dennis frieß * orientierung im e-wald · anderer begriffsdefinitionen aufzuzeigen. 4 im folgenden...

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420 DVP 11/18 · 69. Jahrgang Die Digitalisierung hat Politik und Verwaltung fest im Griff. Da- bei spielen schillernde Begriffe wie E-Demokratie, E-Government, E-Administration, E-Partizipation oder E-Governance eine wichtige Rolle. In diesem ‚E-Wald‘ verliert man schnell die Orientierung. Ar- beiten, die sich mit der Systematisierung des Forschungsfeldes und dementsprechend auch mit der Definition von Begriffen auseinan- dergesetzt haben, betonen einhellig die komplizierten Gemengelage, wenn es um die Herstellung begrifflicher Klarheit geht. 1 In einem konstruktivistischen Gesellschaftsverständnis sind geteilte Begriffs- bedeutungen jedoch von besonderer Relevanz, denn sie konstruieren eine gemeinsame Wirklichkeit und erlauben Orientierung in einer komplexen Welt 2 : „Begriffe sind ‚Denkzeuge‘: Sie ermöglichen, die Welt zu begreifen und zu behandeln. Sie fungieren als eine Art Brille, durch die wir die Welt sehen.“ 3 Auch wenn die Literatur keine eindeutigen Definitionen zulässt, tuen Wissenschaft und Praxis gut daran, eine gewisse Klarheit über Begriffe herzustellen und diese in Beziehung zueinander zu setzen. Ziel dieses Beitrags ist es, einige zentrale E-Begriffe zu definieren um somit zu einer geteilten Vorstellung davon zu gelangen, was mit den Begriffen assoziiert wird und in welchem Verhältnis sie zueinan- derstehen. Hingegen ist es nicht möglich, eine allumfassende Nach- zeichnung der Begriffsgeschichten zu leisten oder die Inkonsistenzen anderer Begriffsdefinitionen aufzuzeigen. 4 Im Folgenden beschränkt sich die Begriffsklärung auf die Begriffe der E-Demokratie, E-Go- vernment, E-Administration, E-Partizipation und E-Governance, ehe schließlich eine Systematisierung zum Verhältnis der Begriffe vorgeschlagen wird. 5 * Dennis Frieß, M.A., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sozial- wissenschaften (Abt. Kommunikations- und Medienwissenschaft) der Hein- rich-Heine-Universität Düsseldorf. Er ist zudem assoziertes Mitglied des NRW-Forschungskollegs „Online-Partizipation“. 1 Susha/Grönlund, eParticipation research: Systematizing the field. Government Information Quarterly, 29(2), 2014, 373–382; Sæbø/Rose/Flak, The shape of ePar- ticipation: Characterizing an emerging research area. Government Information Quarterly, 25(3), 2008, 400–428; Sanford/Rose, Characterizing eParticipation. International Journal of Information Management, 27(6), 2007, 406–421. Mac- intosh, Characterizing e-participation in policy-making. Proceedings of the 37th Annual Hawaii International Conference on System Sciences, 2004. 2 Berger/Luckmann, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit: eine Theorie der Wissenssoziologie. Frankfurt, 1969. 3 Henn/Dohle/Vowe‚ Politische Kommunikation: Kern und Rand des Begriffsver- ständnisses in der Fachgemeinschaft. Ein empirischer Ansatz zur Klärung von Grundbegriffen, Publizistik, 58(4), 2013, 368. 4 Dazu: Yildiz, E-Government Research: Reviewing the Literature, limitations, and ways forward. Government Information Quaterly 24, 2007, 646–665.; Grön- lund/Horan, Introducing e-gov: history, definitions, and issues. Communications of the Association for Information Systems, 15(1), 2005, 713–729. 5 An dieser Stelle sei angemerkt, dass die folgende Klärung und Systematisierung der Begriffe keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt. Sie scheint im Kontext der ausgewählten Literatur zwar plausibel, aber der informierte Leser wird wenig Schwierigkeiten haben andere Begriffsverständnisse oder Begriffs- verhältnisse zu finden. E-Demokratie‘ – ein Dachbegriff Der Begriff der E-Demokratie kann als Überbegriff – „umbrella con- cept“ 6 – betrachtet werden, unter dem sich E-Government, E-Go- vernance und E-Partizipation zusammenfassen lassen. Im Kern be- schreibt der Begriff der E-Demokratie die Nutzung der Potenziale digitaler Informations- und Kommunikationstechnologie für die Gestaltung demokratischer Politik auf diversen Ebenen. E-democracy […] covers those arrangements by which elec- tronic communications are used by those with power and the citizens they serve to interact with each other in order to inform and modify the way that power is used. e-Democracy is NOT about paying speeding fines over the Internet (that is e-govern- ment); it IS about consulting on whether the speed limit on a particular stretch of road should be raised, lowered or left as it is. It may, one day, be used as a way of empowering citizens in the process of making major national decisions. 7 Der Begriff der E-Demokratie verkörpert gleichsam die utopischen Ideen der Internetoptimisten der frühen Stunde, die davon ausgingen, dass neue Kommunikationstechnologie eine neue demokratischere Gesellschaftsordnung ermöglichen würde. 8 Hier soll E-Demokratie als ein Dachbegriff verstanden werden, unter dem andere Begriffe Platz finden können, aber nicht müssen. Im Mittelpunkt steht eine potenzielle Ermächtigung des Demos durch die kommunikativen Potenziale des Internets. Dies ist dann der Fall, wenn durch digitale Technologien demokratische Grundwerte wie Transparenz, Diskur- sivität und Partizipation unterstützt werden. ‚E-Government‘ – digitale Informations- und Serviceleistungen Der E-Government-Begriff ist der wohl virulenteste Begriff im Feld der E-Demokratieforschung und leidet entsprechend unter defini- torischer Vagheit. 9 Der Begriff steht dabei teilweise Synonym für 6 Anttiroiko, Democratic E-Governance: Basic Concepts, Issues and Future Trends. Journal of Korean Association for Regional Information Society, 3(1), 2007, 27–45, S. 34. 7 Coleman/Norris, A new agenda for e-democracy. Oxford Internet Institute. Fo- rum Discussion Paper, 4, 2005, 1-36. Abrufbar unter: https://bit.ly/2MKHJDw, S. 7. 8 Negroponte, Being Digital. New York, 1995; Rheingold, The Virtual Community: Homesteading on the Electronic Frontier. Reading, 1993. 9 E-Goverment kann in diesem Zusammenhang als aktuelles Paradigma der öf- fentlichen Verwaltung verstanden werden. Dabei bedeutet die Digitalisierung der inneren und äußeren Kommunikationsbeziehungen nicht nur einen technischen Wandel, sondern nach herrschender Literaturmeinung auch einen Kulturwan- del der Verwaltungsorganisation, wie ihn etwa auch das Reform-Paradigma des New-Public-Managements eingeleitet hat. Dazu: Margetts, Publicmanagement change and e-government: The emergence of digital-era governance. In Chad- wick/Howard (Hrsg.), The Routledge handbook of Internet politics, New York, 2009, S. 114–128. Abhandlungen Dennis Frieß * Orientierung im E-Wald Definitionen und eine Systematisierung verschiedener E-Begriffe im Kontext digitalen Politik- und Verwaltungshandelns

