demokratie ohne kinder: unsozial und undemokratisch –

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| Prof. Dr. Hermann K. Heußner, 9.11.2009 1 Demokratie ohne Kinder: unsozial und undemokratisch – Zur Einführung eines Wahlrechts ohne Altersgrenze Prof. Dr. Hermann K. Heußner, Fachhochschule Osnabrück (Nutzung der Präsentation nur mit Nennung des Verfassers) Ringvorlesung, Universität Marburg, 9.11.2009

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Demokratie ohne Kinder: unsozial und undemokratisch – Zur Einführung eines Wahlrechts ohne Altersgrenze. Prof. Dr. Hermann K. Heußner, Fachhochschule Osnabrück (Nutzung der Präsentation nur mit Nennung des Verfassers) Ringvorlesung, Universität Marburg, 9.11.2009. Gliederungsübersicht. - PowerPoint PPT Presentation

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Demokratie ohne Kinder:

unsozial und undemokratisch –

Zur Einführung eines Wahlrechts ohne

Altersgrenze

Prof. Dr. Hermann K. Heußner, Fachhochschule Osnabrück (Nutzung der Präsentation nur mit

Nennung des Verfassers)

Ringvorlesung, Universität Marburg, 9.11.2009

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Gliederungsübersicht

A. EinleitungB. Zur Lage von Kindern und Jugendlichen und deren Familien (Schlaglichter)C. WählerstrukturD. Wahlrecht: „strategischer Punkt“ der MachtE. Wahlrecht ohne AltersgrenzeF. EinwändeG. Ergebnis

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A. Einleitung

Demokratie ohne Kinder, Schlagworte:Kinder dürfen nicht wählenImmer weniger Kinder werden geborenRenten werden außerplanmäßig erhöht (2008)

Die Rente steigt damit um mehr als das Doppelte dessen, was den Rentnern nach der geltenden Rentenformel zustehen würde(http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,623108,00.html)

Rentner bekommen Rentengarantie (2009)In Deutschland sollen die Renten niemals sinken dürfen - selbst wenn die Löhne schrumpfen(http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,623108,00.html)„...basiert auf der Einsicht, dass keine große Volkspartei den 20 Millionen Rentnern vor einer Bundestagswahl Härten zumuten kann.“ (SZ v. 29.4.2009,

S. 4)

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B. Zur Lage von Kindern und Jugendlichen und

deren Familien (Schlaglichter)

Armut (Bundesregierung 2008; Eichhorn 2008):

Kinder und Jugendliche unter 15, die SGB II-Leistungen (Sozialgeld) beziehen: 16 % (2007)Menschen über 65, die Grundsicherung beziehen: 2,3 % (2006)

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B. Zur Lage von Kindern und Jugendlichen

und deren Familien (Schlaglichter)

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100

120

Ehepaare ohneKinder

Ehepaare, 1Kind

Ehepaare, 2Kinder

Ehepaare, 3Kinder

73,5

1353

Euro

100

1840

Euro

63,4

1167Euro

56,9

1.034

Durchschnittliches monatliches Pro-Kopf-Nettoeinkommen (gewichtet nach Bedarf) von jungen Familien (Ehemann 25-bis unter 35 Jahren) in Relation zum Pro-Kopf-Nettoeinkommen kinderloser Ehepaare in Baden-Württemberg 2007 (Stat. Landesamt Baden-Württemberg 2009, eigene Berechnungen)

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B. Zur Lage von Kindern und Jugendlichen und

deren Familien (Schlaglichter)

0

20

40

60

80

100

120

Ehepaare ohneKinder

Ehepaare, 1Kind

Ehepaare, 2Kinder

Ehepaare, 3Kinder

Durchschnittliches monatliches Pro-Kopf-Nettoeinkommen (gewichtet nach Bedarf) von Familien (Bezugsperson 35 bis unter 45 Jahren) in Relation zum Pro-Kopf-Nettoeinkommen kinderloser Ehepaare in Baden-Württemberg 2007 (Stat. Landesamt Baden-Württemberg 2009, eigene Berechnungen)

100

2108Euro

65,4

1378Euro

63,7

1343Euro

55,2

1164Euro

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B. Zur Lage von Kindern und Jugendlichen und

deren Familien (Schlaglichter)

Geburtenarmut (Statistisches Bundesamt 2009a, 2009c, 2009d):

absoluter Tiefststand 2006: 672.724 Geburten, 2007: 684.862 Geburten, 2008: 682.514 (1965: 1,3 Mio.) Geburtenrate 2008: 1,38 Kinder pro Frau (und „gedachtem“ Mann)Von Jahrgängen 1964-68 haben 21 % der Frauen (und „gedachten“ Männer) keine Kinder

