das motiv der liebesverwundung in der christlichen

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BERNINIS FIGURENGRUPPE DER HL. THERESIA Das Motiv der Liebesverwundung in der christlichen Tradition und die Darstellung der Ekstase als spirituelles Prinzip der Barockkunst Außergewöhnlich ist das Thema der Liebesverwundung auch in der religiösen Kunst des Barock. Soweit ich sehe, greift nur die Iko- nographie der hl. Theresia von Avila dieses Motiv auf', da es sich in einer Szene aus dem « Leben » der spanischen Heiligen in visionärer Form geschildert findet. Viel Mißverständnissen gab ihre kühne künstlerische Interpretation durch Gianlorenzo Bernini Anlaß2, und wer versteht heute noch dieses vielleicht bedeutendste Werk der Kirchenskulptur des 17. Jahrhunderts in Rom? Viel ist freilich geschrieben worden über das Meisterwerk Ber- ninis in der Coronarokapelle der Kirche der unbeschuhten Karme- liten S. Maria della Vittoria. Meisterhaft wurde die Figurengruppe von Hans Hauffmann in seinem Berninibuch besprochen. Dort findet sich alle wichtigere Literatur und ein Überblick über die oft durch einseitige Parteinahme gekennzeichnete Auseinandersetzung und über die nicht selten oberfächlich vorgenommene Stellungnahme vie- ler berühmter Kritiker3. Wenn ich hier noch einmal das be- 1 Zur Ikonographie dieser Szene der « transverberación » s. L aura G utiérrez R ueda, Ensayo de Iconografía Teresiana, in: Revista de Espiritualidad 23 (1964), Ss. 111-119, 161H63; B. B öhm , Ikonographie, der hl. Theresia von Avila, in: Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. 8, Rom-Freiburg-Basel-Wien, Sp. 467. 2 Bernini verbindet das Thema der « transverberación » mit dem der Ekstase. Die wohl beste Würdigung der Figurengruppe des Engels mit der Heiligen gab H ans K auffmann , Giovanni Lorenzo Bernini. Die figürlichen Kompositionen, Ber- lin 1970, Ss. 136-169. S. auch L aura G utiérrez R ueda , a.a.O. Ss. 116, 162, zum The- ma der Ekstase Ss. 120-122, 163 f. 3 Einen kurzen überblick gibt H ans K auffmann , a.a.O. S. 136 und W alther Buchowiecki, Handbuch der Kirchen Roms, Bd. 3, Wien 1974, S. 249 f. Teresianum 33 (1982/1-2) 679-693

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Page 1: Das Motiv der Liebesverwundung in der christlichen

B E R N IN IS F IG U R E N G R U P P E D ER HL. T H E R E S IA

Das Motiv der Liebesverwundung in der christlichen Tradition und die Darstellung der Ekstase als spirituelles

Prinzip der Barockkunst

Außergewöhnlich ist das Thema der Liebesverwundung auch in der religiösen Kunst des Barock. Soweit ich sehe, greift n u r die Iko­nographie der hl. Theresia von Avila dieses Motiv a u f ', da es sich in einer Szene aus dem « Leben » der spanischen Heiligen in visionärer Form geschildert findet. Viel M ißverständnissen gab ihre kühne künstlerische In terp retation durch Gianlorenzo Bernini A nlaß2, und w er versteht heute noch dieses vielleicht bedeutendste W erk der K irchenskulptur des 17. Jahrhunderts in Rom?

Viel ist freilich geschrieben w orden über das M eisterw erk Ber- ninis in der Coronarokapelle der Kirche der unbeschuhten Karme- liten S. Maria della Vittoria. M eisterhaft w urde die Figurengruppe von Hans Hauffmann in seinem B erninibuch besprochen. Dort findet sich alle wichtigere L itera tur und ein Überblick über die oft durch einseitige Parteinahm e gekennzeichnete Auseinandersetzung und über die nicht selten oberfächlich vorgenommene Stellungnahm e vie­ler berühm ter K ritik e r3. Wenn ich hier noch einm al das be­

1 Zur Ikonographie dieser Szene der « transverberación » s. L a u ra G u t ié r r e z R u ed a , Ensayo de Iconografía Teresiana, in: Revista de Espiritualidad 23 (1964), Ss. 111-119, 161H63; B. B ö h m , Ikonographie, der hl. Theresia von Avila, in: Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. 8, Rom-Freiburg-Basel-Wien, Sp. 467.

2 Bernini verbindet das Thema der « transverberación » mit dem der Ekstase. Die wohl beste Würdigung der Figurengruppe des Engels mit der Heiligen gab H a n s K a u f f m a n n , Giovanni Lorenzo Bernini. Die figürlichen Kompositionen, Ber­lin 1970, Ss. 136-169. S. auch L aura G u t ié r r e z R ue d a , a.a.O. Ss. 116, 162, zum The­ma der Ekstase Ss. 120-122, 163 f.

3 Einen kurzen überblick gibt H a n s K a u f f m a n n , a.a.O. S. 136 und W alther B u c h o w i e c k i , Handbuch der Kirchen Roms, Bd. 3 , Wien 1974, S. 2 49 f .

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kannte Kunstw erk in den M ittelpunkt der B etrachtung rücke, geschieht dies aus zwei Gründen: einm al um zu zeigen, wie das zen­trale Motiv der Gruppe, die Liebesverwundung, in der Tradition der Hohenliedallegorese schon seit Orígenes verwurzelt ist, und zum Ändern, um den spirituellen C harakter der B arockkunst etwas ein­gehender herauszuarbeiten, als dies b isher gem einhin geschehen ist. So lege ich einen Versuch vor, sowohl zum Inhalt, als auch zur Form der Figurengruppe.

