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3 CAYLEY – HAMILTON – JORDAN 1 3 Der Satz von Cayley – Hamilton und die Jordansche Normalform Sir William Rowan Hamilton: * Dublin 4.8.1805, Dunsink 2.9.1865. Er gilt als Wunderknabe mit außergew¨ohnlicher Sprachbegabung, der mit vierzehn Jahren mehr als ein Dutzend Sprachen (einschließlich etlicher orientalischer und asiatischer) beherrscht. Er besucht keine Schule bis er sich mit achtzehn Jahren am Trinity-College in Dublin einschreibt und dort ¨ uberragende Leistungen sowohl in den klassischen F¨ achern als auch in der Mathematik erreicht. 1827, also mit 22 Jahren und bevor er irgendein Abschlußexamen gemacht hat, wird er Andrews- Professor f¨ ur Astronomie an der Universit¨ at Dublin und k¨oniglicher Astronom von Irland. Sein privates Leben gestaltet sich unter ungeordneten h¨ auslichen Verh¨ altnissen wenig gl¨ ucklich, weshalb er sich in sp¨ ateren Jahren zunehmend in den Alkohol fl¨ uchtet. Die Entdeckung der Quaternionen ist sein aufsehenerregendstes mathematisches Resultat. Die Quaternionen bilden zwar nicht, wie manche gegen Ende des vorigen Jahrhunderts glaubten, die alleinige Grundlage der Mathematik, sie geben aber wesentliche Einblicke in die Struktur des Zahlenraums. Wiederholung. Eine K -Algebra (mit Eins) ist ein Paar (A, ·), bestehend aus einem K -Vek- torraum A, sowie einer assoziativen und bilinearen Verkn¨ upfung · auf A, die ein neutrales Element e, genannt Eins oder Einselement besitzt. Das bedeutet die G¨ ultigkeit folgender Regeln f¨ ur die Multiplikation: (a · b) · c = a · (b · c) (λa + μb) · c = λ(a · c)+ μ(b · c) a · (μb + νc) = μ(a · b)+ ν (a · c) e · a = a = a · e 0 · a = 0 = a · 0 Beispiele. 1. K n mit komponentenweiser Multiplikation (α 1 ,...,α n ) · (β 1 ,...,β n )=(α 1 β 1 ,...,α n β n ) (Eins ist das n-tupel (1,..., 1)), 2. die Polynomringe in einer oder mehreren Unbestimmten ¨ uber K , 3. die Endomorphismenringe der K -Vektorr¨ aume mit der Verkettung als Verk¨ upfung (hierbei handelt es sich im allgemeinen um nicht-kommutative K -Algebren mit der Identit¨ at als neutralem Element). Ist A eine K -Algebra mit e = 0, so ist A = {0}, denn f¨ ur alle a A gilt dann ja: a = a · e = a · 0=0 . Bemerkung. In einer K -Algebra sind die ¨ ublichen Potenzen induktiv definiert: a 0 = e, a n+1 = a n · a. Definitionen. a) Es sei A eine K -Algebra (mit Eins). Eine Teilmenge U A heißt Unteral- gebra von A, wenn gilt: 1. U ist Untervektorraum von A,

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3 CAYLEY – HAMILTON – JORDAN 1

3 Der Satz von Cayley – Hamiltonund die Jordansche Normalform

Sir William Rowan Hamilton: ∗ Dublin 4.8.1805, † Dunsink 2.9.1865. Er gilt als Wunderknabe mitaußergewohnlicher Sprachbegabung, der mit vierzehn Jahren mehr als ein Dutzend Sprachen(einschließlich etlicher orientalischer und asiatischer) beherrscht. Er besucht keine Schule biser sich mit achtzehn Jahren am Trinity-College in Dublin einschreibt und dort uberragendeLeistungen sowohl in den klassischen Fachern als auch in der Mathematik erreicht.1827, also mit 22 Jahren und bevor er irgendein Abschlußexamen gemacht hat, wird er Andrews-Professor fur Astronomie an der Universitat Dublin und koniglicher Astronom von Irland.Sein privates Leben gestaltet sich unter ungeordneten hauslichen Verhaltnissen wenig glucklich,weshalb er sich in spateren Jahren zunehmend in den Alkohol fluchtet.Die Entdeckung der Quaternionen ist sein aufsehenerregendstes mathematisches Resultat. DieQuaternionen bilden zwar nicht, wie manche gegen Ende des vorigen Jahrhunderts glaubten,die alleinige Grundlage der Mathematik, sie geben aber wesentliche Einblicke in die Strukturdes Zahlenraums.

Wiederholung. Eine K-Algebra (mit Eins) ist ein Paar (A, ·), bestehend aus einem K-Vek-torraum A, sowie einer assoziativen und bilinearen Verknupfung · auf A, die ein neutralesElement e, genannt Eins oder Einselement besitzt. Das bedeutet die Gultigkeit folgenderRegeln fur die Multiplikation:

(a · b) · c = a · (b · c)(λa + µb) · c = λ(a · c) + µ(b · c)a · (µb + νc) = µ(a · b) + ν(a · c)

e · a = a = a · e0 · a = 0 = a · 0

Beispiele. 1. Kn mit komponentenweiser Multiplikation

(α1, . . . , αn) · (β1, . . . , βn) = (α1β1, . . . , αnβn)

(Eins ist das n-tupel (1, . . . , 1)),

2. die Polynomringe in einer oder mehreren Unbestimmten uber K,

3. die Endomorphismenringe der K-Vektorraume mit der Verkettung als Verkupfung(hierbei handelt es sich im allgemeinen um nicht-kommutative K-Algebren mit derIdentitat als neutralem Element).

Ist A eine K-Algebra mit e = 0, so ist A = {0}, denn fur alle a ∈ A gilt dann ja:

a = a · e = a · 0 = 0 .

Bemerkung. In einer K-Algebra sind die ublichen Potenzen induktiv definiert:

a0 = e , an+1 = an · a .

Definitionen. a) Es sei A eine K-Algebra (mit Eins). Eine Teilmenge U ⊂ A heißt Unteral-gebra von A, wenn gilt:

1. U ist Untervektorraum von A,

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3 CAYLEY – HAMILTON – JORDAN 2

2. U ist multiplikativ abgeschlossen, das heißt, fur alle a, b ∈ U ist auch a · b ∈ U ,

3. e ∈ U

b) Es seien A und B K-Algebren (mit Eins). Eine Abbildung ψ : A → B heißt Algebren-homomorphismus, wenn gilt:

1. ψ ist linear,

2. ψ ist multiplikativ, das heißt, fur alle a, a ∈ A ist ψ(a · a) = ψ(a) · ψ(a),

3. ψ(e) = e.

Bemerkungen. 1. Eine Abbildung, die die ersten beiden Bedingungen fur einen Algebrenho-momorphismus erfullt, genugt nicht automatisch der dritten; ein Gegenbeispiel liefert dieEinbettung K → K2, α 7→ (α, 0). Andererseits ist die Einbettung als Diagonale, K → K2,α 7→ (α, α) ein Algebrenhomomorphismus.2. Ist ψ : A → B ein Algebrenhomomorphismus, so ist Bildψ eine Unteralgebra von B(wegen

ψ(a) · ψ(a) = ψ(a · a) ∈ Bild ψ )

und Kern ψ ist ein Untervektorraum, der der folgenden multiplikativen Bedingung genugt:Fur alle a ∈ Kern ψ und a ∈ A gilt a · a ∈ Kern ψ und a · a ∈ Kern ψ:

ψ(a · a) = ψ(a) · ψ(a) = 0 · ψ(a) = 0 .

Allgemein nennt man eine Untergruppe eines Ringes, die der eben angegebenen Bedingunggenugt, ein Ideal des Ringes.3. Ist A eine kommutative K-Algebra und ψ : A → B ein Algebrenhomomorphismus,so ist Bild ψ eine kommutative Unteralgebra von B, unabhangig davon, ob B insgesamtkommutativ ist oder nicht.