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B. Zur Lage von Kindern und Jugendlichen und

deren Familien (Schlaglichter)

Bevölkerungsentwicklung,Schätzung für 2050 (Statistisches Bundesamt 2006):

ca. 15 % der Bevölkerung jünger als 20 Jahreca. 40 % der Bevölkerung älter als 60 Jahre

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B. Zur Lage von Kindern und Jugendlichen und

deren Familien (Schlaglichter)

Zukünftige Belastungen, u.a.:StaatsverschuldungUmwelt-, insbes. KlimaveränderungenDemographische VeränderungenGlobalisierter Wettbewerb

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C. Wählerstruktur

Geltendes Wahlrecht:

„Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat ...“ Art. 38 Abs. 2 Satz 1 GG; lex specialis zu:

„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG

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C. WählerstrukturStaatsbürger- und Wählerstruktur (2007/2009) nach geltendem Wahlrecht und mit Wahlrecht von Geburt an (Bundeswahlleiter 2009; Statistisches Bundesamt 2009b; eigene Berechnungen)

Deutsche Staatsbürger: 74,9 Mio. (2007)Unter 18: 12,7 Mio. 16,9 % (der Staatsbürger)

Wahlberechtigte: 62,2 Mio. (2009)Anteile der Wahlberechtigten

Wahlrecht ab 18 Wahlrecht ab Geburt0-17: 12.7 Mio. 0,0 % 16,9 %18-20: 2,6 Mio. 4,2 % 3,4 %21-39: 16,1 Mio. 25,9 % 21,4 %40-59: 23,4 Mio. 37,6 % 31,2 %ab 50: 30,7 Mio. 49,3 % 40,9 %ab 60: 20,1 Mio. 32,3 % 26,8 %ab 70: 11,4 Mio. 18,3 % 15,2 %

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D. Wahlrecht: „strategischer Punkt“ der Macht

Nur umfassende Allgemeinheit der Wahl sichert, dass Abgeordnete Interessen aller Staatsbürger auch tatsächlich hinreichend berücksichtigen Repräsentationsprinzip allein reicht nicht Geschichtliche Parallele: DreiklassenwahlrechtErst Einführung des gleichen Wahlrechts machte Weg für Sozialgesetzgebung freizuvor waren Interessen der Arbeiterschaft nur mangelhaft vertreten. Demokratisierung des Wahlrechts war der „strategische Punkt“ (von Arnim, Staatslehre der Bundesrepublik Deutschland, 1984, S. 83).

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E. Wahlrecht ohne Altersgrenze

Wahlrechtsmodelle/Begriffe:ElternwahlrechtWahlrecht von Geburt an (ohne Altersgrenze): KinderwahlrechtWahlrecht von Geburt an (ohne Altersgrenze): Stellvertreterlösung

Kind ist Inhaber des Wahlrechts

Eltern üben Wahlrecht „treuhänderisch“ stellvertretend aus

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E. Wahlrecht ohne Altersgrenze

Demokratisches Wahlrecht, Wahlrechtsgrundsätze, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG: AllgemeinheitUnmittelbarkeitFreiheitGleichheitGeheimheit

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E. Wahlrecht ohne Altersgrenze

Rechtliche Zulässigkeit der bestehenden Altersgrenze nach BVerfG:

Allgemeinheit der Wahl untersagt unberechtigten Ausschluss von Staatsbürgern von der Teilnahme an der Wahl (BVerfGE 58, 202, 205).

Aber: „Es ist von jeher aus zwingenden Gründen als mit dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl verträglich angesehen worden, dass die Ausübung des Wahlrechts an die Erreichung eines Mindestalters geknüpft wird. ... So ist das Demokratieprinzip und das engere Prinzip der Allgemeinheit der Wahl nicht verletzt durch Einführung eines Mindestalters, ...“ (BVerfG, NVwZ 2002, 69, 70).