Die « hl. T h eresia» des Bernini ist Ausdruck der christlichen Brautm ystik. Es ist bekannt, daß diese besondere Form der Mystik des christlichen Abendlandes auf die allegorisierende Hoheliedexegese zurückgeh t4, wie sie zum ersten Mal bereits bei Origenes zu finden ist. E r sagt in seinen H om elien5 und in seinem K om m entar zum H ohenlied6, daß m it der B raut nicht n u r die ecclesia, die Kirche als ganze, sondern auch jede einzelne « anim a ecclesiastica», die schon zur Vollkommenheit gelangt ist, gem eint sei. In der zweiten Homelie zum Hohenlied steh t nun ein Abschnitt, der nicht ohne Bedeutung ist, sei es fü r die Schilderung der Vision des Engels m it dem Pfeil durch die hl. Theresia von Avila selbst, sei es fü r die Nachgestaltung dieser visionären E rfahrung durch Lorenzo Bernini. Origenes sagt in der angezogenen Stelle zur E rklärung von Hoheslied 2, 5 : « quia vulnerata caritatis ego » (= « am ore langueo » im Text der Vulgata), daß es eine fleischliche, irdische und eine göttliche Liebesverwundung g ib t7. Zur letzteren füh rt er aus: «Q uam pul-

4 Grundlegend für die antike und mittelalterliche Hoheliedexegese sind die Werke von F r ie d r ic h O h l y , Hohelied-Studien. Grundzüge einer Geschichte der Hoheliedauslegung des Abendlandes bis um 1200, Wiesbaden 1958 und H e l m u t R ie d l in g e r , Die M akellosigkeit der Kirche in den lateinischen Hohenlied- kommentaren des M ittelalters. Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters Bd. XXXVIII, 3, Münster 1958. Der Gedanke der Brautmystik auf der Grundlage der Hohenliedexegese ist vor allem von Bern­hard von Clairvaux in seinen Sermones in Cantica Canticorum, PL 183, 785-1198, entfaltet worden. S. dazu F r ie d r ic h O h l y , a.a.O. Ss. 136-157 und H e l m u t R ie d ­l in g e r , a.a.O. Ss. 155-166.

5 Origenis Homiliae in Canticum Canticorum, hsg. v. W. A. Baehrens. Die griechischen christlichen Schriftsteller (= GCS), Origenes, Bd. 8, Leipzig 1925, S. 28 f; Sources Chrétiennes (= SC) Nr. 37, eingeführt, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Dom O. Rousseau, O.S.B. Paris 1953, S. 61 f. S. dazu F r ie d r ic h O h l y , a.a.O. Ss. 17-21; H e l m u t R ie d l in g e r , a.a.O. Ss. 25-31.

6 Commentarium in Cant. Canticorum, Origenes 8, GCS, S. 61. S. dazu F r ie d ­r ic h O h l y , a.a.O. S. 21 f. H e l m u t R ie d l in g e r , a.a.O. S. 31 f. und Origene, Com- mento al Cántico dei Cantici, Trad. introd. e note a cura di Manlio Simonetti, Rom 1976, Ss. 25-27.

7 Origenes 8, GCS, S. 53 f. S. auch die Parallelstelle im Prolog des Commentar. in Cant. Cantic. Origenes 8, GCS, S. 67: «Amore autem et cupidine caelesti agitur anima, cum perspecta pulchritudine et decore Verbi Dei speciem eius adamaverit et ex ipso telum quoddam et vulnus amoris acceperit ».

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chrum est, quam decorum a caritate vulnus accipere. Alius iaculum carnei am oris excepit, alius terreno cupidine vulneratus est, tu nuda m em bra tua et praebe te iaculo form oso siquidem Deus sagittarius est ». Dem göttlichen Liebesgeschoss soll sich die Seele unverhüllt darbieten, da Gott ja der Schütze ist. « Amore langueo », so sprich t die B raut im Text des Hohenlieds, und Orígenes deutet diese Sehn­sucht als von der göttlichen Liebesverwundung verursacht, und führt w eiter aus, daß die Em m ausjünger von einem göttlichen Pfeil ver­w undet waren, als sie zueinander sprachen: « b rann te nicht unser Herz, als er uns die Schrift erschloss ». Der Pfeil, der die Liebesver­wundung bew irkt, ist als das W ort Gottes zu deuten. Auch in des Orígenes’ Kom m entar findet sich « quia am ore langueo » in der beson­deren Version « quia vulnerata caritatis ego sum » m it der E rklärung: « E t quidem in hoc quasi am atorio dram ate sponsa caritatis se dicit vulnera suscep isse» 8. Im selben K om m entar lesen w ir auch das Z itat aus Psalm 118, 131: « Os m eum aperui et a ttrax i spiritum », den Vers, der, wie Hans Kauffmann nachgewiesen hat, das Motiv des geöffneten Mundes der « Hl. Theresia » des Bernini m itb eg rü n d et9.

Das Motiv der Verwundung m it einem Geschoss findet sich im m er w ieder in der geistlichen L iteratur. Als besonders schönes Beispiel möge uns eine Stelle aus dem « Stim ulus Divini Amoris » dienen: « irrad ia fulgoribus anim am m eam dulcissimae castitatis tuae trans- fixam jaculo, et am oris facibus inflam m atam sapidissim is affectioni- bus tuis, et am ore languentibus desideriis refice dulcoratam » 10. Der zitierte Passus verbindet das « am ore langueo » des Hohenlieds m it w eiteren Gedanken, dem der inneren Erleuchtung, des E ntbrennens in Liebesanm utungen und der keuschen Verwundung, zu einem kunst­vollen Gewebe; ein Beweis, wie sehr die Hoheliedexegese die m ystische Gottesliebe inspiriert und durchw irkt hat.

8 Orígenes 8, GCS, S. 194.9 Orígenes 8, GCS, S. 91. H a n s K a u f f m a n n , a.a.O. S. 161 f. und Anm. 124.10 Stimulus Divini Amoris Sancti Bonaventurae, Venetiis 1535, II, Cap. XIIII,

fol. 63r. Der Stimulus Divini Amoris gehört zu den apokryphen Werken des hl. Bonaventura, war jedoch weit verbreitet und von großem Einfluß. S. dazu C. F is h e r , O.F.M., Bonaventure (Saint): Apocryphes, in: Dictionnaire de Spiri­tualité, Paris 1937, Sp. 1854 f. Nr. 34 (b). Der Stim ulus ist von den Patres des Quaracchikollegs in der Reihe Bibliotheca Franciscana Ascética Medii Aevi, Bd. IV, Quaracchi 19492, neu ediert und in seiner Urfassung Fr. Iacobus Me- diolanensis zugewiesen worden. Für diesen Hinweis danke ich P. Jerôme Pou­lenc, O.F.M. Das Vorwort dieser Neuausgabe spricht von der Existenz zweier Kompilationen desselben Titels. Die von uns angezogene Stelle stammt aus einer Kompilation, die während des 14. Jahrhunderts entstanden ist und weite Teile des dem Iacobus Mediolanensis zugeschriebenen Stimulus benutz hat. Sie ist bisher noch nicht neu ediert worden. S. die Praefatio der Quaracchi- Ausgabe des Stimulus, Ss. VI-IX.