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Page 1: Dennis Frieß * Orientierung im E-Wald · anderer Begriffsdefinitionen aufzuzeigen. 4 Im Folgenden beschränkt sich die Begriffsklärung auf die Begriffe der E-Demokratie, E-Go- vernment,

420 DVP 11/18 · 69. Jahrgang

Die Digitalisierung hat Politik und Verwaltung fest im Griff. Da-bei spielen schillernde Begriffe wie E-Demokratie, E-Government, E-Administration, E-Partizipation oder E-Governance eine wichtige Rolle. In diesem ‚E-Wald‘ verliert man schnell die Orientierung. Ar-beiten, die sich mit der Systematisierung des Forschungsfeldes und dementsprechend auch mit der Definition von Begriffen auseinan-dergesetzt haben, betonen einhellig die komplizierten Gemengelage, wenn es um die Herstellung begrifflicher Klarheit geht.1 In einem konstruktivistischen Gesellschaftsverständnis sind geteilte Begriffs-bedeutungen jedoch von besonderer Relevanz, denn sie konstruieren eine gemeinsame Wirklichkeit und erlauben Orientierung in einer komplexen Welt2: „Begriffe sind ‚Denkzeuge‘: Sie ermöglichen, die Welt zu begreifen und zu behandeln. Sie fungieren als eine Art Brille, durch die wir die Welt sehen.“3

Auch wenn die Literatur keine eindeutigen Definitionen zulässt, tuen Wissenschaft und Praxis gut daran, eine gewisse Klarheit über Begriffe herzustellen und diese in Beziehung zueinander zu setzen. Ziel dieses Beitrags ist es, einige zentrale E-Begriffe zu definieren um somit zu einer geteilten Vorstellung davon zu gelangen, was mit den Begriffen assoziiert wird und in welchem Verhältnis sie zueinan-derstehen. Hingegen ist es nicht möglich, eine allumfassende Nach-zeichnung der Begriffsgeschichten zu leisten oder die Inkonsistenzen anderer Begriffsdefinitionen aufzuzeigen.4 Im Folgenden beschränkt sich die Begriffsklärung auf die Begriffe der E-Demokratie, E-Go-vernment, E-Administration, E-Partizipation und E-Governance, ehe schließlich eine Systematisierung zum Verhältnis der Begriffe vorgeschlagen wird.5

* Dennis Frieß, M.A., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sozial-wissenschaften (Abt. Kommunikations- und Medienwissenschaft) der Hein-rich-Heine-Universität Düsseldorf. Er ist zudem assoziertes Mitglied des NRW-Forschungskollegs „Online-Partizipation“.

1 Susha/Grönlund, eParticipation research: Systematizing the field. Government Information Quarterly, 29(2), 2014, 373–382; Sæbø/Rose/Flak, The shape of ePar-ticipation: Characterizing an emerging research area. Government Information Quarterly, 25(3), 2008, 400–428; Sanford/Rose, Characterizing eParticipation. International Journal of Information Management, 27(6), 2007, 406–421. Mac-intosh, Characterizing e-participation in policy-making. Proceedings of the 37th Annual Hawaii International Conference on System Sciences, 2004.

2 Berger/Luckmann, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit: eine Theorie der Wissenssoziologie. Frankfurt, 1969.

3 Henn/Dohle/Vowe‚ Politische Kommunikation: Kern und Rand des Begriffsver-ständnisses in der Fachgemeinschaft. Ein empirischer Ansatz zur Klärung von Grundbegriffen, Publizistik, 58(4), 2013, 368.

4 Dazu: Yildiz, E-Government Research: Reviewing the Literature, limitations, and ways forward. Government Information Quaterly 24, 2007, 646–665.; Grön-lund/Horan, Introducing e-gov: history, definitions, and issues. Communications of the Association for Information Systems, 15(1), 2005, 713–729.

5 An dieser Stelle sei angemerkt, dass die folgende Klärung und Systematisierung der Begriffe keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt. Sie scheint im Kontext der ausgewählten Literatur zwar plausibel, aber der informierte Leser wird wenig Schwierigkeiten haben andere Begriffsverständnisse oder Begriffs-verhältnisse zu finden.

