der schlangenmensch · der anführer unserer vier freunde, der tkkg-bande.warum sie so heißen?...

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Der Schlangenmensch

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  • Der Schlangenmensch

  • Stefan Wolf

    DerSchlangen-

    menschEin Fall für

    TKKGT wie TarzanK wie KarlK wie KlößchenG wie Gaby

  • cbj ist der Kinder- und Jugendbuchverlagin der Verlagsgruppe Random House

    www.cbj-verlag.de

    Umwelthinweis:Dieses Buch wurde auf chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt.

    Gesetzt nach den Regeln der Rechtschreibreform

    1. Auflage© 2004 cbj, München

    Umschlagbild und Illustrationen: Reiner Stolte, MünchenUmschlaggestaltung: Atelier Langenfass, Ismaning

    cl · Herstellung: WMSatz: Uhl + Massopust, Aalen

    Druck: GGP Media GmbH, PößneckISBN: 3-570-15013-5Printed in Germany

  • Inhalt1. Tolle Party bei Karl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112. Um Kette und Kragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233. Gott sei Dank! – ein Alibi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334. Der König der Einbrecher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475. Unerwünschter Besuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 596. In verzweifelter Lage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 747. Bauchlandung im Misthaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 818. Nasenfahrrad mit Kakao . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 949. Die kleinen ägyptischen Götter . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

    10. Für zehn Minuten böse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11811. Die Reporter vom SCHLÜSSELLOCH . . . . . . . . . . 12612. Vielleicht schon heute Nacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13913. Beim streitbaren Otto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15014. Kein feiner Graf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15915. Tarzan als Bote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16816. Zwei Ganoven auf der Leiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

  • TARZANheißt in Wirklichkeit Peter Carsten,aber kaum einer nennt ihn so. Er istder Anführer unserer vier Freunde,der TKKG-Bande. Warum sie soheißen? Weil das die Anfangsbuch-staben ihrer Vornamen sind:Tarzan, Klößchen (auch das ist freilich nur ein Spitzname), Karl und Gaby. Tarzan, dreizehn-einhalb Jahre alt, ist immer braun gebrannt und ein toller Sportler – vor allem in Judo,Volleyball und Leichtathletik, und da besonders im Laufen. Seit zweiJahren wohnt der braune Locken-kopf in der Internatsschule, geht jetzt in die Klasse 9b. Sein Vater,ein Ingenieur, kam vor sechs Jahren bei einem Unfall ums Leben. Seine Mutter, die als Buch-halterin arbeitet, kann das teureSchulgeld nur mühsam aufbringen.Doch für ihren Sohn ist ihr nichtszu viel. Tarzan dankt es ihr mit guten Zeugnissen. Aber deshalb würde ihn niemand – nicht mal imTraum – für einen Streber halten.Im Gegenteil: Wenn es irgendwo ein Abenteuer zu erleben gibt, ist er der Erste und immer dabei. Un-gerechtigkeit kann ihn fuchs-teufelswild machen. Und so kommt es, dass er für andere immer wiederKopf und Kragen riskiert.

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  • KARL, DER COMPUTERgeht in dieselbe Klasse wie Tarzan, in die 9b,wohnt aber nicht im Inter-nat, sondern bei seinenEltern in der Stadt. Er heißt mit NachnamenVierstein und sein Vater istProfessor für Mathematik an der Universität.Wahrscheinlich hat Karl von ihm das tolle Gedächtnisgeerbt, denn er merkt sich einfach alles – wie einComputer. Karl ist lang unddünn, und wenn ihn etwasaufregt, putzt er sofort dieGläser seiner Nickelbrille.Bei einer Prügelei nützt ihmsein Gedächtnis leiderwenig. Muskeln wären dannbesser. Weil er die nicht hat,bleibt er lieber imHintergrund und kämpft mit den Waffen seinesGehirns – aber feige ist ernie.

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  • KLÖSSCHENist ein prima Kerl, an demman nichts auszusetzen hätte, wenn er bloß nicht so vernascht wäre. Eine Tafel Schokolade – und er wird schwach. Noch lieber sind ihm zwei, dreioder gar fünf Tafeln. So bleibt es nicht aus, dass Willi Sauerlich – so heißt er mit vollem Namen –immer dicker und unsport-licher wird. Zusammen mit Tarzan, in dessen Klasse er auch geht, wohnt er im Internat in der BudeADLERNEST. KlößchensEltern, die sehr reich sind und in der gleichen Stadtleben, haben nichts dagegen, denn dem Jungengefällt es bei seinenKameraden besser als zuHause. Da ist mehr los,sagt er. Sein Vater istSchokoladenfabrikant,und er hat sogar einenZwölf-Zylinder-Jaguar.Heimlich wünscht Klößchen sich, so schlank und sportlich zu sein wieTarzan.