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Gehen w ir in der Zeit einen S chritt w eiter, stoßen w ir auf ein flämisches Blockbuch, das um das Jah r 1460 entstanden ist und 32 Illustrationen zum Hohenlied zeigt u. Auf dem zwölften Bild erkennen w ir das Motiv des him m lischen Schützen. E r hat seinen Bogen auf die B raut angelegt, die liebeskrank in ihrer Schlafkam m er im Bett liegt. Über dem Kopf der B raut befindet sich der uns schon bekannte Text auf einem Schriftband: « filiae H ierusalem annunciate dilecto quia am ore langueo ». E rinnern w ir uns, daß Origenes, der den sel­ben Text kom m entiert, in seiner zweiten Homelie sagt, daß Gott selbst der Schütze ist, « siquidem Deus sagittarius est ». Der K ünstler des Holzschnitts gibt ihn aber als Engel, noch genauer: zwei him m ­lische Boten stehen gerüstet auf der Zinne des Tores, das in das Schlafgemach der B rau t Einlaß gibt. Dieses Detail spielt auf die Jesajastelle 62, 6 an: « Auf deine M auern, Jerusalem , stellte ich W äch te r». Nach Origenes sind die Gefährten des B räutigam im Hohenlied als Engel anzusehenn. Die W ächter über dem Tor der K am m er der B raut sind also G efährten des Bräutigam . Es sind zwei auf dem Holzschnitt, weil sie eine doppelte Funktion ansüben. Der eine wacht m it erhobenem Schild und Schwert, bereit, jeden Eindringling abzuwehren. Der andere Engel h a t seinen Bogen ge­spannt und richtet den Pfeil auf das Gemach der Braut. Noch hat er nicht genau gezielt, die B raut, noch nicht im Herzen verwundet. Die G efährtinnen der B raut, die ih r Lager um stehen, deutet der Holzschnitt als die klugen Jungfrauen, die ihre brennenden Lampen in den Händen halten. Der Bräutigam , rechts oben auf dem Bild zu sehen, ist noch fern in seiner him m lischen Glorie, um geben von vier Engeln. Das zinnenbewehrte Tor tren n t ihn von seiner B raut auf dem Lager. Aber dort an der Türe ist sie noch ein zweites Mal abgebil­

11 Von dem Blockbuch mit dem Titel Historia seu Providentia Baatae Mariae Virginis ex Cantico Canticorum, von 16 Folioseiten Umfang zu je 2 Abbildungen, sind 7 in öffentlichen Bibliotheken aufbewahrte Exemplare erhalten: Paris Bibi. Nat. Aschaffenburg Hofbibl., Manchester. The John Rylands Library, München Staatsbibi., Zürich Stadtbibi., Vatikan Bibi. Apost. (2 Exemplare, davon eines unvollständig). Das Pariser Exemplar (Rés. xylo 27 petit in folio) wurde in Faksimileausgabe von Francis Bouvet: Le Cantique des Cantiques, Éd. de Minuit Paris 1961, veröffentlicht. Eine Ausgabe eines Exemplars der Vatikan­bibliothek besorgte Lamberto Donati, Città del Vaticano 1979. Zum genannten Blockbuch und seiner künstlerischen Einordnung und Datierung s. A.F.F. D e l e n , H istoire de la Gravure, Bd. I, Paris und Brüssel, Ss. 20 f. 69-72, 110, Bd. II, Paris und Brüssel 1934, S. 76; A nd r é B l u m , Les origines de la gravure en France, Paris und Brüssel 1927, S. 69 f.; A.M. H i n d , An Introduction to a H istory of Woodcut, Bd. I, London 1935, S. 243; W il l i a m M a r t in C o n w a y , The W oodcutters of the Netherlands in the fifteenth century, Hildesheim und Nieuwkoop 1961 (= Unveränderter Nachdruck der Ausgabe Cambridge 1884), S. 10 f. 201 f.

12 Origenes 8, GCS, Ss. 29, 136.

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det. Nachdenklich legt sie ihre Hand an die Mauer. « Durus u t in- fernus emulacio, ibi co rrup ta est m ater tua » (Hohesl. 8, 5b), erläu tert das beigegebene Schriftband. Die H olzschnittserie sieht die B raut nicht nur als ecclesia oder anim a ecclesiastica, sondern vor allem als Maria, das Vorbild der ecclesia und die vollkommene anim a eccle­siastica. Sie erw arte t den göttlichen Bräutigam , der in ihrem Schoß Fleisch annehm en soll. Das eben zitierte Schriftband verweist sie wohl auf Eva, die im Sündenfall M utter der Trennung der M enschheit von Gott geworden ist 13.

Wie lassen sich nun der angezogene Text des « Stim ulus Divini Amoris » und der flämische H olzschnitt m it der viel späteren Skulp­tu r des Bernini, die um das Jah r 1646 entstanden ist, verbinden? Es soll nicht gesagt werden, Bernini habe den Text oder den Holz­schnitt gekannt, sondern es soll gezeigt werden, wie das sich zunächst als Einzelstück ausnehm ende W erk in der Tradition der Hohen- liedexegese verwurzelt ist, die im m er w ieder m ystische Poeten und theologische K ünstler insp iriert hat.

Vergleichen w ir den angezogenen Passus aus dem « Stim ulus Di­vini Amoris » m it der Theresiagruppe des Bernini, so liest sich dieser wie ein K urzkom m entar zu der Skulptur. Die dort von oben ein­brechenden goldenen L ichtstrahlen besagen dasselbe, wie der Anruf « irrad ia fulgoribus anim am m e a m ». Der Pfeil in der H and des Engels verdeutlicht eindrücklich das M ittel der Liebesekstase, das der « Stim ulus Divini Amoris » m it dem W ortbild « dulcissimae casti- ta tis tuae transfixam jaculo » anspricht, m it dem er seine Anrufung ausschm ückt. Motiv fü r Motiv kann m an in den Form ulierungen aus dem Andachtsbuch die Entsprechungen in der « Theresia » des Ber­nini wiederfinden, die, noch einm al sei es gesagt, keine w örtliche Umsetzung der von uns zitierten Stelle ist. Die Seele, die von Lie- besfeuer entflamm t ist (amoris facibus inflam m ata) spricht sich im ekstatischen Erschauern des K örpers der Heiligen aus. Ih r Mund ist geöffnet im Verkosten und Schmecken der Liebesanm utungen, in « sapidissimis affectionibus ».