Beispiele. 1. Es sei ψ1 : K2 → K die Projektion auf den ersten Faktor, die gegeben ist durch(α, β) 7→ α. Dann ist Bildψ1 = K und Kern ψ = {0} ×K.2. Ist A eine K-Algebra mit fur e 6= 0, so ist die Abbildung

ϕ : K → A,α 7→ αe,

eine Einbettung von K in A als Unteralgebra.Beweis. Bild ϕ = Span(e) ist ein eindimensionaler Untervektorraum von A und als solcherisomorph zu K, wobei die Abbildung ϕ eine Isomorphie vermittelt, also insbesondereinjektiv ist. Wegen

ϕ(αβ) = (αβ)e = α(β(e · e)) = α(e · βe) = αe · βe = ϕ(α) · ϕ(β)

und ϕ(1) = e ist ϕ sogar ein Algebrenhomomorphismus, also eine Einbettung als Unter-algebra.Schreibweise: α statt ϕ(α) oder αe.

Bezeichnung. Es sei A eine K-Algebra. Fur P =∑n

j=0 αjtj ∈ K[t] und a ∈ A setzen wir

P (a) =n

j=0

αjaj .

Damit ist eine Abbildung

K[t]× A → A, (P, a) 7→ P (a),

definiert. Im Fall A = K haben wir dabei fur festes P die zu P gehorige Polynomfunktion.

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3 CAYLEY – HAMILTON – JORDAN 3

Satz von Cayley – Hamilton Es seien V ein Vektorraum mit dim V = n < ∞ und F ∈End V . Dann gilt PF (F ) = 0.

Beispiel. V = K2, F = A =(

1 10 1

)

⇒ PF = (1− t)2 ⇒

PF (F ) = (E2 − A)2 =(

0 −10 0

)

·(

0 −10 0

)

= 0 .

Lemma und Bezeichnung. Es seien A eine K-Algebra und a ∈ A. Dann ist die Abbildung

ψa : K[t] → A,P 7→ P (a),

ein Algebrenhomomorphismus und K[a] = Bild ψa ist eine kommutative Unteralgebra vonA.Beweis. 1. ψa ist additiv:

ψa(n

j=0

αjtj +n

j=0

βjtj) = ψa(n

j=0

(αj + βj)tj) =

=n

j=0

(αj + βj)aj =n

j=0

αjaj +n

j=0

βjaj =

= ψa(n

j=0

αjtj) + ψa(n

j=0

βjtj) .

2. ψa ist homogen:

ψa(λn

j=0

αjtj) = ψa(n

j=0

λαjtj) =

=n

j=0

λαjaj = λ(n

j=0

αjaj) =

= λψa(n

j=0

αjtj) .

3. ψa ist multiplikativ:

ψa(n

j=0

αjtj ·m

i=1

βiti) = ψa(n+m∑

k=0

(k

j=0

αjβk−j)tk) =

=n+m∑

k=0

(k

j=0

αjβk−j)ak) =n

j=0

αjaj ·m

i=0

βiai =

= ψa(n

j=0

αjtj) · ψa(m

i=0

βiti) .

4. ψ(1) = 1a0 = a0 = e. 2

Verallgemeinerung des Determinantenbegriffes auf Matrizen uber kommutativen Ringen mitEins. Es seien R ein kommutativer Ring und n ∈ N. Fur eine Matrix A = (αij) ∈ Rn,n

definieren wir:det A =

π∈Sn

sign π · α1π(1) · . . . · αnπ(n) .

Dann beweist man wie im Fall von Korpern fur die Abbildung det : Rn,n → R:

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3 CAYLEY – HAMILTON – JORDAN 4

0. det At = det A,

1. det ist linear in jeder Zeile und Spalte,

2. det ist alternierend benzuglich der Zeilen und Spalten,

3. det En = 1,

4. A · A = A · A = det A · En, wenn A die zu A komplementare Matrix bezeichnet.

Beweis des Satzes von Cayley – Hamilton: Wir wahlen eine Basis B = {v1, . . . , vn} von Vund bilden die darstellende Matrix A = (αij) von F bezuglich B; damit gilt fur allej ∈ {1, . . . , n} definitionsgemaß:

F (vj) =n

i=1

αijvi .

Diese Gleichungen konnen wir auch umstandlicher aufschreiben:

n∑

i=1

δijF (vi) =n

i=1

αij Id(vi) ,

woraus sichn

i=1

(αij Id−δijF )(vi) = 0

ergibt; wir setzen zur Abkurzung βij = αij Id−δijF , so dass sich fur alle j ∈ {1, . . . , n}n

i=1

βij(vi) = 0

ergibt.Uber dem Ring K[F ] haben wir die Matrix B = (βij) = A − FEn und die Behauptunglautet det B = 0. Dazu genugt es, det B(vk) = 0 fur alle k ∈ {1, . . . , n} zu zeigen. Wirbilden die Komplementarmatrix B = (βjk) zu B. Dann gilt B · B = det BEn, das heißt,

n∑

j=1

βijβjk = δik det B .

Anwendung dieser Gleichung auf die Basisvektoren liefert:

(det B)(vk) =n

i=1

(δik det B)(vi) =

=n

i=1

(n

j=1

βijβjk)(vi) =

=n

j=1

n∑

i=1

βijβjk(vi) =

=n

j=1

βjk ◦n

i=1

βij(vi) = 0

fur alle k ∈ {1, . . . , n}, woraus die Behauptung folgt. 2

Definition. Ein Polynom heißt normiert, wenn der hochste Koeffizient gleich 1 ist.

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3 CAYLEY – HAMILTON – JORDAN 5

Lemma und Definition. Es seien V ein Vektorraum mit dim V = n < ∞ und F ∈ End V .Es gibt genau ein normiertes Polynom MF ∈ K[t], derart dass gilt:

Kern ψF = MF ·K[t] = {P |P ∈ K[t] ∧ PMF

∈ K[t] } ,

wobei ψF : K[t] → End V den durch die Zuordnung t 7→ F bestimmten Algebrenhomomor-phismus bezeichnet. Das Polynom MF heißt Minimalpolynom von F ; nach dem Satz vonCayley – Hamilton handelt es sich dabei um einen Teiler des charakteristischen PolynomsPF von F .Beweis. Existenz : Wir setzen

M = {P |P ∈ Kern ψF ∧ P normiert } .

Aus dem Satz von Cayley – Hamilton folgt (−1)nPF ∈ M, also ist M 6= ∅. Wir findenM ∈M mit minimalem Grad:

0 ≤ Grad M ≤ Grad P fur alle P ∈M .

Aus der Idealeigenschaft von KernψF folgt M ·Q ∈ Kern ψF fur alle Q ∈ K[t], das heißt,M ·K[t] ⊂ Kern ψF .Es gilt aber auch KernψF ⊂ M ·K[t]: Es sei P ∈ Kern ψF . Die Polynomdivision lieferteine Darstellung

P = M ·Q + R

mit Grad R < Grad M . Wie bereits bemerkt, gilt M ·Q ∈ Kern ψF und, da KernψF einUntervektorraum von K[t] ist, ergibt sich weiter: R = P −M · Q ∈ Kern ψF . Ware nunR 6= 0, das heißt R =

∑ri=0 βiti mit βr 6= 0, so ware β−1

r R ∈ M mit Grad R < Grad Mim Widerspruch zur vorausgesetzten Minimalitat von M . Also ist R = 0, das heißt,P = M ·Q ∈ M ·K[t].

9. Juni 2000

Eindeutigkeit : Sei M =∑∞

i=0 αiti und sei M =∑∞

i=0 αiti ein weiteres normiertes Polynommit M ·K[t] = Kern ψF ; es sei Grad M = m und Grad M = m. Dann gibt es PolynomeQ, Q ∈ K[t] \ {0} mit

M = M ·Q , M = M · Q ,

woraus

m = Grad M = Grad M + Grad Q ≥ Grad M = m,m = Grad M = Grad M + Grad Q ≥ Grad M = m ,

also m = m und Grad Q = Grad Q = 0, das heißt, Q, Q ∈ K, folgt. Da die PolynomeM und M normiert sind, gilt αm = 1 = αm und Koeffizientenvergleich in der GleichungM = M ·Q liefert

1 = 1 ·Q = Q ,

woraus M = M folgt. 2

Bemerkung. Das Minimalpolynom MF von F ist also das eindeutig bestimmte normiertePolynom kleinsten Grades, fur das MF (F ) = 0 gilt.