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  • GABY, DIE PFOTEhat goldblonde Haare und blaueAugen mit langen dunklen Wim-pern. Sie ist so hübsch, dass Tarzanmanchmal nicht hingucken kann,weil er sonst rot wird. Er mag sie halt sehr gern. Aber affig ist GabyGlockner deshalb kein bisschen – im Gegenteil: Sie macht alle Streiche mit. Selbstverständlichpassen die drei Jungen immer auf sie auf, besonders wenn’s gefährlichwird. Vor allem Tarzan ist dann sehr besorgt. Er gibt es zwarnicht zu, aber wenn es darauf ankäme, würde er sich für Gabyzerreißen lassen. Sie wohnt, wie Karl, bei ihren Eltern in der Stadt,besucht aber auch die Klasse 9b imInternat. Der Vater ist Kriminal-kommissar, die Mutter führt ein kleines Lebensmittel-geschäft. Als Rücken-schwimmerin ist Gabyunschlagbar und in Englischhat sie die besten Noten.Sie ist sehr tierlieb und lässt sich von jedem Hund die Pfote geben, deshalb heißtsie auch »Pfote«. Kein Wunder,dass sie mit großer Liebe an Oskarhängt, ihrem schwarzweißen Cockerspaniel. Leider ist er auf einem Auge blind. Aber er riecht alles, besonders gebratene Hähnchen.

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  • Stefan Wolf: Ein Fall für TKKGDie Jagd nach den MillionendiebenDer blinde HellseherDas leere Grab im MoorDas Paket mit dem TotenkopfDas Phantom auf dem FeuerstuhlAngst in der 9aRätsel um die alte VillaAuf der Spur der VogeljägerAbenteuer im FerienlagerAlarm im Zirkus SaraniDie Falschmünzer vom MäusewegNachts, wenn der Feuerteufel kommtDie Bettelmönche aus AtlantisDer SchlangenmenschUfos in Bad FinkensteinX7 antwortet nichtDie DoppelgängerinHexenjagd in LerchenbachDer Schatz in der DrachenhöhleDas Geheimnis der chinesischen VaseDie Rache des BombenlegersIn den Klauen des TigersKampf der SpioneGefährliche DiamantenDie Stunde der schwarzen MaskeDas GeiseldramaBanditen im Palast-HotelVerrat im HöllentalHundediebe kennen keine GnadeDie Mafia kommt zur GeisterstundeEntführung in der MondscheingasseDie weiße SchmugglerjachtGefangen in der SchreckenskammerAnschlag auf den SilberpfeilUm Mitternacht am schwarzen FlußUnternehmen Grüne HölleHotel in FlammenTodesfracht im JaguarBestien in der FinsternisBombe an Bord (Haie an Bord)Spion auf der FluchtGangster auf der GartenpartyÜberfall im HafenTodesgruß vom Gelben DrachenDer Mörder aus dem SchauerwaldJagt das rote Geisterauto!Der Teufel vom Waiga-SeeIm Schatten des DämonsSchwarze Pest aus IndienSklaven für Wutawia/Gauner mit der

    »Goldenen Hand«

    Achtung: Die »Monsters« kommen!Wer hat Tims Mutter entführt?Stimme aus der UnterweltHerr der SchlangeninselIm Schattenreich des Dr. MubaseLösegeld am HenkersbergDie GoldgräberbandeDer erpreßte ErpresserHeißer Draht auf ParadisoEin Toter braucht HilfeWeißes Gift im NachtexpreßHorrortrip im LuxusautoSpuk aus dem JenseitsHilfe! Gaby in Gefahr!Dynamit im KofferraumFreiheit für gequälte Tiere!Die Schatzsucher-Mafia schlägt zuKampf um das Zauberschwert