Auch der Vergleich des flämischen Holzschnittes m it der Figuren­gruppe der hl. Theresia und des Engels m it dem Pfeil h ilft uns dazu, Berninis W erk besser und tiefer zu verstehen. Die Holzschnittfolge m it ihren 32 Bildern scheint ins Figürliche umgesetze Musik zu sein. Sie en tfa lte t sich wie eine Melodie. Das Fortschreiten der Melodie

13 Zur Antithetik Eva — Maria in Bezug auf Hoheslied 8, 5b in der Vulgata­fassung: « Sub arbore malo suscitavi te, ibi corrupta est mater tua... » s. E r n s t G u l d a n , Eva und Maria, Eine Antithese als Bildmotiv, Graz und Köln 1966, S. 113.

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entsprich t der Entfaltung eines Gehaltes, und dieser läß t sich bestim ­m en als die Stufen des W achsens im geistlichen Leben. Die Seele und m it ih r der ganze Mensch entfaltet sich in der Begegnung m it dem göttlichen Bräutigam . Der Gesang läßt die Themen der Ein­ladung der Braut, ih rer Entscheidung fü r den Bräutigam und der ersten Liebeserweise trau te r Gemeinsam keit aufeinander folgen. Mit dem zwölften Bild, das w ir zum Vergleich m it der « hl. Theresia » des Bernini heranziehen, w ird ein neues, dram atisches Them a ange­schlagen, das der Trennung. Deshalb liegt die B raut liebeskrank auf ihrem Bett. Sie erfährt die ganze Schwere der Folge der Sünde, durch die alle Nachkom men Adams und Evas von Gott getrennt wurden. Es gilt, in Geduld auszuharren. Deshalb haben die Gefähr­tinnen ihre brennenden Lampen in den Händen. Der Engel m it dem Bogen und dem Pfeil auf der Zinne verm ittelt zwischen dem B räu­tigam und der Braut. Mit der Braut, die die Liebesqualen der Tren­nung erleidet, ist, wie schon erk lärt, M aria gemeint; doch nicht nur sie, sondern m it ih r die ganze M enschheit, die voller Sehnsucht in der M enschwerdung Gottes die Ankunft des B räutigam s erw artet. Dieser adventlichen Stim m ung entsprich t auch eine bestim m te Stufe des individuellen geistlichen Lebens.

Der Mensch, der sich vieler Gnadenerweise Gottes erfreu t hat, w ird sich plötzlich der unendlichen Distanz zwischen dem Geschöpf und dem Schöpfer bew ußt; in einem Augenblick innerer E rfahrung der durch den Sündenfall der M enschheit noch gesteigerten Gott- ferne. E r weiß dann nicht nur, sondern ist von der Tatsache völlig durchdrungen, daß er seinem Schöpfer nie entsprechen kann; und doch kann er nicht m ehr von der Liebe zu Gott lassen, da er zu viel Zärtlichkeit von seiten des göttlichen Seelenbräutigam s erfahren hat.

Die Vision der hl. Theresia ist dagegen bereits Ausdruck eines viel tieferen Stadium s der Gottesliebe, die E rfahrung der Ferne und Nähe Gottes in einem, will m ir scheinen, ein beseligender Gegensatz als Sehnsucht und Erfüllung, beides zusammen. Die G ottferne stei­gert das Maß der Sehnsucht und dam it auch das der Erfüllung in der Liebesekstase. Genau dieses Gegensätzliche, das nur einem hohen Stadium der Liebesbeziehung zwischen Gott und seinem Geschöpf eigen ist, weiß Bernini in seiner Theresiagruppe in eine neue künst­lerische Einheit zu formen. Im Gegensatz zum flämischen H olzschnitt klingt bei ihm m it dem Motiv des Engels m it dem Pfeil nicht der Liebesschmerz allein an. B ernini gestaltet den H öhepunkt der ird i­schen Gottbegegnung, die nach dem klassischen Schema als das Sta­dium der via unitiva bezeichnet wird. Nachdem die Seele gereinigt w orden ist in der via purgativa, und erleuchtet in der via illumi-

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nativa, w ird sie m ehr und m ehr vereinigt m it ihrem göttlichen B räu­tigam in der via unitiva.

E rst die B arockkunst konnte diese Stufe der Mystik fü r das Auge sichtbar zum Ausdruck bringen. Um dies und dam it auch das M eisterw erk des Bernini auch von seiner sinnenbezogen, sensualis- tischen Form her zu verstehen, m üssen w ir etwas w eiter ausholen.

Seit etwa ab Ende des 14. Jahrhunderts die K ünstler die m it den Sinnen fassbare W irklichkeit (besonders in den Passionsszenen) im m er m ehr zum H auptgegenstand ih rer K unst gem acht h a tten und der Mensch dann überhaup t sich daran gem acht hat, die ihn um ­gebende Welt zu erforschen, schien das Jenseits, eine jegliche über­sinnliche Welt, m ehr und m ehr an In teresse zu verlieren. Wie der Blick des K ünstlers sich je tz t auf das richtet, was er um sich herum sieht und wie er dieses alles nachgestaltet in den W erken der Malerei und der Skulptur, so schien sich die sichtbare Welt gleichsam gegen jeden Ausblick in ein Jenseits m ehr und m ehr zu schließen. Zwar w urden im m er noch die beiden W elten voneinander unterschieden — Gott hat das Sichtbare und das U nsichtbare geschaffen, wie das G laubensbekenntnis sagt — aber beide werden jetzt m it denselben M itteln realistischer und naturbezogener K unst geschildert. Wenn auch viele Bildelem ente noch symbolisch und nicht naturalistisch gelesen und gedeutet w erden m üssen — nehm en w ir nur das Motiv der Heiligen auf den Wolken — so erhalten die K unstw erke doch ihre äußere Einheit aus der durchgängig angewandten N aturbeo­bachtung 14. Es gibt zwar keine Heiligen auf Wolken, aber sie w erden so realistisch auf ihnen dargestellt, daß ih r luftiger Aufenthalt glaub­haft erscheint. Ein solches Bild zerfällt in zwei Schichten, eine un tere H älfte realistischer N aturbeobachtung und eine obere, die wie N atur­beobachtung erscheint, aber in W irklichkeit etwas m eint, was den äußeren Sinnen nicht zugänglich ist.

Das A useinanderbrechen in zwei Ebenen, in der die gleiche N aturbeobachtung einmal als W iedergabe der sichtbaren Welt und einm al als bloßer Verweis auf eine unsichtbare W irklichkeit zu lesen ist, m ußte zu einer Krise führen. Es kam dazu, daß ein Kunstw erk n u r noch auf bloßer N aturbeobachtung aufgebaut und die symbo­lische Schicht entw eder ganz ausgelassen oder als bloßes subjektives Phantasiespiel menschlichen Geistes gesehen wurde. Dieses Phanta­siespiel mochte noch vom christlichen Glauben getragen sein, in e rs te r Linie in jenen Zonen Europas, in denen zu Anfang des 16.

