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- 1 - Institut Weiterbildung und Beratung / Modul M1 Integrative Begabungs- und Begabtenförderung MA, MAS, CAS Text: Martina Kolcava überarbeitet von Stephanie Schmitt-Bosslet Im Folgenden werden mehrere Modelle der Hochbegabung vorgestellt. Aus ihrer Anordnung lässt sich eine Reihe von Entwicklungen in der Intelligenz- und Begabungsforschung im ausge- henden 20. Jahrhundert herauslesen. Das wohl bekannteste und dennoch einfachste Modell ist das Drei-Ringe-Modell von Renzulli, der sich damit von der bis dahin vorherrschenden Theorie der reinen Intelligenzdefinition von Hochbegabung distanziert, indem er zwei weitere Komponenten und das Umfeld hinzufügt. Das Drei-Ringe-Modell von J. Renzulli (1978) Abb. 1 Das Drei-Ringe-Modell nach Renzulli und der Houndstooth- Hintergrund 1978 ( www.gifted.uconn.edu) Im Drei-Ringe-Modell löst das Zusammenspiel dreier Faktoren einen dynamischen Prozess aus, wel- cher unter Einbezug des persönlichen Umfeldes, symbolisiert durch den Hintergrund, zu hochbegab- tem Verhalten und zu hoher Leistung führt bzw. führen kann. Zu den überdurchschnittlichen Fähigkeiten (above average ability) zählt Renzulli sowohl all- gemeine kognitive Fähigkeiten (Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten, Erfahrungen zu integrie- ren und sich so in neuen Situationen angemessen zu verhalten, sowie logisch-abstrakt zu denken) als auch spezielle Fähigkeiten (Fähigkeit, Wissen oder Fertigkeiten in einem oder mehreren spezi- fischen Wissens- oder Tätigkeitsbereichen zu erwerben und einzusetzen). Unter Kreativität (creativity), auch Gestaltungswille und Produktivität, versteht Renzulli eine be- stimmte Form des Lösungsverhaltens für Aufgaben, Vorstellungsreichtum, Flexibilität und Origina- lität im Denken, Offenheit und Sensibilität für Neues, Neugier, abenteuerliches und geistig spieleri- sches Verhalten und Sensibilität für Details. Mit Engagement (task commitment) ist die Fähigkeit einer Person gemeint, sich intensiv und über längere Zeit einer Aufgabe zuzuwenden. Dieses Merkmal ist nicht mit purer Motivation gleichzuset- zen, sondern zeigt sich in Form eines Leistungswillens und der Einstellung zu Wissen und Lernen. Ver- langt wird ein hohes Ausmass an Interesse, Begeisterung und Ausdauer in Bezug auf einen be- stimmten Problembereich. Renzulli distanziert sich deutlich von einer rein statischen Intelligenzdefinition und bringt seine stärker entwicklungsorientierte Position durch die Auffassung zum Ausdruck, dass eine Person nicht als hochbegabt geboren wird, sondern vielmehr hochbegabtes Verhalten entwickelt. Voraussetzung für diese dynamische Entwicklung von Begabungen ist allerdings das optimale Zusammenwirken dieser drei Persönlichkeitsmerkmale. Nur dann können sich hohe Leistungen zeigen. Renzulli be- tont, dass er mit seiner Hochbegabungskonzeption vor allem das Ziel verfolgte, eine möglichst gro- ße Gruppe von potentiell Hochbegabten zu entdecken. Er lehnt die einseitige Diagnostik über In- telligenztests ab und fordert, dass Faktoren wie Aufgabenzuwendung und Kreativität berücksichtigt werden müssen, um nicht nur die sogenannten "Schulbegabten" zu entdecken, sondern auch die "kreativ-produktiv Begabten" Begabungs-, Entwicklungs- und Leistungsmodelle

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Institut Weiterbildung und Beratung / Modul M1 Integrative Begabungs- und Begabtenförderung MA, MAS, CAS

Text: Martina Kolcava überarbeitet von Stephanie Schmitt-Bosslet

 

 

Im Folgenden werden mehrere Modelle der Hochbegabung vorgestellt. Aus ihrer Anordnung lässt sich eine Reihe von Entwicklungen in der Intelligenz- und Begabungsforschung im ausge-henden 20. Jahrhundert herauslesen. Das wohl bekannteste und dennoch einfachste Modell ist das Drei-Ringe-Modell von Renzulli, der sich damit von der bis dahin vorherrschenden Theorie der reinen Intelligenzdefinition von Hochbegabung distanziert, indem er zwei weitere Komponenten und das Umfeld hinzufügt.

Das Drei-Ringe-Modell von J. Renzulli (1978)

Abb. 1 Das Drei-Ringe-Modell nach Renzulli und der Houndstooth- Hintergrund 1978 ( www.gifted.uconn.edu)

Im Drei-Ringe-Modell löst das Zusammenspiel dreier Faktoren einen dynamischen Prozess aus, wel-cher unter Einbezug des persönlichen Umfeldes, symbolisiert durch den Hintergrund, zu hochbegab-tem Verhalten und zu hoher Leistung führt bzw. führen kann.

Zu den überdurchschnittlichen Fähigkeiten (above average ability) zählt Renzulli sowohl all-gemeine kognitive Fähigkeiten (Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten, Erfahrungen zu integrie-ren und sich so in neuen Situationen angemessen zu verhalten, sowie logisch-abstrakt zu denken) als auch spezielle Fähigkeiten (Fähigkeit, Wissen oder Fertigkeiten in einem oder mehreren spezi-fischen Wissens- oder Tätigkeitsbereichen zu erwerben und einzusetzen).

Unter Kreativität (creativity), auch Gestaltungswille und Produktivität, versteht Renzulli eine be-stimmte Form des Lösungsverhaltens für Aufgaben, Vorstellungsreichtum, Flexibilität und Origina-lität im Denken, Offenheit und Sensibilität für Neues, Neugier, abenteuerliches und geistig spieleri-sches Verhalten und Sensibilität für Details.

Mit Engagement (task commitment) ist die Fähigkeit einer Person gemeint, sich intensiv und über längere Zeit einer Aufgabe zuzuwenden. Dieses Merkmal ist nicht mit purer Motivation gleichzuset-zen, sondern zeigt sich in Form eines Leistungswillens und der Einstellung zu Wissen und Lernen. Ver-langt wird ein hohes Ausmass an Interesse, Begeisterung und Ausdauer in Bezug auf einen be-stimmten Problembereich.

Renzulli distanziert sich deutlich von einer rein statischen Intelligenzdefinition und bringt seine stärker entwicklungsorientierte Position durch die Auffassung zum Ausdruck, dass eine Person nicht als hochbegabt geboren wird, sondern vielmehr hochbegabtes Verhalten entwickelt. Voraussetzung für diese dynamische Entwicklung von Begabungen ist allerdings das optimale Zusammenwirken dieser drei Persönlichkeitsmerkmale. Nur dann können sich hohe Leistungen zeigen. Renzulli be-tont, dass er mit seiner Hochbegabungskonzeption vor allem das Ziel verfolgte, eine möglichst gro-ße Gruppe von potentiell Hochbegabten zu entdecken. Er lehnt die einseitige Diagnostik über In-telligenztests ab und fordert, dass Faktoren wie Aufgabenzuwendung und Kreativität berücksichtigt werden müssen, um nicht nur die sogenannten "Schulbegabten" zu entdecken, sondern auch die "kreativ-produktiv Begabten"

Begabungs-, Entwicklungs- und Leistungsmodelle

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Eingebettet in einen Sozialen Hintergrund repräsentiert das Drei-Ringe-Modell die Interaktion zwi-schen individueller Persönlichkeit bzw. individuellen nicht-kognitiven Eigenschaften und sozialer Um-welt, die als Begleitfaktoren zur Entwicklung der drei als Merkmalsbündel aufgefassten Komponenten beitragen und begabtes Verhalten (gifted behavior) kennzeichnen.

Für die Umsetzung von Begabungen in soziales Kapital sind, wie Renzulli beschreibt, nicht-kognitive Persönlichkeitsmerkmale ausschlaggebend. Als sogenannte co-kognitive Merkmale werden „unter anderem Optimismus, Mut, Hingabe an ein bestimmtes Thema oder Fach, Sensibilität für menschliche Belange, körperliche und geistige Energie, eine Zukunftsvision und das Gefühl, eine Bestimmung zu besitzen“ genannt (Renzulli 2005, S.15).

Abb. 2 Renzulli Modell zur Darstellung begabten Verhaltens

Renzulli bietet mit seinem SEM, dem Schulischen Enrichment Modell, Schulen ein Konzept der Begabungsförderung an, welches ermöglicht, möglichst viele potenziell hochbegabte Schüler und Ju-gendliche an Schulen zu erkennen und zu fördern. „Hochleistungsverhalten resp. die Entwicklung von Begabungsmerkmalen zeigt sich bei bestimmten Menschen (nicht bei allen), zu bestimmten Zeiten (nicht zu jeder Zeit) und in bestimmten Situationen (nicht in allen Situationen).” (Renzulli SEM 2001 S. 23, Kongress Begabung Schweiz Sept. 2014).

Die entsprechende Darstellung in Abb. 2 zeigt dabei deutlich eine Abkehr Renzullis vom genuinen In-telligenzansatz hin zur Ebene sozialer Interaktion und die Hinwendung von einem statischen Bega-bungsbegriff (vorher) zu einem dynamischen Begriff (zu verschiedenen Zeitpunkten; unter bestimmten Bedingungen; bei bestimmten Personen). Das "Drei-Ringe-Modell" war für einige andere Forscher und deren Modellkonzeption grundlegend. So ist es eindeutig auch in dem Modell von Mönks in modifizierter Form wiederzufinden. In seiner Darstellung sind die drei Persönlichkeitsmerkmale (überdurchschnittliche Fähigkeiten, Enga-gement und Kreativität) umgeben von einem Dreieck der Sozialbereiche Familie, Schule und - von zentraler Bedeutung - dem Freundeskreis (Peers).

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Triadisches Interdependenzmodell von F. J. Moenks (1986)

Mönks hat das Modell Renzullis aus entwicklungspsychologischer Sicht erweitert. Sein „Triadisches Interdependenzmodell“ von 1990 hat er stetig in den darauffolgenden Jahren weiterentwickelt und bezeichnet es mittlerweile als „Mehr-Faktoren-Modell“ der Hochbegabung.

Die Persönlichkeitsmerkmale bezeichnet Mönks inzwischen nicht mehr mit den Begriffen Intelligenz, Aufgabenzuwendung und Kreativität, sondern als hohe intellektuelle Fähigkeiten, Motivation und Kreativität (vgl. Mönks & Ypenburg, 2000). Das „Mehr-Faktoren-Modell“ der Hochbegabung von Mönks verdeutlicht, dass die Manifestation einer hohen Begabung nicht ausschliesslich von den Persönlichkeitsmerkmalen abhängig ist, son-dern auch entscheidend durch die soziale Umgebung beeinflusst wird.

Abb.4 Das Triadische Interdependenzmodell nach Mönks (Mönks 2005 S.26)

Die drei wichtigsten Gruppen bzw. Bereiche der sozialen Umgebung sind für ein Kind seine Familie, das schulische Umfeld und die Peergroup (Freunde): "Hochbegabung als besondere (intellektuelle) Leistung ist das Resultat eines förderlichen Zusammenspiels (Interaktion) zwischen den Persönlich-keitsmerkmalen Kreativität, Motivation und hohe (intellektuelle) Fähigkeiten und den Sozialbereichen Familie, Schule und Freundeskreis" (Mönks, 2000). Für eine gelingende Interaktion zwischen einem Individuum und seiner Umwelt ist es zwingende Voraussetzung, dass das Individuum über ausrei-chende soziale Kompetenzen verfügt. Mönks macht darauf aufmerksam, dass gerade hochbegabte Kinder beim Erwerb sozialer Kompetenzen benachteiligt sind, da sie wegen des grossen Unterschie-des in der Entwicklung häufig Schwierigkeiten haben, Anschluss an Klassenkameraden bzw. Gleichaltrige zu finden. Rost kritisiert dabei die unklare Trennung zwischen Hochbegabung und Hochleistung vor allem in Hinblick auf die Rolle von Motivation und Umweltfaktoren. Dies ist bei-spielsweise bei der Überlegung entscheidend, ob Underachiever (hoher IQ, aber geringe Leistun-gen) als hochbegabt bezeichnet werden können oder nicht.

