das osmotische prinzip der milchbildung · • häufig wird osmose beschrieben als die spontane...
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Das osmotische Prinzip der Milchbildung
15. Vortragsveranstaltung des TGD ST für Landwirte und Haustierärzte
Ebendorf 05.11.2013
Dr. Bernd Taffe TGD ST
… gibt Milch
Eine Kuh…
… und Wasser
… benötigt dafür aber Futter…
… produziert aber auch Jauche und Mist…
… sowie klimaschädliche Gase
… und macht dabei viel Arbeit
9.000 kg
4.500 kg
4.500 kg
Was ist besser?Was ist ökologischer?Was ist ökonomischer?
Was ist arbeitswirtschaftlicher?
Grundsätzliche Überlegungen zur Milchproduktion• Energie‐ und Proteinerhaltungsbedarf einer 650 kg schweren Kuh immer ca. 38 MJ NEL & 450 g XP / Tag
Durch die Leistungsverdopplung der letzten 25 Jahre (4.500 kg auf 9.000 kg / Kuh und Jahr) kann die gleiche Milchmenge die ehemals mit 240.000 Milchkühen erzielt wurde, heute mit etwa 120.000 Milchkühen erzielt werden.Einsparungspotential am Erhaltungsbedarf bezogen auf Energie38 MJ x 365 d x 120.000 Kühe → 1.664.400.000 MJ NEL / Jahr
Einsparungspotential am Erhaltungsbedarf bezogen auf Protein450 g x 365 d x 120.000 Kühe → 19.710.000 kg Protein / Jahr
1.66 Milliarden MJ NEL entsprechen dem Energieertragsäquivalent von 31.344 ha Grünland oder 17.744 ha Maisanbaufläche!19.710 t Protein entsprechen dem Proteinertragsäquivalent von 12.167 ha Grünland oder 14.079ha Maisanbaufläche!(ST insgesamt 1.173.000 ha LW NFL)
Grundsätzliche Überlegungen zur Milchproduktion
und…• … die doppelte Kuhzahl…
… benötigt das Vorhalten von in etwa doppelt so vielen Remonten und damit eine insgesamt deutlich größere Rinderpopulation mit entsprechenden Umweltbeein‐flussungen durch Ausscheidungen! (Kot & Urin sowie Methan & CO2)… benötigt in unseren Breiten dementsprechend mehr umbauten Stallraum!… macht in den verschieden Belangen der Milchvieh‐haltung und der Rinderzucht bis zum doppelten an Arbeit (z. B. Melkarbeit!) für die in unserer Gesellschaft immer weniger Menschen zur Verfügung stehen!
Grundsätzlich ist das Anstreben höherer Milch‐leistungen ökonomisch und ökologisch sinnvoll!
Wie entsteht Milchmenge?
nach Mehlhorn &. Bär 1970Umwelt
Biotische Faktoren
Viren, Bakterien, Parasiten, Pilze, und ihre belebten Vektoren
Abiotische Faktoren:
Stallbewirtschaftung, Stallklima, Tierkomfort und Tierbetreuung
Trophische Faktoren:
Qualität von Futtermitteln, Rationsgestaltung, Wasserversorgung
Leistung / Tierwohl 1970:→ 60 % Fütterung→ 20 % abiotische und
biotische Faktoren → 20 % Genetik
Faktoren, die Leistungsbereitschaft und Gesundheit von Nutztieren beeinflussen
Leistung / Tierwohl 2013→ 60% Fütterung?!→20% abiotische Faktoren ?! →20% biotische Faktoren und Genetik?!
Milchmenge Milchinhaltsstoffe
Milchmenge wird ….
• … genetisch determiniert!• … von der Herdenzusammensetzung nach Alter und Laktationsstand beeinflusst!
• … osmotisch reguliert!
Milchmenge wird ….
• … genetisch determiniert!– Bedeutung der Tierzucht!
• … von der Herdenzusammensetzung nach Alter und Laktationsstand beeinflusst!
• … osmotisch reguliert!
Milchmenge & Genetik
• Sowohl Milchmenge, als auch Milchzusammen‐setzung (Fett und Eiweiß) werden genetisch beeinflusst!– → Züchterische Selektion ist eine wesentliche Voraussetzung für erfolgreiche Milchproduktion!
– → Bei züchterischer Selektion dennoch neben Leistung auch Langlebigkeit, Fruchtbarkeit, Fundament und Euterform im Auge behalten!