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3 CAYLEY – HAMILTON – JORDAN 6

Lemma. Es seien V ein Vektorraum mit dim V = n < ∞ und F ∈ End V .Das Minimalpolynom von F hat die gleichen Nullstellen wie das charakteristische Poly-nom von F .

Beweis. Es sei MF =∑m

i=0 αiti. Da MF ein Teiler von PF ist, ist jede Nullstelle vonMF auch Nullstelle von PF . Sei nun umgekehrt λ ∈ K eine Nullstelle von PF , also einEigenwert von F . Wir wahlen einen Eigenvektor v zu λ und berechnen:

0 = (m

i=0

αiF i)(v) =m

i=0

αiF i(v) =

m∑

i=0

αi(λiv) = (m

i=0

αiλi)v ,

woraus wegen v 6= 0 wie gewunscht MF (λ) = 0 folgt. 2

Bemerkung. Fur alle λ ∈ K gilt:

m(MF ; λ) ≤ m(PF ; λ) .

Beweis. Ist λ kein Eigenwert von F , so sind beide Seiten der behaupteten Ungleichunggleich Null. Sei nun λ ein Eigenwert von F ; wir setzen zur Abkurzung ml = m(MF ; λ)und mr = m(PF ; λ). Dann haben wir nach Definition der Vielfachheit Polynome Ql, Qr

mit MF = (t − λ)mlQl, PF = (t − λ)mrQr und Ql(λ) 6= 0 6= Qr(λ). Wir setzen nochQ = PF /MF und berechnen

(t− λ)mrQr = PF = MF Q = (t− λ)mlQlQ .

Ware nun ml > mr, so wurde folgen

Qr = (t− λ)ml−mrQlQ

und damitQr(λ) = 0

im Widerspruch zur Konstruktion von Q. 2

Beispiel. Fur die Matrix

A =

1 1 00 1 00 0 1

giltPF = (1− t)3 , MF = (1− t)2 . 2

Bemerkungen. 1. V Vektorraum, B Basis von V , (Bj)j∈J Zerlegung von B ⇒

V =⊕

j∈J

Span Bj .

2. V Vektorraum, V =⊕

j∈J Wj, Bj Basis von Wj. Die Mengen Bj sind paarweisedisjunkt und ihre Vereinigung ist eine Basis von V .

Lemma. V Vektorraum, F ∈ EndV ⇒

0 = Kern F 0 ⊂ Kern F 1 ⊂ Kern F 2 ⊂ · · · ⊂ Kern F s ⊂ · · ·V ,

V = Bild F 0 ⊃ Bild F 1 ⊃ Bild F 2 ⊃ · · · ⊃ Bild F s ⊃ · · · 0 ,

Ferner gilt fur alle s ∈ N0:

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3 CAYLEY – HAMILTON – JORDAN 7

1. Kern F s = Kern F s+1 ⇒ Kern F s = Kern F s+k fur alle k ∈ N,

2. Bild F s = Bild F s+1 ⇒ Bild F s = Bild F s+k fur alle k ∈ N,

3. dim V < ∞⇒ dim Kern F s + dim Bild F s = dim V ,und damit - wie schon bewiesen - V ∼= Kern F s ⊕ Bild F s,aber im allgemeinen nicht V = Kern F s ⊕ Bild F s.

Beweis. Die Ketteneigenschaften sind trivial.zu 1: Beweis durch Induktion nach k. Die Behauptung fur k = 1 steckt in der Vor-aussetzung. Beim Schluß von k auf k + 1 ist wegen der Ketteneigenschaft nur die In-klusion KernF s+k+1 ⊂ Kern F s nachzuweisen: v ∈ Kern F s+k+1 ⇒ 0 = F s+k+1(v) =F s+1(F k(v)) ⇒ (nach Voraussetzung) F k(v) ∈ Kern F s+1 = Kern F s ⇒ F s+k(v) =F s(F k(v)) = 0 ⇒ v ∈ Kern F s+k ⇒ (nach Induktionsvoraussetzung) v ∈ Kern F s.zu 2: wieder Beweis durch Induktion nach k. Die Behauptung fur k = 1 steckt auchwieder in der Voraussetzung.”k ⇒ k + 1“: Bild F s+k+1 = F s+k+1(V ) = F k(F s+1(V )) =F k(F s(V )) = F s+k(V ) = F s(V ).zu 3: Die Gleichheit der Dimensionen folgt aus der Dimensionsformel fur lineare Abbil-

dungen. Hier ist ein Beispiel mit V 6= Kern F + Bild F : V = K2, F = A =(

0 10 0

)

.

Dann ist Kern F = Bild F = Span(e1), also Kern F + Bild F = Span(e1) 6= V . 2

Hilfssatz und Definition. Es sei V ein Vektorraum. Ist W ein Untervektorraum von V , sogibt es Untervektorraume U von V mit V = W ⊕ U . Jedes solche U heißt Komplementvon W in V .

Beweis. Man wahle eine Basis fur W und erganze zu einer Basis von V . Die erganzendenVektoren erzeugen ein Komplement.

Lemma. Es seien V ein Vektorraum, F ∈ End V und W ein Komplement von Kern F in V .Dann ist die induzierte Abbildung F : W → Bild F ein Isomorphismus.

Im allgemeinen ist jedoch W 6= Bild F .

Beweis. Variante a) dimV < ∞. Aus den Dimensionsformeln fur Untervektorraume undlineare Abbildungen folgt

dim V = dim Kern F + dim Wdim V = dim Kern F + dim Bild F ,

woraus sich dimW = dim Bild F ergibt. Wegen KernF |W = 0 ist F |W injektiv, alsoW ∼= Bild F |W = F (W ) und damit dimF (W ) = dim W = dim Bild F = dim F (V ).Wegen F (W ) ⊂ F (V ) ist damit F (W ) = F (V ). Damit ist die induzierte Abbildung Fein Isomorphismus.

Variante b) allgemein: KernF ∩W = 0 ⇒ Kern F = 0 ⇒ F Monomorphismus.

Sei v ∈ Bild F , v = F (v), v = u + w mit u ∈ Kern F , w ∈ W ⇒

v = F (u + w) = F (u) + F (w) = 0 + F (w) = F (w) ∈ Bild F

⇒ F Epimorphismus.

F Monomorphismus und Epimorphismus ⇒ F Isomorphismus.

Als Beispiel betrachten wir wieder V = K2, F = A =(

0 10 0

)

, Kern F = Bild F =

Span(e1); ein Untervektorraum W mit K2 = Kern F ⊕ W ist von der Form W =Span(αe1 + e2) mit einem beliebigen α ∈ K, also sicherlich ungleich BildF . 2

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3 CAYLEY – HAMILTON – JORDAN 8

13. Juni 2000

Lemma. Es seien V ein Vektorraum, F ∈ End V , i ∈ N mit i > 1 und W ein Komplementvon Kern F i−1 in Kern F i. Dann ist W ∼= F (W ) ⊂ Kern F i−1 mit F (W )∩Kern F i−2 = 0.