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Begabungs- und Talentmodell von Francois Gagné (1993) Gagné fehlt an Renzullis Modell die Unterscheidung zwischen Begabung und manifestierter aus-sergewöhnlicher Leistung. Sein Modell stellt deshalb eine Weiterentwicklung dar, wobei er sich auf das „Komponentenmodell der Talententwicklung“ von Wieczerkowski abstützte. In Gagnés Modell wird zwischen Begabung und Talent differenziert. Die Begabung wäre bei ihm eine angeborene aber noch nicht systematisch entwickelte Fähigkeit in einem oder mehreren Bereichen. Das Ta-lent ist die „Entwicklung einer Begabung“ in einem oder mehreren Bereichen, in welchen man einen bestimmten Grad an Expertise erreicht. Insofern definiert er die Begabung als hohes Po-tenzial, das Talent als überdurchschnittliche Performanz in einem Bereich. Wird eine Begabung oft verwendet und gefördert, wird die Kompetenz ständig wiederholt und erweitert, so wächst die Übung und es entstehen neue Kenntnisse, Fähigkeiten und Fer-tigkeiten auf dem Gebiet, man wird zum Experten. Dabei ist die Unterstützung durch andere positive Faktoren notwendig. Gagné spricht hier von den Intrapersonalen Katalysatoren (Motivation, Selbstvertrauen, Wille, Ausdauer) und Umwelt - Katalysatoren (Familie, Freunde, Schule, örtliche und zeitliche Gegebenheiten). (vgl. Holling&Kanning, 1999. S.15). Nach einem Update von 2008 stellt Gagné sein „Differentiating Model of Giftedness and Talent“ (DMGT 2.0) wie folgt dar:

Abb. 5 Differenziertes Begabungs- und Talentmodell nach Gagné (DMGT 2.0; 2008 update) (In: Talent Development & Excellence. Vol. 5, No. 1, 2013, S.5-19)

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Mehrdimensionales Begabungskonzept von Urban (1990) Das Mehrdimensionale Begabungsmodell des deutschen Sonderpädagogen Klaus K. Urban ver-sucht, die veränderten Vorstellungen von Hochbegabungen grafisch zu veranschaulichen. Dazu wählt er die Form einer Pyramide, die von einer Kugel umhüllt ist. Einflüsse anderer Wis-senschaftler werden bei näherer Betrachtung eindeutig.

Abb. 6 Das Mehrdimensionale Begabungskonzept nach Urban 1996 (Vgl. Holling und Kanning, 1999, S. 13)

Urbans Modell setzt beim Drei-Ringe-Modell von Renzulli an: Hohe Leistungen ergeben sich, wenn hohe intellektuelle Fähigkeiten auf Kreativität und Anstrengungsbereitschaft treffen. Diese müssen aber eingebettet sein in positive, förderliche Umweltbedingungen (Außenkreis: Gesell-schaftliche Umwelt, Innenkreis: direkte, symbolische, materielle, soziale und kulturelle Umwelt). Urban unterscheidet im Modell zwischen abstrakt-intellektuellen, praktisch-instrumentellen, sozialen oder künstlerischen Begabungen, räumt aber ein, dass er darüber hinaus psycho-physiomotorische Einflüsse und Teilbegabungen wie verbale, mathematische, musikalische und bildnerische Talente einbezieht. Urban will mit der Doppelpyramide veranschaulichen, dass die unterschiedlichen besonderen Befähigungen möglicherweise verschieden gross, geformt oder gelagert sind. Die schriftlichen Erläuterungen seines Modells bezieht Urban meist auf allgemein hohe intel-lektuelle Begabungen. Die im Modell gleichrangig zur intellektuellen Begabung dargestellten abstrakt-intellektuellen, praktisch-instrumentellen, sozialen oder künstlerischen Begabungen gera-ten aus dem Blickfeld. Gleichzeitig hofft Urban auf eine »harmonische Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit«, bietet aber keine Anleitung dazu. Holling bemerkt kritisch, dass Urban, von einem „Idealbild“ des Menschen ausgeht, der über sehr hohe intellektuelle, sowie praktische und künstlerische Fähigkeiten verfügt, Aussergewöhnliches zu leisten vermag und gleichzeitig auch eine überdurchschnittlich hohe soziale Einstellung hat. Die selbstverständliche Verknüpfung dieser Fähigkeiten liegt nicht unbedingt auf der Hand (Holling, 1999).

