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22. Internationale Kranfachtagung 2014
„Der Kran in Materialflusstechnik und Logistik“
Umschlag von Stückgütern mit Seilrobotern – Systemkonzept und Anwendung
Guido Follert
Semhar Kinne
Frank Ryll
Sergii Kolomiichuk
Dipl.-Ing. Semhar Kinne (Referentin)
Dipl.-Ing. Guido Follert
Fraunhofer IML
Joseph-von-Fraunhofer-Str. 2-4
44227 Dortmund
Dr.-Ing. Frank Ryll
Dipl.-Ing. Sergii Kolomiichuk
Fraunhofer IFF
Sandtorstr. 22
39106 Magdeburg
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Semhar Kinne Umschlag von Stückgütern mit Seilrobotern – Systemkonzept und Anwendung
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Semhar Kinne Umschlag von Stückgütern mit Seilrobotern – Systemkonzept und Anwendung
Umschlag von Stückgütern mit Seilrobotern – Systemkonzept und Anwendung
Die WISA ATLAS beschäftigt sich mit der Entwicklung so genannter paralleler Seilroboter,
welche durch die Anwendung einer Robotersteuerung auf Kranwinden entstehen.
Wesentliche Vorteile des Konzeptes sind ein einfacher Aufbau, große Arbeitsräume, hohe
Nutzlasten, hohe Geschwindigkeiten und das besonders gute Verhältnis zwischen Nutzlast
und bewegter Eigenmasse von größer als 10:1, was jeden konventionellen Kran oder
Industrieroboter hinsichtlich der Effizienz deutlich übertrifft. Im Beitrag werden das Konzept
und der Anwendungsbereich für parallele Seilroboter in intralogistischen Anwendungen
sowie in Mobilen Fabriken beschrieben.
1 Einführung in die Seilrobotertechnologie
Parallele Seilroboter gehören zu den Parallelkinematikmaschinen, welche auch als
Stewart-Gough-Plattformen oder Hexapoden bezeichnet werden. Klassische
Parallelkinematikmaschinen besitzen starre Übertragungsglieder, welche aus Stäben und
Gelenken zusammengesetzt sind. Im Gegensatz dazu werden bei parallelen Seilrobotern
biegeschlaffe Elemente wie Kunstfaser- oder Drahtseile verwendet. Die bewegliche
Plattform führt ein Werkzeug, ein Handhabungsgut oder einen Sensor und wird durch Seile
gegenüber einer Tragstruktur abgespannt. Im Betrieb werden die Seile immer unter
Spannung gehalten, so dass je Seil nur Zugkräfte übertragen werden. Die wirkende Länge
der Seile lässt sich durch Aufwickeln in einer sehr großen Spanne ändern. Erfolgt die
Längenänderung der Seile in einer synchronisierten definierten Weise, lässt sich die
bewegliche Plattform genau auf vorgegebenen Bahnen bewegen. Die Längenänderung
wird meist durch eine Seilwinde erzeugt, welche ein sehr gut etabliertes Maschinenelement
darstellt und in vielen Arten von Kranen weit verbreitet ist. Daher kann man einen
Seilroboter als Weiterentwicklung eines Krans ansehen, der durch Integration einer NC-
Steuerung zu einem Robotersystem aufgewertet wird.
Ein paralleler Seilroboter (Bild 1) bildet im Gegensatz zu konventionellen Roboterarmen
von Natur aus ein modulares System. Auf Seiten der Hardware besteht der Roboter im
Wesentlichen aus
- mehreren, typischerweise baugleichen Seilwinden,
- einem Rahmen, Gestell oder Maschinenbett, an welchem die Winden im Raum angeordnet werden,
- Antriebstechnik, bestehend aus Elektromotoren und passender Leistungselektronik,
- einem oder mehreren Schaltschränken, die auch dezentral angeordnet sein können,
- Seilen aus Kunstfaser oder Stahl mit einer geeigneten Endverarbeitung zur Verbindung mit der Plattform,
- einer beweglichen Plattform, die den Endeffektor darstellt oder zur Ankopplung eines Prozessmoduls dient,
- einem Computer, auf dem die Steuerung abläuft,
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- Sensoren für die Steuerungs- und Regelungstechnik, etwa für Längen, Positionen und Kräfte,
- einem oder mehreren Feldbussen zur Verbindung der Steuerung mit den Sensoren und Aktoren.
Bild 1: Aufbau eines Seilroboters
2 Einsatz von Seilrobotern in der Intralogistik
Es existieren vielseitige Einsatzmöglichkeiten für Seilroboter in der Intralogistik. Anstelle
einer festen Rahmenstruktur können die Winden direkt an der Tragstruktur von Gebäuden
befestigt werden. Ein anderes Konzept sieht vor, die Winden ausschließlich am Boden zu
befestigen und über Umlenkrollen zur Plattform zu lenken. So sind Installationen auch in
bestehende Bauwerke konfigurierbar, ohne dass eine zusätzliche Tragstruktur vorgesehen
werden muss. Dadurch sind sehr große Arbeitsräume von mehr als 50 x 30 x 30 m (L x B
x H) möglich. Seilroboter können also die Wirkgröße von Brückenkranen erreichen und für
Transport- und Handhabungsaufgaben eingesetzt werden. Im Vergleich zu konventionellen
Kranen ist die Positionsgenauigkeit und somit Prozesssicherheit erhöht, da ein Pendeln der
Last durch die Verspannung der Plattform minimiert wird. Abhängig von dem Lastgewicht
und der Antriebskonfiguration sind hohe Dynamikwerte erzielbar.
Für die Integration des Seilroboters in die Materialflussplanung sind vor allem geeignete
Übergabestellen zu Produktions- und Transportanlagen vorzusehen. Dabei ist zu beachten,
dass Abgabestellen möglichst niedrig angeordnet sind, um den Arbeitsraum des Roboters
durch hineinragende Elemente nicht zu reduzieren. Die bereitgestellten Güter sollten
weiterhin automatisiert aus dem Arbeitsraum des Roboters abtransportiert werden, so dass
die Übergabe ohne manuelle Eingriffe ermöglicht werden kann.
In dem folgenden Kapitel wird ein anwendungsnahes logistisches Szenario im
Wareneingang beschrieben, das unter Verwendung der Seilrobotertechnologie realisiert
werden kann. Der darauffolgende Abschnitt beschreibt den Teil des Szenarios, der auf einer
Versuchsfläche am Fraunhofer IML in Dortmund im November 2013 realisiert wurde.
2.1 Szenariobeschreibung – Umschlag von Stückgütern / Automatische
Bestückung eines Behälterlagers
Das Szenario beschreibt die automatische Bestückung eines Behälterlagers mit Standard-
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Kleinladungsträgern (KLT) beginnend am Wareneingang bis zur Einlagerung des KLT in
ein Lagerfach des Behälterlagers (Bild 2).
Bild 2: Szenario Behälterlagerbestückung
Schritt 1: LKW-Entladung
Mittels LKW werden über ein Wareneingangstor des Behälterlagers Waren auf Euro-
Paletten angeliefert (1). Der Sattelauflieger des LKW wird rückwärts in eine definierte
Entladezone (2) rangiert. Die Entladezone hat eine Grundfläche von 14 x 3 m (L x B); der
darin positionierte Standard-Sattelauflieger eine Größe von 13,60 x 2,50 x 3,80 m (L x B x
H).
Die Handhabungsaufgabe für den Seilroboter besteht darin, den Sattelauflieger in möglichst
kurzer Zeit automatisch zu entladen und die Paletten auf einer der Pufferflächen (3)
abzustellen.
Ein Standard-Sattelauflieger hat bei einlagiger Beladung eine Kapazität von 33 Euro-
Palettenstellplätzen. Die Größe einer Ladungseinheit beträgt 1200 x 800 x 2015 mm (L x B
x H). Das Gewicht einer Ladungseinheit beträgt ca. 750 kg. Die Paletten sind von oben frei
zugänglich. Die Paletten sind von einer Höhe ca. 900 bis 1200 mm über der Oberkante des
Fußbodens (OKF) vom Sattelauflieger aufzunehmen.
Der Arbeitsraum für den Seilroboter (8) wird mit 30 x 15 x 6 m (L x B x H) durch die Halle
vorgegeben.
Schritt 2: Abstapeln von Behältern
Die auf den Pufferflächen abgestellten Ladungseinheiten bestehen aus jeweils 36 KLT mit
einer Größe von 600 x 400 x 220 mm. Auf jeder Palette sind 4 Stapel mit jeweils 9 KLT
angeordnet. Jeder KLT hat ein Gewicht von ca. 20 kg.