Milchmenge wird ….
• … genetisch determiniert!– Bedeutung der Tierzucht!
• … von der Herdenzusammensetzung nach Alter und Laktationsstand beeinflusst!– Bedeutung von Gesundheit und Fruchtbarkeit!
• … osmotisch reguliert!
Milchmenge & Herdenzusammensetzung… nach Alter: • Bis zur 6. Laktation entwickelt eine gesunde Kuh von Laktation zu Laktation einen altersbedingten Leistungszuwachs!– → Ziel: Möglichst viele Kühe in der 3.‐6. Laktation halten!– → Voraussetzung: Gesunderhaltung der Kühe! (Hygienemaßnahmen!!!)
… nach Laktationsstand• Frischmelker geben mehr Milch als Altmelker
– → Ziel: Im Mittel sollte eine Herde etwa 160‐180 Melktageaufweisen (Melktage = Ø aller Laktationstage)
– → Voraussetzung: eine gute und ungestörte Fruchtbarkeit
Milchmenge nach Laktationsstand (graphisch)Bsp. : Milchmenge / Melktagegut synchronisiert
Bsp: Milchmenge / Melktageschlecht synchronisiert
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Milchmenge wird ….
• … genetisch determiniert!– Bedeutung der Tierzucht!
• … von der Herdenzusammensetzung nach Alter und Laktationsstand beeinflusst!– Bedeutung von Gesundheit und Fruchtbarkeit!
• … osmotisch reguliert! – Bedeutung von Fütterung, Haltung und Gesundheit!
Osmotische Regulation der Milchmenge• Als Osmose (gr. ὠσμός ōsmós „Eindringen“, „Stoß“,
„Schub“, „Antrieb“) wird in den Naturwissenschaften der gerichtete Fluss von molekularen Teilchen durch eine selektiv ‐ oder semipermeable Trennschicht bezeichnet.
• Häufig wird Osmose beschrieben als die spontane Passage von Wasser oder eines anderen Lösungsmittels durch eine semipermeable Membran, die für das Lösungsmittel, jedoch nicht die darin gelösten Stoffe durchlässig ist.
• Osmose ist in der Natur von zentraler Bedeutung, insbesondere für die Regulation des Wasserhaushalts von Lebewesen und ihren Zellen.
Aus Wikipedia
Osmose im Experiment
Osmose im Experiment
Osmose im Experiment
Laktose bildenderLaktozyt (Euter)
Extrazelluläres, „laktosefreies Wasser“
(Blut)
im Euter
Osmotische Regulation der Milchleistung
1. Wasserverfügbarkeit
• Wasserverfügbarkeit– 6‐10 cm frei zugängliche Troglänge je Kuh!
• Keine Sackgassenmontage!– Je 20 Kühe einer Gruppe eine Kipptrogtränke mit 1,5‐2,0 m zugängliche Länge!
• Keine Zungen‐ oder Ballentränken! – 4 l je kg Milchbildung!– 4‐6l je kg TS Aufnahme!
• Wer nicht säuft, frisst nicht und umgekehrt!– Möglichkeit zu metrischer Erfassung!– Trinkwasserqualität! (Tränkehygiene!!!)
Osmotische Regulation der Milchleistung
Osmotische Regulation der Milchleistung
2. Laktoseverfügbarkeit
• Laktose entsteht in den Laktocyten(= milchbildenden Zellen) des Euters unter Einwirkung von Enzymen aus Glucose (= Traubenzucker).
• Glucose kommt mit dem Blut ins Euter! Bei Wiederkäuern wird 90% der Glucose in der Leber gebildet aus Propionsäure. (sog. Zitronensäurezyklus!)
• Propionsäure wird von Pansenbakterienbei einem ungestörten Abbau vor allem von leicht verdaulichen Kohlenhydraten gebildet! (= Fermentation)
Osmotische Regulation der Milchleistung
Laktose und Eutergesundheit
Laktose und Eutergesundheit
• Nur gesunde Lactocyten bilden uneingeschränkt Laktose!
• Mastitis bedeutet kranke Laktocyten!– Klinische Mastitis!– Subklinische Mastitis!!! (ZZ > 100.000/ml! Zellen sind körpereigene Abwehrzellen, die der Gesamtheit der Lactocyten im Euter helfen sollen zu gesunden. Ihr erhöhtes Auftreten signalisiert aber eingeschränkte Lactosesynthese und damit eingeschränkte Milchbildung!)