 

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Das Münchner Begabungsmodell von K. Heller, Perleth & Hany (1994)

   

Abb. 7 Das Münchner Hochbegabungsmodell (n. Heller& Hany, 1986; Heller, 1992, 1995; Perleth & Heller, 1994) (In: Heller (Hrsg.) 2000, S.24)

 Hellers Münchner Begabungsmodell unterscheidet inhaltlich unabhängige Begabungsbereiche (sog. Prädikatoren), welche unter Einfluss von nicht - kognitiven Persönlichkeits- und Umweltmerkmalen in diverse Leistungsbereiche oder Begabungsformen münden. Deshalb spricht man hier von einem Einflussfaktorenmodell. Das „Talent“ bei Gagné wird bei Heller durch den Begriff der Leistung ersetzt, ansonsten sind die beiden Modelle vergleichbar. Es ist festzustellen, dass die Intelligenz oder intellektuelle Fähigkeit bei den meisten Forschern zwar an erster Stelle steht, dennoch wird Hochbegabung mehrheitlich definiert, als die Möglichkeit, Hochleistung durch Koppelung von indi-viduellen, kognitiven, motivationalen, sozialen und persönlichkeitsabhängigen Faktoren zu erbrin-gen. Das Modell von Heller u.a. verdeutlicht den Einfluss und die Bedeutung der Moderatoren auf die Begabungsfaktoren und somit auf die Leistungskriterien. Massgebend für die Entwicklung von Fä-higkeiten (Potentialen) zu Leistungen (Performanz) ist die Wirkung von nichtkognitiven Persönlich-keitsmerkmalen und von Umweltfaktoren. Das Leistungsverhalten wird also als Produkt von Prä-dikatoren und Moderatoren aufgefasst. Man darf jedoch nicht vergessen, dass die Moderatoren auch hemmend wirken können.

 

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Neue Modelle des 21. Jahrhunderts Aktiotopmodell nach Albert Ziegler (2005) Albert Ziegler hat 2005 das „Aktiotop-Modell“ entwickelt. In seinem systemischen Ansatz beschreibt er ausgedehnte Lernprozesse, welche durchlaufen werden müssen und notwendig sind, um Leis-tungsexzellenz in den unterschiedlichsten Domänen zu erreichen. Er unterstreicht zudem die Re-levanz der vielen „Soziotope“, in denen sich (nicht nur junge) Menschen bewegen und die massgeblich dazu beitragen, inwiefern eine Person ihre Handlungsmöglichkeiten und Handlungs-kompetenzen erweitern kann.

Abb. 10 Das Aktiotop - Modell nach Albert Ziegler (2005) (Heilpädagogik online 02/09, S. 15)

 

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Integratives Begabungsmodell nach Christian Fischer 2003 Christian Fischers Integratives Begabungsmodell (2006) stellt sich in eine Reihe mit den Modellen von Gagné und Heller. Wie Albert Ziegler hebt er die zentrale Bedeutung jener Ebene hervor, welche die, durch Persönlichkeits- und Umweltfaktoren beeinflussten, Lern- und Entwicklungspro-zesse darstellt, ohne diese allerdings genauer zu benennen. Die Anwendung von Lernstrategien und pädagogisch-didaktische Möglichkeiten der Motivationssteigerung werden bei seinen Überlegungen mit einbezogen.

Abb.11 Integratives Begabungsmodell Christian Fischer 2003 (In: Fischer / Mönks / Grindel 2008 S.85)

 

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FeldLeistungUmwelt „I“ „I“ „I“

Das Ökologische Begabungsmodell von Müller-Oppliger (2009 / 2014) Victor Müller-Oppliger schliesst mit dem 2009 entstandenen „Dialektischen Modell“ an Albert Zieg-ler und Christian Fischer an. Sein Modell beinhaltet und bezeichnet weitere Dimensionen der Handlungsmöglichkeiten, sowie der Umwelt- und Persönlichkeitsmerkmale, welche – sofern sie förderlich sind - zur Leistungsexzellenz führen können. Heute wird das Modell „Ökologisches Bega-bungsmodell“ genannt (Müller-Oppliger et al. 2014).