Beweis. Wegen W ∩ Kern F ⊂ W ∩ Kern F i−1 = 0 ist W ∼= F (W ). Wegen W ⊂ Kern F i

ist F i−1(F (W )) = F i(W ) = 0, also F (W ) ⊂ Kern F i−1. Nun sei w ∈ F (W )\{0} gegeben,w = F (w) mit w ∈ W \ {0}. Dann ist w 6∈ Kern F i−1, also F i−2(w) = F i−1(w) 6= 0, dasheißt w 6∈ Kern F i−2. 2

Lemma. V Vektorraum, dim V = n < ∞, F ∈ End V , W F -invarianter Unterraum von V ;FW bezeichne den induzierten Endomorphismus von W . Dann gilt : PFW ist ein Teiler vonPF und MFW ist ein Teiler von MF .Beweis. Wir setzen m = dim W und wahlen eine Basis {v1, . . . , vm} von W , die wir um{vm+1, . . . , vn} zu einer Basis B von V erganzen. Ist A = (αij) die darstellende Matrixvon F bezuglich B, also fur alle j ∈ {1, . . . , n}

F (vj) =n

i=1

αijvi ,

so folgt aus der F -Invarianz von W

αij = 0 fur j ∈ {1, . . . ,m}, i ∈ {m + 1, . . . , n} ,

das heißt, A ist von der Form

A =(

AW ∗0 B

)

mit AW = (αij)i,j∈{1,...,m}, und AW ist eine darstellende Matrix fur FW . Dann folgt aber

A− tEn =(

AW − tEm ∗0 B − tEn−m

)

,

alsoPF = det(A− tEn) = det(AW − tEm) · det(B − tEn−m) = PFW · PB .

Aus MF (F )(V ) = 0 folgt MF (FW )(W ) = 0, also ist MFW ein Teiler von MF . 2

Lemma. V Vektorraum, dim V = n < ∞, F ∈ End V ,(Ws)s∈{1,...,r} Familie von F -invarianten Unterraumen mit

V = W1 ⊕ . . .⊕Wr ;

fur jedes s ∈ {1, . . . , r} bezeichne Fs den induzierten Endomorphismus von Ws und As

eine darstellende Matrix von Fs. Dann ist die Matrix

A =

A1 0 · · · 00 A2 · · · 0...

... . . . ...0 0 · · · Ar

eine darstellende Matrix von F .Beweis. Wir setzen ms = dim Ws und ms =

∑ss=1 ms fur alle s ∈ {1, . . . , r}. Dann wahlen

wir der Reihe nach Basen B1 = {v1, . . . , vm1} von W1, Bs = {vms−1+1, . . . , vms} von Ws,

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3 CAYLEY – HAMILTON – JORDAN 9

derart dass jedes As die Abbildung Fs bezuglich Bs darstellt. Dann ist B = {v1, . . . , vn}eine Basis von V und fur j ∈ {1, . . . , ms} und As = (αs;ij) gilt:

F (vms−1+j) = Fs(vms−1+j) =ms∑

i=1

αs;ijvms−1+i .

Damit ist die angegebene Matrix A darstellende Matrix von F bezuglich der Basis B. 2

Bezeichnung und Definition. Eine m×m-Matrix der Form

Jm(λ) =

λ 1 0 · · · 0 0

0 λ 1 . . . 0 0

0 0 λ . . . 0 0...

...... . . . . . . ...

0 0 0 · · · λ 10 0 0 · · · 0 λ

heißt Jordanmatrix zu λ(∈ K). Fur Jm(λ) = (αij) gilt also:

αij =

λ, falls j = i,1, falls j = i + 1 und0, sonst.

Jede 1× 1-Matrix (λ) ist eine Jordanmatrix, namlich gerade J1(λ).

Camille Marie Ennemond Jordan, * Croix-Rousse (jetzt in Lyon eingemeindet) 5. 1. 1838,†Mailand 21. 1. 1922, Bergbauingenieur, dann Professor an der Ecole Polytechnique. Neben derJordanschen Normalform gehort vor allem der Jordansche Kurvensatz zum mathematischenGrundwissen. Die Jordanschen Normalform fur Matrizen uber C leitet Jordan 1871 im Zusam-menhang mit der Losung komplexer Differentialgleichungssysteme her: Sur la resolution desequations differentielles lineaires, (Comptes Rendus Ac. Sc. 73, 787 - 791). Den JordanschenKurvensatz formulierte er 1893. In der Gruppentheorie lebt sein Name fort in dem Satz vonJordan-Holder uber Kompositionsreihen.

Lemma. V Vektorraum, dim V = n < ∞, F ∈ End V , PF = (λ − t)n. Dann ist V direkteSumme von Unterraumen

V = W1 ⊕ . . .⊕Wr ,

derart dass fur alle s ∈ {1, . . . , r} gilt:

1. Ws ist F -invariant und

2. der induzierte Endomorphismus Fs : Ws → Ws, w 7→ F (w) kann durch eine Jordan-matrix dargestellt werden.

Beweis. Es sei Grad MF = m, das heißt (λ − F )m = 0 ∈ End V . Im Fall m = 1 habenwir λ − F = 0, das heißt, F (v) = λv fur alle v ∈ V . Also ist jeder Vektor ungleichNull Eigenvektor, wir finden eine Basis {v1, . . . , vn} aus Eigenvektoren. Setzen wir Ws =Span(vs), so gilt V =

⊕ns=1 Ws und die induzierten Endomorphismen werden alle durch

die Jordanmatrix J1(λ) dargestellt.Zum besseren Verstandnis des folgenden betrachten wir auch den Fall m = 2 noch fursich allein. Wir wahlen ein Komplement W von Kern(λ− F ) in V und eine Basis B2 ={w1, . . . , wr2} von W (r2 = dim W ). Aufgrund der vorbereitenden Lemmata ist (λ −F )(B2) eine Basis von Bild(λ − F ) und wegen m = 2 ist Bild(λ − F ) ⊂ Kern(λ − F );

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3 CAYLEY – HAMILTON – JORDAN 10

damit ist (λ−F )(B2) eine linear unabhangige Menge in Kern(λ−F ) = Eig(F ; λ). Wegendim Kern(λ − F ) = dim V − dim W = n − r2 finden wir eine Menge B1 = {v1, . . . , vr1}von r1 = n− 2r2 linear unabhangigen Vektoren in Kern(λ−F ), die (λ−F )(B2) zu einerBasis von Kern(λ− F ) erganzt. Damit ist

B2 ∪ (λ− F )(B2) ∪B1

eine Basis von V , wobei die Vereinigungsbildung disjunkt ist. Wir setzen nun ws = (F −λ)(ws) ∈ Eig(F ; λ), Ws = Span{ws,−ws} fur j ∈ {1, . . . , r2} und Wr2+j = Span{vj} furj ∈ {1, . . . , r1}. Dann ist V =

⊕rs=1 Ws mit r = r2 + r1 und es gilt:

• fur s ∈ {1, . . . , r2}: F (ws) = λws ∈ Ws, F (ws) = (F −λ)(ws)+λws = 1 · ws +λ ·ws.Damit ist Ws F -invariant und die induzierte Abbildung kann durch die JordanmatrixJ2(λ) dargestellt werden.

• fur s ∈ {r2 + 1, . . . , r: Ws besteht aus Eigenvektoren, ist also F -invariant und dieinduzierte Abbildung wird durch die Jordanmatrix J1(λ) = (λ) dargestellt.

16. Juni 2000

Nun zum allgemeinen Fall.Sei zur Abkurzung F = F − λ; dann besagt die Voraussetzung

Fm = 0 .

Wir wahlen der Reihe nach Untervektorraume U1, . . . , Um von V derart dass gilt:

V = Kern Fm = Kern Fm−1 ⊕ U1

Kern Fm−1 = Kern Fm−2 ⊕ F (U1)⊕ U2

Kern Fm−2 = Kern Fm−3 ⊕ F 2(U1)⊕ F (U2)⊕ U3

...Kern Fm−j+1 = Kern Fm−j ⊕ F j−1(U1)⊕ . . .⊕ Uj =

= Kern Fm−j ⊕j

i=1

F j−i(Ui)

...

Kern F 2 = Kern F ⊕m−1⊕

i=1

Fm−i−1(Ui)

Kern F =m

i=1

Fm−i(Ui) .

Damit wird

V =m

j=1

j⊕

i=1

F j−i(Ui) =

=⊕

1≤i≤j≤m

F j−i(Ui) =

=m

i=1

m⊕

j=i

F j−i(Ui) .

