer Ziele im Betrieb generell darauf angewie-sen war, die Werksleitung – mit welchen Mitteln auch immer – für ihreProjekte zu gewinnen, standen direkte Eingriffe selbst dem „Treuhänderder Arbeit“ nur in Fällen zu, in denen durch betriebsinterne Regelungenstaatliche Vorgaben verletzt wurden.

Betriebliche Sozialpolitik zu konzipieren und umzusetzen – dieseAufgabe bedurfte in einem Unternehmen von der Größenordnung derDWK einer besonderen Abteilung innerhalb der Werksleitung mit eige-nem Verwaltungsapparat. Als Leiter der „Sozialabteilung“ der DWKtritt über den gesamten untersuchten Zeitraum hinweg SozialreferentDr. Klingemann hervor. Später zusätzlich noch mit der geschäftsführen-den Leitung zweier werkseigener Trägergesellschaften für Erholungs-heime (1935) und Wohnungsbau (1937) betraut, präsentierte und erläu-terte er in der Werks-Zeitung regelmäßig die laufenden Projekte der be-trieblichen Sozialpolitik und ihren ideologischen Zusammenhang. Inwelchem Verhältnis er selbst zur DAF stand, ist unklar: Während er inseinen Erläuterungen und Stellungnahmen die Projekte und Propagan-daformeln der Arbeitsfront stets loyal vertritt und diese auch im Profil„seiner“ betrieblichen Sozialpolitik wiederzufinden sind, deutete nichtsdarauf hin, dass er seine einflussreiche Position einer Funktion im Ap-parat der DAF verdankte.

Da die Leistungen der DWK-Sozialpolitik in ihrer Mehrzahl auchdann nicht einklagbar waren, wenn die an sie geknüpften Bedingungenerfüllt wurden, ist auch die Bedeutung jener Verwaltungseinrichtungensicherlich nicht gering zu veranschlagen, die im Einzelfall über ihre„Gewährung“ zu entscheiden hatten. Zumindest in Teilen fiel die ver-waltungstechnische Umsetzung der betrieblichen Sozialpolitik derDWK in den Aufgabenbereich der Abteilung „Gefolgschaftsbetreuung“,die für Lohnempfänger und Gehaltsempfänger jeweils eine eigeneDienststelle unterhielt. Insgesamt mit der Buchführung über Familien-stand, Dienstjahre und alle anderen für die Bemessung von Arbeitsent-gelt und betrieblichen Sozialleistungen relevanten Daten jedes einzel-nen DWK-Beschäftigten betraut, wickelten diese Dienststellen auch dieunmittelbare Zuteilung von Urlaub, Fahrtkostenerstattung und Tren-nungsentschädigungen ab. Dagegen hatte die Dienststelle der „Werks-fürsorge“ die Aufgabe, in persönlichem Kontakt mit Beschäftigten, diesoziale Leistungen der Werke in Anspruch nehmen wollten, zu ermit-teln, ob deren Anliegen „berechtigt“ waren, und gegebenenfalls Hilfs-maßnahmen einzuleiten. Diese konnten auch darin bestehen, dass dieoffenbar ausschließlich weiblichen Angehörigen der Werksfürsorge

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung 267

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 267

Page 22: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

durch eigenen Einsatz in Arbeiterfamilien aushalfen, die etwa durchKrankheit in soziale Notsituationen geraten waren. Auch die Kooperati-on mit anderen Trägern sozialer „Fürsorge“, etwa der NS-Volkswohl-fahrt und staatlichen Stellen, gehörte zu ihrem Tätigkeitsfeld.

Nach welchen Kriterien die Stellen der DWK-Sozialbürokratie in-nerhalb der Ermessensspielräume verfuhren, die ihr bei der Bewilligungsozialer Leistungen vielfach eingeräumt waren, geht aus den vorliegen-den Quellen nicht hervor. Festzuhalten bleibt jedoch, dass allein derVorbehalt, soziale Leistungen zu „gewähren“ oder eben zu verweigernmit Macht über diejenigen verbunden war, die von einer solchen Ent-scheidung abhängig waren.

Der autoritäre, paternalistische Charakter der DWK-Sozialpolitikwird auch dadurch unterstrichen, dass die Beschäftigten an ihrer Gestal-tung offenbar nicht einmal vermittels des mit handverlesenen Arbeit-nehmern besetzten „Vertrauensrats“ beteiligt waren. Hierfür spricht,dass dieses dem Betriebsfrieden verpflichtete Gremium schon zwei Jah-re, nachdem es durch das Arbeitsordnungsgesetz an die Stelle der freigewählten Arbeitnehmervertretung gesetzt worden war, in der Bericht-erstattung der Werkszeitung völlig in den Hintergrund trat: Nachdem1934 und 1935 noch „Wahlen“ abgehalten worden waren, die dem Ver-trauensrat trotz seiner Besetzung durch Unternehmensleitung und be-triebliche NS-Formation den Augenschein demokratischer Legitimationverleihen sollten, wurden die Vertrauensratswahlen im folgenden Jahraus Angst vor wenig vorzeigbaren Ergebnissen reichsweit abgesagt –und bis 1945 nicht mehr nachgeholt. Auch unter den Arbeitern der Kie-ler Rüstungsbetriebe hatte die örtliche Staatspolizei in den Monaten vordem geplanten Wahltermin Anfang April 1936 einen weit verbreitetenUnmut registriert, der eine Blamage bei den Vertrauensratswahlen er-warten ließ. Kaum weniger peinlich war allerdings die Absage derWahlen, für die die DAF noch wenige Wochen zuvor auch in der Werks-zeitung der DWK intensiv die Propagandatrommel gerührt hatte. Denschließlich völlig ohne Befragung der Belegschaft besetzten Vertrauens-rat auch in der Folgezeit noch als sozialpolitisch relevantes Gremium zuverkaufen traute sich anscheinend nicht einmal mehr die DAF-gelenkteWerkspresse der DWK zu.Materielle betriebliche Sozialpolitik. Unter dem Begriff der „materiellen be-trieblichen Sozialpolitik“ sollen im folgenden alle sozialpolitischenMaßnahmen und Einrichtungen der DWK zusammengefasst betrachtetwerden, die ihren Beschäftigten unmittelbar materiell zugute kamen,und die zumindest in einzelnen Punkten über das hinausgingen, wozudie Werke aufgrund von Tarifordnungen und anderen staatlichen Vorga-ben verpflichtet waren. Einkommenszulagen und Versorgungsprivilegien. Während die tariflich garan-tierten Mindestlöhne auch in der Werftindustrie über den gesamten Zeit-raum der nationalsozialistischen Herrschaft hinweg im wesentlichen un-verändert auf dem Krisenniveau der letzten frei ausgehandelten Tarif-verträge blieben, war es mit zunehmender Verschärfung des Arbeitskräf-temangels in der Rüstungsindustrie zu einer unausweichlichen Notwen-digkeit geworden, die begehrten Facharbeiter vor allem der metallver-arbeitenden Berufe durch Lohnzulagen und andere „freiwillige“ be-

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung268

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 268

Page 23: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

triebliche Leistungen für sich zu gewinnen. Nachdem „Abwerbelöhne“auch in der Kieler Werftindustrie bis 1938 durchaus üblich waren, erließVöltzer bereits wenige Wochen, nachdem ihm die Lohnstoppverord-nung die Handhabe dafür gegeben hatte, eine eigene „Anordnung zurSicherstellung einer stetigen Lohnentwicklung“ mit ausdrücklichem„Verbot der Locklöhne und des Wegengagierens“, die jegliche Verände-rungen der Lohn- und Arbeitsbedingungen an die ausdrückliche Geneh-migung des Reichstreuhänders band. Ein generelles „Verbot der Er-höhung des Arbeitsentgeltes“, worin sämtliche materiellen Sozialleistun-gen inbegriffen waren, folgte dann nach Kriegsausbruch im Einklangmit der Kriegswirtschaftsverordnung.

Lagen die Löhne, die die Facharbeiter des Werkes Kiel der DWK imNovember 1942 durchschnittlich verdienten34, dennoch bei 180% desseit Oktober 1934 unveränderten, durch die Tarifordnung garantiertenMindestlohns, so kommt darin einerseits zum Ausdruck, wie weit sichdas „tatsächliche“ Lohnniveau unter dem Druck des Arbeitskräfteman-gels von der staatlich verordneten Stabilität entfernt hatte. Andererseitsbedeutete der Ausbau des leistungsabhängigen Lohnanteils auf durch-schnittlich rund ein Drittel des Gesamteinkommens für die DWK-Ar-beiter keinen Zugewinn an sozialer Sicherheit, sondern eine verstärkteindividuelle Abhängigkeit vom Wohlwollen ihrer Vorgesetzten und ihresArbeitgebers. Denn obwohl die „Leistungszulagen“ ein fester Bestand-teil des lokal üblichen und auch lebensnotwendigen Werftarbeiterlohneswaren, blieben sie, wie DWK-„Betriebsführer“ Middendorff 1941 in ei-ner Sachverständigenrunde des RTdA feststellte, grundsätzlich „beweg-lich, so dass sie im Einzelfall bei ausgesprochenem Verschulden des Ge-folgschaftsmitgliedes (Bummeln, offensichtliches unbegründetes Nach-lassen der Leistung) auch herabgesetzt werden“35 konnten.

Indessen waren Lohnzuschläge als Leistungsanreize fragwürdig ge-worden, seit die Versorgung des einzelnen Arbeiters und seiner Familiedurch die kriegswirtschaftlichen Rationierungsmaßnahmen wenigereine Frage des Geldes als vielmehr des privilegierten Zugangs zu knap-pen Konsumgütern geworden war. Das scharfe Vorgehen des Reichs-treuhänders gegen betriebliche Sozialleistungen mit unmittelbaren lohn-politischen Folgen mag ein weiterer Grund für die DWK gewesen sein,ihre unmittelbaren Beihilfen zur Sicherung des Lebensstandards – unddamit der Arbeitsmoral ihrer „Gefolgschaften“ – zunehmend auf derenVersorgung mit Nahrung und anderen rationierten Konsumgütern zuverlagern.

Nach der rückblickenden Darstellung der Werkszeitung erhielt der„weitaus größte Teil der Lohnempfänger“ von Beginn des Jahres 1940an täglich ein warmes Mittagessen, ohne dass hierfür Lebensmittelmar-ken aufgebracht werden mussten. Angaben der Werksleitung gegenüberdem Reichstreuhänder zufolge belief sich jedoch der Beitrag, den dieWerksangehörigen für das warme Mittagessen aufbringen mussten, aufimmerhin 30 Rpf. bei Unkosten von insgesamt 50 bis 55 Rpf. Obwohldies erheblich mehr war, als auf anderen Kieler Werften für ein warmesMittagessen im Betrieb verlangt wurde,36 wurde der Unkostenbeitragder DWK-Beschäftigten zu ihrer Werksverpflegung in dem Selbstdar-stellungsband über „Die Betriebsgemeinschaften“ als „mäßiges Ent-

34 Das hier verarbeitete Zahlenmaterialzu den Lohnverhältnisse der DWK ist Auf-stellungen der DWK-Leitung an RtdA Völt-zer aus den Jahren 1941 und 1942 ent-nommen. (StAHH 356-4/37, 42.) 35 StAHH, 356-4 / 37, S. 42-60, ZitatS. 45.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung 269

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 269

Page 24: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

gelt“ bezeichnet, die Zuschüsse der Werksleitung dagegen als „erheb-lich“.