Die Handhabungsaufgabe für den Seilroboter besteht darin, die KLT von den Paletten
abzustapeln und einzeln auf einem freien Übergabeplatz für KLT abzustellen (4).
Der Arbeitsraum für den Seilroboter wird mit 30 x 12 x 6 m (L x B x H) durch die Halle
vorgegeben. Die KLT sind von oben frei zugänglich. Die letzte Lage von KLT ist von einer
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Höhe ca. 144 mm über OKF der Euro-Palette aufzunehmen.
Schritt 3: Einlagern der Behälter in das Behälterlager
Die auf den Übergabeplätzen bereitgestellten KLT werden von Fahrerlosen
Transportfahrzeugen (FTF) (5) selbständig aufgenommen und in das Behälterlager
transportiert (6). Der nunmehr freie Übergabeplatz wird für den nächsten einzulagernden
KLT freigegeben.
Der Entlade-, Abstapel- und Einlagerungsprozess wird über eine Leitstand (7) überwacht.
In der Halle befindet sich eine Wartungs- und Parkposition für den Endeffektor des ATLAS-
Seilroboters. Hier erfolgt auch der Wechsel der Lastaufnahmemittel für Europaletten und
Kleinladungsträger.
2.2 Demonstrator IPAnema 3 in der Mobilen Fabrik
Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ideale Produktionsstrukturen, die auf eine
spezifische Marktsituation zugeschnitten sind, mit Verschiebungen im Auftragsspektrum zu
kombinieren. Insbesondere Standort- und Allokationsentscheidungen werden durch
zunehmend kürzere Lebenszyklen von Produkten und Dienstleistungen beeinflusst und
können bspw. durch eine variable Fertigungsstruktur und ortsflexible Betriebsmittel ihren
langfristigen Charakter verlieren. ([1], [2]) Eine so entstehende Mobile Fabrik zeichnet sich
durch einen Mehrzweck-Charakter aus, denn sie kann nach ihrer Einsatzdauer sowohl an
anderen Standorten als auch für andere Einsatzgebiete weiterverwendet werden. In jedem
Fall ist ihre Nutzungsdauer an einem bestimmten Ort oder Arbeitsgebiet zeitlich begrenzt.
Bild 3: Mögliche Phasen einer Mobilen Fabrik
In Bild 3 ist ein möglicher Lebenszyklus der Mobilen Fabrik dargestellt. Die Fabrik wird
zunächst an einem Standort errichtet, wo Konfigurationen an der Prozessstruktur
vorgenommen werden können, so dass die Fabrik unterschiedliche Funktionen erfüllen
kann. Nach Beendigung der Nutzungsdauer an einem Standort kann die Mobile Fabrik
zerlegt und an einem weiteren Standort wieder aufgebaut werden. Für die Lebensdauer
von Mobilen Fabriken ist es von großer Bedeutung, dass der Auf- und Abbau verschleißfrei
erfolgt. Die Verbindungen, die während der Montage entstehen, müssen stabil und sicher
sein, sollen aber beim Abbau auch wieder leicht lösbar sein.
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Bild 4: ZFT-Halle des Fraunhofer IML
Das LivingLab Zellulare Transportsysteme (kurz: ZFT-Halle, Bild 4) zeichnet sich
insbesondere für flexible Konfigurationen von intralogistischen Systemen, bspw. für
Transport und Umschlag, innerhalb von Gebäuden aus. In dem durchgeführten Szenario
symbolisiert die Halle eine Mobile Fabrik, da nachträgliche Einbauten wie bspw. der
temporäre Aufbau eines Seilroboters problemlos möglich sind. Auch der Seilroboter erfüllt
die Anforderungen an Betriebsmittel in einer Mobilen Fabrik (Bild 5), da er grundsätzlich
modular aufgebaut ist und in mobile Einheiten zerlegt werden kann. Eine Skalierbarkeit des
Roboters ist durch Veränderungen des Arbeitsraumes, die durch Neuanordnung der
Windenpositionen im Raum sowie durch einen Austausch der Windentrommeln umgesetzt
werden können, gegeben. Anpassungen an Leistungsveränderungen können durch
entsprechende Dynamik im Rahmen der eingesetzten Antriebstechnik erfolgen, wobei auch
die Antriebstechnik selbst für eine veränderte Auftragslage ausgetauscht werden kann.