    »Drachenauge«Der böse Geist vom WaisenhausFeind aus der VergangenheitSchmuggler reisen unerkanntDie Haie vom Lotus-GartenHilflos in eisiger NachtOpfer fliegen 1. KlasseAngst auf der AutobahnMörderischer StammbaumIm Wettbüro des TeufelsMörderspiel im BurghotelDas Phantom im SchokoladenmuseumMit heißer Nadel Jagd auf KidsDie Sekte SatansDer Diamant im Bauch der KobraKlassenfahrt zur HexenburgIm Schloss der schlafenden VampireIm Kaufhaus ist der Teufel losFrische Spur nach 70 JahrenBei Anruf AngstEin cooler Typ aus der HölleDer Goldschatz, der vom Himmel fielDer Mörder aus einer anderen ZeitVergebliche Suche nach GabyIm Schlauchboot durch die UnterweltDie Gehilfen des TerrorsDie gefährliche Zeugin verschwindetStundenlohn für flotte GangsterDer Meisterdieb und seine FeindeAuf vier Pfoten zur MillionenbeuteVerschleppt ins Tal DiaboloRaubzug mit dem BumerangDraculas Erben/Todesbiss

    der schwarzen Mamba

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  • 1. Tolle Party bei KarlAbends um 18 Uhr hatte die Party begonnen. Jetzt war es fastvier Stunden später und damit näherte sie sich ihrem Ende.Das musste sein. Leider! Denn die Mehrzahl der Gäste warerst 13 Jahre alt.

    Wie es üblich ist bei großen Gelagen: Coca Cola, Limonadeund Apfelsaft flossen in Strömen. Heiße Popmusik erschallteaus vier Lautsprecherboxen, und die Luft brodelte in dem gro-ßen Hobbyraum, der zum Glück im Keller lag.

    Gaby tanzte Beat. Sie hatte ihre Turnschuhe ausgezogen.Das goldblonde Haar wirbelte um ihren Kopf.

    Karl legte die nächste sagenhaft heiße Scheibe auf den Plat-tenteller und musste dann rasch seine Brille polieren. Sie warso erhitzt wie er selbst.

    Tarzan saß im Schneidersitz auf dem Boden und benutztedie letzte Wurstsemmel, um sich damit Luft zuzufächeln.

    »Hätte nicht gedacht«, rief er Gaby zu, »dass Tanzen Sportist.«

    »So wie du tanzt«, meinte Waltraut, die neben ihm saß,»ist es Hochleistungssport. Beim Rock’n’Roll vorhin hast dudir Gaby sechsmal hintereinander über die Schulter gewirbelt.Hast du das im Rock ’n’ Roll-Kurs gelernt?«

    Tarzan lachte. »Beim Judo! Allerdings trainiere ich da nichtnach Musik. Vom Tanzen habe ich eigentlich keine Ahnung.Ich kann nur die Schritte, die Gaby mir zeigt.«

    Gaby kam zu ihm und streckte die Hand aus.»Keine Müdigkeit vorschützen«, rief sie. Ihre Augen blitz-

    ten. »Es ist sowieso gleich Schluss.«Rasch gab er Waltraut die Wurstsemmel. »Halt bitte mal!

    Kannst sie auch essen.«Dann schnellte er auf die Füße. Und weiter ging’s, während

    andere Tänzer und Tänzerinnen sich ermattet auf die Kissenfallen ließen, mit denen der Hobbyraum wohnlich gemachtwar.

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  • Karl Vierstein, auch Computer genannt, hatte zur Party ein-geladen. Es war die erste, seit die Viersteins in der alten roman-tischen Villa am Stadtrand wohnten.

    Dicke Mauern ließen Trubel, Rabatz und Klamauk zu –ohne dass sich Herr Vierstein, der Mathematikprofessor, inseinem Arbeitszimmer gestört fühlte. Sogar an diesem Sams-tagabend saß er über seinen klugen Büchern.

    Die nette Frau Vierstein war einige Male hereingekom-men, aber nur um Nachschub zu bringen: Teller mit belegtenBroten – bei deren Zubereitung Gaby geholfen hatte. Für dieGetränke hatten Karl und Tarzan gesorgt. Galt es doch, achtJungen und sieben Mädchen zu verpflegen.

    Und noch einmal tobten Gaby und Tarzan sich aus: Rock’n’Roll mit Anspringen und wilden Verrenkungen. Tarzan kas-sierte einen Rippenknuff, als er mit Turnschuhgröße 43 verse-hentlich auf Gabys nackten Zehen landete. Aber so was kannvorkommen im Eifer des Gefechts.