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E. Wahlrecht ohne AltersgrenzeVerfassungspolitische Betrachtung (vgl. Heußner 2008, S. 237; Heußner 2009)

Demokratieprinzip: Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus, Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG

Zentrale Legitimationsverfahren sind Wahlen, Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG

Deren Legitimationskraft ist umso größer, je vollständiger Staatsvolk wahlberechtigt ist

Allgemeinheit der Wahl fordert deshalb rechtspolitisch, Minderjährige vom Wahlrecht nicht auszuschließen

Auch Minderjährigen müssen Inhaber des Grundrechts (iwS, grundrechtsgleichen Rechts) der aktiven Wahl sein

Ohne Minderjährigenwahlrecht besteht rechtspolitisch gravierender Demokratiemangel: knapp 13 Mio. Staatsbürger sind im wichtigsten Akt der Demokratie ein „nullum“, ein Nichts

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E. Wahlrecht ohne Altersgrenze

Grundrechtsregeln (vgl. Heußner 2008, S. 230 mwN)

Alle Menschen/Deutsche sind Grundrechtsträger (abgesehen - nach aktueller Rechtslage - vom Wahlrecht) (vgl. Jarass/Pieroth, Art. 19, Rz. 10)

Soweit Minderjährige nicht die notwendige Einsichts- und Urteilsfähigkeit haben, handeln die Eltern als gesetzliche Vertreter stellvertretend für Kind: Bsp. Religionsfreiheit, Art. 4 Abs. 1 GG (vgl.

Zippelius/Würtenberger 2008, § 18, Rz.70 f.)

Diese Regeln müssen rechtspolitisch auch für das Wahlrecht gelten

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E. Wahlrecht ohne Altersgrenze

Zwischenergebnis:

Demokratieprinzip und Allgemeinheit der Wahl fordern verfassungspolitisch Wahlrecht von Geburt an

Wahlrecht mit Altersgrenze ist undemokratisch, repräsentiert Kinderinteressen nicht hinreichend und führt deshalb zu unsozialen Politikergebnissen

Wahlrecht ohne Altersgrenze (von Geburt an)Eltern üben Wahlrecht des Kindes stellvertretend aus Soweit Kinder hinreichende Einsichts- und Urteilsfähigkeit haben, üben sie ihr Wahlrecht selbst ausVerfassungsänderung notwendig

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F. Einwände gegen elterliches Stellvertreterwahlrecht

Zwingende Gründe Altersgrenze beizubehalten?

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F. Einwände gegen elterliches Stellvertreterwahlrecht

Gleichheit der Wahl (vgl. näher Heußner 2008, S. 230 mwN):

Jede Stimme hat gleichen Zählwert, Verbot von Pluralwahlrechten (vgl. Jarass/Pieroth, Art. 38, Rz. 6)

Stellvertreterwahlrecht ist verkapptes, faktisches Pluralwahlrecht(vgl. Nachweise bei Heußner 2008, S. 230)

Gleichheitsgrundsatz darf auch durch Verfassungsänderung nicht berührt werden, gehört zu Kerngehalt des Demokratieprinzips, Art. 79 Abs. 3, Art. 20 Abs. 1, 2 GG

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F. Einwände gegen elterliches StellvertreterwahlrechtAber: Kein Verstoss gegen Gleichheit der Wahl (Heußner 2008, S. 231 ff. mwN)

Eltern richten sich in der Regel an objektiven Kindesinteressen aus, z.B.

Geringe StaatsverschuldungIntakte UmweltGute BildungGute Gesundheit

Dies ermöglicht getrennte Willensbildung und Wahlentscheidung für Eltern- und KindesstimmeEltern sind in der Regel die besten Vertreter der Kindesinteressen

IndikatorenGeldverzicht: 550 Euro Konsumausgabe für ein Kind pro MonatZeitverzicht: 1-2 Std. zusätzliche Haus- und/oder Erwerbsarbeit pro Elternteil pro Tag

Berechtigte Annahme der Verfassung gem. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 GGFolge: Eltern haben rechtlich und faktisch kein Mehrfachstimmrecht

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F. Einwände gegen elterliches Stellvertreterwahlrecht

Höchstpersönlichkeit der Wahl (vgl. Nachweise bei Heußner 2008, S. 243)

Wahlrecht dient Selbstbestimmung

diese nur höchstpersönlich möglich

Stellvertreterwahlrecht ist Fremdbestimmung

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F. Einwände gegen elterliches StellvertreterwahlrechtAber: Höchstpersönlichkeit schließt Verfassungsänderung nicht aus (vgl. Heußner 2008, S. 238 f., 243 f.)