Allerdings hatten Arbeitnehmer der DWK nicht nur im Rahmen derWerskverpflegung privilegierten Zugang zu Konsumgütern, deren Be-schaffung durch die Kriegswirtschaft erschwert worden war. DerWerkszeitung zufolge waren etwa Nahrungsmittel auch an den „Kanti-nenverkaufsstellen“ zu haben, und bei der „Beschaffung von Kontin-gent- und Mangelware“ half von 1940 an die „Wirtschaftsstelle“ derWerke. Wie diese wiederum an die begehrten Güter kam, geht aus denvorliegenden Quellen nicht hervor. Es liegt jedoch nahe, dass die DWKsich dazu ihrer guten Kontakte zu den Kieler Stellen der Kriegsmarinebediente, die über eigene Vorräte auch an Mangelgütern verfügten –griff man doch auch in der Debatte um die Werftlohnangleichung von1940/41 am Ende auf die Unterstützung der Marine zurück, um einebessere Versorgung der Werftarbeiter ohne allgemeine Lohnerhöhungzu ermöglichen. Kollektive Sicherungssysteme. Blieben die überkommenen, staatlich getra-genen kollektiven Sicherungssysteme, die den einzelnen Arbeitnehmerund auch seine Angehörigen auf Beitragsbasis materiell gegen Lebens-risiken wie Lohnausfall durch Krankheit oder Invalidität, Alter oder Tod

36 Auf der Krupp-Germaniawerft kostetedas warme Mittagessen 25 Rpf., bei derKriegsmarinewerft kostete es gar nur 20Rpf. Vgl. StAHH 356-4/37, S. 57.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung270

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 270

Page 25: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

„absicherten“, unter nationalsozialistischer Herrschaft in ihren Grundzü-gen erhalten, so fand auch in der Entwicklung der betrieblichen Versi-cherungskassen der DWK nach 1933 kein erkennbarer Traditionsbruchstatt.

Insgesamt läßt sich die Kassenpolitik der DWK als eher zurückhal-tend charakterisieren. Jedoch weisen eine Reihe von Neuerungen, die1936 im Bereich der Alters- und Invalidenversicherung einführt wurden,darauf hin, dass man grundsätzlich durchaus die Chance erkannte, mitHilfe freiwilliger Zuschüsse zu kollektiven betrieblichen Sicherungssy-stemen die Bindung der „Gefolgschaft“ an die Werke zu festigen. Mitder Bereitstellung eines Kapitalstocks zur Gründung einer Alters- undHinterbliebenenversicherung der DWK-Angestellten und der gleichzei-tigen Erhöhung des Werkszuschusses zur Alters- und Invalidenversiche-rung der Arbeiter wagte man sich auf diesem Weg jedoch nur einige we-nige zaghafte Schritte voran. Im übrigen beschränkten sich die Initiati-ven der DWK im Bereich der betrieblichen Sozialversicherungen aufdie Einrichtung von Kassen, deren Leistungen ausschließlich aus Ar-beitnehmerbeiträgen bestritten wurden. Auch im wichtigsten Bereichdes DWK-Sozialversicherungswesens, der traditionsreichen Betriebs-krankenkasse, deren Versichertenkreis weit über die eigene Belegschaft

Abb. 6 a, 6 b: Großküche der „Werks-speiseanstalt“ im Werk Kiel.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung 271

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 271

Page 26: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

hinaus reichte,37 zeigte die Werksleitung kein nachhaltiges Engagement.So mussten Beitragssenkungen und Leistungserhöhungen, die 1934 alsAusgleich für Verschlechterungen im Zuge der Weltwirtschaftskrise ge-währt worden waren, bereits gut ein Jahr später wegen anhaltend hohenKrankenstandes wieder zurückgenommen werden. Zuschüsse von Sei-ten der DWK, die 1935 bereits kräftig vom Auftragsboom der Marinerü-stung profitierte, wurden in dieser Situation offenbar nicht erwogen.Statt dessen appellierte man in der Werkszeitung an die Versicherten,„durch möglichst sparsame Inanspruchnahme der Kassenmittel mitdazu bei[zu]tragen, einen weiteren Abbau der Leistungen zu verhin-dern.“Bezahlter Urlaub und betrieblich geförderte Erholung. Sowohl in ihrer Propagan-da als auch in ihrer sozialpolitischen Organisationsarbeit räumte dieDAF der Freizeitgestaltung und dem Ausbau bezahlten Urlaubs in denVorkriegsjahren einen besonderen Stellenwert ein. Hierbei ging es je-doch nicht darum, selbstbestimmte Freiräume für die abhängig beschäf-tigten Menschen zu schaffen. Vielmehr galt es, auch die Freizeit durchorganisatorische Gestaltung für politische Kontrolle und Indoktrinationnutzbar zu machen. Überdies versprach man sich von einer Erweiterung

Abb.7: Schalterraum der Betriebskranken-kasse der DWK in Kiel

37 Die erste Vorläuferin der Betriebskran-kenkasse der DWK war bereits 1884 ge-gründet worden. Seit dieser Zeit war in ihrauch Personal der Marine und ihr direkt un-terstehender Betriebe versichert. (Vgl.“Betriebskrankenkasse der Deutschen Wer-ke, Kiel Aktiengesellschaft”, in: Werkszei-tung, 2 / 1934, S. 7.)

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung272

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 272

Page 27: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

bezahlten Urlaubs eine Produktivitätssteigerung: Gesundheit, Einsatz-freude und Arbeitsfähigkeit der Menschen sollten durch regelmäßigeRegenerierung in der Freizeit gestärkt und langfristig erhalten werden.Vor allem dieser Gedanke der Leistungssteigerung durch Erholungscheint es gewesen zu sein, der die DWK dazu bewog, in ihren betriebli-chen Urlaubsregelungen und vor allem in ihrer Erholungsförderung be-sonderes Engagement an den Tag zu legen. Während die allgemeinenbetrieblichen Urlaubsregelungen der DWK nur punktuell – etwa zugun-sten von älteren Mitarbeitern und Jugendlichen – über die gesetzlichfestgelegten Mindestansprüche hinausgingen, scheint die betrieblicheFörderung von Gruppenaufenthalten in werkseigenen Erholungsheimengeradezu ein Aushängeschild der DWK-Sozialpolitik gewesen zu sein.

Zu ihrer Finanzierung verfiel man auf ein ebenso originelles wie fürdas Unternehmen kostengünstiges Modell: „Eine Stunde Arbeit für dieanderen“. Bereits von Oktober 1934 an leistete jeder Beschäftigte mo-natlich eine unbezahlte Stunde Mehrarbeit, deren Nennlohn der Träger-gesellschaft „Erholungsheime der Deutschen Werke GmbH“ zufloss.Wer sich zu dieser „freiwilligen“ Zusatzarbeit nicht einfand, erhielt ei-nem Berichterstatter der illegalen Sozialdemokratie zufolge diese Ar-beitsstunde von seinem regulären Lohn abgezogen.38 Die so zusammen-gebrachten Gelder wurden nach Angaben der Erholungsheime-GmbHdurch Werkszuschüsse aufgestockt und ermöglichten es, am 21. April1936 ein neu erworbenes Erholungsheim in Malente-Gremsmühlen ein-zuweihen. Ebenfalls zur Verfügung standen ein DWK-eigenes Erho-lungsheim bei Schierke im Harz und Heime in fremder Trägerschaft,mit denen Pensionsverträge abgeschlossen wurden. Den Angaben der

Abb. 8: Die Versicherungskassen der DWKspeisten sich fast ausschließlich aus Arbeit-nehmerbeiträgen: „Zahltag der Arbeiter-Sterbekasse“. (Original-Bildunterschrift)

38 Vgl. AdsD, Best. SPD-PV/Emigration,Mappe 49, Dok. 49.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung 273

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 273

Page 28: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

Erholungsheime-GmbH zufolge kamen so rund 3000 Werksangehörigejährlich in den Genuss eines Erholungsaufenthaltes. Aus den Urlauber-zahlen, die der Band „Die Betriebsgemeinschaften“ für die Jahre 1935-1939 nennt, geht allerdings hervor, dass der Anspruch der Erholungshei-me-GmbH, jährlich 3000 Werksangehörigen einen Erholungsaufenthaltzu ermöglichen, nicht eingelöst werden konnte.

Trotz der Finanzierung der Erholungsheime-GmbH durch alle Ar-beiter und Angestellten der DWK gab es keinerlei Anspruch auf Ver-schickung. Vielmehr lag es im Ermessen der „zuständigen Dienststellendes Werkes“ und des Vertrauensrates, dem Einzelnen auf dessen Antraghin einen Erholungsurlaub zu „gewähren“39. Für die Beschäftigten gabes damit sicherlich einen Grund mehr, Leistungsbereitschaft und Anpas-sungsfähigkeit an den Tag zu legen.

Nach Kriegsbeginn brach die Verschickung von DWK-Beschäftig-ten zum Erholungsurlaub in den Heimen in Malente und Schierke ab:Wie die Werkszeitung ihren Lesern Ende September 1939 mitteilte, „be-anspruchte“ die Wehrmacht die Erholungsheime in Schierke und Ma-lente-Gremsmühlen, so dass „bis auf weiteres keine Urlauber in denHeimen Aufnahme finden“ könnten. Überhaupt wurde nach anfängli-cher Zurückhaltung mit zunehmender Intensivierung der Kriegswirt-schaft immer massiver in die bis dahin geltenden Urlaubsregelungeneingegriffen: Konnte man es sich nach dem Ende der ersten, von schnel-

Abb. 9: Finanziert durch obligatorische,unbezahlte Mehrarbeit: DWK-Erholungs-heim in Malente-Gremsmühlen.

39 “Richtlinien für den Betrieb der Erho-lungsheime. Bekanntmachung der Erho-lungsheime GmbH”, in: Handbuch wissens-werter Bestimmungen, Nr. 61.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung274

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 274

Page 29: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

len Erfolgen gesäumten Kriegsphase („Blitzkrieg“) nicht mehr leisten,die mehr denn je beanspruchten Arbeitnehmer in den Urlaub zu entlas-sen, so wurde von Jahr zu Jahr von staatlicher Seite neu festgelegt, aufwelche Weise und in welchem Umfang nicht gewährte Urlaubstage „ab-zugelten“ waren.40 Ihren Höhepunkt fanden diese Regelungen am 11.August 1944 im Erlass einer „vorläufigen“ – aber dann bis Kriegsendemit marginalen Einschränkungen doch endgültigen – Urlaubssperredurch den „Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz“, FritzSauckel. Damit führte die Kriegswirtschaft auch das Ende der betriebli-chen Urlaubsförderung der DWK herbei, deren Ausbau die Rüstungs-konjunktur zunächst ermöglicht hatte. Betriebliche Hilfen in besonderen Lebenssituationen. Für eine ganze Reihe vonLebenssituationen, in denen Betriebsangehörige besonderen gesund-heitlichen, familiären oder kriegsbedingten Belastungen ausgesetzt wa-ren, entwickelte die DWK nach und nach ein Sortiment von freiwilligenSonderleistungen, die – in der Regel einmalig – gewährt werden konn-ten, um soziale Härten abzumildern.

Ein Teil dieses Sortiments umfasste Lohnerstattungen in Fällen, indenen besondere Umstände wie Betriebsunfälle, Dienstjubiläen oderwichtige familiäre Ereignisse ein Fernbleiben von der Arbeit bedingten.Auch konnten direkte Werksbeihilfen bei familiären Anlässen geleistetwerden, die mit besonderen materiellen Aufwendungen verbunden wa-

Abb. 10: Gemeinschaftsraum im DWK-Er-holungsheim in Malente-Gremsmühlen

40 Vgl. Marie-Luise Recker, Nationalso-zialistische Sozialpolitik im Zweiten Welt-krieg, München 1985, S. 155ff.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung 275

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 275

Page 30: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

ren. Eheschließungen nach dem 31. Oktober 1938 unterstützten dieDWK so etwa durch eine durchaus spürbare, finanzielle „Heiratsbeihil-fe“, sofern der oder die Beschäftigte dem Betrieb mindestens vier Jahre(Frauen) bzw. fünf Jahre (Männer) angehörte. Wie bei vielen betriebli-chen Sozialleistungen, deren Gewährung oder Höhe von der Zahl derDienstjahre abhing, wurden hier Veteranen der NS-Bewegung bevor-zugt bedient: Für sie genügten drei Dienstjahre, um „Heiratsbeihilfe“von den DWK zu erhalten. Die Grundhöhe dieser Beihilfe betrug 250RM und wurde für jedes über das erforderliche Minimum geleisteteDienstjahr um weitere 25 RM aufgestockt. Mithin konnte ein „alterKämpfer“ der NS-Bewegung bei gleicher Dienstzeit 50 RM mehr erhal-ten als ein Kollege mit weniger günstigen Referenzen politischer Zuver-lässigkeit.