    Eben war der letzte Song verklungen. Der Arm des Platten-spielers hob sich selbsttätig ab. Wer noch stand, suchte sichschleunigst ein weiches Kissen. Und Gaby streckte – als beidesaßen – Tarzan ihren nackten Fuß unter die Nase.

    »Hm«, meinte er schnuppernd. »Riecht eigentlich ganzgut…«

    »Esel!«, schimpfte sie. Aber sie war amüsiert. »Ich meinedoch: Du sollst dir die blauen Flecken ansehen, die ich deinertänzerischen Geschicklichkeit verdanke.«

    »Aber«, er bog ihre Zehen nach oben und unten, »beweg-lich sind sie noch und nicht mal verkürzt.«

    »Aber sie fühlen sich misshandelt!«»Tatsächlich?«Als er sie unter der Sohle kitzelte, riss sie juchzend den Fuß

    zurück.Tarzan stützte sich auf die Ellbogen. Alle Gesichter wa-

    ren rot überhaucht. Das lag nicht nur am Toben. Vielmehrhatte Karl den Hobbyraum zünftig dekoriert: Über die ein-

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  • zige Deckenleuchte war ein dunkelroter Lampion gestülpt.Das gab den – meist noch winterblassen – Gesichtern einefrische Große-Ferien-Farbe. Und Tarzan, der ja immer ge-bräunt war, wirkte fast wie ein Mohr.

    Schade, dachte er, dass Klößchen nicht da ist. Hätte zu gern gesehen, wie er aus jedem Beat einen Bauchtanz macht.

    Aber sein dicker Freund und Budenkamerad aus dem In-ternat musste wegen Halsentzündung im Bett liegen. Vermut-lich tröstete er sich mit mehreren Tafeln Schokolade.

    Karls Mutter schob den Kopf durch den Türspalt.»Kinder, so Leid es mir tut – ihr müsst Schluss machen.«»Oooch!«, riefen einige. »Noch ein bisschen. Ist grad jetzt so

    schön.«»Es geht wirklich nicht«, meinte Frau Vierstein bedau-

    ernd. »Ich habe euren Eltern versprochen, dass ihr pünktlichzu Hause seid. Wenn wir uns jetzt nicht daran halten, ist dienächste Party geplatzt. Und das wäre doch schade.«

    Dem Argument konnte sich niemand verschließen.Wer barfuß oder in Strümpfen war, zog seine Schuhe an.Inge und Bärbel wollten das Geschirr abräumen, aber Karl

    wehrte ab.»Lasst nur! Das mache ich morgen früh.«Pullover und Jacken lagen im Vorraum. Jeder holte sich, was

    ihm gehörte.Die Horde stürmte die Treppe hinauf. Frau Vierstein war-

    tete lächelnd im Flur. Die Kinder bedankten sich.Karl – als Gastgeber – stand an der Haustür und verab-

    schiedete jeden.»War dufte, Karl!«, hieß es. »Einfach Klasse! Auf ein Neu-

    es! War der schönste Abend seit gestern«, meinte ein Spaß-vogel.

    Gaby und Tarzan gingen als Letzte.Als sie mit ihrem Freund Karl vor der Haustür standen,

    hatten sich die anderen schon auf die Räder geschwungen.

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  • Im Licht der Fahrradlampen rollte die Meute durch die Ga-rageneinfahrt zur Straße, zu der stillen, lauschigen Linden-allee.

    »Und nicht ein einziges Glas ist kaputtgegangen«, sagteKarl stolz.

    »Das zeugt von guter Kinderstube«, lachte Gaby, »be-sonders wenn man bedenkt, dass wir aus Picknick-Pappbe-chern getrunken haben.«

    »Richtig. Stimmt ja! Aber die Teller… Nee! Auch das warPappe. Naja, meine Mutter ist nun mal vorsichtig. Außerdemerspart es den Abwasch.«

    Tarzan sah auf die Armbanduhr. »Wir müssen los. Wenn ich nicht spätestens halb elf im Internat bin, macht mich derEvD (Erzieher vom Dienst) zur Schnecke.«

    Er schlug Karl auf die Schulter. »Bis morgen, Compu-ter!«

    Computer – das war Karls Spitzname: eine Würdigungseines unglaublichen Gedächtnisses, das er vermutlich vonseinem Vater, dem Universitätsprofesser, geerbt hatte. Karlvergaß nichts. Sein Wissen war gewaltig. Was gelegentlich dazu führte, dass er endlose, mit wissenschaftlichen Tatsachengespickte Vorträge hielt. So interessant das war – manchmalnervte es.