Höchstpersönlichkeit kein Kernbestandteil der DemokratieUnmittelbarkeit kein Kernbestandteil der Demokratie

außerdem: Unmittelbarkeit verbietet nur, daß zwischen Wahlentscheidung und Zusammensetzung des Parlaments weitere Willensentscheidung hinzutritt (z.B. Wahlmännergremium)

Neben Selbstbestimmung ist auch Interessenwahrnehmung Funktion des WahlrechtsInteressenwahrnehmung durch Stellvertreterwahlrecht ermöglichtAktuelle Interessenwahrnehmung sichert Grundlagen für spätere Selbstbestimmung des KindesAuch andere höchstpersönliche Grundrechte lassen Stellvertretung zu

Beispiel: Religionsfreiheit, Art. 4 Abs. 1 GG (vgl. Zippelius/Würtenberger, § 18,

Rz. 71)

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F. Einwände gegen elterliches Stellvertreterwahlrecht

Wie soll kontrolliert werden, daß sich Eltern an Kindesinteressen orientieren? (vgl. Nachweise bei Heußner 2008, S.

233).

Aber: Kontrolle nicht notwendig (vgl. Heußner 2008, S. 232 ff.)

Eltern verzichten für Kinder auf erhebliche Geldbeträge und Zeit (vgl. o.)Geld- und Zeitverzicht erfolgen in der Regel völlig freiwilligNichts spricht dafür, daß Eltern nicht auch Wahlentscheidung für Kinderstimme freiwillig im Interesse des Kindes treffen.

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F. Einwände gegen elterliches StellvertreterwahlrechtViele Eltern geben schon jetzt ihre eigene Stimme im Interesse der Kinder ab (vgl. Zypries 2008)

Aber: Rechtfertigt keinen Verzicht auf Kinderstimme(Heußner 2009)

Einwand folgt dem allgemeinen eltern- und kinderfeindlichen Grundsatz, daß Eltern ihre Interessen zugunsten der Kinder auf(zu)opfern (haben) und Kinder deshalb keine eigenen Ansprüche benötigen

Aus Tatsache, daß eine Personengruppe (die Eltern) bereit ist, ihr politisches Grundrecht (das Wahlrecht) zugunsten einer anderen Gruppe (der Kinder) einzusetzen, folgt nicht, daß der so begünstigen Gruppe (den Kindern) dieses Grundrecht (Wahlrecht) verweigert werden darf

Aus Opferbereitschaft der Eltern folgt nicht, daß sie ihre eigenen Interessen bei Abgabe ihrer Stimme immer zurückstellen

Ohne eigene Kindesstimme können Eltern nicht differenziert nach eigenen und Kindesinteressen Stimmen abgeben.

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F. Einwände gegen elterliches StellvertreterwahlrechtPolitisch gewünschtes Wahlergebnis darf Wahlrechtsänderung nicht motivieren (vgl. Zypries 2008)

Aber: Zweck des Wahlrechts ist auch Interessenwahrnehmung (vgl. Heußner 2008, S. 238 f.; Heußner 2009)

Demokratieprinzip und Allgemeinheit der Wahl fordern Wahlrecht ohne Altersgrenze unabhängig von konkreten Interessen (vgl. o.).

Wahlrecht dient aber auch Interessenwahrnehmung und damit Wahlergebnissen, die diese Interessen widerspiegeln

Interesse von Kindern, Jugendlichen und deren Eltern werden durch bestehendes Wahlrecht systematisch benachteiligt

Repräsentationsprinzip sichert Interessenwahrnehmung Nicht-Wahlberechtigter nur unzureichend

Historisches Bsp.: Dreiklassenwahlrecht und mangelnde Sozialgesetzgebung

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F. Einwände gegen elterliches Stellvertreterwahlrecht

Wer Wahlberechtigt ist, muß auch alle Pflichten habenAber: Es besteht kein zwingender Grund, alle Rechte und Pflichten an dasselbe Alter zu koppeln, im Gegenteil (vgl. näher Gründinger 2008, S. 34 f.)

Minderjährige haben viele Pflichten, z.B.Deliktfähigkeit schon ab 7 bzw. 10, § 828 Abs. 2 und 3 BGBStrafmündigkeit schon ab 14, § 19 StGB

Volljährige haben z.T. Besserstellungen gegenüber anderen Volljährigen

Anwendung des Jugendstrafrechts bei Heranwachsenden, § 105 f. JGG

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F. Einwände gegen elterliches Stellvertreterwahlrecht

Kinder können eigene Interessen besser vertreten als ihre ElternAber: Es muß Grenze zwischen Kinderwahlrecht und Elternwahlrecht gezogen werden (vgl. Heußner 2008, S. 229 f.)