Besonderes Engagement zeigte die DWK bei der finanziellenUnterstützung werdender Mütter unter ihren Angestellten und Arbeite-rinnen. Damit kam sie der DAF entgegen, die sich für eine Verbesserungdes betrieblichen Mutterschutzes einsetzte, um den (Wieder-) Eintrittvon Frauen ins Erwerbsleben attraktiver zu machen und so demArbeitskräftemangel zu begegnen. Die 1938 erstmals eingeführte be-triebliche Regelung der DWK zum „Schutz werdender Mütter“ sah inihrer Fassung vom 3. Januar 1940 vor, Mütter sechs Wochen vor undacht Wochen nach der Entbindung vom Dienst freizustellen und ihnenfür diese Zeit die Differenz zwischen den Leistungen der Krankenkasseund der „normalen“ Höhe der Einkünfte zu erstatten. Darüber hinaussollte schwangeren Frauen ein Arbeitsplatzwechsel ermöglicht werden,wenn dies von ärztlicher Seite empfohlen wurde. Damit waren wesent-liche Inhalte des Mutterschutzgesetzes vom 17. Mai 1942 bei denDeutschen Werken schon einige Jahre im voraus verwirklicht worden.Auch die Regelung, nach der die allgemein üblichen Kinderzulagen aufdas Arbeitsentgelt von der DWK auch an Eltern unehelicher Kindergezahlt wurde, sofern deren „Erbgesundheit“ nachgewiesen werdenkonnte, hielt man sich als besonderes sozialpolitisches Engagement zu-gute.

Ein zweites Bündel betrieblicher Sonderleistungen, das unter demStichwort „Trennungsentschädigung“ zusammengefasst werden kann,wurde durch die Heranziehung von Arbeitskräften aus weiter entferntenTeilen Deutschlands zur unabdingbaren Notwendigkeit: Da es ange-sichts der damals äußerst angespannten Kieler Wohnungssituation nurselten gelang, den oft per Dienstverpflichtung nach Kiel geholten Fach-kräften einen Familiennachzug zu ermöglichen und der Werkswoh-nungsbau erst spät im großen Stil in Angriff genommen wurde, galt eszunächst, die durchaus als Gefahr für die Leistungsbereitschaft der Be-troffenen eingeschätzte Situation von „Auswärtigen“ mit Familie durchsofort wirksame Maßnahmen zu lindern. Hierzu zählten vor allem Zu-schüsse der Werke, die getrennt von ihrer Familie lebenden Zugezoge-nen helfen sollten, die Zusatzkosten zu tragen, die ihnen durch Anreiseund doppelte Haushaltsführung entstanden. Mit ihren Zuschüssen aufdiesem Gebiet lag die DWK insgesamt auf dem Niveau der übrigenKieler Privatwerften, jedoch deutlich unter jenem der Kieler Kriegsma-rinewerft.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung276

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 276

Page 31: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

Außer der finanziellen Trennungsentschädigung konnten auswärtigeArbeiter der DWK auch „in bestimmten Zeitabschnitten“ eine kostenlo-se Heimfahrt erhalten, für die auch unbezahlter Urlaub gewährt wurde.Vergegenwärtigt man sich, dass die auswärtigen Arbeiter auf den KielerWerften zum Teil in so weit entfernten Gebieten wie dem Rheinland, der„Ostmark“, Schlesien oder dem Sudetenland beheimatet waren, so er-scheint dies keineswegs als übertrieben großzügig, zumal eine 1943 er-lassene, reichsweit gültige Regelung andeutet, was mit der Familien-heimfahrt „in bestimmten Zeitabschnitten“ gemeint war: Ein Anspruchauf Heimfahrt bestand demnach für verheiratete Arbeitnehmer erst„nach einer ununterbrochenen auswärtigen Beschäftigung bei einemBetrieb von jeweils 6 Monaten“.41 Selbst nach Ablauf dieser Frist hatteder Arbeitgeber zur Gewährung der Heimfahrt noch einen Spielraumvon einem weiteren halben Jahr. Auch wurde unmissverständlich klar-gestellt, dass mit dem Anspruch zugleich auch die zulässige Obergrenzefür Familienheimfahrten festgelegt war.

Eine letzte Gruppe von materiellen Leistungen betrieblicher Sozial-politik wurde erst durch unmittelbare Kriegsfolgen überhaupt notwen-dig. Hitlers Krieg, dessen Vorbereitung und Führung die Auftragsbücherder DWK jahrelang füllte, riss eben andernorts auch Lücken: Hatten diequalifizierten Facharbeiter der kriegswichtigen Werft auch bis in dieEndphase des Krieges hinein relativ gute Chancen, Einberufung und„Heldentod“ zu entgehen, so musste man doch in zahlreichen Arbeiter-familien einen zumindest zeitweisen Verlust des Ehemannes, Vatersoder Bruders verkraften.

Bereits einen Monat nach dem Überfall auf Polen begann die DWKmit der Zahlung von „Unterhaltsbeihilfen für die auf Grund von Kriegs-maßnahmen einberufenen Gefolgschaftsmitgliedern“. Die Beihilfe, de-ren ausdrücklich „freiwillige widerrufliche“ Gewährung für die meistenbetroffenen Arbeiterfamilien eine Frage des wirtschaftlichen Überle-bens gewesen sein dürfte, betrug „50 v. H. des anrechnungsfreien Betra-ges, mindestens RM 30,- monatlich, keinesfalls jedoch mehr als den an-rechnungsfreien Betrag“. Wenig später sah man sich genötigt, Regelun-gen für schwerere Kriegsfolgen zu treffen: Hinterbliebene gefallenerMitglieder der überbetrieblich organisierten Versorgungskasse zur Al-ters- und Invalidenversicherung sollten „zunächst auf die Dauer von dreiJahren“ auch dann eine Mindestrente von 10 RM im Monat erhalten,wenn aufgrund der eingezahlten Beiträge noch kein Versorgungsan-spruch bestand. Wie auf viele betriebliche Sozialleistungen bestand je-doch auch „auf diese außerplanmäßige Regelung“ ausdrücklich „keinRechtsanspruch“. Eine weitere kriegsbedingte Sonderregelung derDWK sah vor, berufstätigen Soldatenfrauen „auf Antrag […] eine unbe-zahlte Freizeit für 3 bis 4 Tage“ zu gewähren, wenn deren Ehemänner„nach Beendigung des Kriegsdienstes in die Heimat entlassen wer-den“.42 Auch die letzte betriebliche Sonderleistung für kriegsbedingt ausdem Arbeitsleben gerissene „Gefolgschaftsmitglieder“, die in den vorlie-genden Quellen zu finden ist, scheint eher für die Zeit nach einem deut-schen Sieg konzipiert gewesen zu sein. War ein DWK-Arbeiter nach derEntlassung aus dem Kriegsdienst noch arbeitstüchtig genug, um inner-halb von 30 Tagen wieder Anstellung bei seinem alten Arbeitgeber zu

41 Reichstarifordnung zur Regelung vonFamilienheimfahrten während der Kriegs-zeit [...] vom 8.11.1943, in: Amtl. Mit-teilungen / RTdA Nordmark 1944, S.18ff. 42 Der Grund dafür, dass hier überhaupteine Regelung für die “Entlassung” vonWehrmachtssoldaten getroffen wird, istvermutlich darin zu suchen, dass man imJuli 1940 allgemein noch die Erwartungeines baldigen, siegreichen Kriegsendeshegte.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung 277

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 277

Page 32: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

finden, so wurden ihm die Frontjahre als Dienstjahre auf der Werft an-gerechnet.

Einige der hier aufgeführten Sonderleistungen dürften für den Ein-zelnen durchaus spürbare Hilfen gewesen sein. Insgesamt waren sie si-cherlich geeignet, den Beschäftigten im Einklang mit der sozialpoliti-schen Propaganda der DAF das Gefühl zu vermitteln, vom Betrieb in al-len Lebenslagen fördernd begleitet zu werden. Hält man sich jedoch vorAugen, dass auf viele dieser Leistungen keinerlei Rechtsanspruch be-stand, so wird auch klar, dass sie gleichzeitig dazu dienen konnten, die„Gefolgschaft“ zum Folgen anzuhalten. Ob diese punktuellen Gestenguten Willens für die auftragsmäßig glänzend dastehenden DWK finan-ziell nennenswert zu Buche schlugen, geht aus den ausgewerteten Quel-len allerdings nicht hervor. Da das „Handbuch wissenswerter Bestim-mungen“, aus dem das Hilfsangebot der DWK in besonderen Lebenssi-tuationen hier rekonstruiert wurde, lediglich in seiner Fassung vom 21.November 1940 vorliegt, bleibt zudem die Frage offen, in welchem Um-fang diese freiwilligen betrieblichen Leistungen während der folgendenKriegsjahre aufrecht erhalten wurden.

Abb. 11: Auch der Werkswohnungsbau derDWK fand die Anerkennung der „Deut-schen Arbeitsfront“: DAF-Leistungsabzei-chen für vorbildliche Heimstätten und Woh-nungen.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung278

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 278

Page 33: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

Betriebliche Wohnungsbeschaffung. Spätestens seit der Mitte der 1930er-Jah-re war der Wohnungsmangel in Kiel durch den Zuzug von Arbeitskräf-ten für die Rüstungsindustrie ins Unerträgliche verschärft worden. Den-noch fanden sich Stadt, Provinzialbehörden, Kriegsmarine und Werftenerst im Juli 1938 zusammen, um dieses Problem, das nicht zuletzt einProblem des schieren Mangels an Bauflächen für neue Wohnungen war,gemeinsam anzugehen. Den kurzfristigen Bedarf an Wohnungsneubau-ten für Wehrmachtsangehörige und Rüstungsarbeiter bezifferte dieKriegsmarine zu diesem Zeitpunkt auf gut 8 500 Wohnungen allein aufdem Kieler Ostufer. Für die Jahre 1940 bis 1945 hielt man sogar denNeubau von über 14 000 Wohnungen auf dem Ostufer für unumgäng-lich.

Auch für die Arbeiter der DWK gab es im Sommer 1938 bei weitemnicht genug Wohnungen. Allein bis 1939 wurde der Neubaubedarf fürBeschäftigte des Kieler Werks auf 3390 beziffert, bis 1945 rechneteman mit einem Bedarf von 5650 weiteren Wohnungen. Zu einer derarti-gen Zuspitzung des Wohnungsmangels hatte es auch deshalb kommenkönnen, weil die DWK ausgesprochen spät damit begonnen hatte, selbstin größerem Umfang Werkswohnungsbau zu betreiben. Erst im April1937 wurde mit der „Kieler Werkswohnungen GmbH“ (KWW) einewerkseigene Wohnungsbaugesellschaft ins Leben gerufen und mit 1,5Millionen Reichsmark Stammkapital ausgestattet. Dass sich die Werks-leitung trotz der langen Vorgeschichte des Kieler Wohnungsproblemserst so spät zum Handeln entschloss, dürfte vor allem daran gelegen ha-ben, dass einem Werkswohnungsbau in großem Stil durch die Rationie-rungsmaßnahmen des Vierjahresplans handfeste Hindernisse entgegen-standen: Ebenso wie Metallarbeiter durften Bauarbeiter und Baustoffenur in Anspruch genommen werden, wenn es um die Umsetzung„staats- und wirtschaftspolitisch bedeutsame[r] Bauvorhaben“43 ging.Viele dieser Probleme ließen sich nur ausräumen, indem die DWK sichihre ausgezeichneten Beziehungen zum Oberkommando der Kriegsma-rine zunutze machte.

Die Bauarbeiten am ersten Großprojekt des DWK-Werkswohnungs-baus begannen bereits wenige Monate nach der Gründung der KWW.Bis zum Ende des Jahres 1938 waren in der Bielenbergstraße und in dendaran angrenzenden, neu angelegten Straßen 523 Wohnungen mit je-weils zwei bis zweieinhalb Zimmern bezugsfertig.44 Von der DAF wur-den die Werke im selben Jahr mit dem „Leistungsabzeichen für vorbild-liche Leistung im Heimstättenwesen“ ausgezeichnet.