    Jetzt schlang Karl die überlangen Arme um seine latten-dürre Gestalt.

    Fröstelnd meinte er: »Also, jetzt noch nach Hause stram-peln. Ich hätte keine Lust. Ich freue mich auf mein Bett.«

    Gaby gähnte hinter vorgehaltener Hand. »Ich mich auch.«

    »Dann komm, Pfote!« Tarzan sprang die Stufen hinab.Es war Mitte April, aber ungewöhnlich warm für die Jah-

    reszeit, obwohl man immer noch mit Schneeschauern rechnenmusste.

    In dem großen Garten der Viersteins zeigten Büsche undSträucher schüchtern ihre Knospen. Die schwarze Erde

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  • roch frühlingshaft. Und die hohen Tannen hinter der Villahatten den Winter trotz gewaltiger Schneelasten gut über-standen.

    Tarzan lief zur Garage, wo an der Seitenwand die Räderstanden. Gaby, genannt Pfote, kam nach.

    Dieser Spitzname bezog sich auf ihre Tierliebe. Beson-ders an Hunde hatte sie ihr Herz gehängt.Wo immer sie einentraf – er musste ihr die Pfote geben, was erstaunlicherweiseauch – fast – alle taten.Wer so in Hunde vernarrt ist, hat natür-lich einen Vierbeiner zu Hause. Gabys Hund hieß Oskar. Eswar ein schwarzweißer Cockerspaniel. Sie hatte ihn aus demTierheim geholt. Oskar war ein Fundhund gewesen. Mitleids-lose Menschen hatten ihn ausgesetzt. Leider war er auf einemAuge erblindet. Aber das fiel kaum auf, zumal er über einenvortrefflichen Geruchssinn verfügte.

    Gaby und Tarzan stiegen auf ihre Räder.Als sie zur Straße fuhren, winkte Karl ihnen nach. Dann

    schloss sich die Haustür hinter ihm.Sie fuhren nebeneinander. In diesem stillen Viertel am

    Stadtrand war das möglich. Aber je mehr sie sich der Innen-stadt näherten, um so häufiger begegneten ihnen schnelleAutos und Motorräder. Und nicht alle Fahrer schienen ganznüchtern zu sein.

    Dass Tarzan seine TKKG-Freundin nach Hause brachte,war selbstverständlich. Auf den Straßen einer riesigen Groß-stadt wie dieser ist es für Frauen und Mädchen nach An-bruch der Dunkelheit viel zu gefährlich – jedenfalls ohne Be-gleitung.

    Für Tarzan bedeutete das einen gewaltigen Umweg, denn ermusste noch zur Internatsschule hinaus, und die lag außerhalbder Stadt inmitten grüner Natur – reichlich 20 Trablaufminutenvon den letzten Häusern entfernt.

    Auch Gaby und Karl, die bei ihren Eltern wohnten, be-suchten die Internatsschule – jedoch als ›externe‹ Schüler.Das bedeutet: Sie kamen jeden Morgen mit Rad oder Schul-

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  • 18

  • bus zum Unterricht – je nach Wetterlage – und fuhren mittagswieder heim.

    Tarzan dagegen war Internatsschüler. Er wohnte in dergroßen Heimschule. Sein Zuhause lag viele Bahnstunden ent-fernt. Nur während der Ferien sah er seine Mutter. Sein Vater,ein Diplomingenieur, war vor Jahren bei einem Unfall ver-storben.

    Zur TKKG-Bande hatten sich die vier Freunde zusammen-geschlossen: Tarzan, Karl, Klößchen – der heute mit Halsent-zündung im Internat im Bett lag – und Gaby.Aus den Anfangs-buchstaben ihrer Vor-, beziehungsweise Spitznamen hatten siedie Bezeichnung gebildet.

    Tarzan war der Anführer der Bande. Natürlich hieß er nichtTarzan. Auch das war ein Spitzname. Aber dass er mit PeterCarsten angeredet wurde, kam höchst selten vor: eigentlichnur, wenn einem Lehrer mal die Galle überlief. Der Spitznamepasste dem Jungen wie maßgeschneidert.