Wahlrecht hat Auswirkungen auf Dritte. Deshalb darf Wahlrecht nur derjenige ausüben, bei dem hinreichende Mindesteinsichts- und Urteilsfähigkeit grundsätzlich vermutet werden kann, vgl. § 13 Nr. 2 BWG Kinder- und Jugendliche haben erst ab gewissem Alter hinreichende Mindesteinsichts- und Urteilsfähigkeit

PraxisvorschlägeTypisierende Wahlaltersgrenze zwischen14 und 16 Jahren festlegen und/oderKinder/Jugendwahllisten einführen für Kinder/Jugendliche, die sich bei Wahlamt melden, um wählen zu dürfen (vgl. Krebs 2008, S. 275 ff.)

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F. Einwände gegen elterliches Stellvertreterwahlrecht

Elternwahlrecht technisch nicht umsetzbar

Welcher Elternteil soll Kinderstimme abgeben?

Aber: Technische Probleme lösbar (vgl. Gründinger 2008, S. 38)

Kinderstimme wird geteilt

Jeder Elternteil gibt halbe Kinderstimme ab

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F. Ergebnis

Ein Wahlrecht von Geburt an in Form des Stellvertretermodells gekoppelt mit einem Kinderwahlrecht kann und sollte durch Verfassungsänderung eingeführt

werden.________

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !

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Literatur_Von Arnim, Hans-Herbert (1984), Staatslehre der Bundesrepublik Deutschland

_Bundesregierung (2008), Lebenslagen in Deutschland, Der 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung,

http://www.bmas.de/coremedia/generator/26742/property=pdf/dritter__armuts__und__reichtumsbericht.pdf(4.9.2009)

_Bundeswahlleiter (2009), 62,2 Millionen Wahlberechtigt zur Bundestagswahl 2009,

http://www.bundeswahlleiter.de/de/bundestagswahlen/BTW_BUND_09/ (2.9.2009)

_Eichhorn, Lothar (2008), In Baden-Württemberg nur jedes 11. Kind auf „Sozialgeld“ nach SGB II angewiesen, bundesweit jedes 6.

Kind, in: Statistische Monatshefte Baden-Württemberg 3/2008, S. 19 ff.

_Gründinger, Wolfgang (2008), Wer wählt, der zählt, in: Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen (Hrsg.): Wahlrecht ohne

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_Heußner, Hermann K. (2009), Wahlrecht für Kinder?, in: Zeitschrift für Rechtspolitik 6/2009, S. 187.

_Heußner, Hermann K. (2008), Dürfen Eltern für ihre Kinder wählen? Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines elterlichen

Stellvertreterwahlrechts, in: Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen (Hrsg.): Wahlrecht ohne Altersgrenze?, München

2008, S. 227 ff.

_Krebs, David, Wider die amputierte Wahl. Oder: Physiker und Philosophen als Hebammen einer echten Demokratie, in: Stiftung

für die Rechte zukünftiger Generationen (Hrsg.): Wahlrecht ohne Altersgrenze?, München 2008, S. 267 ff.

_Statistisches Bundesamt (2009a), Mikrozensus 2008,Neue Daten zur Kinderlosigkeit in Deutschland,

http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pk/2009/Kinderlosigkeit/

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_Statistisches Bundesamt (2009b), Bevölkerungsstand, http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/

Content/Statistiken/Bevoelkerung/Bevoelkerungsstand/Tabellen/Content50/

GeschlechtStaatsangehoerigkeit,templateId=renderPrint.psml(2.9.2009).

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Literatur

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http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Navigation/Statistiken/Bevoelkerung/

GeburtenSterbefaelle/GeburtenSterbefaelle.psml(4.9.2008).

_Statistisches Bundesamt (2009d), Durchschnittliche Kinderzahl 2008 bei 1,38 Kindern je Frau,

http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pm/2009/09/

PD09__327__12641,templateId=renderPrint.psml(4.9.2009).

_Statistisches Landesamt Baden-Württemberg (2009), Durchschnittliches Pro-Kopf-Einkommen junger Familien in Baden-

Württemberg 2007, http://www.statistik-bw.de/BevoelkGebiet/FaFo/Familie/famZ_04_01.asp (1.9.2009)

_Statistisches Landesamt Baden-Württemberg (2009), Durchschnittliches monaltiches Nettoeinkommen derr Familien in

Baden-Württemberg 2007, http://www.statistik-bw.de/BevoelkGebiet/FaFo/Familie/famZ_04_04.asp (1.9.2009)

_Zypries, Brigitte, Wahlrecht für Kinder?, in: Zeitschrift für Rechtspolitik 8/2008, S. 271.

_Zippelius, Reinhold/Würtenberger, Thomas, Deutsches Staatsrecht, 32. Aufl., München 2008.