E-Demokratie‘ – ein Dachbegriff

Der Begriff der E-Demokratie kann als Überbegriff – „umbrella con-cept“6 – betrachtet werden, unter dem sich E-Government, E-Go-vernance und E-Partizipation zusammenfassen lassen. Im Kern be-schreibt der Begriff der E-Demokratie die Nutzung der Potenziale digitaler Informations- und Kommunikationstechnologie für die Gestaltung demokratischer Politik auf diversen Ebenen.

E-democracy […] covers those arrangements by which elec-tronic communications are used by those with power and the citizens they serve to interact with each other in order to inform and modify the way that power is used. e-Democracy is NOT about paying speeding fines over the Internet (that is e-govern-ment); it IS about consulting on whether the speed limit on a particular stretch of road should be raised, lowered or left as it is. It may, one day, be used as a way of empowering citizens in the process of making major national decisions.7

Der Begriff der E-Demokratie verkörpert gleichsam die utopischen Ideen der Internetoptimisten der frühen Stunde, die davon ausgingen, dass neue Kommunikationstechnologie eine neue demokratischere Gesellschaftsordnung ermöglichen würde.8 Hier soll E-Demokratie als ein Dachbegriff verstanden werden, unter dem andere Begriffe Platz finden können, aber nicht müssen. Im Mittelpunkt steht eine potenzielle Ermächtigung des Demos durch die kommunikativen Potenziale des Internets. Dies ist dann der Fall, wenn durch digitale Technologien demokratische Grundwerte wie Transparenz, Diskur-sivität und Partizipation unterstützt werden.

‚E-Government‘ – digitale Informations- und Serviceleistungen

Der E-Government-Begriff ist der wohl virulenteste Begriff im Feld der E-Demokratieforschung und leidet entsprechend unter defini-torischer Vagheit.9 Der Begriff steht dabei teilweise Synonym für

6 Anttiroiko, Democratic E-Governance: Basic Concepts, Issues and Future Trends. Journal of Korean Association for Regional Information Society, 3(1), 2007, 27–45, S. 34.

7 Coleman/Norris, A new agenda for e-democracy. Oxford Internet Institute. Fo-rum Discussion Paper, 4, 2005, 1-36. Abrufbar unter: https://bit.ly/2MKHJDw, S. 7.

8 Negroponte, Being Digital. New York, 1995; Rheingold, The Virtual Community: Homesteading on the Electronic Frontier. Reading, 1993.

9 E-Goverment kann in diesem Zusammenhang als aktuelles Paradigma der öf-fentlichen Verwaltung verstanden werden. Dabei bedeutet die Digitalisierung der inneren und äußeren Kommunikationsbeziehungen nicht nur einen technischen Wandel, sondern nach herrschender Literaturmeinung auch einen Kulturwan-del der Verwaltungsorganisation, wie ihn etwa auch das Reform-Paradigma des New-Public-Managements eingeleitet hat. Dazu: Margetts, Publicmanagement change and e-government: The emergence of digital-era governance. In Chad-wick/Howard (Hrsg.), The Routledge handbook of Internet politics, New York, 2009, S. 114–128.

Abhandlungen

Dennis Frieß*

Orientierung im E-WaldDefinitionen und eine Systematisierung verschiedener E-Begriffe im Kontext digitalen Politik- und Verwaltungshandelns

Page 2: Dennis Frieß * Orientierung im E-Wald · anderer Begriffsdefinitionen aufzuzeigen. 4 Im Folgenden beschränkt sich die Begriffsklärung auf die Begriffe der E-Demokratie, E-Go- vernment,

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jene Forschung seit den 1990er-Jahren, die sich mit der Verände-rung demokratischen Regierens durch digitale Informations- und Kommunikationstechnologie befasst. Der Blick auf die Verschie-denen Definitionen zeigt, dass unterschiedliche Autoren aber auch strahlkräftige Organisationen wie die Vereinten Nationen, die UN-ESCO, die OECD oder die Weltbank unterschiedliche Auffassun-gen darüber haben, was mit dem E-Government-Begriff im Detail verbunden wird.10 Die Vereinten Nationen definieren E-Goverment als „utilizing the Internet and the world-wide-web for delivering government information and services to citizens.”11 Demnach be-zeichnet E-Government in erster Linie die digitale Bereitstellung von Informationen und Dienstleistungen für die Öffentlichkeit durch die Verwaltung (z.B. Sperrmüllzeiten, Formulare, Steuererklärung, KfZ-Anmeldung, Wohnsitz An- und Ummeldung, Mängelmelder, Begleichung von Bußgeldern).12 Auch in der Definition der Weltbank (2012) wird die Fokussierung auf die Digitalisierung von Informa-tions- und Dienstleistung deutlich, wobei eine normativ-visionäre Komponente der Beziehungsveränderung zwischen Regierungen und ihren Stakeholdern erkennbar wird:13

E-Government’ refers to the use by government agencies of information technologies […] that have the ability to transform relations with citizens, businesses, and other arms of govern-ment. These technologies can serve a variety of different ends: better delivery of government services to citizens, improved interactions with business and industry, citizen empowerment through access to information, or more efficient government management. The resulting benefits can be less corruption, in-creased transparency, greater convenience, revenue growth, and/or cost reductions.14

Im Konzept des E-Governments besteht eine vertikale Hierarchie zwischen der Verwaltung als Anbieter von Informations- und Ser-viceleistungen und Stakeholder der Öffentlichkeit (Bürger, Wirt-schaft, NGOs, Verbände etc.) als Empfänger jener Angebote. Die Stakholder werden hier in erster Linie als Kunden betrachtet, die Dienstleistungen konsumieren, wobei diese kaum Einfluss auf den Prozess der Serviceleistung nehmen können.15 Partizipation spielt entsprechend eine untergeordnete Rolle und erschöpft sich in Bür-gerbefragungen oder Servicebewertungen. Primäres Ziel ist die ein-fache und schnelle Bereitstellung von Informationen und damit ver-bundene Transparenz. Schließlich darf in Bezug auf E-Government

10 Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit verschiedenen Definitionen des E-Goverment-Konzepts sowie eine historische Rekonstruktion der E-Govern-ment-Entwicklung seit den 1980er Jahre in den USA siehe auch Yildiz, E-Go-vernment Research: Reviewing the Literature, limitations, and ways forward. Government Information Quaterly 24, 2007, 646–665; Grönlund/Horan, Intro-ducing e-gov: history, definitions, and issues. Communications of the Association for Information Systems, 15(1), 2005, 713–729.