    Er war dreizehneinhalb Jahre alt, ungewöhnlich groß undkräftig, außerdem ein hervorragender Sportler. Im Judo war er ein Ass, desgleichen beim Volleyball. Er konnte mitaffenartiger Geschwindigkeit am Kletterseil hochturnen, hattedunkle Locken, blaue Augen und stets gebräunte Haut.In Mathe war er Klassenbester. Als geborener Draufgängerkannte seine Unternehmungslust keine Grenzen. Ungerech-tigkeit konnte ihn fuchsteufelswild machen. Dann setzte ersich ein – ohne Rücksicht auf die eigene Person, wodurch ausMut oft Tollkühnheit wurde. Aber dank seiner Sportlichkeitund seines wachen Verstandes war er noch nie auf die Nasegefallen.

    Dass in einer Jungenbande ein Mädchen mitmacht, istsicherlich Seltenheit. Aber Gaby Glockner war nicht mehrwegzudenken. Sie galt als eines der hübschesten Mädchen der großen Schule, obwohl auch sie, Gaby, wie ihre Freun-de, erst 13 war – und ein paar Monate, wenn man’s genaunahm. Sie hatte langes goldblondes Haar. Und kornblu-

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  • menblaue Augen mit pechschwarzen Wimpern. Die immeretwas zu langen Ponyfransen schnitt sie mit der Papiersche-re. Aber auch dann betrug die Kürzung nur wenige Millime-ter. Gabys Glanzfach war Englisch und als Rückenschwim-merin hatte sie schon viele Preise gewonnen. Ihr Vater,Emil Glockner, war Kriminalkommissar und bei den Jungsüberaus beliebt. Gabys Mutter hatte ein kleines Lebensmit-telgeschäft und wurde von den Freunden ihrer Tochter re-gelrecht verehrt. Sie war liebenswürdig und eine aparte Er-scheinung.

    Alle TKKG-Mitglieder besuchten die Klasse 9b, wo siefreilich unter 14-Jährigen die Jüngsten waren. Das hing mitverfrühter Einschulung zusammen – damals vor neun Jah-ren. Und bis jetzt hatte noch keiner der vier eine Ehrenrun-de gemacht. Dafür kam sowieso nur Klößchen in Frage, derAnstrengungen – auch geistige – verabscheute.

    Gaby und Tarzan bogen jetzt in die ehrwürdige Altstadt-straße, in der die Glockners wohnten.

    Sie hielten vor dem Lebensmittelgeschäft.»Schade ist nur«, sagte Gaby, »dass Anke nicht dabei sein

    konnte. Sie hatte sich sooo auf die Party gefreut.«»Ah, ja?«, Tarzan beobachtete eine Katze, deren phospho-

    reszierende Augen in einem Hauseingang leuchteten. »Wes-halb ist sie nicht gekommen?«

    »Ihre Mutter hatte einen schweren Asthma-Anfall. Ankemusste sich um die beiden kleinen Geschwister kümmern. Ichglaube, die ganze Familie ist arm dran.«

    »Ich kenne außer Anke nur den Vater. Das heißt: VomSehen. Gesprochen habe ich mit ihm noch nicht.«

    »Den kenne ich wiederum nicht.«»Da musst du zweimal hingucken«, lachte Tarzan. »So

    schmal steht der Herr Dürrmeier in der Landschaft. Vergli-chen mit ihm, ist Karl ein Herkules. Aber es hat auch Vorteile,wenn man so schmächtig ist. Soviel ich weiß, war Ankes Vaterfrüher Artist. Ist als Schlangenmensch aufgetreten. Er sieht

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  • auch aus, als könnte er bei einem Einkaufsnetz durch die Ma-schen kriechen. Jetzt hat er die kleine Tankstelle draußen inder Klostertaler Landstraße.«

    »Ankes Mutter hatte eine Drogerie. Aber wegen ihrerKrankheit musste sie die aufgeben. Anke deutete mal an, dasssie seitdem furchtbar viel Schulden haben.«

    »Schlimm!«Anke Dürrmeier war Klassenkameradin der beiden, eine

    stille, scheue 14-Jährige, die jeder mochte.Es konnte vorkommen, dass sie während des Unterrichts

    einschlief. Aber das lag nicht an mangelndem Interesse,sondern an ihrer ständigen Übermüdung. Um ihre Eltern zuunterstützen, ließ Anke keine Gelegenheit zum Geldverdie-nen aus. Halbe Nächte brachte sie zu als Babysitter – indem sie auf die Kleinkinder fremder Leute aufpasste. Außerdemtrug sie in aller Frühe Zeitungen aus.