Abb. 12 Das Ökologische Begabungsmodell von Müller-Oppliger (2009 / 2014)

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Modell individualisierter Hochbegabung nach Trautmann von 2003 Thomas Trautmann, Professor für Grundschulpädagogik an der Universität Hamburg, betont in sei-nem Modell individualisierter Hochbegabung von 2003 „dass die Einflussfaktoren jedes einzelnen Begabungs-, Leistungs- und Umweltfaktors individuell unterschiedlich gewichtet sind“ (Trautmann, 2010, S.22) und stellt damit das Individuum in den Mittelpunkt. Jeder Mikadostab bildet bei Traut-manns Denkmodell für jede Person individuell unterschiedlich ausgeprägte und in ihrer Lage variie-rende Anlagen, Umweltbedingungen und Fähigkeiten ab. Aus pädagogischer Sicht will Trautmann mit diesem Modell je nach Wertigkeit und Lage der Begabungen, individuelle Problembereiche ableiten und darstellen.

Abb.  13  Das  Modell  individualisierter  Hochbegabung  von  Thomas  Trautmann  (2003)    (In:  Trautmann,  2010,  S.  23)  

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Text: Martina Kolcava überarbeitet von Stephanie Schmitt-Bosslet

 

 

Verwendete Literatur: Fischer, Ch. (2008). Lernstrategien in der Begabtenförderung. Strategien des selbstgesteuerten Lernens in der indi-viduellen Förderung besonders begabter Kinder. In: news&science özbf, Nr.19 / Ausgabe 2.

Fischer, Ch.; Mönks, F.J.; Grindel, E.(Hrsg) (22008).Curriculum und Didaktik der Begabtenförderung. Begabungen fördern, Lernen individualisieren. Berlin: LIT Verlag.

Heller, K.A. (Hrsg.) (22000). Lehrbuch Begabungsdiagnostik in der Schul- und Erziehungsberatung. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle: Verlag Hans Huber. 2. vollständig überarbeitete Auflage.

Holling, H.; Preckel, F.; Vock, M. (2004). Intelligenzdiagnostik. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle, Oxford, Prag: Hogrefe-Verlag.

Holling, H.; Kanning, U.P. (1999). Hochbegabung. Forschungsergebnisse und Fördermöglichkeiten. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle: Hogrefe-Verlag.

Mönks, F.J..; Ypenburg, I.H. (2005). Unser Kind ist hochbegabt – Ein Leitfaden für Eltern und Leh-rer. München, Basel: Reinhardt, 4.Auflage.

Müller-Oppliger, V. (2009). Impulse zu Begabungsmodellen und Menschenbild – Ein dialektisches Begabungsmodell. Gadheimer Tagung: Karg Stiftung.

Müller-Oppliger, V. (2014). Paradigmenwechsel zu einem ökologischen Begabungsmodell. In: Weigand, G.; Müller-Oppliger, V.; Hackl, A.; Schmid, G. (Hrsg) (2014): Personorientierte Begabungsförderung. Eine Einführung in Theorie und Praxis. Weinheim, Basel: Beltz Verlag. Renzulli, J. S. (2003). Eine Erweiterung des Begabungsbegriffs unter Einbeziehung co-kognitiver Merkmale mit dem Ziel der Vermehrung von sozialem Kapital. Vortrag am Kongress „Curriculum und Didaktik der Begabtenförderung – Begabungen fördern, Lernen individualisieren“ vom 24. – 27.09.2003 an der Universität Münster. Zusammenfassung und Uebersetzung: Monika Jost (2005/6). Labyrinth 86/2005 und Labyrinth 87/2006. Deutsche Gesellschaft für das hochbegabte Kind. Rost, D. H. (Hrsg.) (2000): Hochbegabte und hochleistende Jugendliche. New York; Berlin; München, Münster: Waxmann Verlag GmbH.

Trautmann, T. (2010). Einführung in die Hochbegabtenpädagogik. Grundlagen der Schulpädagogik Band 53. Balt-mannsweiler: Hohengehren. Vock, M.; Holling, H. (2007). Begabung und Berufserfolg. In Heller, K.A.; Ziegler, A. (Hrsg.): Begabt sein in Deutsch-land. LIT-Verlag. Ziegler, A. (2009). Ganzheitliche Förderung umfasst mehr als nur die Person: Aktiotop- und Soziotopförderung. In Heilpädagogik online 2/09.