11 Shailendra/Sharma, E-Government and E-Governance: Definitions/Domain Framework and Status around the world, 2007, Abrufbar unter: www.iceg.net/2007/books/1/1_369.pdf, S. 1

12 Means/Schneider, Meta-capitalism: The e-business revolution and the design of 21st century companies and markets. New York, 2000; Mahajan, E-Governance: Its Role, Importance and Challenges. International Journal of Current Innovati-on Research, 1(10), 2015, 237–243.

13 OECD, The e-Government Imperative, Paris, 2003, S. 23.14 Weltbank, Definition of E-Government, 2012. Abrufbar unter: https://bit.ly/

2pYDkW3. 15 Needham, E-government in the United Kingdom and the United States. In: Gib-

son/Römmele/Ward (Hrsg.), Electronic Democracy Mobilisation, organization and participation via new ICTs, London, 2004, S. 43–69, S. 45.

auch nicht die Zielsetzung einer effizienteren Verwaltungsarbeit ver-nachlässigt werden, denn die Hochphase der Implementierung vie-ler E-Government-Initiativen in den 1990ern fiel zeitlich mit einer Phase des ökonomischen Effizienzdenkens (Stichwort: New Public Managment, neue Steuerungsmodelle) zusammen.16 In der Literatur finden sich jedoch auch immer wieder Definitionen von E-Government, die partizipatorische Elemente ansprechen. So spricht die OECD (2016) in Bezug auf E-Government unter ande-rem von den Potenzialen in den Bereichen „service delivery, decision making and accountability.“17 Bei genauerer Betrachtung weißt auch der im E-Government-Survey der Vereinten Nationen verwendet E-Government-Begriff eine partizipatorische Dimension auf.18 Im in der Bundesrepublik weit wahrgenommenen Memorandum Electro-nic Government (2000) wird ebenfalls ein breiteres Verständnis von E-Government (inklusive Partizipation) suggeriert. Insgesamt liegt der Fokus jedoch auch hier auf der Dienstleistung und der Informa-tion. Auch die Nationale E-Goverment-Strategie der Bundesrepublik Deutschland19 konzentriert sich zu aller erst auf die Digitalisierung von Dienstleistungen und Informationen, während der Dialog mit dem Bürger nur am Rande erwähnt wird.20 Obgleich also eine Reihe von E-Government-Konzepten existieren, die Partizipation aufgrei-fen, wird hier ein eng gefasster Begriff favorisiert, der die Digitalisie-rung von Informations- und Dienstleistungen fokussiert.

‚E-Administration‘ – Digitalisierung verwaltungsinterner Pro-zesse

Während der Begriff E-Government auf die Digitalisierung ehemals analoger Informationen und Dienstleistung abzielt und somit die In-formations- und Dienstleistungsbeziehung zwischen Verwaltung und Öffentlichkeit beschreibt, bezeichnet der Begriff der E-Administra-tion die Digitalisierung von Kommunikationsbeziehungen innerhalb der Verwaltung etwa durch die digitale Ablage von Aktenvorgängen, Emails oder Intranet.21 Primäres Ziel der Digitalisierung interner Kommunikationsprozesse ist eine effizientere und beschleunigte Er-füllung von Verwaltungsaufgaben, sowie die beschleunigte Koopera-tion zwischen verschiedenen Verwaltungsebenen. Die Digitalisierung der Kommunikationsprozesse im „back-office“ nimmt gleichsam Einfluss auf die öffentlichen Dienstleistungen („front-office“), wenn beispielsweise Bürgerämter relevante Meldeinformationen austau-schen oder Ausweisangelegenheiten durch digitale Kommunikati-onsströme zeitlich stark verkürzt werden.22 Die Trennung von E-Ad-ministration und E-Government ist daher eher analytischer Natur. Praktisch hängen E-Administration und E-Government eng zusam-men, wobei E-Administration als das vorgelagerte System – auch

16 Grönlund, Electronic Government – Efficiency, Service Quality and Democracy. In Ders. (Hrsg.). Electronic Government: Design, Applications & Management, London, 2002, S.23–50.

17 OECD, Definitions and Concepts, 2016, Abrufbar unter: https://bit.ly/2u-10pHA

18 United Nations, UN e-government survey 2012: E-government for the people. New York, 2012.

19 IT-Planungsrat, Nationale E-Government-Strategie, Berlin: Bundesministerium des Inneren, 2010, Abrufbar unter: https://bit.ly/2MEgYk4

20 Wentzel, Die Nationale E-Goverment-Strategie: Ein Schritt vor, zwei zurück? Verwaltung & Management, 16(6), 2010, 283–292.

21 Mahajan, E-Governance: Its Role, Importance and Challenges, International Journal of Current Innovation Research, 1(10), 2015, 237–243.

22 Margetts, Publicmanagement change and e-government: The emergence of digi-tal-era governance, In: Chadwick/Howard (Hrsg.), The Routledge handbook of Internet politics, New York, 2009, S. 114–128.