Wie die ehrgeizigen Bauvorhaben der folgenden Jahre und ihre ra-sche Umsetzung deutlich werden lassen, rückte der Werkswohnungsbaunun ins Zentrum des sozialpolitischen Engagements der DWK. Im Fe-bruar 1940 zog ein ausführlicher Artikel in der Werkszeitung Bilanzüber den Umsetzungsstand der ehrgeizigen Vorhaben des DWK-Woh-nungsbaus. Bis zu diesem Zeitpunkt waren in Gaarden 727 Wohnungenim Bereich Bielenbergstraße sowie in der Werftstraße, Bothwellstraße,Mühlenstraße und Georg-Pfingsten-Straße fertiggestellt worden. Auchin Ellerbek (Poppenraderweg), Friedrichsort (Gorch-Fock-Str.) und imgroßflächig erworbenen Neubaugebiet Elmschenhagen-Süd, damalsnoch jenseits der Stadtgrenze, konnten Anfang 1940 bereits 150 Woh-

43 Vierte Anordnung zur Durchführungdes Vierjahresplanes [...] vom 7. 11.1936, in: Deutscher Reichsanzeiger Nr.262 vom 9. 11. 1936.44 Bei den neuen Straßen handelt es sichum Aschebergstraße, Eutiner Straße, Ol-denburger Straße und Lensahner Straße.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung 279

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 279

Page 34: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

nungen bezogen werden. Hinzu kamen noch 104 Werkswohnungen inDietrichsdorf, die die KWW im Auftrag der Kriegsmarinewerft gebauthatte. Daneben war der bereits vor 1937 betriebene Siedlungsbau fort-gesetzt worden: Im Zusammenwirken mit anderen Bauträgern, zumeistgemeinnützigen Baugenossenschaften, waren so immerhin 289 Sied-lungshäuser entstanden.

Der Gesamtumfang der KWW-Wohnungsbauvorhaben, die 1940 inder Werkszeitung vorgestellt wurden, belief sich auf 4873 Wohnungen,von denen 1651 von der Kriegsmarinewerft in Auftrag gegeben wordenwaren. Damit waren für die Beschäftigten der DWK zwar weniger Woh-nungen geplant, als man noch 1938 als Bedarf für die nächsten zweiJahre veranschlagt hatte. Vor dem Hintergrund der kriegsbedingten Res-sourcenbewirtschaftung kann der dennoch beachtliche Umfang desBauprogrammes jedoch als eindrucksvoller Beleg dafür angesehen wer-den, dass dem Wohnungsbau für die Arbeiter der Kieler Rüstungsindu-strie an oberster Stelle hohe Priorität zugemessen wurde.

In den folgenden Jahren verlagerte sich der Schwerpunkt des DWK-Werkswohnungsbaus nach Elmschenhagen-Süd, wo man mit rund 1500geplanten Wohnungen ein ganz neues Viertel, die „Gartenstadt“, ausdem Boden zu stampfen begann.

Erst im Mai 1943 wurden in der Werkszeitung wieder Zahlen zumDurchführungsstand der KWW-Vorhaben veröffentlicht: Obwohl derKrieg „die beabsichtigte, schnelle Durchführung der Bauvorhaben zum

Abb. 12: Späte Antwort auf den Woh-nungsmangel in Zeiten der Rüstungskon-junktur: DWK-Werkswohnungsbau in Kiel-Gaarden, Bielenbergstraße.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung280

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 280

Page 35: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

Teil stark gehindert“ und zu Abstrichen bei ihrer „äußere[n] Gestaltung“gezwungen habe, seien nunmehr rund 3500 Wohnungen fertiggestelltworden, davon 2500 für die Belegschaft der Deutschen Werke. Da manvon der Kriegsmarine günstige Baudarlehen erhalten habe, sei es auchgelungen, die Mieten „in niedrigen Grenzen“ zu halten. Gemäß dem imFebruar 1944 veröffentlichten Geschäftsbericht des Vorstandes wurdeschließlich noch für das Frühjahr 1944 mit dem planmäßigen Abschlussdes gesamten Werkswohnungsbaus gerechnet.

Wie konnte der Werkswohnungsbau trotz des Mangels an Arbeits-kräften und Material und noch dazu vor dem Hintergrund des Krieges,den alliierte Bomberangriffe nun auch in die Kerngebiete des Reichestrugen, derart forciert werden? Zum einen ermöglichten es die gutenBeziehungen von DWK und Kriegsmarinewerft zur Marineleitung über-haupt erst, die Priorität der Wohnungsbauprojekte als „kriegswichtige“Vorhaben zu behaupten. Zum anderen wurden im Laufe des Krieges ingroßer Zahl ausländische Arbeiter eingesetzt.45 Während die Ankunftder ersten ausländischen Bauarbeiter für die Bauvorhaben der KWW inElmschenhagen-Süd am 14. April 193946 noch in eine Phase des„Fremdarbeitereinsatzes“ fällt, in der Zwang noch nicht durchgängig alsMittel der Rekrutierung von Arbeitern und Arbeiterinnen unter den Ein-wohnern der besetzten Länder Europas eingesetzt wurde, ist angesichtsdes Übergangs zu massiven Verschleppungsaktionen seit der ErnennungFritz Sauckels zum Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz

Abb. 13: Wohnraum einer Musterwohnung

45 Vgl. Geschäftsbericht 1941/42, Be-richt des Vorstandes. 46 Vgl. Jörg Tillmann-Mumm, “Fremdar-beitereinsatz”, S. 37.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung 281

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 281

Page 36: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

(1943)47 davon auszugehen, dass es sich bei den ausländischen Bauar-beitern, deren Einsatz die Fortführung des DWK-Werkswohnungsbausbis in die letzten Kriegsjahre hinein ermöglichte, überwiegend um de-portierte Zwangsarbeiter handelte.Immaterielle betriebliche Sozialpolitik. Nicht erst die Nationalsozialisten hat-ten erkannt, dass außer der Entlohnung und Versorgung mit materiellenGütern auch Betriebsklima, Arbeitsplatzgestaltung, Gesundheitsfürsor-ge und Unfallsicherheit für die Zufriedenheit der arbeitenden Menschenmit ihrem Betrieb, und damit auch für ihre Leistungsbereitschaft, vongroßer Bedeutung sein konnten. Da Verbesserungen auf diesen Gebietenden Beschäftigten zugute kamen, ohne ihre materielle Lage zu verän-dern, sollen sie hier unter dem Begriff der immateriellen betrieblichenSozialpolitik zusammengefasst werden.

Auch in diesen Bereichen war sozialpolitisches Engagement für denBetrieb jedoch zumeist durchaus mit materiellen Kosten verbunden.Diese waren im Vergleich zu Sozialleistungen, die direkten Geld- oderGütertransfer zum Inhalt hatten, allerdings recht überschaubar.

Reichsweit wurden betriebliche Maßnahmen zur Verbesserung derArbeitsbedingungen und zur immateriellen Betreuung von Arbeitneh-mern nach 1933 zunächst von einer ganzen Reihe von staatlichen Stel-len und nationalsozialistischen Organisationen vorangetrieben: Vor al-

Abb. 14: In Elmschenhagen prägte derDWK-Wohnungsbau einen ganzen Stadt-teil: Modell der „Gartenstadt“ Elmschenha-gen-Süd.

47 Vgl. Ulrich Herbert, Fremdarbeiter. Po-litik und Praxis des "Ausländereinsatzes"in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches,Berlin/Bonn 1985, S. 152ff.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung282

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 282

Page 37: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

lem den bereits in den 1920er Jahren international verfolgten Ansatz,durch eine optimierte Arbeitsplatzgestaltung Leistungssteigerungenherbeizuführen, hatten die neuen Machthaber als nationalsozialistischesKonzept vereinnahmt. Schließlich konnte sich eine Organisation, dieüber die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ der Deutschen Arbeits-front angegliedert war, mit ihrem Anspruch durchsetzen, Ziele undMaßstäbe für eine „nationalsozialistische“ Gestaltung der Betriebe zusetzen: das „Amt Schönheit der Arbeit“ (ASdA).48

Von den genannten Elementen immaterieller Sozialpolitik legte„Schönheit der Arbeit“ besonderen Wert auf die Arbeitsplatzgestaltungund die Veränderung des Betriebsklimas im Sinne des nationalsozialisti-schen Leitbildes einer sozial harmonischen „Betriebsgemeinschaft“.Auch außerhalb der Arbeitszeit sollte die Verbundenheit der Werksan-gehörigen mit ihrem Betrieb gestärkt werden: Organisierte Freizeitge-staltung sollte hierzu wie auch zur Verbreitung nationalsozialistischenGedankenguts im weiteren Sinne einen wichtigen Beitrag leisten.

In den Jahren 1940 und 1941 zeichnete die DAF die DWK-Produk-tionsstandorte in Kiel und Friedrichsort für ihr beispielhaftes Engage-ment im Sinne der Ziele von „Schönheit der Arbeit“ als „NS-Musterbe-triebe“ aus. Dieses Gütesiegel nationalsozialistischer Vorbildlichkeitverdiente sich die DWK in verschiedenen Bereichen der immateriellenSozialpolitik. Arbeitsplatzgestaltung. Bereits 1935 gab das schleswig-holsteinische Gau-amt von „Schönheit der Arbeit“ „Richtlinien für die Gestaltung und

Abb. 15: Lange blieb es beim Wohnen inProvisorien: Gemeinschaftsraum im Wohn-lager Kiel-Elmschenhagen.

48 Zum ASdA und seinen Kompetenzkon-flikten mit Staats- und Parteiinstanzen,vgl. M. Frese, Betriebspolitik, S. 334ff.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung 283

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 283

Page 38: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

Durchbildung der Arbeitsstätten und Gefolgschaftseinrichtungen in denBetrieben“49 heraus, zu deren Beachtung man die einzelnen Unterneh-men mit der Hilfe staatlicher Behörden anhalten wollte. Tatsächlich leg-te es der Regierungspräsident der preußischen Provinz Schleswig-Hol-stein 1937 auf Drängen des ASdA-Gauamtes allen Baugenehmigungs-behörden in Städten und Landkreisen nahe, „auf die Unternehmer undFührer grösserer Betriebe einzuwirken, dass sie sich vor der Ausführunggrösserer Neubauten und Umbauten und vor der Errichtung, Umände-rung oder Vergrösserung von Wohlfahrtsräumen […] mit dem Gaurefe-renten des Amtes ,Schönheit der Arbeit‘ in Kiel – Fährstrasse 22, in Ver-bindung setzen.“50

Während die Gestaltung der Arbeitsstätten in den Richtlinien desKieler ASdA-Gauamtes an erster Stelle stand, scheint es bei den Deut-schen Werken gerade in diesem Bereich nicht zu größeren Veränderun-gen hin zu „freundlicheren“ Räumlichkeiten gekommen zu sein. Ande-res gilt sicherlich für mögliche Verbesserungen der Arbeitsprozesse, diein einem fast ausschließlich für den militärischen Bedarf produzieren-den Unternehmen strikter Geheimhaltung unterlagen. Vorzeigbare Er-gebnisse gab es in den Betrieben der DWK hingegen in vielen Berei-chen, die nicht unmittelbar mit der Produktion in Zusammenhang stan-den: So zeigen 1940 und 1941 veröffentlichte Bilder großräumige, sau-ber und modern wirkende Wasch- und Duschräume verschiedenerDWK-Werkstätten in Kiel und Friedrichsort.51 Auch die 1937 neu einge-richtete Großküche, die die Werksverpflegung der erheblich angewach-senen Belegschaft sicherstellen sollte, war durchaus in Wort und Bildpräsentabel. Noch im Jahr 1943 wurden auch in Friedrichsort Kücheund Speiseraum ausgebaut.

Zur optischen „Erholung und Entspannung […] gegenüber der Stän-digkeit des Werkraumeindruckes“52 setzte man – so etwa auch bei deroptischen Einbettung der neuen Werkswohnungsblocks – auf Grünanla-gen. Zur Pflege dieser Anlagen wurde eigens eine Werksgärtnerei unter-halten, die auch zur Verschönerung der Arbeitsstätten mit Blumen-schmuck beitragen sollte.