14 S. dazu meinen Aufsatz Religiöse Sym bole und symbolische Darstellungs­weisen in der christlichen Kunst, in: Gregorianum 61/3 (1980), Ss. 526-533.

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Jahrhunderts die Reform ation eingeführt w orden w ar und in denen die Reform atoren eine religiöse K unst zu ließen15. Ein w irklicher Bezug zu einer objektiven jenseitigen Welt eignete einer solchen Kunst nicht m ehr. Die katholisch gebliebenen Gegenden gaben sich m it ih r nicht zufrieden. Die religiöse K unst der R eform atoren sprach n u r den V erstand an. Der Glaubensgehalt kom m t bei ihnen als reli­giöses Thema zum K unstw erk hinzu, das ansonsten ganz von seiner naturalistischen Form bestim m t wird. Die K ünstler der katholisch gebliebenen Länder blieben sich im stärkeren Maße des Problem s der religiösen Kunst zur Zeit des N aturalism us bew ußt, als ihre Kollegen im protestantischen N orden Europas. E inerseits durften sie nicht auf die N aturbeobachtung verzichten, andererseits blieb fü r sie die religiöse Aufgabe, dem Menschen in seiner ganzen psy­chischen S truk tu r, nicht n u r dem V erstand, sondern auch dem Affekt und dem Empfinden, die objektive übernatürliche W elt der ch rist­lichen Offenbarung zu verm itteln.

Nach verschiedenen Versuchen, durch W iedergabe idealer Schön­heit in der Renaissancekunst, durch nervöse, kapriziöse Überreiztheit in den Bildern der verschiedenen m anieristischen Ström ungen, bei dem Beschauer das Bew ußtsein fü r eine religiöse jenseitige Welt wachzuhalten, w urde eine neue Ausdrucksmöglichkeit fü r die Ver­gegenwärtigung transzendenter, der unm ittelbaren Sinneserfahrung nicht zugänglicher Gehalte in der K unst des Barocks entfaltet. Diese letztere Kunst schöpft aus der E rfahrung der großen m ystischen Heiligen des 16. Jahrhunderts, die, von Gott ergriffen, durch ihre Person die jenseitige Realität in visionären Erfahrungen ihren Zeit­genossen neu zugänglich gem acht haben.

Eine M ittelstellung nehm en dabei die geistlichen Übungen des hl. Ignatius ein. W ir wissen, daß die beiden fü r ihre Bereiche w ichtigsten Barockkünstler, der M aler Rubens und der B ildhauer Bernini m it dieser Spiritualität in engen K ontakt gekommen sind, ja sogar an den Exerzitien der Jesuiten teilgenommen haben. In den Exerzitien geht es darum , betend und in ste te r Selbstkontrolle u n ter Anleitung eines M eisters alle psychischen Fähigkeiten, angefangen von dem Gedächtnis, dem V erstand und dem Willen, bis hin zu den

15 Luthers anfängliche ikonoklastische Haltung, wie sie für alle übrigen Reformatoren charakteristisch blieb, änderte sich später zugunsten einer ge­mäßigten Zulassung von religiösen Bildern aus didaktisch katechetischen Grün­den, wenn die Gefahr einer, seiner Ansicht nach, götzendienerischen Bilder­verehrung gebannt war. S. dazu C arl C . C h r is t e n s e n , A rt and the Reformation in Germany, Ohio 1979, Ss. 42-65, nebst der dort in Anm. 4 auf S. 218 angegebenen Literatur.

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äußeren Sinnen so durch zu üben, daß der Mensch ein gefügiges W erk­zeug in der Hand Gottes w ird und dadurch Gottes W irken an sich selbst erfährt. E rst aus solcher wenigstens anfänglicher Eigener­fahrung, dürfen w ir annehmen, w ar in B ernini fähig, die G otteser­fahrung der großen spanischen M ystikerin in einem ih rer H öhepunkte zu der Figurengruppe in S. M aria della Viktoria auszugestalten 16. E r hält sich dabei eng an den von der Heiligen selbst verfassten Text, der ihre Vision erk lärt und b esch re ib t17:

16 Nach anfänglichen Übertreibungen, da man die Barockkunst mit dem « Jesuitenstil » beinahe identifizierte, spielt man heute den Einfluß der Spiritua­lität des hl. Ignatius und seiner Exerzitien auf Künstler wie Rubens und Ber­nini gemeinhin herunter, wenn man ihn nicht ganz leugnet, so zuletzt R ud o lf W it t k o w e r in: Baroque Art: The Jesuit Contribution, hsg. v. Rudolf Wittkower und Irma B. Jaffe, New York 1972, S. 12: « ...it was the artist who influenced the Jesuits rather than vice versa ». S. zum letzteren meine kritische Stellung­nahme im Literaturbericht Zum neueren Schrifttum über die K unsttätigkeit der Gesellschaft Jesu II. — Plastik, Malerei und Graphik, in: Archivum Historicum S.I. 46 (1977), Ss. 425 f. 430.

17 Vida, Kap. 29, 11-15. Die deutsche Übersetzung entnehme ich dem Werk Sämtliche Schriften der hl. Theresia von Jesu, Bd I. Das Leben der hl. Theresia von Jesu, hsg. v. P. Aloysius Alkofer, O.C.D. München 19522, Ss. 278-282. Die auf Berninis Figurengruppe direkt zu beziehenden Stellen sind von mir im Kursiv­druck hervorgehoben worden. Der Urtext, S. Teresa de Jesus. Obras completas,I. hsg. v. P. Fr. Efren de la Madre de Dios, O.C.D. und P. Fr. Otilio del Niño Jesus, O.C.D. Madrid 1951, Ss. 773-775 (= Kap. 29, Verseinteilung hier 9-13), lautet: « Quien no huviere pasado estos ímpetus tan grandes es imposible poderlo entender, que no es desasosiego del pecho ni unas devociones que suelen dar muchas veces que parece ahogan el espíritu, que no caben en sí. Esta es oración más baja y hanse de evitar estos aceleramientos con procurar con suavidad recogerlos dentro en si y acallar el alma... Estotros ímpetus son diferentísimos. No ponemos nosotros la leña, sino que parece que, hecho ya el fuego, de presto nos echan dentro para que nos quememos. No procura el alma que duela esta llaga de la ausencia del Señor, sino hincan una saeta en lo más vivo de las entrañas y corazón a las veces, que no sabe el alma qué ha ni qué quiere. Bien entiende que quiere a Dios, y que la saeta parece traía hierba para aborrecerse a sí por amor de este Señor y perdería de buena gana la vida por El. No se puede encarecer ni decir el modo con que llaga Dios el alma y la grandísima pena que da, que la hace no saber de sí; mas es esta pena tan sabrosa que no hay deleite en la vida que más contento dé... i Oh, qué es ver un alma herida! Que digo que se entiende de manera que se puede decir herida por tan excelente causa y ve claro que no movió ella por donde le viniese este amor, sino, que de el muy grande que el Señor la tiene parece que cayó de presto aquella centella en ella que la hace toda arder...; alguna cosa se aplaca y pasa algo con esto, pidiendo a Dios la dé remedio para su mal y ninguno ve sino la muerte, que con ésta piensa gozar de el todo a su Bien. Otras veces da tan recio que eso ni nada no se puede hacer, que corta todo el cuerpo, ni pies ni brazos no puede menear; antes si está en pie se sienta como una cosa transportada, que no puede ni aun resolgar, sólo da unos gemidos no grandes, porque no puede más; sonlo en el sentimiento.