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3 CAYLEY – HAMILTON – JORDAN 11

Wir setzen Wi =⊕m

j=i Fj−i(Ui) fur i ∈ {1, . . . ,m}; dabei kann es durchaus vorkommen,

dass einzelne Wi trivial sind. In jedem Fall haben wir V =⊕m

i=1 Wi und wir zeigen,dass jedes Wi ein F -invarianter Unterraum mit einer Direkten-Summen-Zerlegung dergewunschten Art ist.Wir betrachten also ein festes i ∈ {1, . . . , m} mit Ui 6= 0. Es sei ri = dim Ui und Bi ={vi1, . . . , viri} sei eine Basis von Ui. Dann ist Bij = F j−i(Bi) fur j ∈ {i, . . . , m} eine Basisvon F j−i(Ui) und

⋃mj=i Bij ist eine Basis von Wi. Nun setzen wir noch fur s ∈ {1, . . . , ri}

und j ∈ {1, . . . , m + 1− i}

wis;j = Fm+1−i−j(vis)Wis = Span(wis;j)j∈{1,...,m+1−i} .

Dann gilt:

Wi =ri

s=1

Wis ,

F (wis;1) = F (Fm−i(vis)) = λ · wis;1

und fur j > 1 :F (wis;j) = F (Fm+1−i−j(vis)) =

= (F − λ)(Fm+1−i−j(vis)) + λ · wis;j == wis;j−1 + λ · wis;j .

Damit jeder Unterraum Wis F -invariant und Jm+1−i(λ) ist die darstellende Matrix desvon F induzierten Endomorphismus von Wis bezuglich der Basis {wis;1, . . . , wis;m+1−i}. 2

Bezeichnung und Definition. V Vektorraum, dimV = n < ∞, F ∈ End V , λ ∈ K. DieMenge

Eig(F ; λ) = Kern(F − λ)n

heißt verallgemeinerter Eigenraum von F zu λ.

Lemma. V Vektorraum, dim V = n < ∞, F ∈ End V ; PF zerfalle in Linearfaktoren. Danngilt fur alle λ ∈ K:

1. Eig(F ; λ) ist F -invariant und

2. dim Eig(F ; λ) = m(PF ; λ).

Beweis. 1. Fur v ∈ Kern(F − λ)n gilt:

(F − λ)n(F (v)) = F ((F − λ)n(v)) = 0 ,

das heißt F (v) ∈ Kern(F−λ)n, woraus die F -Invarianz der verallgemeinerten Eigenraumefolgt.2. Ist λ kein Eigenwert, so verschwinden beide Seiten der Gleichung und es ist nichtsweiter zu beweisen.Nun sei λ ein Eigenwert von F . Wir setzen zur Abkurzung W = Eig(F ; λ) und bezeichnenmit FW den von F induzierten Endomorphismus von W . Wegen (F − λ)n(W ) = 0 ist(FW − λ)n = 0. Also ist das Minimalpolynom von FW von der Form MFW = (t − λ)m

mit m ∈ {1, . . . , n}. Da PF in Linearfaktoren zerfallt und PFW ein Teiler von PF ist,zerfallt auch PFW in Linearfaktoren. Da PFW die gleichen Nullstellen besitzt wie MFW ,folgt PFW = (λ− t)m mit m = dim W ≥ m. Da PFW ein Teiler von PF ist, folgt

dim W ≤ m(PF ; λ) .

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3 CAYLEY – HAMILTON – JORDAN 12

Wir nehmen nundim W < m(PF ; λ)

an und konstruieren einen Widerspruch.

20. Juni 2000

Dazu wahlen wir eine Basis BW = {v1, . . . , vm} von W und erganzen durch BU ={vm+1, . . . , vn} zu einer Basis B von V . Dann ist

U = Span(vm+1, . . . , vn)

ein Komplement zu W in V ; wir bezeichnen mit Φ : Kn → V das zugehorige Koordina-tensystem. Die darstellende Matrix A von F hat bezuglich der Basis B die Form

A =(

AW ∗0 B

)

.

Dann folgt fur die charakeristischen Polynome

(λ− t)m(PF ;λ) ·Q = PF = (λ− t)m · PB .

Aufgrund der Annahme konnen wir durch (λ− t)m kurzen und erhalten

PB = (λ− t)k ·Q

mit k = m(PF ; λ)−m > 0. Also ist λ ein Eigenwert von B ∈ Kn−m.

Wir wahlen einen zugehorigen Eigenvektor u ∈ Kn−m und berechnen:(

AW ∗0 B

)(

0u

)

=(

uλu

)

.

Setzen wir nun Φ(0

u

)

= w so haben wir nach Konstruktion zunachst w ∈ U . Andererseitsergibt sich

F (w) = F ◦ Φ(

0u

)

= Φ ◦ A(

0u

)

=

Φ(

uλu

)

= Φ(

u0

)

+ Φ(

0λu

)

= w + λw

mit w ∈ W . Damit berechnen wir

(F − λ)n+1(w) = F ◦ (F − λ)n(w)− (F − λ)n(λw) =

= (F − λ)n ◦ F (w)− (F − λ)n(λw) = (F − λ)n(w) = 0 ,

also w ∈ Kern(F − λ)n+1 = Kern(F − λ)n = Eig(F ; λ) = W . Wegen w 6= 0 ist das einWiderspruch zu W ∩ U = 0. 2

Bemerkung. Die Voraussetzung, dass PF in Linearfaktoren zerfallt, ist eigentlich uberflussig.Um dies einzusehen braucht man den allgemeingultigen Satz: PF ist ein Teiler von Mn

F ,den wir nicht bewiesen haben.

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3 CAYLEY – HAMILTON – JORDAN 13

Satz. V Vektorraum, dim V = n < ∞, F ∈ End V . Ist PF =∏k

j=0(λj − t)mj , so gilt :

V = Eig(F ; λ1)⊕ . . .⊕ Eig(F ; λk) .

Beweis. Wir setzen fur q ∈ {0, 1, . . . , k − 1}, l ∈ {0, 1, . . . , n}:

Vq,l =q

j=1

Eig(F ; λj) + Kern(F − λq+1)l

und beweisen durch doppelte Induktion (nach q und l), dass es sich dabei jeweils umdirekte Summen handelt.q = 0: Wir haben fur jedes l nur einen Summanden; damit ist nichts zu beweisen.q ⇒ q + 1, l = 0: Vq+1,0 = Vq,n

l ⇒ l + 1: Es seiq+2∑

j=1

wj = 0

mit wj ∈ Eig(F ; λj) fur j ∈ {1, . . . , q + 1} und wq+2 ∈ Kern(F − λq+2)l+1.Es ist wj = 0 fur alle j ∈ {1, . . . , q + 2} zu zeigen. Wenden wir auf die gegebene GleichungF − λq+2 an, so erhalten wir:

q+2∑

j=1

(F − λq+2)(wj) = 0 .

Fur j ∈ {1, . . . , q + 1} gilt:

(F − λj)n((F − λq+2)(wj)) = (F − λq+2)((F − λj)n(wj)) = 0 ,

also (F − λq+2)(wj) ∈ Eig(F ; λj); ferner haben wir

(F − λq+2)l((F − λq+2)(wq+2)) = (F − λq+2)l+1(wq+2) = 0 .

Damit folgt nach Induktionsvoraussetzung

(F − λq+2)(wj) = 0

fur alle j ∈ {1, . . . , q + 2}. Fur j ∈ {1, . . . , q + 1} berechnen wir weiter:

F (wj) = λq+2 · wj

und

0 = (F − λj)n(wj) =n

i=0

(

ni

)

(−λj)iF n−i(wj) =

=n

i=0

(

ni

)

(−λj)iλn−iq+2 · wj = (λq+2 − λj)nwj .

Wegen λq+2 6= λj folgt daraus wj = 0 fur j ∈ {1, . . . , q + 1}, sowie angesichts der Aus-gangsgleichung auch wq+2 = 0.Damit ist

∑kj=1 Eig(F ; λj) als direkte Summe nachgewiesen. Fur die Dimension ergibt

sich nun:

dimk

j=1

Eig(F ; λj) =k

j=1

dim Eig(F ; λj) =k

j=1

mj = n = dim V ,

woraus⊕k

j=1 dim Eig(F ; λj) = V folgt. 2

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3 CAYLEY – HAMILTON – JORDAN 14

Satz. Existenz und Eindeutigkeit der Jordanschen Normalform. V Vektorraum, dim V = n <∞, F ∈ End V ; PF zerfalle in Linearfaktoren. Dann ist V direkte Summe von Unterraum-en

V = W1 ⊕ . . .⊕Wr

derart, dass fur alle s ∈ {1, . . . , r} gilt:

1. Ws ist F -invariant und

2. der induzierte Endomorphismus Fs : Ws → Ws, w 7→ F (w), kann durch eine Jor-danmatrix dargestellt werden.