Page 3: Dennis Frieß * Orientierung im E-Wald · anderer Begriffsdefinitionen aufzuzeigen. 4 Im Folgenden beschränkt sich die Begriffsklärung auf die Begriffe der E-Demokratie, E-Go- vernment,

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in historischer Hinsicht, denn bereits seit den 70er-Jahren erhielten vernetzte Computersysteme Einzug in die Verwaltung – begriffen werden muss. E-Government setzt E-Administration somit voraus.

‚E-Partizipation‘ – projekthafte Beteiligung der Öffentlichkeit

Obgleich das wissenschaftliche Interesse an E-Partizipation seit den frühen 2000er-Jahren beständig zugenommen hat, ist der Begriff bislang nur sehr vage und vor allem uneinheitlich definiert.23 Dies definitorische Unklarheit kommt auch in einem vom Ministerium für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes Nord-rhein-Westfalen finanzierten und vom Grimme-Institut herausgege-benen Informationstexts zur E-Partizipation zum Ausdruck:

Die Abgrenzung [von E-Partizipation] zu anderen Begriffen wie E-Demokratie und E-Government, die digitalen Formen von Bürgerbeteiligung zum Beispiel durch elektronische Wah-len oder Petitionen, aber auch digitale Behördengänge wie die Onlinesteuerklärung umfassen, und zum E-Aktivismus, der alle Formen politischer und gesellschaftlicher Aktionen von NGOs oder Einzelpersonen in und aus der digitalen Welt bezeichnet, sind fließend.24

Somit handelt es sich um einen hybriden Begriff, der je nach Per-spektive und Erkenntnisinteresse sehr unterschiedlich verstanden werden kann, denn das Editieren eines Wikipedia-Beitrags, das Ver-fassen einer Amazon-Bewertung, das Liken eines Facebook-Posts oder das Hochladen eines Videos auf YouTube kann ebenso plau-sibel als E-Partizipation bezeichnet werden, wie das Zeichnen ei-ner Online-Petition, die Teilnahme an einer Online-Konsultation oder das Verfassen einer Email an einen Mandatsträger.25 Um die Vieldeutigkeit des Begriff Online-Partizipation zu reduzieren, soll hier eine Verengung auf politische Online-Partizipation vorgenom-men werden. Diese Verengung ist jedoch nur dann hilfreich, wenn im nächsten Schritt geklärt wird, was als ‚politisch‘ gelten soll. Dabei liegt im Begriff des ‚politischen‘ eine politikwissenschaftliche Kontroverse, die im Rahmen dieses Beitrags nicht erörtert werden kann. Vor dem Hintergrund eines theoretisch unendlich weiten Politikbegriffs hat van Deth darauf hingewiesen, dass “the study of political participation has become the study of everything.”26 Diese Feststellung macht umso deutlicher wie wichtig eine Begrenzung des Begriffs ist. Politische E-Partizipation kann im weitesten Sinne als die Nutzung von internetbasierten Kommunikationstechnologien für die Ermög-lichung von Öffentlichkeitsbeteiligung in verschiedenen Phasen von demokratischen Entscheidungsprozessen verstanden werden.27 Dabei bezeichnen Entscheidungsprozesse Verfahren, an deren Ende poten-ziell eine allgemeinverbindliche Entscheidung steht. Das Politische erschöpft sich entsprechend in der allgemeinen Verbindlichkeit be-stimmter Regeln und Normen für ein abgrenzbares Gemeinwesen

23 Lutz/Hoffmann/Meckel, Beyond just politics: A systematic literature review of online participation. First Monday, 19(7), 2013, 1-36.

24 Grimme-Institut, Im Blickpunkt: E-Partizipation. NRW Medienkompetenz, Marl, Grimme-Institut, 2011, Abrufbar unter: https://bit.ly/2MI6ikw, S.2

25 dazu auch: Theocharis/van Deth, Political Participation in a Changing World. Conceptual and Empirical Challenges in the Study of Citizen Engagement. New York, 2018.

26 Deth, Studying Political Participation: Towards a Theory of Everything? In: 2001 ECPR Joint Sessions: Institute of Political Studies, Grenoble, 2001.

27 Susha/Grönlund, eParticipation research: Systematizing the field. Government Information Quarterly, 29(2), 2014, 373–382.

(z.B. Bürger der Bundesrepublik Deutschlands; Bürger NRWs; Bürger Düsseldorfs). In dem hier angelegten Verständnis beinhaltet E-Par-tizipation also immer eine beeinflussende Komponente, wie sie auch Kaase in seiner Definition politischer Partizipation verankert hat:

Partizipation in der Politik bedeutet alle Handlungen, die Bürger einzeln oder in Gruppen mit dem Ziel vornehmen, Entscheidungen auf den verschiedenen Ebenen des politischen Systems zu beeinflussen und/oder selbst zu treffen.28

Demnach erfordert politische E-Partizipation eine minimale interak-tive Verbindung zwischen der von deiner Entscheidung betroffenen Öffentlichkeit und den Entscheidungsbefugten Stellen. E-Partizi-pation ist dadurch charakterisiert, dass eine Interaktion zwischen Entscheidern und Betroffenen besteht und den Partizipierenden ein Mindestmaß an Einfluss auf die Entscheidung zukommt. Die Di-mension der Interaktivität bedeutet dabei nicht zwangsläufig, dass die Entscheider unmittelbar im kommunikativen Austausch mit der Öffentlichkeit stehen indem sie beispielsweise aktiv mitdiskutieren, sondern vielmehr, dass das politische-administrative System im Be-teiligungsprozess Rückmeldung über die Verwertung der Beiträge gibt und die öffentlichen Eingaben im Entscheidungsprozess ver-arbeitet werden.