Diese Verschönerungen scheinen jedoch bei den Arbeitern nicht imbeabsichtigten Maße auf Anklang gestoßen zu sein: Im Mai 1940 veröf-fentlichte die Werkszeitung einen Artikel des „Betriebsführers“ Mid-dendorff, in dem er Fälle von Vandalismus gegen Wohnanlagen-Begrü-nung beklagt. Auch früher waren „mit viel Mühe und Kosten geschaffe-ne, das Auge erfreuende Anlagen“ auf dem Werksgelände offenbar mitUndank aufgenommen worden, so dass Sozialreferent Klingemann dieArbeitnehmer der DWK bereits in seinem Grundsatzartikel über„Schönheit der Arbeit“ von 1936 zur Mithilfe dabei aufrief, „etwaigeSaboteure festzustellen und sie aus der Betriebsgemeinschaft zu entfer-nen.“ Gesundheitsfürsorge und Unfallschutz. In kaum einem Bereich der betriebli-chen Sozialpolitik war der Zusammenhang zwischen der Fürsorgedurch Werkseinrichtungen und der Leistungsfähigkeit der Beschäftigtenso klar ersichtlich wie in der Gesundheitspflege und bei den Bemühun-gen zur Verminderung von Unfallrisiken im Betrieb. Gerade in Zeitendes Arbeitskräftemangels und der verstärkten Leistungsanforderungen

49 LAS, Abt. 309 / 34653.50 Rundschreiben vom 16.9.1937, in:LAS, Abt. 309 / 34653. 51 Vgl. etwa den 1942 erschienenenBildband „Von unseren sozialen Einrichtun-gen”.52 „Über die neugeschaffenen Grünanla-gen”, in: Werkszeitung, 9/1937, S. 11.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung284

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 284

Page 39: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

an den einzelnen Arbeiter galt es, wie es der Betriebsarzt der DWK 1914in der Werkszeitung ausdrückte, die „heiß begehrten Arbeitskräfte eben-so pfleglich zu behandeln, wie man eine Maschine, die etwas leistensoll, behandeln muß.“53 Konnte für erkrankte oder verunglückte Fachar-beiter aufgrund des Arbeitskräftemangels kaum noch gleichwertiger Er-satz gefunden werden, so war dies ein weiterer Grund dafür, betriebli-che Mittel für präventive Maßnahmen im Bereich der Krankheits- undUnfallverhütung aufzuwenden.

Dennoch gab es bei der DWK erst von 1940 an eine kontinuierlichebetriebsärztliche Betreuung der Belegschaft. Frühere Versuche derDWK, einen Betriebsarzt anzustellen, waren gescheitert: Bereits 1938hatte man einen Arzt unter Vertrag genommen, der seine Tätigkeit dannaber nicht antrat, da es der DWK nicht gelang, eine Wohnung für ihnaufzutreiben. Ein weiterer Anlauf scheiterte an der Kriegseinberufungeines ebenfalls bereits vertraglich verpflichteten Arztes. Schließlichkonnte jedoch auch dieses Problem mit Hilfe der Kriegsmarine gelöstwerden, die der DWK Sanitätsoffiziere für die betriebsärztliche Gesund-heitsfürsorge zur Verfügung stellte.

Im Rahmen ihrer betriebsärztlichen Tätigkeit auf den DeutschenWerken waren diese Ärzte gleich an drei Träger sozialpolitischer Akti-vitäten gebunden: Während sie als Betriebsärzte der DWK deren „Be-triebsführer“ Middendorff unterstellt waren, wurde die betriebsärztlicheDienststelle der DWK bald schon insgesamt dem Marinesanitätsamt un-terstellt, dem auch die gesundheitliche Betreuung der benachbartenKriegsmarinewerft oblag. Darüber hinaus unterlagen die Betriebsärztejedoch auch der Kontrolle des „Amtes Volksgesundheit“ der DAF.

Gemäß dem Grundsatz „Vorbeugen ist besser als heilen“, dem dieNationalsozialisten in ihren gesundheitspolitischen Strategien insge-samt großes Gewicht beimaßen, umfasste das Aufgabenfeld des Be-triebsarztes vor allem vorsorgende Maßnahmen, wogegen die Behand-lung akuter Erkrankungen in der Zuständigkeit des jeweiligen Hausarz-tes verblieb. Ein wichtiger Teil der Tätigkeit des Betriebsarztes galt mit-hin der medizinischen Kontrolle von Arbeitsstätten, Luftschutzeinrich-tungen, Sanitäranlagen, Werksverpflegung und betrieblichen Sportanla-gen, vor allem aber der regelmäßigen Untersuchung der Beschäftigten,die mindestens alle zwei Jahre erfolgen sollte. Auch „Reihenröntgenun-tersuchungen“ sollten regelmäßig vorgenommen werden. Grundsätzlichwurden Arbeiter und Angestellte bei ihrer Neuanstellung untersucht,wobei es nicht zuletzt auch um die Feststellung ihrer „Erbgesundheit“ging.54 Auf diese Weise sollten nach und nach alle bei der DWK be-schäftigten Arbeitnehmer in einer „Gesundheitskartei“ erfasst werden,die neben einer verbesserten Gesundheitsbetreuung auch einen aus Lei-stungsgesichtspunkten optimalen Einsatz jedes einzelnen Arbeiters ge-währleisten sollte.

Während die Betriebsärzte auch die Aufgabe hatten, allgemein alsgesundheitspolitische Beratungsinstanz für die Werksleitung zur Verfü-gung zu stehen und auch die „Gefolgschaft“ in Werkszeitungsartikelnund Sprechstunden über gesunde Lebensführung aufzuklären, lag einweiterer wichtiger Aufgabenbereich in der Anleitung geeigneter Helferaus der Belegschaft für Notfälle. So hatten sie dafür zu sorgen, dass für

53 „Aufgaben der Gesundheitsführung”,in: Werkszeitung, 4/1941, S. 6.54 Vgl. Betriebsordnung 1935, Abs. 2a.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung 285

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 285

Page 40: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

den Einsatz bei Unfällen im Arbeitsalltag jederzeit genügend kompeten-te Betriebssanitäter bereitstanden und darüber hinaus Luftschutzsanitä-ter aus- und weitergebildet wurden. Aus den Reihen der betrieblichenDAF-Formation, der Werkschar, sollten zudem „Gesundheitsmänner“herangebildet werden, die den Betriebsärzten allgemein zur Verfügungstehen sollten, um „unterstützend, beobachtend, belehrend und aucheinmal energisch durchgreifend“55 bei der „Gesundheitsführung“ mitzu-wirken. Die kontrollierende und disziplinierende Funktion der betriebli-chen Gesundheitsfürsorge, die hier anklingt, wurde auch im Zusammen-hang mit den übrigen Aufgaben der Betriebsärzte stets betont: Gesund-heitliche Kontroll- und Präventivmaßnahmen sollten die Arbeitnehmerder DWK nicht nur in die Lage versetzen, dauerhaft Höchstleistungenzu erbringen, sondern gleichzeitig ein Mittel dazu sein, jeden Einzelnenzur Pflege wie zum vollen Einsatz seiner kostbaren Arbeitskraft anzu-halten.

Als Wirkungsstätte für die weitgefächerten Aufgaben der Betriebs-ärzte, die unter Kriegsbedingungen offenbar nie in ihrem ganzen ge-planten Umfang ausgeübt werden konnten, mussten zunächst drei not-dürftig ausgestattete Räume der betrieblichen Unfallstation herhalten.Im Januar 1941 wurde dann auf dem Gelände der Kieler Werft eine

Abb. 16: „Aufklärungsfeldzug 'Kampf derGefahr'“: Plakate und Bildtafeln zur Un-fallverhütung im Kieler Werk.

55 “Aufgaben der Gesundheitsführung”,in: Werkszeitung, 4/1941, S. 8.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung286

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 286

Page 41: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

größere Arztbaracke, das „Gesundheitshaus“, in Betrieb genommen, diejedoch bereits 14 Monate später von einer Fliegerbombe zerstört wurde.Bei diesem Vorfall wurde ein großer Teil der medizinischen Ausrüstungund der bis dahin angelegten Aufzeichnungen der betrieblichen Gesund-heitsbetreuung vernichtet. Für die ehrgeizigen Pläne einer umfassendenErfassung und Überwachung der Gesundheit aller Werksangehörigenmusste dies, wenn nicht das Ende, so doch einen erheblichen Rück-schlag bedeuten, wenngleich noch im Juni 1942 ein neues Gesundheits-haus errichtet wurde.

Die Unfallstation des Kieler Betriebes der DWK war zu diesemZeitpunkt bereits modernisiert worden. Bereits seit 1937 gab es in bei-den Werken „Unfallvertrauensleute“ und einen „Unfallingenieur“, derenAufgabe darin bestand, sämtliche Produktionsanlagen auf Unfallrisikenzu überprüfen und die Betriebsleitung mit Vorschlägen zu deren Vermei-dung zu beraten.

Indessen sorgte die Ausdehnung der Arbeitszeiten in Gestalt regel-mäßig verlangter Mehrarbeit ebenso wie der zunehmende Einsatz auchfachfremder Arbeitskräfte dafür, dass die Unfallziffern auf den Deut-schen Werken nicht zurückgingen, sondern deutlich anstiegen. DieserEntwicklung versuchte man, vor allem durch „Aufklärung“ zur Unfall-verhütung in der Werkszeitung wie auch in groß angelegten Propagan-dakampagnen Herr zu werden. So wurde etwa Ende 1936 auf den Auf-ruf der Reichsbetriebsgemeinschaft Eisen und Metall hin auch in denBetrieben der DWK unter dem Motto „Kampf der Gefahr“ eine Auf-klärungskampagne mit Vorträgen und Plakatwänden veranstaltet. Den-noch gelang es nicht, den Trend steigender Unfallzahlen umzukehren:Gegenüber dem bereits hohen Stand von 1938 nahm die Zahl der Unfäl-le bis 1942 noch um 33% zu.Kinderbetreuung. Trotz des alles andere als emanzipatorisch ausgerichte-ten Frauenbildes des Nationalsozialismus kam es in der zweiten Hälfteseiner Herrschaft in Deutschland zu einer erheblichen Zunahme derFrauenerwerbstätigkeit. Nachdem Frauen in den Jahren der Massenar-beitslosigkeit noch gezielt aus dem Erwerbsleben herausgedrängt wor-den waren, ließ es die immense Nachfrage der Rüstungsindustrie nachArbeitskraft ab Mitte der 1930er Jahre geraten erscheinen, ideologischeVorbehalte zurückzustellen und wieder in größerem Umfang auf Frauenals Arbeitskräftereserve zurückzugreifen.

Auch diese Reaktion auf den Arbeitskräftemangel brachte jedochneuen sozialpolitischen Handlungsbedarf hervor: Wer sollte für die Kin-der der Arbeiterfamilien sorgen, wenn beide Eltern erwerbstätig warenund zudem regelmäßig Überstunden leisten mussten? Die Möglichkeit,die Kinder tagsüber in einem werkseigenen Kindergarten betreuen zulassen, bedeutete in dieser Situation zweifellos eine besonders dringendnotwendige Entlastung.

An den Deutschen Werken kam eine solche Kinderbetreuung jedochnur langsam und in bescheidenem Umfang in Gang. So bot das Kinder-heim des Kieler Werkes, das im März 1940 in der Werftstraße nahe demEllerbeker Tor eingerichtet wurde, nur Platz für „60 bis 80“56 Kinder. Indem Bildband „Die Betriebsgemeinschaften“ wurde der provisorischeCharakter dieser Einrichtung damit begründet, dass „der Bau eines

56 “Das Kinderheim Kiel”, in: Werkszei-tung, 2/1940, S. 4.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung 287

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 287

Page 42: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

großen Kinderheims in Kiel Gaarden an der Werftstraße infolge desKrieges zurückgestellt“ worden sei. Auch bei der im September 1942umgesetzten Entscheidung, das Kinderheim von der Werftstraße nachElmschenhagen zu verlegen, werden Kriegseinwirkungen eine Rolle ge-spielt haben, wurde das Werftgelände und seine unmittelbare Umge-bung doch in jenen Jahren immer wieder zum Ziel alliierter Bombarde-ments. Etwas umfangreicher als am Kieler Werk der DWK war das An-gebot betrieblicher Kinderbetreuung offenbar in Friedrichsort, wo 1940ein zu diesem Zweck eigens umgebautes, größeres Gebäude als Kinder-heim eingeweiht wurde.57

Zu einem weiteren Ausbau der Kinderbetreuung, die von der Werks-fürsorge verwaltet wurde, scheint es nicht gekommen zu sein. Zwarwußte die Werkszeitung in den folgenden Kriegsjahren immer wiederüber Aktivitäten der Kinderheime zu berichten, Schritte zur Einrichtungneuer Kindergartenplätze konnten jedoch nicht vermeldet werden. Beieiner Belegschaftsstärke der DWK-Betriebe von zusammen über 15 000Beschäftigten konnte eine Kinderbetreuung in dieser Größenordnungnur eine kleine Minderheit der berufstätigen Mütter entlasten. Bevor-zugt wurden dabei nach Auskunft der Werkszeitung solche Mütter, de-ren Ehemänner zum Kriegsdienst einberufen waren, die besonders kin-derreich waren oder die mehrere Kleinkinder zu versorgen hatten. Den-noch ist davon auszugehen, dass die Aussicht auf einen der raren Kin-dergartenplätze für Mütter und Väter unter den DWK-Beschäftigten ge-nerell ein zusätzlicher Ansporn für besondere Loyalität und Leistungs-bereitschaft war.Organisierte Freizeitaktivitäten und „kulturelle Betreuung“. Organisierte Frei-zeitgestaltung zur Steigerung der Leistungsbereitschaft und zur Förde-rung nationalsozialistischer Gesinnung unter den arbeitenden Men-schen: Diese Art von „Betreuung“ war das ursprüngliche Betätigungs-

Abb. 17: Durch die Erhöhung des Frau-enanteils der Belegschaft stellte sich dasProblem der Kinderbetreuung: DWK-Kinder-heim in Friedrichsort.