Bild 5: Anforderungen an Mobile Fabriken (vgl. [3])
Die Kompatibilität des Seilroboters mit seiner Umgebung, mit kooperierender Technik sowie
mit softwarebasierten Systemen wird durch geeignete Schnittstellen der
Steuerungsarchitektur begünstigt. Die Universalität des Robotersystems wird durch die
zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten deutlich. Für die Erfüllung einer spezifischen
Prozessaufgabe ist lediglich ein Austausch des End-Effektors vorzunehmen sowie eine
bestimmte Konfigurierung der Steuerung auszuwählen. Der Aufbau und die Funktionalität
des Roboters bleiben aber grundsätzlich unverändert. Die Seilroboter-Technologie verfügt
daher vor allem in der Bandbreite an möglichen Applikationen über ein hohes Maß an
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Universalität.
2.2.2 Szenariobeschreibung
Das demonstrierte Szenario stellt einen Lebenszyklus bestehend aus Aufbau,
Inbetriebnahme, Betrieb und Abbau innerhalb der Mobilen Fabrik dar und wurde innerhalb
von 14 Arbeitstagen realisiert. Die Aufgabe während des Betriebs bestand in der Interaktion
des Seilroboters IPAnema 3 mit einem Schwarm Zellularer Transportfahrzeuge. Dabei
wurden Kleinladungsträger mit den Fahrerlosen Transportfahrzeugen im Arbeitsraum des
Seilroboters bereitgestellt und automatisch vom Seilroboter entnommen. Anschließend
transportierte der Seilroboter den Behälter zu einer festinstallierten Übergabestation, an der
der KLT wiederum von einem FTF aufgenommen und auf der Freifläche positioniert wurde.
Eine öffentliche Live-Demonstration des Szenarios fand am 28. November 2013 statt.
Zu einem reibungslosen Verlauf der Veranstaltung trug die gründliche Planung des
Vorhabens bei, die bereits ein halbes Jahr vor der Veranstaltung begann. Zunächst wurde
ein allgemeiner Prozessablauf ausgearbeitet, bei dem die Zellularen Transportfahrzeuge
integriert werden konnten. Diese sind in der Lage, sich innerhalb der ZFT-Halle frei zu
bewegen und autonom Ein- und Auslagerungsvorgänge aus einem Behälterregal sowie
Einzeltransporte vorzunehmen. Als Handhabungsobjekte wurden daher ebenfalls Behälter
ausgewählt, für deren Aufnahme und Abgabe ein zweckmäßiger Greifer konzipiert wurde.
Von den entwickelten Alternativen wurde ein einfaches Greifprinzip bevorzugt, bei dem der
Greifer seitlich vor dem Behälter positioniert und an die Kopfseite geführt wird.
Anschließend verfährt der Greifer senkrecht nach oben und führt das Aufnahmeblech in die
Hinterschneidung des Handgriffs (Bild 6). Das realisierte Greifprinzip zeichnet sich durch
seine Passivität aus, wodurch keine zusätzliche Medienversorgung am Endeffektor benötigt
wird.
Bild 6: Ablauf bei der Aufnahme von Behältern mit dem passiven Greifer
Im nächsten Schritt wurden die Positioniergenauigkeiten der beiden System miteinander
verglichen. Dabei stellte sich heraus, dass ein erfolgreicher Greifvorgang bei
einprogrammierten Anfahrpositionen von Seilroboter und Fahrzeug ohne zusätzliche
Sensorik nicht gewährleistet werden konnte. In der Konsequenz wurde für die
Feinpositionierung eine Bildverarbeitung vorgesehen. Dazu wurde eine einfache Webcam
am Endeffektor des Seilroboters installiert, die ihre Bilder über WLAN und ebenfalls ohne
zusätzliche Medienversorgung an den Steuerungsrechner übertragen kann.
Die Koordination zwischen Seilroboter und FTF erfolgt über TCP-Telegramme, die
zwischen Leitstand der Fahrzeuge und Robotersteuerung ausgetauscht werden. Zu Beginn
des Szenarios befinden sich die Fahrzeuge mit Behältern auf vorgegebenen Positionen auf
der Fläche. Sobald das FTF die Position auf der Fläche erreicht, entnimmt der Seilroboter
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den Behälter und transportiert ihn zu einem bestimmten Übergabeplatz. Durch den
Stillstand der Fahrzeuge während des Greifvorgangs werden Kollisionen vermieden. Über
einen Belegungssensor am Lastaufnahmemittel ist für das Fahrzeug bekannt, dass es sich
im unbeladenen Zustand befindet und im nächsten Schritt wird zur Übergabestation
beauftragt, um den Behälter wieder aufzunehmen und damit auf die Freifläche zu fahren.