Quiso el Señor que viese aquí algunas veces esta visión: vía un ángel cabe m í hacia el lado izquierdo en form a corporal..., pequeño, hermoso mucho, el rostro tan encendido que parecía de los ángeles muy subidos que parecen todos

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« Wer diese m ächtigen Antriebe noch nicht erfahren hat, der kann sie unmöglich begreifen; denn sie sind nicht wie jene oft vor­kom m enden Andachten, die das Herz aufregen und den Geist zu ersticken scheinen, so daß er seiner n icht m ehr m ächtig ist. Es ist dies eine niedrigere Stufe des Gebetes, und ich m öchte darüber nur bem erken, daß m an die ungestüm en Ausbrüche dabei vermeiden, die Gefühle in sanfter Weise zurückhalten und die Seele beruhigen müsse... Von letzterw ähnten Andachten sind jene Antriebe, über die ich zu sprechen begonnen habe, ganz verschieden. Da legen n icht w ir selbst das Holz un ter, sondern es scheint geradeso, als w äre das Feuer schon entzündet und als w ürden w ir plötzlich in dasselbe hineingeworfen, um von seinen Flam m en ergriffen zu werden. Die Seele füh rt nicht selbst den Schmerz herbei, den sie über ih r Fern­sein von dem H errn empfindet, sondern es w ird ih r zuweilen ein

se abrasan (deben ser los que llaman cherubines, ...); víale en las manos un dardo de oro largo y al fin de el hierro me parecía tener un poco de fuego; éste me parecía m eter por el corazón algunas veces y que me llegava a las entrañas; al sacarle, me parecía las llevava consigo y me dejava toda abrasada en amor grande de Dios. Era tan grande el dolor que me hacía dar aquellos quejidos y tan excesiva la suavidad que me pone este grandísimo dolor que no hay desear que se quite ni se contenta el alma con menos que Dios. No es dolor corporal sino espiritual, aunque no deja de participar el cuerpo algo y aun harto. Es un requiebro tan suave que pasa entre el alma y Dios que suplico yo a su bondad lo dé a gustar a quien pensare que miento ».

Vgl. zum Thema der Liebesverwundung auch das Gedicht der hl. Theresia Sobre aquellas palabras: « Dilectus meus m ih i», Samtliche Schriften der hl. Theresia von Jesu, Bd. VI, München 19562, S. 282 f.

« Yo toda me entregué y diY de tal suerte he trocado,Que mi Amado para míY yo soy para mi Amado.1. Cuando el dulce Cazador Me tiró y dejó rendida,En los brazos del amor Mi alma quedó caída,Y comprando nueva vida De tal manera he trocado,Que mi Amado para míY yo soy para mi Amado.2. Tiróme con una flecha Enarbolada de amor,Y mi alma quedó hecha Una con su Criador;Ya yo no quiero otro amor,Pues a mi Dios me he entregado,Y mi Amado para míY yo soy para mi A m ado».

« Mein Geliebter ist mein ».

« Ganz hab'ich mich ihm ergeben Und den Tausch so fest vollzogen, Daß nun mein ist mein Geliebter, Und ich sein, ihm ganz zu eigen. Als der Jäger süß und holde Mich getroffen, mich verwundet, Sank in seiner Liebe Arme Meine Seele, minnetrunken.Durch die Wandlung dieser Liebe Ist mir Liebe neu erwachsen,Daß nun mein ist mein Geliebter, Und ich sein, ihm ganz z u eigen.’s war ein Pfeil, der mich getroffen, Von der Liebe abgeschossen;Und da wurde meine Seele Eins mit dem, der sie erschaffen. Nimmer such’ ich andre Liebe,Da ich mich Gott hingegeben,Daß nun mein ist mein Geliebter, Und ich sein, ihm ganz zu e ig en ».

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II. Blockbuch Historia seu Providentia Beatae Marie Virginis ex Cantico Canticorum, Paris Bibi. Nat. Rés. xylo 27 petit in folio, fol. VI b.(nach F. Bouvet, Le Cantique des Cantiques, Éd. de Minuit).

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Pfeil in das Innerste ihres Herzens und ih rer Eingeweide gestoßen, so daß sie nicht weiß, wie ih r ist und was sie will. Sie erkennt, daß sie nach Gott verlangt, und daß dieser Pfeil in ein Gift getaucht zu sein scheint, das bew irkt, daß sie um der Liebe des H errn willen sich selbst haßt und gern fü r ihn das Leben verlieren würde. Man kann unmöglich schildern, in welcher Weise Gott die Seele verw undet, noch wie außerordentlich groß die Pein ist, die sie dabei leidet. Sie weiß nicht, wie ih r geschieht, und doch ist die Pein so süß, daß es in diesem Leben kein wonnevolleres Vergnügen gibt... O was ist es doch um den Anblick einer verw undeten Seele! Ja, so fühlt sie sich, daß sie sich in W ahrheit verw undet nennen kann, verw undet von einer so erhabenen Ursache. Zugleich erkennt sie klar, daß nicht sie selbst diese Liebe in sich hervorgebracht hat, daß vielm ehr von jener unendlichen Liebe, die der H err gegen sie trägt, ein Fünklein plötzlich in sie gefallen zu sein und sie ganz in Glut versetzt zu haben scheint... N ur eines kann die Pein der Seele m äßigen und sie ih r in etwa erträglich machen, wenn sie näm lich Gott b itte t, er möge ih r durch ein M ittel dagegen helfen; sie selbst aber weiß kein anderes als den Tod, durch den allein sie zum vollkommenen Genüsse ihres höchsten Gutes zu gelangen hofft. Zuweilen ist der Schmerz so groß, daß m an w eder zu dieser B itte noch zu etwas anderen fähig ist, da e r den ganzen Leib durchschneidet. Man kann da weder die Arm e noch die Füße bewegen; vielm ehr sinkt man, w enn man aufrecht steht, nieder, wie w enn man in Ohnmacht fällt. Man vermag kaum m ehr A tem zu schöpfen; nur einige Seufzer kann man noch ausstoßen, die zw ar wegen Mangel an K raft äußerlich schwach sind, innerlich aber stark em pfunden werden.