57 Hierfür mag der Umstand von Bedeu-tung gewesen sein, dass die Beschäftigungvon Frauen im Friedrichsorter Maschinen-baubetrieb der DWK sicherlich eine größereRolle spielte als auf der Kieler Werft.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung288

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 288

Page 43: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

feld der NS-Gemeinschaft und DAF-Unterorganisation „Kraft durchFreude“ (KdF). Wanderungen und Urlaubsfahrten, Betriebssport undFeierabendgeselligkeiten, Hobbygemeinschaften und Bastelabendesollten auch die Beschäftigten der DWK über Arbeit und Arbeitszeithinaus mit den Werken verbinden und dazu beitragen, ihnen Vorzügeund Wertvorstellungen des Nationalsozialismus nahezubringen.

Handelte es sich hierbei um Aktivitäten betrieblicher Sozialpolitik ?Auch wenn bezweifelt werden kann, dass die Freizeitaktivitäten, die anden Deutschen Werken teils unmittelbar von „KdF“ organisiert wurden,tatsächlich irgend etwas an der sozialen Lage der dort beschäftigten Ar-beitnehmer zu ändern vermochten, verfolgte die Werksleitung doch so-zialpolitische Ziele, wenn sie für die Feierabendgestaltung gewisse fi-nanzielle und personelle Ressourcen bereitstellte. So wurde etwa dieFörderung des Betriebssports, mit der die DWK bereits vor den großenWerbekampagnen der DAF zur Gründung von Betriebssportgemein-schaften begonnen hatte und zu dessen Betreuung seit 1937 ein haupt-amtlicher Werkssportlehrer angestellt war, nicht nur als Beitrag zur Ver-besserung des Betriebsklimas verstanden, sondern auch als integralerBestandteil der Gesundheitsbetreuung und der Unfallprävention. Auchbei der Gestaltung von Festlichkeiten zur propagandistischen Be-schwörung der „Betriebsgemeinschaft“ spielte der Betriebssport einewichtige Rolle. Im Herbst 1937 lieferte er erstmals selbst den Anlass fürein Fest auf dem Sportgelände der Kieler Universität, das mit großemAufwand in Szene gesetzt wurde. Ein Jahr später gab das zweite Be-triebssportfest der DWK gar den Rahmen für einen „Sportappell“ desganzen DAF-Gaues Schleswig-Holstein mit Aufmarschwettbewerbenab.

Bereits ein Jahr später hatte der Ausbruch des Krieges einer Fort-führung betriebssportlicher Aktivitäten in diesem Maßstab die Grundla-ge entzogen. Auch der dafür geplante Neubau werkseigener Sportanla-gen in Katzheide wurde kriegsbedingt nur im Modellmaßstab umgesetztund im übrigen auf die Zeit nach dem Endsieg verschoben. Obwohl esin den folgenden Kriegsjahren gelang, einen völligen Zusammenbruchdes Betriebssports zu verhindern, war doch insgesamt der Versuch ge-scheitert, auch „die große Masse der abseits stehenden Gefolgschafts-mitglieder“58 für diese Form organisierter Feierabendgestaltung zu mo-bilisieren.

Neben dem Betriebssport bildeten Wanderungen und Ausflugsfahr-ten, die offenbar überwiegend von „KdF“-Funktionären an den Werkenorganisiert wurden, einen zweiten Schwerpunkt des Freizeitangebotesfür die Arbeiter und Angestellten der DWK. Von 1934 erschienen in derWerkszeitung ausführliche, teils bebilderte Erlebnis- und „Stimmungs-berichte“, in denen begeisterte Teilnehmer von Wanderungen mit hei-matkundlichem Beiprogramm und später auch von Fahrten in weiterentfernte Gegenden Deutschlands oder gar in skandinavische Nachbar-länder schwärmten. Zumindest die Wandertätigkeit, zu deren Betreuung„KdF“ an den Deutschen Werken eigens eine Hierarchie von „Wander-warten“ und „Wandergruppenführern“ unterhielt, wurde offenbar auchin Kriegszeiten aufrecht erhalten. Während die Berichte in der Werks-zeitung den Eindruck vermitteln, dass sich die Wanderungen und Aus-

Nächste Seite:Abb. 18: Sport als Propagandainszenie-rung: Betriebssportfest der DWK auf demNordmarksportfeld.

58 „10 Jahre Betriebssport in unseremWerk”, in: Werkszeitung, Betriebssport-Sondernummer/1.10.1944, S. 2.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung 289

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 289

Page 44: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 290

Page 45: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 291

Page 46: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

flugsfahrten nennenswerter Beteiligung und einer gewissen Popularitäterfreuten, finden sich darin vor allem in den Kriegsjahren kaum nochHinweise auf die propagandistisch-erzieherischen Ambitionen, die vorallem die DAF ursprünglich an diese Aktivitäten geknüpft hatte.

Ob auch die zahlreichen betrieblichen „Liebhabergruppen“ mitWerkszuschüssen rechnen konnten, in denen sich Werksangehörige derDWK der Pflege ihres gemeinsamen Hobbys widmeten, ist unklar.Überhaupt fand die Tätigkeit von Kleingärtnern, Kleintierzüchtern,Freunden des „Gemeinschaftsgesanges“ oder des „Photographierens“in der Werkszeitung kaum einen Niederschlag, obwohl deren Redaktionzunächst durchaus an derlei Beiträgen interessiert war. Häufiger wirdindessen über „kameradschaftliche Geselligkeiten“ einzelner Werks-gliederungen berichtet, für die Zuschüsse bereitstanden, die teilweiseaus den Überschüssen des Kantinenverkaufes stammten. Ebenso wie dieAusflüge und Wanderungen erscheinen auch die geselligen Werksaben-de im Lichte der Teilnehmerberichte in der Werkszeitung eher als unpo-litische oder nur oberflächlich politisierte Veranstaltungen zur Volksbe-lustigung in bescheidenem Rahmen. Gerade dies erklärt jedoch mögli-cherweise ihren Popularitätserfolg: Ein Alltag voll harter Arbeitsbela-stung, später dazu noch unter Kriegsbedingungen, war sicherlich leich-ter zu ertragen, wenn es von Zeit zu Zeit ermöglicht wurde, ihn samtseiner propagandistischen Politisierung für ein paar Stunden hinter sichzu lassen.

Ähnliches gilt offenbar auch für den kulturellen Bereich der DAF-Feierabendgestaltung an den Deutschen Werken. Obwohl Nutzen undNotwendigkeit „kultureller Betreuung“ in Grundsatzartikeln der Werks-zeitung mit deren weltanschaulich-erzieherischem Wert angesichts ei-ner „Vergiftung“ der Volksseele durch Juden und Marxisten begründetwurde, traten ideologische Aspekte in Berichten über die vor Ort betrie-bene Kulturförderung kaum in den Vordergrund, so etwa, wenn etwaüber den betrieblich geförderten Besuch von DWK-Beschäftigten in öf-fentlichen Kulturveranstaltungen oder das Leseangebot der bereits vor

Abb. 19: „Betriebswanderung unterFührung des Betriebswanderwartes“ (Original-Bildunterschrift)

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung292

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 292

Page 47: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

der Jahrhundertwende gegründeten Werksbücherei berichtet wird. Auchals es „Kraft durch Freude“ 1936 gelang, eine Betriebskunstausstellungauf die Beine zu stellen und ein Jahr später in der Kraftwagenhalle einOrchesterkonzert stattfand, beschränkten sich offen ideologischeAnklänge in der Präsentation der Werkszeitung auf eher vage Deutsch-tums-Floskeln.

Gerne wurde hingegen als besonderes Verdienst von DAF undWerksleitung hervorgehoben, dass man sich überhaupt darum bemühte,„die Kunst wieder zum Volke und das Volk wieder zur Kunst zuführen“.59 Viel mehr als auf politisches Wortgeklingel, an dem es in jenerZeit ohnehin ein Überangebot gab, schien man hier auf die propagandi-stische Wirkung zu setzen, die sich entfaltet haben dürfte, wenn etwa imVorfeld der Betriebskunstausstellung die dort ausstellenden Künstler„auf einige Wochen“ am Betriebsleben teilnahmen und dieses zum Ge-genstand ihrer Werke machten.

Während auf die „Erste Betriebs-Kunstausstellung“ und das „ErsteWerkspausenkonzert“ offenbar keine weiteren kulturellen Großereignis-se in Werksgebäuden folgten, blieben die Werksbüchereien in Kiel undFriedrichsort ebenso wie betrieblich geförderte Besuche von Theater,Bildungsvorträgen, Kino- und Varietévorstellungen bis in die Kriegsjah-re hinein Bestandteile der „kulturellen Betreuung“ an den DeutschenWerken. Es gibt jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass die sozialpoliti-sche Wirkung dieser Art kultureller Erbauung darüber hinausging, „denin angestrengter Arbeit stehenden Arbeitskameraden einen Ausgleichzur beruflichen Tätigkeit“60 im Kriegsalltag zu bieten.

Abb. 20: Lesen unter Aufsicht: Die DWK-Werksbücherei.

59 „Erste Betriebs-Kunstausstellung”, in:Werkszeitung, 7/1936 , S. 9.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung 293

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 293

Page 48: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass organisierte Freizeitgestal-tung und „kulturelle Betreuung“ an den Deutschen Werken indirektdurchaus eine sozialpolitische Funktion erfüllte, die bescheidenerWerkszuschüsse allemal lohnte: Statt die angespannte soziale Situationder arbeitenden Menschen wirklich zu verbessern, lenkten sie davon abund bot Lebensbedürfnissen ein kontrollierbares Ventil, die zufrieden-zustellen sonst sicherlich einer kostspieligeren Lohn- oder Sozialpolitikbedurft hätte. Und bist du nicht willig… Um aus den Arbeitern und Angestellten derDWK, deren Werksgelände in Kiel-Gaarden 1918 noch Schauplatz re-volutionärer Ereignisse gewesen war, eine leistungsfreudige, gehorsame„Gefolgschaft“ zu formen, verließ man sich nicht allein auf betrieblicheSozialpolitik. Vielmehr ist der Erfolg jeglicher sozialpolitischen Integra-tionsangebote und Beihilfen einzuschätzen, ohne die Drohkulisse ausÜberwachung und Repression auszuleuchten, die ihren Hintergrunddarstellte.

Grundsätzlich sah die Betriebsordnung der Deutschen Werke ein In-strumentarium betrieblicher „Bußen“ vor, das dem „Betriebsführer“ zurBestrafung von Arbeitnehmern zur Verfügung stand, denen Verstöße ge-gen die Sicherheit oder gegen die Ordnung im Betrieb zur Last gelegtwurden. Dieses Instrumentarium reichte von milderen Sanktionen wie„Warnungen“, „Verweisen“ und Geldbußen bis zu einem halben Tages-verdienst, die auch von Abteilungs-, Betriebs- und Büroleitern in eige-ner Verantwortung verhängt werden konnten, bis zum einjährigen „Aus-schluß von Betriebswohlfahrtseinrichtungen“ oder zur fristlosen Entlas-sung.