‚E-Governance‘ – dauerhafte Form des kooperativen Regierens

Der Begriff der Governance bezeichnet eine auf Kooperation ausge-richtet Form des Regierens und Entscheidens in horizontalen Stake-holder-Netzwerken. Dabei wird erwartet, dass in Stakeholder-Netz-werken abgestimmte Politiken eine Win-Win-Situation ermöglichen, weil die Politik hier als Ergebnis eines kooperativen Prozesses zwischen den Adressaten einer politischen Entscheidung und weniger als herr-schaftlicher Akt der Mächtigen wahrgenommen wird.29 E-Governan-ce will onlinegestützte Informationstechnologie gezielt dafür nutzen Politik entlang der Vorstellungen und Werte der von ihr betroffenen Akteure zu gestalten.30 E-Governance kann demnach als eine spezielle Form des Regierens begriffen werden, bei der digitale Medien eine wichtige Rolle spielen, um breit angelegte und kontinuierliche Öf-fentlichkeitsbeteiligung zu ermöglichen.31 Im Vergleich zum E-Go-verment umfasst E-Governance neben digitalisierten Informationen und Dienstleistungen zusätzlich Partizipation und Kooperation, was sich auch in der Definition der UNESCO wiederspiegelt:

E-governance is the public sector’s use of information and com-munication technologies with the aim of improving informa-tion and service delivery, encouraging citizen participation in the decision-making process and making government more accounta-ble, transparent and effective. E-governance involves new styles of leadership, new ways of debating and deciding policy and invest-

28 Kaase, Partizipation. In:Holtmann (Hrsg.). Politik Lexikon,Wien/München, 1994, S. 442–445.

29 Papadopoulos/Warin, Are innovative, participatory and deliberative procedures in policy making democratic and effective? European Journal of Political Research, 46(4), 2007, 445–472, S. 452.

30 Holtwisch, Die informationstechnologische Verwaltung im Kontext der Verwal-tungsmodernisierung – Bürger und Verwaltung in der Internet-Demokratie. Die Verwaltung, 43(4), 2010, 567–591.

31 Anttiroiko, Democratic E-Governance: Basic Concepts, Issues and Future Trends, Journal of Korean Association for Regional Information Society, 3(1), 2007, 27–45, S. 31.

Page 4: Dennis Frieß * Orientierung im E-Wald · anderer Begriffsdefinitionen aufzuzeigen. 4 Im Folgenden beschränkt sich die Begriffsklärung auf die Begriffe der E-Demokratie, E-Go- vernment,

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ment, new ways of accessing education, new ways of listening to citizens and new ways of organizing and delivering information and services. E-governance is generally considered as a wider concept than e-government, since it can bring about a change in the way citizens relate to governments and to each other. E-governance can bring forth new concepts of citizenship, both in terms of citizen needs and responsibilities. Its objective is to engage, enable and empower the citizen.32

Demnach kann E-Governance im Vergleich zum E-Government als komplexeres Konzept verstanden werden, das das ganze Spekt-rum kommunikativer Vernetzung zwischen Verwaltung, Politik und Öffentlichkeit (verstanden als komplexes Geflecht verschiedenster Stakeholder) abdeckt und entsprechende transformierende Wirkung unterstellt.33 E-Partizipation spielt hier eine zentrale Rolle und mar-kiert das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zum auf Informa-tions- und Dienstleistungsdigitalisierung konzentrierten E-Gover-nment.34 E-Partizipation ist hier jedoch ein kontinuierlicher Prozess und hat weniger Projekt-Charakter. Der Governance-Begriff impli-ziert die Idee eines demokratischeren Regierens im Sinne einer partizi-patorischen Inklusion ehemals von Entscheidungen ausgeschlossener Akteure, sowie das Bestreben nach mehr Transpa-renz, Effizienz und Zurechenbarkeit (accountability) von Regierungshandeln.35 Während E-Government theoretisch nicht zwangsläufig demokratisch sein muss, da auch autoritäre Regime digitale Informa-tions- und Dienstleistungen für diverse Stakeholder anbieten können,36 ist die kooperativ-partizipatori-sche Dimension bei der E-Governance von zentraler Bedeutung und ein Instrument demokratischer Poli-tikherstellung. Im Kern des Konzepts steht die digi-talisierte Interaktion zwischen Öffentlichkeit, Politik und Verwaltung.37

Democratic e-governance is a technologically me-diated interaction in transparent policy-making, development and service processes in which polit-ical institutions can exercise effective democratic control and, more importantly, in which citizens have a chance to participate and effectively influ-

32 Shailendra/Sharma, E-Government and E-Governance: Definitions/Domain Framework and Status around the world, 2007, Abrufbar am unter: www.iceg.net/2007/books/1/1_369.pdf, S. 3, Hervorhebungen durch den Autor.

33 „[E-Governance] is a group of norms, processes and behaviours that have an inf luence on the exercise of power, especially from the point of view of openness, participation, responsibility, effectiveness and consistency.“ Mahajan, E-Gover-nance: Its Role, Importance and Challenges, International Journal of Current Innovation Research, 1(10), 2015, 237–243, S. 238.

34 Yildiz, E-Government Research: Reviewing the Literature, limitations, and ways forward. Government Information Quaterly 24, 2007, 646–665, S. 651., Grön-lund/Horan, Introducing e-gov: history, definitions, and issues. Communications of the Association for Information Systems, 15(1), 2005, 713–729, S. 719.

35 Holtwisch, Die informationstechnologische Verwaltung im Kontext der Verwal-tungsmodernisierung – Bürger und Verwaltung in der Internet-Demokratie. Die Verwaltung, 43(4), 2010, 567–591.

36 Coleman/Götze, Bowling Together. Online Public Engagement in Policy De-liberation. London, 2002, S. 5; United Nations, E-Government Survey 2014. E-Government for the Future We Want, New York: United Nations, 2014.