Es gefiel dem H errn, mich in diesem Zustande einigemal m it folgender Vision zu begnadigen: Ich sah neben mir, gegen meine linke Seite zu, einen Engel in leiblicher Gestalt... E r war nicht groß, son­dern klein und sehr schön. Sein Angesicht war so entflam m t, daß er m ir als einer der erhabensten Engel vorkam , die ganz in Flammen zu stehen scheinen. Es m üssen dies jene sein, die m an Cherubim 18 nennt... In den Händen des m ir erschienenen Engels sah ich einen langen goldenen W urfpfeil, und an der Sp itze des Eisens schien m ir ein wenig Feuer zu sein. Es kam m ir vor, als durchbohre er m it dem Pfeile einigemal mein Herz bis aufs Innerste, und wenn er ihn wieder

18 Es wird wohl ein Engel aus der Ordnung der Seraphim gemeint sein, denn sie sind die Boten der Liebesglut. So hat schon P. Bañez an den Rand des Manuskripts geschrieben: más parece de los que llaman Seraphines ». S.S. Teresa de Jesus, Obras completas, Bd. I, S. 775, Anm. d.

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herauszog, w ar es m ir, als zöge er diesen innersten Herzteil m it heraus. Als er mich verließ, w ar ich ganz entzündet von feuriger Liebe zu Gott. Der Schm erz dieser Verw undung war so groß, daß er m ir die erwähnten Klageseufzer auspreßte; aber auch die Wonne, die dieser ungemeine Schmerz verursachte, w ar so überschwenglich, daß ich unmöglich von ihm frei zu w erden verlangen, noch m it etwas Geringerem m ich begnügen konnte als m it Gott. Es ist dies kein körperlicher, sondern ein geistiger Schm erz, w iewohl auch der Leib, und zwar nicht in geringem Maße, an ihm teilnim m t. Der Liebes- verkehr, der nunm ehr zwischen der Seele und Gott stattfindet, ist so süß, daß ich zur Güte des H errn flehe, er wolle ihn dem zu kosten geben, der etwa m eint, ich lüge hierin ».

Was hat der B ildhauer aus diesem Visionstext gem acht? In ein­zigartiger Weise läßt e r den Beschauer, der reinen Herzens ist, an der m ystischen E rfahrung der hl. Theresia teilhaben. Wie sich ein Grundgedanke der B rautm ystik christlich-abendländischer Tradition, die Liebesverwundung in der Heiligen als leuchtende Vision ver­w irklicht hat, so setzt Bernini ihre Erzählung in ein den B etrachter m itreißendes religiöses K unstw erk um.

Goldene Strahlen kom m en von oben, aus einem Bereich, der dem B etrachter verdeckt ist. Als m aterielles, sinnenfälliges Zeichen verdeutlichen sie das übernatürliche Geschehen. Es ist als ob die Figurengruppe, die Wolke, und auf ihr der Knabenengel m it der Heiligen, von diesen Strahlen in einem Schwebezustand gehalten würde. Die beiden Figuren scheinen weniger M arm orkörper als züngelnde Flammen zu sein. Dem Engel ist noch ein wenig m ehr Leibhaftigkeit eigen als Theresia. Das aufrauschende, durch die Ele­vation wie etwas in Unordnung geratene Gewand, verdeckt ihren Leib fast gänzlich. U nverhüllt gibt B ernini dem B etrach ter nu r das Antlitz der Heiligen und ihre Hände und Füße zu sehen. Aber auch ih r rech ter Fuß und ihre rechte Hand ist nicht auf den ersten Blick zu erkennen, so sind sie zwischen den Ausläufern der Wolke und den Gewandfalten verborgen. Der K örper, passiv und gelöst, folgt ganz der inneren E rfahrung der Seele, die sich vor allem in dem Angesicht m it den halb geschlossenen Augen und dem geöffne­ten Mund kundgibt. Der Mund weist nach oben, in R ichtung der S trahlen, die Augen nach innen, auf die Schau der Heiligen. Alles, was Bernini h ier dem B etrachter darbietet, ist eigentlich Vision, nicht so sehr n u r künstlerische Gestalt. Der B ildner läßt den B etrachter m it der Seele der M ystikerin schauen. Die Vision ist eine innere Erfahrung, nicht eine äußere. Die Heilige sieht sich selbst zusam m en m it dem Engel, der ih r m it dem goldenen Pfeil die Liebeswunde verursacht. Der Meißel des K ünstlers m acht diesen

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Vorgang — w er verm öchte zu sagen, ob er sich innen oder außen abgespielt hat? — für den Gläubigen sichtbar. Jeder kann nun über seine Augen an der ekstatischen E rfahrung der hl. Theresia teilneh­men. Der Blick des B etrachters w ird angezogen von dem des Engels, m it dem er sich, oft ohne sich dessen bew ußt zu werden, gläubig identifizieren kann. Dann ruhen seine Augen m it dem selben freu­digen Entzücken auf der G estalt der Heiligen, und beinahe ohne es zu m erken, w ird er m item porgehoben und nim m t an der Elevation wenigstens innerlich teil.

Über die Ekstase das W irken Gottes erfahren, das ist das S tich­w ort der religiösen Kunst des Barock. B ernini ist einer der größten M eister dieser Richtung. E r weiß den Stein so zu entm aterialisieren, daß der gewaltige Block der Wolke, die den K örper der Heiligen trägt, schwebend leicht erscheint. Wie eine Feuerlohe w irk t das Gewand des Engels. Wie das Ergebnis heftiger E rschütterungen legen sich die Falten des Kleides der Ordensfrau in solche Unordnung, daß m an die einzelnen Gewandstücke gerade noch unterscheiden kann. An der Glut, an der E rschütterung soll der Gläubige teilnehmen.