Die letztgenannte Strafe, mit der auch eine „vorsätzliche Verletzungder Betriebsgemeinschaft“ geahndet werden konnte, dürfte mit zuneh-mender Verschärfung des Arbeitskräftemangels indessen kaum mehrzur Anwendung gekommen sein. Vielmehr ging man im Laufe des Krie-ges dazu über, renitenten Arbeitern nicht mehr mit Arbeitslosigkeit oderGefängnis zu drohen, sondern mit härtester Zwangsarbeit in „Arbeitser-ziehungslagern“. Auch in Kiel gab es von 1944 an mit dem „Arbeitser-ziehungslager Nordmark“ eine solche Strafeinrichtung, die in der Be-handlung ihrer Häftlinge einem Konzentrationslager an Unmenschlich-keit kaum nachstand. Wer die bis zu zweimonatige Haft in einem sol-chen Lager überlebte und danach noch in der Lage dazu war, an seinenalten Arbeitsplatz zurückzukehren, bot in der Regel ein ausgesprochenabschreckendes Bild für seine Kollegen.61

Über die Einweisung in ein Arbeitserziehungslager hatte allerdingsnicht der Betriebsführer zu entscheiden, sondern die Geheime Staatspo-lizei. Grundsätzlich sollten polizeiliche Behörden, solange es um Ver-fehlungen deutscher Betriebsangehöriger ging, erst dann eingeschaltetwerden, wenn innerbetriebliche Disziplinierungsmittel erschöpft waren.Allerdings verfügte die Gestapo in Rüstungsunternehmen wie der DWKüber ein Netz von sogenannten Verbindungs- oder Vertrauensleuten(„V-Leuten“), deren Spitzeltätigkeit es ihnen ermöglichte, auch ohneMeldung durch die Werksleitung gegen einzelne Betriebsangehörigevorzugehen. Dabei kooperierte sie eng mit den betriebsinternen Struktu-ren zur Abwehr von Spionage und Sabotage, an deren Spitze der von der

60 „Betriebsgemeinschaft Deutsche Wer-ke”, in: Werkszeitung, 3/1943, S. 5.61 Vgl. Detlef Korte, „Erziehung” insMassengrab. Die Geschichte des “Arbeits-erziehungslagers Nordmark” Kiel-Rus-see1944-1945, S. 42.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung294

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 294

Page 49: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

Wehrmacht ernannte „Abwehrbeauftragte“ stand, im Falle der DWKOtto Neuerburg, später Autor einer Darstellung der Geschichte derWerft. Dem Abwehrbeauftragtem unterstand auch die betriebliche Si-cherheitstruppe, der Werkschutz.

Fälle von „Sabotage“, worunter auch Beeinträchtigungen der Pro-duktion durch langsames Arbeiten, unerwünschte politische Betätigungoder offen gezeigte Unzufriedenheit gerechnet werden konnten, kamenin der Regel vor das für Kiel zuständige Sondergericht.62 Die Spanne derStrafen, die dieses Instrument der NS-Justiz zur Ahndung vor allem po-litischer Delikte verhängen konnte, reichte bis zum Todesurteil.

Eingriffe der Gestapo oder Verfahren vor dem Sondergericht, die Ar-beiter der DWK betrafen, sind in den hier zu Grunde liegenden Quellennur vereinzelt zu belegen. So ist in den „Deutschland-Berichten“ derSopade zu lesen, dass unmittelbar nach der manipulierten Reichstags-wahl vom 29. März 1936 auch auf den Deutschen Werken „einige Leu-te“ verhaftet und bis auf weiteres von der Gestapo in Gewahrsam ge-nommen wurden, die „Zweifel an dem Wahlresultat“63 geäußert hatten.Ebenfalls aus dem Frühjahr 1936 stammt ein sozialdemokratischer Be-richt, demzufolge bei einer großangelegten Verhaftungsaktion, die sichgegen eine vermutete Unterwanderung der Kieler SA durch nach wievor kommunistisch eingestellte Arbeiter richtete, „vier Metallarbeitervon der Werft ,Deutsche Werke‘ […] in dem Arbeitssa[a]l festgenom-men“64 wurden. Hingegen gingen die sozialdemokratischen Berichter-statter hinsichtlich des Vorgangs, der im Sommer 1937 zur Verhaftungeiner ganzen Gruppe von über 30 Schweißern wegen „Sabotage beimKriegsschiffbau“ führte, nicht von einer politisch motivierten Wider-standshandlung aus, sondern schlicht von „Akkordschinderei“, also ab-sichtlich flüchtigem Arbeiten zur Erhöhung des Akkordverdienstes.65

Selbst wenn man annimmt, dass es bei den Deutschen Werken überdiese Vorkommnisse hinaus nicht zu offenen Eingriffen der Gestapokam, kann man auch den aufgeführten Fällen entnehmen, dass Unter-ordnung und zumindest äußerliche politische Anpassung auch in den„Betriebsgemeinschaften“ der DWK nicht nur durch das Angebot be-trieblicher Sozialleistungen ermuntert, sondern notfalls auch durch poli-zeiliche Strafmaßnahmen eingefordert wurden. Diese Drohung schreck-te oppositionelle Aktivitäten umso wirksamer ab, als sich deren mögli-che Träger zunehmend darüber bewußt waren, dass sie sich mit offenenkritischen Worten am Arbeitsplatz stets der Gefahr einer Denunziationdurch Spitzel aussetzten. Diese Gefahr verschärfte sich sozialdemokra-tischen Gewährsleuten zufolge im Sommer 1936, als es zu einer vor-übergehenden Entspannung des Arbeitskräftemangels kam.

Eine weitere Verschärfung der Überwachungsmaßnahmen in denRüstungsbetrieben erfolgte in den Kriegsjahren im Zuge des Einsatzesausländischer Arbeiter und Arbeiterinnen. Wurde der Einsatz ausländi-scher Arbeiter von den NS-Behörden insgesamt als Quelle besondererGefahren für das „deutsche Volkstum“ und für die Sicherheit der Rü-stungsindustrie vor politischer Destabilisierung, Sabotage und Spionageangesehen, so gingen die Sicherheitsorgane gegen Ausländer auch beinichtigen Anlässen hart vor. So wurde etwa ein niederländischer„Fremdarbeiter“ der DWK, der sich im September 1943 über eine bald

62 Vgl. Robert Bohn / Uwe Danker(Hg.), „Standgericht der inneren Front”.Das Sondergericht Altona/Kiel 1932-1945, Hamburg 1998. 63 Sopade, Deutschland-Berichte, Jg.1936, S. 449.64 Bericht vom 19.4.1936, in: AdsD, Be-stand SPD-PV/Exil, Mappe 48.65 Sopade, Deutschland-Berichte, Jg.1937, S. 794.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung 295

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 295

Page 50: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

bevorstehende Niederlage Deutschlands geäußert hatte und beim Ab-wehrbeauftragten denunziert worden war, lediglich aufgrund dieserÄußerung vom Sondergericht Kiel zu einem Jahr und drei Monaten Haftverurteilt.66

Generell wurden die ausländischen Arbeiter, von denen nur einBruchteil mehr oder minder freiwillig zur Arbeit nach Kiel gekommenwar, je nach Herkunftsland sehr unterschiedlich behandelt: Entspre-chend dem rassistischen Menschenbild der Nationalsozialisten und an-gepasst an die außenpolitische Bündnislage wurde von höchster Stelledie Einhaltung einer Völkerhierarchie eingefordert, an deren Spitze die„germanischen“ Nachbarvölker Deutschlands standen, gefolgt von an-deren Westeuropäern und Angehörigen verbündeter Staaten Mitteleuro-pas. Am unteren Ende der Skala rangierten die Polen und noch darunterdie zahlreichen zivilen Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen aus derSowjetunion, die sogenannten „Ostarbeiter“. Diese Hackordnung derDiskriminierung, die in der Praxis vielfach auf die Unterteilung in West-arbeiter und Ostarbeiter im weiteren Sinne reduziert wurde, hatte erheb-liche Auswirkungen auf Bewegungsfreiheit, Unterbringung und Entloh-nung der ausländischen Arbeiter. Auch von Betrieb zu Betrieb konntensich die Lebens- und Arbeitsbedingungen ausländischer Arbeiter durch-aus erheblich unterscheiden: Je nachdem, wie die einzelnen „Betriebs-führer“ und übrigen Vorgesetzten die Willkürspielräume nutzten, die ih-nen im Umgang mit den ihnen unterstellten Ausländern eingeräumtwurden, konnte es in einzelnen Betrieben mehr oder eben weniger un-menschliche Zustände geben.

Wie war es darum bei den Deutschen Werken bestellt ? In seinerWerksgeschichte beteuert Otto Neuerburg, die „von der Betriebsführungin klarer Erkenntnis der Sachlage durchgeführte Personalpolitik“ habe„auch dem primitivsten Weißrussen und Ukrainer ein menschlichesDasein [geschaffen], das ihn, soweit es möglich war, beglückte.“67

Während diese ungelenke Apologie des DWK-Abwehrbeauftragten inihrer Mischung aus Rechtfertigungsbedürfnis, unwillkürlich offenbar-tem Rassismus und technokratischem „Arbeitseinsatz“-Jargon wenigglaubwürdig wirkt, zeugen die wenigen Quellen, die über die Behand-lung von Ausländern bei den Deutschen Werken Auskunft geben, voneiner durchaus mit Überzeugung umgesetzten, konsequenten Diskrimi-nierung der Ausländer gegenüber den deutschen Arbeitern, die sich kei-neswegs darauf beschränkte, nur den staatlichen Vorschriften Genüge zutun.

Dies wird etwa an einem Vorgang im Herbst 1941 deutlich, als pol-nische Zivilarbeiter für die Arbeit bei der DWK tatsächlich noch „durcheigene Sachbearbeiter auf freiwilliger Basis“68 angeworben wurden: Alsder Leiter eines Krakauer Werbebüros deutscher Großbetriebe, Dr.Lehrmann, vorschlug, die Attraktivität einer Arbeitsaufnahme inDeutschland durch Gewährung bescheidener betrieblicher Sonderlei-stungen für polnische Arbeiter zu erhöhen, empörte dies die DWK-Werksleitung derart, dass sie sich in vorauseilendem Gehorsam an diefür Wirtschaftsfragen zuständige Stelle der NSDAP-Kreisleitung Kielwandte.69 Wie sehr man bei den Deutschen Werken bis zuletzt darauf be-dacht war, bei der Zuteilung von betrieblichen Sozialleistungen eine

66 Vgl. J. Tillmann-Mumm, „Fremdarbei-tereinsatz”, S. 28. 67 O. Neuerburg, Menschenwerk,S. 389. Vgl. ähnliche Aussagen Neuer-burgs mit Bezug auf französische und itali-enische Arbeiter, ebd., S. 388. 68 O. Neuerburg, Menschenwerk,S. 388.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung296

08 DWK 02.06.2008 12:44 Uhr Seite 296

Page 51: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

strikte Trennlinie zwischen deutschen „Gefolgschaftsmitgliedern“ undAusländern zu ziehen, zeigt ein Ereignis aus dem Frühjahr 1945. Alssich ein flämischer Verbindungsmann der DAF darüber beklagte, dassseine im Friedrichsorter Werk der DWK beschäftigten Landsleute derFormel von der „germanischen Schicksalsgemeinschaft“ zum Trotz vonLebensmittelsonderzuteilungen ebenso ausgeschlossen wurden wie diepolnischen und die russischen Arbeiter, erhielt er vom zuständigen Be-auftragten der Werksleitung zur Antwort:

„Wenn aber extra Verteilungen durch unser Werk gegeben werden,die nur für Deutsche bestimmt sind, kann man es an Ausländer nicht ab-geben. Im übrigen wache ich schon darüber, dass jeder Ausländer seinegerechte Behandlung erhält.“70

Mithin spiegelte sich das ideologische Leitbild der „Volksgemein-schaft“ auch in seinem rassistischen Aspekt in der „Betriebsgemein-schaft“ der DWK wieder: Ob ein Arbeiter in den Genuss der Leistungenbetrieblicher Sozialpolitik kam oder nicht, hing nicht nur davon ab, ober Leistung, Unterordnung und politische Anpassung an den Tag legte.Er musste auch deutscher „Volksgenosse“ sein. Schlussbetrachtung. Welches Gesamtprofil ergibt sich aus der angestelltenUntersuchung für die betriebliche Sozialpolitik der Deutsche WerkeKiel AG im „Dritten Reich“?