Die auftretenden Jordanmatrizen sind nach Typ und Anzahl (bis auf die Reihenfolge) ein-deutig bestimmt.Beweisskizze. Es ist nur noch die Eindeutigkeit zu zeigen. Es seien λ1, . . . , λk die Eigen-werte und

mj = m(PF ; λj) , mj = m(MF ; λj)

fur j ∈ {1, . . . , k}; dann ist PF =∏k

j=1(λj − t)mj . Wegen V =⊕k

j=1 Eig(F ; λj) genugt es,die Behauptung fur Endomorphismen mit nur einem einzigen Eigenwert λ zu beweisen.Besitzt Fs die Jordanmatrix Jm(λ) als darstellende Matrix, so ist Ws ⊂ Kern(F−λ)m undzwar gerade einer der Untervektorraume, die wir bei der entsprechenden Zerlegung einesVektorraums in Bezug auf einen Endomorphismus mit genau einem Eigenwert konstruierthaben. 2

23. Juni 2000

Zusatz. V Vektorraum, dim V = n < ∞, F ∈ End V ; PF zerfalle in Linearfaktoren. Dann giltfur alle Eigenwerte λ:

Eig(F ; λ) = Kern(F − λ)m 6= Kern(F − λ)m−1

mit m = m(MF ; λ).Beweis. Es sei

MF =r

s=1

(t− λs)ms .

Dann folgt fur alle s ∈ {1, . . . , n} zunachst aus ms ≤ n:

Kern(F − λs Id)ms ⊂ Kern(F − λs Id)n = Eig(F ; λ) .

Zum Nachweis der umgekehrten Inklusion betrachten wir ein festes s0 ∈ {1, . . . , n}. Danngilt fur alle v ∈ Eig(F ; λs0)\{0}, alle s ∈ {1, . . . , s} und alle k ∈ N0 wegen der F -Invarianzvon Eig(F ; λs0):

(F − λs Id)k(v) =k

j=0

(

kj

)

(−λs)k−jF j(v) ∈ Eig(F ; λs0) ; (1)

fur s 6= s0 gilt daruberhinaus(F − λs Id)k(v) 6= 0 , (2)

was aus Kern(F − λs)k ∩ Eig(F ; λs0) ⊂ Eig(F ; λs) ∩ Eig(F ; λs0) = 0 folgt.

Nun betrachten wir v0 ∈ Eig(F ; λs0) und berechnen:

0 = MF (v0) =r

s=1

(F − λs Id)ms(v) =r

s0 6=s=1

(F − λs Id)ms(F − λs0 Id)ms0 (v0) .

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3 CAYLEY – HAMILTON – JORDAN 15

Wegen (1) ist (F − λs0 Id)ms0 (v0) ∈ Eig(F ; λs0). Ware (F − λs0 Id)ms0 (v0) 6= 0, so wurdedurch (r − 1)-fache Anwendung von (2) und (1) der Widerspruch MF (v0) 6= 0 folgen.Also ist v0 ∈ Kern(F − λs0 Id)ms0 . Da dies fur alle v0 ∈ Eig(F ; λs0) gilt, ergibt sich dieBehauptung

Eig(F ; λs0 ⊂ Kern(F − λs0 Id)ms0 .

Nun ist noch Kern(F −λs0 Id)ms0 \Kern(F −λs0 Id)ms0−1 6= ∅ zu zeigen. Dazu betrachtenwir das Polynom

M =r

s0 6=s=1

(t− λs)ms · (t− λs0)ms0−1 .

Dieses Polynom ist kein Teiler von MF . Aus der Definition von MF folgt dann M(V ) 6= 0.Wir finden deshalb ein w ∈ V mit M(F )(w) 6= 0. Da V direkte Summe der verallgemei-nerten Eigenraume von F ist, haben wir eine Zerlegung

w =r

s=1

ws

mit ws ∈ Eig(F ; λs) fur alle s ∈ {1, . . . , s}. Wir betrachten zunachst s1 ∈ {1, . . . , s}\{s0}.Aus dem bereits Bewiesenen folgt ws1 ∈ Kern(F − λs1 Id)ms1 , also

M(F )(ws1) =r

s0,s1 6=s=1

(F − λs Id)ms · (F − λs0 Id)ms0−1 · (F − λs1 Id)ms1 (ws1) = 0 .

Damit ergibt sichM(F )(ws0) = M(F )(w) 6= 0 ,

woraus (F − λs0 Id)ms0−1(ws0) 6= 0, also

ws0 ∈ Kern(F − λs0 Id)ms0 \Kern(F − λs0 Id)ms0−1

folgt. 2

Beispiel V = R5,

F = A =

5 −15 −34 4 85 −14 −34 2 94 −20 −43 5 11

15 −57 −124 12 3217 −76 −169 17 44

Berechnung mit Maple liefert:

PF = −t5 + 4t4 − t3 − 10t2 + 4t + 8 = (1 + t)2 · (2− t)3 ,MF = t4 − 2t3 − 3t2 + 4t + 4 = (t + 1)2 · (t− 2)2 .

Daraus ergibt sich zunachst:

V = Eig(F ;−1)⊕ Eig(F ; 2)

mit dim Eig(F ;−1) = 2, dim Eig(F ; 2) = 3, sowieEig(F ;−1) = {x | x ∈ R5 ∧ (A + E)2x = 0 }, Eig(F ; 2) = {x |x ∈ R5 ∧ (A− 2E)2x = 0 }.Mit dieser Information lasst sich die Jordansche Normalform angeben. Man findet zuersteinen Vektor v2 mit (A+E)2v2 = 0, aber (A+E)v2 6= 0. Dann bilden v1 = (A+E)v2 undv2 eine Basis von Eig(F ;−1), derart dass der auf Eig(F ;−1) induzierte Endomorphismus

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3 CAYLEY – HAMILTON – JORDAN 16

durch die Jordanmatrix J2(−1) dargestellt wird. Weiter sucht und findet man einen Vektorv4 mit (A− 2E)2v4 = 0, aber (A− 2E)v4 6= 0. Dann bilden v3 = (A− 2E)v4 und v4 einelinear unabhangige Menge in Eig(F ; 2), die wir durch einen Vektor v5 zu einer Basis vonEig(F ; 2) erganzen. Ware v5 kein Eigenvektor zum Eigenwert 2, so wurden v3, v4, v5 und(A−2E)v5 eine linear unabhangige Menge in Eig(F ; 2) bilden, was wegen dim Eig(F ; 2) =3 nicht moglich ist. Also wird der induzierte Endomorphismus von Eig(F ; 2) bezuglichder Basis {v3, v4, v5} durch die Matrix

2 1 00 2 00 0 2

dargestellt. Damit ist

J =

−1 1 0 0 00 −1 0 0 00 0 2 1 00 0 0 2 00 0 0 0 2

eine Jordansche Normalform von A.

Nun soll noch eine Transformationsmatrix S ∈ R5,5 mit S−1AS = J explizit bestimmtwerden, dass heißt, es sollen Vektoren v1, . . . , v5 explizit angegeben werden. Maple liefertdie Losungsmenge Eig(F ;−1) des linearen Gleichungssystems (A + E)2x = 0 in Parame-terdarstellung;

Eig(F ;−1) = {(−2t1 + t2, t1,−2t1 + t2, t2,−5t1 + 3t2) | t1, t2 ∈ R} .

Zur Wahl von v2 machen wir den Ansatz t2 = 0 und berechnen

(A + E)

−2t1t1

−2t10

−5t1

=

t10t1t1

3t1

.