37 vgl. Memorandum Electronic Goverment, Electronic Government als Schlüssel zur Modernisierung von Staat und Verwaltung. Ein Memorandum des Fach-ausschusses Verwaltungsinformatik der Gesellschaft für Informatik e.V. und des Fachbereichs 1 der Informationstechnischen Gesellschaft im VDE, Bonn/Frankfurt: Alcatel SEL AG, 2000.

ence relevant issues through various institutionally organized and legitimate modes of participation.38

Mit Blick auf das Verhältnis von E-Government und und E-Gover-nance ist anzumerken, dass die Digitalisierung von Informations- und Dienstleistungen der Verwaltung (E-Government) und damit ver-bundene Transparenz und Ermächtigungspotenzale, dem umfang-reichen – auf die kooperative Planung von Politik ausgerichteten – Konzept der E-Governance vorgelagert ist. E-Governance schließt somit E-Goverment mit ein.39

Zum Verhältnis der E-Begriffe – Vorschlag einer Systematisierung

Auf Basis der obigen Ausführungen skizziert Abbildung 1 das Verhältnis zwischen den Begriffen E-Demokratie, E-Governance, E-Partizipation, E-Government und E-Administration. Dabei be-zeichnet die E-Administration digitalisierte Kommunikationsprozes-se innerhalb der Verwaltung. Die durchgezogenen Linien des Kastens symbolisieren die Abgeschlossenheit des ‚Systems‘ E-Administration gegenüber der Öffentlichkeit, weshalb E-Administration auch nicht unter dem ‚Dach‘ der E-Demokratie Platz findet.

Abbildung 1: Begriffsverhältnisse

E-Government – verstanden als die Digitalisierung von Informations- und Dienstleistungen der Verwaltung für die Öffentlichkeit – schließt E-Administration jedoch mit ein. Die gestrichelten Linien des E-Government-Kastens signalisieren die Offenheit der Verwaltung für die Informations- und Dienstleistungsbedürfnisse der Öffentlich-keit und der in ihr vorhandenen Stakeholder, wobei die Beziehung zur Öffentlichkeit hierarchisch gesprochen vertikal ist und sich auf die Bereitstellung von Informationen und Dienstleistungen beschränkt. Dieses Verhältnis verändert sich beim Konzept der E-Partizipation, welches allgemein die digitale Beteiligung der Öffentlichkeit am po-litischen Entscheidungsprozess bezeichnet, hin zu einer horizontalen

38 Anttiroiko, Democratic E-Governance: Basic Concepts, Issues and Future Trends. Journal of Korean Association for Regional Information Society, 3(1), 2007, 27–45, S. 34.

39 Holtwisch, Die informationstechnologische Verwaltung im Kontext der Verwal-tungsmodernisierung – Bürger und Verwaltung in der Internet-Demokratie. Die Verwaltung, 43(4), 2010, 567–591.

E-Administration

Digit

alisie

rung

inte

rner

Ko

mm

unika

tions

proz

esse

de

r Ver

waltu

ng E-GovernmentDigitalisierte Information &

Dienstleistungen der Verwaltung für die Öffentlichkeit

E-PartizipationDigitalisierte Beteiligung an konkreten

politischen Entscheidungsprozessen

E-GovernanceDigitalisierte Formen kooperativer

Politikgestaltung in Stakeholder-Netwerkten

E-DemokratieÖffentlichkeit/Stakeholder

Machtdimensioninformativ/vertikal entscheidend/horizontal

Page 5: Dennis Frieß * Orientierung im E-Wald · anderer Begriffsdefinitionen aufzuzeigen. 4 Im Folgenden beschränkt sich die Begriffsklärung auf die Begriffe der E-Demokratie, E-Go- vernment,

424 DVP 11/18 · 69. Jahrgang

Orientierung im E-Wald Dennis Frieß

auf Entscheidung abzielenden Beziehung. E-Partizipation steht in der hier vorgeschlagenen Systematik zwischen E-Government und E-Governance und übernimmt eine Art Scharnierfunktion. Der Faktor Partizipation markiert gewissermaßen den Übergang vom E-Government zum demokratischen Regierungstypus der E-Go-vernance, welche die kooperative Politikgestaltung in horizontalen Stakeholder-Netzwerken bezeichnet. In der bundesdeutschen Politik- und Verwaltungspraxis liegt das Hauptaugenmerk aktuell vor allem im Bereich des E-Government.

Die meisten Behörden oder Parlamente verfügen über digitale In-formations- und Serviceangebote. Die internen Prozesse (E-Admi-nistration) sind weitgehend bereits digitalisiert. Immer mehr Kom-munen experimentieren auch mit E-Partizipationsprozessen.40 Da diese Verfahren jedoch in der Regel noch nicht den Projekt-Status überwinden, sind Beispiele für tatsächliche E-Governance in der Bundesrepublik bislang nicht zu finden.

40 (siehe auch den Beitrag von Schöttle, Steinbach, Wilker und Witt in diesem Band)

Kathrin Diekmann*

Organisationales Lernen in Kommunalverwaltungen und Universitäten am Beispiel von Online-Partizipationsverfahren

1. Einleitung

Kommunalverwaltungen und Universitäten als Organisationen im öffentlichen Sektor sehen sich permanent mit Veränderungen kon-frontiert. So werden beispielsweise Reformen, wie das New Public Management1, umgesetzt, um in den genannten Organisationen be-triebswirtschaftlicher, aber auch dienstleistungsorientierter handeln zu können. Weitere Veränderungen sind im technischen Kontext er-kennbar, z. B. durch den gesteigerte Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie2. Weiterhin existieren auch Verände-rungen im Kontext der Partizipation: In Kommunen ist diesbezüglich eine schwankende Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen zu erken-nen3, an Hochschulen wird ein gestiegener Partizipationswunsch der verschiedenen Statusgruppen (Studierende, Doktoranden, Ha-bilitanden, Professoren usw.) verzeichnet4. All diese Veränderungen führen zu einer Hybridität von Universitäten und Kommunalverwal-tungen, d.h. es wird eine Veränderung des Selbstverständnisses sowie des Handelns der Verwaltungen/Universitäten angestrebt. So soll es beispielsweise zu mehr Offenheit und Transparenz im Verwaltungs-

* Kathrin Diekmann, M.A., ehemaliges Mitglied des NRW-Forschungskollegs „Online-Partizipation“, [email protected] .