Obwohl in dem Mosaikbild, das sich auf der Grundlage der For-schungsliteratur und der ausgewerteten Quellen zusammentragen ließ,wichtige Steine fehlen, treten darauf gewisse Grundzüge der Sozialpoli-tik, die zwischen 1933 und 1945 von dem größten Werft- und Maschi-nenbauunternehmen der Kieler Rüstungswirtschaft betrieben wurde,recht deutlich hervor. „Gefolgschaftsbetreuung“: Das war in den Jahrennationalsozialistischer Herrschaft nicht nur die Bezeichnung einerDienststelle der Deutschen Werke zur Verwaltung von Arbeitnehmeran-gelegenheiten. Vielmehr lassen sich zahlreiche Kontinuitätselementeder DWK-Sozialpolitik auf diesen Nenner bringen: Hatte die national-sozialistische Machtergreifung nicht nur sichere Arbeitsplätze an derRüstungswerft geschaffen, sondern Arbeiter und Angestellte auch ihrerpolitischen, gewerkschaftlichen und betrieblichen Selbst- und Mitbe-stimmungsrechte beraubt, so bedurfte es einer erfolgreichen, „betreuen-den“ Sozialpolitik, um die Arbeitnehmer davon zu überzeugen, auch alsentmündigte „Gefolgschaft“ sozial gut aufgehoben zu sein. Diese Not-wendigkeit musste verstärkt hervortreten, als die RüstungskonjunkturArbeitsplatzsicherheit zu einer Selbstverständlichkeit machte und dieschließlich einsetzende Kriegswirtschaft zu einer erheblichen Steige-rung der Arbeitsbelastung ohne entsprechende Einkommenskompensa-tion führte.

Dementsprechend war ein Großteil der sozialpolitischen Maßnah-men und sozialpolitisch motivierten, organisierten Freizeitaktivitäten anden Deutschen Werken darauf ausgerichtet, „Betriebszufriedenheit“ zuerzielen und sozialer Unzufriedenheit entgegenzutreten – ohne dafürmehr finanzielle Mittel aufwenden zu müssen, als irgend notwendigwar. Diese Grundtendenz kann als Kompromißlinie zwischen den teilskonträren Interessen der Akteure verstanden werden, die auf die Gestal-tung der DWK-Sozialpolitik Einfluss ausübten: Während die DAF

69 Vgl. Schreiben der Deutsche WerkeKiel AG an den Kreiswirtschaftsberater derNSDAP-Kreisleitung Kiel beim ArbeitsamtKiel vom 20. 11. 1941, LAS, Abt 454/4,Bl. 301034. 70 LAS, Abt. 455/21.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung 297

08 DWK 02.06.2008 12:45 Uhr Seite 297

Page 52: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

schon aus verbandspolitischem Eigeninteresse grundsätzlich an einemAusbau ihrer Präsenz in den Betrieben durch möglichst vielfältige sozi-alpolitische Aktivitäten interessiert war, konzentrierte sich die Auf-sichtsfunktion des (Reichs-)Treuhänders der Arbeit im Zuge der staatli-chen Bemühungen um eine Stabilisierung der Arbeitskosten immermehr darauf, Mehrausgaben der Unternehmen für sozialpolitischeZwecke – und damit letztlich Preissteigerungen – zu unterbinden. DieKriegsmarine wiederum, die auf eine belastbare Einsatzbereitschaft undLoyalität der dort beschäftigten Arbeiter unmittelbar angewiesen warund mit der DWK zudem durch Tradition, persönliche Kontakte undenge sozialpolitische Zusammenarbeit verbunden war, machte ihrenEinfluß in vielen Einzelbereichen zugunsten eines Ausbaus sozialpoliti-scher Aktivitäten der DWK geltend.

Zwischen diesen Interessen und Einflüssen bemühte sich die DWKum eine gleichzeitig umfassende, dabei aber möglichst kostensparendesozialpolitische „Betreuung“ ihrer „Gefolgschaftsmitglieder“. Diesesausgeprägte Kostenbewusstsein der Betriebsführung beim Zuschnitt so-zialpolitischer Maßnahmen tritt etwa im Finanzierungsmodell „EineStunde Arbeit für die Anderen“ oder in der fast ausschließlichen Bei-tragsfinanzierung der betrieblichen Hilfskassen zu Tage: Werkseinrich-tungen zur Erholung und zur Absicherung gegen Lebens- und Arbeitsri-siken wurden überwiegend aus einbehaltenen Arbeitsentgelten der Be-schäftigten finanziert. Auch die Werkszuschüsse für die recht breit ge-fächerten „KdF“-Aktivitäten zur Feierabendgestaltung dürften als sozi-alpolitische Geste weit mehr ins Gewicht gefallen sein denn als Ausga-benposten für die Unternehmenskasse. Letzteres lässt sich für den erst1937 ernsthaft in Angriff genommenen Werkswohnungsbau sicherlichnicht behaupten.

Auch wenn anhand der ausgewerteten Quellen nicht beziffert wer-den kann, in welchem Umfang der Wohnungsbau für die DWK zu Bu-che schlug, deren Aktienkapital zwischen 1934 und 1940 von 11 auf 50Millionen Reichsmark aufgestockt wurde, steht kaum in Zweifel, dasses sich hierbei nicht um eine Variante der in jeder Hinsicht wohlfeilen,ablenkenden, vor allem auf propagandistische Wirkung abzielendenPseudo-Sozialpolitik handelte, wie sie „KdF“ an den Werken betrieb.Vielmehr handelte es sich um eine Maßnahme, die angesichts der KielerWohnungsnot jener Jahre zur Aufrechterhaltung des sozialen Friedenszwingend notwendig war.

In welcher Höhe die DWK insgesamt Mittel für Zwecke der betrieb-lichen Sozialpolitik aufwandte, kann auf der Grundlage der vorliegen-den Quellen nicht beziffert werden. Die wenigen Zahlen, die einenpunktuellen Vergleich der Sozialleistungen der DWK mit jenen andererKieler Werften ermöglichen, weisen jedoch darauf hin, dass die voll-ständig in Staatsbesitz befindliche, aber privatrechtlich strukturierte Ak-tiengesellschaft DWK mit ihren materiellen Sozialleistungen in etwaauf demselben Niveau lag wie die benachbarte Germania-Werft, diezum Krupp-Konzern gehörte. Indessen lagen zumindest einige ihrerLeistungen unter dem, was die unmittelbar von Militärstellen verwalteteKriegsmarinewerft aufbieten konnte, um sich der Loyalität ihrer Be-schäftigten zu versichern.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung298

08 DWK 02.06.2008 12:45 Uhr Seite 298

Page 53: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

Dass die DWK im Gegenzug für ihre „freiwilligen“ Sozialleistun-gen durchaus etwas von ihren „Gefolgschaftsmitgliedern“ erwartete,wird daran deutlich, dass auf die meisten Hilfen auch bei Erfüllung derdaran gebundenen Bedingungen in der Regel keinerlei Anspruch be-stand. War von den zuständigen Vorgesetzten oder Werksdienststellenvielmehr im Einzelfall zu entscheiden, ob eine betriebliche Hilfe „ge-währt“ werden sollte oder nicht, so eröffnete dies Spielräume für indivi-duelle Bevorzugung oder Abstrafung. Wie von diesen Spielräumen inder sozialpolitischen Praxis der DWK Gebrauch gemacht wurde, ist ausden Quellen allerdings nicht ersichtlich. Die offene Bevorzugunglangjähriger Nationalsozialisten bei der Zuteilung von Sozialleistungenmacht jedoch deutlich, dass nicht allein Anpassung und Leistung inner-halb des Betriebes belohnt wurden, sondern auch politische Loyalitätzur Sache des herrschenden Regimes. Auch die staatlichen Vorgaben,die eine deutliche Besserstellung der deutschen Arbeitnehmer gegenü-ber den ausländischen Arbeitskräften der Kriegsjahre verlangten, wur-den an den Deutschen Werken mit Eifer umgesetzt. Damit erhielt der imübrigen eher autoritär-paternalistische Gesamtcharakter der DWK-Sozi-alpolitik einen spezifisch nationalsozialistischen Zug.

Wie reagierte die „Gefolgschaft“ der Deutschen Werke auf die um-fassende „Betreuung“ durch Werkseinrichtungen und DAF-Aktivitäten?Wie war es um den sozialen Frieden in der bejubelten „Betriebsgemein-schaft“ tatsächlich bestellt? Während sowohl Berichte von Gewährsleu-ten der illegalen Sozialdemokratie als auch solche der Kieler Staatspoli-zei und der Gau-Informationsabteilung der DAF in den ersten drei Jah-ren der NS-Herrschaft von verbreiteter Skepsis und zeitweise immerwieder um sich greifender Unzufriedenheit unter den Werftarbeitern be-richten, gibt es aus späterer Zeit keine aussagekräftigen Quellen überdie Zufriedenheit der DWK-Arbeiter mit der betrieblichen Sozialpolitikihres Arbeitgebers. Indessen finden sogar in der propagandistischen Be-richterstattung der Werkszeitung neben den erwartungsgemäß zahlrei-chen, mit ideologischen Floskeln und weltanschaulichen Bekenntnissengesättigten Lobartikeln überzeugter Nationalsozialisten auch Signale ei-ner anderen Einstellung gegenüber den betrieblichen Verhältnissen ei-nen gewissen Widerhall: Nicht selten wenden sich mahnende Artikel anUnzufriedene oder polemisieren gegen „Unbelehrbare“, „Meckerer“ und„Bummelanten“. Ausmaß, politische Qualität und Verbreitung dieserUnzufriedenheit können jedoch auf dieser Grundlage nicht ermessenwerden.

Immerhin ging die Produktion bei den Deutschen Werken nach al-lem, was aus den vorliegenden Quellen und früheren Forschungen her-vorgeht, bis zu ihrem späten, durch britische und US-amerikanischeBomber erzwungenen Ende weitgehend ungestört von größeren Aktender Sabotage oder Arbeitsverweigerung vonstatten. Maßnahmen be-trieblicher Sozialpolitik, die den Arbeitnehmern dabei halfen, die All-tagsprobleme des Krieges zu meistern, dessen Vorbereitung ihrem Ar-beitgeber ein beispielloses Unternehmenswachstum und ihnen selbstgesicherte Arbeit verschafft hatte, haben hierzu zweifellos ihren Beitraggeleistet: Da einige dieser Leistungen, wie die bei Kriegsbeginn fast einDrittel des Normalverdienstes ausmachenden Leistungs- und Lohnzula-

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung 299

08 DWK 02.06.2008 12:45 Uhr Seite 299

Page 54: Daniel Roth: Gefolgschafts- betreuung...2 „Etwas über Sozialpolitik”, in: Werks- Zeitung Deutsche Werke Aktiengesell- schaft, Folge 1/Jg. 1936, S. 2. 3 Einen Überblick über

gen, die betriebliche Lebensmittelversorgung und die Wohnungsbe-schaffungsmaßnahmen der DWK für die Befriedigung elementarsterLebensbedürfnisse vieler dort Arbeitender nahezu unverzichtbar gewe-sen sein dürften, ist der disziplinierende Effekt, der davon ausging, dasssie individuell jederzeit zu verweigern waren, kaum zu überschätzen.Festzuhalten bleibt zudem, dass neben dem Zuckerbrot sozialpolitischer„Betreuung“ auch die Peitsche scharfer Überwachungsmaßnahmen unddrastischer Strafandrohungen ihren Anteil daran hatten, dass die Arbeit-nehmer der Deutschen Werke Kiel AG zumindest in ihrer übergroßenMehrheit bis zum Ende im alliierten Bombenhagel die ihnen zugedachteRolle hinnahmen, als entmündigte „Gefolgschaft“ Waffen für HitlersKrieg zu bauen.

Daniel Roth Gefolgschaftsbetreuung300

08 DWK 02.06.2008 12:45 Uhr Seite 300