Wir setzen nun t1 = 1 und erhalten:

v1 =

10113

, v2 =

−21

−20

−5

.

Die Losungsmenge Eig(F ; 2) des linearen Gleichungssystems (A− 2E)2x = 0 ist in Para-meterdarstellung gegeben durch:

Eig(F ; 2) = {(52t1 + 5t2 −

32t3, t1, t2, 2t1 + 5t2 − t3, t3) | t1, t2, t3 ∈ R} .

Zur Wahl von v4 machen wir den Ansatz t1 = t2 = 0 und berechnen

(A− 2E)

−32t3

00

−t3t3

=

−12t3

−12t3

0−1

2t3−1

2t3

.

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3 CAYLEY – HAMILTON – JORDAN 17

Wir setzen nun t3 = −2 und erhalten:

v3 =

11011

, v4 =

3002

−2

.

Nun benotigen wir noch einen von v3 linear unabhangigen Eigenvektor zum Eigenwert 2.Der Eigenraum ist in Parameterdarstellung gegeben durch:

Eig(F ; 2) = {(t2,−2t1 + 3t2, t1 − t2, t1, t2) | t1, t2 ∈ R} .

Einen zu v3 linear unabhangigen Eigenvektor erhalten wir durch die Wahl von t1 = 1,t2 = 0:

v5 =

0−2

110

.

Damit ergibt sich die Transformationsmatrix

S =

1 −2 1 3 00 1 1 0 −21 −2 0 0 11 0 1 2 13 −5 1 −2 0

mit

S−1 =

−6 23 50 −4 −13−2 7 15 −1 −4

6 −24 −53 5 14−1 5 11 −1 −3

2 −9 −19 2 5

.

27. Juni 2000

Feststellung. Zwei Matrizen uber einem algebraisch abgeschlossenen Korper sind genau dannahnlich, wenn sie gleiche Jordansche Normalformen haben.2

Hilfssatz. Ist γ = α + iβ Nullstelle des Polynoms P ∈ R[t], so ist auch γ = α− iβ Nullstellevon P .Beweis. Die Konjugation C → C, α + iβ 7→ α − iβ, ist ein Korperautomorphismus. Istα + iβ Nullstelle von P =

∑nj=1 λjtj mit λj ∈ R, so haben wir

∑nj=1 λj(α + iβ)j = 0

und damit auch 0 = 0 =∑n

j=1 λj(α + iβ)j =∑n

j=1 λj(α + iβ)j =∑n

j=1 λj · (α + iβ)j =∑n

j=1 λj · (α + iβ)j =∑n

j=1 λj · (α− iβ)j . 2

Folgerung. Jedes nichtkonstante Polynom mit reellen Koeffizienten zerfallt in ein Produkt auslinearen und quadratischen Faktoren.

Beweis. Ohne wesentliche Einschrankung betrachten wir ein normiertes Polynom P ∈R[t] ohne reelle Nullstellen; es genugt zu zeigen, dass man einen quadratischen Faktor

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3 CAYLEY – HAMILTON – JORDAN 18

abspalten kann. Ist dann α + iβ eine komplexe Nullstelle von P , so ist β 6= 0 und wirdefinieren

P1 = (t− α− iβ)(t− α + iβ) = (t2 − 2αt + α2 + β2) ∈ R[t] .

Dann fuhren wir eine Polynomdivision aus:

P = P1 ·Q + R

mit Grad R ≤ 1. Uber C betrachtet, hat R die beiden verschiedenen Nullstellen α + iβund α− iβ, was nur fur R = 0 moglich ist. 2

Komplexifizierung eines reellen Vektorraums. Sei V ein reeller Vektorraum. Wir versehenV × V mit der Struktur eines komplexen Vektorraums. Dazu schreiben wir v + iw statt(v, w) fur die Elemente von V × V . Die Addition ist komponentenweise gegeben:

(v1 + iw1) + (v2 + iw2) = (v1 + v2) + i(w1 + w2) ;

die Multiplikation mit Skalaren ist gegeben durch:

(α + iβ)(v + iw) = (αv − βw) + i(αw + βv) .

Den so erhaltenen C-Vektorraum bezeichnen wir mit VC .

Betrachten wir VC vermoge der Einschrankung von

C× VC → VC

auf R × VC als R-Vektorraum, so erhalten wir V ⊕ V und damit injektive R-lineareAbbildungen V ↪→ VC , gegeben durch v 7→ v + i0 beziehungsweise w 7→ 0 + iw.

Kurzschreibweisen: v statt v + i0, iw statt 0 + iw.Wir betrachten V als durch die erste dieser beiden Abbildungen in VC eingebettet.

Zwischen komplexen Vektorraumen betrachtet man auch Abbildungen, die nicht volliglinear sind.

Definition. Es seien V und W komplexe Vektorraume. Eine Abbildung F : V → W heisstsemilinear, wenn fur alle Vektoren v1, v2, v ∈ V und alle Skalare λ ∈ C gilt:

1. F (v1 + v2) = F (v1) + F (v2) und

2. F (λv) = λF (v).

Die komplexe Konjugation auf VC , das heisst, die Abbildung

(¯) : VC → VC , v + iw 7→ v + i(−w) = v − iw,

ist ein R-linearer Automorphismus und in Bezug auf die Multiplikation mit Skalaren ausC semilinear:

(α + iβ)(v + iw) = (α + iβ)(v + iw) .

Die Fixpunkte von (¯) sind gerade die Elemente von V .

Lemma. Jede Basis von V ist eine Basis von VC.

Beweis. Es sei (vj)j∈J eine Basis von V . Als Familie in VC ist (vj)j∈J

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3 CAYLEY – HAMILTON – JORDAN 19

• erzeugend, denn fur v + iw mit v =∑

j∈J αjvj und w =∑

j∈J βjvj gilt

v + iw =∑

j∈J

αjvj + i∑

j∈J

βjvj =

=∑

j∈J

(αjvj + i0) +∑

j∈J

(0 + iβjvj) =

=∑

j∈J

(αjvj + i0) + (0 + iβjvj) =

=∑

j∈J

(αjvj + iβjvj) =

=∑

j∈J

(αj + iβj)(vj + i0) =

=∑

j∈J

(αj + iβj)vj :

dabei ist zu beachten, dass aus αj = 0 fur fast alle j und βj = 0 fur fast alle j auchαj + iβj = 0 fur fast alle j folgt;

• linear unabhangig, denn aus∑

j∈J γjvj = 0 mit γj = αj + iβj, αj, βj ∈ R folgt:

0 =∑

j∈J

(αj + iβj)vj =

=∑

j∈J

(αjvj + iβjvj) =

=∑

j∈J

αjvj + i∑

j∈J

βjvj ,

also

0 =∑

j∈J

αjvj ,

0 =∑

j∈J

βjvj ,

woraus sich αj = 0 und βj = 0, das heißt, γj = 0 fur alle j ∈ J ergibt. 2

Wir definieren EndV → End VC , F 7→ FC , durch die Festsetzung FC(v + iw) = F (v) +iF (w):

• Additivitat: FC((v1 + iw1) + (v2 + iw2)) = FC((v1 + v2) + i(w1 +w2)) = F (v1 + v2) +iF (w1 + w2) = F (v1) + F (v2) + i(F (w1) + F (w2)) = (F (v1) + iF (w1)) + (F (v2) +iF (w2)) = FC(v1 + iw1) + FC(v2 + iw2);

• Homogenitat: FC((α + iβ)(v + iw)) =

= FC((αv − βw) + i(αw + βv)) == F (αv − βw) + iF (αw + βv) == (αF (v)− βF (w)) + i(αF (w) + βF (v)) == (α + iβ)(F (v) + iF (w)) = (α + iβ)(FC(v + iw)) .2

Dabei giltF Automorphismus ⇔ FC Automorphismus.

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3 CAYLEY – HAMILTON – JORDAN 20

Ferner ist FC mit der komplexen Konjugation vertraglich:

FC(v + iw) = F (v) + iF (w) == F (v)− iF (w) = F (v) + iF (−w) == FC(v + i(−w)) = FC(v − iw) == FC(v + iw) .