Das Ganze ist ein Altarbild, eingefügt, in den Rahm en einer Ädikula, die sich über der A ltarm ensa erhebt. Der Ädikularalimen wölbt sich in den K irchenraum vor und en trückt das heilige Gesche­hen dem B etrachter im gleichen Maße, wie er es seinem Blick frei­gibt. Am Altar w ird das M essopfer gefeiert. Auf der Mensa steh t das Kreuz und die Kerzen auf ihren Kandelabern. Sie ragen ein geraum es Stück über die Bildbühne hinaus und verbinden die ekstatische Schwebegruppe optisch m it dem Altar und dem Opfergeschehen auf ihm. Es ist Mysterium, was da geschieht durch das M essopfer, das Golgotha gegenwärtig setzt. In diesem M ysterium ist auch die E r­möglichung der Liebesverbindung der m enschlichen Seele m it Gott m itenthalten.

Die Ekstase sprengt den Rahm en der naturalistischen Kunst. Die Wolke, die Gewänder und die Körper, alle Elem ente der Gruppe hat Bernini erarbeitet durch das S tudium der sichtbaren Welt, doch das fü r die äußeren Augen Sichtbare verdeckt n u r dem unreinen Herz das übernatürliche W irken Gottes in der m enschlichen N atur. Die Ekstase verbindet zur Zeit des Barock, fü r Gläubige erfahrbar, die N atur m it der Übernatur. Die K unst weiß dabei die sichtbaren For­meln zu finden, um zwischen beiden dynam isch zu verm itteln: die goldenen Strahlen, die von oben einfallen und die das von verdeckter Öffnung einfließende natürliche Licht um deuten in die H erabkunft der Gnade, das Lohen des Gewandes um den K örper des Engels, das aufgewühlte Kleid der Heiligen, die Aktion des Zustoßens m it dem Pfeil im Gegensatz zur völlig passiven Ruhe der Visionärin, die

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in leichter Diagonale von links unten nach rechts oben ziehende W olkenbank und schließlich der Gegensatz zwischen dem geöffneten Mund und den halb geschlossenen Augen im Angesicht der Heiligen in Ekstase. Über diese halb geschlossenen Augen gelangt der B etrach­te r gleichsam in ihre Seele und w ird dessen gewiß, daß alles, was der K ünstler ihm darbietet, n ichts anderes ist, als m ystische E r­fahrung, die zuerst ihren sichtbaren Ausdruck in der inneren Schau der hl. Theresia gefunden hat, bevor sie von dem Bildhauer nach­gestaltet worden ist.

Barocke religiöse Kunst ist nicht zu denken ohne die m ystische E rfahrung großer Heiliger, vorab im Spanien des 16. Jahrhunderts. Sie ist auf weite Strecken Übersetzung von Ekstase in die bleibende S ichtbarkeit m it Hilfe bildlicher Mittel.

Im Gegensatz zum protestantischen N orden Europas hat die B arockkunst Roms m it der W iedergabe der m it den äußeren Sinnen nacherlebbaren Ekstase die Möglichkeit gefunden, den Gehalt der christlichen Botschaft dem B etrachter so vor den Blick zu stellen, daß er einerseits an deren übernatürlichen H erkunft nicht zu zwei­feln, und doch andererseits sich ganz auf die E rfahrung seiner Sinne zu verlassen vermag. Die Größe Berninis besteht m.E. darin, daß es ihm gelungen ist, den m enschlichen B etrachter in seiner Ganzheit, nicht nur dessen V erstand oder ästhetisches Empfinden, m it seinem Kunstw erk in der Coronarokapelle anzusprechen und gleichzeitig den im Hohenlied grundgelegten Gedanken christlicher B rautm ystik in dem exemplarischen Bild der Liebesverwundung auf dem H öhepunkt der via unitiva zu verm itteln. Selten ist es einem Bildhauer so gelun­gen, ganz zum Werkzeug einer Heiligen zu werden, dam it deren re­ligiöse Erfahrung von allen Gläubigen über das B etrachten eines Kunstwerkes nachem pfunden werden kann.

Wenn auch die « hl. Theresia » des B ernini wenig direkte Nachah­m ungen gefunden h a t 19, das Stichw ort hat sie für die katholische K unst der Folgezeit verdeutlicht, näm lich den menschlichen K örper nicht m ehr als einen in sich selbst ruhenden und aus sich selbst agierenden Organismus, sondern, wie von einer jenseitigen K raft aus in Ekstase geraten und sich selbst enteignet, zu g eben20.

19 Zwar sagt L au ra G u t ié r r e z R u e d a , a.a.O. S. 116. « Muchos son los pinto­res que no hacen sino copiar esta conocida obra », und meint damit den Einfluß der Theresiagruppe des Bernini auf die Kunst der Folgezeit, gibt aber nur vier Beispiele an.

20 É M IL E M â le , L ’art religieux après le Concile de Trente, Paris 1932, Ss. 153, 161-167 bespricht die Theresiagruppe des Bernini als ein Hauptbeispiel der neuen Ikonographie der ekstatischen Heiligendarstellungen, sieht aber nicht

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BERNINIS FIGURENGRUPPE DEL HL. THERESIA 6 9 3

Es w ar wohl das bisher letzte Mal, daß sich die bildende Kunst, in dieser Weise breite Volksschichten erfassend, der christlichen Re­ligion verbunden hat. Seit der französischen Revolution, scheint mir, ist diese Tradition abgebrochen. Eine ganz verstandesbetonte Theo­logie hat bew irkt, daß die Heiligen, das gläubige Volk und die K ünstler weit voneinander abgerückt sind. Deshalb ist es kaum zu verwun­dern, daß heute die barocke K ultur oft als theatralischer T rium pha­lismus und äußerer Sensualism us m ißverstanden wird. Die B etrach­tung der « hl. Theresia » des Bernini aber kann den Theologen wohl lehren, daß m it allen M itteln jene Einheit zwischen K unst und Re­ligion, die nunm ehr bald zw eihundert Jahre lang verlorengegangen ist, gesucht werden muß. Sicher w ird heute nicht die Ekstase das Stichw ort bilden, sondern eine neue Gotteserfahrung im geschlagenen und entrechteten B ruder in universaler Weite. Nach wie vor w ird aber der K ünstler gerufen sein, nicht seine eigene, sondern die tiefe und prägende E rfahrung Gottes der Heiligen seiner Zeit in sichtbar bleibender Gestalt zu verm itteln.

H einrich Pfeiffer, S.J.

die eigentliche Ursache der ekstatischen Formen der Barockkunst, wie ich sie hier zu skizzieren versucht habe. Es geht nicht nur um ein neues Bildthema, sondern um eine neue Darstellungsform, die einem künstlerischen und geistli­chem Bedürfnis zugleich entspricht.