2.2.3 Anordnung
Nachdem das Szenario in enger Kooperation zwischen Mitarbeitern des Fraunhofer IPA
und des Fraunhofer IML für den temporären Betrieb festgelegt wurde, wurden mögliche
Eckpunkte des Bauraums erörtert, an denen die Seilwinden positioniert werden können.
Einerseits aufgrund einer bereits festinstallierten Übergabestation einer angrenzenden
Roboterzelle, andererseits um die Flexibilität des Seilroboters bezüglich bestehender
Gewerke zu demonstrieren, wurde eine trapezförmige Aufspannfläche des Seilroboters
gewählt Bild 7. Mit einer Größe von über 120 m² stellt der Aufbau den bis dato größten
IPAnema Seilroboter dar.
Bild 7: Aufnahme- und Abnahmepunkte für Behälter durch Seilroboter IPAnema 3
Nachdem sichergestellt wurde, dass die im Gebäude vorhandene Medienversorgung den
Anforderungen des Seilroboters entspricht, wurden Kollisionen mit bestehenden Gewerken
überprüft. In einer Simulation zeigte sich, dass insbesondere der angrenzende Schutzzaun
den Arbeitsraum des Seilroboters erheblich eingeschränkt. Für die Aufbauphse wurde
daher die Demontage des Schutzzauns vorgesehen.
Die vier Windenbatterien, bestehend aus je zwei Winden, wurden in den Ecken des
gekennzeichneten Bereichs vor dort befindlichen Doppel-T-Trägern angeordnet und fest
mit dem Boden verdübelt. Senkrecht zu den Doppel-T-Trägern verlaufen Querträger
unterhalb der Gebäudedecke zur gegenüberliegenden Hallenseite. An diesen werden die
zur Seilführung notwendigen oberen Umlenkrollen des Seilroboters über eine
Klemmeinrichtung installiert.
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2.2.3 Durchführung des Vorhabens
Der Aufbau des Seilroboters benötigte 4 Tage und beinhaltete die folgenden Arbeitspunkte:
- Demontage der bestehenden Gewerke im Arbeitsraum
- Entladen der Mobilen Fabrik aus Lieferwagen
- Einrichten des Bedienarbeitsplatzes
- Montage der Windenbatterien und Verschrauben der Seilwinden mit der Windenbatterie
- Positionieren der Seilwinden und Befestigen am Boden
- Montage der Umlenkrollen unter der Hallendecke
- Positionierung des Schaltschrankes
- Verkabeln der Motoren und Sensoren
Im Rahmen der Inbetriebnahme wurde der Seilroboter eingemessen und kalibriert.
Weiterhin wurden Steuerungskomponenten implementiert sowie die Bildverarbeitung
getestet und optimiert. Nachdem einige Fehler behoben wurden sowie die Konstruktion der
oberen Umlenkrollen verbessert wurde, konnte das eigentliche Szenario getestet werden.
Die Inbetriebnahme nahm 7 Tage in Anspruch.
Der eigentliche Betrieb der Mobilen Fabrik wurde in 2 Tagen simuliert. Dies beinhaltete
einen Videodreh sowie eine öffentliche Live-Demonstration, die auf großes Interesse stieß.
Direkt im Anschluss wurde mit dem Abbau begonnen, der lediglich einen Tag benötigte.
Neben Verpackung und Versand musste dabei auch der Ausgangszustand der Halle
wiederhergestellt werden.
Bild 8: Zeitstrahl für Vorbereitung und Durchführung des Vorhabens
Zusammenfassend ist die Simulation einer Mobilen Fabrik mit Einsatz des Seilroboter
IPAnema dank langfristiger Planungen gelungen (Bild 8). Der Seilroboter wurde als Beispiel
für eine wandelbare Handhabungstechnik temporär in eine bestehende Hallenumgebung
integriert. Außerdem konnte das Zusammenspiel mit einer flexiblen Fördertechnik gezeigt
werden, wodurch eine anwendungsnahe Handhabungsaufgabe realisiert werden konnte.
3 Weitere Anwendungsmöglichkeiten
Um eine breite Anwendbarkeit von Seilrobotern zu gewährleisten, wurden die
Anforderungen von Seilrobotern an einer großen Menge von Anwendungsideen gemessen.