    »Gute Nacht, Tarzan!« Gaby stupste ihn mit dem Finger an. »Und morgen wie verabredet.«

    »Gute Nacht, Pfote! Träum was Schönes.«Er wartete, bis sie mit ihrem Rad hinter der Haustür ver-

    schwunden war.Mit singenden Reifen machte er sich an die Rückfahrt.

    Natürlich würde er zu spät kommen. Na, wenn schon! Doch er wollte es nicht auf die Spitze treiben. Obwohl er Klassen-sprecher der 9b und Supersportler war und mit seinen wag-halsigen Abenteuern immer wieder für Gesprächsstoff sorg-te – eine Extrawurst wurde ihm deshalb noch lange nichtgebraten.

    Die Heimordnung galt für ihn wie für jeden anderen In-ternatsschüler. Allerdings – heimlich und besonders nachts –wurde dieses ausgeklügelte Regelwerk fortwährend missach-tet.

    Auf seinem Rennrad sprintete er durch die Innenstadt insüdliche Richtung.

    Die Nacht war dunkel, der Himmel verhangen. Aber ein

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  • lauer Wind strich durch die Straßen und in den Gärten duf-tete es nach Frühling.

    Tarzan kannte viele Schleichpfade und Abkürzungen –wenn es heimwärts ging zur Schule.Welchen Weg er einschlug,hing davon ab, aus welcher Richtung er kam. Außerdem hinges ab von der Jahreszeit.Bei heftigem Schneefall, zum Beispiel,waren die Wege des Klostertaler Parks fast immer unpassier-bar.

    Aber jetzt, in der Frühlingsnacht, bot sich der Park als Ab-kürzung an.

    Er lag weit im Süden der Stadt und ging über in einen Forst.Eigentlich versteht man unter einem Park etwas anderes: einekünstlich gestaltete Landschaft. Aber diese Grünanlage warsich selbst überlassen und verwildert.

    Immerhin – auch hier asphaltierte Wege. Doch es gab wederLaternen noch Lichtpeitschen.

    Tarzan musste höllisch aufpassen. Das Licht der Fahrrad-lampe reichte nicht weit.

    Als er eine dichte Buschgruppe erreichte, machte er Halt.Mehrere Flaschen Coca Cola, das war doch eine Menge

    Flüssigkeit. Bis zum Internat hätte er das kaum noch ge-schafft…

    Als er dann wieder aufs Rad steigen wollte, hörte er schlur-fende Schritte.

    Eine dunkle Gestalt trottete von der Straße heran. War derMann betrunken? Er torkelte etwas. Mehr ließ sich von ihmnicht erkennen, denn die Nacht war wirklich wie Tinte.

    Seufzend setzte er sich auf eine der Ruhebänke.Die Schirmmütze hatte er sich tief in die Stirn gezogen. Der

    Regenmantel hing an ihm wie an einer Vogelscheuche.Glas klirrte, als er eine Bierflasche öffnete. Zischend ent-

    wich Kohlensäure. Er trank.Also doch ein Betrunkener, dachte Tarzan. Und er hat noch

    nicht genug. Meinetwegen!Im selben Moment sah er den andern.

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  • UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

    Stefan Wolf

    TKKG - Der SchlangenmenschBand 14

    Gebundenes Buch, 192 Seiten, 12,2 x 18,8 cmISBN: 978-3-570-15013-9

    cbj

    Erscheinungstermin: Juli 2004

    In die Klasse 9b der TKKG-Freunde geht auch die 14-jährige Anke. Eines Tages erzähltsie Tarzan und seinen Freunden eine seltsame Geschichte: Ihr Vater wird von Verbrechernerpresst. Weil sie Angst hat, die Polizei zu verständigen, bittet sie die vier vom TKKG um ihreHilfe. Sie verfolgen die Spur eines Einbrecher-Königs, der gerade aus dem Knast entlassenworden ist. Was hat er vor?Tarzan, Karl, Klößchen und Gaby spielen Reporter der Schülerzeitung und lernen dabei dreieigenartige Männer kennen: Einen Schlossherren, einen Antiquitätensammler und einenAdligen. Was haben die drei miteinander zu tun? Was verbindet sie mit dem Einbrecher-König?Bevor sie diese Fragen beantworten können, müssen Tarzan und sein Freunde allerdings erstviele Abenteuer bestehen…