Fur F ∈ End V und eine Basis B von V stimmen die darstellenden Matrizen von F undFC bezuglich B uberein, da fur alle v ∈ V gilt: F (v) = FC(v).

30. Juni 2000

Bezeichnung. Es sei V ein R-Vektorraum mit dimV = 2m mit m ∈ N. Wir bezeichnen

W = {(w1, . . . , w2m) ∈ V 2mC | ∀m

j=1wm+j = wj} ⊂ V 2mC ,

Φ : V 2m → W , Φ(v1, . . . , v2m)j =

1√2(vm+j + ivj) , 1 ≤ j ≤ m,

1√2(vj − ivj−m) , m < j ≤ 2m,

Ψ : W → V 2m , Ψ(w1, . . . , w2m)j =

1i√

2(wj − wm+j) , 1 ≤ j ≤ m,

1√2(wj−m + wj) , m < j ≤ 2m.

Satz. V R-Vektorraum, dimV = 2m mit m ∈ N.B = (v1, . . . , v2m) Basis von V ⇒ B = Φ(B) Basis von VC .W 3 B = {w1, . . . , w2m} Basis von VC ⇒ B = Ψ(B) Basis von V .

Beweis. Wir bemerken zunachst: Ψ ◦Φ = id V 2m und Φ ◦Ψ = id W . Dann betrachten wirBasen.

1. Die lineare Abbildung VC → VC , vj 7→ wj wird bezuglich B durch die Matrix

B =1√2

(

iEm −iEm

Em Em

)

dargestellt. Diese Matrix ist invertierbar, die inverse Matrix hat die Form

B =1√2

(

−iEm Em

iEm Em

)

.

Also ist die betrachtete lineare Abbildung ein Automorphismus und damit ist B eineBasis von VC .2. Nun ist aber auch B darstellende Matrix der linearen Abbildung VC → VC , wj 7→ vj

bezuglich B. Da B invertierbar ist, ist auch diese Abbildung ein Automorphismus, unddamit ist B eine Basis von V . 2

Erganzung. Insgesamt haben wir damit eine Bijektion zwischen den Basen B von V und denBasen des Typs B von VC hergestellt.Nun interpretieren wir die Matrizen B und B als Transformationsmatrizen:

B = Φ−1B ◦ ΦB , B = Φ−1

B◦ ΦB .

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3 CAYLEY – HAMILTON – JORDAN 21

Dann gilt fur F ∈ End V : Ist A die darstellende Matrix von F bezuglich B, also A =Φ−1

B ◦ F ◦ΦB, so ist A = BAB die darstellende Matrix von FC ; dann gilt naturlich auchA = BAB. Spezialfall:

A =(

Jm(λ) 00 Jm(λ)

)

mit λ = µ + iν impliziert

A =12

(

iEm −iEm

Em Em

)

·(

Jm(λ) 00 Jm(λ)

)

·(

−iEm Em

iEm Em

)

=

=12

(

iEm −iEm

Em Em

)

·(

−iJm(λ) Jm(λ)iJm(λ) Jm(λ)

)

=

=12

(

Jm(λ) + Jm(λ) iJm(λ)− iJm(λ)−iJm(λ) + iJm(λ) Jm(λ) + Jm(λ)

)

=(

Jm(µ) −νEm

νEm Jm(µ)

)

.

Bezeichnung.

J2m(µ, ν) =(

Jm(µ) −νEm

νEm Jm(µ)

)

.

Lemma. V R-Vektorraum, dim V < ∞, F ∈ End V , λ ∈ C \ R Nullstelle von PF . Es gilt

dim Eig(FC ; λ) = dim Eig(FC ; λ) ;

ist w1, . . . , wm eine Basis von Eig(FC ; λ) derart, dass fur die darstellende Matrix A =(αij) der induzierten Abbildung Fλ ∈ End Eig(FC ; λ) gilt:

αij =

λ, falls j = i,1 oder 0, falls j = i + 1,0, sonst,

so ist w1, . . . , wm eine Basis von Eig(FC ; λ) derart, dass A = (αij) die darstellendeMatrix der induzierten Abbildung Fλ ∈ End Eig(FC ; λ) ist.

Beweis. Wegen PFC = PF gilt

dim Eig(FC ; λ) = m(PF ; λ) = m(PF ; λ) = dim Eig(FC ; λ) .

Nun sei {w1, . . . , wm} eine Basis von Eig(FC ; λ) der angegebenen Art, das heißt es gelte

FC(w1) = λw1

FC(wj) = αj−1jwj−1 + λwj fur j ∈ {2, . . . , m}

mit αj−1j ∈ {0, 1}. Dann gilt offensichtlich auch

FC(w1) = λw1

FC(wj) = αj−1jwj−1 + λwj fur j ∈ {2, . . . , m} .

Also genugt es zu zeigen, dass die Vektoren w1, . . . , wm eine linear unabhangige Familie inEig(FC ; λ) bilden. Daß sie in Eig(FC ; λ) liegen, folgt aus den eben angegebenen Formeln:w1 ist ein Eigenvektor zum Eigenwert λ, das heißt, wir haben (FC − λ)(w1) = 0, und wir

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3 CAYLEY – HAMILTON – JORDAN 22

berechnen fur j > 1: (FC − λ)(wj) = αj−1jwj−1, woraus (FC − λ)k(wj) = 0 fur ein k ≤ jfolgt. Zur linearen Unabhangigkeit bemerken wir, dass aus

m∑

j=1

γjwj = 0

folgt

0 =m

j=1

γjwj =m

j=1

γjwj =m

j=1

γjwj ,

woraus γj = 0 und damit auch γj = 0 fur alle j ∈ {1, . . . , m} folgt. 2

Satz (Existenz und Eindeutigkeit der reellen Jordanschen Normalform).V R-Vektorraum, dim V = n < ∞, F ∈ EndV . Dann ist V direkte Summe von Un-terraumen

V = W1 ⊕ . . .⊕Wr1 ⊕Wr1+1 ⊕ . . .⊕Wr2

derart, dass fur alle s ∈ {1, . . . , r1} gilt:

1. Ws ist F -invariant und

2. der induzierte Endomorphismus Fs : Ws → Ws, w 7→ F (w), kann durch eine Jor-danmatrix Jm(λ) dargestellt werden.

und fur alle s ∈ {1, . . . , r2 − r1} gilt:

1. Wr1+s ist F -invariant und

2. der induzierte Endomorphismus Fr1+s : Wr1+s → Wr1+s, w 7→ F (w), kann durcheine Matrix J2m(µ, ν) dargestellt werden.

Die auftretenden Jordanmatrizen sind nach Typ und Anzahl (bis auf die Reihenfolge)eindeutig bestimmt.

Beispiel. Die reelle Matrix

A =

3 −1 1 −79 −3 −7 −10 0 4 −90 0 2 −4

hat das charakteristische Polynom PA = t2(t2 + 2) und damit den reellen Eigenwert 0,sowie die komplexen Eigenwerte ±i

√2. Der Eigenraum zum Eigenwert 0 wird erzeugt von

(3, 9, 0, 0), hat also die Dimension 1. Damit hat A die Jordan - Normalformen:

komplex:

0 1 0 00 0 0 00 0 i

√2

0 0 0 −i√

2

, reell:

0 1 0 00 0 0 00 0 0 −

√2

0 0√

2 0

Eine Basis, bezuglich deren die komplexe Jordan - Normalform entsteht, bilden die Spaltender Matrix

3 1 1 19 0 −7 −70 0 4 + i

√2 4− i

√2

0 0 2 2

; Inverse:

0 19 0 7

181 −1

3 0 −53

0 0 −i√

24

14 + i

√2

2

0 0 i√

24

14 − i

√2

4

.

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3 CAYLEY – HAMILTON – JORDAN 23

Eine Basis, bezuglich deren die reelle Jordan - Normalform entsteht, bilden die Spaltender Matrix

3 1 0√

29 0 0 −7

√2

0 0 2 4√

20 0 0 2

√2

Inverse:

0 19 0 7

181 −1

3 0 −53

0 0 12 −1

0 0 0√

24

.