In einem Workshop wurden dabei mehr als 135 Anwendungsfälle in 21 Branchen
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identifiziert. In einem mehrstufigen Prozess wurden die Anwendungsfälle bezüglich
Machbarkeit, Marktfähigkeit und Wirtschaftlichkeit bewertet und auf wenige Applikationen
aus den Bereichen Inspektion, Handhabung und Montage verdichtet. Zur näheren
Untersuchung wurden zu den Anwendungen Prozessbeschreibungen durchgeführt sowie
Anforderungen an Hard- und Software erarbeitet.
Im Projektverlauf sollten zunächst die Technologien bereitgestellt werden, welche für die
Umsetzung von Inspektionsrobotern benötigt werden. Dies liegt darin begründet, dass der
Entwicklungsaufwand für diese Anwendungen geringer eingestuft wurde. Gleichzeitig
waren die für den Bereich Inspektion zu entwickelnden Technologien die Voraussetzung
für die weitergehende Nutzung von Seilrobotern für Handhabungs- und Montageaufgaben
in den folgenden Projektphasen. Den technischen Schwerpunkt bildete die Bereitstellung
von geeigneten Winden für relativ geringe Nutzlasten bei einem mittelgroßen Arbeitsraum,
die Beschreibung von Musterprozessen für die Einsatzplanung sowie die Entwicklung der
grundlegenden Steuerungsplattform mit Modulen für die kinematische Transformation,
Automatikbetrieb sowie einfachen Programmierwerkzeuge. Parallel war ein möglichst
universell einsetzbarer Endeffektor zur Lösung unterschiedlicher Inspektionsaufgaben zu
entwickeln. Hierbei ist zu bemerken, dass der für eine Inspektion notwendige Endeffektor
relativ geringe Herausforderungen in sich birgt, da er in einfachen, meist beobachtenden
Prozessen nicht in physischen Kontakt mit der Umgebung steht. Das bedeutet, dass in der
Regel keine Kräfte auf andere Bauteile übertragen werden müssen. Auch erfordern
Inbetriebnahme und Erprobung weniger umfassende Maßnahmen bezüglich Sicherheit und
Zuverlässigkeit, da die bewegten Massen noch relativ leicht sind und sich ohne zusätzliche
Hilfsmittel bewegen lassen.
Grundsätzlich sollen Seilroboter zur Lösung von Inspektionsaufgaben bei großen bzw.
großflächig verteilten technischen Anlagen (z.B. Hochregallagern, Papiermaschinen,
Chemieanlagen, Rohrleitungen, Kraftwerken, Windenergieanlagen) eingesetzt werden.
Als Demonstratorlösung aus dem Bereich der Logistik wurde die „Inspektion eines
Hochregallagers“ konzeptioniert und umgesetzt. Ausgangspunkt der Entwicklung waren die
Anforderungen an Betreiber ortsfester Regalsysteme. Hierin ist u.a. festgelegt, dass der
Betreiber „… in Abständen von nicht mehr als 12 Monaten […] eine Inspektion
von einer fachkundigen Person durchzuführen“ hat, bei automatischen und
Hochregalanlagen „eine Experteninspektion alle 12 Monate, die mindestens 20 % der
Anlage umfasst, rollierend, sodass die gesamte Anlage alle 60 Monate inspiziert
wird.“ [4] Mögliche Schadensbilder in Regallagern sind beispielsweise nicht lotrechte
Stützen, Schäden durch Stoßeinwirkung oder Überlastungen (Verformungen, Versatz,
geknickte Fachböden), Verlust von Bauteilen, beschädigte Fußplatten, Risse in
Schweißnähten oder Korrosion. Bei der Größe moderner Hochregalsysteme ist diese
Aufgabe nur mit einem sehr hohen Aufwand an Personal zu bewältigen, woraus sich der
große Bedarf an technischen Unterstützungssystemen ableitet.
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Bild 9: Hardware des Seilroboters zur Inspektion von Hochregallagern
Ziel der Entwicklung war es demnach, die oben genannten Schadensbilder weitgehend
automatisch zu erkennen und potenzielle Schädigungen im laufenden Betrieb einer Anlage
rechtzeitig zu detektieren und parallel den Zustand bzw. die Zustandsveränderung zu
dokumentieren. Damit sollen letztlich die Ausfallrisiken beim Betrieb von automatischen
Hochregalen reduziert, Anlagenstillstände durch Störungen minimiert und
Instandhaltungskosten reduziert werden.
Bild 10: Visualisierung der Prüfergebnisse
Die Auslegung des Systems erfolgte in einer virtuellen Entwicklungsumgebung,
anschließend erfolgte der Komponentenbau und Ersterprobung bei einem
Anwendungspartner. Die Hauptkomponente des Inspektionssystems ist die
Bewegungseinheit. In dieser werden die Winden des Seilroboters in einer sogenannten
Windenbatterie mit vier einzeln steuerbaren Seilwinden zusammengefasst (Bild 9). Diese
vier Winden reichen aus, da der Seilroboter bei der Inspektion lediglich eine X-Y-Ebene als
Arbeitsraum überstreichen muss. Die kompakte Bauform ermöglicht den einfachen
Transport und das schnelle Umrüsten beim Gassenwechsel im Regalsystem. Weitere
Bauteile sind Seilbefestigungen und Umlenkungen sowie der eigentliche Inspektionskopf
als Endeffektor des Seilroboters. Dieser ist flexibel mit Kameras, Tiefenbildsensoren, Laser-
Messeinrichtungen, Beleuchtung, Stabilisatoren und Kommunikationsmodulen bestückbar.
Die Inspektionsergebnisse werden in einer Leitstands-Software zusammengefasst. Diese
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ermöglicht Auswertungen zum aktuellen Zustand der einzelnen Regalbestandteile, zum
Stand der notwendigen Prüfungen und zur kompletten Prüfhistorie. Die Visualisierung
erfolgt mittels einer farblichen Abstufung z.B. der Regalfächer, welche den Nutzer bei
seinen Entscheidungen über den Weiterbetrieb oder die Durchführung von
Instandhaltungsmaßnahmen unterstützt (Bild 10).
4 Zusammenfassung
Seilroboter verfügen über entscheidende Anwendungsvorteile im Vergleich zu
herkömmlichen Lösungen zum Transport und Umschlag von Stückgütern bzw. zur
Inspektion großflächiger Anlagen.
- variabler Arbeitsraum
- hohe Energieeffizienz durch Verringerung der bewegten Masse und weniger Verluste bei Beschleunigung und Abbremsung im Vergleich zu üblichen Roboterstrukturen
- einfacher und modularer Aufbau der Mechanik des Roboters
- einfache Konfigurierbarkeit und Rekonfigurierbarkeit für eine Vielzahl von Anwendungen
- die moderne Steuerungstechnik unterstützt mit ihren Feldbussystemen die dezentrale Ansteuerung der Seilwinden und erlaubt ein Plug-and-Produce System
Eine Allianz von vier Fraunhofer-Instituten hat es sich zum Ziel gesetzt, parallele Seilroboter
für den industriellen Einsatz zu entwickeln. Innerhalb der Fraunhofer Allianz ATLAS
(Automatisierte Montage von Großanlagen mit krantechnischen Seilrobotern) arbeiten die
Fraunhofer-Institute IPK, IFF und IML unter Federführung des Fraunhofer IPA zusammen.
Die Industrialisierung von Seilrobotern wird dabei durch drei wesentliche Entwicklungen
vorangetrieben: die Adaption von Kranwinden durch Sensorintegration zu intelligenten
Antriebseinheiten, die Erweiterung von Robotersteuerungen für Seilroboter sowie
angepasste Planungs- und Programmierwerkzeuge für Inspektion, Handhabung, Montage
und Logistik.
Quellenverzeichnis:
[1] Reinhart, V.; Cisek, R.: Mit Mobilität zur wandlungsfähigen Produktion. Erschienen
in: Reinhart, G.; Zäh, M.: Marktchance Individualisierung. Berlin, Heidelberg:
Springer, 2003
[2] Eversheim, W.; Lange-Stalinski, T.; Redelstab, P.: Wandlungsfähigkeit durch mobile
Fabriken. Erschienen in: wt Werkstattstechnik online 92 (2002) H. 4, S.169-170
[3] Wiendahl, H.-P.; Nofen, D.; Klußmann, J. H.; Breitenbach, F.: Planung modularer
Fabriken – Vorgehen und Beispiele aus Praxis. München, Wien: Carl Hanser Verlag,
2005
[4] DIN EN 15635: Ortsfeste Regalsysteme aus Stahl – Anwendung und Wartung von
Lagereinrichtungen. Deutsche Fassung EN 15635:2008