• Euter mit einer ZZ zwischen 200.000 und 500.000/ ml bilden 1‐2 l Milch / Tag weniger als das genetische Potential zulässt!
Maßzahlen für Eutergesundheit‐Orientierungswerte‐
• Zellzahl– Einzeltier < 100.000 / ml– Herde < 150.000 / ml
• Verteilung eutergesunder Kühe– < 100.000 / ml > > 60%– ≥ 1.000.000 / ml < 5 %– > 400.000 / ml < 15%
• Neuinfektionen in der Hochträchtigkeit / Ausheilen im TS– NI hochtragende Färsen ≤ 30%– NI eutergesunde TS‐Kühe ≤ 15%– Ausheilung im TS > 50%
• Neuinfektionen in der Laktation– Exponentieller Abfall ab dem ersten Laktationsmonat– (Färsen 66%, Kühe 33% NI im 1. Laktationsmonat)
Laktose und Stoffwechselgesundheit (Leber und Pansen)
Laktose und Stoffwechselgesundheit
• Leber‐ und Pansengesundheit lassen sich ein Stück weit aus den Milchinhaltsstoffen ablesen! (Dynamisches Dauermonitoring mit Daten der MLP)
• Leber‐ und Pansengesundheit lassen sich auch im Rahmen von Stoffwechseluntersuchungen einschätzen! (Momentaufnahme!)
• Leber‐ und Pansengesundheit lassen sich darüber hinaus oft bereits aus der Rationsphilosophie und / oder der Rationsrealität (Futterverzehr und tatsächliche Rationszusammensetzung) ableiten!
Milchinhaltsstoffe & Stoffwechsel
Interpretation• „Wenig Milcheiweiß = Energiemangel“
– Milcheiweiß ist im Darm verfügbares Mikroben‐zerfallseiweiß aus dem Pansen!
– Haben die Pansenmikroben ausreichend Energie undStickstoff (NH3!) und stimmt das Milieu (Pansen‐pH, Fasermatte) dann vermehren sie sich optimal und bilden viel Bakterienmasse!
– Da Stickstoff eher selten limitiert ist, spricht eine geringe Bakterienmasse primär für Energiemangel, insbesondere wenn gleichzeitig der Harnstoffwert der Milch recht hoch ist (Harnstoff = Entgiftungsprodukt von absolut oder relativ zuviel Protein)
• Ruminaler Energiemangel bedeutet eine suboptimale Propionssäuresynthese und limitiert die Milchbildung!• Wenn ruminaler Energiemangel mit erhöhten
Harnstoffwerten einhergeht, ist zusätzlich die Leber durch unnötige Entgiftungsarbeit belastet und die Traubenzuckersynthese wird gehemmt!
• Energiemangel kann überstürzten Fettabbau initiieren, der ebenfalls die Leber schädigt und damit die Glucosesynthese hemmt!
Milchinhaltsstoffe & Stoffwechsel
Interpretation2. Milchfett (MFW)
– Milchfett entsteht im Euter. Grundbaustein der Synthese ist die Essigsäure, die dem mikrobiellen Zelluloseabbau im Pansen entstammt und mit dem Blut antransportiert wird!
• „Wenig Milchfett = ruminale Zelluloseabbaustörung (Mikrobielle Pansenfermentationsstörung oder Rohfasermangel)“– Zu Laktationsbeginn entstammt Milchfett auch dem direkten
Körperfettabbau (Lipomobilisation)• „Viel Milchfett = überstürzter Körperfettabbau zu Laktationsbeginn!“
(Cave: Zu Laktationsbeginn können sich beide Phänomene überlagern und dadurch als metabolische Belastungen teilweise unerkannt bleiben!)– Mit sinken der Milchmenge in fortgeschrittener Laktation steigt der
Milchfettgehalt! (Konzentrationseffekt?!)– Sinkt die Milchmenge überproportional (Persistenzverlust!) signalisieren
steigende Milchfettwerte auch zunehmendes Verfettungsrisiko!
• Niedrige Milchfettwerte bedeuten eine Störung der Pansenfer‐mentation und damit eine suboptimale Propionsäuresynthese!• Hohe Milchfettwerte wegen überstürztem Körperfettabbau
zu Laktationsbeginn bedeuten Leberbelastung und damit Einschränkung der Glucosesynthese.