1 Cordella, Antonio/Bonina, Carla (2012): A public value perspective for ICT enab-led public sector reforms: A theoretical ref lection, in: Government Information Quarterly 29 (o.H./2012), S. 512–520; Bogumil, Jörg/Burgi, Martin/Heinze, Rolf G./Gerber, Sascha/Gräf, Ilse-Dore/Jochheim, Linda/Schickentanz, Maren/Wannöfel, Manfred (2013): Modernisierung der Universitäten, Berlin 2013.

2 Lenk, Klaus (2012): The Nuts and Bolts of Administrative Actions in an Infor-mation Age, in: Snellen, Ig/Thaens, Marcel/Van de Donk, Wim: Public Admi-nistration in the Information Age, Amsterdam 2011, S. 221–236.

3 Schäfer, Armin (2013): Wahlbeteiligung und Nichtwähler, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 63 (48–49/2013), S. 39-46; IT.NRW (2014): Kommunalwahlen 2014 – Ergebnisse früherer Wahlen in Nordrhein-Westfalen, Heft 1, https://webshop.it.nrw.de/gratis/B839%20201451.pdf, 16.11.2017; IT.NRW (2015): Kommunalwahlen 2015 – Endgültige Ergebnisse – (Ober)Bürgermeister- bzw. Landratswahl – einschließlich der Stichwahl in Nordrhein-Westfalen, https://webshop.it.nrw.de/gratis/B859%20201551.pdf, 16.11.2017.

4 Nickel, Sigrun (2009): Partizipatives Management von Universitäten – Zielverein-barungen, Leitungsstrukturen, Staatliche Steuerung, München, Mering 2009; Gralke, Hans-Jürgen/Scherm, Ewald (2013): Kooperation als Grundprinzip des Forschungs-managements – Autonome Forscher in unternehmerischen Univer-sitäten, in: Wissenschaftsmanagement 6 (o.H./2013), S. 44–47.

handeln sowie zu einer gesteigerten Serviceorientierung gegenüber Bürgern/Universitätsangehörigen kommen5.Eine Reaktionsmöglichkeit auf die genannten Veränderungen stellen Online-Partizipationsverfahren dar, die von Kommunen und Uni-versitäten verwendet werden, um Bürger bzw. Hochschulangehörige stärker an für sie relevanten kommunal-/hochschulpolitischen Ent-scheidungsprozessen zu beteiligen6.Die Nutzung von Online-Partizipation in Kommunen und Hochschu-len führt zu Veränderungen für die Organisationsstruktur und Indivi-duen in der Organisation7: Durch solche Verfahren ändert sich z. B. die Kommunikation zwischen Bürgern und Verwaltung, die nun öffentlich einsehbar über das Medium Internet, dynamisch und situationsabhängig stattfindet und entsprechend situationsabhängige Reaktionen vonseiten der Organisation erfordert8. Diese neuen Anforderungen und damit ver-bundene neue Aufgaben müssen erlernt werden, um sie bei einer erneu-ten Nutzung von Online-Partizipation anwenden zu können.In der Organisationsforschung wird dieser Lernprozess mithilfe von The-orien des Organisationalen Lernens erklärt. Laut Argote/Miron-Spek-

5 Holtkamp, Lars (2009): Verwaltung und Partizipation: Von der Hierarchie zur partizipativen Governance?, in: Czerwick, Edwin/Lorig, Wolfgang H./Treut-ner, Erhard (Hrsg.): Die öffentliche Verwaltung in der Demokratie der Bun-desrepublik Deutschland, Wiesbaden 2009, S. 65-86; Christensen, Tom/Lægreid, Per (2011): Complexity and Hybrid Public Administration - Theoretical and Empirical Challenges, in: Public Organization Review 11 (4/2011), S. 407-423.

6 Sæbø, Øystein/Rose, Jeremy/Flak, Leif Skiftenes (2008): The shape of eParticipation: Characterizing an emerging research area, in: Government Information Quar-terly 25 (3/2008), S. 400–428; Escher, Tobias/Friess, Dennis/Esau, Katharina/Sieweke, Jost/Tranow, Ulf/Dischner, Simon/Hagemeister, Philipp/Mauve, Martin (2016): Online Deliberation in Academia: Evaluating the Quality and Legitima-cy of Co-Operatively Developed University Regulations, in: Policy & Internet 9 (1/2017), S. 133–164.

7 Ruiz Ben, Esther/Schuppan, Tino (2014): E-Government Innovations and Work Transformations: Implications of the Introduction of Electronic Tools in Public Government Organizations, in: International Journal of Electronic Government Research 10 (1/2014), S. 1–17; Lenk, Klaus (2015): Erfolgreichere Verwaltungsin-novationen durch besseres Verständnis der Change-Prozesse, in: Engel, Andreas (Hrsg.): IT-Government in Staat und Kommunen – Vernetzung, Zusammenar-beit und die Steuerung von Veränderungsprozessen in der öffentlichen Informa-tionstechnik, Berlin 2015, S. 201–210.

8 Pandey, Sanjay K./Garnett, James L. (2006): Exploring Public Sector Commu-nication Performance: Testing a Model and Drawing Implications, in: Public Administration Review 66 (1/2006), S. 37–51; Mergel, Ines (2013): A framework for interpreting social media interactions in the public sector, in: Government Information Quarterly 30 (4/2013), S. 327–334.