• Beide Effekte bedingen letztendlich eine Einschränkung der Laktosesynthese im Euter und damit eine Einschränkung der Milchmengenbildung!
Milchinhaltsstoffe & StoffwechselInterpretation
3. Fett‐Eiweißquotient (FEQ)– Im Fett‐Eiweiß Quotient (FEQ) spiegeln sich ruminale
Energieversorgung und das Spannungsfeld Körperfettabbau / ruminale Fetteigensynthese wider
• „Niedriger FEQ = Risiko einer reduzierten ruminalenEssigsäurebildung (Rohfasermangel?!) bei gleichzeitig relativ hohem Konzentratangebot“ (Stärke, Zucker, Protein)
• „Hoher FEQ = Risiko eines übermäßigen Körperfettabaus infolge Energiemangels“
• Niedrige FEQ`s bedeuten eine Störung der Pansenfermentation und damit eine suboptimale Propionsäuresynthese!• Hohe FEQ`s wegen überstürztem Körperfettabbau und
Energiemangel zu Laktationsbeginn bedeuten Leberbelastung und damit Einschränkung der Glucosesynthese.
• Beide Effekte bedingen letztendlich eine Einschränkung der Laktosesynthese im Euter und damit eine Einschränkung der Milchmengenbildung!
Milchinhaltsstoffe & StoffwechselInterpretation
3. Milchharnstoff (MHS)– Milchharnstoffwerte spiegeln den Umsatz des Futter –N und den NH3 Anfall im Pansen wider
• Hohe Harnstoffwerte = – Störung der Pansenfermentation im Sinne einer Pansenalkalose?!
– Ruminaler Energiemangel (Zusätzlich MEW niedrig)– Absolutes Proteinüberangebot (Zusätzlich MEW hoch)
Maßzahlen für Stoffwechsel‐Orientierungswerte‐
• Milchinhaltsstoffe (Gruppe / Herde)– Milcheiweiß > 3,2 %– Milchfett > 3,8%– FEQ 100 d <1,4– FEQ > 1,1– Milchharnstoff 200‐250 ppm
• Milchinhaltsstoffe (Einzeltier)– Milcheiweiß 100 d > 3,1 %– Milchfett > 3,7%– FEQ 100 d < 1,5– FEQ > 1,0– Milchharnstoff 150‐300 ppm
• Merkmalsträger– 100 d MEW < 3,1% ≤ 30 %– 100 d FEQ > 1,5 ≤ 5‐10 %– FEQ < 1,0 ≤ 5‐10 %
Milchinhaltsstoffe & Fütterung
• Ein Unterschreiten der Rationsempfehlungen für Energie befördert primären Energiemangel und damit überstürzten Körperfettabbau und Leberbelastungen!
• Eine wegen Stress, Krankheit oder Wassermangel unter den Empfehlungen zurück bleibende Futteraufnahme befördert sekundären Energiemangel und damit ebenfalls überstürzten Körperfettabbau und Leberbelastungen!
• Erhöhte Entgiftungsleistungen der Leber (Absolut oder relativ zu hohes Proteinangebot, Endotoxine bei Azidosefütterung oder Futtermitteltoxine) bedingen zusätzliche Leberschädigungen!
• Ein Unterschreiten der Rationsempfehlungen für strukturwirksame Rohfaser sowie ein nicht Einhalten der Empfehlungen für leicht verdauliche Kohlenhydrate und Protein bedingen Störungen der Pansenfermentation und ggf. sekundären Energiemangel!
Fazit: Fehlt Milchmenge, dann ….
• … überprüfe die Zuchtziele!• … geh pfleglicher mit Deinen Kühen um, damit sie alt genug werden!
• … verbessere Dein Fruchtbarkeitsmanagement!• … hinterfrage die Wasserverfügbarkeit!• … verbessere die Euterhygiene!• … optimiere Fütterung, Haltung & allgemeine Betriebshygiene!
• … denke nicht über Bestandserweiterung oder dreimal Melken sowie andere die Milchleistung steigernde „Kunstgriffe“ nach, solange Du bei den zuvor genannten Punkten noch Reserven hast!
Den Kühen in Sachsen‐Anhalt Dank für meinen täglichen persönlichen Erkenntniszugewinn
und Ihnen vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit