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Der Wandel in der Automobilindustrie hin zur Elektromobilität – Veränderungen und neue Wertschöpfungspotenziale für Automobilhersteller D I S S E R T A T I O N der Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften sowie Internationale Beziehungen (HSG) zur Erlangung der Würde eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften vorgelegt von Markus Seeberger aus Deutschland Genehmigt auf Antrag der Herren Prof. Dr. Thomas Dyllick und Prof. Dr. Wolfgang Stölzle Dissertation Nr. 4563 (Difo-Druck GmbH, Bamberg 2016)

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Der Wandel in der Automobilindustrie hin zur Elektromobilität –

Veränderungen und neue Wertschöpfungspotenziale für Automobilhersteller

D I S S E R T A T I O N

der Universität St. Gallen,

Hochschule für Wirtschafts-,

Rechts- und Sozialwissenschaften

sowie Internationale Beziehungen (HSG)

zur Erlangung der Würde eines

Doktors der Wirtschaftswissenschaften

vorgelegt von

Markus Seeberger

aus

Deutschland

Genehmigt auf Antrag der Herren

Prof. Dr. Thomas Dyllick

und

Prof. Dr. Wolfgang Stölzle

Dissertation Nr. 4563

(Difo-Druck GmbH, Bamberg 2016)

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Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissen-

schaften sowie Internationale Beziehungen (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung

der vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen

Anschauungen Stellung zu nehmen.

St. Gallen, den 30. Mai 2016

Der Rektor:

Prof. Dr. Thomas Bieger

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******************************************

Für meine Mutter Liselotte,

in Gedenken an meinen Vater Kurt

******************************************

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Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis ............................................................................................iii

Tabellenverzeichnis ................................................................................................. v

Abkürzungsverzeichnis ...........................................................................................vi

Zusammenfassung ..................................................................................................vii

Abstract ...................................................................................................................viii

1 Einleitung ............................................................................................................ 1

1.1 Hintergrund und Problemstellung .................................................................. 1

1.2 Zielsetzung .................................................................................................... 2

1.3 Methodik und Vorgehensweise ..................................................................... 3

1.4 Aufbau der Arbeit........................................................................................... 6

1.5 Begriffliche Abgrenzung und Rahmen der Arbeit .......................................... 7

2 Analyse der Automobilindustrie ......................................................................10

2.1 Umweltpolitische Entwicklungen ..................................................................11

2.2 Marktbezogene Entwicklungen .....................................................................22

2.3 Gesellschaftliche Entwicklungen ..................................................................26

2.4 Wettbewerbsbezogene Entwicklungen .........................................................28

2.5 Zusammenfassung .......................................................................................32

3 Derzeitige Strategien der Automobilhersteller im Bereich der Elektromobilität .................................................................................................39

3.1 Einstiegszeitpunkt in den Elektromobilitätsmarkt ..........................................41

3.2 Design der Elektrofahrzeuge ........................................................................44

3.3 Vision zukünftiger Mobilität ...........................................................................49

3.4 Zusammenfassung .......................................................................................52

4 Theoretischer Hintergrund aus der Innovationsforschung ...........................53

4.1 Elektromobilität als disruptiver Wandel .........................................................54

4.2 Gründe für das Scheitern etablierter Unternehmen ......................................61

4.3 Zusammenfassung .......................................................................................67

5 Veränderungen in der automobilen Wertschöpfungskette ............................69

5.1 Klassische Wertschöpfungskette der Automobilindustrie .............................69

5.2 Auswirkungen der E-Mobilität auf die automobile Wertschöpfungskette ......72

5.3 Analogie zum Mobilfunkmarkt ......................................................................88

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5.4 Zusammenfassung .......................................................................................90

6 Die neue elektromobile Wertschöpfungskette ................................................92

6.1 Finanzdienstleistungen und After Sales .......................................................93

6.2 Ladeinfrastruktur und Energie ......................................................................99

6.3 Mobilitätsdienstleistungen und Mehrwertdienste ........................................108

6.4 Zusammenfassung .....................................................................................117

7 Zusammenfassende Bewertung der Untersuchung .....................................118

7.1 Zentrale Ergebnisse, Limitationen und zukünftige Forschung ....................118

7.2 Qualität des Forschungsdesigns ................................................................122

8 Mobilität im Jahr 2030 – Ein Szenario ............................................................125

Literaturverzeichnis ..............................................................................................132

Anhang 1: Interviewpartner ..................................................................................148

Anhang 2: Interviewleitfaden ................................................................................150

Anhang 3: Aussagen der Hersteller hinsichtlich Elektromobilität ....................153

Anhang 4: Design der Elektrofahrzeuge..............................................................155

Anhang 5: Differenzierungskriterien bei Elektrofahrzeugen .............................157

Lebenslauf ..............................................................................................................159

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| iii

Abbildungsverzeichnis

ABB. 1-1: AUFBAU DER ARBEIT ...................................................................................... 6

ABB. 1-2: VERKEHRSARTEN DES PERSONENVERKEHRS .................................................... 8

ABB. 2-1: INTERAKTION VON UMWELTPOLITIK UND AUTOMOBILHERSTELLERN ....................12

ABB. 2-2: ÖKOLABELS DER JEWEILIGEN AUTOMOBILHERSTELLER .....................................21

ABB. 2-3: OPTIMIERUNGSPOTENZIALE DES VERBRENNUNGSMOTORS ...............................21

ABB. 2-4: ENTWICKLUNG DES ROHÖLPREISES (BARREL BRENT) ......................................24

ABB. 2-5: WELTWEITE PKW-DICHTE IN AUTOMOBILEN/1000 EINWOHNER (1995-2012) ...29

ABB. 3-1: ABSATZPROGNOSEN ELEKTROFAHRZEUGE FÜR 2020 (EU + GLOBAL) ...............40

ABB. 4-1: S-KURVE TECHNOLOGIEVERLAUF ...................................................................55

ABB. 4-2: WERTNETZWERK „AUTOMOBIL“ UND MÖGLICHE NEUE AKTEURE ........................60

ABB. 5-1: KLASSISCHE WERTSCHÖPFUNGSKETTE DER AUTOMOBILINDUSTRIE ..................69

ABB. 5-2: VERÄNDERUNG DER WERTSCHÖPFUNGSANTEILE .............................................71

ABB. 5-3: PROFIT POOL DER EUROPÄISCHEN AUTOMOBILINDUSTRIE IM JAHRE 2010 .........72

ABB. 5-4: MODULÜBERSICHT BEI BMW..........................................................................75

ABB. 5-5: WERTSCHÖPFUNGSKETTE ELEKTROMOTOR ....................................................79

ABB. 5-6: WERTSCHÖPFUNGSKETTE BATTERIE ..............................................................81

ABB. 5-7: TECHNOLOGISCHE VERÄNDERUNGEN IM ELEKTROFAHRZEUG ...........................84

ABB. 5-8: WERTSCHÖPFUNGSVERÄNDERUNGEN AN EINEM FAHRZEUG DER MITTELKLASSE 85

ABB. 6-1: NEUE ELEKTROMOBILE WERTSCHÖPFUNGSKETTE IN DER AUTOMOBILINDUSTRIE 92

ABB. 6-2: AUTOMOBILHERSTELLER ALS ELEKTROMOBILITÄTSPROVIDER ..........................105

ABB. 6-3: BMW PRODUKT „CHARGENOW“ ..................................................................107

ABB. 6-4: CARSHARING-ANGEBOTE DER AUTOMOBILHERSTELLER .................................111

ABB. 8-1: „CITY PODS“ IM JAHRE 2030 ........................................................................126

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ABB. 8-2: „SEAMLESS MOBILITY“ IM JAHRE 2030 ..........................................................129

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| v

Tabellenverzeichnis

TAB. 2-1: SPEZIFISCHE GRENZWERTE DER AUTOMOBILHERSTELLER IN EUROPA (2015 &

2020) ..........................................................................................................14

TAB. 2-2: WELTWEITE EMISSIONSGRENZWERTE (IN G CO2/KM) .......................................16

TAB. 2-3: ÜBERSICHT ZU WELTWEITEN UMWELTZONEN ...................................................18

TAB. 2-4: VERÄNDERUNG DER NEUREGISTRIERUNGEN IN DER TRIADE ..............................29

TAB. 2-5: TREIBER „UMWELTPOLITIK“ ............................................................................35

TAB. 2-6: TREIBER „MARKT“ .........................................................................................36

TAB. 2-7: TREIBER „GESELLSCHAFT“ .............................................................................37

TAB. 2-8: TREIBER „WETTBEWERB“ ...............................................................................38

TAB. 3-1: MARKTEINFÜHRUNGSZEITPUNKTE SERIENMÄSSIGER ELEKTROFAHRZEUGE .........43

TAB. 3-2: DESIGNVARIANTEN DER ELEKTROFAHRZEUGE..................................................46

TAB. 4-1: GRÜNDE FÜR DAS SCHEITERN ETABLIERTER UNTERNEHMEN .............................63

TAB. 5-1: ENTWICKLUNG DER BATTERIEKOSTEN .............................................................83

TAB. 6-1: VERGLEICH VON FAHRZEUGKAUF UND BATTERIEMIETE .....................................96

TAB. 6-2: WERTSCHÖPFUNGSPOTENZIALE IM BEREICH „FINANZDIENSTLEISTUNGEN UND

AFTER SALES“ ..............................................................................................99

TAB. 6-3: WERTSCHÖPFUNGSPOTENZIALE IM BEREICH „LADEINFRASTRUKTUR UND ENERGIE“

..................................................................................................................108

TAB. 6-4: WERTSCHÖPFUNGSPOTENZIALE IM BEREICH „MEHRWERTDIENSTE UND

MOBILITÄTSSERVICES“ .................................................................................116

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Abkürzungsverzeichnis

ACEA European Automobile Manufacturer's Association

bbl Barrel Rohöl

CAAM China Association Of Automobile Manufacturers

EEA European Environment Agency

EIA U.S. Energy Information Administration

EPA United States Environmental Protection Agency

ICCT International Council of Clean Transportation

IEA International Energy Agency

mpg Meilen pro Gallone

NEDC Europäischer Fahrzyklus zur Ermittlung der CO2-Emission (New

European Driving Cycle)

NHTSA National Highway Traffic Safety Administration

PKW Personenkraftwagen

SUV Geländelimousine (Sport Utility Vehicle)

VCD Verkehrsclub Deutschland

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Zusammenfassung

Seit einigen Jahren sieht sich die Automobilindustrie mit gewaltigen Veränderungen

konfrontiert. Während über Jahrzehnte der Verbrennungsmotor in den Fahrzeugen do-

minierte, droht dieser nun von neuen Antriebsformen abgelöst zu werden. Besonders

dem rein batteriebetriebenen Fahrzeug wird diesbezüglich eine grosse Erfolgschance

eingeräumt. Die Gründe für diesen Umbruch sind neben verschärften Emissionsvor-

gaben, steigenden Kraftstoffpreisen und einem zunehmenden Wettbewerbsdruck aus

Asien auch in gesellschaftlichen Veränderungen zu sehen. Für die etablierten Fahr-

zeughersteller kann der Wandel zur Elektromobilität eine grosse Gefahr darstellen, da

durch den Wegfall elementarer Bauteile im Fahrzeug erhebliche Wertschöpfungsver-

luste zu erwarten sind.

Zahlreiche Beispiele aus der Vergangenheit zeigen auf, dass etablierte Unternehmen

oftmals zu spät bzw. nur halbherzig auf radikale Veränderungen reagieren und infol-

gedessen vom Markt verschwinden. Die bisherigen Reaktionen der Automobilherstel-

ler auf den elektromobilen Wandel weisen ein ähnliches Muster auf. So zeigen die

meisten etablierten Hersteller noch immer kein eindeutiges Bekenntnis zur Elektromo-

bilität oder versuchen lediglich bereits existierende Geschäftsmodelle auf die neue

Technologie zu übertragen. Auch die bestehende Literatur liefert keine ausreichenden

Lösungsansätze für etablierte Automobilhersteller und zeigt die Notwendigkeit weiterer

Forschung in diesem Bereich auf. Hier setzt die vorliegende Arbeit an.

Um eine Vorstellung von der Mobilität der Zukunft zu erhalten und entsprechende

Wertschöpfungspotenziale identifizieren zu können, wird ein qualitativer Forschungs-

ansatz gewählt. Experteninterviews mit Automobilherstellern, Verbänden, Infrastruk-

turbetreibern, Energieunternehmen, Analysten und Zukunftsforschern ermöglichen die

notwendige Perspektivenvielfalt und erzeugen ein entsprechendes Bild der zukünfti-

gen Mobilität. Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen auf, dass sich für die etablierten

Automobilhersteller entlang der neu formierten elektromobilen Wertschöpfungskette

zahlreiche neue Potenziale ergeben. Während der Upstream-Bereich zunehmend an

Bedeutung verliert und grosse Teile der Wertschöpfung an Batteriehersteller und Zu-

lieferer verloren gehen, ergeben sich besonders im Downstream-Bereich zahlreiche

neue Möglichkeiten. So stellt für Automobilhersteller vor allem der Wandel zum Mobi-

litätsdienstleister mit dem Angebot integrierter Mobilitätskonzepte das grösste Poten-

zial dar.

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Abstract

In recent years, the automotive industry has witnessed massive transformation within

its core domain. The combustion engine, for decades the industry’s dominant design,

may soon be displaced by alternatively powered engines. Particularly, the battery

electric vehicle has received rising attention as a credible contestant. The reasons for

this shift in the industry include stricter emission regulations, growing fuel prices,

increasing competition from Asia, and social pressures. The rise of the electricity

powered engine may pose a serious threat to established car manufacturers because

alternative designs render essential car components obsolete and consequently affect

future profit margins.

Previous accounts from other industries’ radical transformations suggest that

established players tend to respond too late, hesitate in embracing the new technology,

and often disappear from the landscape altogether. The recent responses within the

automotive industry bear striking similarities. Most of the established car

manufacturers lack a credible commitment to electric mobility and most of their efforts

are limited to somehow fitting the new technology into the existing business model

logic. The existing literature provides little practical guidance for established car

manufacturers and calls for more research in this area.

To better understand future mobility trends and to identify new value creation

opportunities, this study applies a qualitative research design. A requisite variety of

perspectives is taken into account through interviews with leading experts in the

broader automotive industry, its associations, infrastructure operators, energy

companies as well trend researchers. The findings of this thesis lend support to the

claim that there are a number of emerging opportunities available for established car

manufacturers to benefit from the newly emerged electric vehicle value chain. Even

though the upstream business is becoming less central and its value likely being

appropriated by suppliers and battery manufacturers, it is the downstream business

that is generating tremendous opportunities. The future space of integrated mobility

services appears to have the largest potential for established car manufacturers.

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1 Einleitung

1.1 Hintergrund und Problemstellung

Das Thema Mobilität spielt in unserer Gesellschaft weltweit eine ganz zentrale Rolle.

Täglich werden von jedem Einzelnen zahlreiche Kilometer zurückgelegt – sei es im

Alltag, auf dem Weg zur Arbeit oder in den Urlaub. Dabei werden die

unterschiedlichsten Verkehrsmittel genutzt. Während der öffentliche Personenverkehr

von Strassenbahn, Bus, Taxi, Zug oder Flugzeug geprägt ist, nutzen wir beim Indivi-

dualverkehr vor allem das Automobil, Motorrad, Fahrrad oder gehen zu Fuss (Bertram

& Bongard, 2014, S.7).

Im Rahmen dieser Arbeit soll der Fokus besonders auf der Automobilindustrie liegen.

Diese sieht sich seit einigen Jahren mit gewaltigen Veränderungen konfrontiert. Denn

während in den Fahrzeugen der Verbrennungsmotor fast 100 Jahre dominierte, droht

dieser nun von neuen Antriebsformen abgelöst zu werden. Neben der Hybridisierung

sehen Experten mittelfristig vor allem in der Elektrifizierung des Antriebsstranges die

grössten Potenziale für die Zukunft. Die Gründe für diesen Wandel sind neben um-

weltpolitischen, markt- und wettbewerbsbedingten Veränderungen auch in gesell-

schaftlichen Aspekten auszumachen. Die Einführung von Emissionsgrenzwerten,

Ölpreisentwicklungen, gesellschaftliche Trends und ein zunehmender Wettbewerbs-

druck aus dem asiatischen Raum stellen hierbei zentrale Treiber dar. Um diesen Her-

ausforderungen gerecht zu werden, sehen Experten neben der Hybridtechnologie

derzeit vor allem in rein batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen einen vielversprechen-

den Lösungsansatz. Diese batteriebetriebenen Fahrzeuge sollen auch im Fokus die-

ser Arbeit stehen. Hierbei ist anzumerken, dass Elektromobilität kein gänzlich neues

Thema darstellt, sondern bereits Ende des 19. Jahrhunderts Verwendung fand. Trotz

zahlreicher Vorteile dieser Technologie verhinderten geringe Batteriekapazitäten und

Sicherheitsaspekte den Durchbruch der Elektromobilität immer wieder. Sinkende Öl-

preise und technologische Verbesserungen bei den Verbrennungsmotoren taten

schliesslich ihr Übriges, um Elektrofahrzeuge unnötig erscheinen zu lassen.

Doch aufgrund aktueller Entwicklungen im Bereich der Automobilindustrie scheint es,

dass der Durchbruch nun doch gelingen kann. Für die Automobilbranche ist dies vor

allem mit einem hohen Grad an Unsicherheit verbunden, da der Übergang zur

Elektromobilität viel mehr als nur einen Wechsel auf eine neue Technologie darstellt.

Während beispielsweise die grundlegend neu formierte elektromobile Wertschöp-

fungskette den Automobilherstellern neue Potenziale ermöglicht, bringt diese Verän-

derung auch erhebliche Gefahren mit sich. Mit dem Wandel zur Elektromobilität treten

zahlreiche neue Akteure auf und beeinflussen die bestehenden Branchenstrukturen

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im erheblichen Masse, so dass eine Neuordnung der Kräfteverhältnisse notwendig

wird. Zusätzlich verlieren bestehende Kernkompetenzen an Bedeutung und es gilt viel-

mehr dem veränderten Mobilitätsanspruch der Kunden durch innovative Mobilitätskon-

zepte gerecht zu werden. Der Kompetenzverlust der Automobilhersteller wird

besonders deutlich, wenn man dem Verbrennungsfahrzeug direkt ein Elektromobil ge-

genüberstellt und die Bauteile betrachtet, die sich bei einem solchen Wandel verän-

dern. Während beim konventionellen Automobil Verbrennungsmotor und Getriebe die

zentralen Komponenten bilden, werden diese beim Elektrofahrzeug überflüssig und

durch Elektromotor, Batterie und Steuerungstechnik ersetzt. Teile der Wertschöp-

fungskette, an denen die Hersteller bisher einen hohen Anteil haben, werden folglich

überflüssig und durch Teile ersetzt, in denen die Hersteller kaum Erfahrung und Wert-

schöpfungsanteile besitzen.

Zahlreiche Beispiele aus unterschiedlichen Branchen zeigen auf, dass etablierte Un-

ternehmen auf radikale Veränderungen oftmals falsch reagieren und infolgedessen an

Bedeutung verlieren oder ganz vom Markt verschwinden. Für die Automobilhersteller

stellt sich diesbezüglich die Frage, welche Bedeutung der Elektromobilität in Zukunft

zukommen wird und wie ein Wechsel auf die neue Antriebstechnologie aussehen

würde. Die bisherigen Reaktionen der Hersteller sind eher von grosser Unsicherheit

geprägt und weisen oftmals keine klar strukturierte Elektromobilitätsstrategie auf.

1.2 Zielsetzung

Für den Wandel hin zu nachhaltigeren Antriebstechnologien kommen unterschiedliche

Lösungsmöglichkeiten in Frage. Wenn in dieser Arbeit ein bewusster Entscheid für rein

batteriebetriebene Elektrofahrzeuge gefällt wird, so deshalb, weil diese als besonders

realistische, nicht aber als einzig mögliche Alternative eingeschätzt werden. Folgende

Kernfrage steht im Fokus dieser Arbeit:

Welche Wertschöpfungspotenziale ergeben sich entlang der neu formierten

elektromobilen Wertschöpfungskette für etablierte Automobilhersteller?

Um diese Frage beantworten zu können, soll in einem ersten Schritt verdeutlicht wer-

den, wie realistisch ein Wandel auf alternative Antriebstechnologien tatsächlich ist.

Denn obwohl über den Bedeutungsverlust des Verbrennungsfahrzeugs bereits schon

seit vielen Jahren diskutiert wird, stellt dieses weltweit nach wie vor die klar dominie-

rende Antriebsform dar. Eine Analyse der Herausforderungen, mit denen sich

etablierte Automobilhersteller konfrontiert sehen, soll eine Antwort darauf geben, in-

wiefern klassische Verbrennungsfahrzeuge zukünftig ernsthaft unter Druck geraten

und ein Wandel zu alternativen Antrieben bevorsteht. Des Weiteren soll sie aufzeigen,

ob die Elektromobilität eine realistische Antriebsmöglichkeit für die Zukunft darstellen

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kann. Da der Wandel mit einem tiefgreifenden Bedeutungsverlust zahlreicher Kompe-

tenzen und dem Auftreten neuer Wettbewerber verbunden ist, stellt sich die Frage, ob

die Automobilhersteller ihre bedeutende Rolle aus dem Bereich der Verbrennungsfahr-

zeuge auch auf die Elektromobilität übertragen können. Wie die Hersteller diesen

Übergang angehen soll eine Analyse ihrer derzeitigen Aktivitäten in Bezug auf

Elektromobilität aufzeigen. Der Wandel in der Automobilbranche führt aber auch zu

einer Veränderung der Wertschöpfungskette und somit zu neuen Tätigkeitsbereichen

auf Seiten der Hersteller. Um die Hauptforschungsfrage beantworten zu können, gilt

es somit auch folgende Teilfragen zu klären:

• Mit welchen zentralen Herausforderungen sehen sich die Automobilher-

steller im Kontext der Elektromobilität konfrontiert?

• Wie sehen die bisherigen Strategien der Automobilhersteller im Bereich

der rein batteriebetriebenen Elektromobilität aus?

• Welche Veränderungen in der automobilen Wertschöpfungskette ergeben

sich für die Hersteller durch den Wandel vom Verbrennungsfahrzeug hin

zur Elektromobilität?

• Wie lassen sich die neuen Wertschöpfungspotenziale durch die Automo-

bilhersteller nutzen?

1.3 Methodik und Vorgehensweise

Die Fragestellung dieser Arbeit zielt darauf ab, den komplexen Wandlungsprozess hin

zur Elektromobilität zu erklären und die sich hieraus ergebenden neuen Wertschöp-

fungspotenziale in einer veränderten automobilen Wertschöpfungskette zu identifizie-

ren. Wie die Fragestellung im Rahmen dieser Arbeit methodisch erschlossen wird, soll

im Folgenden kurz erläutert werden.

Hierfür gilt es vorerst einen Eindruck bzgl. der derzeitigen Situation in der Branche zu

gewinnen. Die Reaktionen der Automobilhersteller hinsichtlich alternativer Antriebs-

technologien verdeutlichen, dass die Branche seit einigen Jahren von einem hohen

Mass an Unsicherheit geprägt ist. Dies zeigt sich besonders daran, dass viele Auto-

mobilhersteller keine klaren Strategien verfolgen bzw. diese innerhalb kurzer Zeit

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mehrmals abändern1. Doch nicht nur die Festlegung auf den zukünftigen Antrieb stellt

für viele eine grosse Herausforderung dar. Haben sich die Hersteller schliesslich auf

eine oder mehrere Antriebstechnologien festgelegt, ergeben sich grosse Unsicherhei-

ten bei der jeweiligen Ausgestaltung. Am Beispiel der Elektromobilität zeigt sich, dass

neben grundsätzlichen Herausforderungen wie der Etablierung von Branchenstan-

dards auch in vielen Bereichen (z.B. bei der Ladeinfrastruktur) noch unklar ist, wie

damit in Zukunft Geld verdient werden kann. Zahlreiche gestartete und wieder abge-

brochene Pilotprojekte bestätigen diesen Eindruck und verdeutlichen die derzeitig vor-

herrschende Experimentierfreudigkeit in der Branche. Eine steigende Anzahl von

Entrepreneuren und branchenfremden Akteuren aus dem Energie- bzw. Informations-

technologie-Sektor fördern zusätzlich die Dynamik und zeigen zugleich die enorme

Innovationskraft der Branche auf. Die derzeitige Situation in der Automobilbranche

kann entsprechend als äusserst komplex und unübersichtlich beschrieben werden.

Kleining (1995, S.16) erachtet einen qualitativen Forschungsansatz vor allem dann als

sinnvoll, „wenn die Gegenstände und Themen, nach allgemeinem Wissensstand, nach

Kenntnis des Forschers oder auch nur nach seiner Meinung, komplex, differenziert,

wenig überschaubar, widersprüchlich sind oder wenn zu vermuten steht, dass sie nur

als ‘einfach’ erscheinen, aber – vielleicht – Unbekanntes verbergen“.

Für die Wahl der geeigneten Forschungsmethode stellt neben der Situation in der Au-

tomobilbranche auch der aktuelle Kenntnisstand einen zentralen Faktor dar. Ein Blick

in die bestehende wissenschaftliche Literatur zeigt, dass der Wandel hin zur rein bat-

teriebetriebenen Elektromobilität und die entsprechende Identifizierung neuer Wert-

schöpfungspotenziale noch nicht ausreichend erforscht wurden. Die hohe

Innovationsgeschwindigkeit in diesem Forschungsfeld führt zusätzlich dazu, dass Ar-

beiten in diesem Themenfeld relativ schnell veralten. Wurden z.B. vor wenigen Jahren

sogenannte Batteriewechselspeicher noch als wichtiger Bestandteil der Elektromobili-

tät und für die Energieversorgung der Fahrzeuge angesehen, sind Unternehmen wie

Better Place heutzutage bereits wieder vom Markt verschwunden und entsprechende

Speichersysteme kaum mehr ein Thema. Derartige Entwicklungen zeigen, in welch

frühem Entwicklungsstadium der Elektromobilität man sich teilweise noch befindet und

wie wenig bestimmte Bereiche auf wissenschaftlicher Ebene erforscht sind. Bei The-

men, die auf wissenschaftlicher Ebene bisher noch unzureichend erforscht wurden,

erachten Flick, Kardorff & Steinke (2000, S.25) qualitative Forschungsmethoden für

besonders geeignet.

1 Audi vollzog bezüglich der Elektromobilität einen mehrmaligen strategischen Kurswechsel. Während man zu Beginn mit der elektrischen e-tron Reihe in den Elektromobilitätsmarkt einstiegen wollte, verwarf man 2013 diese Pläne wieder. Die Gründe hierfür waren, dass sich damit zum jetzigen Zeitpunkt kein Geld verdienen lasse. Mitte 2014 verkündete man schliesslich den erneuten Einstieg in den Markt der rein batteriebetriebenen Fahrzeuge.

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Basierend auf den dargelegten Überlegungen wird im Rahmen dieser Arbeit für die

Beantwortung der Forschungsfragen ein qualitativer Forschungsansatz gewählt. Im

Zentrum dieses Ansatzes steht dabei eine Datenerhebung mittels Experteninterviews.

Diese Art der Interviewmethode erscheint für die Beantwortung der Forschungsfragen

besonders geeignet, da sie dem explorativen Charakter der Untersuchung gerecht

wird und eine wertvolle Perspektivenvielfalt ermöglicht (Meuser & Nagel, 2009, S.465).

Diese Perspektivenvielfalt ist insofern notwendig, da sich beim Wandel hin zur

Elektromobilität die Veränderungen nicht nur innerhalb der bisher bestehenden Auto-

mobilindustrie abspielen, sondern zahlreiche externe Faktoren Einfluss auf die Ent-

wicklung der Elektromobilität nehmen und somit Branchengrenzen zunehmend

verschwimmen. Branchenveränderungen und zukünftige Wertschöpfungspotenziale

sind für den einzelnen Akteur somit oftmals nur schwer zu erkennen und können erst

durch eine entsprechende Perspektivenvielfalt erfasst werden, die über Experteninter-

views ermöglicht wird.

Bei der Auswahl der Interviewpartner galt es vor allem einen differenzierten Blick über

die Branche zu bekommen, so dass neben klassischen Automobilherstellern auch

Energieunternehmen, Automobilverbände, Ladeinfrastrukturbetreiber und Analysten

befragt wurden (vgl. Anhang 1). Im Vorfeld der Interviews wurden Leitfäden angefer-

tigt, die den jeweiligen Interviewpartnern angepasst wurden. Die Leitfäden fungierten

im Rahmen der teilstrukturierten Interviews jedoch lediglich als Wegweiser, so dass

die Reihenfolge der Fragen flexibel verändert und an den jeweiligen Gesprächsverlauf

angepasst werden konnte. Fragen und Kategorien dieser Interviewleitfäden können

dem Anhang dieser Arbeit entnommen werden (vgl. Anhang 2). Die Interviews wurden

am Telefon oder direkt persönlich vor Ort durchgeführt und hatten eine durchschnittli-

che Dauer von ca. 60 Minuten. Für die qualitative Analyse dieser Interviews wurde auf

das Softwareprogramm Atlas.ti zurückgegriffen, um die Aussagen der Experten mitei-

nander vergleichen zu können. Für die Auswertung der gewonnenen Daten wurden

alle Experteninterviews vollständig transkribiert. Somit konnten Verzerrungen vermie-

den und eine bessere Überprüfbarkeit der Ergebnisse ermöglicht werden. Die transkri-

bierten Interviews wurden schliesslich einzeln gelesen und mit Schlagwörtern

versehen. Die Kodierung konnte dabei ein Satzteil oder auch ein ganzer Abschnitt be-

stehend aus mehreren Sätzen sein. Dieser Kodierungsprozess wurde wiederholt, bis

über alle Interviews hinweg überschneidungsfreie Kodierungen gefunden wurden.

Neben den Experteninterviews bildeten Branchenpublikationen, Fachtagungen, eine

umfangreiche Zeitungs- bzw. Zeitschriftenrecherche über die Wirtschaftsdatenbanken

„Genios“ und „Factiva“ sowie eine permanente Internetrecherche weitere zentrale In-

formationsquellen für diese Arbeit. Zusätzlich wurde das aktuelle Tagesgeschehen der

Elektromobilitätsbranche über den täglichen Newsletter von „electrive“ verfolgt und in

einer eigenen Datenbank festgehalten. Mit Hilfe dieser Datentriangulation konnten die

aus den Experteninterviews gewonnenen Daten besser analysiert und interpretiert

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werden. Das theoretische Fundament dieser Arbeit beruht auf einer ausführlichen Re-

cherche wissenschaftlicher Fachzeitschriften.

1.4 Aufbau der Arbeit

Die folgende Abbildung zeigt den Aufbau der Arbeit:

Abb. 1-1: Aufbau der Arbeit

(Quelle: Eigene Darstellung)

Kapitel 1 gibt dem Leser einen groben einleitenden Überblick zu dem Thema Elektro-

mobilität und zeigt die Kernfragestellungen auf, die im Rahmen dieser Arbeit beant-

wortet werden sollen. Hierbei wird dem Leser neben den Hintergründen und der

Problemstellung auch die Vorgehensweise vermittelt, wie diese Fragen beantwortet

werden sollen.

Im Mittelpunkt von Kapitel 2 steht eine Analyse der Automobilindustrie. Hierbei wird

auf Industrieebene aufgezeigt, welchen zentralen Veränderungen sich die Automobil-

hersteller derzeit konfrontiert sehen. Dabei zeigt sich, dass es sich bei der Elektromo-

bilität keineswegs nur um eine reine technologische Innovation handelt, sondern vor

allem gesellschaftliche Trends, umweltpolitische Vorgaben, marktbezogene Gründe

und der Wettbewerbsdruck aus dem asiatischen Raum wichtige Treiber für diese Ver-

änderung darstellen.

In Kapitel 3 wird die Perspektive gewechselt und auf Unternehmensebene beschrie-

ben, wie derzeit die Strategien der etablierten Automobilhersteller im Bereich der rein

batteriebetriebenen Elektromobilität aussehen. Die Analyse beruht dabei auf den

Markteinführungszeitpunkten erster serienmässiger Elektrofahrzeuge, dem Design der

Automobile und der Vision der Hersteller von zukünftiger Mobilität.

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Nachdem die allgemeine Branchensituation und die jüngsten strategischen Reaktio-

nen der Automobilhersteller geklärt sind, wird der Arbeit in Kapitel 4 ein theoretisches

Fundament gegeben. Hierbei wird aufgezeigt, wie etablierte Unternehmen oftmals re-

agieren, wenn sie mit radikalen Veränderungen konfrontiert werden. Zahlreiche Bei-

spiele aus den verschiedensten Branchen belegen, dass etablierte Unternehmen

erhebliche Probleme bekommen, indem sie lange Zeit sehr risikoavers handeln und

somit entweder zu spät neuen Trends folgen oder diese gänzlich verpassen. Dies be-

deutete für die Unternehmen entweder den Verlust ihrer Marktmacht oder in vielen

Fällen jedoch auch den kompletten Untergang. Die aufgezeigten Beispiele lassen ver-

muten, dass auch die derzeitigen Reaktionen der Hersteller in Bezug auf Elektromobi-

lität nicht ausreichen und die Hersteller in Zukunft möglicherweise an Bedeutung

verlieren.

Kapitel 5 knüpft direkt an diese Problematik an und zeigt auf, welche zentralen Ver-

änderungen die Elektromobilität für die bisherige Wertschöpfungskette der Automobil-

industrie mit sich bringt. Im Vordergrund stehen hierbei besonders die Auswirkungen

neuer Komponenten auf den Upstream-Bereich der traditionellen automobilen Wert-

schöpfungskette.

Im Rahmen von Kapitel 6 wird aufgezeigt, welche Wertschöpfungspotenziale sich ent-

lang der neu formierten elektromobilen Wertschöpfungskette ergeben und inwiefern

diese von den etablierten Automobilherstellern genutzt werden können.

Kapitel 7 stellt eine Bewertung der Ergebnisse dieser Arbeit dar. Neben den zentralen

Erkenntnissen und einer Beurteilung der Qualität der Forschungsergebnisse werden

in diesem Kapitel besonders auch die Limitationen der Arbeit und zukünftige For-

schungsansatzpunkte aufgezeigt.

Kapitel 8 befasst sich zum Schluss der Arbeit noch einmal ausführlich mit einem Blick

in die Zukunft. Gerade vor dem Hintergrund, dass sich die Automobilbranche mitten in

einem Transformationsprozess befindet und viele Entwicklungen auch zum jetzigen

Zeitpunkt noch ungewiss sind, soll an dieser Stelle bewusst ein spekulativer Ansatz

verfolgt und mögliche Entwicklungen zu einem plausiblen Szenario verdichtet werden.

1.5 Begriffliche Abgrenzung und Rahmen der Arbeit

Um die Fragestellung dieser Arbeit beantworten zu können, gilt es in einem ersten

Schritt den Rahmen der Arbeit abzustecken und kurz entsprechende Begrifflichkeiten

zu definieren. Grundsätzlich lässt sich der Verkehr in Personenverkehr und Güterver-

kehr unterscheiden. Letzterer soll jedoch nicht Gegenstand dieser Untersuchung sein,

so dass z.B. Nutzfahrzeuge in dieser Arbeit keine Beachtung finden. Weil sich beide

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Verkehrsarten hinsichtlich ihrer Geschäftsmodelle und der zugrunde liegenden Ein-

flussfaktoren erheblich unterscheiden, würde dies den Rahmen dieser Arbeit spren-

gen. Da mögliche Positionierungsstrategien der Automobilhersteller entwickelt

werden, liegt der Fokus dieser Arbeit zunächst auf dem Bereich „motorisierter Indivi-

dualverkehr“ – genauer gesagt auf dem PKW-gebundenen Strassenverkehr (siehe

Abb. 1-2). Vor allem in den späteren Kapiteln dieser Arbeit, wenn es um das neue

Verständnis von Mobilität geht, lassen sich die einzelnen Verkehrsarten nicht mehr so

klar trennen und die Grenzen zwischen Individualverkehr bzw. dem Öffentlichen Per-

sonenverkehr verschwimmen.

Abb. 1-2: Verkehrsarten des Personenverkehrs

Quelle: (Bertram & Bongard, 2014, S.7)

Ähnlich verhält es sich beim Begriff der „Elektromobilität“. Auch wenn dieser ver-

schiedenste Verkehrsträger beinhaltet (z.B. Elektrobahnen im Schienenverkehr oder

Elektroschiffe in der Schifffahrt), soll im Kontext dieser Arbeit ausschliesslich Elektro-

mobilität im Bereich des Strassenverkehrs betrachtet werden. Hierbei lässt sich wie-

derum entsprechend des Grads der Elektrifizierung zwischen Hybridfahrzeugen und

reinen Elektrofahrzeugen unterscheiden. Im Rahmen dieser Arbeit sollen nur rein bat-

teriebetriebene Elektromobile Gegenstand der Untersuchung sein. Die Gründe für den

Fokus auf rein batteriebetriebenen Fahrzeugen werden im Detail in Kapitel 2 diskutiert.

Auch der immer wiederkehrende Begriff der „traditionellen“ bzw. „etablierten Automo-

bilhersteller“ bedarf einer kurzen Erläuterung. Hierunter fallen Hersteller, die aufgrund

ihrer Historie seit Jahrzehnten einen festen Bestandteil der Automobilindustrie bilden.

Während Daimler, BMW oder Audi z.B. dem Segment der Premiumhersteller zuzu-

rechnen sind, handelt es sich bei Toyota, Volkswagen, General Motors oder Ford um

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typische Volumenhersteller mit hohen Absatzzahlen. Aufgrund ihrer erst jungen Bran-

chenzugehörigkeit werden Unternehmen wie Tesla Motors folglich nicht den traditio-

nellen/etablierten Herstellern zugerechnet. Im Allgemeinen werden

Automobilhersteller häufig auch als „OEMs“ bezeichnet. Entgegen der Definition in vie-

len anderen Branchen, wird in der Automobilindustrie unter dem Begriff „Original

Equipment Manufacturer“ (OEM) derjenige verstanden, der die Fahrzeuge herstellt

und diese an den Endkunden verkauft.

Die Automobilbranche stellt einen globalen Markt dar, bei dem die Akteure untereinan-

der gut vernetzt sind und sich entsprechend stark gegenseitig beeinflussen. Diese An-

näherung ist jedoch nicht nur auf Seite der Hersteller zu erkennen, sondern auch im

Umfeld der Branche. Da gesellschaftliche Trends immer ähnlicher werden und die Au-

tomobilhersteller in den jeweiligen Ländern von denselben externen Faktoren wie z.B.

der Ölpreisentwicklung abhängig sind, unterscheiden sich die Herausforderungen

kaum noch. Auch wenn der Hauptfokus dieser Arbeit auf dem europäischen Automo-

bilmarkt mit seinen etablierten Herstellern liegt, können anderen Länder nicht unbe-

rücksichtigt bleiben. So sind die Hersteller aufgrund der Vernetzung und weltweiten

Trends verschiedensten Einflüssen aus Ländern wie USA, Japan und China unterwor-

fen, in denen Elektromobilität unterschiedlich weit fortgeschritten ist.

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2 Analyse der Automobilindustrie

Im Mittelpunkt dieses Kapitels steht eine Analyse der Automobilindustrie. Es soll auf-

gezeigt werden, mit welchen zentralen Herausforderungen die Automobilhersteller ak-

tuell konfrontiert werden und dass diesbezüglich die rein batteriebetriebene

Elektromobilität eine sinnvolle Lösungsmöglichkeit darstellt. Bei der Analyse zeigen

sich umweltpolitische Vorgaben, markt- bzw. wettbewerbsbezogene Aspekte und ge-

sellschaftliche Trends als die derzeit wichtigsten Entwicklungen in der Automobilbran-

che.

Ein Blick in die Historie der Elektromobilität zeigt auf, dass dies kein Phänomen der

Neuzeit darstellt (Mock, 2010, S.42). Nahezu zeitgleich mit dem von Carl Benz erfun-

denen Automobil rollten bereits 1888 erste Elektrofahrzeuge in den Städten (Lang,

2012). Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden in den USA - dem damaligen Zentrum

der Automobilindustrie - fast 40% der Fahrzeuge elektrisch betrieben, 40% mit Dampf

und nur gut 20% mit einem Ottomotor (Lang, 2012). In New York konnten zu dieser

Zeit Elektrofahrzeuge sogar Zahlen um die 50% erreichen. Die Gründe hierfür lagen

vor allem an dem fehlenden Strassennetz zwischen den Städten und einem gut aus-

gebauten Eisenbahnnetz, so dass die Elektrofahrzeuge trotz geringer Reichweite gut

im innerstädtischen Nahverkehr eingesetzt werden konnten (Lang, 2012). Um die

Nachteile der Elektromobilität auszugleichen, wurden auch zu diesem frühen Zeitpunkt

bereits Batteriewechselsysteme oder erste Schnellladestationen erprobt. Jedoch stell-

ten sowohl Reichweite, Höchstgeschwindigkeit als auch Störanfälligkeit der Batterie

durch Wettereinflüsse oder mechanische Erschütterungen bereits zum damaligen

Zeitpunkt entscheidende Schwächen dar. Mit der Erfindung des elektrischen Anlassers

gewann der Verbrennungsmotor zusätzlich deutlich an Attraktivität. Das Elektroauto

verschwand in der Nische und wurde quasi nur noch dort als Nutzfahrzeug verwendet,

wo es hauptsächlich darauf ankam Emissionen oder Geräusche zu vermeiden und

eine begrenzte Reichweite kein Problem bedeutete (Kampker, Vallée & Schnettler,

2013, S.7ff.). Elektromobile Versuchsreihen von Automobilherstellern wie Ford oder

General Motors blieben punktuelle Ereignisse und waren auch aufgrund mangelnder

Forschungsaktivitäten zum Scheitern verurteilt.

Erst Anfang der 90er-Jahre konnte wieder eine verstärkte Aktivität im Bereich der

Elektromobilität beobachtet werden. Auslöser hierfür war sowohl die in allen Köpfen

noch präsente Ölkrise als auch verschärfte Gesetzgebungen aus Kalifornien. Ford

(„Ford Ecostar“, „Ford Electric Ranger“), General Motors („GM EV1“), Nissan („Nissan

Altra EV“), Toyota („Toyota RAV4 EV“) und deutsche Hersteller wie Volkswagen („VW

Golf CitySTROMER“) oder BMW („BMW E1“) entwickelten rein elektrische Prototypen

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und stellten diese bei Automobilmessen einem breiteren Publikum vor. Doch trotz zahl-

reicher Forschungsaktivitäten schafften es lediglich General Motors, Toyota und

Nissan ein Elektroauto in Serienfertigung zu produzieren. Mit jedoch nur ca. 1100

Stück verkauften „GM EV1“ befand man sich eher im homöopathischen Bereich. Ähn-

lich erging es Nissan mit dem „Nissan Altra EV“, der es zwar auch über die Prototyp-

Phase hinaus in den Verkauf schaffte, jedoch mit Verkaufszahlen von ca. 200 Stück

nur Symbolcharakter hatte.

Doch aufgrund der jüngsten Entwicklungen im Bereich der Automobilindustrie kann

der Elektromobilität in Zukunft eine bedeutendere Rolle zukommen. Laut Branchenex-

perten könnte diese Technologie sogar „über die langfristige Überlebensfähigkeit der

Automobilindustrie“ entscheiden (Oliver Wyman, 2009). Um diese Aussage besser

verstehen zu können, gilt es in einem ersten Schritt die jüngsten Entwicklungen im

Bereich der Automobilindustrie aufzuzeigen. Im Folgenden soll deshalb systematisch

auf diese Herausforderungen eingegangen werden, derer sich die etablierten Automo-

bilhersteller seit geraumer Zeit stellen müssen.

2.1 Umweltpolitische Entwicklungen

2.1.1 Umweltmassnahmen auf internationaler Ebene

Einer der wichtigsten Gründe für den Wandel vom Verbrennungsmotor hin zur

Elektromobilität ist sicherlich im Klimaschutz zu sehen. Um den stetigen Klimawandel

zu bekämpfen, verständigten sich die Mitgliedsstaaten der EU 1996 darauf, das „2-

Grad-Ziel“ als Leitlinie für ihre Klimapolitik zu nehmen (Randalls, 2010). Dieses Ziel

beinhaltet die Begrenzung der globalen Klimaerwärmung auf maximal 2° Celsius ge-

genüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung. Da neben zahlreichen anderen

Treibhausgasen vor allem CO2 für die globale Erwärmung verantwortlich ist, müssen

die einzelnen Länder versuchen den CO2-Ausstoss so weit wie möglich zu reduzieren.

Untersucht man, in welchen Bereichen diese Emissionen anfallen, lässt sich erkennen,

dass ca. 23% des weltweiten CO2-Ausstosses durch den Verkehr verursacht wird

(IPCC, 2007; IEA, 2014). Der Verkehr zählt somit neben dem Energiesektor, der In-

dustrie und den privaten Haushalten zu den grössten Verursachern von CO2-Emissio-

nen. Hierbei ist zusätzlich anzumerken, dass die Emissionen im Verkehrssektor im

Gegensatz zu den anderen drei Bereichen seit 1990 konstant ansteigen. Dem Stras-

senverkehr kommt bei der Verringerung von CO2-Emissionen eine besondere Rolle

zu, da er für über 70% der Verkehrsemissionen verantwortlich ist. Dadurch dass der

PKW-Verkehr hiervon wiederum etwa zwei Drittel ausmacht, verursacht der PKW-Ver-

kehr allein ca. 12% der gesamten CO2-Emissionen in der EU (Deutsche Bank Rese-

arch, 2009). An diesen Zahlen kann bereits gesehen werden, welche enormen

Auswirkungen der PKW-Verkehr auf die Umwelt hat und warum die Politik versucht

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dieser Entwicklung seit einigen Jahren mit geeigneten Instrumenten entgegenzuwir-

ken (vgl. Abb. 2-1).

Abb. 2-1: Interaktion von Umweltpolitik und Automobilherstellern

(Quelle: Eigene Darstellung)

Die Wahl der Instrumente umfasst dabei neben grundsätzlichen internationalen Um-

weltabkommen auch die konkrete Festlegung maximal erlaubter Emissionsgrenz-

werte. So bedeuten beispielsweise die Klimarahmenkonventionen der Vereinten

Nationen (UNFCCC) von 1992 wie auch das verabschiedete Kyoto-Protokoll von 1997

einen zentralen Schritt für den Klimaschutz. Seitens des Dachverbandes der

europäischen Automobilhersteller (ACEA) folgte 1998 mit einer Selbstverpflichtungs-

erklärung schnell eine Reaktion auf diese politischen Entwicklungen. Diese Selbstver-

pflichtung sah vor, dass der durchschnittliche Kohlenstoffdioxid-Ausstoss der

Neuwagen-Flotte bis 2008 auf 140 g CO2/km gesenkt wird. Dies sollte einen wichtigen

Meilenstein darstellen für das Ziel der Europäischen Kommission den Ausstoss von

ca. 185 g CO2/km auf 120 g CO2/km für das Jahr 2012 reduzieren zu können (Umwelt-

bundesamt, 2010).

Trotz deutlicher Emissionsrückgänge in den ersten Jahren und zahlreicher Effizienz-

verbesserungen am Automobil konnte dieses selbstauferlegte Ziel der Automobilher-

steller jedoch nicht eingehalten werden, so dass die CO2-Emissionen neu

zugelassener deutscher PKWs im Jahre 2008 bei 157 g CO2/km lagen (Deutsche Bank

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Research, 2009). Dieser Tatsache bewusst, entschied sich die Europäische Kommis-

sion im Jahre 2009 neue Regelungen zu schaffen und legte einen europaweit gültigen

durchschnittlichen CO2-Grenzwert für die Neuwagenflotte von 130 g CO2/km fest, der

bis 2015 erreicht werden musste. Für alle Hersteller wurden dabei auch individuelle

Grenzwerte definiert, die sich am durchschnittlichen Gewicht ihrer Neuwagenflotte ori-

entierten. Um die Hersteller nicht zu überfordern, sollte sich diesem Wert über ein so-

genanntes „Phasing-in“ schrittweise angenähert werden. Dieses sah vor, dass für die

Ermittlung der Emissionsgrenzwerte eines Herstellers im Jahre 2012 nur 65% seiner

Neuwagen berücksichtigt wurden. Für die Jahre 2013 und 2014 stiegen diese Werte

auf 75% bzw. 80% an und erst im Jahre 2015 wurden die gesamten Fahrzeugverkäufe

einkalkuliert. Neben dem „Phasing-in“ sollen auch sogenannte Supercredits den Her-

stellern bei der Erreichung der Grenzwerte helfen. Diese sorgen dafür, dass besonders

umweltfreundliche Fahrzeuge (Emissionen < 50 g CO2/km) dem Hersteller mehrfach

angerechnet werden. Die Verordnung von 2009 beinhaltet mit einem festgelegten

Grenzwert von 95 g CO2/km für 2020 auch bereits eine langfristige Zielvorgabe.

Wie bereits thematisiert, handelt es sich bei dem von der Europäischen Kommission

definierten Emissionsgrenzwert um einen Durchschnittsemissionswert aller verkaufter

Neuwagen eines Jahres. Da die Automobilhersteller jedoch unterschiedlichste Fahr-

zeugsegmente bedienen und innerhalb dieser wiederum unterschiedlichste Absatz-

zahlen haben, unterscheiden sich auch die Emissionen der jeweiligen Hersteller stark

voneinander und machten die Einführung individueller Grenzwerte notwendig. So hat-

ten beispielsweise Hersteller wie BMW oder Volvo zum Zeitpunkt als die Verordnung

2009 verabschiedet wurde durchschnittliche Emissionswerte von 157 g CO2/km bzw.

173 g CO2/km. Der Premiumhersteller Mercedes-Benz hatte aufgrund seiner hohen

Absatzzahlen in den Premiumsegmenten mit 177 g CO2/km die höchsten Emissions-

werte zu verzeichnen. Hersteller wie Citroen, Peugeot oder Renault hingegen beweg-

ten sich bereits zu diesem Zeitpunkt unter dem Wert von 140 g CO2/km (ICCT, 2009).

Anhand dieser Zahlen wird schnell klar, warum gegen einheitliche Grenzwerte ent-

schieden wurde, da dadurch Premiumhersteller und Anbieter grosser Fahrzeugklas-

sen überdurchschnittlich belastet worden wären. Hersteller, die sich überwiegend im

Kleinst- bzw. Kleinwagensegment bewegen, müssten dagegen keine weiteren Verbes-

serungen voranbringen, um die Grenzwerte einzuhalten. Die Einführung OEM-spezifi-

scher Grenzwerte hat somit den Vorteil, dass alle Hersteller gleichermassen in die

Pflicht genommen werden und Verbesserungen bzgl. der Emissionen ihrer Automobile

vornehmen müssen (Puls, 2013).

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Die spezifischen Grenzwerte lassen sich mittels folgender Formel berechnen2:

OEM-spezifische CO2-Emissionen2015 = 130 g CO2/km + g2015 × (m – m2015)

OEM-spezifische CO2-Emissionen2020 = 95 g CO2/km + g2020 × (m – m2020)

Da die Masse als der entscheidende Faktor für den Kraftstoffverbrauch und letztlich

CO2-Ausstoss gesehen wird, spielt diese bei der Berechnung der herstellerspezifi-

schen Grenzwerte eine zentrale Rolle. Verkauft ein Hersteller im Jahre 2015 Automo-

bile, die sich unter dem Branchendurchschnitt von 1372kg bewegen, ergibt sich für ihn

folglich auch ein Emissions-Grenzwert, der unter 130 g CO2/km liegt. Vergleicht man

die Emissionswerte der OEMs mit den für sie berechneten spezifischen Grenzwerten,

so wird deutlich, dass sowohl alle Premium- als auch Volumenhersteller die CO2-An-

forderung für das Jahr 2015 bereits im Jahre 2013 erfüllten (EEA, 2014; ICCT, 2014;

vgl. Tab. 2-1). Der durchschnittliche CO2-Emissionswert der in Europa verkauften Neu-

fahrzeuge lag bei durchschnittlich 127g/km.

Tab. 2-1: Spezifische Grenzwerte der Automobilhersteller in Europa (2015 & 2020)3

(Quelle: in Anlehnung an ICCT, 2014 - Eigene Darstellung)

2 m = Durchschnittliche Masse aller in der EU im Bezugsjahr verkauften Kraftfahrzeuge eines Herstellers (in kg) M2015 = 1372,0 kg [durchschnittliche Masse aller in der EU zwischen 2008-2010 verkauften Neuwagen]

M2020 = [durchschnittliche Masse aller in der EU zwischen 2017-2019 verkauften Neuwagen]

g2015 = 0,0457 [Gewichtungsfaktor: 100kg Mehrgewicht eines Automobils erhöhen den Grenzwert um 4,57 g CO2/km]

g2020 = 0,0333 [Gewichtungsfaktor: 100kg Mehrgewicht eines Automobils erhöhen den Grenzwert um 3,33 g CO2/km]

3 Berechnung der spezifischen Grenzwerte auf Basis des Jahres 2013 (d.h. das Durchschnittsgewicht der Neuwagenflotte eines OEMs verändert sich bis zum Jahre 2020 nicht im Vergleich zu 2013)

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Dass alle Hersteller die Anforderungen für 2015 bereits erfüllten, liegt einerseits an der

Höhe der definierten Emissionsvorgaben und andererseits an der Tatsache, dass die

Hersteller über eine Optimierung des Verbrennungsmotors und dem Wechsel in klei-

nere Fahrzeugklassen bereits relativ einfach ihren Flottenverbrauch senken konnten.

Um jedoch die vereinbarten Grenzwerte von 2020 zu erreichen, werden diese inkre-

mentellen Veränderungen alleine nicht mehr ausreichen und alternative Antriebstech-

nologien notwendig sein (Roland Berger, 2009). Gerade Premiumhersteller werden

hier Probleme bekommen die entsprechenden Grenzwerte zu erreichen, da ab 2020

der Gewichtungsfaktor (g2015) angepasst wird und folglich schwereren Automobilen

weniger Zusatzemissionen als bisher zugestanden wird. Werden die ermittelten spe-

zifischen Grenzwerte seitens der Automobilhersteller überschritten, müssen Strafge-

bühren gezahlt werden. Für Europa betragen diese beispielsweise für den Zeitraum

2015-2018 pro Fahrzeug 5-25€ (1g-3g) - ab einer Überschreitung von 4g sind 95€ zu

zahlen. Ab 2019 tritt hier nochmals eine Verschärfung ein und bereits das erste Gramm

über dem erlaubten Grenzwert wird mit 95€ geahndet (Verordnung [EG] Nr. 443/2009).

Welche Bedeutung diese Strafzahlungen für die Hersteller tatsächlich haben, lässt sich

am Beispiel von BMW verdeutlichen. Betrachtet werden soll der deutsche Markt unter

der vereinfachten Annahme, dass die Zahl der PKW-Neuzulassungen sich ähnlich wie

im Jahre 2015 entwickelt4. Sollte BMW es nicht schaffen seinen derzeitigen Flotten-

durchschnitt der CO2-Emissionen weiter zu senken und auf dem Niveau von 2015 blei-

ben, wird der eigene spezifische Grenzwert im Jahre 2020 um ca. 30g überschritten

und es ergeben sich für BMW Strafzahlungen in Höhe von 712.5 Mio.€5. Dies ent-

spricht über 11% des Jahresüberschusses der BMW Group6. Da in diesem Beispiel

lediglich Strafzahlungen aus dem deutschen Markt kalkuliert werden, ist bei weltweiter

Betrachtung ein noch deutlich höherer Prozentsatz zu erwarten und grosse Teile des

erwirtschafteten Jahresüberschusses werden aufgebraucht. Kurt Sigl vom Bundesver-

band eMobilität geht mit seiner Prognose hinsichtlich der Höhe der Strafzahlungen

sogar soweit, dass manche Hersteller möglicherweise die Gewinne von ein bis zwei

Jahren einbüssen werden (Sigl, 2012; vgl. Tab. 2-5). Somit besteht für die Unterneh-

men ein starker Anreiz die CO2-Emissionen ihrer Neuwägen zu reduzieren und die

jeweiligen spezifischen Grenzwerte zu erreichen. Wollen die Hersteller weiterhin Fahr-

zeuge mit hohem Spritverbrauch verkaufen, werden aufgrund strenger werdender

Grenzwerte und den damit verknüpften Strafzahlungen reine Reduzierungen der CO2-

Emissionen möglicherweise nicht ausreichen. Peter Moos, Produktmanager für den

Elektro-Smart, äusserte diesbezüglich: „[J]eder, der grosse Autos verkaufen will, […]

muss schlicht und einfach einen gewissen Anteil Null-Emissions-Fahrzeuge haben“

4 Im Jahre 2015 wurden in Deutschland ca. 250.000 neue PKWs von BMW zugelassen (Quelle: Kraftfahrtbundesamt). 5 Höhe der Abgabe = Anzahl neuer Personenkraftwagen x Grenzwertüberschreitung x Strafe (0,25 Mio. Fahrzeuge x 30 g CO2/km x 95€/g CO2/km)) 6 Der Jahresüberschuss der BMW Group im Jahre 2015 betrug 6,4 Mrd. € (Quelle: BMW Group Geschäftsbericht 2015).

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(Moos, 2012; vgl. Tab. 2-5). Auch bei BMW ist man überzeugt, dass die Hersteller

zukünftig Null-Emissions-Fahrzeuge benötigen, „um in bestimmten Märkten überhaupt

aktiv sein zu können“ (Backé, 2014; vgl. Tab. 2-5).

Die Einführung verbindlicher CO2-Grenzwerte für PKWs beschränkt sich jedoch nicht

auf Europa. Alle Länder mit einer bedeutsamen Automobilindustrie haben für die kom-

menden Jahre entsprechende CO2-Grenzwerte festgelegt, die sich zwar hinsichtlich

der angestrebten Zielwerte bzw. Zeithorizonte unterscheiden, aber alle auf den ge-

meinsamen Plan abzielen die Emissionen langfristig deutlich zu senken. Die Vergleich-

barkeit der jeweiligen Grenzwerte gestaltet sich dabei nicht ganz einfach, da den

Regulierungen unterschiedliche Regelgrössen, Messverfahren oder Differenzierungs-

kriterien zugrunde liegen7 (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, 2012).

Nach der Vereinheitlichung ergeben sich folgende Grenzwerte (vgl. Tab. 2-2).

Tab. 2-2: Weltweite Emissionsgrenzwerte (in g CO2/km)

(Quelle: Eigene Darstellung8)

Europa verfolgt neben Japan weltweit die strengsten CO2-Grenzwerte und strebt für

Neuwagenflotten für das Jahr 2025 Werte zwischen 68-78 g CO2/km an. China und

die USA haben absolut betrachtet mit Zielwerten von 117 g CO2/km bzw. 113 g CO2/km

für das Jahr 2020 die schwächsten Regulierungen. Es muss hierbei jedoch angemerkt

werden, dass diese auch die höchsten durchschnittlichen Ausgangswerte hatten und

relativ gesehen somit erhebliche Anstrengungen unternehmen müssen, um die Vor-

gaben einhalten zu können. Die reinen Werte an sich betrachtet dürfen jedoch nicht

überbewertet werden, da den jeweiligen Regulierungssystemen zum Teil grosse Un-

terschiede bei der Anrechenbarkeit von Elektrofahrzeugen sowie der Kalkulation der

7 Regelgrösse: Europa (CO2-Emissionen; g/km), Japan, USA (Kraftstoffeffizienz; km/l, mpg), China (Kraftstoffverbrauch; l/100km) Messverfahren: Europa (NEDC), Japan (JC08) Differenzierungskriterium: In Europa, Japan und China findet die Differenzierung zwischen den OEMs über die Fahrzeugmasse statt – in den USA über die Fahrzeugaufstandsfläche 8 Ermittlung der Grenzwerte auf Basis von Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (2012), EPA (2012), Frost & Sul-livan (2014a) und ICCT (2014) Umrechnung aller Zielwerte auf eine einheitliche Regelgrösse (CO2-Emissionen, g CO2/km) und Standardisierung der jeweiligen Werte auf den europäischen Fahrzyklus (NEDC)

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Strafzahlungen zugrunde liegen (VCD, 2012). Hinzu kommt, dass OEMs nicht nur die

Grenzwerte eines Landes erfüllen müssen, sondern sich aufgrund ihrer Exporttätigkeit

auch an den Emissionsgrenzwerten der anderen Länder orientieren sollten. Um mas-

siven Strafzahlungen zu entgehen, sollten folglich amerikanische und chinesische Her-

steller auch Automobile in der Flotte haben, die den strengeren europäischen

Grenzwerten entsprechen.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass sich alle bedeutsamen Automobilnationen für eine

Verringerung der CO2-Emissionen im Strassenverkehr aussprechen und eine kontinu-

ierliche Senkung der Flottenemissionen anstreben. Diese Grenzwerte lassen sich

möglicherweise für das Jahr 2015 noch über die Optimierung der konventionellen Ver-

brennungsfahrzeuge erreichen – spätestens jedoch mit den verschärften Grenzwerten

von 2020 und 2025 wird dies nicht mehr möglich sein und alternative Antriebe wie z.B.

die Elektromobilität spielen für die Zukunftsfähigkeit der OEMs eine essentielle Rolle

(Roland Berger, 2009; Backhaus, 2014).

2.1.2 Umweltmassnahmen auf regionaler Ebene

Neben den auf internationaler Ebene festgelegten Grenzwerten diskutieren auf regio-

naler Ebene immer mehr Metropolen über die Einführung sogenannter Umweltzonen

(vgl. Tab. 2-3). Diese Umweltzonen dürfen dann nur noch gegen eine Gebühr bzw.

von rein elektrisch betriebenen Fahrzeugen befahren werden und sollen auf diese

Weise die Smoggefahr in Grossstädten verringern. Viele Länder versuchen zusätzlich

umweltschädliche Fahrzeuge aus dem Verkehr zu ziehen und Dieselkraftstoffe zu un-

terbinden. Gerade in China zeichnen sich für Megacities wie Peking oder Shanghai

enorme Herausforderungen ab. In den vergangenen fünf Jahren wurden in Peking

zwei Millionen Neuwagen zugelassen und die Zahl der Fahrzeuge über die letzten

zehn Jahre verfünffacht. Mit Blick auf die - im Vergleich zu westlichen Ländern in Eu-

ropa oder der USA - noch relativ geringe PKW-Dichte bedeutet dies für die chinesi-

schen Metropolen eine Zunahme der Umweltprobleme (Bruhn, 2014).

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Tab. 2-3: Übersicht zu weltweiten Umweltzonen

(Quelle: electrive.net-Newsletter Analyse - Eigene Darstellung)

Neben den international festgelegten CO2-Grenzwerten stellen die hier beschriebenen

Umweltmassnahmen auf regionaler Ebene grosse Herausforderungen für die Automo-

bilhersteller dar. Diese Sanktionierungsmechanismen führen letztendlich dazu, dass

Automobilhersteller versuchen müssen die Emissionswerte ihrer Automobile zu redu-

zieren. Wie diese Vorgaben erreicht werden, bleibt den Herstellern überlassen. Dies

kann über eine Optimierung des klassischen Verbrennungsmotors, Ausweichen in klei-

nere Fahrzeugklassen oder mittels alternativer Antriebe geschehen. Während bei den

ersten beiden Optionen nur eine teilweise Reduzierung der

Emissionswerte möglich ist, kann beim Wechsel auf die Elektromobilität ein vollständig

emissionsfreies Fahren erreicht werden und somit der stärkste Einfluss auf den eige-

nen Flottenverbrauch geschaffen werden. Im Folgenden soll speziell das Ausweichen

in kleinere Fahrzeugklassen und die Optimierung des Verbrennungsmotors näher be-

leuchtet werden.

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(A) Ausweichen in kleinere Fahrzeugklassen

Vor allem für Premiumhersteller stellen die strengeren Emissionsgrenzwerte eine

grosse Herausforderung dar, da diese zum Grossteil Fahrzeuge aus den oberen Fahr-

zeugsegmenten verkaufen. Dies umfasst neben dem Segment „Sportwagen“, „SUV“,

„Luxusklasse“, „Oberklasse“ auch die „Obere Mittelklasse“. Gerade die Fahrzeuge aus

diesen Segmenten zeichnen sich jedoch durch sehr hohe CO2-Emissionswerte aus

und treiben den Flottenemissionsdurchschnitt eines Herstellers gewaltig in die Höhe.

Ein Blick auf die derzeitigen durchschnittlichen Flottenverbräuche der Premiumherstel-

ler zeigt die Brisanz der Situation auf (vgl. Tab.2-1). Um dennoch die notwendigen

Grenzwerte einhalten zu können, haben sich einige Hersteller dazu entschlossen auf

kleinere Fahrzeugklassen auszuweichen und Fahrzeuge im Kleinst- bzw. Kleinwagen-

Segment anzubieten (Wallentowitz, Freialdenhoven & Olschewski, 2009). Auch Eric

Heymann, Branchenexperte bei Deutsche Bank Research, sieht in den CO2-Grenz-

werten den „wesentliche[n] Treiber, dass ein Unternehmen wie BMW [Modelle] wie

Mini und eine 1er Serie im Angebot hat. Einfach weil sie wissen, dass sie mit kleineren

Fahrzeugen eher an die Grenzwerte rankommen“ (Heymann, 2014; vgl. Tab. 2-5).

Dieses sogenannte „Trading-down“ bzw. „Premium light“ ermöglicht neben einer leich-

teren Zielerreichung der Grenzwerte auch die Erschliessung neuer Kundengruppen

und wirkt so zusätzlich der Sättigung auf den Automobilmärkten entgegen. Die hervor-

ragende Eignung dieser relativ leichten Fahrzeuge für die Elektromobilität und die Ein-

satzmöglichkeit für innovative Mobilitätskonzepte stellen zusätzliche Vorteile dar (TAB,

2012). BMW schaffte es, die beiden Modelle „BMW MINI“ und „BMW 1“ erfolgreich in

diesen Segmenten zu etablieren. Ähnliches gelang Mercedes-Benz mit der „A- bzw.

B-Klasse“ - die Marke „Smart“ konnte darüber hinaus sogar im Kleinstwagensegment

positioniert werden. Auch Audi entschied sich für diesen strategischen Schritt und bie-

tet mit den Fahrzeugen „Audi A1“ und „Audi A2“ zwei Modelle im Kleinwagensegment

an. Dies führt zu einem verstärkten Wettbewerb in den niedrigen Fahrzeugklassen und

erklärt, warum selbst OEMs, die mit der Einhaltung der Grenzwerte aufgrund ihrer

leichten Fahrzeugflotte weniger Probleme haben, eine weitere Verschärfung der

Grenzwerte fürchten (Heymann, 2014).

(B) Optimierung des Verbrennungsmotors

Um die gesetzlichen Grenzwerte zu erreichen, gibt es neben dem Ausweichen auf

kleinere Fahrzeugklassen auch die Möglichkeit Optimierungen an den bereits beste-

henden Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor vorzunehmen. Die Verbesserungen be-

ziehen sich dabei nicht nur auf den Verbrennungsmotor, sondern auf sämtliche

Bereiche eines Fahrzeuges. Roland Berger identifizierte diesbezüglich in einer Studie

bereits 2007 drei wesentliche Stellhebel: thermodynamische Verbesserungen, Mini-

mierung der Reibung und Optimierungen am Antriebsstrang (Roland Berger, 2009).

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Im Bereich Thermomanagement gilt es Motor und Abgassysteme auch in Extremsitu-

ationen wie Kälte oder Hitze noch optimaler einzustellen, so dass z.B. ein effektiveres

Arbeiten des Katalysators gewährleistet werden kann. Selbst im Bereich der Fahrzeug-

verkleidung und Isolation der Automobile sehen Experten grosse Verbesserungspo-

tenziale. So wurden bspw. spezielle Fensterbeschichtungen entwickelt, um die

Temperatur im Innenraum optimal regulieren zu können und somit Energie zu sparen.

Darüber hinaus ermöglichen neuartige Beschichtungstechniken und Leichtbauweisen

die Reduzierung von Luft- und Rollwiderständen und schaffen somit weitere

Kraftstoffeinsparmöglichkeiten. Experten sehen aber gerade auch direkt am Chassis

wie z.B. bei der Aerodynamik des Automobils enorme Optimierungspotenziale (BCG,

2011). Dies kann durch eine tiefere Bauweise des Automobils oder eine Verblendung

des Kühlergrills erreicht werden, wodurch sich weniger Luftverwirbelungen bei der

Fahrt bilden (o.V., 2008). Beim „VW Polo Blue Motion“ aus dem Jahre 2009 wurde mit

Hilfe der Absenkung der Karosserie, leicht veränderten Stossfängern, Heckspoilern

und einem geschlossenen Kühlergrill eine CO2-Reduktion von ca. 1,5% erreicht (Bun-

desministerium für Wirtschaft und Technologie, 2012). Wallentowitz & Freialdenhoven

(2011) zeigen schliesslich im Detail auf, mittels welcher Technologien sich konventio-

nelle Verbrennungsmotoren optimieren lassen und welche Einsparpotenziale sich da-

raus jeweils ergeben. Beim Downsizing wird der Hubraum des Verbrennungsmotors

verkleinert ohne jedoch seine Leistungsfähigkeit zu verringern. Dies geschieht

dadurch, dass die Luft bereits vor dem Eintritt in den Zylinder verdichtet wird und auf

diese Weise mehr Luft in die Brennkammer des Verbrennungsmotors gebracht werden

kann. Aufgrund des kleineren Hubraums entstehen somit geringere Wärmeverluste

und Reibungsineffizienzen werden minimiert. Zusätzlich wird das Gesamtgewicht des

Motors deutlich reduziert, was sich wiederum positiv auf den Kraftstoffverbrauch aus-

wirkt (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, 2012, Backhaus, 2014).

Kommen sämtliche Optimierungsmassnahmen zum Einsatz, kann der bisherige Kraft-

stoffverbrauch laut Experten um 20-25% reduziert werden (Deutsche Bank Research,

2009). Bedingt durch technologische Innovationen in diesem Bereich gehen spätere

Studien sogar von einem Einsparpotenzial von bis zu 40% aus (Roland Berger, 2009;

BCG, 2011). Allerdings schwanken diese Angaben in der Literatur relativ stark, da die

realisierbaren Einsparungen enorm von Grösse und Gewicht des jeweils betrachteten

Automobils abhängen. Zusätzliche technische Erneuerungen bedeuten jedoch auch

Zusatzkosten für den Kunden und liegen laut Branchenexperten bei ca. 2.000

US$/Auto (BCG, 2009b; BCG, 2011). Alle grösseren Automobilhersteller greifen heut-

zutage auf die beschriebenen Optimierungsmassnahmen zurück und versuchen auf

diese Weise die Durchschnittsemissionswerte ihrer Flotte zu reduzieren (Liesenkötter

& Schewe, 2012, S.181). Dem Kunden werden diese Fahrzeuge unter eigenen Um-

weltlabels angeboten und sollen so darüber hinaus das Image der Marke verbessern

(vgl. Abb. 2-2).

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Abb. 2-2: Ökolabels der jeweiligen Automobilhersteller

(Quelle: Webseiten der Hersteller - Eigene Darstellung)

Diese Fahrzeugmodelle werden von den Herstellern mit Zusatzbezeichnungen wie

etwa „EfficientDynamics“ (BMW, 2011), „BlueMotion“ (Volkswagen, 2011) oder

„BlueEFFICIENCY“ (Daimler, 2011) auf dem Markt beworben und zeigen dem Kunden

auf diese Weise schnell die sparsamsten Modelle der Hersteller an. Jedoch können

diese inkrementellen Verbesserungen keine endgültige Lösung darstellen. Selbst

wenn sich die gesamten Potenziale bei der Optimierung des Verbrennungsmotors re-

alisieren lassen, reicht es nicht aus, um die europäischen Grenzwerte von 95 g CO2/km

im Jahre 2020 einhalten zu können (Roland Berger, 2009; vgl. Abb. 2-3).

Abb. 2-3: Optimierungspotenziale des Verbrennungsmotors

(Quelle: Roland Berger, 2009)

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So kann über Optimierungsmassnahmen nur ein durchschnittlicher europäische Flot-

tenemissionswert von ca. 110 g CO2/km erreicht werden. Trotz zahlreicher Verbesse-

rungen stellt dies jedoch im Jahre 2020 noch immer eine Überschreitung des

europäischen Grenzwerts von ca. 15 g CO2/km dar. Arthur D. Little (2010) kommt in

seiner Studie zu einem identischen Ergebnis und prognostiziert, dass die Automobil-

hersteller mit den bestehenden Fahrzeugflotten und einer jährlichen Reduzierung der

Emissionswerte um 2% den geforderten Emissionsgrenzwert im Jahre 2020 nicht er-

reichen können.

Reine Effizienzverbesserungen reichen folglich nicht aus, um politische Grenzwerte

einhalten zu können. Auch die generelle Reduzierung von Schadstoffemissionen er-

weist sich als schwierig, da der weltweite Fahrzeugbestand in den kommenden Jahren

noch deutlich wachsen wird und folglich die Benzineinsparungen aufgrund sparsame-

rer Verbrennungsmotoren immer wieder durch ein zunehmendes Verkehrsaufkommen

kompensiert werden (Banister, 2005). Als weitere Gründe sind in diesem Zusammen-

hang sicherlich auch die steigende Motorleistung und verbesserte Innenausstattung

zu erwähnen, die letztlich zu einer Gewichtszunahme der Automobile und einem er-

höhten Kraftstoffverbrauch führen. Es zeigt sich, dass sich mit Hilfe von inkrementellen

Verbesserungen zu einem gewissen Grad Emissionen einsparen lassen. Eine reine

Optimierung des bestehenden Verbrennungsmotors genügt jedoch nicht, um die CO2-

Grenzwerte von 68-78 g CO2/km für Europa im Jahre 2025 erreichen zu können. Auch

die Zielerreichung in den anderen Ländern wie Japan, USA oder China erweist sich

zumindest ab dem Jahre 2025 als sehr kritisch. Wie kostspielig diese Optimierungs-

massnahmen für die Automobilhersteller sind, zeigte sich erst kürzlich in einer Aus-

sage des Vorstandsvorsitzenden der Volkswagen AG Martin Winterkorn. Dieser

bezifferte die Kosten für die Einsparung eines Gramms CO2 auf 100 Millionen Euro

(Winterkorn, 2014). Dies macht deutlich, dass die Hersteller in Kürze an ihre Grenzen

stossen werden und weitere Optimierungsmassnahmen zwar rein technisch möglich,

aber aus ökonomischen Gesichtspunkten wenig sinnvoll erscheinen. Um diese Grenz-

wertziele erreichen zu können, bedarf es radikalerer Veränderungen, wie einer Teil-

elektrifizierung des Antriebsstrangs oder dem vollständigen Wechsel vom

Verbrennungsmotor hin zur Elektromobilität (Backhaus, 2014). Folglich werden die Au-

tomobilhersteller, um möglichen Strafzahlungen und Imageverlusten zu entgehen, von

der Politik indirekt gezwungen, in alternative Antriebstechniken zu investieren.

2.2 Marktbezogene Entwicklungen

Neben den bereits beschriebenen politischen Treibern stellen auch marktbezogene

Treiber eine zentrale Herausforderung für die etablierten Automobilhersteller dar. Hier-

bei ist insbesondere auf die Verknappung des Rohöls näher einzugehen. Die allmäh-

liche Erschöpfung der Ölquellen hat zur Folge, dass immer wieder neue Quellen

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gesucht bzw. neue Förderungstechniken entwickelt werden müssen. Seit geraumer

Zeit sprechen Branchenexperten davon, dass das globale Ölfördermaximum (Peak

Oil) bereits erreicht sei. Dieser „Peak“ stellt dabei den Zeitpunkt dar, zu dem weltweit

die maximal mögliche Menge an Rohöl gefördert wird und daraufhin die Fördermenge

kontinuierlich über die Jahre hinweg abnehmen wird. Die Prognosen variieren von Stu-

die zu Studie jedoch recht stark, da der kalkulierte Zeitpunkt davon abhängig ist, ob

bei den Berechnungen nur das relativ leicht förderbare Rohöl oder auch „unkonventi-

onelles“ Öl betrachtet werden. Bei letzterem handelt es sich vorwiegend um den Abbau

von Ölsanden, Schieferöl oder Ölstein (Reuter, 2013). Die Internationale Energieagen-

tur veröffentlichte 2010 einen Bericht, demzufolge bereits im Jahre 2006 das För-

dermaximum für leicht förderbares „konventionelles Erdöl“ erreicht wurde (IEA, 2010).

Noch relativ reichlich vorhanden ist diesem Bericht zufolge aber „unkonventionelles

Erdöl“. Jedoch stellt diese Art der Ölförderung ein enormes ökologisches Risiko dar.

So sind z.B. die Auswirkungen des Frackings auf die Umwelt noch relativ unerforscht.

Auch werden weitaus komplexere Förderungstechniken benötigt, weshalb sich die Ge-

winnung als sehr aufwändig und kostenintensiv erweist. Dies zeigt sich auch beim Bar-

rel-Preis von über 30US-$ für unkonventionell gefördertes Öl (Dawson, 2015) im

Vergleich zu 5-6US-$ für ein traditionelles Barrel Öl aus Saudi-Arabien (Lucas, 2014).

Experten gehen folglich davon aus, dass es noch relativ lange Zeit Ölvorkommen ge-

ben wird - das einfach zu fördernde billige Öl, jedoch bald aufgebraucht sein könnte.

Diese Annahme bestätigte sich auch in den Interviews: „Ja, wir haben Peak Oil er-

reicht. Aber das heisst nicht, dass es kein Öl mehr gibt. Das heisst nur, das Öl, was es

gibt, ist zu teuer zum Fördern“ (Schumann, 2012; vgl. Tab. 2-6).

Diese Entwicklung wird sogar noch verstärkt, da für die kommenden Jahre eine wei-

terhin steigende Nachfrage nach Öl zu erwarten ist. Viele der täglich konsumierten

Produkte basieren auf Erdöl, so z.B. Medikamente, Kunststoffe, Computer, Kleidung

und natürlich Automobile. Zudem werden in den kommenden Jahren für Schwellen-

länder wie China oder Indien enorme Wachstumsraten im Automobilmarkt prognosti-

ziert. Steffen Sauerbrei von Peugeot Deutschland äussert hierzu: „Wenn der asiatische

Markt mit dem Wachstum so fortschreitet, wie es sich bisher andeutet, dann reichen

die Ressourcen im Bereich konventioneller Antriebe ganz einfach nicht aus“ (Sauer-

brei, 2012; vgl. Tab. 2-6).

Ein weiterer Grund, weshalb die Ressource Öl in Zukunft eine grosse Herausforderung

darstellt, zeigt sich bei der Verteilung der Ölreserven. Im Jahre 2013 befanden sich ca.

50% der weltweiten Erdöl-Reserven im Nahen Osten. Zu den bedeutendsten ölför-

dernden Ländern zählten hierbei Saudi-Arabien, Iran, Vereinigte Arabische Emirate,

Irak oder auch Kuwait (British Petroleum, 2014). Da sich die weltweiten Ölvorkommen

größtenteils in geopolitisch instabilen Regionen der Welt befinden, könnte folglich

durch eine Neuausrichtung im Automobilantrieb hin zur Elektromobilität die Abhängig-

keit vom Öl erheblich reduziert und ein grosser Unsicherheitsfaktor beseitigt werden.

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Schweden zeigte sich diesbezüglich als Pionier und initiierte bereits im Jahr 2005 den

Wandel hin zu regenerativen Energieträgern. Auf diese Weise wollen sie bis 2030 eine

vollständige Unabhängigkeit ihrer Fahrzeugflotte vom Öl erreichen (IEA, 2012).

Die beschriebene Verknappung von billigem Öl und die zu erwartende steigende

Nachfrage führen langfristig zu einem deutlichen Preisanstieg. Analysiert man die Ent-

wicklung des Rohölpreises über die vergangenen Jahrzehnte, so lässt sich relativ

schnell erkennen, dass dieser mit kleinen Ausnahmen konstant angestiegen ist. Kos-

tete zu Beginn der 90er-Jahre das Barrel der europäischen Rohöl-Leitsorte Brent noch

ca. 20US-$, so musste man für dieselbe Menge im Jahre 2012 durchschnittlich über

105US-$ zahlen. Dies stellt einen derart hohen Preis für Öl dar, „dass man es sich

nicht mehr leisten kann es in Autos zu verbrennen“ (Moos, 2012; vgl. Tab. 2-6). „Das

Thema Öl als fossiler Brennstoff hat einfach keine Zukunft mehr, weil es nicht mehr

erschwinglich ist“ (Schumann, 2012; vgl. Tab. 2-6). Die Volatilität und die damit hohe

Unsicherheit des Rohölgeschäftes zeigte sich schliesslich besonders nach 2014, als

der durchschnittliche Rohölpreis binnen weniger Monate auf unter 50US-$ fiel (vgl.

Abb. 2-4). Eine nahezu identische Entwicklung gab es auch für die in Nordamerika

vorherrschende Rohölsorte WTI.

Abb. 2-4: Entwicklung des Rohölpreises (Barrel Brent)

(Quelle: www.tecson.de)

Die Gründe für diesen enormen Preisverfall lassen sich mit einem Überangebot an Öl

argumentieren. Aufgrund des konstant steigenden Ölpreises wurde es für viele ameri-

kanische Unternehmen lukrativ das teurere „unkonventionelle“ Schieferöl zu fördern.

Da jedoch die Fördermengen des klassischen billigeren Rohöls von der OPEC aus

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Angst vor Marktanteilsverlusten nicht angepasst wurden, führte dies zu einem Über-

angebot am Markt und schliesslich zu dem beschriebenen rapiden Preisverfall.

Gerade für die erdölabhängige Automobilindustrie stellt diese Entwicklung des Ölprei-

ses eine ganz zentrale Herausforderung dar und könnte als elementarer Treiber für

den Wandel vom Verbrennungsmotor hin zur Elektromobilität fungieren. Weiter stei-

gende Ölpreise machen die Benutzung der Automobile mit klassischem Verbren-

nungsmotor unattraktiv und schaffen bei den Konsumenten Anreize auf alternative

Antriebe zu wechseln. Dies brachte auch US-Präsident Obama in seiner Rede im März

2013 zum Ausdruck, als er anmerkte: „The only way to really break this cycle of spiking

gas prices, the only way to break that cycle for good, is to shift our cars entirely - our

cars and trucks - off oil” (Broder, 2013). Der beschriebene Zusammenhang zwischen

Benzinpreis und Automobilwahl kann jedoch wie bei den jüngsten

Ölpreisentwicklungen auch zu einem gegensätzlichen Effekt und zu einem Zögern bei

Automobilherstellern und Kunden führen. Dies zeigt sich deutlich in einer jüngsten Stu-

die des Transportation Research Institutes der University of Michigan. Im Rahmen ei-

ner monatlich fortlaufenden Studie wurde der Benzinverbrauch aller verkaufter

Neuwagen in den USA untersucht. Während die im August 2014 verkauften Neuwagen

noch eine durchschnittliche Reichweite von 25.8mpg erreichten, sank diese im De-

zember 2014 ab auf 25.1mpg. Im Vergleich zum Zeitpunkt, als der Ölpreis noch auf

einem Höchststand war, wurden somit bereits wenige Monate später Automobile ver-

kauft, mit denen pro Gallone Benzin ca. 0.7 Meilen weniger weit gefahren werden

konnte. Die Forscher der Studie führten dies auf den sinkenden Benzinpreis und die

damit verbundene steigende Bereitschaft der Kunden grössere, weniger kraftstoffspa-

rende Automobile zu kaufen zurück (UMTRI, 2015).

Stellt somit der derzeit zu beobachtende Ölpreisverfall womöglich nur den Beginn ei-

nes weiteren Scheiterns der Elektromobilität dar? Auch wenn der Preisverfall auf den

ersten Blick für die Automobilhersteller erfreulich erscheint, zeigt dieser Trend jedoch

auch gravierende Nachteile. Wie im vorhergehenden Abschnitt bereits beschrieben,

sind die Automobilhersteller gezwungen maximale Emissionsgrenzwerte für ihre Neu-

wagenflotte einzuhalten. Dies zwingt sie dazu auch besonders schadstoffarme Auto-

mobile zu verkaufen (Talbot, 2015). Greifen jedoch die Kunden aufgrund niedriger

Ölpreise verstärkt zu konventionellen Automobilen, können die Hersteller entspre-

chende Emissionsvorgaben nicht einhalten und es drohen Strafzahlungen. In einem

anfangs 2015 veröffentlichten Bericht prognostizierte die U.S. Energy Information Ad-

ministration (EIA) für die folgenden Jahre jedoch wieder steigende Ölpreise. So geht

die Studie kurzfristig von einem Rohölpreis der Sorte Brent von $58/bbl in 2015 und

$75/bbl in 2016 aus (EIA, 2015). Langfristig unterscheiden sich jedoch die Prognosen

der Analysten teilweise erheblich voneinander – auch wenn die grundsätzliche Preis-

entwicklung deutlich wird. So werden Preise von bis zu $171/bbl für das Jahr 2040

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prognostiziert (EIA, 2014). Diese hohe Varianz zeigt die hohe Unsicherheit, die mit

dem Ölpreis verbunden ist.

Es bleibt festzuhalten, dass aus marktbezogener Perspektive ein Wechsel hin zur

Elektromobilität eine sinnvolle Lösung darstellen kann. Auf diese Weise könnte die

Abhängigkeit vom Öl reduziert und Strom als neue Energiequelle für den Verkehr ge-

nutzt werden. Auch wenn die Ölpreise sich kurzfristig auf einem relativ niedrigen Ni-

veau bewegen, gehen Analysten aufgrund der steigenden Nachfrage und dem Wegfall

von einfach zu förderndem Öl in den kommenden Jahren wieder von einem deutlichen

Preisanstieg aus. Um auch in Zukunft eine zentrale Rolle im Bereich der Mobilität zu

spielen, müssen Automobilhersteller bereits heute langfristige nachhaltige Strategien

forcieren und können nicht punktuell auf mögliche Ölpreisentwicklungen spekulieren.

Neue Förderungstechniken sowie die Tatsache, dass sich entsprechende Ölvorkom-

men überwiegend in politisch kritischen Regionen befinden, liefern weitere zentrale

Argumente für eine schnelle Abkehr vom Öl.

2.3 Gesellschaftliche Entwicklungen

Neben politischen und marktbezogenen Treibern stellen für die Automobilhersteller

derzeit auch gesellschaftliche Veränderungen eine grosse Herausforderung dar. Seit

einigen Jahren ist ein klarer Trend zu beobachten, dass z.B. der Besitz eines eigenen

Automobils immer mehr an Bedeutung verliert und dafür der Nutzung von Mobilität ein

deutlich grösserer Stellenwert beigemessen wird. Da Konsumenten heutzutage mobi-

ler denn je sind, mag diese Entwicklung auf den ersten Blick paradox wirken, jedoch

lassen sich für diesen Trend zahlreiche Gründe finden. Gerade „im Ballungsgebiet wird

die Notwendigkeit ein Automobil zu benutzen immer geringer […], weil einfach das

Umfeld so ist, dass es immer schwieriger wird ein Automobil zu nutzen” (Backé, 2014;

vgl. Tab. 2-7). Denn hohe Investitionskosten bei der Anschaffung eines Automobils,

ein rasanter Wertverlust, fixe Unterhalts- und Betriebskosten und die immer schwieri-

ger werdende Parkplatzsituation in vielen Grossstädten stellen hierbei die zentralen

Argumente dar. Auch die Tatsache, dass bei den meisten Besitzern das Auto am Tag

ca. 23 Stunden steht und nur 1 Stunde effektiv genutzt wird, sowie ein generell gestie-

genes Umweltbewusstsein und damit auch der Ruf nach sinkendem Kraftstoffver-

brauch bei den Automobilen führen bei vielen Bürgern derzeit zu einem Umdenken,

wie sie ihre Mobilität gestalten wollen (Heymann, 2014).

Somit konnten in den vergangenen Jahren diverse Formen der gemeinsamen Auto-

mobilnutzung enorm an Bedeutung gewinnen. Hierbei lassen sich diverse Systeme

unterscheiden. Die klassische Autovermietung und das Carsharing. Bei der Autover-

mietung dienen fixe Stationen als Start- und Zielpunkt für den Kunden und die Vermie-

tung ist auf eine mittlere Mietdauer ab einem Tag ausgelegt. Daneben haben sich auch

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Carsharing-Systeme etabliert, die zwar deutlich mehr auf eine Kurzzeitmiete ausgelegt

sind, jedoch oftmals nach wie vor an fixen Stationen zurückgegeben werden müssen.

Flinkster von der Deutschen Bahn oder Mobility in der Schweiz stellen hier wichtige

Vertreter dar. Den Nachteil, die Automobile jeweils an fixen Stationen zurückgeben zu

müssen, versucht man bei dem sogenannten Free-Floating Carsharing zu vermeiden.

Hier können die Automobile jederzeit innerhalb eines bestimmten Gebietes an- und

abgemeldet werden. Da die Automobile nicht zum Ausgangsort zurückgebracht wer-

den müssen, eignet sich dieses Carsharing-Konzept besonders für Einwegfahrten

bzw. Kurzzeitnutzung. Als Vertreter sind hierbei vor allem DriveNow, car2go und Mul-

ticity zu nennen (VCD, 2015). Neben dem Carsharing erfreuen sich auch

Mitfahrzentralen oder private Fahrdienstleister wie Uber oder Lyft vor allem in den USA

grosser Beliebtheit (Mandir, 2014). Die aufgezeigten Modelle basieren alle auf dem

Grundgedanken der Share Economy und beinhalten, „dass man also nicht mehr un-

bedingt die Dinge besitzen muss, um sie benutzen zu können, sondern dass man nur

Zugriff oder Zugang zu den Themen haben muss” (Thomsen, 2014; vgl. Tab. 2-7).

Neben dem Trend „Nutzen statt Besitzen“ lässt sich in den vergangenen Jahren auch

erkennen, dass das Automobil für viele Menschen nicht mehr in dem Masse wie früher

als Statussymbol dient (Knie, 2014). Sigl (2012) geht sogar noch einen Schritt weiter

und sieht nicht nur einen leichten Bedeutungsverlust für das Automobil, sondern fun-

damentale Einstellungsveränderungen bei den Konsumenten: „Und des Deutschen

liebstes Kind ist immer noch das Auto. Auch da sehen wir einen prägnanten Wandel.

Weil wenn Sie sich nämlich mit Jugendlichen beschäftigen und Kindern, stellen Sie

fest: dieses Statussymbol ‘Auto’ hat ausgedient“ (vgl. Tab. 2-7). Diese Entwicklung ist

vor allem bei der jüngeren Generation zu beobachten, die sich heutzutage über ganz

andere Objekte definiert. Canzler & Knie (2009) führen in ihrem Strategiepapier dies-

bezüglich vor allem „Reisen und Bildung sowie die Nutzung von Telekommunikations-

techniken“ auf. Die Autoren gehen bei ihren Überlegungen sogar soweit, dass sich die

Statussymbole nicht nur verschieben, sondern dass umweltschädliche SUVs oder Ge-

ländewagen gar als Symbol der Unterschicht wahrgenommen werden könnten. Zwar

gibt es hier bei der Definition der Statussymbole zwischen den Ländern noch grössere

Unterschiede, jedoch ist davon auszugehen, dass Länder wie China bald auch den

Trends aus Europa und den USA folgen und die Bedeutung des Automobils deutlich

abnehmen wird (Roland Berger, 2011a).

Zusätzlich zu der Veränderung der Statussymbole lässt sich auch ein genereller Be-

deutungsverlust des Automobils ausmachen. Diese Entwicklung zeigt sich z.B. bei den

PKW-Neuzulassungen. Während 2007 in Europa noch 16,0 Mio. Fahrzeuge zugelas-

sen wurden, sank dieser Wert 2014 auf nur noch 12,5 Mio. (ACEA, 2008, 2015). Eine

ähnliche Entwicklung lässt sich auch in anderen Ländern wie z.B. der USA ausma-

chen. Hatte man über die letzten Jahrzehnte einen stets steigenden PKW-Bestand zu

verzeichnen, erreichte man im Jahre 2008 mit 139,0 Mio. Fahrzeugen den absoluten

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Höchstwert. Seit diesem Zeitpunkt waren die Registrierungen konstant rückläufig und

sanken 2012 schliesslich auf 127,1 Mio. (NHTSA, 2010, 2014). Dass derzeit vor allem

bei der jüngeren Generation ein Umdenken stattfindet, lässt sich in vielen Ländern im

Laufe des letzten Jahrzehnts auch anhand der Führerscheinquoten erkennen. So wur-

den beispielsweise in Norwegen, Schweden, Deutschland, UK, Kanada, Japan, Süd-

korea, USA und Australien bei der jungen Generation (~18-30 Jahre) rückläufige

Zahlen bei den Führerscheinen beobachtet (Delbosc & Currie, 2013).

Dass sich diese Einstellungsveränderungen bzgl. des Automobils vor allem in den jün-

geren Altersgruppen bemerkbar machen, ist für die Hersteller insofern bedenklich, da

diese Gruppe einmal die zukünftigen Automobilbesitzer darstellen. Prof. Dr. Andreas

Knie vom Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel führt dies-

bezüglich an, dass die typischen Kunden solcher Carsharing-Angebote zwischen 25

und 35 Jahre alt sind und „nicht auf die Idee kommen einen Audi oder ein X1 oder

einen Mini zu kaufen” (Knie, 2014; vgl. Tab. 2-7). Auch breiten sich Trends häufig von

der jüngeren Generation auf die restlichen Altersgruppen aus (Bratzel, 2011). Da in

den kommenden Jahren von einer weiteren Urbanisierung auszugehen ist, gilt es auf

die veränderten Bedürfnisse der Kunden einzugehen und vor allem für den städtischen

Bereich neue zukunftsfähige Mobilitätslösungen anzubieten. Die Herausforderung für

die Automobilhersteller wird es sein in Zukunft integrierte Mobilitätskonzepte zu lan-

cieren und verschiedene Varianten der Mobilität zu verknüpfen. Dies umfasst neben

dem Automobil auch die Bahn, Flugzeug, Car-Sharing, ÖPNV, Fahrräder oder Mitfahr-

gelegenheiten. Die Kunden bekommen somit intermodale Mobilitätskonzepte, die für

sie schneller, kostengünstiger sowie umweltfreundlicher sind und somit eine reelle Al-

ternative zum bisherigen Automobil darstellen. Für die Automobilhersteller gilt es diese

neuen gesellschaftlichen Bedürfnisse aufzunehmen und mit zukunftsträchtigen An-

triebskonzepten wie der Elektromobilität zu verknüpfen. Wie dies geschehen kann,

wird in dieser Arbeit noch näher thematisiert werden.

2.4 Wettbewerbsbezogene Entwicklungen

Nachdem bereits drei zentrale Herausforderungen aufgezeigt wurden, soll als letzter

Punkt schliesslich die Wettbewerbssituation in der Branche diskutiert werden. Betrach-

tet man die weltweite Automobilproduktion über die letzten Jahrzehnte, so lässt sich

erkennen, dass in Europa, Japan und den USA (Triade) seit den 90er-Jahren bereits

kaum noch Wachstum generiert werden konnte und man sich in einem reinen Seit-

wärtstrend bewegte. Zwischen 1990 und 1999 in Japan und seit 2000 in den USA und

Westeuropa konnte aufgrund von Überkapazitäten sogar ein Rückgang bei der Zahl

der Neuregistrierungen beobachtet werden (vgl. Tab. 2-4).

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1980-1989 1990-1999 2000-2004

USA

3.19% 1.89% -0.61%

Westeuropa

3.50% 1.47% -0.78%

Japan

4.24% -1.93% 1.20%

Tab. 2-4: Veränderung der Neuregistrierungen in der Triade

(Quelle: in Anlehnung an Becker, 2006, S.88 - Eigene Darstellung)

Um diesem Trend entgegenzuwirken und sinkende Absatzzahlen auszugleichen, ent-

schlossen sich viele OEMs ihre Modellpalette zu erweitern und auch in ehemals

scheinbar unattraktive Segmente zu investieren. Auf diese Weise entwickelten sich

viele der einst auf bestimmte Segmente fokussierten OEMs zu Vollsortiment-Anbietern

(Becker, 2006). Wie bereits beschrieben, orientierten sich dabei Premiumhersteller wie

BMW oder Daimler in Richtung Kleinwagensegment. Der Volumenhersteller Volkswa-

gen hingegen ging den umgekehrten Weg und versuchte 2002 mit dem „VW Phaeton“

im Oberklassesegment Fuss zu fassen. Ein weiteres Ergebnis der sinkenden Absätze

stellten neue Fahrzeugklassen dar. So stieg General Motors mit dem „Opel Meriva“

und Ford mit dem „Ford Fusion“ z.B. in die neue Fahrzeugklasse der Minivans ein. Im

Gegensatz zu den gesättigten Märkten in der Triade konnten die BRIC-Staaten bei

den PKW-Verkäufen in den vergangenen Jahren einen deutlichen Aufschwung ver-

zeichnen. Besonders im chinesischen Markt sehen die Hersteller grosses Potenzial

und die Chance, die stagnierenden Verkaufszahlen aus der Triade ausgleichen zu

können. Dieses Potenzial wird besonders deutlich bei einem Blick auf die PKW-Dichte

in den verschiedenen Ländern (vgl. Abb. 2-5).

Abb. 2-5: Weltweite PKW-Dichte in Automobilen/1000 Einwohner (1995-2012)

(Quelle: ACEA, 2014, S.72)

Während die PKW-Dichte in Europa bzw. Japan abnehmende Wachstumszahlen auf-

zuweisen hat und sich somit langsam dem Maximum nähert, ist in den USA bereits

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eine sinkende PKW-Dichte zu beobachten. Vor allem Länder wie China und Indien

befinden sich hingegen derzeit noch auf einem sehr niedrigen Niveau und lassen für

die Zukunft deutliche Zuwächse erwarten. Dies begründet sich einerseits mit dem öko-

nomischen Wachstum in diesen Ländern, aber auch mit der zunehmend liberalen Han-

delspolitik. Infolgedessen ist in China nahezu mit einer Verdopplung der Absatzzahlen

zwischen den Jahren 2012 und 2025 zu rechnen (Oliver Wyman, 2012). Im Zuge der

Verschiebung der Absatzmärkte ist auch eine Verlagerung der Produktionsstätten zu

beobachten. Viele der Automobilhersteller aus der Triade sehen in Ländern wie China

den Automobilmarkt der Zukunft und verlagern ihre Produktionsstätten in diese Regi-

onen. Wurden 2005 noch ca. 5 Mio. Automobile in China produziert, waren es 2011

bereits über 17 Mio. (Oliver Wyman, 2012). Für das Jahr 2025 wird dem asiatischen

Raum ein Produktionsanteil von über 50% aller Automobile vorausgesagt, wobei China

dabei laut Prognosen mit ca. 30% den grössten Beitrag beisteuert (CAAM, 2015). Die-

ses enorme Wachstumspotenzial wollen sich auch die Automobilhersteller aus Europa

und den USA zu Nutze machen. Wurden zur Jahrtausendwende nur eine Hand voll

Modelle ausländischer OEMs in China produziert, steigerte sich dies bereits 2003 -

parallel zur Stagnation in der Triade - auf ca. 60 Modelle (Mercer, 2004).

Doch trotz dieser Aussichten ist diese Entwicklung für die chinesische Automobilin-

dustrie mit enormen Schwierigkeiten verbunden. Da die eigene Industrie noch relativ

jung ist und folglich weniger Erfahrungen mit dem Bau von Automobilen besitzt, drän-

gen ausländische Hersteller ins Land und versuchen vom Aufschwung zu profitieren.

Zumal die ausländischen Hersteller bereits eine jahrzehntelange Erfahrung im Auto-

mobilbau aufweisen und qualitativ hochwertigere Verbrennungsfahrzeuge produzieren

(Fromm, 2015), fällt der Marktanteil chinesischer Marken im eigenen Land mit 28%

entsprechend niedrig aus (Heiden & Taube, 2013). In Folge dieser Tatsache versu-

chen chinesische Automobilhersteller nicht den Entwicklungsvorsprung westlicher

Hersteller beim Verbrennungsmotor aufzuholen, sondern fokussieren sich stattdessen

frühzeitig auf die Entwicklung batteriebetriebener Fahrzeuge (PwC, 2009; Meissner,

2014). Da sich die Herstellung eines Verbrennungs-Fahrzeugs und eines Elektromo-

bils erheblich voneinander unterscheidet, befinden sich alle Hersteller nahezu auf

demselben Wissensstand. Eine starke Batterieindustrie im eigenen Land stellt für chi-

nesische Automobilhersteller einen weiteren wichtigen Vorteil für den Schritt in die

Elektromobilität dar (Heiden & Taube, 2013). Mit Hilfe dieser „Leapfrogging-Strategie“

erhoffen sich die chinesischen Hersteller in Zukunft eine bedeutendere Rolle in der

Automobilindustrie spielen zu können (Heiden & Taube, 2013). Auch Zukunftsforscher

Lars Thomsen sieht eine zunehmende Bedeutung neuer Akteure vor allem aus dem

asiatischen Raum. „[D]er Erfolg von Tesla wird im Schlepptau eine ganze andere

Menge Firmen auch inspirieren über die Herstellung von individueller Mobilität nach-

zudenken“, so dass bereits innerhalb weniger Jahre Akteure aus Südkorea, Japan und

China auf den Markt drängen (Thomsen, 2014; vgl. Tab. 2-8). Zwar liegen dieser Aus-

richtung in Richtung Elektromobilität in erster Linie industriepolitische Ziele zugrunde

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und die Qualität der bisherigen Elektroautos ist sicher noch verbesserungsfähig (Meis-

sner, 2014), so stellt diese Entwicklung jedoch für etablierte Automobilhersteller eine

gewaltige Herausforderung dar. Ein zu langes Zögern kann einen erheblichen Tech-

nologierückstand nach sich ziehen und langfristig die bisherige Stellung im Automobil-

markt gefährden. Kurt Sigl, Präsident des Bundesverbandes für

eMobilität, rechnet in den kommenden Jahren mit einer raschen Verbreitung der

Elektromobilität, „weil der Druck aus den USA, aus Asien - egal ob Indien, China oder

Japan - enorm hoch ist“ (Sigl, 2012; vgl. Tab. 2-8). Wenn der traditionelle Verbren-

nungsmotor auch nicht von heute auf morgen verschwinden wird, so ist es doch für die

Zukunft der OEMs notwendig bereits heute den Grundstein zu legen für zeitgemässe,

effizientere und umweltfreundlichere Antriebstechniken.

Neben dem enormen Druck aus dem asiatischen Markt ergeben sich für die etablierten

Automobilhersteller jedoch auch auf den heimischen Märkten grosse Gefahren. An-

bieter rein batteriebetriebener Elektrofahrzeuge drängen verstärkt auf den Markt und

bringen die OEMs auf diese Weise gehörig unter Druck. Das erfolgreichste Unterneh-

men ist hierbei sicherlich Tesla Motors, das im Jahre 2006 mit dem „Tesla Roadster“

sein erstes Elektromobil einer breiten Öffentlichkeit präsentierte. Dies stellte in meh-

rerlei Hinsicht eine Besonderheit dar. So handelte es sich bei Tesla Motors nicht um

einen bereits bestehenden Automobilhersteller, der jahrzehntelange Erfahrung im Au-

tomobilbau aufzuweisen hatte, sondern um ein vollkommen neu gegründetes Unter-

nehmen. Elon Musk zeigte, dass im Bereich der Elektromobilität auch vollkommen

branchenfremde Spieler einen grossen Erfolg haben und für etablierte Spieler in kür-

zester Zeit zu ernsthaften Konkurrenten heranwachsen können. Eine weitere Beson-

derheit stellte dabei das Produkt an sich dar. Ähnelten in der Vergangenheit die von

den Automobilherstellern angebotenen Elektromobile eher konventionellen Fahrzeu-

gen, denen ein negatives Öko-Image anhaftete, schaffte es Tesla Motors mit dem

„Tesla Roadster“ und dem „Tesla Model S“ serienfähige Elektrofahrzeuge zu präsen-

tieren, die sowohl vom Design als auch in der Leistungsfähigkeit zu überzeugen wuss-

ten. Dass ein rein batteriebetriebenes Elektrofahrzeug im Sportwagensegment

angeboten wurde, zeigte der Konkurrenz, was zu diesem Zeitpunkt technisch bereits

möglich war. Für Rudschies (2012) stellt Teslas erstes serienmässiges Elektrofahr-

zeug eine regelrechte „Initialzündung“ für die grossen Automobilhersteller dar und

kommt somit eine „ganz entscheidende Rolle“ für die Verbreitung der Elektromobilität

zu (vgl. Tab. 2-8). Tesla Motors schaffte es, trotz der allgegenwärtigen Diskussion in

der Branche über Reichweitenprobleme, sich gerade im für Elektromobile

schwierigsten Fahrzeugsegment zu positionieren. Ähnlich wie bereits bei den Wettbe-

werbern aus dem asiatischen Raum gilt es für die etablierten Automobilhersteller auch

gegen diese neuen Akteure der Automobilbranche nicht in einen zu grossen Entwick-

lungsrückstand zu geraten.

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32 |

2.5 Zusammenfassung

Im Rahmen dieses Kapitels wurde aufgezeigt, mit welchen Herausforderungen die Au-

tomobilhersteller derzeit konfrontiert werden. Neben umweltpolitischen, marktbezoge-

nen und gesellschaftlichen Entwicklungen spielen besonders auch die Wettbewerber

eine entscheidende Rolle.

Umweltpolitische Entwicklungen wie die Einführung klar definierter Emissionsober-

grenzen zwingen die Hersteller dazu die Emissionswerte ihrer Automobile erheblich

zu verbessern. Die OEMs allerdings haben einen Anreiz möglichst lange auf der be-

stehenden Technologie des Verbrennungsmotors zu bleiben und versuchen die gefor-

derten Emissionswerte durch den Wechsel in kleinere Fahrzeugklassen oder

inkrementelle Optimierungsmassnahmen an den bestehenden Modellen zu erreichen.

Auf diese Weise gelingt es einigen Herstellern möglicherweise die Emissionsvorgaben

für 2020 zu erfüllen, jedoch spätesten ab 2025 reichen diese inkrementellen Verbes-

serungen nicht mehr aus und radikalere Innovationen werden notwendig. Um diese

strengeren Vorgaben einhalten zu können, müssen die Hersteller auf alternative An-

triebstechniken wechseln.

Bei den marktbezogenen Treibern ist besonders die Verknappung des Rohöls zu the-

matisieren. Die zunehmende Nachfrage nach Öl führt zu einem rasant ansteigenden

Ölpreis und macht das Autofahren mit konventionellem Verbrennungsmotor zuneh-

mend unattraktiv. Auch wenn sich die Lage auf dem Markt wieder entspannt hat, ist

laut Experten in naher Zukunft bereits wieder von einem ansteigenden Ölpreis auszu-

gehen. Um den weltweit steigenden Bedarf nach Öl decken zu können, wurden in den

vergangenen Jahren neue Förderungstechniken entwickelt, so dass auch aus Sanden

bzw. Schiefergestein Öl gefördert werden konnte. Die Auswirkungen dieser neuen För-

dermethoden auf die Umwelt werden von vielen Experten jedoch als unklar beurteilt.

Auch wenn vermutlich Erdöl als Rohstoff nicht so schnell ausgehen wird, so ist zumin-

dest offensichtlich, dass das einfach zu fördernde und somit günstige Öl bald aufge-

braucht sein wird. Dass viele der Ölvorkommen in teilweise politisch instabilen

Regionen liegen, stellt einen weiteren Grund dar sich vom Öl abzuwenden und mög-

lichst schnell Alternativen für den Verbrennungsmotor zu finden.

Auf gesellschaftlicher Ebene sind besonders die Einstellungsveränderungen junger

Menschen hinsichtlich des Automobils zu erwähnen. Für diese Generation stellt das

Automobil oftmals kein besonderes Statussymbol mehr dar, weshalb auf den eigenen

Besitz auch weniger Wert gelegt wird. Durch den Megatrend „Sharing“ müssen keine

Einschränkungen bei der Mobilität hingenommen werden. Auch legen viele der jungen

Menschen bereits ein verändertes Mobilitätsverhalten an den Tag, das nicht mehr nur

auf ein einzelnes Fortbewegungsmittel ausgelegt ist, sondern aus einem breiten Port-

folio an Verkehrsmitteln besteht.

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Die Wettbewerber aus dem asiatischen Automobilmarkt stellen für die traditionellen

OEMs schliesslich die vierte grosse Herausforderung dar. Da diese im Bereich des

Verbrennungsmotors gegenüber ausländischen Herstellern einen relativ grossen Ent-

wicklungsrückstand zu verzeichnen haben, sehen sie in der Elektromobilität eine

grosse Chance. Diese Entwicklung erhöht automatisch den Druck auf die anderen

etablierten Hersteller, die befürchten müssen ins Hintertreffen zu geraten und den An-

schluss an die möglicherweise neue Technologie der Zukunft zu verlieren.

Grundlage für die Identifikation dieser vier Entwicklungen bilden zahlreiche Interviews

mit Branchenexperten. Mit Hilfe derer konnten die derzeitigen Veränderungen in der

Automobilindustrie diskutiert und schliesslich die beschriebenen vier

Herausforderungen identifiziert werden. Am Ende dieses Kapitels werden die zentra-

len Aussagen aus den Interviews für jede Kategorie noch einmal tabellarisch festge-

halten (vgl. Tab. 2-5, 2-6, 2-7, 2-8). Anhand der Zitate wird offensichtlich, dass die

Entwicklungen nicht nur von Beobachtern wie Analysten und Verbänden wahrgenom-

men werden, sondern auch von den Herstellern selbst. Dies deutet darauf hin, dass

der Wandel in der Automobilindustrie hin zu alternativen Antriebsformen möglicher-

weise kurz bevorsteht. Unklar hingegen bleibt, wie auf die identifizierten Herausforde-

rungen seitens der Hersteller reagiert werden soll. Für die Lösung stehen eine Reihe

alternativer Antriebstechnologien zur Verfügung, wobei derzeit besonders Hybrid- und

Elektrofahrzeugen die grössten Erfolgschancen eingeräumt werden. Welche dieser Al-

ternativen sich letztendlich durchsetzen wird oder ob es zu einer Koexistenz mehrerer

Technologien kommt, ist zum jetzigen Zeitpunkt nur schwer prognostizierbar. Mitent-

scheidend dürfte hierbei sein, wie die weitere Entwicklung in Zukunftsmärkten wie

China und Indien verläuft und welche Alternative dort präferiert wird. Des Weiteren gilt

abzuwägen, welche der Antriebsformen zur Lösung der identifizierten

Herausforderungen besonders geeignet ist. Hierfür ist ein kurzer Blick auf beide An-

triebsformen notwendig.

Bei der Hybridtechnologie werden mittels Verbrennungsmotor und Elektromotor zwei

Antriebskonzepte in einem Fahrzeug kombiniert. Dies ermöglicht sowohl hohe Reich-

weiten und Geschwindigkeiten bei Überlandfahrten als auch relativ geringe Emissions-

werte und geräuscharmes Fahren im Stadtbereich. Aufgrund des noch vorhandenen

Verbrennungsmotors kann die bestehende Tankstellen-Infrastruktur weiterhin genutzt

werden. Toyota als typischer Vertreter dieser Antriebstechnologie konnte aufzeigen,

dass die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei

Probleme darstellt. Fraglich ist jedoch, ob mit dieser Technologie auch strengere

Grenzwerte nach 2020 eingehalten werden können und wie der Zugang zu Null-Emis-

sions-Umweltzonen ermöglicht werden kann. Im Gegensatz zu Hybridfahrzeugen ba-

siert der Antrieb von rein batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen auf Elektromotor und

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Batterie. Der Ausstoss direkter CO2-Emissionen kann auf diese Weise vollständig ver-

hindert werden, so dass auch Umweltzonen mit Beschränkung auf Null-Emissions-

Fahrzeuge befahren werden können. Folglich lassen sich auch strengste Emissions-

grenzwerte in fernerer Zukunft einhalten. Motorwirkungsgrad, Beschleunigung, ein na-

hezu geräuschloses Fahren und die Unabhängigkeit vom Erdöl stellen weitere zentrale

Vorteile dieser Fahrzeuge dar. Als Kritik wird häufig die noch lückenhafte Ladeinfra-

struktur und Reichweitenproblematik aufgeführt.

Im Rahmen dieser Arbeit wird der Fokus auf die rein batteriebetriebenen Elektrofahr-

zeuge gelegt. Diese stellen eine realistische, aber nicht die einzig mögliche Lösung für

die oben angeführten Herausforderungen dar. In seinem Ausblick auf die Automobil-

industrie der Zukunft schreibt Prof. Ferdinand Dudenhöfer (2015): „Es spricht viel da-

für, dass durch neue Batterie-Generationen, die um das Jahr 2020 im Serieneinsatz

sein werden, das batteriegetriebene Elektroauto der Königsweg der Antriebe in der

Zukunft sein wird. Der Markt China spielt dabei eine Schlüsselrolle“. Ob sich diese

Technologie letztendlich wirklich auf den Märkten durchsetzt, mit welchen Marktantei-

len und zu welchem Zeitpunkt ist derzeit jedoch noch unklar.

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Tab. 2-5: Treiber „Umweltpolitik“

(Quelle: Interviews - Eigene Darstellung)

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Tab. 2-6: Treiber „Markt“

(Quelle: Interviews - Eigene Darstellung)

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Tab. 2-7: Treiber „Gesellschaft“

(Quelle: Interviews - Eigene Darstellung)

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Tab. 2-8: Treiber „Wettbewerb“

(Quelle: Interviews - Eigene Darstellung)

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3 Derzeitige Strategien der Automobilhersteller im Bereich

der Elektromobilität

Während im vorhergehenden Kapitel die Herausforderungen für die OEMs analysiert

wurden und die rein batteriebetriebene Elektromobilität als eine realistische Antriebs-

lösung für die Zukunft identifiziert wurde, sollen in diesem Kapitel vor allem die bishe-

rigen Elektromobilitätsstrategien der etablierten OEMs im Mittelpunkt stehen. Hierbei

gilt es im Besonderen aufzuzeigen, was seitens der etablierten OEMs bereits alles im

Bereich der Elektromobilität unternommen wurde.

Aufgrund der im vorherigen Kapitel beschriebenen Veränderungen wird erkennbar,

dass klassische Verbrennungsfahrzeuge langfristig ausgedient haben und von alter-

nativen Antrieben wie z.B. Elektrofahrzeugen ersetzt werden. Um das Thema Elektro-

mobilität auch von Seiten der Länder voranzubringen und dessen Wichtigkeit zu

betonen, haben viele Regierungen der führenden Automobilländer für die kommenden

Jahre Zielvorgaben ausgegeben. So wurden für das Jahr 2015 in den USA 1 Mio. und

in China 0.5 Mio. Elektrofahrzeuge veranschlagt. Die chinesische Regierung gab zu-

sätzlich bereits für das Jahr 2020 einen Zielwert von 5 Mio. Fahrzeugen aus (BCG,

2011, S.17). In Deutschland wurde wie auch in China ein weiterer Zeitraum definiert

und für das Jahr 2020 eine Zielvorgabe von 1 Mio. Elektrofahrzeugen ausgegeben.

Trotz dieser Leitlinien und dem ständigen Bekenntnis der Regierungen zur Elektromo-

bilität, ist in der Branche derzeit dennoch eine grosse Unsicherheit auszumachen. Dies

lässt sich unter anderem damit begründen, dass das Potenzial an rein batteriebetrie-

benen Elektromobilen derzeit nur sehr schwer abzuschätzen ist, und wird besonders

deutlich bei einem Blick auf die Absatzprognosen für das Jahr 2020.

Abbildung 3-1 zeigt die Vorhersagen einiger Studien für das Jahr 2020 grafisch auf.

Die Werte beziehen sich auf den europäischen bzw. weltweiten Automobilmarkt und

stellen prognostizierte Neuzulassungen rein batteriebetriebener Elektrofahrzeuge dar.

Die ältesten Zahlen in dieser Betrachtung stammen aus dem Jahre 2009 und wurden

von der Boston Consulting Group (2009a) publiziert. Während der Elektromobilität in

Europa im ungünstigsten Fall quasi kaum noch eine Bedeutung zukommt, können die

rein batteriebetriebenen Fahrzeuge bei optimaler Entwicklung bis zu 12% der Neuwa-

genverkäufe ausmachen. Die Absatzprognose zwei Jahre später von McKinsey (2011)

fällt etwas niedriger aus und bewegt sich je nach betrachtetem Szenario zwischen 2%

und 7%. Die Analysten von J.D. Power (2010) gehen für das Jahr 2020 in Europa

sogar nur von 742.000 Elektrofahrzeugverkäufen aus, was einer Absatzquote von ca.

3% entspricht.

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Bei einer globalen Betrachtung prognostizieren Bain & Company (2010) Absätze für

reine Elektrofahrzeuge zwischen 2% und maximal 20%. J.D. Power (2010) und Frost

& Sullivan (2014b) hingegen kalkulieren für 2020 lediglich mit einem weltweiten Absatz

von 1.8% bzw. 1.3% rein batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen.

Sowohl bei europäischer als auch weltweiter Betrachtung zeigt sich, dass die Absatz-

prognosen bereits im Laufe weniger Jahre teilweise erheblich voneinander abweichen.

Eine Erklärung für solche Unterschiede liegt zum Grossteil in den unterschiedlichen

Annahmen von Ölpreis-, Emissionsgrenzwert- bzw. Batteriepreisentwicklungen und

abweichenden Einschätzungen inwiefern der Staat Fördermassnahmen ergreift. Auf-

grund der Anzahl der Einflussfaktoren lassen sich schwer realistische Prognosen ab-

geben, was zu einer Verunsicherung des Marktes beiträgt.

Diese Verunsicherung spiegelt sich in einem gewissen Masse auch in den bisherigen

Reaktionen der etablierten Automobilhersteller wider. Nachdem im vorherigen Kapitel

die Notwendigkeit rein batteriebetriebener Fahrzeuge aufgezeigt wurde, werden im

Folgenden die bisherigen Elektromobilitätsstrategien der etablierten Hersteller disku-

tiert. Hierbei wird vor allem herausgearbeitet, wie konsequent die jeweiligen Strategien

verfolgt wurden. Um dies besser beurteilen zu können, werden die Elektromobilitäts-

strategien der bedeutendsten OEMs anhand des Einstiegszeitpunkts, Fahrzeugdesign

und der Vision von zukünftiger Mobilität bewertet.

Abb. 3-1: Absatzprognosen Elektrofahrzeuge für 2020 (EU + Global)

(Quelle: diverse Studien - Eigene Darstellung)

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3.1 Einstiegszeitpunkt in den Elektromobilitätsmarkt

Vergleicht man die Strategien der etablierten Hersteller, so ist auffällig, dass sich diese

mit wenigen Ausnahmen schwer getan haben in das Feld der Elektromobilität einzu-

steigen und entsprechend lange mit der Einführung gewartet haben. Für dieses Ver-

halten werden seitens der OEMs zahlreiche Gründe aufgeführt.

Ein zentrales Problem in der Automobilbranche stellt dabei die Henne-Ei-Diskussion

dar. Während die OEMs sich mit dem Marktstart neuer Elektrofahrzeuge zurückhalten

und zuerst eine flächendeckende öffentliche Infrastruktur fordern, sehen Infrastruk-

turanbieter hingegen die OEMs in der Pflicht mehr Elektrofahrzeuge auf die Strasse

zu bringen, um ein tragfähiges Geschäftsmodell für die Ladeinfrastruktur anbieten zu

können. Ergebnis dieser Diskussionen ist, dass keiner der beiden Akteure ein zu gros-

ses Risiko eingehen will und sich vorerst mit entsprechenden Investitionen im Bereich

Elektromobilität zurückhält. Neben der fehlenden Ladeinfrastruktur stellt vor allem

auch die Batterie heutiger Elektrofahrzeuge einen kritischen Punkt dar. Zwar basieren

die im Konsumgüterbereich verwendeten Batterien für Mobilfunktelefone oder Laptops

ebenfalls auf Lithium-Ionen-Akkumulatoren, jedoch lassen sich die Erfahrungen in die-

sem Bereich nur teilweise auf die Elektromobilität übertragen, da Grösse und benötigte

Leistungsstärke erheblich voneinander abweichen. Dies bringt neue Probleme wie z.B.

die Kühlung der Batteriepacks mit sich und erschwert eine Eins-zu-eins-Umsetzung.

Trotz permanenter Verbesserungen im Bereich der Batterietechnik unterscheidet sich

die Energiedichte der Batterien auch noch erheblich von der des Benzins (ca. um den

Faktor 85)9, was die reduzierte Reichweite der Elektrofahrzeuge erklärt (Henne, 2013).

Um dennoch eine für den Kunden akzeptable Reichweite von 200km erzielen zu kön-

nen, ist beim heutigen Stand der Technik eine Batterie von ca. 285kg notwendig10, die

sich wiederum negativ auf Preis und Reichweite des Fahrzeugs auswirkt. Ein weiterer

Grund für das eher zögerliche Verhalten seitens der Hersteller offenbart sich bei einem

Blick auf den Wert der Batterie. Aufgrund der derzeitig hohen Batteriekosten kann bei

einem Elektrofahrzeug der Mittelklasse die Batterie einen Wert von bis zu 25% des

Gesamtpreises betragen (Heymann, 2014). Auch die Lebensdauer der Batterien stellt

sich durch häufige kurze Ladezyklen bzw. Schnellladevorgänge noch als Problem dar.

In Folge dieser Probleme wurde in der Automobilindustrie viele Jahre über Elektromo-

bilität nur diskutiert, Prototypen entwickelt oder Flottenversuche durchgeführt. Serien-

mässige Fahrzeuge wurden jedoch nicht auf den Markt gebracht. Lange Zeit sah es

9 Energiedichte Batterie: ca. 140Wh/kg (die im Automobilbereich verwendeten Lithium-Ionen-Batterien haben eine Energie-dichte von 100-180Wh/kg); Energiedichte Benzin: ca. 12.000Wh/kg 10 Die Energiedichte von Benzin liegt bei ca. 12.000 Wh/kg. Lithium-Ionen-Batterien hingegen haben eine deutlich geringere maximale Energiedichte von ca. 140 Wh/kg. Der durchschnittliche Verbrauch eines Elektrofahrzeugs für 100km liegt bei 20.000Wh. Für eine Strecke von 200km Reichweite müssen im Elektrofahrzeug folglich 285 Kilogramm Batterien verbaut wer-den (Henne, 2013).

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so aus, als ob der 1996 von GM entwickelte „EV1“ für einen längeren Zeitraum der

vorerst letzte Versuch sein sollte, ein serienmässiges, rein batteriebetriebenes

Elektromobil auf den Markt zu bringen. Erst mit dem neu gegründeten Unternehmen

Tesla Motors und der Präsentation des „Tesla Roadster“ kam Mitte 2006 wieder ver-

stärkt Bewegung in die Branche. Der Verkauf startete letztendlich im Jahre 2008 und

stellte eine Initialzündung für die gesamte Branche dar (Rudschies, 2012; Sigl, 2012).

Dass gerade ein branchenfremdes bzw. neu gegründetes Unternehmen den Start in

die Elektromobilität wagte, zeigt wie abwartend die etablierten OEMs dem Thema

Elektromobilität begegneten. Peu à peu brachten infolgedessen auch immer mehr

etablierte OEMs entsprechende Elektrofahrzeuge auf den Markt. So wagte Mitsubishi

2009 mit dem „i-MiEV“, Nissan 2010 mit dem „Leaf“ und Ford 2011 mit dem „Focus

Electric“ den Schritt in die rein batteriebetriebene Elektromobilität. Der Premiumher-

steller BMW stieg mit dem „BMW i3“ 2013 in den Markt ein und Mercedes-Benz Ende

2014 mit der „B-Klasse Electric Drive“. Audi kündigte nach mehreren Strategiewech-

seln seinen Einstieg in die rein batteriebetriebene Mobilität mit dem Sportwagen „R8

e-tron“ an, der im Jahre 2016 in sehr kleiner Stückzahl ausgeliefert wird. Das erste

tatsächliche Serienauto von Audi stellt somit der „Audi Q6 e-tron“ dar, dessen

Markteinführung erst für das Jahr 2018 terminiert wurde. In der folgenden Tabelle wird

ersichtlich, dass die etablierten Hersteller teilweise lange nach der Markteinführung

des ersten Elektrofahrzeugs von Tesla erst aktiv wurden und ebenfalls ein serienmäs-

siges Fahrzeug am Markt anboten (vgl. Tab. 3-1). Sogar als Tesla 2012 sein zweites

rein elektrisches Fahrzeug auf dem Markt einführte, konnten einige der etablierten Au-

tomobilhersteller noch immer kein eigenes serienmässiges Fahrzeug vorweisen.

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2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015

Tesla

Mitsubishi

Smart

Nissan

Renault

BMW

Mercedes-Benz

Audi Q6 e-tron (geplant für 2018)

Tab. 3-1: Markteinführungszeitpunkte serienmässiger Elektrofahrzeuge

(Quelle: Webseiten der Hersteller – Eigene Darstellung)

Roadster Model S

i-MiEV

Leaf

Smart ed

Zinoro 1E (China)

i3

Fluence Z.E.

ZOE Z.E.

Twizy Z.E.

B-Klasse ed

Denza

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Die grosse Skepsis der etablierten Automobilhersteller gegenüber der neuen Techno-

logie wird besonders deutlich mit Blick auf die in diesem Zeitraum getätigten Aussagen

der OEMs (vgl. Anhang 3). Die Aussagen zeigen auf, dass viele Hersteller versuchten

die strengeren Emissionsgrenzwerte der Zukunft in erster Linie mit einer weiteren Op-

timierung des Verbrennungsmotors einzuhalten und einer Elektrifizierung der Fahr-

zeuge daher eher zögernd gegenüberstanden. Opel Chef Karl-Thomas Neumann

äusserte 2014, dass Opel entsprechende Emissionsgrenzwerte möglichst ohne

Elektrofahrzeuge einhalten will. Diese Aussage wurde vom ihm in einem Interview im

Juni 2015 sogar noch bekräftigt: „[D]erzeit gehen wir davon aus, dass wir die CO2-

Ziele ohne Elektrifizierung erreichen können. Jede Art von Elektrifizierung ist immer

der teuerste Weg, deshalb versuchen wir bei Opel den Weg über hocheffiziente Moto-

ren und Getriebe zu gehen“. Jeffrey Guyton, CEO von Mazda Europa, sah ebenfalls

keinen Bedarf an Elektrofahrzeugen und präferierte stattdessen auch im Jahr 2015 die

weitere Verbesserung der Verbrennungsmotoren: „Wir schaffen mit nochmals verbes-

serten Verbrennungsmotoren die CO2-Grenzwerte“. Ebenso bei Ford zeigte man sich

lange Zeit gegenüber der reinen Elektromobilität skeptisch und war zuversichtlich auch

ohne Elektrofahrzeuge die gesetzten Effizienzziele einhalten zu können. Des Weiteren

sprach der Entwicklungsleiter für elektrische Antriebe noch die hohen Entwicklungs-

kosten an, die ein solcher Wandel mit sich bringt und dass diese Kosten von einem

Nischenprodukt getragen werden müssen. Daimler-Chef Dieter Zetsche äusserte be-

reits Mitte 2013 ähnliche Bedenken hinsichtlich eines schnellen Wandels auf batterie-

elektrische Fahrzeuge und führte als Argument an, dass der Verbrennungsmotor al-

leine schon deshalb noch längere Zeit eine Rolle spielen muss, um den kostspieligen

Wandel finanzieren zu können.

Die Aussagen zeigen auf, dass unabhängig von Premium- oder Volumenhersteller

lange Zeit eine relativ starke Abneigung gegenüber der Elektromobilität vorherrschte.

Es wird zusätzlich offensichtlich, dass bei den meisten Herstellern lediglich die Erfül-

lung der gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte und eine Vermeidung möglicher

Strafzahlungen im Vordergrund stand. Die Schaffung einer nachhaltigen Mobilität

schien kaum Relevanz zu haben, was sich letztendlich auch in den Aktionen der Her-

steller widerspiegelte.

3.2 Design der Elektrofahrzeuge

Doch selbst wenn die OEMs den Einstieg schliesslich wagten und Fahrzeuge auf den

Markt brachten, wirkte dies oft halbherzig und kaum visionär. Während die Fahrzeuge

aus technologischer Sicht auf dem neusten Stand waren und zu überzeugen wussten,

waren im Bereich des Fahrzeugdesigns sowie der Fahrzeugkonzeption noch deutliche

Defizite erkennbar. Gerade bei der ersten Generation an Elektromodellen ersetzen

viele OEMs oftmals lediglich das traditionelle Fahrzeug und schafften es nicht dem

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Kunden alle Potenziale der elektrischen Mobilität aufzuzeigen. Folglich war vielen Kun-

den der Zusatznutzen eines Elektromobils zu gering und rechtfertigte ihrer Meinung

nach nicht den deutlich höheren Verkaufspreis. Um die strategische Bedeutung und

das Engagement der Automobilhersteller im Bereich der Elektromobilität noch besser

beurteilen zu können, soll im Folgenden die Modellpalette der Hersteller genauer be-

trachtet werden. Hier liegt der Fokus besonders darauf, ob die bisherigen auf den

Markt erhältlichen Elektromodelle lediglich Abwandlungen bereits bestehender Mo-

delle mit Verbrennungsmotor darstellen (Conversion Design) oder dafür eigene Mo-

delltypen geschaffen wurden (Purpose Design). Tabelle 3-2 gibt diesbezüglich einen

Überblick und zeigt in Auszügen auf, welche Elektrofahrzeuge die bedeutenden Her-

steller für den Start in die batteriebetriebene Elektromobilität entwickelten und auf wel-

chem Designansatz diese basierten. Es wird offensichtlich, dass die wenigsten

Hersteller ihre Elektrofahrzeuge neu entwickelten, sondern grösstenteils bereits beste-

hende Modelle modifizierten. Lediglich BMW, Nissan, Renault und Tesla boten bereits

in der Anfangszeit der Elektromobilität ein Fahrzeug auf dem Markt an, das vollständig

neu konzipiert und auf die Anforderungen der Elektromobilität abgestimmt wurde.

Hersteller Elektrofahrzeug Basismodell Design

A2 e-tron (Studie) R8 e-tron

Audi A2 Audi R8

Conversion Design Conversion Design

BMW i3 / Purpose Design

Chevrolet Spark EV Chevrolet Spark Conversion Design

Citroën C-ZERO Mitsubishi i Conversion Design

Ford Focus Electric Ford e-Ka

Ford Focus Ford Ka

Conversion Design Conversion Design

B-Klasse ed A-Klasse E-Cell

B-Klasse A-Klasse

Conversion Design Conversion Design

Mitsubishi i-MiEV Mitsubishi i Conversion Design

Nissan Leaf / Purpose Design

Opel Adam EV (Entwicklung abge-brochen)

Opel Adam Conversion Design

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Peugeot iOn Mitsubishi i Conversion Design

Renault Twizy Z.E. Renault Fluence Z.E. Renault ZOE Z.E Renault Kangoo Z.E.

/ Renault Fluence Renault Clio Renault Kangoo

Purpose Design Conversion Design Conversion Design Conversion Design

smart fortwo ed smart fortwo Conversion Design

Tesla Roadster Tesla Model S

Lotus Elise /

Conversion Design Purpose Design

iQ EV / Scion iQ EV RAV4 EV

Toyota iQ Toyota RAV

Conversion Design Conversion Design

VW e-up! Golf blue-e-motion Jetta blue-e-motion Lavida blue-e-motion

VW up! VW Golf VII VW Jetta VW Lavida / Golf

Conversion Design Conversion Design Conversion Design Conversion Design

Tab. 3-2: Designvarianten der Elektrofahrzeuge

(Quelle: Experteninterviews [vgl. Anhang 4], Internetrecherche - Eigene Darstellung)

(A) Conversion Design Strategie

Es ist zu beobachten, dass die etablierten Automobilhersteller bisher mit wenigen Aus-

nahmen der „Conversion Design Strategie“ folgen (Kampker, Vallée & Schnettler,

2013). Diese Strategie zeichnet sich dadurch aus, dass bereits bestehende Modelle

der Fahrzeugpalette lediglich mit einem Elektroantrieb ausgestattet werden (Wallento-

witz & Freialdenhoven, 2011, S.160ff.). Anhand zweier Beispiele soll dies kurz veran-

schaulicht werden. Mitsubishi brachte im Jahre 2010 mit dem „Mitsubishi i-MiEV“ als

einer der ersten Hersteller ein serienmässiges Elektrofahrzeug auf den Markt. Wie der

Name des Wagens schon vermuten lässt, basiert dieser Wagen auf dem „Mitsubishi

i“, der bereits 2006 auf den Markt kam und mit einem klassischen Verbrennungsmotor

ausgestattet ist. Dieses Elektroauto wurde in identischer Weise für Peugeot und Ci-

tröen gebaut und ist dort unter den Namen „iOn“ und „C-ZERO“ erhältlich. Folglich

basieren auch diese beiden Fahrzeuge jeweils auf dem ursprünglichen Fahrzeugmo-

dell „Mitsubishi i“. Ähnliche Entwicklungen sind ebenfalls bei Volkswagen zu erkennen.

Auch hier folgt man klar der „Conversion Design Strategie“ und greift bei der Elektrifi-

zierung auf bereits bestehende Modelle zurück. Der batteriebetriebene „VW e-up!“ ba-

siert auf dem „VW up!“ und der „VW Golf blue-e-motion“ auf dem „VW Golf VII“.

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Als Vorteil dieser Strategie ist zu nennen, dass die Hersteller keine neue Produktlinie

speziell für das Elektroauto aufbauen müssen. Elektroautos müssen somit nicht auf-

wändig neu entwickelt werden und können grösstenteils auf den bereits vorhandenen

Fertigungsstrassen produziert werden (Spiegelberg, 2014). Elektromotor, Batterie und

einige andere speziellen Bauteile werden lediglich ergänzt. Diese Vorgehensweise er-

möglicht Skaleneffekte, minimiert Entwicklungskosten und spart so zumindest kurzfris-

tig Geld. Zusätzlich benötigen diese Fahrzeuge kürzere Entwicklungszeiten, können

schneller auf den Markt gebracht werden und die Unternehmen können schneller auf

Entwicklungen anderer Hersteller reagieren. Gerade in der ersten Phase eines radika-

len Industrieumbruchs, die von einem hohen Mass an Experimenten geprägt ist und in

der Absatzzahlen schwer kalkulierbar sind, stellt dieser Ansatz für die OEMs eine re-

lativ risikoarme Strategie dar (Kampker, Vallee & Schnettler, 2013).

Neben diesen vor allem kurzfristig realisierbaren Vorteilen sind mit der „Conversion

Design Strategie“ allerdings auch erhebliche Nachteile verbunden. Derzeitige Modelle

der Hersteller sind für den Verbrennungsmotor, nicht aber für den Elektroantrieb opti-

miert. Aufgrund dieser Situation ergeben sich beim Einbau der neuen Bauteile beim

Elektroauto einige Restriktionen. Batterie und Elektromotor werden schlichtweg an den

Stellen im Fahrzeug verbaut, die noch verfügbar sind bzw. durch den Wegfall des Ver-

brennungsmotors frei werden. Dies sind jedoch in den seltensten Fällen die optimalen

Positionen, so dass nicht das volle Potenzial der Elektroautos ausgeschöpft werden

kann. Ein weiterer zentraler Nachteil stellt das bei vielen Elektrofahrzeugen fehlende

stimmige Gesamtkonzept dar. In der Wissenschaft wird dieser Aspekt unter dem Be-

griff der Produktintegrität diskutiert und besagt, wie gut bei der Herstellung eines kom-

plexen Produktes diverse Ressourcen sinnvoll verknüpft wurden. Hierbei gilt es sowohl

mittels der verfügbaren Fähigkeiten und des Wissens ein qualitativ hochwertiges End-

produkt zu fertigen aber auch gleichzeitig die Erwartungen der Kunden an das Produkt

zu erfüllen. Clark and Fujimoto (1990) weisen auf die Wichtigkeit dieser „product integ-

rity“ hin und verdeutlichen dies anhand eines in den 80er-Jahren neu eingeführten

Fahrzeuglenkungssystems in der Automobilindustrie. Honda und Mazda entwickelten

Ende der 80er-Jahre unabhängig voneinander ein Vierradlenkungssystem, das neben

einem kleineren Wendekreis vor allem eine präzisere Lenkung des Fahrzeugs und

somit ein sportlicheres Fahren ermöglichte. Während sich das neue System bei Honda

gut verkaufte, stellte es für Mazda jedoch einen Flop dar. Die Gründe hierfür waren

einfach. Honda verbaute das neue Lenkungssystem in seinem Sportcoupé „Honda

Prelude“, während Mazda mit dem „Mazda 626“ ein Fahrzeug wählte, das eher von

Familien genutzt wurde. Aus Sicht der Kunden passte das neue Lenkungssystem bes-

ser zum dynamisch ausgelegten Fahrzeugkonzept des „Honda Prelude“ und konnte

folglich mit einer hohen Produktintegrität überzeugen. Dieses Beispiel lässt sich sehr

gut auf die derzeitige Situation bei der batteriebetriebenen Elektromobilität übertragen,

in der OEMs an den Erwartungen mancher Kundengruppen vorbeiproduziert haben.

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Der schlichte Umbau bestehender Modelle zu Elektrofahrzeugen stiftet bei nur weni-

gen Kunden einen ausreichenden Nutzen, um diese auch zu einem Kauf überzeugen

zu können. Hierbei wird oftmals nur eine Gruppe besonders umweltbewusster Men-

schen angesprochen. Andere potenzielle Käufer werden jedoch in der Startphase

kaum erreicht. Gerade in der von Emotionen geprägten Automobilindustrie gibt es aber

eine grosse Anzahl an Kunden, die über ein Fahrzeug ihren Lebensstil ausdrücken

und folglich auch z.B. als umweltfreundlich erkannt werden wollen. Mit dem Umbau

eines klassischen konventionellen Fahrzeugs dürfte das jedoch eher schwerfallen.

Ähnlich sieht es bei der Zielgruppe besonders technikbegeisterter und zahlungskräfti-

ger Early Adopter aus. Diese erwarten von einem radikal neuen Produkt wie dem

Elektrofahrzeug nicht nur einen technologischen Fortschritt, sondern auch eine opti-

sche Differenzierung von dem konventionellen Produkt. Auf diese Weise können sie

auch von aussen als besonders fortschrittlich wahrgenommen werden.

(B) Purpose Design Strategie

Nur wenige der renommierten Hersteller wie z.B. BMW oder Nissan folgen bereits mit

ihrem ersten serienmässigen Elektrofahrzeug der sogenannten „Purpose Design Stra-

tegie“. Hierbei werden die Fahrzeuge vollständig neu konzipiert und die Bauweise der

Automobile für den Batteriebetrieb optimiert (Wallentowitz & Freialdenhoven, 2011,

S.160ff.). Weil sich nicht alle Vorgaben eins zu eins auf die neue Technologie übertra-

gen lassen, wird folglich ein „komplett eigenständiges Segment von Elektroautos“ ent-

wickelt, (Pauli, 2014). Bei der Entwicklung des „BMW i3“ wurde sich bspw. bewusst

dagegen entschieden, bei einem bestehenden „BMW 3er“ oder „BMW 1er“ Modell den

Motor auszubauen und den neu gewonnenen Freiraum mit Batterien auszufüllen.

Stattdessen wurde auf Vorstandsebene beschlossen, eine „Taskforce zu gründen, die

losgelöst von allen Konzerninteressen und allen Entwicklungsprozessen loslaufen

durfte [um] die Zukunftsmobilität von Grund auf neu zu definieren“ (Ponikva, 2014).

Durch die grundsätzliche Neuentwicklung der Elektromobile werden diese deutlich ef-

fizienter als Fahrzeuge mit „Conversion Design“. Elektromotor und Batterie werden

nicht mehr dort im Auto verbaut, wo sich durch den Wegfall des Verbrennungsmotors

zufällig ein Bauraum ergeben hat, sondern an den optimalen Stellen. Somit wird nicht

die Elektromobilität in ein bestehendes Automobil verbaut, sondern man wählt den ge-

gensätzlichen Ansatz und „das Auto [wird] um die Batterien und den E-Antrieb herum

völlig neu konstruiert“ (Lamparter, 2013). Auch die für den Antrieb nicht direkt relevan-

ten Komponenten werden hierbei angepasst. So verzichtet man beispielsweise bei

dem Elektroauto „BMW i3“ fast vollständig auf die bisher übliche Stahlkarosserie und

verwendet stattdessen kohlenstofffaserverstärkten Kunststoff, wodurch das Auto deut-

lich leichter wird (Backé, 2014). Diese Leichtbauweise beim Karosseriebau erweist

sich als sehr sinnvoll, da die derzeitigen Batteriekapazitäten und damit auch die Reich-

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weiten der Elektromobile noch relativ beschränkt sind und durch diese Gewichtsredu-

zierung erheblich verbessert werden können. Zusätzlich lassen sich von Grund auf

neu entwickelte Elektrofahrzeuge deutlich einfacher in die zukünftige Batterieland-

schaft bzw. Smart-Grid-Landschaft integrieren. Dadurch können dem Kunden in Zu-

kunft tatsächlich innovative Dienstleistungen angeboten werden, die über das

bisherige blosse Fahrzeug hinausgehen (Knie, 2014).

Für die Hersteller ergeben sich neben diesen Aspekten noch weitere Vorteile. Bei der

„Conversion Design Strategie“ können die Kunden das Elektroauto aufgrund der Ähn-

lichkeit viel konkreter mit dem entsprechenden Verbrennungsmodell vergleichen. Da

das Elektroauto hinsichtlich Reichweite, Geschwindigkeit und Preis noch deutlich

schlechter abschneidet, sehen viele Kunden nicht den Nutzen der neuen Technologie,

wodurch der Verkauf des Elektroautos schnell zu einem Misserfolg werden kann. Neu-

entwickelte Automobile hingegen lassen sich vom Kunden nur schwer vergleichen.

Hinzu kommt, dass diese Neuentwicklungen meist unter einer neuen eigenen Marke

erscheinen. Bei BMW schuf man für die elektrischen Modelle die Submarke „BMW i“

und räumte auf diese Weise dem Thema Elektromobilität einen hohen Stellenwert im

Unternehmen ein (Ponikva, 2014). Sollten sich Elektroautos in den kommenden Jah-

ren nicht am Markt durchsetzen, würden sich kaum negative Effekte für die übrigen

Fahrzeuge des Herstellers ergeben.

Allerdings sind die Entwicklungskosten bei derartigen Fahrzeugneuentwicklungen so-

wie die Kosten zum Aufbau neuer Fertigungslinien immens hoch und stellen somit ein

enormes unternehmerisches Risiko für die Hersteller dar (Backé, 2014). Bei BMW flos-

sen laut Medienberichten zufolge ca. 2,5 Mrd. € an Entwicklungskosten in die Elektro-

mobilität (Lamparter, 2013). Gerade vor dem Hintergrund, dass neben der

Elektromobilität parallel noch an weiteren alternativen Antriebsarten geforscht werden

muss, fehlt vielen OEMs oftmals die Bereitschaft bzw. Finanzkraft, um dieses hohe

Risiko einzugehen.

3.3 Vision zukünftiger Mobilität

Die bisher beobachtbaren Elektromobilitätsstrategien der OEMs lassen eine eher ab-

wartende und skeptische Haltung seitens der Hersteller erkennen. Dies lässt sich ne-

ben den Einstiegszeitpunkten und der Art der lancierten Modelle vor allem aber bei

einem Blick auf deren derzeitiges Verständnis von Elektromobilität feststellen. Im Fol-

genden soll aufgezeigt werden, inwiefern die Hersteller bisher Elektrofahrzeuge in die

Mobilität der Bürger einbinden.

Auch wenn die Entwicklung eines Fahrzeugs nach dem „Purpose Design Ansatz“ den

hohen Stellenwert der Elektromobilität in dem entsprechenden Unternehmen aufzeigt,

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sollte beachtet werden, dass ein reiner Wechsel auf die neue Zukunftstechnologie

„Elektromobilität“ nicht ausreicht, um den derzeitigen Herausforderungen in der Auto-

mobilindustrie gerecht zu werden. Auf diese Weise lassen sich zwar politische Emis-

sionsvorgaben erfüllen, aber beispielsweise gesellschaftliche Entwicklungen wie der

Ruf nach neuen Mobilitätskonzepten oder die Entwicklung zur Konnektivität und Digi-

talisierung werden nahezu vollständig vernachlässigt. Gerade aber in Verbindung mit

der Elektromobilität lassen sich hierfür innovative Mobilitätskonzepte für die Zukunft

realisieren.

Betrachtet man die derzeitige Umsetzung von Elektromobilität, fällt auf, dass die etab-

lierten OEMs noch sehr stark ein reaktives Verhalten an den Tag legen und Verände-

rungen hinterherlaufen, anstelle den Wandel selbst in die Hand zu nehmen und

mitzugestalten. Ulrich Hackenberg äusserte als Entwicklungsvorstand der Audi AG im

November 2013 auf die Frage, wann es bei Audi reine Elektrofahrzeuge geben werde:

„Wir werden erst dann reagieren, wenn der Markt es verlangt“. Auch findet seitens der

Hersteller häufig der Versuch einer Eins-zu-eins-Übertragung alter Geschäftsmodelle

und Konzepte auf den Bereich der Elektromobilität statt. Die Möglichkeiten, die der

radikale Wandel mit sich bringen könnte, bleiben auf diese Weise zum grössten Teil

ungenutzt und die Elektromobilität stellt sich nur als inkrementeller Wandel dar. Dies

ist derzeit z.B. gut an der intensiven Reichweitendiskussion zu beobachten. Viele Her-

steller und Konsumenten sehen die grössten Bedenken immer noch in der relativ ge-

ringen Reichweite der Batteriefahrzeuge. Nimmt man als Vergleichsmassstab ein

traditionelles Fahrzeug mit Verbrennungsmotor her ist diese Aussage richtig, da diese

Reichweiten von bis zu 1000km aufweisen. Hierbei wird aber oftmals vergessen, dass

der tägliche durchschnittliche Mobilitätsbedarf der meisten Menschen deutlich niedri-

ger liegt und auch leicht mit einem Elektroauto erreicht werden kann (Ponikva, 2014).

Der entscheidende Fehler ist, dass man versucht die Leistungsfähigkeit der neuen

Elektrofahrzeuge anhand der Funktionen von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren

zu beurteilen. Dabei wird oftmals vergessen, dass mit dem Wandel zu der neuen An-

triebsform bestimmte Funktionen an Relevanz verlieren und neue Kriterien entschei-

dender werden. Waren früher Kriterien wie Reichweite, Pferdestärken und Hubraum

entscheidend, so spielen heutzutage vielmehr innovative Mobilitätskonzepte, Intermo-

dalität und Digitalisierung eine zentrale Rolle. Hieran wird deutlich, dass die Elektro-

mobilität noch immer zu stark mit dem Verbrennungsmotor verglichen wird und nicht

die eigentlichen Stärken der Elektromobilität im Fokus stehen. Innovative Mobilitäts-

konzepte seitens der Hersteller sucht man noch vergebens. Zwar engagieren sich be-

reits immer mehr OEMs im Bereich der Mobilitätsdienstleistungen, jedoch kommen nur

in seltenen Fällen Elektrofahrzeuge zum Einsatz. Gerade diese Kurzzeitnutzungen wä-

ren aber ideal, um den Kunden das neue Produkt näher zu bringen und Erfahrungen

zu sammeln. Auch die Möglichkeiten der digitalen Vernetzung durch eine IKT-Anbin-

dung wurden noch aussen vor gelassen bzw. beschränken sich zum Grossteil auf Ap-

plikationen, die einem lediglich die nächste freie Ladesäule anzeigen. Der Stellenwert

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der Vernetzung und Digitalisierung mit dem Fahrzeug zeigt sich schon alleine daran,

dass branchenfremde Akteure wie Google oder Apple sich seit einigen Jahren intensiv

mit Elektrofahrzeugen beschäftigen und Gerüchten zufolge in naher Zukunft auch ei-

gene Fahrzeuge auf den Markt bringen werden. Es bleibt festzuhalten, dass heutige

Elektrofahrzeuge derzeit quasi schlicht als Ersatz der alten Fahrzeuge mit Verbren-

nungsmotor dienen. Eine klare und innovative Vision von der Zukunft der Mobilität

scheinen nur die wenigsten Akteure zu haben. Auf diese Weise können aber die Her-

ausforderungen der Zukunft nicht gelöst werden und die Hersteller laufen Gefahr in-

folge der Veränderungen der Wertschöpfungskette in der Automobilindustrie an

Bedeutung zu verlieren.

Diese bremsende Haltung der OEMs zeigt sich auch in der seit längerem bestehenden

Diskussion über die Anrechnung der Elektrofahrzeuge für die Fahrzeugflotte. Soge-

nannte Supercredits stellen ein Bonussystem für OEMs dar und regeln mit welchem

Faktor Elektrofahrzeuge auf die jeweilige Flotte angerechnet werden dürfen und somit

in die CO2-Bilanz eingehen. Dies soll den OEMs beim Übergang in die Elektromobilität

dabei helfen entsprechende CO2-Vorgaben einhalten zu können. Die OEMs versuchen

hierbei den Anrechnungsfaktor möglichst zu maximieren. Diese Diskussion ähnelt ei-

ner Verzögerungstaktik und zeigt, dass man seitens der Industrie weiter Zeit gewinnen

will anstatt den Wandel als Chance zu begreifen und das Thema aus eigenem Willen

voranzutreiben.

Die OEMs müssen in der nahen Zukunft schnellstmöglich beweisen, dass die Elektro-

mobilität für sie nicht nur ein reines Lippenbekenntnis darstellt. Beispiele dieser Art,

bei der Unternehmen nur halbherzig in eine neue Technologie investiert haben, um

deren vermeintliche Nichtfunktionsfähigkeit zu demonstrieren, lassen sich häufiger fin-

den. Ein besonders prägnantes Negativbeispiel aus der Vergangenheit stellt dabei si-

cher die Diskussion um die Windenergie in den 70er- und 80er-Jahren dar. Hier waren

die Energieversorger gegenüber der neuen Technologie auch sehr skeptisch einge-

stellt und versuchten diese zu blockieren. RWE Vorstand Günther Klätte äusserte da-

mals, dass man ein Windkraftwerk bauen müsse, „um zu beweisen, dass es nicht geht“

(Heymann, 2014, S. 150). Aus heutiger Perspektive lässt sich festhalten, dass Ener-

gieunternehmen, die bereits frühzeitig auf die neue Technologie wechselten, sich früh-

zeitig in eine gute Position bringen konnten und heute vergleichsweise solide

aufgestellt sind. Warum es gerade für etablierte Unternehmen wie die OEMs so wichtig

ist rechtzeitig auf neue radikale technologische Innovationen zu reagieren und das

Spielfeld der Elektromobilität proaktiv mitzugestalten, zeigen die theoretischen Kon-

zepte im folgenden Kapitel.

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3.4 Zusammenfassung

Im Rahmen dieses Kapitels wurde beleuchtet, wie derzeit die Strategien der etablierten

Automobilhersteller im Bereich der rein batteriebetriebenen Elektromobilität aussehen.

Anhand der Markteinführungszeitpunkte der ersten serienmässigen Elektrofahrzeuge

zeigte sich, dass die meisten Hersteller zunächst lange Zeit abwarteten bis sie ein

eigenes Elektrofahrzeug auf den Markt brachten. Vor allem Premiumhersteller wie

BMW und Mercedes-Benz folgten erst spät mit eigenen Fahrzeugen. Besonders je-

doch sticht hierbei Audi heraus, die erst im Jahre 2018 - also 10 Jahre nach dem

Marktstart von Tesla - ein eigenes serienmässiges Elektrofahrzeug auf den Markt brin-

gen wollen. Beim Design der Elektrofahrzeuge zeigte sich, dass selbst, wenn die Her-

steller den Einstieg in die rein batteriebetriebene Elektromobilität wagten, diese oftmals

nicht mit innovativen Modellkonzepten überzeugen konnten. Die meisten angebotenen

Elektrofahrzeuge folgen grösstenteils einem „Conversion Design“ Ansatz und stellen

Abwandlungen bereits bestehender Verbrennungsfahrzeuge dar. Die eigentlichen

Stärken der Elektromobilität bleiben auf diese Weise ungenutzt. Nur wenige Hersteller

gehen Elektromobilität derzeit so konsequent wie BMW, Nissan oder Tesla an und

bringen ein Fahrzeug auf den Markt, das von Grund auf neu als reines Elektrofahrzeug

entwickelt wurde. Das Kapitel macht auch bewusst, dass die Hersteller noch ein ver-

altetes Mobilitätsverständnis haben und Elektrofahrzeuge oftmals nur als reinen Ersatz

des Verbrennungsfahrzeugs betrachten. Nahtlose Konnektivität, Digitalisierung der

Fahrzeuge und die Verknüpfung mit innovativen inter- bzw. multimodalen Angeboten

sucht man noch vergebens. Des Weiteren scheinen nur wenige Hersteller eine klare

Vision einer nachhaltigen Mobilität zu haben.

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4 Theoretischer Hintergrund aus der Innovationsfor-

schung

Im folgenden Kapitel wird vermittels eines Blicks auf die Ergebnisse der Innovations-

forschung aufgezeigt, wie etablierte Unternehmen reagieren, wenn sie mit radikalen

Veränderungen konfrontiert werden. Zahlreiche Beispiele aus den verschiedensten

Branchen belegen, dass etablierte Unternehmen erhebliche Probleme bekommen,

weil sie lange Zeit risikoavers handeln und somit entweder zu spät neuen Trends fol-

gen oder diese gänzlich verpassen. Dies kann für sie entweder den Verlust ihrer Markt-

macht oder in vielen Fällen auch den kompletten Untergang bedeuten.

Der Wandel vom Verbrennungsmotor zur Elektromobilität bedeutet mehr als nur den

Wechsel auf eine neue Technologie. Zukünftig werden branchenfremde wie auch

gänzlich neue Akteure in die Automobilindustrie integriert, die diese möglicherweise in

den kommenden Jahren grundlegend verändern. Diese umfassen neben Spielern aus

dem Energiesektor, der Batterie- und Steuerungstechnik auch Technologiekonzerne

wie Google und Apple.

Bedenkt man, dass sich die etablierten Akteure in der Automobilindustrie seit Jahr-

zehnten kennen und entsprechende Strategien, Strukturen und Konkurrenten bestens

bekannt sind, wird nachvollziehbar, dass bei Automobilherstellern die Möglichkeit einer

radikalen Veränderung ein gewisses Mass an Unsicherheit erzeugt. Ein vertrautes

Umfeld mit genau geregelten Rollenverteilungen und prognostizierbaren Einkünften

soll getauscht werden mit einem Feld, in dem weder die eigentlichen Konkurrenten

genau bekannt sind noch eine ausreichende Infrastruktur vorhanden ist. Darüber hin-

aus nicht einmal klar ist, wie gross die zukünftige Nachfrage nach Elektroautos tat-

sächlich ist. Dies hat zur Folge, dass viele der etablierten Automobilhersteller die

Elektromobilität eher als Gefahr anstatt als Chance erachten und zunächst nur recht

zögerlich oder halbherzig reagieren.

Dieses Phänomen - auf radikale Innovationen nicht zu reagieren bzw. abzuwarten - ist

aus anderen Branchen bekannt und wurde ausführlich in der Forschung diskutiert.

Analysiert wurde z.B. in den 90er-Jahren der Wandel in der Musikindustrie vom physi-

schen zum digitalen Tonträger oder die Digitalisierung im Buchhandel. In allen Fällen

wurden etablierte Unternehmen mit einer disruptiven Technologie konfrontiert und

drohten in der Branche an Bedeutung zu verlieren oder gänzlich zu scheitern. Eines

der eindrücklichsten Beispiele stellt dabei sicherlich der Umbruch von der analogen

zur digitalen Fotografie dar. Über viele Jahre war das bereits 1888 gegründete Unter-

nehmen Kodak der Branchenführer im Bereich der analogen Fotografie. Zu seinen

Kernprodukten zählte neben analogen Kameras und Filmen umfangreiches fotografi-

sches Zubehör. Mit dem Aufkommen der ersten digitalen Kameras und Handys mit

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Fotofunktion stellte sich für Kodak erstmals die Frage auf welche Technologie sie sich

zukünftig fokussieren wollen. Um das bestehende und profitable Geschäftsmodell der

Analogkameras nicht zu gefährden, entschied man sich gegen die Digitalfotografie.

Neben diesem Argument der Kannibalisierung gab es jedoch auch noch erhebliche

Zweifel an der neuen Technologie, da die Bildqualität bei den ersten Modellen noch

relativ schlecht war. Auch in anderen Kriterien wie dem Preis, Gewicht oder Handha-

bung der Geräte erwies sich die Digitalkamera im Vergleich zur Analogkamera noch

deutlich unterlegen. Die Zweifel waren bei Kodak sehr gross, ob sich eine derart un-

terlegene Technologie am Markt durchsetzen kann. Wie sich aus heutiger Perspektive

zeigt, konnte sie es. Die fehlerhafte Bewertung der technischen Neuerung seitens Ko-

dak basierte dabei in erster Linie auf der Wahl schlechter Kriterien. Kodak verwendete

für die Bewertung der neuen Technologie hauptsächlich Kriterien, die bereits in der

Vergangenheit bei der analogen Technik eine zentrale Rolle gespielt hatten. In diesen

Punkten waren die Analogkameras aufgrund jahrzehntelanger Verbesserungen un-

schlagbar. Die Bedürfnisse der Kunden veränderten sich jedoch und es wurden neue

Kriterien wie die sofortige Betrachtungsmöglichkeit der Fotografien, Replizierbarkeit

oder das Versenden der Bilder entscheidend. Verhaltensänderungen der Kunden so-

wie der Wunsch nach Konnektivität wurden übersehen. Da sich die neue Technologie

jedoch rasant verbesserte und infolgedessen z.B. auch die Bildauflösung wesentlich

erhöhte, war sie den Analogkameras bald schnell überlegen und es wurden bereits

wenige Jahre später mehr digitale als analoge Kameras verkauft. Die Analogkamera

wurde von der disruptiven Innovation Digitalkamera ersetzt. 2012 musste das Unter-

nehmen Kodak schliesslich Insolvenz anmelden.

Viele Faktoren im Bereich der Elektromobilität deuten darauf hin, dass es sich auch

bei dieser Technologie um eine disruptive Innovation handelt und etablierte Hersteller

in ähnliche Bedrängnis bringen könnte. Diskussionen bzgl. der geringen Reichweite

oder Höchstgeschwindigkeit der Elektromobile zeigen auf, dass eine Bewertung der

neuen Technologie noch immer auf Basis von Kriterien stattfindet, die für den Verbren-

nungsmotor gegolten haben. Neue Vorteile bzw. Einsatzbereiche werden häufig un-

terschätzt. Um jedoch die Erkenntnisse dieser Forschungsarbeiten auf die

Automobilindustrie übertragen zu können, gilt es in einem ersten Schritt aufzuzeigen,

inwiefern der derzeitige Wandel in der Automobilindustrie hin zu vollelektrischen Fahr-

zeugen tatsächlich ein disruptiver Wandel ist.

4.1 Elektromobilität als disruptiver Wandel

Technologische Innovationen lassen sich klassischerweise aufgrund ihrer Neuartigkeit

unterscheiden. Die Ausprägungen „inkrementell“ und „radikal“ stellen dabei die Ext-

rempunkte eines Kontinuums dar (Freeman, 1994). Während inkrementelle Innovatio-

nen an einer bereits bestehenden Technologie ansetzen und diese in einem nur

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geringen Ausmass verbessern, bewirken radikale Innovationen deutlich grundlegen-

dere Veränderungen (Dewar & Dutton, 1986). In der Innovationsforschung haben sich

im Laufe der Jahre zahlreiche weitere Unterscheidungen etabliert. So differenzieren

bspw. Henderson & Clark (1990) stärker und klassifizieren Innovationen hinsichtlich

der Neuheit der Komponententechnologie und der Integration in die Architektur eines

Produkts. Auf diese Weise prägten sie den Begriff der „architectural/modular“ Innova-

tion. Tushman & Anderson (1986, S.442) verwenden einen Ansatz, der sich am Ein-

fluss der Innovation auf die Ressourcen des Unternehmens orientiert, und nehmen

eine Unterscheidung in „competence-destroying/competence-enhancing“ vor. Neue

Technologien zerstören demzufolge die bestehenden Kompetenzen und machen das

bisher angeeignete Wissen mitsamt den Fähigkeiten überflüssig. Diesem Ansatz folgt

auch Utterback (1994, S.200), der den diskontinuierlichen Wandel beschreibt als

„change that sweeps away much of a firm’s existing investment in technical skills and

knowledge, designs, production technique, plant, and equipment”. Christensen &

Bower (1996) bzw. Christensen (1997) prägten die Unterscheidung von „disrup-

tive/sustaining“ Innovation. Diese Beispiele zeigen auf, dass die Bezeichnungen für

ein sehr ähnliches Phänomen unterschiedlich ausfallen können und dass sich eine

Einordnung entsprechend komplex darstellt. Im Folgenden soll zunächst erklärt wer-

den, wie es zu technologischen Diskontinuitäten kommen kann.

Der Einfluss technologischer Innovationen auf etablierte Spieler wurde bereits von

zahlreichen Forschern thematisiert. Versucht man Innovationen und das Auftreten

technologischer Diskontinuitäten zu erklären eignet sich besonders das S-Kurven-Mo-

dell von Foster (1986; vgl. Abb. 4-1).

Abb. 4-1: S-Kurve Technologieverlauf

(Quelle: in Anlehnung an Christensen, 1992, S.340 - Eigene Darstellung)

Le

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Zeit bzw. F&E-Aufwand

Technologiekurve 1

Technologiekurve 2

Technologiekurve 3

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Der Autor geht davon aus, dass die Entwicklung einer Technologie in Form einer S-

Kurve geschieht. Während eine Technologie in der frühen Entstehungsphase trotz re-

lativ hoher Entwicklungsaufwendungen nur geringe Leistungsverbesserungen aufzu-

weisen hat (Zeitpunkt t0), ändert sich dies in der Wachstums- und Reifephase und es

werden deutliche Performancesprünge erzielt. Durch ständige Optimierungen im

Laufe der Zeit gerät die Technologie jedoch an die Grenzen der Leistungssteigerung

und Verbesserungen können nur noch unter enormem F&E-Aufwand erzielt werden

(Zeitpunkt t1). Parallel dazu entsteht aber auch von Zeit zu Zeit immer wieder eine

neue Technologie, die im Vergleich zur aktuell vorherrschenden Technologie anfangs

ein niedrigeres Leistungsniveau aufweist. Im Laufe der Zeit können auch bei dieser

Technologie Leistungssprünge erzielt werden bis ein identisches Leistungsniveau er-

reicht wird (Zeitpunkt t2) bzw. letztendlich sogar die aktuelle Technologie übertroffen

wird. Dies ist der Zeitpunkt, an dem Diskontinuitäten auftreten und neue Technologien

die bisher dominierende Technologie ersetzen können. Das S-Kurven-Modell kann so-

mit helfen, technologisch disruptive Innovationen zu erklären und den Zeitpunkt für den

Wechsel auf eine neue Technologie zu finden (Utterback, 1994; Chandy & Tellis,

2000).

In Bezug auf die Elektromobilität stellt sich die Frage, ob es sich bei dieser Technologie

lediglich um eine Optimierung der bisherigen Technologie handelt und man sich folg-

lich noch auf der bisherigen S-Kurve befindet, oder ob es sich um eine disruptive In-

novation mit einer neuen S-Kurve handelt.

Definition des disruptiven Wandels

Zuerst gilt es dafür den Begriff des disruptiven Wandels zu erläutern. Nach Christen-

sen (1997) basiert ein tiefgreifender Wandel auf disruptiven Innovationen und lässt

sich klar von radikalen Innovationen abgrenzen. „Während radikale Innovationen die

Performance eines Produkts verbessern, führen disruptive Innovationen zunächst zu

einer geringeren Produkt-Performance“ (Schneider & Groesser, 2013). Radikale Inno-

vationen stellen somit eine erhebliche Verbesserung der bestehenden Technologie

dar, wohingegen disruptive Innovationen den Wechsel auf eine neue Technologie-

kurve bedeuten. Neue Technologien, die ganze Industrien verändern und etablierte

Akteure ablösen können, haben nach Bower & Christensen (1995) zwei entscheidende

Merkmale aufzuweisen:

(i) Die neue Technologie unterscheidet sich in den Produkteigenschaften und

erweist sich vor allem bei den Leistungskriterien schlechter, die von den der-

zeitigen Hauptkunden als besonders wichtig erachtet werden.

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Dies können Produktspezifika wie Funktionalität, Geschwindigkeit oder Grösse sein.

„[A]ll the time an invading technology first appears, the established technology

generally offers better performance or cost than does the challenger, which is still un-

perfect“ (Utterback, 1994, S. 158). Aus diesem Grund ist die neue Technologie für die

meisten Kunden auch nicht interessant und sie bleiben bei der bestehenden.

Jedoch für eine zunächst kleine Anzahl an Kunden erfüllt die neue Technologie bereits

die für sie maßgebenden Leistungskriterien. So zeichnen sich die Innovationen oftmals

durch eine geringere technologische Komplexität aus, sind günstiger oder in der Nut-

zung einfacher. Im Allgemeinen zeigen sie in den Kriterien, die dem Massenmarkt nicht

besonders wichtig sind und lediglich einen Nischenmarkt ansprechen, eine höhere

Leistung (Danneels, 2004). Etablierte Unternehmen versuchen sich aber an den Be-

dürfnissen ihrer Hauptkunden auszurichten bzw. die attraktivsten Segmente zu bedie-

nen und bleiben folglich auch bei der alten Technologie.

In Bezug auf die Elektromobilität lassen sich derzeit ähnliche Entwicklungen erkennen.

Während bei den Fahrzeugen mit klassischem Verbrennungsmotor Kriterien wie Mo-

torleistung, Höchstgeschwindigkeit und Reichweite im Vordergrund stehen, stellen bei

den reinen Elektrofahrzeugen die neuen Leistungskriterien vor allem die Umwelt-

freundlichkeit, Beschleunigung, geringe Wartung, Vernetzung und das einfache Hand-

ling dar. So werden bspw. bei der Nutzung der Fahrzeuge lokal keine Emissionen

verursacht. Dies bezieht sich neben der deutlichen Lärmreduktion vor allem auf die

Vermeidung von Feinstaub und anderer gesundheitsschädlicher Emissionen über den

Auspuff. Hierbei ist jedoch anzumerken, dass die Umweltfreundlichkeit der Elektromo-

bile stark davon abhängig ist, welcher Strom für die Aufladung der Batterie verwendet

wird. Bei einer Betankung mit 100% erneuerbarem Strom sind die Elektrofahrzeuge

tatsächlich als Nullemissionsfahrzeuge zu bezeichnen. Bei dem derzeitigen deutschen

Strommix kommt es z.B. für den Nissan Leaf zu einem Ausstoss von ca. 117g CO2/km,

ein Emissionswert, den viele optimierte Verbrenner bereits erreichen bzw. unterbie-

ten11 (Schwarzer, 2014). Hieran wird deutlich, dass ein Wechsel auf Elektrofahrzeuge

nur in Verbindung mit Strom aus erneuerbaren Energien sinnvoll ist. Auch hinsichtlich

der Beschleunigung sind Elektrofahrzeuge konventionellen Automobilen überlegen.

Aufgrund eines hohen Drehmoments und einer von der ersten Sekunde maximalen

zur Verfügung stehenden Leistung kann auf den ersten Metern eine spürbar höhere

Beschleunigung erzielt werden. Hinzu kommt der deutlich höhere Wirkungsgrad des

Elektromotors. Während Verbrennungsmotoren einen Wirkungsgrad von lediglich ca.

30% aufweisen, schaffen Elektromotoren Werte von über 90%. Ein deutlich höherer

11 Laut ADAC-Autotest (2012) liegt der durchschnittliche Energieverbrauch bei 20,4kWh/100km. Bei der Produktion einer Kilo-wattstunde (kWh) Strom fielen nach deutschem Strommix im Jahre 2012 576g CO2 an. Daraus ergibt sich für den Nissan Leaf ein durchschnittlicher Ausstoss von 117,5g CO2/km.

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Anteil kann somit in mechanische Energie umgewandelt werden und geht nicht in Form

von Wärme verloren. Ein weiteres neues Leistungskriterium stellt die geringe War-

tungsanfälligkeit und die einfache Handhabung der Elektrofahrzeuge dar. Schaltge-

triebe und Kupplung werden bspw. ab sofort nicht mehr notwendig und erleichtern die

Steuerung des Fahrzeugs für den Fahrer. Der zusätzliche Wegfall von Verbrennungs-

motor und Auspuffanlage reduziert die Anzahl beweglicher Teile und macht die Fahr-

zeuge weniger wartungsanfällig (Sauerbrei, 2012; Sigl, 2012).

(ii) Die neue Technologie verbessert sich im Laufe der Zeit bei den Leistungs-

kriterien, die dem Massenmarkt bisher wichtig sind und erfüllt dadurch auch

die Erwartungen der Hauptkunden.

Es ist entscheidend, dass die Leistung der bestehenden Technologie nicht übertroffen

werden muss, sondern lediglich ein Leistungsniveau erreicht wird, dass für den Mas-

senmarkt als ausreichend erscheint. Da die etablierte Technologie ebenso verbessert

wurde, zeichnet sich diese oftmals durch einen Leistungsüberschuss aus, der von den

Kunden nicht mehr voll genutzt werden kann, aber beim Kauf mitbezahlt werden muss

(„performance overshoot“). Die Technologieentwicklung ging somit schneller voran als

die Bedürfnisse der Kunden sich steigerten (Christensen, 1997, S. xvi; Christensen,

Verlinden & Westerman, 2002, S. 983). Minicomputer in den 80er-Jahren gelten dies-

bezüglich als gutes Beispiel. Die Kunden von Minicomputern waren ausschliesslich

Industrieunternehmen. Für sie stellte vor allem die Rechenleistung der Geräte das

zentrale Leistungskriterium dar (Weitert, 2014, S.29). Die enorme Grösse der Compu-

ter war aufgrund der riesigen Rechenzentren kein Problem. Mit dem Aufkommen des

Personal Computers entwickelte sich jedoch ein Nischenmarkt. Die PCs waren zwar

in Bezug auf ihre Rechenleistung den Grossrechnern deutlich unterlegen, jedoch hat-

ten sie den Vorteil aufgrund ihrer geringen Grösse und Preises auch im Heimbereich

genutzt werden zu können. In den folgenden Jahren konnte die Rechenleistung der

Geräte drastisch verbessert werden, so dass jetzt auch PCs die Bedürfnisse der Un-

ternehmen befriedigen konnten. Die Rechenleistung der Minicomputer wurde entspre-

chend auch verbessert – stand nun aber in keinem Verhältnis mehr zu preislich

günstigeren PCs. Der Untergang der Hersteller von Minicomputern war eingeleitet.

Auch in der Automobilindustrie ist in den letzten Jahren ein Leistungsüberschuss zu

beobachten. Dies zeigt sich besonders eindrücklich am Beispiel der Höchstgeschwin-

digkeit der Fahrzeuge. Selbst vermeintlich leistungsschwächere Fahrzeuge in den

kleinsten Fahrzeugklassen erreichen Höchstgeschwindigkeiten von ca. 150km/h12. In

12 Die Höchstgeschwindigkeit des „Renault Twingo“ wird laut Hersteller mit 151km/h angegeben. Der „Smart Fortwo“ wurde mit einer elektronischen Geschwindigkeitsbegrenzung ausgestattet und erreicht je nach Modellgeneration zwischen 145-155km/h. Beide Wagen gehören zum Kleinstwagensegment.

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vielen Ländern jedoch kann aufgrund zahlreicher Geschwindigkeitsbeschränkungen

die maximal mögliche Höchstgeschwindigkeit der Fahrzeuge nur noch in den seltens-

ten Fällen genutzt werden. Ein weiterer Leistungsüberschuss zeigt sich im Bereich der

Laufleistung, da das Design der Fahrzeuge oftmals veraltet, bevor das Maximum der

Fahrzeuge erreicht wird (Christensen, Verlinden & Westerman, 2002, S. 983).

Neben dem beobachtbaren Leistungsüberschuss bei den Verbrennungsfahrzeugen

sind in den kommenden Jahren bei Elektrofahrzeugen vor allem Leistungssteigerun-

gen im Bereich der Batterietechnik zu erwarten. Dies führt zu einer Steigerung der

Reichweite und erfüllt dann auch zentrale Leistungskriterien der Kunden aus dem bis-

herigen Massenmarkt. Mit den zusätzlichen Vorteilen wie Umweltfreundlichkeit und

Kostenersparnissen aufgrund der niedrigen Strompreise und des geringen Wartungs-

aufwands werden Elektrofahrzeuge noch mehr an Bedeutung gewinnen und viele Kon-

sumenten zu einem Wechsel auf elektrische Antriebe bewegen.

Steigende Anzahl an Akteuren und Produktvariationen

Neben den Veränderungen hinsichtlich der Produkteigenschaften und der Definition

neuer Leistungskriterien (i) ergeben sich jedoch auch Auswirkungen auf den Gesamt-

kontext, so dass die neue Technologie in einem völlig neuen Markt - einem

sogenannten Wertnetzwerk - angeboten wird. Dieses Wertnetzwerk stellt die Umge-

bung dar, in der ein Unternehmen agiert. Im Gegensatz zur alten Technologie werden

neue Akteure relevant, so dass sich Kunden, Wettbewerber, Zulieferer aber auch

Infrastrukturen verändern. Bei der Elektromobilität sind ähnliche Entwicklungen fest-

zustellen. Das bestehende Wertnetzwerk aus Automobilherstellern, Zulieferern, Händ-

lern, Tankstellen, Werkstätten und Entsorgern wird in Folge der neuen Technologie

von neuen Akteuren bestimmt (vgl. Abb.4-2).

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Abb. 4-2: Wertnetzwerk „Automobil“ und mögliche neue Akteure

(Quelle: Eigene Darstellung)

Die neuen Akteure können dabei neu gegründete Unternehmen aber auch branchen-

fremde Akteure darstellen. Batteriehersteller, Energieanbieter oder IT-Unternehmen

verändern das bestehende Wertnetzwerk und treten als Elektroautohersteller, Infra-

strukturbetreiber oder Anbieter von Mobilitätsdienstleistungen auf. Für diese Akteure

stellt die derzeitige Situation eine gute Gelegenheit dar in der Automobilindustrie Fuss

zu fassen. So sind in den letzten Jahren verstärkt neue Automobilhersteller wie z.B.

Tesla oder BYD zu beobachten.

Neben einer steigenden Anzahl an Akteuren führen technologische Diskontinuitäten in

der Anfangsphase auch zu einer steigenden Anzahl an Produktvariationen. Anderson

& Tushman (1990) prägten für diese Phase den Begriff der „era of ferment“. Diese

Phase ist besonders durch eine hohe Unsicherheit bzw. Experimentierfreudigkeit der

Akteure geprägt und wird überwiegend durch zwei Prozesse bestimmt: Auf der einen

Seite ist ein Wettbewerb zwischen der bestehenden und der neu aufkommenden

Technologie auszumachen. Dies zeigt sich in der Automobilindustrie bspw. anhand

der steigenden Anzahl an inkrementellen Verbesserungen am Verbrennungsmotor als

Gegenreaktion auf alternative Antriebe wie die Elektromobilität. Auf der anderen Seite

ist zeitgleich auf Basis der neuen Technologie eine steigende Variantenvielfalt zu be-

obachten, da keiner der Akteure genau weiss wie die neuen Produkte auszusehen

haben. Dieser Prozess des Ausprobierens dauert solange, bis sich ein neues „domi-

nant design“ etabliert hat, das dann von allen Akteuren übernommen wird. Im Bereich

der Elektromobilität wurden in den ersten Jahren viele Pilotprojekte lanciert und zahl-

reiche Varianten getestet. Während einige Hersteller auf bereits bestehende Fahr-

zeugkonzepte (Conversion Design) vertrauten, konzipierten andere Hersteller völlig

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neue Fahrzeuge (Purpose Design). Auch hinsichtlich neuer Materialien für den Leicht-

bau wurde viel experimentiert. Die Konzeptvielfalt zeigt sich auch bei Komplementär-

produkten wie der Infrastruktur. Hier testen Unternehmen seit einigen Jahren, wie die

Ladesäulen und die Abrechnungsprozesse aussehen könnten. Einen einheitlichen

Standard gibt es hier bisher aber noch nicht.

Aufgrund der Verbesserungen der für den Massenmarkt entscheidenden Leistungskri-

terien (ii) überlappen im Laufe der Zeit die beiden Wertnetzwerke immer stärker, bis

schliesslich das neue Wertnetzwerk auch für viele Kunden der etablierten Technologie

an Relevanz gewinnt und diese auf die neue Technologie wechseln (Adner, 2002).

Etablierte Unternehmen der alten Technologie haben aufgrund des Zögerns oftmals

gegenüber den neuen Akteuren bereits signifikante Entwicklungsrückstände, die sich

zum Teil nur schwer aufholen lassen.

4.2 Gründe für das Scheitern etablierter Unternehmen

Laut Experten ist dieses abwartende, reaktive Verhalten der Grund, warum so viele

etablierte Unternehmen oftmals Probleme bekommen, wenn sie einem diskontinuierli-

chen Wandel gegenüberstehen (Miller & Friesen, 1980; Suarez & Lanzolla, 2007). In-

novationsforscher weisen immer wieder darauf hin, dass Unternehmen von Zeit zu Zeit

einen diskontinuierlichen Wandel vollziehen müssen, um langfristig erfolgreich am

Markt bestehen zu können (Tushman & Anderson 1986; Christensen & Rosenbloom,

1995; Christensen, 1997). Zahlreiche Beispiele aus der Vergangenheit zeigen jedoch

auch auf, dass etablierte Unternehmen oftmals untergehen, wenn sie mit technologi-

schen Diskontinuitäten konfrontiert werden. Henderson und Clark (1990, S. 9) gehen

sogar noch einen Schritt weiter und gehen davon aus, dass etablierte Unternehmen

selbst bei vermeintlich kleineren Anpassungen bereits oftmals in Schwierigkeiten ge-

raten. So konnte keiner der führenden Hersteller von Computerfestplatten bei einem

Wechsel auf eine neue Technologie-Generation seine dominante Position am Markt

beibehalten (Christensen, 1993; Chandy & Tellis, 2000). Für die Anpassungsschwie-

rigkeiten etablierter Spieler bei einem Wandel lassen sich in der Literatur zahlreiche

Erklärungen finden. In Tabelle 4-1 werden einige dieser Gründe aufgezeigt und an-

hand verschiedener Branchenbeispiele veranschaulicht. Im Folgenden soll kurz auf

die in Tabelle 4-1 aufgeführten Gründe eingegangen werden und mit der Situation in

der Automobilindustrie verknüpft werden.

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Ursache Literaturquelle Erläuterung Beispiel

Mentale Mo-delle

Garud & Rappa (1994)

Reger & Palmer (1996)

Tripsas & Gavetti (2000)

Kaplan (2004)

Entscheidungsträger verwenden mentale Mo-delle um die Realität zu abstrahieren und leichter Entscheidungen treffen zu können

Modelle werden jedoch zu selten angepasst

Bei diskontinuierlichem Wandel werden ex-terne Entwicklungen teilweise übersehen oder falsch gedeutet

Apples Erfolg im Musikmarkt war nur möglich, weil sich z.B. die an-deren Majors nicht vorstellen konnten einzelne Lieder zu ver-kaufen anstelle kompletter Alben (Wind & Crook, 2005)

Kognitive Wahrneh-mung

Kahneman & Tversky (1979)

Gilbert (2005)

Die Wahrnehmung einer diskontinuierlichen Veränderung als Chance oder als Gefahr de-terminiert die Reaktion des Unternehmens

Verluste werden mehr gefürchtet als Gewinne begrüßt

Unternehmen gehen größere Risiken ein, um den Status quo zu erhalten, als einen Wandel zu initiieren

Zeitungsindustrie Mitte der 90er-Jahre und Wandel zur Digitalisie-rung

Nachahmung Cyert & March (1963)

DiMaggio & Powell (1983)

Galaskiewicz & Wasser-man (1989)

Haveman (1993)

In Situationen mit hoher Unsicherheit imitie-ren Unternehmen andere Unternehmen

Nachgeahmt werden dabei Unternehmen die Legitimität verschaffen (z.B. Marktführer, di-rekte Konkurrenten, Unternehmen mit ähnli-cher Grösse oder Ressourcenausstattung, Netzwerkpartner)

Keiner der vier grossen Musikver-lage reagierte Ende der 90er-Jahre auf die drohende Digitalisie-rung. Apple, das nicht im Fokus der Verlage war und nicht als Kon-kurrent angesehen wurde, konnte schliesslich 2001 den iTunes

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Debruyne & Reibstein (2005)

Store etablieren und eine Markt-macht aufbauen

Kannibalisie-rungseffekte

Kamien & Schwartz (1982)

Henderson (1993)

Chandy & Tellis (1998)

Hill & Rothaermel (2003)

Gilbert (2005)

Unternehmen zerstören sich ungern selbst ihre eigenen Produkte und Fähigkeiten

Dabei müssten auch Fähigkeiten und Wissen aufgegeben werden, die das Unternehmen erst in die gute Position gebracht haben

Die Folge sind oftmals keine Investitionen oder ein halbherziges Vorgehen

Kodak hat 1975 die Digitalkamera erfunden – wollte diese aber nicht kommerzialisieren, weil sie ihr be-stehendes Geschäftsfeld (Film / chemisches Zubehör) nicht ge-fährden wollten – Sony startete schliesslich mit der Vermarktung Anfang der 80er-Jahre

Sinkende Margen

Day & Schoemaker (2000)

Beim Wandel von der etablierten auf eine neue Technologie lassen sich geringere Mar-gen erzielen

Wandel von Enzyklopädien zu di-gitalen Inhalten (Encyclopædia Britannica: $1300 vs. $80) bzw. Wandel vom Mainframe Computer zum PC (Marge: 60% vs. 25%)

Fokus auf derzeitige Stakeholder

Rosenbloom & Chris-tensen (1994)

Christensen & Rosen-bloom (1995)

Christensen & Bower (1996)

Chesbrough (2003)

Etablierte Unternehmen verfolgen Entwicklungen in ihrem derzeitigen Geschäftsfeld und übersehen häufig externe Veränderungen

Starker Fokus auf bestehende Kundenbasis, Wettbewerber, …

Bedürfnisse der derzeitigen Kunden sollen perfekt befriedigt werden

Etablierte Fluggesellschaften gin-gen davon aus, dass Kunden während eines Flugs Services wünschen (Essen, etc.) - Billigairlines wie Ryanair erkann-ten, dass viele Kunden aber nur für den Transport an sich zahlen wollen

Tab. 4-1: Gründe für das Scheitern etablierter Unternehmen

(Quelle: Eigene Darstellung)

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Mentale Modelle: Menschen verwenden bestimmte Modelle, um die Komplexität der

Umwelt zu reduzieren und leichter Entscheidungen treffen zu können. Dabei werden

häufig Informationen ausgeblendet bzw. entsprechende Modelle über einen längeren

Zeitraum verwendet. In Zeiten inkrementellen Wandels ist dies auch sehr nützlich und

hilft den Entscheidungsträgern. Bei diskontinuierlichen Veränderungen jedoch werden

häufig elementare externe Entwicklungen ausgeblendet, die für eine sinnvolle Ent-

scheidungsfindung mitberücksichtigt werden müssten, und auf veraltete Modelle zu-

rückgegriffen. Dieses Phänomen konnte bereits zu Beginn des 21. Jahrhunderts in der

Musikindustrie beobachtet werden. Die damals bedeutendsten Musiklabels schafften

es nicht ihre dominierende Marktmacht auf den digitalen Verkauf von Musik zu über-

tragen und mit Apple wurde ein branchenfremder Akteur neuer Marktführer. Ermöglicht

wurde dieser Erfolg, indem Apple die vorherrschende Denkweise der Musikindustrie

änderte und nicht mehr nur komplette Alben, sondern auch einzelne Lieder zum Kauf

anbot (Wind & Crook, 2005). Parallelen sind derzeit auch in der Automobilindustrie zu

beobachten. Viele der etablierten Automobilhersteller sehen bspw. keine Gefahr durch

neue Elektrofahrzeughersteller. Als Grund hierfür nennen sie vor allem, dass den

neuen Akteuren die Finanzkraft fehlt, um entsprechende Fahrzeuge zu entwickeln und

herzustellen bzw. ein ressourcen- und kostenintensives Supply-Chain-Management

zu betreiben. Ebenso können sie kein entsprechendes Händlernetzwerk vorweisen,

um die fertigen Elektromobile zu vertreiben (Wunsch, 2012, Heymann, 2014). Viele

Hersteller haben eine klare Vorstellung wie die Produktion und der Vertrieb von Auto-

mobilen auszusehen hat und versuchen dies auf den Bereich der Elektromobilität zu

übertragen. Hierbei wird jedoch häufig vergessen, dass in diesem neuen Feld mög-

licherweise ganz andere Gesetzmässigkeiten gelten und sich vom bisher bekannten

Ablauf unterscheiden. Tesla bspw. verzichtet komplett auf ein Händlernetzwerk und

verkauft seine Fahrzeuge im Direktvertrieb. Die Fahrzeuge werden dabei über die ei-

gene Webseite konfiguriert und bestellt. Auf diese Weise können die benötigten Fahr-

zeuge auf Bestellung gebaut und kapitalintensive Lagerbestände verhindert werden

(Thomsen, 2014). Ebenso werden Händlermargen und Rabatte vermieden. Eigene

Werkstätten werden aufgrund der wartungsärmeren Fahrzeuge nahezu überflüssig

bzw. Reparaturen können auch von bereits bestehenden Werkstätten übernommen

werden.

Kognitive Wahrnehmung: Einen weiteren Erklärungsansatz für das Scheitern

etablierter Akteure gibt die Prospect-Theory. Ihr zufolge werden Verluste stärker be-

dauert als Gewinne begrüsst, weshalb Unternehmen oftmals größere Risiken einge-

hen, um den Status quo zu erhalten, als einen Wandel zu initiieren. Obwohl viele

Zeitungsverlage seit Jahren mit rückläufigen Verkaufszahlen bzw. sinkenden Werbe-

einnahmen zu kämpfen haben, werden notwendige Anpassungen des Geschäftsmo-

dells hinausgezögert und Zeitungsinhalte oftmals eins zu eins auf den digitalen Bereich

übertragen. Dies macht deutlich, dass die Verlage möglichst lange den Status quo

beibehalten wollen, auch wenn dies langfristig für sie ein Existenzproblem darstellt.

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Ein ähnliches Verhalten ist derzeit von den Herstellern in der Automobilindustrie zu

beobachten. Aus Unsicherheit, welche Rolle sie bei der Elektromobilität einnehmen

können, halten viele Hersteller vehement an der Verbrennungstechnologie fest, anstatt

den Wandel hin zu alternativen Antriebstechnologien zu wagen. Wird der Wandel for-

ciert, werden oftmals nur bestehende Geschäftsmodelle auf die neue Technologie

übertragen, was einer Verteidigung des Status quo gleichkommt.

Nachahmung: Eine ganz ähnliche Begründung für das häufige Scheitern etablierter

Unternehmen in Folge technologischer Diskontinuitäten zeigt sich in deren Imitations-

verhalten. Unternehmen imitieren meist die Akteure, die in der Vergangenheit beson-

ders erfolgreich waren, die sie als relevante Wettbewerber betrachten und denen sie

gegenüber folglich ihren Status-quo verteidigen wollen (Knickerbocker, 1973; Chen &

MacMillan, 1992). Die Angst gegenüber einem Wettbewerber abzufallen und an Wett-

bewerbsposition zu verlieren wird oftmals als schlimmer angesehen als mögliche fal-

sche strategische Entscheidungen der Konkurrenten nachzuahmen (Guler, Guillén, &

Macpherson, 2002; Gimeno et al., 2005). Reagieren diese als relevant erachteten

Wettbewerber auch eher zögerlich überträgt sich dieses Verhalten teilweise auf die

gesamte Branche. Dieses passive Verhalten hingegen können wiederum branchen-

fremde Spieler oder Start-ups nutzen, da sie oftmals nicht als Konkurrent wahrgenom-

men werden. Überträgt man diese Erkenntnisse aus der Forschung auf die

Automobilindustrie, lässt sich auch leicht erklären, warum mit Tesla im Jahre 2008 ein

relativ neu gegründetes Unternehmen den Startschuss für die Elektromobilität gab und

nicht einer der bekannten, erfolgreichen Automobilhersteller. Diese beobachteten die

Entwicklungen innerhalb der Automobilindustrie ganz genau. Da jedoch keiner der be-

kannten Wettbewerber einen entscheidenden Schritt in Richtung Elektromobilität ge-

tätigt hatte, blieben auch die eigenen Bemühungen eher abwartend. Initialzündungen

folgten schliesslich von gänzlich neuen Spielern wie Tesla und Better Place oder Au-

tomobilherstellern wie Renault, die im alten Markt allmählich unter Druck gerieten und

die Elektromobilität als eine erfolgsversprechende Zukunftsoption erachteten.

Etablierte deutsche Premiumautomobilhersteller, die ihre Autos bisher immer als einer

der Ersten mit den neuesten Technologien ausstatteten13 (z.B. Airbag, Antiblockier-

system), stiegen hingegen relativ spät in den Bereich Elektromobilität ein und brachten

erst ab dem Jahre 2013 serienmässige Elektrofahrzeuge auf den Markt.

Kannibalisierungseffekte: Forschungsergebnissen von Gilbert & Newbery (1982)

und Reinganum (1983) zufolge investieren etablierte Spieler lieber verstärkt in die be-

reits bestehende Technologie, als auf diskontinuierliche Innovationen zu wechseln.

Dieses in der Wissenschaft als „Race-Strategie“ (Adner & Snow, 2010) bzw. „Sailing-

Ship-Effekt“ bekannte Phänomen konnte bereits in zahlreichen Industrien beobachtet

13 Werbeslogan der Audi AG: „Vorsprung durch Technik“

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werden (Utterback, 1994, S.159). Howells (2002, S. 888) definierte diesen Effekt als

„acceleration of innovation in the old technology in response to the threat of innovation

in the new technology“. Liesenkötter & Schewe (2012) konnten diesen Effekt auch in

der Automobilindustrie aufzeigen. Über eine Patentanalyse konnte festgestellt werden,

dass etablierte Hersteller mit dem Aufkommen alternativer Antriebstechnologien ver-

stärkt Innovationen im Bereich des konventionellen Antriebs lancierten. Dieses Ver-

halten ist unter anderem damit zu erklären, dass die bekannte Technologie

einigermassen prognostizierbare Umsätze bietet, wohingegen der Erfolg der neuen

Technologie noch relativ unklar ist. Ausserdem verzögern viele Unternehmen den

Wechsel auf die neue Technologie, da sie Angst haben sich selbst zu kannibalisieren

und somit erhebliche Gewinneinbussen zu erleiden (Hill & Rothaermel, 2003; Gilbert,

2005). Bestehendes Wissen, Ressourcen, und Fähigkeiten müssen aufgegeben bzw.

zum Teil neu aufgebaut werden. Für erfolgreiche Unternehmen stellt sich dies beson-

ders schwierig dar, da Dinge aufgegeben werden müssten, die sie in der Industrie in

eine komfortable Position gebracht haben. Ein Beispiel stellt das Unternehmen Kodak

Mitte der 70er-Jahre dar, dessen Produktportfolio zum damaligen Zeitpunkt überwie-

gend aus Filmen für analoge Kameras und chemischem Zubehör für die Entwicklung

der Filme bestand. Obwohl Kodak die erste digitale Kamera der Welt baute, entschloss

man sich gegen eine Kommerzialisierung. Auf diese Weise wollte man verhindern,

dass man das eigene Geschäft kannibalisierte. Die Digitalkamera wurde schliesslich

einige Jahre später von Sony vermarktet und entwickelte sich zu einem Welterfolg.

Steve Jobs erkannte die Gefahr der Kannibalisierung auch beim iPad gegenüber Lap-

tops und bemerkte hierzu nüchtern: ”[I]f you don’t cannibalize yourself, someone else

will” (Isaacson, 2011, S.408).

Sinkende Margen: Der Wechsel auf eine neue Technologie ist zu Beginn häufig mit

erheblichen finanziellen Einbussen verbunden. Der Wandel von Enzyklopädien hin zu

CD-Rom Inhalten bzw. frei zugänglichem Wissen im Internet stellt hierfür ein gutes

Beispiel dar. Auch der Wandel in der Automobilindustrie hin zur Elektromobilität ist für

die Hersteller mit einem deutlichen Margenverfall verbunden. Für den Bau von reinen

Batteriefahrzeugen werden der Verbrennungsmotor aber auch viele andere Kompo-

nenten überflüssig, welche für die etablierten Hersteller Kernkompetenzen und eine

hohe Wertschöpfung darstellen. Zusätzlich kommen neue Bauteile wie die Batterie

hinzu, die einen immensen Teil der Wertschöpfung ausmachen und die die Hersteller

von anderen Unternehmen beziehen müssen. Hohe Entwicklungskosten und neue In-

vestitionen, z.B. neue Produktionsfabriken, führen in den ersten Jahren zusätzlich zu

einem erheblichen Margendruck. Ein zusätzlicher Faktor ist in den noch relativ schwa-

chen Batteriekapazitäten zu erkennen. Von daher findet Elektromobilität vorläufig vor

allem in den kleineren Fahrzeugsegmenten Anwendung. Die Margen in diesen Seg-

menten liegen jedoch deutlich niedriger als in den Premiumsegmenten, so dass für

viele Hersteller kein grosser Anreiz vorliegt frühzeitig auf die neue Technologie zu

wechseln.

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Fokus auf derzeitige Stakeholder: Zahlreiche Unternehmen kamen beim Auftreten

diskontinuierlicher Technologien in Schwierigkeiten, weil sie einen zu starken Fokus

auf die bestehenden Stakeholder gelegt hatten. Ein notwendiger Wechsel auf die

Nachfolgetechnologie wurde oftmals verzögert, weil die bestehenden Kunden dies an-

geblich nicht wünschten bzw. Investoren mit Desinvestition drohten. Hierbei ist anzu-

merken, dass Kunden das Potenzial der neuen Technologie oftmals unterschätzen, da

sie Schwierigkeiten haben sich ein noch nicht existierendes Produkt vorzustellen bzw.

die neue Technologie anhand falscher Leistungskriterien bewerten. Bevor die ersten

Tablets auf den Markt kamen urteilten viele Kunden, dass sowohl Smartphones als

auch Personal Computer die bisherigen Wünsche der Kunden ausreichend erfüllten.

Dabei gilt es beim Kunden Wünsche zu kreieren, die er selber noch nicht kennt („A lot

of times, people don't know what they want until you show it to them“14). Auch im Be-

reich der Elektromobilität sehen die wenigsten Autofahrer welche Verknüpfungen sich

in Zukunft mit anderen Verkehrsmitteln ergeben können und inwiefern sich diese

neuen Fahrzeuge für innovative Mobilitätskonzepte nutzen lassen. Wird ein zu starker

Fokus auf die bisherigen Wünsche der Kunden gelegt, führt dies oftmals lediglich nur

zu einer Verbesserung des bestehenden Produkts. Henry Ford fasste diese Erkenntnis

treffend zusammen: „Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie

gesagt schnellere Pferde“.

4.3 Zusammenfassung

Zahlreiche Beispiele aus unterschiedlichsten Branchen zeigen, dass aufgrund diskon-

tinuierlicher technologischer Innovationen etablierte Unternehmen immer wieder er-

heblich in Schwierigkeiten geraten bzw. sogar innerhalb kurzer Zeit ganz vom Markt

verschwinden können. Mit dem Aufkommen der Elektromobilität könnte den Automo-

bilherstellern in den kommenden Jahren eine ähnliche Situation drohen. Zwar weisen

die Elektrofahrzeuge zum jetzigen Zeitpunkt in einigen für die Kunden zentralen Krite-

rien wie der Reichweite noch eine scheinbar zu geringe Leistung auf, jedoch werden

für die nächsten Jahre erhebliche Verbesserungen bei der Batterie erwartet. Zusätzlich

können diese Fahrzeuge mit neuen Eigenschaften wie emissionsfreies und geräusch-

loses Fahren bzw. niedrigen Betriebs- und Unterhaltskosten punkten. Hierdurch wer-

den gesellschaftliche Trends bedient und neue Kundengruppen angezogen. Die

Reaktionen der etablierten Hersteller auf diese Entwicklungen erweisen sich als sehr

verhalten. So ist zu beobachten, dass sich die Automobilhersteller verstärkt auf die

Optimierung des bestehenden Verbrennungsmotors konzentrieren. Dieser wurde in

14 Interview mit Steve Jobs in der BusinessWeek (25. Mai 1998): http://www.businessweek.com/1998/21/b3579165.htm (Stand: 05.05.2015)

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den letzten Jahrzehnten hauptsächlich in Bezug auf die klassischen Leistungskriterien

wie Motorleistung, Höchstgeschwindigkeit bzw. Reichweite verbessert und in jüngster

Vergangenheit auch bzgl. des CO2-Ausstosses. Hinsichtlich vieler dieser Kriterien

weist der Motor bereits eine Leistungsfähigkeit auf, die von den Kunden nicht mehr voll

genutzt werden kann. Wie in Kapitel 2 dieser Arbeit beschrieben, werden die Hersteller

jedoch in naher Zukunft aufgrund gesellschaftlicher Trends, neuer Wettbewerber und

vor allem strikterer Emissionsgrenzwerte zu einem Wechsel auf die neue Technologie

gezwungen. Für die etablierten Hersteller stellt diese Übergangssituation zu einer

neuen Technologie eine grosse Herausforderung dar. Einerseits möchten sie weiterhin

ihre derzeitigen Kernkompetenzen nutzen und den Verbrennungsmotor verkaufen, an-

dererseits aber auch nicht den Übergang auf die mögliche Zukunftstechnologie ver-

passen. Hier den richtigen Zeitpunkt zu erwischen ist aber ganz entscheidend für den

langfristigen Erfolg eines Unternehmens. Cooper & Smith (1992, S.68) z.B. sehen es

als sehr wahrscheinlich an, dass Unternehmen, die frühzeitig und im erheblichen

Masse in eine neue Technologie investieren, deutlich bessere Erfolgsaussichten ha-

ben.

Verfechter des Verbrennungsmotors sehen in der Elektromobilität lediglich eine Wei-

terentwicklung der bestehenden Fahrzeuge und insofern keine Gefahr für die Zukunft

der Hersteller. Auch in den akademischen Arbeiten herrscht nach wie vor Uneinigkeit

darüber, um welche Art der Innovation es sich bei der Elektromobilität handelt. Die

Beurteilung dieser Frage fällt ex-ante deshalb schwer, da unklar ist, anhand welcher

Kriterien die Kunden in Zukunft die Leistung eines Automobils beurteilen (Danneels,

2004, S. 251) und wie der technologische Fortschritt dieser Kriterien sich letztendlich

entwickelt. Während einige Autoren lediglich eine Optimierung des bestehenden Au-

tomobils sehen, sprechen zahlreiche Experten von einer Technologie, die eine hohe

Chance aufweist eine disruptive Technologie zu werden (Barkenbus, 2009). Christen-

sen (1997, S.189) diskutiert diesen Punkt in seinem Buch „Innovator’s Dilemma” und

beschreibt die Situation der Automobilindustrie folgendermassen: „[A]s an automotive

company executive, I would worry about the electric vehicle, not just because it is po-

litically correct to be investing in environmentally friendly technologies, but because

electric vehicles have the smell of a disruptive technology”.

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5 Veränderungen in der automobilen Wertschöpfungs-

kette

Nachdem im vorhergehenden Kapitel die Notwendigkeit eines frühzeitigen Wandels

zur Elektromobilität aufgezeigt wurde, sollen im folgenden Kapitel die Veränderungen

diskutiert werden, die ein Wechsel vom Verbrennungsmotor auf die Elektromobilität

mit sich bringt. Hierbei stehen besonders die Veränderung der Komponenten und de-

ren Auswirkungen auf den Upstream-Bereich der traditionellen automobilen Wert-

schöpfungskette im Vordergrund.

5.1 Klassische Wertschöpfungskette der Automobilindustrie

Abb. 5-1: Klassische Wertschöpfungskette der Automobilindustrie

(Quelle: Interviews, Roland Berger, 2009, S.70, S.80 - Eigene Darstellung)

Um einen besseren Überblick bzgl. der Auswirkungen der Elektromobilität auf die Au-

tomobilindustrie zu bekommen, soll in einem ersten Schritt kurz die klassische auto-

mobile Wertschöpfungskette aufgezeigt werden (vgl. Abb. 5-1). Grundsätzlich lässt

sich diese in Upstream- und Downstream-Aktivitäten unterteilen. Die Erstellung des

wirtschaftlichen Endproduktes, in diesem Falle die Fahrzeugproduktion, bildet die

Grenze zwischen den beiden Aktivitäten. Somit sind alle vorgelagerten Stufen der

Wertschöpfungskette als Upstream- bzw. nachgelagerte Aktivitäten als Downstream-

Aktivitäten zu definieren.

Der Bereich „Forschung & Entwicklung“ stellt den ersten Schritt in der automobilen

Wertschöpfungskette dar und ist den Upstream-Aktivitäten zuzuordnen. Der Fokus

liegt auf der Entwicklung neuer Fahrzeuge sowie der Erforschung neuer Technologien

für bereits bestehende Fahrzeuge. Die Verantwortlichkeiten hierfür liegen im Gegen-

satz zu vielen anderen Bereichen der Wertschöpfungskette zum Grossteil noch bei

den Fahrzeugherstellern selbst. Auch der Bereich „Teile & Komponenten“ ist den Up-

stream-Aktivitäten zuzurechnen und schliesst sich direkt an den F&E Bereich an. Über

F&ETeile &

KomponentenFahrzeug-produktion

VertriebAfter Sales &

Wartung

Downstream Upstream

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klar gegliederte Zulieferketten werden die Rohstoffe von Tier-315- bzw. Tier-216-Zulie-

ferern zu Komponenten weiterverarbeitet. Auf Basis dieser Komponenten fertigen

schliesslich Tier-117 Zulieferer fertige Module und liefern diese an die Automobilher-

steller. Diese Module können z.B. Armaturen, Teile der Antriebs- bzw.

Fahrwerkselektronik oder das Klimasystem darstellen (Ika, 2014, S.21). Im Gegensatz

zum Entwicklungsbereich dominiert in diesem Teil der Wertschöpfungskette die Aus-

lagerung der Aktivitäten an eng verbundene Zulieferer. Bereits seit Mitte des letzten

Jahrhunderts ist dieser Trend hin zur zunehmenden Integration der Zulieferer erkenn-

bar und zeigt sich z.B. bei General Motors durch ca. 1500 direkte Tier-1 Zulieferer

(Barkholz & Sherefkin, 2009). Die Gründe für diese Entwicklung sind vor allem in der

zunehmenden Individualisierbarkeit der Fahrzeuge zu sehen. Um die Wünsche der

Kunden besser bedienen zu können und sich gegenüber Wettbewerbern abgrenzen

zu können, wurden im Laufe der Jahre viele Fahrzeugvarianten und neue Modelle auf

den Markt gebracht. Dies erfordert jedoch ein hohes Mass an Flexibilität und zwingt

die Hersteller zu einer zunehmenden Auslagerung bestimmter Fertigungsaktivitäten.

Neben der Variantenvielfalt sind die Gründe aber vor allem auch in den immer kürzer

werdenden Produktlebenszyklen und in einem zunehmenden Kostendruck zu sehen

(Kasperk & Drauz, 2012, S.393; VDA, 2013, S.38; Ika, 2014, S.16). Dieser Trend hin

zur Modularisierung und dem Bezug von Komplettlösungen schlägt sich auch deutlich

in den Wertschöpfungsanteilen nieder. So ist im Laufe der letzten Jahre bei der Ent-

wicklung und Fertigung der Fahrzeuge eine deutliche Wertschöpfungsverschiebung

hin zu den Zulieferern zu beobachten. Hatten die Automobilhersteller im Jahre 2010

noch einen durchschnittlichen Eigenentwicklungsanteil von 60% aufzuweisen, wird für

das Jahr 2020 ein Anteil von nur noch 40% prognostiziert. Ein ähnlicher Trend wird

auch im Bereich der Fertigung vermutet, so dass im selben Zeitraum die durchschnitt-

liche Fertigungstiefe von 30% auf 25% sinkt (Proff & Proff, 2012, S.272). Bei den Her-

stellern selber verbleiben Kompetenzen im Bereich der Karosserie, Motor mit dessen

Aggregaten, Antriebsstrang und Exterieur (vgl. Abb. 5-2). Da all diese Elemente we-

sentlich die Marke des jeweiligen Herstellers verkörpern und somit kritische Leistungs-

bzw. Designkomponenten darstellen, versuchen die Hersteller einen grossen Teil die-

ser Wertschöpfung zu behalten (Becker, 2006, S.106).

15 Tier-3 Zulieferer: Verarbeiten Rohstoffe zu Halbfabrikaten und beliefern Tier-2 Unternehmen und Automobilhersteller 16 Tier-2 Zulieferer: Verarbeiten Halbfabrikate zu Komponenten und beliefern Tier-1 Unternehmen und Automobilhersteller 17 Tier-1 Zulieferer: Verarbeiten Komponenten zu Modulen/Systemen und beliefern die Automobilhersteller direkt

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| 71

Abb. 5-2: Veränderung der Wertschöpfungsanteile

(Quelle: VDA, 2013, S.37)

Bauteile, die dem Kunden am Fahrzeug eher weniger auffallen und somit auch kein

Differenzierungskriterium darstellen, wie z.B. die Elektrik, wurden beinahe vollständig

ausgelagert. Der Vertrieb der produzierten Automobile an die Endkunden erfolgt

schliesslich über Nationale Vertriebsgesellschaften und Einzelhandelsunternehmen

wie herstellereigene Vertriebsgesellschaften, selbstständige Vertragshändler oder

Mischformen (Diez, 2006, S.270). Neben dem klassischen Verkauf werden über Auto-

banken auch weitere Finanzierungsformen wie z.B. Leasing angeboten. Der After Sa-

les Bereich stellt schliesslich den letzten Teil der automobilen Wertschöpfungskette

dar. Hierunter fallen Aktivitäten wie das Werkstätten- und Ersatzteilgeschäft. Trotz ei-

nes relativ geringen Umsatzanteils, stellt dieser Teil der Wertschöpfung für die Auto-

mobilhersteller einen wichtigen Teilbereich dar und trägt massiv zu den Gewinnen bei

(Roland Berger, 2013, S.7).

Die aufgezeigten Aktivitäten der automobilen Wertschöpfungskette unterscheiden sich

jedoch erheblich hinsichtlich ihrer Umsätze und Profitabilität. Mittels einer Profit-Pool-

Analyse wird dies besonders deutlich. Sie zeigt auf, wie sich Umsätze und Profite auf

die einzelnen Wertschöpfungsaktivitäten verteilen und welche Bereiche folglich beson-

ders lukrativ sind. Dies hilft Unternehmen bei der Entscheidungsfindung, welche Be-

reiche der Wertschöpfungskette von ihnen besetzt bzw. welche als unattraktiv

gesehen werden. In Abbildung 5-3 ist exemplarisch der Profit-Pool für die europäische

Automobilindustrie aufgezeigt.

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72 |

Abb. 5-3: Profit Pool der europäischen Automobilindustrie im Jahre 2010

(Quelle: in Anlehnung an Bain & Company, 2011 – Eigene Darstellung)

Es fällt auf, dass die umsatzstärksten Bereiche nicht automatisch die grössten Ge-

winne generieren. Upstream-Aktivitäten wie das Teile & Komponentengeschäft der Zu-

lieferer und die Produktion der Fahrzeuge weisen trotz eines sehr hohen

Umsatzanteils nur eine relativ geringe Profitabilität auf. Besonders bemerkenswert ist,

dass im Bereich Fahrzeugproduktion und -absatz, dem eigentlichen Kerngeschäft der

Automobilhersteller, mit 2,4% die niedrigste Umsatzrendite erzielt wird. Gesättigte

Märkte, die zunehmende Verlagerung von Produktionsschritten an Zulieferer und der

Trend hin zum reinen Automobilintegrator lassen in diesem Bereich für die kommen-

den Jahre maximal eine stagnierende Entwicklung der Umsatzrendite erwarten. Im

Gegensatz zu den Upstream-Bereichen erweisen sich die Downstream-Bereiche be-

sonders lukrativ. So werden im Teilegrosshandel und im Finanzierungs- bzw. Leasing-

geschäft die höchsten Umsatzrenditen erzielt. Trotz ihres geringen Umsatzanteils,

tragen diese Aktivitäten derzeitig für die Automobilhersteller zu einem enormen Anteil

der Gewinne bei. Welchen Einfluss ein Wandel zur Elektromobilität auf die Wertschöp-

fungskette und die Attraktivität der Upstream- bzw. Downstream-Bereiche hat, soll im

Folgenden aufgezeigt werden.

5.2 Auswirkungen der E-Mobilität auf die automobile Wertschöp-

fungskette

Die im vorherigen Abschnitt aufgezeigte automobile Wertschöpfungskette stellt einen

idealtypischen Verlauf der Aktivitäten bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren dar.

In Folge des Wandels hin zur Elektromobilität ergeben sich jedoch erhebliche Verän-

derungen in Bezug auf vor- und nachgelagerte Wertschöpfungsstufen. Dies hängt un-

ter anderem damit zusammen, dass sich Elektro- und Verbrennungsfahrzeuge in

wesentlichen Komponenten unterscheiden. Bisherige Fahrzeugkomponenten werden

0

2

4

6

8

10

12

14

16U

msatz

rendite

Umsatzanteil

Zulieferer5,1%

Fahrzeugproduktionund -absatz

2,4%

Teile Grosshandel

13,7%

Finanzierung und Leasing

12,4%

Ver-sicherung

4,0%

Service und Teile

4,9%

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| 73

obsolet, modifiziert oder durch neue Teile ersetzt. Neben den Veränderungen bei den

Komponenten eines Fahrzeugs ergeben sich auch Veränderungen in der Wertschöp-

fungskette. Während einige Wertschöpfungsbereiche an Bedeutung verlieren bzw.

hinfällig werden, kommen in Folge der Elektromobilität auch neue Aktivitäten hinzu.

Vor allem im Downstream-Bereich sind aufgrund einer vollständig neuen Infrastruktur

sowie neuer Mobilitätsdienstleistungen Veränderungen zu erwarten. Wie diese neuen

Aktivitäten zwischen den Marktakteuren aufgeteilt werden und inwiefern etablierte Au-

tomobilhersteller von neuen Wertschöpfungspotenzialen profitieren können, gilt es zu

klären.

Der Grad der Veränderung der automobilen Wertschöpfungskette ist im erheblichen

Masse davon abhängig, inwieweit die neuen Batteriefahrzeuge an die Elektromobilität

angepasst werden. Während beim „Conversion Design“ nur relativ geringe

Anpassungen gegenüber einem konventionellen Fahrzeug mit Verbrennungsmotor

auszumachen sind, findet beim „Purpose Design“ oftmals eine komplette Neuentwick-

lung bzw. Neuanordnung der Komponenten statt. In Hinblick auf die ausführliche Dis-

kussion in Kapitel 3.2 soll für die folgende Analyse der Wertschöpfungsveränderungen

der Fokus auf Elektrofahrzeuge mit „Purpose Design“ liegen.

Betrachtet man die Veränderungen beim Elektrofahrzeug, so lassen sich im Vergleich

zum herkömmlichen Fahrzeug mit Verbrennungsmotor drei grundlegende

Entwicklungen erkennen: einige Komponenten werden überflüssig, einige müssen mo-

difiziert werden und wiederum andere kommen neu hinzu.

Obsolete Komponenten

Zu den Teilen, die in Elektrofahrzeugen nicht benötigt werden, zählen vor allem Kom-

ponenten, die funktional mit dem Verbrennungsmotor in Verbindung stehen. Dies be-

trifft Hauptaggregate wie den Verbrennungsmotor an sich, aber auch Nebenaggregate,

d.h. Komponenten, die nur indirekt für die Fortbewegung des Fahrzeugs verantwortlich

sind. Funktional mit dem Verbrennungsmotor verbundene Systeme wie die Abgasan-

lage oder Kraftstoffanlage - bestehend aus Einspritzanlage, Kraftstofftank und -pumpe

- werden somit hinfällig. Weitere gravierende Veränderungen am Antriebsstrang erge-

ben sich bei einem Blick auf das Drehmoment. Im Gegensatz zum Verbrennungsmotor

steht beim Elektromotor das maximale Drehmoment bereits im geringen Drehzahlbe-

reich beim Anfahren zur Verfügung und ermöglicht auf diese Weise die enorme An-

fangsbeschleunigung. Folglich werden in Zukunft bei rein batteriebetriebenen

Fahrzeugen Bauteile wie Kupplung oder Schaltgetriebe überflüssig. Der Wegfall der

beschriebenen Bauteile stellt für die Automobilhersteller in mehrerlei Hinsicht eine be-

sonders brisante Entwicklung dar:

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(1) Aufgrund der zunehmenden Auslagerung der Fertigung an Zulieferer haben Auto-

mobilproduzenten derzeit nur noch 25% der Wertschöpfung am Fahrzeug inne (Du-

denhöffer & Büttner, 2003, S.4; VDA, 2004). Während ganze Systeme und Module

kostengünstiger von Zulieferern gefertigt werden, sind die Autobauer oftmals nur noch

für die Entwicklung und Produktion weniger differenzierungsrelevanter Komponenten

zuständig. Durch den Wegfall dieser Komponenten nimmt der Wertschöpfungsanteil

der Automobilproduzenten weiter ab und beläuft sich hauptsächlich noch auf die

Grundkonzeption und das Design der Fahrzeuge. Dies macht die Hersteller angreifbar

gegenüber Neueinsteigern, da sie zunehmend nur noch als gut organisierte Systemin-

tegratoren der einzelnen Systeme bzw. fertig gelieferten Module fungieren. Finanz-

kräftige neue Akteure können ähnliche Kooperationen mit Zulieferern eingehen und

ebenfalls starke Marken aufbauen bzw. wie im Fall von Apple bereits bekannte aber

branchenfremde Marken auf die Automobilindustrie übertragen. Da die Vernetzung der

Fahrzeuge und das autonome Fahren elementare Themen der Zukunft darstellen wer-

den, sind finanzkräftige Unternehmen wie Google und Apple als zukünftige Automo-

bilhersteller denkbar. Während die meisten Systemelemente bzw. Module bereits über

spezialisierte Zulieferer zugekauft werden, könnte vor allem die Softwareentwicklung

zur autonomen Steuerung bzw. die Vernetzung mit der Umwelt und anderen Verkehrs-

teilnehmern im Fokus stehen und eigenständig entwickelt werden. Die Hardwarekom-

ponenten der Fahrzeuge würden somit zusehends zum Commodity verkommen und

die Differenzierung über Softwareelemente stattfinden (Schumann, 2012). In jüngster

Zeit verdichten sich die Gerüchte, dass vor allem Apple am Einstieg in den Automobil-

markt arbeitet und bereits ab 2020 eigene Fahrzeuge anbieten könnte (Greif, 2015).

(2) Ein weiterer Aspekt zeigt sich bei genauerer Betrachtung der entfallenden Kompo-

nenten. Durch den Wandel zum Elektrofahrzeug werden vor allem Komponenten über-

flüssig, an denen die Hersteller bisher einen relativ hohen Wertschöpfungsanteil

haben. So stellt der Verbrennungsmotor bei vielen OEMs noch eine der wenigen Kom-

ponenten dar, die in hoher Eigenleistung entwickelt und produziert werden. Neben

dem Verbrennungsmotor haben die Hersteller auch bei Getriebe und Kupplung einen

relativ hohen Wertschöpfungsanteil aufzuweisen (Wallentowitz & Freialdenhoven,

2011, S.162). Bei BMW ist der Motor als Kernkomponente sogar im Markennamen

verankert - „Bayerische Motoren Werke“ (Schumann, 2012). Die Bedeutung des Ver-

brennungsmotors für die Automobilproduzenten zeigt sich besonders deutlich an den

Reaktionen dieser auf die verschärften CO2-Gesetzgebungen der letzten Jahre. Wie

bereits in dieser Arbeit thematisiert, reagierten die Hersteller auf die Verschärfung der

Emissionsgrenzwerte grösstenteils mit der Optimierung des bestehenden Verbren-

nungsmotors. Mit Hilfe dieser inkrementellen Verbesserungen gelang es ihnen ent-

sprechende gesetzliche Vorgaben einzuhalten und gleichzeitig bestehende

Kernkompetenzen und getätigte Investitionen hinsichtlich des Verbrennungsmotors

weiterhin nutzen zu können.

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(3) Ein dritter entscheidender Punkt stellt die Markenidentität dar. In Zeiten, in denen

die Fahrzeuge immer ähnlicher werden und sich aufgrund identischer Zulieferer kaum

mehr in der Qualität, Sicherheit oder Ausstattung unterscheiden, stellten Motoren

lange Zeit ein wichtiges Differenzierungskriterium dar. Dies bestätigt sich bei einem

Blick auf die Modulübersicht eines BMW-Fahrzeugs. Gerade Komponenten wie Motor,

Getriebe bzw. Motorenmanagement gelten als besonders wichtiger Faktor in Bezug

auf die Markenprägung und lassen einen hohen Grad an Eigenleistung sinnvoll er-

scheinen (vgl. Abb. 5-4). Ebenso werden die Fahrzeuge oftmals in Bezug auf ihre Pfer-

destärken, maximale Höchstgeschwindigkeit oder Langlebigkeit des Motors

beworben. Bis heute gelten von Daimler entwickelte Motoren als besonders haltbar,

so dass häufig ein Verschleiss an der Karosserie, Getriebeschaden oder modische

Aspekte die Gründe für eine Verschrottung der Fahrzeuge darstellen.

Abb. 5-4: Modulübersicht bei BMW

(Quelle: Kampker, Vallee & Schnettler, 2013, S.111; Becker, 2006, S.106)

(4) Ein letzter Aspekt ist schliesslich im Hinblick auf die Wartung zu nennen. Während

ein Verbrennungsmotor aus ca. 1400 Einzelbauteilen besteht, sind es beim Elektroan-

trieb gerade noch 210 (Kampker, 2014, S.17). Die deutliche Reduktion beweglicher

Teile macht diese Fahrzeuge weniger wartungsanfällig und schmälert somit den Ge-

winn der Hersteller im After Sales Bereich.

Modifizierte Komponenten

Zu den Komponenten, die bei vollelektrischen Batteriefahrzeugen in modifizierter Form

zum Einsatz kommen, zählt z.B. das Getriebe. Beim Elektrofahrzeug handelt es sich

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um ein Automatikfahrzeug, wodurch die Anzahl der Gänge im Vergleich zum konven-

tionellen Automobil erheblich reduziert werden. So kommt der „BMW i3“ oder „VW e-

up!“ mit einem Ein-Gang-Getriebe aus. Dies begründet sich damit, dass der Elektro-

motor sofort das maximale Drehmoment an die Räder weitergibt und somit einzelne

Getriebestufen unnötig werden (Hohage, 2012, S.23). Selbst Elektrofahrzeuge mit ho-

hen Maximalgeschwindigkeiten wie der „Tesla S P85“ geben das Drehmoment des

Elektromotors nur über ein Ein-Gang-Getriebe an die Hinterräder weiter und erreichen

auf diese Weise Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 210km/h. Diese Reduktion an

Gängen führt zu einer deutlichen Komplexitätsreduktion im Automobil. Auch im Be-

reich der Wärmeregulierung im Innenraum der Fahrzeuge müssen Anpassungen vor-

genommen werden. Während beim Verbrennungsfahrzeug die Abwärme des Motors

für die Heizung genutzt werden kann, muss beim reinen Elektrofahrzeug hierfür eine

separate Heizung verbaut werden, die über die Batterie betrieben wird. Ähnliches ge-

schieht bei der Kühlung über einen Klimakompressor (Wallentowitz & Freialdenhoven,

2011, S.166). Eine weitere Modifizierung ist im Bereich der Karosserie zu verzeichnen.

Die Gründe hierfür sind in den deutlich schwereren Elektrofahrzeugen zu sehen. Dies

scheint auf den ersten Blick paradox, da durch den Wegfall von dem schweren Motor-

block, Getriebe und zahlreichen anderen Komponenten die Elektrofahrzeuge eigent-

lich leichter werden müssten. Dass dies nicht der Fall ist, lässt sich vor allem mit der

deutlich geringeren Energiedichte der Batteriezellen gegenüber flüssigem Kraftstoff

begründen. Trotz zahlreicher Verbesserungen im Bereich der Batterietechnologie un-

terscheiden sich diese noch immer um den Faktor 1:8618 (van Basshuysen, 2010,

S.120). Aus diesem Grund langt der durch den Wegfall des Kraftstofftanks freigewor-

dene Platz im Fahrzeugbodenbereich nicht aus und es müssen zusätzliche Batterien

im Elektrofahrzeug verbaut werden. Diese Batteriepacks haben jedoch ein deutlich

höheres Gewicht als der konventionelle Antriebsstrang und verursachen bei einem

durchschnittlichen Mittelklasse-Elektrofahrzeug fast 20% des Leergewichts19. Bei

Elektrofahrzeugen aus dem Oberklassesegment, die deutlich höhere Reichweiten und

Höchstgeschwindigkeiten aufweisen, liegt dieser Wert sogar bei ca. 36%20. Die Tatsa-

che, dass die Batterie einen grossen Anteil am Gesamtgewicht des Fahrzeugs ein-

nimmt, führte zu Optimierungen an der Karosserie. Anstelle schwerer

Aluminiumverkleidungen werden deshalb Karbonfasern verwendet. Diese mit Harz be-

handelten Kohlenstofffasern erweisen sich als besonders leicht, belastbar und rostfrei

18 Energiedichte Benzin: ca. 12.000 Wh/kg; Energiedichte Batterie: ca. 140Wh/kg (die im Automobilbereich verwendeten Li-thium-Ionen-Batterien haben eine Energiedichte von 100-180Wh/kg) 19 Der konventionelle Motor hingegen macht nur ca. 12% des Gesamtfahrzeuggewichts aus (A.T. Kearney, 2012). 20 Das Gewicht der Batterie und die Leergewichte wurden den jeweiligen Herstellerseiten entnommen: Renault ZOE: 290kg Batterie bei 1503kg Leergewicht (19%) Tesla Model S: 750kg Batterie bei 2108kg Leergewicht (36%) Chevrolet Spark EV: 254kg Batterie bei 1356kg Leergewicht (19%)

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(Seiwert et al., 2011). Da Bauteile aus Karbonfasern im Vergleich zu Stahl nur etwa

die Hälfte wiegen, lassen sich auf diese Weise deutliche Gewichtsreduzierungen er-

zielen. Allerdings schlägt sich dies auch deutlich bei den Kosten der Teile nieder. So

kosten diese besonders leichten Karbonbauteile 470% mehr als identische herkömm-

liche Stahlfertigungen (McKinsey, 2012b). Der Automobilhersteller BMW verfolgt den

Weg der Leichtbauweise bisher am konsequentesten und setzt diese neue Technolo-

gie bereits bei seinem Elektrofahrzeug „BMW i3“ ein21. Leichtbau findet beim „BMW

i3“ in mehrerlei Hinsicht statt. Die CFK-Fahrgastzelle, das sogenannte Life-Modul,

wurde vollständig aus Carbon gefertigt und erweist sich mit gerade mal 150kg als

Leichtgewicht. Ein unter der Fahrgastzelle befindliches Chassis, das sogenannte

Drive-Modul, in dessen Unterboden die Energiespeicher verbaut werden, trägt auf-

grund seiner Aluminiumbauweise ebenso erheblich zur Gewichtsreduktion bei. Auf

diese Weise kommt der „BMW i3“ mit einer 22kWh Lithium-Ionen-Batterie auf ein Ge-

samtleergewicht von 1250kg. Vergleichbare Elektromobile aus dem Kleinwagenseg-

ment wie der „Renault ZOE“ weisen bei einer identischen Batterieausstattung ein fast

250kg höheres Gesamtleergewicht auf. Dies macht sich letztendlich auch bei den

Reichweiten bemerkbar. Während die Reichweite beim BMW ca. 130-160km beträgt,

liegt sie beim Renault zwischen 100-150km (Viehmann, 2014). Neben dem Einsatz

von Karbon im Bereich der Fahrgastzelle werden auch bei vielen anderen Bauteilen

nach leichteren und ressourcenschonenden Alternativen geforscht. So werden Sitz-

polster im Innenraum aus recycelten PET-Flaschen hergestellt und bei Schrauben auf

Magnesium zurückgegriffen (Holzer, 2013). Ähnliche Entwicklungen lassen sich auch

bei anderen Elektrofahrzeugherstellern wie Ford oder Nissan beobachten (Hucko,

2014).

Neue Komponenten

Mit dem Verbrennungsmotor, einem aufwändigen Getriebe und zahlreichen funktional

damit verbundenen Bauteilen werden grosse Teile des bestehenden Antriebsstrangs

aus dem konventionellen Fahrzeug entfernt. Im batteriebetriebenen Fahrzeug rücken

an diese Stelle mit Elektromotor, Energiespeicher und Leistungselektronik für die Au-

tomobilhersteller völlig neue Kernkomponenten (Kampker, 2014, S.116).

Im Gegensatz zum Verbrennungsmotor stellt in rein elektrischen Fahrzeugen ein

Elektromotor die zentrale Antriebseinheit dar. Dieser wandelt die in der Batterie ge-

speicherte elektrische Energie in mechanische Energie um und gibt diese an die Räder

weiter. Die grossen Vorteile des Elektromotors gegenüber einem Verbrenner liegen

dabei in seiner Umweltfreundlichkeit, Effizienz und Leistung. So ist das maximale

21 BMW i3: 230kg Batterie bei 1270kg Leergewicht (18%)

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Drehmoment bereits im niedrigsten Drehzahlbereich verfügbar, was sich in einer ho-

hen Beschleunigung bereits auf den ersten Metern bemerkbar macht. Zusätzlich er-

möglicht er die bei Bremsvorgängen freiwerdende Energie zurückzugewinnen und in

der Batterie zu speichern (Rekuperation). Die geringere Anzahl an beweglichen Bau-

teilen macht ihn ausserdem besonders wartungsarm. Auch Grösse, Betriebslautstärke

und Sauberkeit stellen einen grossen Vorteil dar. Mit Blick auf die Wertschöpfung las-

sen sich für die Automobilhersteller jedoch auch grosse Nachteile erkennen. Seit Jahr-

zehnten bilden Verbrennungsmotor und Getriebe die technologischen Kernelemente

eines Fahrzeugs und bilden mit einem Anteil von fast 25% an den Gesamtkosten einen

der grössten Kostenblöcke (Kampker, Vallee & Schnettler, 2013, S.47). Während die

OEMs am Verbrennungsmotor mit ca. 63% einen verhältnismässig hohen Know-how-

Anteil aufweisen können, ergibt sich im Bereich der Elektromotoren mit nur ca. 15%

derzeit ein anderes Bild (PwC, 2010, S. 38.). Dieser niedrige Wert zeigt auf, dass viele

Hersteller innerhalb der letzten Jahre keine eigenen Kompetenzen im Bereich der

Elektromotoren aufbauen konnten und daher zu einem Fremdbezug über Zulieferer

gezwungen sind.

Eine einheitliche Strategie der Fahrzeughersteller für den Bezug der Elektromotoren

ist derzeit nicht auszumachen, so dass sowohl Eigenfertigungen als auch Fremdbe-

züge zu beobachten sind. Renault22, Mitsubishi oder auch Ford23 beziehen ihre

Elektromotoren über namhafte Zulieferer wie Continental oder Magna. Entwicklung

und Produktion der Motoren liegen somit vollständig im Bereich der Zulieferer, so dass

von den OEMs letztlich nur noch der Einbau der Motoren in die Fahrzeuge vorgenom-

men wird. Neben dem Kauf der Motoren gibt es auch die Möglichkeit der Eigenent-

wicklung. Automobilhersteller wie BMW24, Volkswagen25, Nissan26 oder

Branchenneuling Tesla Motors27 entwickeln und produzieren ihre Elektromotoren der-

zeit bereits eigenständig und können auf diese Weise einen deutlich grösseren Teil

der Wertschöpfung im eigenen Unternehmen behalten. Auch Joint Venture Modelle

wie zwischen Daimler und Bosch eignen sich, um Entwicklungskosten zu minimieren

und dennoch entsprechende Kompetenzen im Unternehmen aufzubauen (vgl. Abb. 5-

5).

22 http://www.continental-corporation.com/www/presseportal_com_de/themen/pressemitteilungen/3_automotive_group/power-train/press_releases/pr_2013_06_04_renault_zoe_de.html 23 http://www.greencarreports.com/news/1047189_ford-announces-battery-supplier-for-2012-focus-electric 24 Interview mit Hr. Backé von der BMW Schweiz AG (19.08.2014) 25 http://www.auto-motor-und-sport.de/news/vw-elektromobilitaet-vw-baut-e-motoren-selbst-3258533.html 26 http://www.nissan-global.com/EN/NEWS/2011/_STORY/110124-01-e.html 27 http://www.autonews.com/assets/PDF/CA843311210.PDF

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Abb. 5-5: Wertschöpfungskette Elektromotor

(Quelle: in Anlehnung an Ika, 2014, S.89 – Eigene Darstellung)

Neben dem Elektromotor stellt der Energiespeicher (Batterie) eine weitere wichtige

neue Komponente dar. Dieser liefert die Energie für den Motor und befindet sich auf-

grund seines Gewichts und Grösse im Unterboden des Fahrzeugs. Dies führt einer-

seits zu einem stabileren Fahrverhalten, da sich der Schwerpunkt des Fahrzeugs nach

unten verlagert, bedeutet andererseits aber auch aufgrund seiner ungeschützteren Po-

sitionierung eine höhere Anfälligkeit gegen Kälte oder Steinschlag. Auch weisen heu-

tige Batterien immer noch ein enormes Gewicht auf und führen so zu einer

Reduzierung der maximalen Reichweite28. Um dem entgegenzuwirken setzen Auto-

bauer in Zukunft verstärkt auf Leichtbauweise aus Aluminium und Karbon.

Die Grundspeichereinheit einer Batterie bilden Batteriezellen. Diese werden zu Modu-

len und schliesslich zu Packs zusammengeschaltet (Mennenga, 2014). Die fertigen

Packs werden schliesslich noch mit einem Batteriemanagementsystem ausgestattet.

Dieses ist notwendig für die generelle Steuerung der Zellen, Ladezustandserkennung,

Fehleridentifikation und Temperaturregelung (Huth, Wittek & Spengler, 2013,

S.205ff.). Aufgrund der guten Energiedichte und Belastbarkeit werden derzeit in den

meisten Elektrofahrzeugen Lithium-Ionen-Batterien verbaut. Diese Batterien finden

28 Die 21,6kWh-Batterie im „BMW i3“ wird mit einem Gewicht von 230kg angegeben. Die 22kWh Batterie im „Renault ZOE“ bringt es sogar auf 290kg und macht bei 1503kg Gesamtgewicht einen Anteil von fast 20% aus (Herstellerangaben).

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auch bereits in vielen Bereichen der Elektronikindustrie Anwendung (z.B. Mobilfunkte-

lefon, Laptop, Kamera). Produziert werden die Batterien zum Grossteil im asiatischen

Raum. Dort ansässige Unternehmen wie Panasonic / Sanyo, AESC, Samsung LG o-

der Li-Tec haben das entsprechende Know-how und dominieren mit fast 80% Markt-

anteil die weltweite Produktion (Schöttle, 2014).

Ähnlich der Situation bei den Elektromotoren verfolgen die Automobilhersteller auch

im Bereich der Batterieproduktion keine einheitliche Strategie (vgl. Abb. 5-6). Da die

Batterie aufgrund der derzeitigen Preise einen sehr hohen Anteil am Elektrofahrzeug

ausmacht, ist es für die OEMs wichtig einen möglichst grossen Teil der Wertschöpfung

zu besitzen. Allerdings erfordert vor allem die Zellproduktion ein jahrelanges Know-

how und erweist sich auch als sehr aufwändig, da sterile Produktionsbedingungen wie

in der Halbleiterindustrie benötigt werden. Aus diesem Grund wagten bisher auch nur

wenige OEMs den Einstieg in die Zellproduktion und überliessen die Fertigung der

Zellen wenigen grossen Spezialisten wie LG oder Panasonic. Die Automobilhersteller

Nissan, BYD und Daimler stellen diesbezüglich Ausnahmen dar und entwickeln eigene

Batteriezellen. Nissan nutzt hierfür seinen japanischen Joint Venture Partner NEC

(AESC). Die Gründe für diese Entscheidung liegen in der strategischen Ausrichtung

des Konzerns. Kaum einer der anderen Automobilhersteller positioniert sich so stark

im Bereich Elektromobilität wie Nissan. Mit dem „Nissan Leaf“ brachten sie bereits

2010 eines der ersten rein batteriebetriebenen Elektrofahrzeuge in Grossserie auf den

Markt. Dieses war im Gegensatz zu den sonst auf dem Markt erhältlichen Modellen

bewusst als reines Elektrofahrzeug im „Purpose Design“ konzipiert. Mit dem Allianz-

partner Renault kamen weitere vier Fahrzeuge hinzu, so dass bereits viele Fahr-

zeugsegmente abgedeckt werden. Dieser frühe Markteintritt erklärt auch das

Engagement im Bereich der Zellproduktion. Die zu diesem Zeitpunkt auf dem Markt

verfügbaren Zellen waren für Elektrofahrzeuge noch nicht optimiert. Die eigene Zell-

produktion erlaubte Nissan eine bessere Fahrzeugintegration und Abstimmung mit den

restlichen Komponenten des Fahrzeugs (Nissan, 2012).

Auch Daimler ist über sein Tochterunternehmen Li-Tec indirekt in der Zellproduktion

involviert. Zum Jahresende 2015 jedoch wurde dies beendet, da man in Folge des

weltweiten Preisverfalls gegenüber spezialisierten Anbietern nicht mehr konkurrenzfä-

hig war (Daimler, 2014b). Einen gänzlich anderen Ansatz verfolgt das chinesische Un-

ternehmen BYD. Das ursprünglich als Batteriehersteller gegründete Unternehmen tritt

seit 2003 auch selbst als Automobilhersteller am Markt auf und hat mit dem „BYD e6"

sowie dem in Kooperation mit Daimler entwickelten „Denza“ bereits zwei reine

Elektrofahrzeuge auf dem Markt. Diese Entwicklung stellt für die etablierten Automo-

bilhersteller eine Herausforderung dar, weil neue Konkurrenz seitens der Batterieher-

steller droht. Da im Elektrofahrzeug statt eines Verbrennungsmotors die Batterie eine

elementare Rolle spielt und auch wertmässig einen grossen Anteil ausmacht, könnten

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finanzkräftige neue Akteure aus Elektronik- und Chemiebranche ihren jahrzehntelan-

gen Erfahrungsvorsprung nutzen und den Schritt in die Automobilbranche als Herstel-

ler wagen.

Abb. 5-6: Wertschöpfungskette Batterie

(Quelle: in Anlehnung an Ika, 2014, S.92 – Eigene Darstellung)

Aufgrund der beschriebenen Schwierigkeiten bei der Zellproduktion lassen sich die

meisten OEMs derzeit beliefern und bauen diese dann eigenständig zu Modulen und

Packs zusammen. Da die Zellproduktion jedoch fast zwei Drittel29 der Wertschöpfung

ausmacht, können die Hersteller nur einen kleinen Teil dieser vereinnahmen (Ika,

2014, S.91). So bezieht z.B. BMW die Zellen vom Batteriespezialisten Samsung und

verarbeitet diese dann eigenständig weiter. Um die Zellen überwachen und steuern zu

können, werden die Batteriepacks schliesslich noch mit einem Batteriemanagement-

system versehen (Kampker, 2014, S.58).

Nur wenige Automobilhersteller lassen sich bereits fertige Batteriepacks liefern. Die-

sen Ansatz verfolgt z.B. Ford für den „Ford Focus Electric“ und bezieht den kompletten

Batteriepack über das LG Chem Tochterunternehmen Compact Power (Bennett,

2010). Diese Strategie bietet den kleinsten Handlungsspielraum für die Automobilher-

steller, so dass sie lediglich für Funktionstests und den Einbau der Batterien in die

29 Ika (2014, S.91): Produktion Komponenten (24,4%) + Produktion Batteriezelle (38,1%) = 62,5%

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Fahrzeuge verantwortlich sind. Da auf Massenware der Batteriehersteller zurückge-

griffen wird, können folglich auch kaum Differenzierungsvorteile erzielt werden (Huth,

Wittek & Spengler, 2013, S.205).

Experten sehen die Batterie als eine der wichtigsten Komponenten für den Erfolg der

Elektromobilität (The Economist, 199730). Dies zeigt sich bei einem genaueren Blick

auf die Batteriekosten. Im Mai 2012 startete Ford mit dem Verkauf seines rein batte-

riebetriebenen Kompaktklassefahrzeugs „Ford Focus Electric“. Der damalige CEO

Alan Mullaly bezifferte die Batteriepreise auf ca. 520-650$/kWh, was bei einer Batte-

riegrösse von 23kWh Gesamtspeicherkosten von 12.000-15.000$ entspricht (Ramsey,

2012). Bei einem Fahrzeugpreis von ca. 39.000$ entfallen somit alleine auf die Batterie

bis zu 38% des Gesamtwerts. Die Kosten für die Batterie sind in den letzten Jahren

aufgrund einer steigenden Nachfrage zwar beständig gesunken, dennoch stellt auch

heutzutage die Batterie noch einen gewaltigen Kostenfaktor dar (vgl. Tab. 5-1).

Jahr $/kWh Quelle

Ist-

An

aly

se

2010 1000-1200$

750$

BCG (2010) – Batteries for Electric Cars

Roland Berger (2011b) – Powertrain 2020

2011 500-650$ Frost & Sullivan (2012) - 360-degree Per-spective of the Global Electric Vehicle Market

2012 500-600$ McKinsey (2012a) - Battery technology charges ahead

520-650$ Mulally (2012) – CEO Ford Motor Company

2013 238$31 Frost & Sullivan (2013) - Strategic Corporate Profile of Tesla Motors' Global Operations

Fo

rec

as

t 2020 200$ McKinsey (2012a) - Battery technology charges ahead

100$31 Straubel32 (2015) – CTO Tesla Motors

30 „The Achilles heel of the EV has always been the battery” (Zitat aus dem Economist-Artikel „Electrifying“ vom 18.12.1997) 31 Die in Tesla-Fahrzeugen verbauten Batteriepacks sind im Vergleich zu anderen Energiespeichern deutlich billiger. Der Grund hierfür liegt in den Batteriezellen. Tesla verwendet statt der sonst üblichen Flachzellen Rundzellen. Diese lassen sich effizienter produzieren bzw. weisen zusätzlich eine höhere Energiedichte und Haltbarkeit auf. Allerdings haben sie ein relativ hohes Gewicht und aufgrund ihrer zylindrischen Form eine geringe Packungsdichte. Mit dem Bau der Gigafactory werden die Herstellungskosten ab 2017 für Tesla noch weiter sinken, so dass bereits im Jahre 2024 Batteriepreise von 100$/kWh möglich wären. (Quelle : http://batteryuniversity.com/learn/article/types_of_battery_cells). 32 Zitat von Jeffrey Brian Straubel während einer Podiumsdiskussion auf der Edison Electric Institute Annual Convention in New Orleans am 08.06.2015: “I think we would be disappointed if battery costs were not in the $100 Dollar range by the end of this decade, somewhere in this ballpark” (https://www.youtube.com/watch?v=5nMcJxA3lto ; Minute 36:00 ff.).

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2024 <100$31 Musk33 (2014) – CEO Tesla Motors

2025 160$ McKinsey (2012a) - Battery technology charges ahead

Tab. 5-1: Entwicklung der Batteriekosten34

(Quelle: Eigene Darstellung)

Doch nicht nur Volumenhersteller sind von den hohen Batteriekosten betroffen. Wäh-

rend der hohe Batteriepreis bei Teslas „Model S“ im Oberklassesegment noch akzep-

tiert wurde, wird dies in Zukunft deutlich schwieriger werden. Tesla will 2017 mit dem

„Model 3“ den Massenmarkt erobern und dieses im Segment der Mittelklasse positio-

nieren. Um die preissensibleren potenziellen Kunden nicht zu verschrecken und den

kalkulierten Verkaufspreis von ca. 35.000$ einhalten zu können, ist eine Reduktion

des Batteriepreises zwingend notwendig (Tesla Motors, 2014b). Diese Beispiele zei-

gen, wie wichtig es in Zukunft sein wird, die Preise der Batterie weiter zu senken. Da

die Batteriekosten stark vom Produktionsvolumen abhängen, stellt das Nutzen von

Skaleneffekten eine Möglichkeit dar diese Kostensenkungen zu erzielen. Diesen An-

satz verfolgen Tesla und Panasonic derzeit mit der geplanten Gigafactory. Ab 2017

sollen in der 5Mrd. $ teuren Gigafactory Hochenergiezellen produziert werden und ei-

nen Output von 50GWh Batteriepacks pro Jahr bringen. Bei Produktionsmengen die-

ser Grössenordnung können Kostenreduktionspotenziale von bis zu 30% erzielt

werden (Tesla Motors, 2014a). Ähnliche Entwicklungen lassen sich auch bei BYD aus-

machen, die eine jährliche Steigerung der Batterieproduktion um 6GWh anstreben

(Groom, 2015).

Die Leistungselektronik schliesslich als dritter neuer zentraler Bestandteil des elektro-

mobilen Antriebs regelt das Zusammenspiel von Batterie und Elektromotor. Der Inver-

ter wandelt dabei die in der Batterie gespeicherte Energie um (Spannung, Stromstärke

und Frequenz) und macht diese so für den Motor nutzbar (Kampker, 2014, S.117).

Hier werden zum Grossteil ähnliche Strategien verfolgt wie im Bereich der Elektromo-

toren. Zulieferer der Motoren sind meist auch für die Lieferung der Elektronik zustän-

dig, was ein reibungsloses Zusammenspiel zwischen den Komponenten gewährleistet

(Ika, 2014, S94).

33 Zitat von Elon Musk beim Conference Call am 31.07.2014: “I'd be disappointed if it took us 10 years to get to $100 a kilowatt-hour pack”. 34 Bei den angegebenen Preisen handelt es sich jeweils um Herstellungskosten auf Packebene für Lithium-Ionen-Batterien. Die Analystenbewertungen hinsichtlich der Batteriepreise unterscheiden sich jedoch teilweise erheblich. Die Gründe hierfür liegen vor allem in der unterschiedlichen Bewertung hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung der Branche sowie fehlender Informationen bzgl. volumenabhängiger Einkaufspreise der OEMs. Die Gründe liegen aber auch zum Teil an der Intransparenz der Berichte. So wird oftmals nicht ersichtlich, ob die Preise auf Zell-, Modul- oder Packebene angegeben werden. Auch bleibt oftmals unklar, inwieweit bei den Kosten bereits Elektronikkomponenten und Kühlungen berücksichtigt werden. Bei Forecasts wird meist nicht ersichtlich, anhand welcher Stückzahlen kalkuliert wird.

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Die im Rahmen dieses Kapitels diskutierten Veränderungen beim Übergang vom kon-

ventionellen Verbrennungsfahrzeug zum reinen Batteriefahrzeug werden in der folgen-

den Grafik noch einmal systematisch zusammengefasst (vgl. Abb. 5-7).

Abb. 5-7: Technologische Veränderungen im Elektrofahrzeug

(Quelle: Wallentowitz & Freialdenhoven, 2011, S.161; Ika, 2014, S.87; Mennenga, 2014, Interview

- Eigene Darstellung)

Für die etablierten Automobilhersteller stellt der Wandel zum reinen Elektrofahrzeug

eine besonders kritische Situation dar. Komponenten, bei denen sie einen jahrzehnte-

langen Entwicklungsvorsprung und einen entsprechend hohen Wertschöpfungsanteil

haben, werden obsolet. Ersetzt werden diese Komponenten durch eine Batterie, die

sie zu grossen Teilen zukaufen müssen und an der sie nur relativ wenig Wertschöp-

fung haben. Wäre dies nicht schon schwierig genug, nehmen die neu benötigten Kom-

ponenten einen enorm hohen Anteil am Wert des Gesamtfahrzeugs ein (Schumann,

2012). Die folgende Gegenüberstellung soll die Wertschöpfungsverluste noch einmal

im Detail aufzeigen (vgl. Abb. 5-8).

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Abb. 5-8: Wertschöpfungsveränderungen an einem Fahrzeug der Mittelklasse

(Quelle: Eigene Darstellung35)

In der Kalkulation werden ein Mittelklassewagen mit Verbrennungsmotor und ein rein

batteriebetriebenes Fahrzeug derselben Klasse verglichen, wobei jeweils nur die kos-

tenintensivsten Veränderungen betrachtet werden sollen. Für den Verbrennungsmotor

wird hierfür eine durchschnittliche Motorleistung von 100kW festgelegt36 - für das

Elektrofahrzeug ein 80kW-Motor und eine 24kWh Lithium-Batterie. Durch den Verzicht

von Verbrennungsmotor, Getriebe, Abgassystem, Nebenaggregaten (Lichtmaschine,

Anlasser, etc…) und Kraftstofftank entfallen beim konventionellen Fahrzeug Kompo-

nenten im Wert von ca. 4000€. Auch wenn die Automobilhersteller nicht alle dieser

Komponenten in Eigenregie fertigen, können sie dennoch einen recht hohen Wert-

schöpfungsanteil aufweisen. Beim Elektrofahrzeug stellen neben Elektromotor und

35 Angegebene Kosten stellen Herstellkosten auf OEM-Ebene dar: Delorme et al. (2009), S.4 - Elektromotor 8 $/kW (2015) und Controller 6 $/kW (2015) = 14$/kW Mock (2010), S.66 Edwards, Larivé & Beziat (2011), S.7 Kampker, Vallee & Schnettler (2013), S.47 Lienkamp (2014), S.27 Manfred Pauli, Mobilitätsakademie, Interview vom 31.07.2014 Lars Thomsen, future matters, Interview vom 24.09.2014 36 Laut Studie des CAR-Instituts der Universität Duisburg-Essen lag in Deutschland im Jahre 2014 die durchschnittliche Motor-leistung der Neuwägen bei 140PS (~100kW). Da die Motorleistung in den USA etwas höher bzw. im asiatischen Raum etwas niedriger liegt, soll dieser Wert für die Kalkulation als weltweiter Durchschnitt dienen.

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Leistungselektronik vor allem die teure Batterie die wesentlichen Komponenten dar.

Letztere kann alleine mit fast 11.000€ kalkuliert werden, so dass Gesamtkosten für

neue Bauteile von ca. 12.600€ entstehen. Wieviel die Hersteller hier an Wertschöpfung

vereinnahmen können, ist bei allen Komponenten abhängig von der jeweiligen Ferti-

gungstiefe. Da die Batterie aber einen sehr hohen Anteil ausmacht und zu grossen

Teilen von spezialisierten Batterieherstellern produziert wird, müssen die OEMs im

Vergleich zum konventionellen Fahrzeug gravierende Einbussen hinnehmen.

Dieses Beispiel zeigt auf, in welcher prekären Situation sich derzeitig traditionelle Her-

steller befinden. Der Wegfall zentraler Komponenten macht sie angreifbar, da die Ge-

fahr droht, dass sie in Zukunft nur noch als Integrator der einzelnen Module bzw.

Systeme für den Zusammenbau des Endprodukts dienen. Eine zusätzlich geringe Fer-

tigungstiefe bei wichtigen Komponenten wirft die Frage auf, ob vorgelagerte Zulieferer

oder Batteriespezialisten - mit dem notwendigen Know-how und einem deutlich höhe-

ren Wertschöpfungsanteil - den Bau eines Elektromobils in Zukunft nicht ebenfalls er-

ledigen können. Anhand des chinesischen Automobilherstellers BYD wird dies

sichtbar. Das als Batterieunternehmen gegründete Unternehmen positionierte sich ab

2003 im Automobilmarkt und bietet bereits im Heimatmarkt serienmässig rein elektri-

sche Modelle an. Während Batteriehersteller wie BYD etablierten Automobilherstellern

durch eine Vorwärtsintegration gefährlich werden können, droht in Zukunft auch Ge-

fahr durch Rückwärtsintegration.

Die zunehmende digitale Vernetzung der Verkehrsteilnehmer ruft auch bisher bran-

chenfremde Unternehmen wie Apple und Google auf den Plan. Während diese bereits

zum Teil in Kooperationen mit etablierten OEMs an der Digitalisierung der Fahrzeuge

arbeiten, sind hier auch Szenarien denkbar, dass diese Akteure in naher Zukunft als

eigenständige Fahrzeughersteller am Markt auftreten. Der stark zunehmende Anteil

an Elektronikkomponenten und Vernetzungstechnologien in den Fahrzeugen lassen

diesen Schritt realistisch erscheinen (Rammler, 2015). Beide hätten die notwendige

Finanzkraft und stellten bereits in der Vergangenheit unter Beweis, dass sie Industrien

verändern können. So löste Apple z.B. als Branchenneuling im Bereich der Mobiltele-

fone innerhalb kürzester Zeit den Marktführer Nokia ab. Bereits seit längerer Zeit kur-

sieren Gerüchte, dass Apple oder Google unter eigenem Namen Elektrofahrzeuge auf

den Markt bringen könnten. Wie realistisch derartige Spekulationen sind, zeigt sich am

Beispiel von Tesla Motors. Seit dem Einstieg 2003 in den Automobilmarkt konnten

diese als völliger Branchenneuling bereits einen grossen Einfluss nehmen und mit dem

„Roadster“ und „Model S“ serienmässige Elektrofahrzeuge auf den Markt bringen.

Diese Fahrzeuge beeindruckten, da sie in scheinbar zunächst ungeeigneten Segmen-

ten der Sportwagen bzw. Oberklasse positioniert und mit einem innovativen Design

versehen wurden. Ende 2015 folgten noch der SUV „Model X“ und 2017 das für den

Massenmarkt konzipierte „Model 3“, so dass auch in Zukunft eine klar definierte

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Elektromobilitätsstrategie verfolgt wird und deutlich mehr Elektromobile angeboten

werden als von manchem etablierten Automobilhersteller.

Neben dem Wegfall wichtiger Kernkomponenten und einer weiter sinkenden Ferti-

gungstiefe stellt sich zudem die Frage nach den Differenzierungsmöglichkeiten bei den

Elektromobilen. Beim Verbrennungsmotor fungierten neben einer starken Marke, Qua-

lität und Sicherheit besonders die PS-Leistung der Motoren oder die Reichweite der

Fahrzeuge als Differenzierungskriterien. Da vor allem letztere Leistungskriterien je-

doch beim Elektrofahrzeug deutlich schlechter abschneiden und ein hoher Fremdbe-

zug vorherrscht, scheinen sie als Kriterien eher ungeeignet. Wie in diesem Kapitel

ausführlich aufgezeigt, versuchen einige Automobilhersteller diesem Trend gegenzu-

steuern und die Entwicklung bzw. Produktion sowohl des Elektromotors als auch der

Batterien zu übernehmen. Dies geschieht über Allianzen oder Joint Ventures und er-

möglicht gerade während der Anfangszeit den Herstellern ein besseres Verständnis

für die neue Technologie zu entwickeln und eigene Kompetenzen aufzubauen. Da im

Laufe der Zeit jedoch Skaleneffekte immer entscheidender werden und sich die Pro-

duktion von Batteriezellen immer mehr hin zu Spezialisten verlagert, sind sinkende

Margen zu erwarten. Automobilhersteller ziehen sich infolgedessen aus der Zellpro-

duktion zurück und stossen entsprechende Bereiche wieder ab (BCG, 2010, S.11; Ika,

2014, S.93). Diese Entwicklung deutet sich bereits heute bei Daimler und seinem

Tochterunternehmen Li-Tec an. Harald Kröger, Entwicklungsleiter Mercedes-Benz

Cars, kommentierte die Bedeutung einer eigenständigen Batteriezellenproduktion bei

Daimler folgendermassen: „Wir haben die Erkenntnis gewonnen, dass ein Autoherstel-

ler die Zellen nicht selber produzieren muss“ (o.V., 2014).

Was unterscheidet also in Zukunft Elektrofahrzeuge voneinander, wenn elementare

Teile wie Batterie und Elektromotor als Massenware produziert und in sehr ähnlicher

Form auch in Fahrzeugen der Konkurrenz verbaut werden? (vgl. Anhang 5). Im klei-

neren Umfang lassen sich durchaus Unterschiede über die verbaute Leistungselektro-

nik und somit das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten erzielen. Rolf

Schumann von Better Place (2012) äusserte diesbezüglich im Interview: „Eine Batterie

ist für mich Commodity. Die differenziert überhaupt nicht. Die Software zur Steuerung

der Batterie differenziert“. Derzeitige Bemühungen seitens der Automobilhersteller im

Bereich der Batterieherstellung zu forschen liegen seiner Meinung nach darin begrün-

det wieder „irgendetwas“ am Elektromobil besitzen zu wollen. Andere Experten in den

Interviews bezweifeln ebenfalls, dass die Batterie zu einem ähnlich starken Differen-

zierungskriterium werden könnte, wie es der Verbrennungsmotor war. Die steigende

Zuliefererabhängigkeit und Auslagerung vieler Komponenten wird diesen zufolge auch

beim Elektrofahrzeug zu sehen sein. Prof. Knie (2014) vom Innovationszentrum für

Mobilität und gesellschaftlichen Wandel sieht besonders in der Bedeutung von Inter-

neteinbindung und Vernetzung der Fahrzeuge eine wesentliche Differenzierungsmög-

lichkeit: „[Z]ukünftig wird die Attraktivität eines Verkehrsmittels im Wesentlichen davon

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abhängen, wie ich es im Internet präsent habe - wir sprechen da von der digitalen

Signatur, die so ein Auto oder ein Verkehrsmittel haben muss, weil die wird immer

entscheidender“. Ebenfalls dürften für die Differenzierung in Zukunft der Marke bzw.

dem Design (Schumann, 2012; Spiegelberg, 2014) und Mobilitätsdienstleistungen im

Downstream-Bereich (Proff & Proff, 2012, S.156) bedeutende Rollen zukommen. Hier

geht es neben der nahtlosen Konnektivität und Digitalisierung der Fahrzeuge vor allem

auch um das Thema Intermodalität und die Vernetzung unterschiedlichster Mobilitäts-

träger (Schumann, 2012; Knie, 2014). Wie dies ausgestaltet werden kann, soll aus-

führlich in Kapitel 6 thematisiert werden.

5.3 Analogie zum Mobilfunkmarkt

Wie im vorherigen Abschnitt beschrieben, haben die Automobilhersteller beim Über-

gang zum rein batteriebetriebenen Elektrofahrzeug mit erheblichen Wertschöpfungs-

verlusten zu kämpfen. Während die Hersteller vor allem im Upstream-Bereich

deutliche Einbussen hinnehmen müssen, ergeben sich jedoch im Downstream-Be-

reich auch grosse Chancen und neue Wertschöpfungspotenziale. Um die Veränderun-

gen innerhalb der automobilen Wertschöpfungskette besser verstehen zu können,

erweist sich ein Blick auf Industrien als hilfreich, die einen ähnlich radikalen Umbruch

bereits vollzogen haben. Der Wandel in der Mobilfunkindustrie vom Mobiltelefon zum

Smartphone nach der Jahrtausendwende stellt hierfür ein hervorragendes Beispiel

dar.

Die Mobilfunkindustrie eignet sich für diesen Vergleich insofern, da zum damaligen

Zeitpunkt ähnliche Strukturen und Entwicklungen vorherrschten, wie man sie heutzu-

tage in der Automobilindustrie beobachten kann. Während sich die etablierten Mobil-

telefonhersteller lange Zeit nur auf inkrementelle Verbesserungen ihrer Geräte

konzentrierten, wurden sie mit einem Branchenneuling konfrontiert, der durch ein in-

novatives Produkt völlig neue Zusatzdienste schaffte und infolgedessen die Wert-

schöpfungskette im Mobilfunkbereich elementar veränderte. Als Unterschied zur

heutigen Situation in der Automobilindustrie ist jedoch anzumerken, dass die Innova-

tion nicht seitens der Politik, sondern allein von gesellschaftlichen Bedürfnissen getrie-

ben wurde. Dieser Wandel im Mobilfunkmarkt soll im Folgenden kurz aufgezeigt

werden.

Im Jahre 2005 teilte sich eine Hand voll etablierter Handyhersteller wie Nokia, Motorola

oder RIM (heute Blackberry) den Markt der Featurephones. Dies umfasste Mobiltele-

fone, die neben dem Telefonieren und Schreiben von Textnachrichten auch bereits

Kamerafunktionen hatten bzw. über WAP-Browser eigens dafür programmierte Web-

seiten anzeigen konnten. Die Hersteller fokussierten sich zum Grossteil auf die inkre-

mentelle Optimierung ihrer Geräte, so dass versucht wurde die Akkulaufzeit, Farbtiefe

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und Auflösung der Displays zu steigern oder neue Softwarekomponenten wie Adress-

buchfunktionen zu etablieren. Während die Featurephones an sich im Vergleich zu

späteren Smartphones deutlich günstiger waren, entstanden die Hauptkosten bei der

Nutzung von Telefonie- bzw. SMS-Funktion. Technische Fortschritte sowie der gesell-

schaftliche Wunsch nach mehr Mobilität und einer permanenten Verfügbarkeit von In-

formationen führten zu einer Weiterentwicklung der bisherigen Geräte zu

Smartphones. Im Gegensatz zu den bisher verfügbaren Featurephones wiesen Smart-

phones deutlich umfangreichere Funktionen auf. Neue Kommunikationsmöglichkeiten

via E-Mail bzw. Chats, Navigationssysteme, Diktierfunktion und ein echter Webbrow-

ser machten die neuen Geräte zu Alleskönnern. Der Kaufpreis der Geräte erhöhte sich

im Vergleich zum Featurephone erheblich, so dass für ein neues Smartphone 500-

700€ kalkuliert werden musste. Die Nutzung der Mobilgeräte hingegen vergünstigte

sich für die Kunden aufgrund verbesserter Übertragungstechnologien und der Einfüh-

rung von Telefon- und Datenflatrates. Der Umsatz mit Telefonie und Textnachrichten

ging erheblich zurück bzw. verlagerte sich auf neue Programme wie Skype und

Whatsapp.

Apples Einstieg in den Smartphonemarkt im Jahre 2007 sollte den Beginn eines Um-

bruchs darstellen. Bereits vier Jahre nach seinem Einstieg in den Markt löste das Un-

ternehmen den ehemaligen Marktführer Nokia beim Smartphone ab und konnte als

Branchenneuling im zweiten Quartal 2011 mit ca. 19% den grössten Marktanteil aller

Smartphonehersteller aufweisen (IDC, 2015). Neben den bereits beschriebenen Funk-

tionen konnte das „Apple iPhone“ die Kunden zusätzlich mit einem besonders innova-

tiven Design bzw. intuitiver Touchscreen-Steuerung überzeugen und stellte somit eine

erhebliche Verbesserung gegenüber den sonstigen verfügbaren Mobilgeräten dar. Der

entscheidende Punkt für den Erfolg stellte jedoch die Anbindung an einen App-Store

dar, über den Zusatzprodukte bezogen werden konnten (Schuermans, 2012). Das An-

gebot von Apps, Musik und Videos entfernte die Unternehmen somit vom reinen End-

gerätehersteller hin zu Anbietern von Kommunikation. Während in der Vergangenheit

noch die reine Performanceleistung der Geräte im Vordergrund stand, wurde ab sofort

die Einbindung des Gerätes in das Ökosystem sowie die Verknüpfung zu App-Stores

oder Zusatzdiensten das entscheidende Kriterium (Ziegler, 201137).

Diese Entwicklung in Richtung Zusatzdienste hatte erhebliche Auswirkungen auf die

Mobilfunkindustrie, ihre Akteure und die Verteilung der Wertschöpfung. Während

Apple aufgrund eines eigenen App-Stores zu den grossen Gewinnern dieses Wandels

37 Nokia CEO Stephen Elop in einem veröffentlichten Memo: „The battle of devices has now become a war of ecosystems, where ecosystems include not only the hardware and software of the device, but developers, applications, ecommerce, adver-tising, search, social applications, location-based services, unified communications and many other things. Our competitors aren't taking our market share with devices; they are taking our market share with an entire ecosystem“; (Quelle: http://www.engadget.com/2011/02/08/nokia-ceo-stephen-elop-rallies-troops-in-brutally-honest-burnin/).

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zählte, mussten einige Akteure wie z.B. die Netzbetreiber erhebliche Verluste hinneh-

men. Mit den technischen Entwicklungen sowie dem Aufkommen der Smartphones

wurde das Internet mobil nutzbar und es konnte auf die von den Netzbetreibern kon-

trollierten WAP-Dienste verzichtet werden. Das bisher übliche „Walled-Garden-Mo-

dell“, bei dem der Mobilfunkbetreiber den Zugang zu eigenen WAP-Seiten und Inhalten

ermöglichte, wurde durch ein „Bit-Pipe-Modell“ ersetzt, bei dem er nur noch als Infra-

strukturanbieter diente. Die Mobilfunkunternehmen verloren daraufhin massiv an

Marktmacht und stellten ab sofort nur noch Serviceprovider für das Internet dar. Am

entscheidenden Umsatz der mobilen Zusatzdienstleistungen etc. hatten sie keinen An-

teil mehr. Innerhalb weniger Jahre verschoben sich die Wertschöpfungsverhältnisse in

der Branche im erheblichen Masse (Detecon, 2010).

Auch in der Automobilbranche lassen sich heutzutage beim Übergang zur Elektromo-

bilität ähnliche Entwicklungen ausmachen. Automobilhersteller entfernen sich auf-

grund einer stetig sinkenden Fertigungstiefe und Wertschöpfungsverlusten im

Upstream-Bereich immer mehr von ihrem eigenen Kernprodukt und bewegen sich hin

in Richtung Mobilitätsdienstleister. Das Automobil bzw. besonders dessen Besitz ver-

liert hierdurch an Bedeutung und stellt im Rahmen intermodaler Mobilitätsangebote

nur noch einen ergänzenden Baustein dar. Für die Automobilhersteller gilt es zentrale

Positionen der neuen elektromobilen Wertschöpfungskette zu besetzen und Mobili-

tätsdienstleistungen bzw. Zusatzservices zu kreieren, die das Automobil und den

Wunsch nach einer innovativen, nachhaltigen Mobilität verknüpfen. Auch neue Ge-

schäftsmodelle, wie man sie seit vielen Jahren aus dem Mobilfunkbereich bereits

kennt, sind denkbar. Ähnlich dem Verkauf eines Mobiltelefons mit einem dazugehöri-

gen Vertrag sind auch im Automobilbereich solche Paket-Lösungen denkbar, so dass

beispielsweise Elektromobile in Verbindung mit einem Stromvertrag verkauft werden

könnten (Wagner vom Berg, Köster & Gómez, 2013, S.120). Wie die Zukunft der Mo-

bilität aussieht und welche Wertschöpfungspotenziale sich für die Automobilhersteller

nutzen lassen, soll Gegenstand des folgenden Kapitels werden.

5.4 Zusammenfassung

Der Übergang zur rein batteriebetriebenen Elektromobilität stellt nicht nur einen Wech-

sel auf eine neue Technologie dar, sondern bedeutet auch erhebliche Veränderungen

innerhalb der automobilen Wertschöpfungskette. Während für den Upstream-Bereich

ein zunehmender Bedeutungsverlust prognostiziert wird, verlagert sich die Wertschöp-

fung in den kommenden Jahren immer mehr in Richtung der Downstream-Aktivitäten.

Für die Hersteller stellt sich dieser Wandel als besonders riskant dar, da er mit einem

grundlegenden Kompetenzverlust verbunden ist. Komponenten wie Motor und Ge-

triebe, an denen sie einen hohen Wertschöpfungsanteil besitzen, werden obsolet und

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durch Batterie, Elektromotor und Leistungselektronik ersetzt. Diese neuen Komponen-

ten machen jedoch einen grossen Wert des Elektrofahrzeugs aus und die Hersteller

können nur einen vergleichsweise geringen Wertschöpfungsanteil für sich beanspru-

chen. Das Kapitel verdeutlicht auch, dass der Wandel vom Verbrennungsmotor hin zur

Elektromobilität völlig neue Differenzierungsmöglichkeiten ermöglicht. So verlieren

beim reinen Elektrofahrzeug klassische Differenzierungskriterien wie Motorleistung

und Höchstgeschwindigkeiten zunehmend an Bedeutung und werden durch die

Konnektivität bzw. Digitalisierung der Fahrzeuge und Vernetzungsmöglichkeiten mit

anderen Mobilitätsträgern ersetzt. Eine Analogie zum Mobilfunkmarkt zeigt schliesslich

auf, wie dort der Wandel vom Mobiltelefon zum Smartphone vollzogen wurde. Ähnlich

der heutigen Situation in der Automobilindustrie mussten die Hersteller von Mobiltele-

fonen aufgrund technologischer Entwicklungen deutliche Einbussen im Upstream-Be-

reich hinnehmen. Neue Wertschöpfungspotenziale im Downstream-Bereich konnten

frühzeitig von branchenfremden Akteuren wie Apple besetzt werden und ihnen zu ei-

nem Welterfolg verhelfen. Die Analogie verdeutlicht, welchen Risiken die etablierten

Automobilhersteller durch ein zögerndes Verhalten unterliegen können und dass in der

elektromobilen Wertschöpfungskette frühzeitig zentrale Positionen besetzt werden

müssen.

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6 Die neue elektromobile Wertschöpfungskette

Im folgenden Kapitel wird die Veränderung der automobilen Wertschöpfungskette

durch den Wandel zur Elektromobilität aufgezeigt. Während in den bisherigen Kapiteln

die Veränderungen im Upstream-Bereich diskutiert wurden, liegt der Fokus nun auf

dem Downstream-Bereich. Es gilt zu klären, welche Wertschöpfungspotenziale sich

entlang der neu formierten elektromobilen Wertschöpfungskette ergeben und inwie-

fern diese von den etablierten Automobilherstellern genutzt werden können.

Beim Übergang vom Verbrennungsfahrzeug hin zu rein batteriebetriebenen Fahrzeu-

gen wird es, wie bereits aufgezeigt, zu erheblichen Veränderungen kommen. Neue

gesellschaftliche und umweltpolitische Entwicklungen führen auch zu Veränderungen

im Downstream-Bereich und ermöglichen dort neue Wertschöpfungspotenziale. Ver-

änderte Nutzungsgewohnheiten sowie die Verkehrsentwicklungen in Städten erfor-

dern ein Umdenken in der Branche. Vieles deutet darauf hin, dass sich die Branche

ähnlich dem Mobilfunkmarkt von ihrem eigentlichen Kernprodukt entfernt und hin in

Richtung Zusatzangebote entwickelt. Der Wandel im Mobilfunkmarkt zeigt auf, wie

wichtig es ist eine zentrale Position zu übernehmen und somit die Kontrolle über die

zukünftige Wertschöpfungskette zu erlangen. Die Automobilunternehmen entwickeln

sich somit vom reinen Hersteller der Fahrzeuge hin zu Mobilitätsdienstleistern. Dies

umfasst neben dem bereits üblichen Verkauf von Elektrofahrzeugen auch entspre-

chende Finanzdienstleistungen, den Zugang zur Ladeinfrastruktur und den Bezug von

Strom. Darüber hinaus werden auch Mehrwertdienste und Mobilitätsdienstleistungen

angeboten, so dass der Kunde genau die Mobilität nutzen kann, die er in dem jeweili-

gen Moment benötigt. Um auch in Zukunft eine wichtige Rolle zu spielen, gilt es für die

etablierten Automobilhersteller hier schnellstmöglich Schlüsselstufen zu besetzen und

attraktive Geschäftsmodelle zu kreieren. Dies kann über Kooperationen oder Eigen-

entwicklungen geschehen.

Im Rahmen der Experteninterviews konnte die sich neu bildende elektromobile Wert-

schöpfungskette identifiziert werden. Im Folgenden soll im Detail aufgezeigt werden,

welche neuen Wertschöpfungspotenziale entstehen. Abbildung 6-1 gibt dabei einen

Überblick zu den wesentlichen neuen Stufen der elektromobilen Wertschöpfungskette

im Downstream-Bereich:

Abb. 6-1: Neue elektromobile Wertschöpfungskette in der Automobilindustrie

(Quelle: Interviews – Eigene Darstellung)

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6.1 Finanzdienstleistungen und After Sales

Die Bereiche „Finanzdienstleistungen“ und „After Sales“ stellen bereits in der klassi-

schen automobilen Wertschöpfungskette zentrale Bestandteile dar. Auch in der

elektromobilen Kette können die beiden Aktivitäten identifiziert werden, jedoch unter-

scheiden sie sich hinsichtlich ihrer Relevanz. Während der Bereich „Finanzdienstleis-

tungen“ in veränderter Form an Bedeutung gewinnen wird, erweist sich der Bereich

„After Sales“ in Zukunft als zunehmend unwichtiger.

Hat sich der Kunde für den Kauf eines Elektrofahrzeugs entschlossen, stellt sich

schliesslich die Frage, wie er dieses erwerben will. Neben dem Barkauf sind die Fi-

nanzierung und das Leasing die derzeit gängigsten Finanzierungsformen. Während

bei ersterem das Fahrzeug gegen Barzahlung direkt in das Eigentum des Kunden

übergeht, werden die beiden anderen Finanzierungsformen für den Kunden dann in-

teressant, wenn er den entsprechenden Neuwagen nicht bar bezahlen kann oder will.

Während beim Leasing ein Mietvertrag über einen bestimmten Zeitraum vereinbart

und das Fahrzeug danach wieder an den Leasinggeber zurückgegeben wird, geht das

Fahrzeug bei einer Finanzierung nach Tilgung aller Kreditraten in das Eigentum des

Kunden über (ADAC, 2015).

Um die ideale Finanzierungsform zu finden, ist jedoch zuerst ein Blick auf die Preise

der Fahrzeuge notwendig. Aufgrund hoher Batteriepreise erweisen sich Elektrofahr-

zeuge zum jetzigen Zeitpunkt noch immer deutlich teurer als vergleichbare konventio-

nelle Fahrzeuge. Um die Preisunterschiede transparenter zu machen, bietet sich für

den Vergleich ein Elektrofahrzeug im „Conversion Design“ an. Mitsubishis erstes se-

rienmässiges Elektrofahrzeug „i-MiEV“ wurde zum Marktstart 2010 in Europa für ca.

35.000€ verkauft. Der in der Ausstattung ähnliche „Mitsubishi Colt“ mit Verbrennungs-

motor hingegen kostete in der Grundausstattung nur 12.000€ (Kampker, 2014, S.15).

Auch wenn aufgrund sinkender Batteriepreise Kostensenkungen zu erwarten sind, so

wird es noch dauern bis der Zeitpunkt der Preisparität erreicht werden kann. Aufgrund

vergleichsweise niedriger Preise und erheblicher Rabatte stellt bei konventionellen

Fahrzeugen besonders die Barzahlung eine interessante Finanzierungsform dar. Da

die Verkaufspreise der Elektrofahrzeuge jedoch deutlich über denen konventioneller

Fahrzeuge liegen, ist mit einem Rückgang des Barkaufs zu rechnen.

Will oder kann der Kunde das Fahrzeug nicht bar bezahlen, bietet sich eine Finanzie-

rung an. Doch auch hierbei ergeben sich Probleme. Selbst wenn über die Finanzierung

der Kauf eines Elektrofahrzeugs erheblich erleichtert wird, sieht sich der Kunde immer

noch immensen Risiken ausgesetzt. Da der Kunde nach Bezahlung der Raten Eigen-

tümer des Wagens wird, muss er auch nach Ablauf der Garantie selber für Schäden

an der Batterie aufkommen. Während Verbrennungsmotoren aufgrund ihrer jahrzehn-

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telangen Entwicklung kaum Defekte aufweisen, stellt sich die Situation beim Elektro-

fahrzeug deutlich komplexer dar. Langjährige Tests bzgl. der Entwicklung der Batte-

rieleistung gibt es noch nicht. Da die Batterie durch Schnellaufladungen und

zahlreichen kurzen Ladezyklen enorm beansprucht wird, ist ein Ausfall nicht unrealis-

tisch. Durch den hohen Wert der Batterie können für den Besitzer bei einem Defekt

zusätzliche Ausgaben von mehreren tausend Euro entstehen. Zusätzlich herrscht zum

jetzigen Zeitpunkt noch grosse Unsicherheit hinsichtlich der Restwertentwicklung der

Elektrofahrzeuge. Aufgrund dieser Risiken werden sich viele potenzielle Kunden zu-

nächst gegen eine solche Finanzierung aussprechen. Da sowohl Barkauf und Finan-

zierung zum Eigentum des Elektrofahrzeugs führen, wird für beide

Finanzierungsformen eine sinkende Bedeutung prognostiziert.

Um möglichen Kunden die Angst vor dem Kauf eines Elektromobils zu nehmen, wird

in Zukunft für die Automobilunternehmen vor allem das Leasing einen lukrativen Ge-

schäftszweig darstellen. Während das Leasing heutzutage tendenziell eher mit Unter-

nehmen verbunden wird, kann diese Finanzierungsform durch den Wandel zur

Elektromobilität auch für Privatpersonen interessant werden. Gerade um Elektromobi-

lität auch für die breite Masse zugänglich zu machen, bieten sich entsprechende Lea-

singmodelle an. Käufer werden somit von der relativ hohen Anfangszahlung entlastet

und müssen lediglich eine moderate monatliche Rate zahlen. Zudem werden sie nach

Ablauf der Leasinglaufzeit nicht Eigentümer und tragen somit nicht das Risiko bei tech-

nischen Defekten (Rudschies, 2012; Sigl, 2012). Dies erleichtert vielen den Einstieg in

den Markt und nimmt potenziellen Kunden die Skepsis vor der neuen Technik. Diese

ist aufgrund der Unsicherheit hinsichtlich der Restwertentwicklung der Elektrofahr-

zeuge und der Lebensdauer der Batterie noch oftmals vorhanden. So gehen Progno-

sen davon aus, dass die Restwerte der Elektrofahrzeuge aufgrund von

Leistungsverlusten der Batterie bereits nach 5 Jahren nur noch 10% des Neupreises

entsprechen. Im Vergleich zu Restwerten von 25% bei konventionellen Fahrzeugen

bedeutet dies einen erheblichen Unterschied (o.V., 2010). Gerade zur Einführung ers-

ter serienmässiger Modelle erweist sich das Fahrzeugleasing als sinnvoll, da dadurch

die Risiken der Batterie auf den Leasinggeber übertragen werden (Sigl, 2012).

Peugeot startete mit seinem ersten serienmässigen Elektrofahrzeug „iOn“ im Jahre

2010 und bot es Käufern nur als Full-Service-Leasing an - eine Kaufoption war nicht

möglich. Für 499€/Monat38 konnte das Fahrzeug inklusive Batterie geleast werden.

Zusätzliche Services wie Wartung, Garantie und ein Assistance-System, das einem im

Falle einer Panne oder einer leeren Batterie weiterhilft, bildeten für den Käufer ein

komfortables Komplettpaket. Ein klassischer Fahrzeugkauf wurde erst 2012 einge-

führt, als die Technologie alltagserprobter war (Peugeot, 2012).

38 Das Full-Service-Leasing für den Peugeot iOn ging über eine Laufzeit von 36Monaten und 10.000km.

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Auch wenn sich die Bedeutung der Barzahlung und Finanzierung im Vergleich zum

Kauf eines Verbrennungsfahrzeugs verändert, ist anzumerken, dass die diskutierten

Finanzierungsformen im Grunde keine Neuerungen darstellen. Um Elektrofahrzeuge

für den Massenmarkt aber noch attraktiver zu machen, sind innovativere Finanzie-

rungsmodelle notwendig. Dabei gilt es besonders die von den Kunden häufig

geäusserte Angst vor einem Ausfall der Batterie zu berücksichtigen. Wie bereits auf-

gezeigt, lässt sich der höhere Kaufpreis eines reinen Elektrofahrzeugs zum Grossteil

durch die Kosten für die Batterie erklären. Hinzu kommt, dass bisher kaum Erfahrungs-

werte hinsichtlich eines möglichen Batterieleistungsverfalls existieren und somit auch

nur schwer Aussagen bzgl. der Restwertentwicklung bei Elektrofahrzeugen getroffen

werden können. Auch die derzeitigen Leistungssprünge in der Batterietechnologie stel-

len einen hohen Unsicherheitsfaktor dar. Laut Prognosen sind für die kommenden

Jahre deutliche Fortschritte hinsichtlich der Energiedichte der Batterien zu erwarten,

was sich im erheblichen Masse auf die Reichweiten der Automobile auswirken würde.

Viele Kunden hätten somit bereits innerhalb kürzester Zeit nach dem Kauf ihres

Elektrofahrzeugs eine veraltete Batterietechnologie und müssten möglicherweise auf

eigene Kosten neue Batterien nachrüsten. Um diesem Problem entgegenzuwirken,

erweist sich eine Trennung von Fahrzeug und Batterie als sinnvoll. Auf diese Weise

kann das Fahrzeug klassisch verkauft werden, während nur die Batterie verleast wird.

Da die Batterie somit Eigentum des Leasinggebers bleibt, trägt dieser auch das Risiko

bei einem Schaden (Rudschies, 2012; Sigl, 2012). Bei einem deutlichen Leistungsab-

fall oder Totalausfall der Batterien muss dieser die Batterien austauschen und das

Restwertrisiko wird dadurch erheblich vermindert. Neben dem Nutzen für den Kunden

können die Hersteller die Elektrofahrzeuge besser bewerben, da der Preis nun ver-

gleichbar zu konventionellen Fahrzeugen wird (Schwarzer, 2011; Sigl, 2012).

Bisher gehen vor allem Daimler und Renault diesen Weg der Batteriemiete. Abhängig

von Laufzeit und kalkulierter Laufleistung ergeben sich für den Kunden unterschiedli-

che Leasinggebühren. Für den „Renault ZOE“ betragen die monatlichen Gebühren für

die Batteriemiete zwischen 49€ (Laufleistung: 5000km/Jahr) und 162€ (Laufleistung:

30.000km/Jahr). Zusätzliche Mehr- bzw. Minderkilometer werden am Ende der Ver-

tragslaufzeit verrechnet und entsprechend vergütet. Über den Dienst „Z.E. Services“

bekommen die Leasingnehmer zusätzlich die Garantie, dass ihre Batterie im Elektro-

fahrzeug zu jederzeit 75% der maximalen Leistungsfähigkeit entspricht und dass ihnen

im Falle einer Panne geholfen wird (Renault, 2015). Es wird deutlich, dass der klassi-

sche Verkauf der Fahrzeuge an Bedeutung verliert und neue Finanzierungsmodelle

entscheidend werden. Auch wenn Tesla und BMW für seine Modelle bisher keine

Trennung von Batterie und Fahrzeug beabsichtigen und auf den klassischen Fahr-

zeugverkauf setzen, sehen Automobilexperten in dieser Variante aufgrund der ge-

nannten Risiken nur noch eine „Übergangsvariante“ (Andresen, 2012) (vgl. Tab. 6-1).

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Fahrzeugkauf (inkl. Batterie) Fahrzeugkauf + Batteriemiete E

igen

sch

aft

en

Elektrofahrzeug wird per Barzahlung oder Finanzierung gekauft

Kunde wird Eigentümer des Fahrzeugs

Batterierisiko liegt nach Ablauf der Ga-rantie beim Käufer

Solange die Leistungsfähigkeit der Bat-terie gewährleistet ist, bleibt diese trotz technologischer Fortschritte bei der Bat-terietechnik (Energiedichte, Anzahl möglicher Ladezyklen, Ladezeit) im Fahrzeug verbaut

Restwertentwicklung bei Elektrofahr-zeugen noch nahezu unbekannt

Elektrofahrzeug wird gekauft - Batterie gemietet

Kein Batterierisiko für den Kunden

Bessere Vergleichbarkeit mit konventio-nellen Fahrzeugen kann OEMs als Wer-bezweck dienen

Trennung von Fahrzeug und Batterie er-laubt völlig neue Geschäftsmodelle (ähnlich Mobilfunkvertrag)

Erl

ös

e f

ür

OE

M

Fahrzeugverkauf

Leasingrate

Mehrkilometer

Batterieaufbereitung

Batteriewiederverwendung

Batteriewiederverkauf

Batterierecycling

Tab. 6-1: Vergleich von Fahrzeugkauf und Batteriemiete

(Quelle: Eigene Darstellung)

Better Place verfolgte die Idee der Trennung von Fahrzeug und Batterie bereits relativ

frühzeitig. Das Geschäftsmodell basierte darauf, dass sich Kunden ein Elektrofahrzeug

bei einem Automobilhersteller kaufen. Die entsprechende Batterie und der benötigte

Strom wurden von Better Place gestellt. Bezahlt werden mussten dann entsprechend

eines Mobilfunkvertrags nur die tatsächlich von den Kunden gefahrenen Kilometer

(Woyczechowski, 2014). Gewechselt wurden die leeren Batterien innerhalb weniger

Minuten an Wechselstationen, so dass nicht wesentlich mehr Zeit verging als für einen

Tankstopp. Auf diese Weise hoffte man sowohl das Problem der langen Ladedauer

als auch der geringen Reichweite lösen zu können. Neben den Batteriewechselstatio-

nen sollten für kürzere Wegstrecken auch normale Ladestationen verfügbar gemacht

werden. Better Place scheiterte mit diesem innovativen Ansatz unter anderem daran,

dass es auf dem Markt keine einheitlichen Batterien gab. Die verfügbaren Elektrofahr-

zeuge benötigten jeweils unterschiedliche Batteriegrössen und auch die Schnittstellen

unterschieden sich erheblich. Dies hatte zur Folge, dass riesige Vorräte an unter-

schiedlichen Batterien auf Lager verfügbar hätten sein müssen.

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Auch wenn entsprechende Batterietauschsysteme in Zukunft wohl nicht mehr zur Dis-

kussion stehen, stellt dieses neue Geschäftsmodell der Batteriemiete einen interes-

santen und innovativen Ansatz dar und ähnelt durch die Trennung von Fahrzeug und

Batterie stark einem Mobilfunkvertrag. Dort ist es bereits lange üblich die Endgeräte

und entsprechende Verträge separat zu vertreiben. Auch im Elektromobilitätsmarkt

sind aufgrund der Trennung von Fahrzeug und Batterie solche Modelle denkbar. An-

bieter solcher Verträge könnten über Kooperationen sowohl Automobilhersteller oder

auch Energieanbieter sein. Der Kunde könnte ähnlich dem Smartphone sein ge-

wünschtes Elektrofahrzeug wählen und dazu einen entsprechenden Stromladevertrag

abschliessen, der seinem Mobilitätsverhalten entspricht (Rennhak & Benad, 2013,

S.177ff.). So wären kilometerabhängige Tarife oder auch Paket-Lösungen denkbar.

Werden bei einer kilometergenauen Buchung mehr Kilometer benötigt, können diese,

ähnlich dem Datenvolumen beim Mobilfunkvertrag, jederzeit zusätzlich gebucht wer-

den. Das Paket könnte im Sinne einer Mobilitätsflatrate aufgebaut sein und neben der

Laufleistung auch den Zugang zur Ladeinfrastruktur sowie weitere Mobilitätsdienstleis-

tungen ermöglichen. Was diese Flatrate an Leistungen beinhalten kann, soll im späte-

ren Verlauf dieses Kapitels diskutiert werden.

Neben diesem neuen Vertriebsmodell ergeben sich durch das separate Vermieten der

Batterie für die Automobilhersteller aber auch völlig neue Geschäftspotenziale. Da die

Hersteller weiterhin Eigentümer der verleasten Batterien bleiben, bekommen sie diese

nach Ablauf der Leasinglaufzeit wieder vom Kunden zurück. Ebenso müssen die Her-

steller Batterien aus den verkauften Elektrofahrzeugen zurücknehmen, die während

der Garantiezeit einen Defekt oder erheblichen Kapazitätsverlust aufweisen39. Auf

diese Weise sammeln sich im Laufe der Zeit bei den Herstellern grosse Mengen an

Batterien an, die zum Teil voll funktionsfähig sind. Im Sinne eines Second-Life Ansat-

zes können diese alten Batterien neu aufbereitet, wiederverwendet bzw. recycelt wer-

den. Auch Weiterverkäufe als dezentrale Stromspeicherstationen sind denkbar, so

dass diese im Rahmen des Ausbaus der erneuerbaren Energien als Puffer für Spit-

zenlastzeiten dienen. Sowohl Privatkunden als auch Energieunternehmen stellen hier-

bei potenzielle Kunden dar. Auf diese Weise lassen sich sowohl die Batterierisiken auf

Seiten der Hersteller minimieren als auch zusätzlich neue Erlösquellen generieren.

Im Gegensatz zum Leasing zeigt sich im Bereich des „After Sales“, der Servicege-

schäfte sowie Reparaturen beinhaltet, ein ganz anderes Bild für die Zukunft. Während

der Verbrennungsmotor noch aus ca. 1400 Einzelbauteilen bestand, sind es beim

39 Die Toleranzgrenze für einen erheblichen Kapazitätsverlust unterscheidet sich von Hersteller zu Hersteller (Renault <75%, Nissan <70% der ursprünglichen Maximalladekapazität).

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Elektroantrieb gerade mal 210 (Kampker, 2014, S.17). Aufgrund deutlich weniger be-

weglicher Teile am Elektroauto ist von einem deutlichen Rückgang der Werkstattbe-

suche auszugehen. Softwareupdates der Batterieelektronik oder für das

Infotainmentsystem werden zukünftig mittels Over-the Air Technologie verteilt und er-

fordern somit ebenfalls keinen extra Besuch beim Hersteller. Dieser Rückgang im

„After Sales“ ist für die Automobilhersteller besonders schmerzhaft, da dieser Bereich

in der klassischen Wertschöpfungskette ein sehr lukratives Geschäft darstellt (Backé,

2014; Mennenga, 2014). Trotz eines relativ geringen Anteils von 20% am Gesamtum-

satz, werden durch das „After Sales“ Geschäft ein Grossteil der Gewinne erwirtschaftet

(Roland Berger, 2013, S.7).

Um dem „After Sales“ Bereich dennoch auch in Zukunft eine wichtige Rolle zukommen

zu lassen, müssen neu entstehende Potenziale genutzt werden. Viele Kunden von

Elektrofahrzeugen sind sich gerade mit Einführung der neuen Technologie unsicher

hinsichtlich der Anfälligkeit ihrer Fahrzeuge. Ebenso fehlen ihnen Erfahrungswerte

welche Kosten im Falle von Reparaturen auf sie zukommen können. Eigenständig las-

sen sich diese Arbeiten kaum mehr durchführen, da sich die Fahrzeuge immer mehr

hin in Richtung mobiler Computer entwickelt haben und kaum noch handwerkliche

Leistungen vollbracht werden können. Um den Kunden hier die Unsicherheit zu neh-

men, bietet sich ein sogenanntes Full-Service-Leasing an. Dieses beinhaltet für den

entsprechenden Leasingzeitraum sämtliche Wartungs- und Verschleissreparaturen

am Elektrofahrzeug. Daimler bietet für den „Smart Electric Drive“ bereits ein Komplett-

Service-Paket an, welches bei 33€/Monat startet (Daimler, 2014c).

Die Trennung von Fahrzeug und Batterie sowie zusätzliche Servicepakete für den

Wartungs- bzw. Reparaturfall sollen die Ängste der Kunden minimieren und ihnen Si-

cherheit bei dieser neuen Technologie geben. Abgerundet werden diese Angebote

durch Ersatzwägen. Immer mehr Automobilhersteller bieten Neukunden eines

Elektrofahrzeugs an, für wenige Tage im Jahr gratis oder gegen eine günstige Miete

auf einen Ersatzwagen mit Verbrennungsmotor zurückgreifen zu können (Ponikva,

2014). Auf diese Weise müssen Kunden dann trotz der noch eingeschränkten Reich-

weite der rein batteriebetriebenen Fahrzeuge nicht auf längere Strecken verzichten.

Da die Angebote hinsichtlich der Ersatzwägen meist nur auf einen kurzen Zeitraum

beschränkt sind, eigenen sie sich hervorragend für Urlaubsfahrten. Renault stellt beim

Kauf eines „ZOE“ bis 2 Jahre nach der Erstzulassung für 14-Tage einen „Renault Clio

IV“ zur Verfügung (Renault, 2014). Mercedes-Benz offeriert Finanzierungs- und Lea-

singnutzern der vollelektrischen „B-Klasse“ über die Mercedes-Benz Bank ein soge-

nanntes „B flexible Package“. Dieses erlaubt einen 2-wöchigen Zugriff auf Mietwägen

sowie die gelegentliche Nutzung des eigenen Mobilitätsdienstes moovel (Daimler,

2014a). Auch BMW verspricht in Kooperation mit dem Autovermieter Sixt seinen Kun-

den im Rahmen des „BMW Add-on Mobility“ Servicepakets Zugang zu vergünstigten

Mietwägen (BMW, 2015). Dies schafft bei Nutzern von rein elektrischen Fahrzeugen

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Vertrauen und macht diese zugleich mit weiteren Mobilitätsdienstleistungen des Her-

stellers vertraut. Eine Zusammenfassung der verschiedenen Wertschöpfungspotenzi-

ale in den Bereichen „Finanzdienstleistungen und After Sales“ findet sich in Tabelle 6-

2.

Tab. 6-2: Wertschöpfungspotenziale im Bereich „Finanzdienstleistungen und After Sales“

(Quelle: Eigene Darstellung)

6.2 Ladeinfrastruktur und Energie

Die Wertschöpfungsbereiche „Ladeinfrastruktur“ und „Energie“ stellen in der elektro-

mobilen Wertschöpfungskette neue Aktivitäten dar. Fungierte bei den konventionellen

Fahrzeugen das Tankstellensystem als Infrastruktur für die Verteilung des Kraftstoffs,

ist im Bereich der Elektrofahrzeuge ein komplettes Umdenken notwendig. Zentrale

Verteilungsstellen wie eine Tankstelle, zu der alle mit ihren Fahrzeugen fahren um es

mit Energie zu „betanken“, wird es bei der Elektromobilität in Zukunft so nicht mehr

geben. Auch wird die Energienutzung im privaten Bereich einen wesentlichen Punkt

darstellen und völlig neue Möglichkeiten eröffnen. Ob bzw. wie sich die Hersteller im

Bereich der Ladeinfrastruktur und der Energieversorgung einbringen können, soll im

Folgenden aufgezeigt werden.

6.2.1 Aufbau der Ladeinfrastruktur

Im Gegensatz zur Betankung konventioneller Fahrzeuge wird sich die Ladeinfrastruk-

tur für Elektrofahrzeuge neben öffentlichen auch aus privaten Lademöglichkeiten zu-

sammensetzen. Diese privaten Ladestationen können sich dann offen auf dem

Grundstück der Kunden befinden oder direkt in Garagen oder Carports verbaut sein.

Der Vorteil für die Besitzer solcher Heimladestationen liegt vor allem darin, dass sie

Die Trennung von Fahrzeug und Batterie

erlaubt völlig neue Vermarktungsmög-

lichkeiten

Second-Life Geschäft mit alten Batterien

- Batterieaufbereitung

- Batteriewiederverwendung

- Batteriewiederverkauf

- Batterierecycling

Geringere Reparaturanfälligkeit der

Elektrofahrzeuge führt zu einem Rück-

gang der Umsätze in diesem Bereich

Over-the-Air Updates

Full-Service-Konzepte für Elektrofahr-

zeuge

Finanzdienstleistungen After Sales

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nicht nach frei verfügbaren Ladestationen in ihrer Gegend suchen müssen und somit

gewährleistet ist, dass ihr Fahrzeug am nächsten Tag vollgeladen ist. Da die Energie-

abrechnung einfach über den bereits vorhandenen Hausstromzähler geschieht, entfal-

len durch solche Heimlademöglichkeiten zusätzlich die teilweise unübersichtlichen

Anmelde- oder Abrechnungsprozesse an öffentlichen Säulen.

Auch für Automobilhersteller eröffnen sich durch die Verlagerung der „Betankung“ in

den Privatbereich völlig neue Chancen. Über Kooperationen mit Ladesäulenherstel-

lern können diese für die Errichtung privater Ladesäulen sorgen (Knie, 2014). Soge-

nannten Wallboxen werden meist im Bereich der Garage an die Wand montiert und

ermöglichen die Anbindung des Elektrofahrzeugs an das häusliche Stromnetz. BMW

schloss mit dem Ladeinfrastrukturanbieter Schneider Electric bereits eine Partner-

schaft, um die Installation sowie Wartung solcher privaten Wallboxen zu organisieren

(Backè, 2014; Ponikva, 2014). Dieser Schritt nutzt den Automobilherstellern in meh-

rerlei Hinsicht. Erstens geben sie dem Kunden direkt beim Kauf Sicherheit, räumen

mögliche Zweifel hinsichtlich der Beladung ihres Elektromobils aus und steigern

dadurch die Absätze ihrer Elektrofahrzeuge. Zweitens lassen sich neben dem Vertrieb

der Wallboxen aber auch Komplementärprodukte verkaufen. Wie bereits im vorherigen

Abschnitt thematisiert, müssen Batterien in den Fahrzeugen aufgrund von Kapazitäts-

verlusten oftmals bereits nach wenigen Jahren ausgetauscht werden. Wurde die Bat-

terie an den Kunden nur verleast, befindet sich diese nach Rückgabe wieder im Besitz

der Hersteller. Zusammen mit zahlreichen ausrangierten Batterien von Testflottenfahr-

zeugen ergeben sich für die Automobilhersteller enorme Batteriekapazitäten. Auch

wenn sich diese Batterien für den Fahrbetrieb in einem Elektrofahrzeug nicht mehr

eignen, weisen sie dennoch eine hohe Speicherkapazität auf und können in anderen

Bereichen weiter genutzt werden40. Funktionsfähige Zellen der jeweiligen Akkus kön-

nen zu neuen Fahrzeugbatterien zusammengebaut bzw. zu flexiblen Speichersyste-

men für den Privatbereich umfunktioniert werden. Diese flexiblen Energiespeicher

dienen dazu, dass die Energie der hauseigenen Solaranlagen zwischengespeichert

und dann für den Haushalt bzw. für die Beladung des eigenen Elektrofahrzeugs ge-

nutzt werden kann. Liefert die eigene Solaranlage nicht ausreichend Strom, kann der

Energiespeicher über eine intelligente Steuerung so eingestellt werden, dass zu be-

stimmten Zeitpunkten kostengünstig Strom eingekauft und gespeichert wird. Ein letzter

wichtiger Punkt stellt die stabilisierende Wirkung für das Stromnetz dar. Durch den

Ausbau der erneuerbaren Energien kommt es bei hohen Energieeinspeisungen von

Zeit zu Zeit immer wieder zu Spitzenlasten im Stromnetz. Mit Hilfe solcher flexiblen

40 In der Regel werden die Batterien der Elektrofahrzeuge ausgetauscht, wenn die Ladekapazität nur noch 70-75% der ur-sprünglichen maximalen Kapazität beträgt.

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Speicherlösungen im Heimbereich können ab sofort auch Konsumenten dazu beitra-

gen das Stromnetz zu entlasten. Zusätzlich ergibt sich die Möglichkeit über den Re-

gelenergiemarkt Geld zu verdienen.

Da jedoch gerade in Städten nicht alle Käufer eines Elektrofahrzeugs Heimlademög-

lichkeiten haben, wird neben den beschriebenen privaten Ladenetzwerken auch der

öffentlichen Infrastruktur eine zentrale Rolle zukommen. Die benötigte öffentliche

Infrastruktur ist aber gerade erst im Aufbau bzw. zeichnet sich noch durch lange La-

dezeiten aus. Dies schreckt viele potentielle Kunden ab und stellt derzeit ein entschei-

dendes Hindernis für einen Fahrzeugkauf dar. Über viele Jahre herrschte in der

Branche die Vorstellung, dass sich diese Probleme bei der Beladung möglicherweise

mittels Batteriewechselsystemen lösen lassen und durch ein entsprechendes Bezahl-

modell zu einem lukrativen Geschäftsmodell entwickelt werden können. Wie bereits

thematisiert, scheiterte aber bereits Better Place mit einem dem Tankstellensystem

ähnlichen Ansatz. Innerhalb weniger Minuten konnte an Wechselstationen die leere

Batterie des eigenen Wagens gegen eine vollgeladene ausgetauscht werden. Da die

Batterien aufgrund zu grosser Unterschiede (Architektur, Leistung, Abstimmung mit

Steuerelektronik) zwischen den Elektrofahrzeugen nicht einfach getauscht werden

konnten, mussten bei den Wechselstationen riesige Mengen an unterschiedlichen Bat-

terietypen vorrätig sein, um jeden Fahrzeugtyp bedienen zu können (Backé, 2014).

Dieses Beispiel zeigt, dass ein derartiges herstellerübergreifendes System alleine auf-

grund des organisatorischen Aufwands schon kaum zu bewältigen ist. Auch wäre je

Elektrofahrzeug eine weitere Batterie notwendig, die in irgendeiner Weise vom Kunden

mitbezahlt werden müsste. Bei den derzeitigen Batteriepreisen stellt dies einen erheb-

lichen Mehraufwand für den Kunden dar (Heymann, 2014).

Tesla hat als einziger Automobilhersteller diesen Ansatz noch nicht ganz verworfen

und versucht im Rahmen eines Pilotprojekts einen Batteriewechselansatz für sein

Fahrzeug „Model S“. Grund für diesen Schritt ist die im Vergleich zu den Konkurrenz-

modellen grosse Batteriekapazität von 70-85kWh. Im Sinne eines Ringtauschsystems

wird dabei die leere Batterie an einer Station abgegeben und kann auf dem Rückweg

wieder vollgeladen eingesetzt werden. Im Unterschied zu dem von Better Place lan-

cierten Ansatz stellt es kein herstellerübergreifendes System dar, sondern richtet sich

nur an Besitzer eines „Tesla Model S“. Ausserdem erhält jeder Fahrer beim Wechsel

wieder seine eigene Batterie zurück und muss somit keine Sorge haben eine schlech-

tere Batterie zugeteilt zu bekommen. Die Kosten für diesen Service belaufen sich der-

zeit auf jeweils 40 US-Dollar (Loveday, 2015). Branchenexperten und Elon Musk41

41 Elon Musk selber steht dem Pilotprojekt mit dem Batterietausch mittlerweile kritisch gegenüber. Auf dem Jahresmeeting von Tesla am 09.06.2015 äusserte er sich dazu folgendermassen: „It’s just, people don’t care about pack swap. The superchargers are fast enough. [B]ased on what we’re seeing here, it’s unlikely to be something that’s worth expanding in the future, unless something changes”.

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selbst sehen jedoch auch in diesem System wenig Zukunft, da somit jeder einzelne

Hersteller separat für sich sein eigenes Batteriewechselsystem aufbauen müsste. Zu-

sätzlich unterscheiden sich selbst die Batteriesysteme bei den Fahrzeugmodellen des-

selben Herstellers und auch die Kosten der zusätzlichen Batterie müssten vom

Kunden weiterhin in irgendeiner Weise bezahlt werden (Heymann, 2014). Da diese

zentralen, tankstellenähnlichen Wechselsysteme kaum Zukunftschancen haben, wird

sich die öffentliche Infrastruktur auch demnächst auf dezentrale über das Stadtgebiet

verteilte Ladesäulen beschränken (Theisen, 2014). Die Ladesäulen im öffentlichen

Raum können dann nicht nur von bestimmten Fahrzeugen genutzt werden, sondern

herstellerübergreifend von allen Elektromobilen. Um den Kunden weitere Fahrstrecken

zu ermöglichen, wird auch der Ausbau einer flächendeckenden Schnellladeinfrastruk-

tur im Bereich der Autobahnen forciert.

Das öffentliche Ladenetzwerk besteht bisher zum Grossteil aus von Automobil- und

Energieunternehmen aufgestellten Säulen, die diese im Rahmen von Pilotprojekten

oder Werbezwecken installiert haben (Moos, 2012). Hinzu kommen noch einige Säu-

len, die von einzelnen Städten, Gemeinden, Vereinen oder Initiativen eigenständig fi-

nanziert werden (Backé, 2014). Keiner der beteiligten Akteure möchte zu stark in die

Infrastruktur investieren, da bisher nur eine sehr geringe Anzahl an Elektrofahrzeugen

überhaupt auf dem Markt ist. Die Hersteller der Elektromobile sehen sich nicht weiter

in der Verantwortung die entsprechende Ladeinfrastruktur aufzubauen und erkennen

diesbezüglich auch kein Geschäftsmodell für sich. So äusserte Volkswagen Konzern-

chef Martin Winterkorn im Rahmen der Nationalen Konferenz Elektromobilität im Juni

2015: „Es ist nicht Aufgabe und Geschäftsmodell der Automobilindustrie, Ladesäulen

aufzubauen“. Auch in Zukunft ist nicht zu erwarten, dass die Automobilhersteller im

grossen Stil im Bereich des Aufbaus der Ladeinfrastruktur aktiv werden, so dass die

benötigten Ladepunkte meist über einzelne Projekte peu à peu entstehen (Backé,

2014). Lediglich Tesla engagiert sich derzeit stark für den Ausbau der Ladeinfrastruk-

tur und baut ein eigenes weltweites Schnellladenetz aus Superchargern auf42. An die-

sen Ladesäulen können Käufer eines Tesla Elektrofahrzeugs lebenslang gratis Strom

beziehen. Auch wenn sich mit diesem Ansatz kein Geld verdienen lässt, ist für Tesla

dieser Schritt zum selbstständigen Ladeinfrastrukturausbau entscheidend, da die Bat-

terien der Tesla-Fahrzeuge enorm gross sind und es bisher zu wenige öffentliche

Schnelllademöglichkeiten gibt (Spiegelberg, 2014). Mit Hilfe der Supercharger lassen

sich die 70-85kWh Batterien des „Model S“ innerhalb von 30 Minuten bis zu 80% auf-

laden (Pauli, 2014).

In den letzten Jahren kam verstärkt die Meinung auf, dass selbst der Aufbau weiterer

öffentlicher Ladepunkte ab einer gewissen Anzahl an Elektrofahrzeugen keine Lösung

42 http://www.teslamotors.com/de_DE/supercharger

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darstellen kann. Um diesem Problem gerecht zu werden und auch die hohen Kosten

für die Ladeinfrastruktur zu minimieren, haben Infrastrukturanbieter einen neuen An-

satz gefunden. Start-up Unternehmen wie „ubitricity“ versuchen mittels mobiler Strom-

zähler das bestehende Infrastrukturproblem zu umgehen. Die Idee ist, dass die bereits

bestehende Infrastruktur der Strassenlaternen genutzt wird und der kostenintensive

Aufbau neuer Säulen erspart wird. Die Kosten für den Ausbau eines Ladepunkts be-

laufen sich dann auf gerade einmal 300€ (Dworak, 2014). Schnelllademöglichkeiten

wären hiermit zwar nicht möglich, aber für Parkplätze oder ähnlichen Orten mit länge-

rer Aufenthaltsdauer stellt es eine gute Alternative dar.

Dieser Abschnitt macht deutlich, dass die öffentliche Ladeinfrastruktur in Zukunft zum

Grossteil von Ladeinfrastrukturherstellern errichtet und von Energieversorgungsunter-

nehmen betrieben wird (Woyczechowski, 2014). Seitens der Fahrzeughersteller er-

richtete Ladesäulen werden mit Ausnahme von Tesla eher die Seltenheit bleiben, da

es im Gegensatz zum Privatbereich kaum Anreize für das Aufstellen oder Betreiben

öffentlicher Ladeinfrastruktur gibt. Wie die Automobilhersteller dennoch am Beladen

der Elektrofahrzeuge partizipieren können, soll im Laufe dieses Kapitels noch aufge-

zeigt werden.

6.2.2 Betrieb der Ladesäulen

Neben den Schwierigkeiten bei der Errichtung der Ladeinfrastruktur ergeben sich auch

weitere Probleme, da sich mit den Ladesäulen über den reinen Stromverkauf aller

Wahrscheinlichkeit kaum Geld verdienen lässt (Moos, 2012; Theisen, 2014). Würden

z.B. die in Deutschland von der Bundesregierung anvisierten eine Million Elektrofahr-

zeuge tatsächlich auf den Strassen unterwegs sein und den Strom über entspre-

chende Ladesäulen beziehen, würde dies einen Mehrstromverbrauch von gerade

einmal 0,3% darstellen (Sigl, 2012). Neben der zusätzlichen Energiemenge ist eben-

falls auch der Umsatz an der einzelnen Säule sehr gering. Nimmt man den „Nissan

Leaf“ mit 24kWh Batteriekapazität als Referenzwert, so ergeben sich bei einem Strom-

preis von ca. 0,30€/kWh Gesamtkosten für eine Vollladung von 7,20€. Für diese Auf-

ladung des Fahrzeugs ist die Ladestation aber über viele Stunden belegt (Moos, 2012).

Da Autobesitzer evtl. sogar nur kurz das Auto zum Laden anschliessen, belaufen sich

die Beträge oftmals auf wenige Cent. Der Aufwand diese separat abzurechnen erzeugt

oftmals höhere Kosten als der Erlös des Stromverbrauchs. Berücksichtigt man die

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enormen Anschaffungskosten für die Säule43, Wartungsarbeiten und den Abrech-

nungsaufwand der Kleinstumsätze, wird schnell klar, dass sich ein solches Geschäft

für Energieunternehmen oder andere Akteure kaum rentiert.

Um hier profitabel zu wirtschaften braucht es zusätzliche innovative Angebote, wie

man es z.B. bereits von Plakatanzeigen an Bushaltestellen kennt (Sigl, 2012). Auch

bei den Stromladesäulen wären solche Überlegungen denkbar, so dass der zur Ver-

fügung stehende Platz an Unternehmen für Werbezwecke vermietet wird. Weitere in-

novative Ansätze entstehen, wenn man sich die Parkplatzknappheit der Innenstädte

zu Nutze macht und neben dem Ladevorgang auch die Inanspruchnahme des Platzes

für das Fahrzeug mit berechnet (Mennenga, 2014). Unternehmen wie „EnergieParken“

verknüpfen die blosse Strombeladung der Fahrzeuge mit dem Zusatzservice „Parken“,

so dass die Ladesäule gleichzeitig einen Parkscheinautomat darstellt. Gerade in der

Startphase der Elektromobilität stellt dies eine sinnvolle Variante dar, da die Säulen

auch bei noch wenigen Elektrofahrzeugen nicht ungenutzt bleiben und von konventio-

nellen Fahrzeugen mitgenutzt werden können. Durch etwas höhere Parkgebühren

kann somit zusätzlich Strom geladen und auf diese Weise die Ladeinfrastruktur mitfi-

nanziert werden. Auch für Parkhausbetreiber ergeben sich über den Regelenergie-

markt neue Geschäftsmodelle. Da die Elektrofahrzeuge mit ihren Batterien als mobile

Stromspeicher fungieren, könnten Spitzenzeiten im Stromnetz abgefangen werden

und auf diese Weise verhindert werden, dass zu viel Leistung im Netz vorhanden ist

(Theisen, 2014). Überschüssige Energie im Netz kann somit kurzfristig in die entspre-

chenden Elektrofahrzeuge zwischengespeichert werden und zu einem späteren Zeit-

punkt wieder nachgefragt werden. Diese Puffermöglichkeit können sich

Parkplatzbetreiber vergüten lassen. Gerade mit dem weiteren Ausbau der erneuerba-

ren Energien werden solche Stromspeicherpuffer immer wichtiger und verhindern ne-

gative Strompreise.

Eine weitere realistische Möglichkeit ist, dass die Ladestationen gratis benutzt werden

können und sich über den Mehrumsatz refinanzieren, die Cafés und Shopping-Malls

aufgrund der Wartezeit der Kunden generieren können (Pauli, 2014). Als Vorbild

könnte hier der kostenlos zur Verfügung gestellte Strom in den Zügen der Schweizeri-

schen Bundesbahn (SBB) oder der frei verfügbare Internetzugang in vielen Geschäf-

ten (z.B. Starbucks) dienen. Auch dort stellte sich eine Verrechnung der Kleinstbeträge

als zu aufwändig heraus und konnte sich entsprechend nicht durchsetzen (Pauli,

2014).

43 Die Kosten für das Aufstellen einer Standard-Ladesäule auf öffentlichem Grund belaufen sich auf bis zu 10.000€ (Moos, 2012). Schnellladestationen sind mit ca. 80.000 CHF (Säule: 40.000CHF; Anschluss: 40.000CHF) noch um einiges teurer (Pauli, 2014).

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| 105

6.2.3 Zugang zu Ladesäulen

Der Fokus der Automobilhersteller liegt somit weder auf der Errichtung noch auf dem

Betrieb von öffentlichen Ladesäulen. Auch die Energiebereitstellung an sich läuft über

die Energieversorger. Allerdings ergeben sich für die Hersteller hinsichtlich des Zu-

gangs zu den öffentlichen Ladesäulen völlig neue Wertschöpfungspotenziale. Wie be-

reits thematisiert, wird der Aufbau der Ladeinfrastruktur nicht durch einen einzigen

Akteur vorangetrieben, sondern setzt sich aus Energieunternehmen, Automobilher-

stellern und vielen anderen städtischen Einzelprojekten zusammen. Da viele dieser

errichteten Ladesäulen einen unterschiedlichen Betreiber haben, benötigen die Nutzer

dieser Ladesäulen jeweils unterschiedliche Zugangskarten. So ist es derzeit nicht un-

üblich, dass Besitzer eines Elektrofahrzeugs auf einer Strecke von München nach

Hamburg 80-90 Karten für die jeweiligen Ladestationen mitführen müssten, um jeweils

Zugang zu diesen zu erhalten und ihre Fahrzeuge aufladen zu können. Um diesem

Problem entgegenzuwirken, wird derzeit in Europa ein intercharge-Netzwerk aufge-

baut (vgl. Abb. 6-2).

Abb. 6-2: Automobilhersteller als Elektromobilitätsprovider

(Quelle: Interview – Eigene Darstellung44)

Dieses neue Netzwerk soll Besitzern von Elektrofahrzeugen erlauben anbieterüber-

greifend an verschiedenen Ladepunkten zu laden, auch wenn sie mit dem dortigen

Betreiber keinen direkten Vertrag geschlossen haben. Die Kunden können folglich mit

einem einzigen Vertrag bei allen Ladeinfrastrukturbetreibern laden, die sich dem inter-

charge-Netzwerk angeschlossen haben. Dies hat den Vorteil, dass sich die Anzahl der

nutzbaren Ladepunkte für Besitzer eines Elektromobils deutlich erhöht und dass diese

44 EMP = Elektromobilitätsprovider (z.B. Elektrofahrzeughersteller) CPO = Charge-Point-Operator = Ladesäulenbetreiber

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genutzt werden können, ohne jeweils bilaterale Verträge mit dem jeweiligen Betreiber

abschliessen zu müssen (Woyczechowski, 2014). Zusätzlich optimieren Ladeinfra-

strukturbetreiber die Auslastung an ihren Ladepunkten, da nicht mehr nur die eigenen

Kunden, sondern auch die der anderen Betreiber bei ihnen Strom beziehen können.

Um dies zu ermöglichen, müssen sich in einem ersten Schritt Ladeinfrastrukturbetrei-

ber (CPOs) dem intercharge-Netzwerk anschliessen. Dies können Energieversorger,

Stadtwerke oder auch Unternehmen wie z.B. IKEA oder McDonalds sein - also alle

Akteure, die in irgendeiner Weise Ladestationen betreiben. Diese Ladeinfrastrukturbe-

treiber bieten jedoch in den meisten Fällen ihre Ladepunkte nur zur Verfügung und

stellen die Energieversorgung sicher. Für den eigentlichen Zugang zu den Ladepunk-

ten sind sogenannte Elektromobilitätsprovider (EMPs) verantwortlich. Diese schlies-

sen mit den Elektrofahrzeugbesitzern einen Fahrstromvertrag ab und verschaffen

ihnen auf diese Weise einen Zugang zu allen Ladepunkten des intercharge-Netzwerks.

Als Elektromobilitätsprovider eignen sich die Automobilhersteller besonders, da sie be-

reits einen engen Kontakt zum Kunden haben und auch das dazu gehörige Elektro-

fahrzeug vertreiben. An dieser Stelle kann sich für Automobilhersteller in der Zukunft

folglich ein völlig neuer Geschäftsbereich ergeben. Neben dem eigentlichen Elektro-

fahrzeug kann dem Kunden auf Wunsch somit für den Heimbereich eine entspre-

chende Ladebox mit stationärem Speicher und für die öffentliche Ladeinfrastruktur ein

Fahrstromvertrag angeboten werden. Dieses Komplettpaket gibt dem Kunden die nö-

tige Sicherheit, dass er zu keinem Zeitpunkt Schwierigkeiten hinsichtlich der Beladung

seines Fahrzeugs haben wird und schafft Vertrauen in die neue Technologie.

Der Fahrstromvertrag an sich erinnert stark an einen Mobilfunkvertrag. So treten die

jeweiligen Elektromobilitätsprovider am Markt mit unterschiedlichen Tarifen auf, die

sich hinsichtlich der Kosten und des Leistungsumfangs unterscheiden. Als einer der

Gründungspartner des intercharge-Netzwerks positionierte sich BMW sehr frühzeitig

als Mobilitätsprovider und bietet mit „ChargeNow“ bereits ein Endkundenprodukt an

(vgl. Abb. 6-3). Dieses beinhaltet einen zeitabhängigen Tarif, so dass die Kosten für

die Energie jeweils minutengenau an der Ladesäule abgerechnet werden. Die Gebüh-

ren richten sich schliesslich danach, mit welcher Geschwindigkeit das Fahrzeug gela-

den wird - langsames AC-Laden mit Wechselstrom oder schnelles DC-Laden mit

Gleichstrom - und zu welchem Zeitpunkt der Ladevorgang geschieht. Bei der Ausge-

staltung der Fahrstromtarife seitens der Mobilitätsprovider gibt es wie im Mobilfunkbe-

reich zahlreiche Möglichkeiten, so dass z.B. auch eine bestimmte Anzahl an

monatlichen Freilademinuten oder Ladeflatrates denkbar sind.

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Abb. 6-3: BMW Produkt „ChargeNow“

(Quelle: Webseite von ChargeNow, Stand: Juli 2015)

Hat der Kunde sich für einen Elektromobilitätsprovider (EMP 1) entschieden, schliesst

er mit diesem den Fahrstromvertrag ab und erhält im Gegenzug den Zugriff auf alle

Ladepunkte des intercharge-Netzwerks (CPO 1, CPO 2). Eine Abrechnung über seine

monatlichen Ladevorgänge erhält er aus einer Hand von seinem Elektromobilitätspro-

vider. Dabei ist unabhängig, bei wie vielen unterschiedlichen CPOs des Netzwerks er

in diesem Zeitraum sein Elektromobil geladen hat. Die Abrechnung mit den jeweiligen

CPOs geschieht ohne den Kunden über den Elektromobilitätsprovider

(Woyczechowski, 2014).

Für die Fahrzeughersteller stellt die Rolle des Elektromobilitätsproviders eine sehr at-

traktive Rolle in der neuen elektromobilen Wertschöpfungskette dar. Die eigene

Ladeinfrastruktur muss diesbezüglich nicht zwingend weiter grossflächig ausgebaut

werden, so dass die bestehenden Ladepunkte aus Forschungs- und Imageprojekten

einfach in ein europaweites Netz integriert werden können. Dem Kunden kann

Elektromobilität aus einer Hand verkauft werden, so dass er neben dem Fahrzeug

auch gleich den entsprechenden Fahrstromvertrag für die öffentliche Infrastruktur kau-

fen kann. Da Heimladesäule, flexibler Energiespeicher und Fahrstromvertrag vonei-

nander unabhängige Produkte darstellen, lassen sich individuell auf den jeweiligen

Endkunden abgestimmte Pakete zusammenstellen. Auf diese Weise lassen sich wich-

tige Bereiche der neuen elektromobilen Wertschöpfungskette abdecken und durch die

zunehmende Kundenbindung ein gewisser Lock-in Effekt erzeugen (Fournier et al.,

2012, S.418). Für die Besitzer der Elektrofahrzeuge erleichtert sich der Zugang zu den

öffentlichen Ladepunkten erheblich und auch die Kosten werden transparenter. Mit

einem schnell wachsenden Netzwerk nimmt die Anzahl der Ladepunkte zu und den

Kunden wird die Angst genommen mit einer leeren Batterie stehen zu bleiben. Beim

Kauf des Elektrofahrzeugs können über den Hersteller gleich weitere Produkte mitge-

kauft werden, wodurch sich für die Kunden die Komplexität reduziert. Es ist fest davon

auszugehen, dass in Zukunft weitere Automobilhersteller diesen Weg gehen und am

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Markt als Mobilitätsprovider auftreten werden (Woyczechowski, 2014). Eine Zusam-

menfassung der verschiedenen Wertschöpfungspotenziale in den Bereichen „Ladein-

frastruktur und Energie“ findet sich in Tabelle 6-3.

Tab. 6-3: Wertschöpfungspotenziale im Bereich „Ladeinfrastruktur und Energie“

(Quelle: Interviews – Eigene Darstellung)

6.3 Mobilitätsdienstleistungen und Mehrwertdienste

Die Wertschöpfungsbereiche „Mobilitätsdienstleistungen“ und „Mehrwertdienste“ stel-

len in der neuen elektromobilen Wertschöpfungskette ganz wesentliche neue Bereiche

dar. Hierbei wird am offensichtlichsten, dass der Wandel im Mobilitätsbereich nicht nur

einen Wechsel auf eine neue Antriebstechnologie darstellt, sondern auch eine Reihe

weiterer Veränderungen mit sich bringt, die über das eigentliche Fahrzeug hinausge-

hen (Knie, 2014). Elektrofahrzeuge sollen nicht einfach konventionelle Automobile er-

setzen, sondern über Services und Zusatzdienste eine innovativere, flexiblere,

umweltfreundlichere und vernetztere Mobilität ermöglichen. Die Mobilitätsträger der

Zukunft werden vielfältiger, so dass das Automobil der Zukunft nur noch einen Bau-

stein der Mobilität darstellt (Bläser, 2012, S.510). Es wird wichtiger, wie gut die einzel-

nen Verkehrsträger untereinander verknüpft werden, so dass dem Kunden

situationsabhängig die für ihn optimale Mobilität geboten werden kann (Knie, 2014).

Privatbereich:

Wallbox / Hausinstalla-

tion

Second-Life Batterien als

stationärer Energiespei-

cher

Öffentlicher Bereich:

Aufbau von Ladeinfra-

struktur nur noch im Rah-

men von Einzelprojekten

Batteriewechselsysteme

weitgehend irrelevant

Ladesäulenbetrieb für

Automobilhersteller

nicht rentabel

Lösung durch Verknüp-

fung mit Zusatzservices

(Vermietung als Werbe-

fläche, Laden und Par-

ken)

Automobilhersteller als

Elektromobilitätsprovider

(Fahrstromvertrag)

Einnahmen über monatli-

che Vertragsgebühr und

Zusatzkosten

(z.B. Schnelllademinuten)

Abrechnung über Zeitta-

rife statt Volumentarife

macht Ladesäulen zu ei-

nem lukrativen Geschäft

Aufbau der Ladeinfra-

struktur

Betrieb der

Ladesäulen

Zugang zu

Ladesäulen

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Zusätzlich gilt es Lösungen zu finden, die zu einer Entlastung der Strassen führen.

Diese Mehrwertdienste können direkt in den Fahrzeugen integriert sein, aber auch un-

abhängig davon z.B. auf Smartphones genutzt werden. Sowohl Mehrwertdienste als

auch Mobilitätsdienstleistungen werden dementsprechend in der Zukunft immer mehr

an Bedeutung gewinnen.

6.3.1 Mobilitätsdienstleistungen

Eine zunehmende Urbanisierung und Veränderungen bei den Mobilitätsbedürfnissen

der Kunden verlangen nach neuen Mobilitätskonzepten. Dabei spielen Megatrends wie

„Nutzen statt Besitzen“, ein gesteigertes Umweltbewusstsein sowie der Wunsch nach

mehr Flexibilität eine zentrale Rolle. Um diesen neuen Trends gerecht zu werden und

auch noch in Zukunft im Bereich der Mobilität von Bedeutung zu sein, ist derzeit bei

fast allen Herstellern ein Wandel vom klassischen Automobilhersteller hin zum Mobili-

tätsdienstleister zu erkennen. Mobilitätsdienstleistungen umfassen dabei alle Mobili-

tätslösungen, die dazu beitragen Menschen von A nach B zu bringen. BMW-

Vorstandsvorsitzender Norbert Reithofer stellte die Wichtigkeit dieser Mobilitätsdienst-

leistungen noch einmal besonders in den Fokus, indem er diese sogar in der Konzern-

strategie von BMW verankerte. So wurde seitens BMW als Ziel für das Jahr 2020

ausgegeben der „weltweit führende Anbieter von Premium-Produkten und Premium-

Dienstleistungen für individuelle Mobilität“ zu werden (BMW, 2007). Auch Daimler

schlägt diesen Weg mit seinem Tochterunternehmen Moovel ein und will sich zum

„Amazon der Mobilität“ entwickeln (Hecking, 2014). Auch hier entfernt man sich immer

mehr vom Automobil als alleiniges Verkehrsmittel und will sich in Zukunft auf den Ver-

kauf von Mobilität stützen. Die Entwicklung hin zum Mobilitätsdienstleister stellt jedoch

kein alleiniges Vorhaben der Premiumhersteller dar, sondern zeigt sich auch bei Volu-

menherstellern. So wies im Rahmen der Vorführung des neuen Carsharing-Systems

die Marketingchefin von Opel noch einmal explizit darauf hin: „Wir wollen von der Au-

tomarke zum Mobilitätsanbieter werden“ (Winter, 2015).

Wie dieser Wandel geschafft werden kann und wie die Automobilhersteller neue Wert-

schöpfungspotenziale nutzen können, soll im Folgenden aufgezeigt werden. Eine der

zentralen Mobilitätsdienstleistungen der Zukunft stellen z.B. Carsharing-Konzepte dar.

Im Gegensatz zur klassischen Automobilvermietung sind diese auf deutlich kürzere

und spontanere Mieten ausgelegt. Beim Carsharing lassen sich dabei stationsbasierte

und stationsunabhängige (Free-Floating) Modelle unterscheiden. Während bei erste-

rem die Fahrzeuge jeweils nur an einem bestimmten Standort ausgeliehen werden

können und auch dort wieder zurückgebracht werden müssen, ermöglicht das zweite

Modell einen höheren Grad an Flexibilität. Beim Free-Floating sind die Carsharing-

Fahrzeuge über die gesamte Stadt verteilt und können an jeder Stelle innerhalb des

Stadtgebietes wieder abgestellt werden. Die Kosten für die Nutzung basieren dabei

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meist auf einer geringen monatlichen Grundgebühr und einem minutenabhängigen

bzw. kilometerabhängigen Tarif. Gerade angesichts des Aspekts, dass Fahrzeuge

heutzutage ca. 90% der Zeit ungenutzt bleiben aber dennoch zu 100% bezahlt werden

müssen, stellt das Carsharing eine interessante Alternative zum eigenen Automobil

dar (Spiegelberg, 2014).

Die Vorteile für den Kunden liegen vor allem darin, dass er sich die hohen Anschaf-

fungskosten für ein Fahrzeug, Kfz-Steuer sowie Versicherungskosten erspart und den-

noch flexible Mobilität erhält, die mit einem eigenen Automobil vergleichbar ist.

Zusätzlich bedeutet das Carsharing auch einen gewissen Luxus, da dem Kunden

meistens die neuesten Fahrzeugmodelle zur Verfügung stehen (Rammler & Sauter-

Servaes, 2013). Ebenso wird die Bezahlung der Parkgebühren vereinfacht, da die

Fahrzeuge einfach gratis auf allen offiziellen Parkplätzen abgestellt werden dürfen.

Über separate Verträge der Carsharing-Anbieter mit den jeweiligen Städten findet

dann unabhängig vom Kunden die Abrechnung statt (Breitenberger, 2015). Dies er-

leichtert die Nutzung gerade in fremden Städten erheblich, da die Kunden sich nicht

erst bzgl. fälliger Parkgebühren informieren müssen. Für die Automobilhersteller stellt

dieses Konzept einen interessanten Ansatz dar. Auch wenn das Auftreten als

Carsharing-Anbieter im ersten Moment einer Kannibalisierung des eigenen Geschäfts

gleicht, ist dieses für die Zukunftsfähigkeit der Automobilhersteller notwendig (Men-

nenga, 2014). Viele der 20-40-Jährigen sind heutzutage nicht mehr bereit ein eigenes

Fahrzeug zu kaufen und folglich für die Automobilhersteller fast unerreichbar (Mandir,

2014). Für diese Zielgruppen und ihre veränderten Bedürfnisse kann dieses variable

Nutzungsmodell die perfekte Lösung darstellen (Knie, 2014). Die Kunden bleiben über

das Carsharing weiterhin in Kontakt mit den Automobilherstellern und es besteht so

eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Autokauf in der Zukunft dieser Hersteller

zumindest in der engeren Auswahl ist. Ausserdem eignet sich dieses Modell ideal, um

grosse Stückzahlen an Elektrofahrzeugen auf die Strasse zu bringen und entspre-

chende Nutzungsdaten aus dem Alltagsgebrauch zu sammeln.

Auch wenn in der jüngsten Vergangenheit bereits einige Automobilhersteller in das

Carsharing-Geschäft eingestiegen sind, erweist sich der derzeitig verfolgte Ansatz der

Automobilhersteller als noch wenig innovativ. Dies wird besonders mit Blick auf die

derzeit am Markt verfügbaren Angebote deutlich (vgl. Abb. 6-4).

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Abb. 6-4: Carsharing-Angebote der Automobilhersteller

(Quelle: Eigene Darstellung)

Es zeigt sich, dass fast alle Carsharing-Modelle der etablierten Automobilunternehmen

noch auf konventionellen Fahrzeugen basieren. Lediglich Citroën fokussierte sich in

seinem Programm „Multicity“ von Beginn an auf rein elektrische Fahrzeuge. Die meis-

ten anderen Hersteller haben bisher keine oder nur eine sehr geringe Anzahl an

Elektrofahrzeugen im Angebot. Gerade aber rein elektrisch betriebene Fahrzeuge eig-

nen sich für die meist kurzen Fahrten hervorragend für das Carsharing. Zusätzlich wirft

die Skalierbarkeit eines solchen Konzepts Fragen auf (Thomsen, 2014).

Die meisten Hersteller sind erst in jüngster Vergangenheit in diesen Markt eingestie-

gen, so dass es sich bisher oftmals nur um Pilotprojekte in einzelnen Städten handelt.

Während dieser Testphasen gilt es in erster Linie die Kundenakzeptanz solcher Sys-

teme sowie die damit verbundenen Schwierigkeiten zu identifizieren. Da Kunden sich

bei einem sehr ähnlichen Leistungsangebot ziemlich sicher nicht bei verschiedenen

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Carsharing-Anbietern registrieren werden, ist eine schnelle Ausbreitung notwendig.

Aufgrund aufwändiger separater Verhandlungen mit den jeweiligen Städten ist dies

jedoch fraglich. Neben der Anzahl der maximal erlaubten Fahrzeuge im Stadtgebiet

gilt es hierbei auch die Fixpreise für Parkgebühren zu verhandeln. Ein weiteres

Problem stellt die optimale Verteilung der Fahrzeuge innerhalb des Stadtgebiets dar,

da dies eine sehr gute Ortskenntnis erfordert (Breitenberger, 2015; Stimpfle, 2015).

Um Carsharing lukrativ betreiben zu können, werden Elektrofahrzeuge benötigt, die

von den Kunden möglichst rund um die Uhr frequentiert werden. Nur über eine so hohe

Auslastung lassen sich die Kosten und Instandhaltungen der Fahrzeuge amortisieren.

Während dem Betrieb von Carsharing-Systemen in urbanen Bereichen folglich eine

hohe Erfolgschance zugesprochen wird, gestaltet sich dieser Ansatz in ländlicheren

Gegenden aufgrund einer deutlich geringeren Auslastung schwieriger. Daher ist es

ratsam, in diesen Regionen mit modifizierten Carsharing-Konzepten zu arbeiten. Ein

möglicher Ansatz könnte in Zukunft z.B. das Peer-to-Peer Carsharing darstellen. Bei

dieser Form des Sharings findet der Verleih der Fahrzeuge zwischen Privatpersonen

statt. Dieser Ansatz zeigt sich als besonders innovativ, da sich hiermit die Anzahl der

Fahrzeuge auf der Strasse relativ einfach reduzieren lassen. Der Kontakt zu Nachbarn

ist im ländlicheren Raum deutlich ausgeprägter, was die Erfolgsaussichten eines sol-

chen Modells erhöht. Da der Austausch zwischen Privatpersonen stattfindet, müssen

keine Fahrzeugflotten bereitgestellt und instandgehalten werden, so dass dem Her-

steller hohe Fixkosten erspart bleiben. Über Webseiten und Smartphones können die

jeweiligen Anbieter und Nachfrager zusammengebracht werden, wodurch der OEM für

jede getätigte Transaktion Vermittlungsgebühren kassiert. Audi geht mit „Audi Unite“

als einer der ersten Hersteller bereits diesen Weg innovativer Nachbarschaftskonzepte

und testet ein entsprechendes System in Stockholm. Bei diesem Sharing-Konzept tei-

len sich fünf Personen für den Zeitraum von ein oder wahlweise zwei Jahren ein ge-

meinsames Fahrzeug. Über eine App-Anbindung können die Personen sich

hinsichtlich der Benutzung abstimmen und auch den aktuellen Standpunkt des Fahr-

zeugs jederzeit abfragen (Eisert, 2014). Die Vermittlung, Instandhaltung sowie War-

tung könnte über separate Zusatzverträge seitens der Automobilhersteller abgedeckt

werden, so dass sich keiner der Carsharer darum extra kümmern muss. Zusätzlich zu

diesen Peer-to-Peer Carsharing-Konzepten mit Fahrzeugen eines einzigen Herstellers

werden in Zukunft aber vor allem auch herstellerübergreifende Konzepte an Bedeu-

tung gewinnen. Vielen Nutzern von Carsharing-Systemen ist es unwichtig mit welchem

Fahrzeug sie eine bestimmte Strecke zurücklegen. Diese Kundengruppen wollen statt-

dessen unabhängig der Marke eine flexible, günstige und unkomplizierte Mobilität

wahrnehmen. Um dies zu ermöglichen, müssen die Hersteller möglicherweise weitere

Verluste der eigenen Marke in Kauf nehmen. Opel startete im Juni 2015 als erster

deutscher Hersteller mit seinem eigenen Peer-to-Peer Carsharing „Carunity“. Bei die-

sem Ansatz stehen nicht die konzerneigenen Fahrzeuge im Fokus, sondern es ist auch

der Tausch mit anderen Marken möglich (Winter, 2015). Privatpersonen können ihr

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eigenes Fahrzeug für einen klar definierten Zeitraum an fremde Personen verleihen

und somit verhindern, dass dieses einen Grossteil der Zeit ungenutzt herumsteht. Im

Gegenzug wird den privaten Nutzern der Zugang zur individuellen Mobilität ermöglicht

ohne selbst Besitzer eines eigenen Fahrzeugs zu werden.

Neben dem beschriebenen Carsharing stellen für die Automobilhersteller im Rahmen

der neuen Wertschöpfungskette auch multimodale bzw. intermodale Mobilitätsange-

bote eine wichtige Option dar. Dabei umfasst der Begriff der Multimodalität, dass für

unterschiedliche Wegstrecken jeweils das in dieser Situation geeignete Verkehrsmittel

gewählt werden kann. Während sich z.B. für die Fahrt zum nahegelegenen Bäcker

besonders gut das Fahrrad eignet, wird für längere Strecken wie dem Wochenendaus-

flug ins Umland ein Carsharing-Auto gewählt. Hinter dem Begriff der Intermodalität

verbirgt sich ein ganz ähnlicher Ansatz. Der Kunde legt eine bestimmte Wegstrecke

mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln zurück und kann entsprechend seiner Präferen-

zen für jeden Streckenabschnitt das für ihn optimale Verkehrsmittel wählen. So kann

er beispielsweise für den Weg zur Arbeit den ersten Teilabschnitt mit einem Fahrrad

zurücklegen, an der U-Bahnhaltestelle in diese umsteigen und schliesslich den letzten

Streckenabschnitt mit einem Bus zurücklegen (Breitenberger, 2015).

Ziel der Automobilhersteller muss es sein, eine intelligente Integration der Verkehrs-

mittel zu erreichen, so dass entsprechend der Verkehrssituation sowie der persönli-

chen Präferenzen die optimale Wahl des Verkehrsmittels getroffen werden kann

(Wolter, 2012; Knie, 2014). Die einzelnen Verkehrsmittel dürfen keine separaten von-

einander unabhängigen Insellösungen darstellen, sondern müssen zu einem einheitli-

chen System integriert werden. Auch wenn die Fahrzeuge nur noch einen Teil der

Mobilitätskette darstellen und nicht mehr automatisch die erste Wahl für alle Wegstre-

cken sind, ergeben sich für die Automobilhersteller interessante Geschäftsfelder (Po-

nikva, 2014).

Sogenannte Mobilitätsplattformen können dazu dienen, die einzelnen ursprünglich se-

paraten Verkehrsträger zu integrieren und dem Kunden eine reibungslose Mobilität

aus einer Hand anzubieten. Neben der Bereitstellung einer entsprechenden Software

gilt es für die Automobilhersteller vor allem die dafür notwendigen Kooperationen mit

den jeweiligen Akteuren in die Wege zu leiten. Je breiter diese Kooperationen einge-

gangen werden, desto flexiblere und individuellere Mobilitätsangebote können dem

Kunden letztendlich angeboten werden. Es gilt ein möglichst attraktives Mobilitäts-

netzwerk zu schaffen, so dass der Kunde eine breite Wahlmöglichkeit an Verkehrsmit-

teln hat und situationsabhängig das für ihn Beste wählen kann (Mandir, 2014). Für den

Start einer solchen Mobilitätsplattform gilt es aus jedem Verkehrsmittelsegment zumin-

dest einen wichtigen Vertreter zu gewinnen. Neben Kooperationen mit dem ÖPNV,

Taxiunternehmen, Fahrradverleihsystemen, Free-Floating und stationsbasierten Car-

sharing-Angeboten ist auch der Einsatz innovativer Einpersonen-Transportmittel wie

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z.B. Segways denkbar. Der Fernverkehr kann zum Grossteil über Kooperationen mit

der Bahn, Fernbusunternehmen, Mitfahrzentralen und Autovermietern abgedeckt wer-

den (Mandir, 2014). Auf diese Weise stehen dem Endkunden zahlreiche Mobilitäts-

möglichkeiten zur Verfügung, die sich beliebig kombinieren lassen. Darüber hinaus

ergeben sich durch solch ein umfangreiches Angebot auch während einer Fahrt Vor-

teile. Kommt es beispielsweise auf der gewählten Wegstrecke während der Fahrt zu

einem Stau, kann automatisch ein Wechsel auf andere Verkehrsmittel vorgeschlagen

werden, mit Hilfe derer das Ziel schneller, effizienter oder umweltfreundlicher erreicht

werden kann. Dieses Verkehrsmittel wird nach kurzer Bestätigung durch den Endkun-

den direkt für den entsprechenden Zeitpunkt reserviert und ist am entsprechenden Ort

verfügbar.

Um den Endkunden die beschriebene Multimodalität bzw. Intermodalität zu ermögli-

chen, muss neben der Verknüpfung der Verkehrsmittel auch eine Integration der Bu-

chungs- und Abrechnungsprozesse vollzogen werden. Kunden sollen in Zukunft bei

einem Wechsel auf andere Verkehrsmittel keine einzelnen Fahrkarten lösen müssen,

sondern im Sinne eines One-Stop-Shopping-Konzepts ihre gesamte getätigte Mobilität

über eine Abrechnung verwalten können. Auf diese Weise können die Kosten für eine

Carsharing-Fahrt, Nutzung des ÖPNV und der Verleih eines Fahrrads gemeinsam ab-

gerechnet werden. Unterstützt werden muss diese Entwicklung mit Informations- und

Kommunikationstechnologien, so dass dem Kunden über Smartphone gesteuerte Ap-

plikationen der Zugang zu den Mobilitätsplattformen ermöglicht wird. Diese Apps ge-

statten eine Verfügbarkeitsprüfung mittels Echtzeitinformationen, den Zugriff auf

Fahrpläne, Kosten und Routen der jeweiligen Verkehrsmittel sowie die Buchung bzw.

Abrechnung der in Anspruch genommenen Leistungen. Je nach Nutzung der Ver-

kehrsmittel werden am Ende des Monats automatisch für den Kunden die günstigsten

Tarife kalkuliert. Der Kunde muss sich so z.B. nicht mehr zu Monatsbeginn überlegen,

ob sich eine entsprechende Monatskarte lohnt, da entsprechend seiner in Anspruch

genommener Mobilitätsleistungen dies am Ende des Monats automatisch im Sinne

einer Bestpreisabrechnung berücksichtig wird (Wolter, 2012, S.534). Vergleichbar mit

Monatskarten im öffentlichen Nahverkehr könnten auch Mobilitäts-Flatrates oder ein-

zelne Mobilitäts-Pakete angeboten werden, die aber für alle Verkehrsmittel genutzt

werden können.

Eines der grössten Probleme bei einer solchen Mobilitätsplattform stellt sicherlich das

Finden geeigneter Kooperationspartner dar. Da viele der oben genannten Akteure nur

regional vertreten sind, muss der Automobilhersteller für jede Stadt separat Verträge

mit den entsprechenden Partnern schliessen. Dies ist zeit- und kostenintensiv. Bei der

Wahl der Kooperationspartner stellt sich zusätzlich die Frage, inwieweit die Hersteller

sich öffnen können und z.B. auch herstellerfremde Angebote mit in ihr Mobilitätsange-

bot aufnehmen werden. Das bereits angesprochene Peer-to-Peer Carsharing mit der

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Vermietung herstellerfremder Fahrzeuge würde z.B. die Angebotspalette erheblich er-

weitern.

Sollten Automobilhersteller sogenannte Insellösungen schaffen und nur Fahrzeuge

des eigenen Konzerns mit in ihr Angebot aufnehmen, droht möglicherweise eine ähn-

liche Situation wie in der Musikindustrie zu Beginn des Jahrtausends. Die damaligen

vier grossen Musikverlage Universal, Sony BMG, Warner Music Group und EMI konn-

ten sich nicht auf ein gemeinsames Vermarktungskonzept für digitale Musik einigen.

Die Kunden hingegen wollten einen möglichst unkomplizierten Zugang zu digitaler Mu-

sik bekommen. Hierbei war es für die Kunden unwichtig bei welcher Plattenfirma der

jeweilige Künstler unter Vertrag stand, sondern dass die Anzahl der verfügbaren digi-

talen Musiktitel möglichst umfangreich war und nicht mehrere Musikdownloadportale

parallel genutzt werden mussten. 2001 schaffte es schliesslich Apple sich mit „iTunes“

als völlig neuer Akteur zu etablieren und das Marktmachtgefüge innerhalb der Branche

radikal zu verändern. Auch im Bereich der Mobilität ist es den Endkunden in erster

Linie wichtig auf ein breites Angebot an Fahrzeugen zurückgreifen und im Idealfall alle

Mobilitätsleistungen über eine einzige Plattform beziehen zu können. Erste Ansätze

zu herstellerübergreifenden Systemen zeichnen sich bereits ab. So zeigt z.B. Flinkster,

der Carsharing-Anbieter der Deutschen Bahn, verstärkt Bemühungen die unterschied-

lichen Carsharing-Dienste der Automobilhersteller zu integrieren und seinen Kunden

verfügbar zu machen. Neben „Mulitcity“ (Citröen) und „Ford2Go“ (Ford) wurde dem

Flinkster-Netzwerk in jüngster Vergangenheit auch „car2go“ (Daimler) hinzugefügt.

Weitere Schwierigkeiten ergeben sich hinsichtlich der kulturellen Diversität. Auch wenn

die weltweiten Unterschiede zwischen den Grossstädten immer kleiner werden und

weltweit sehr ähnliche Verkehrsmittel zur Verfügung stehen, müssen beim Aufbau des

Mobilitäts-Ökosystems in den jeweiligen Märkten Anpassungen vorgenommen wer-

den. So können beispielsweise im asiatischen Raum Pedelecs und speziell Cargo Bi-

kes eine wichtige Rolle spielen, während diesen Verkehrsträgern in Europa eine

geringere Bedeutung zukommt (Stimpfle, 2015).

Ebenso wie die aufgezeigten Mobilitätsdienstleistungen stellen auch Mehrwertdienste

einen wichtigen Baustein in der zukünftigen Mobilität dar. Diese sollen die Kunden bei

der optimalen Wahl ihrer Verkehrsmittel unterstützen bzw. eine effizientere und nach-

haltigere urbane Mobilität ermöglichen. Verwendung finden können sie sowohl wäh-

rend der Fahrten als auch fahrzeugunabhängig auf dem Smartphone. Inwiefern sich

mit solchen Diensten für die Automobilhersteller Geld verdienen lässt, ist zum jetzigen

Zeitpunkt noch unklar. Denkbar sind derzeitig zwei unterschiedliche Modelle. Be-

stimmte Mehrwertdienste werden vermutlich gratis abgegeben und dienen lediglich

dazu, dem Kunden ein Mobilitätskomplettpaket offerieren zu können. Dazu zählen bei-

spielsweise Apps, die in den Städten freie Parkmöglichkeiten anzeigen und somit die

teils aufwändige Parkplatzsuche in den Städten erleichtern. Auch Verkehrsservices mit

entsprechenden Live-Updates sind dieser Kategorie zuzuordnen. Plant der Kunde für

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den folgenden Tag ein bestimmtes Verkehrsmittel zu nutzen, aber es wird ein Stau

prognostiziert, kann der Kunde im Vorfeld gewarnt und frühzeitig darüber informiert

werden, so dass dieser sich rechtzeitig um eine neue Mobilitätslösung kümmern kann.

Auf ähnliche Weise unterstützen intermodale Assistenzsysteme den Fahrer sich effi-

zient in den Städten zu bewegen und schlagen Ausweichoptionen auf andere Ver-

kehrsmittel vor, die sich in der jeweiligen Situation besser eignen würden.

Neben den gratis verfügbaren Diensten sind auch solche denkbar, an denen Automo-

bilhersteller auf Provisionsbasis beteiligt werden. Die zunehmende Urbanisierung wird

in den kommenden Jahren zu einem erheblichen Platzmangel in den Städten führen.

Automobilhersteller können hier mit Hilfe des Sharing-Trends einen Lösungsansatz

bieten und frei verfügbare private Parkplätze vermitteln. Auf ähnliche Weise lassen

sich theoretisch auch private zur Verfügung stehende Ladesäulen zeitweise anbieten.

Somit kann neben dem Problem der Parkplatzverfügbarkeit auch das Infrastruktur-

problem gelöst werden. Die Parkplatzinhaber können mit den zu bestimmten Zeiten

ohnehin ungenutzten privaten Parkflächen nebenbei etwas Geld verdienen. Die Auto-

mobilhersteller stellen wiederum ihren Endkunden einen weiteren Mobilitätsbaustein

zur Verfügung und profitieren über eine prozentuale Vermittlungsgebühr. BMW bün-

delt unter der Venture Capital Gesellschaft „BMW iVentures“ bereits solche Ideen und

testet mit „JustPark“ ein ähnliches Produkt (Backé, 2014). Für öffentlich zugängliche

Ladesäulen lassen sich ebenfalls Zusatzdienste kreieren, so dass Kunden bestimmte

Ladesäulen gegen eine Gebühr für bestimmte Zeiten reservieren können. Solche Mo-

delle können zusätzlich helfen, die teuren Ladesäulen zu refinanzieren. Eine Zusam-

menfassung der verschiedenen Wertschöpfungspotenziale in den Bereichen

„Mehrwertdienste und Mobilitätsservices“ findet sich in Tabelle 6-4.

Tab. 6-4: Wertschöpfungspotenziale im Bereich „Mehrwertdienste und Mobilitätsservices“

(Quelle: Interviews – Eigene Darstellung)

Elektro-Carsharing

Peer-to-Peer Carsharing

Neighbourhood-Konzepte

Intermodale & multimodale

Mobilitätsangebote

Mobilitätsplattformen

Parkplatzsuche

Verkehrsservices

Intermodale Assistenzsysteme

Vermittlung privater Parkmöglichkeiten /

Ladeinfrastruktur

Reservierung öffentlicher Ladesäulen

Mobilitätsdienstleistungen Mehrwertdienste

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| 117

6.4 Zusammenfassung

Im Rahmen dieses Kapitels wurde aufgezeigt, welche neuen Wertschöpfungsaktivitä-

ten sich im Downstream-Bereich der neu formierten elektromobilen Wertschöpfungs-

kette ergeben können und inwiefern diese für die etablierten Hersteller nutzbar sind.

Vor allem im Bereich der „Finanzdienstleistungen“ können völlig neue Vertriebsmo-

delle identifiziert werden, so dass den Kunden mittels innovativer Leasingformen die

Angst vor der neuen Technologie genommen werden kann. Als Vorlage dient hier die

Mobilfunkindustrie, welche die Trennung von Endgerät und Vertrag schon lange prak-

tiziert. Durch die Trennung von Fahrzeug und Batterie trägt der Besitzer eines

Elektrofahrzeugs nicht mehr selbst das Risiko defekter oder schnell veraltender Batte-

rien und ist eher bereit sich für ein Elektrofahrzeug zu entscheiden. Über Second-Life-

Konzepte lassen sich die gebrauchten Batterien aufbereiten und wiederverwenden. Im

Bereich „Ladeinfrastruktur und Energie“ ergeben sich durch den Aufbau privater Wall-

boxen neue Potenziale. Zusätzlich können Second-Life Batterien als flexible Energie-

speicher verkauft werden und im Privatbereich für eine autarkere Energieversorgung

sorgen. Der Zugang zu öffentlichen Ladesäulen kann über Fahrstromverträge geregelt

werden. Hierfür treten die Automobilhersteller am Markt als Elektromobilitätsprovider

auf und ermöglichen dem Besitzer mit einem einzigen Vertrag den Zugriff auf ein gut

ausgebautes öffentliches Ladeinfrastrukturnetz. Über „Mobilitätsdienstleistungen und

Mehrwertdienste“ wird dem Kunden schliesslich eine individualisierte, flexible, umwelt-

freundliche und vernetzte Mobilität verfügbar gemacht. Um dies zu ermöglichen spie-

len besonders Carsharing-Konzepte und intermodale bzw. multimodale

Mobilitätskonzepte eine entscheidende Rolle. Auf diese Weise kann vom Kunden je-

derzeit die von ihm präferierte Mobilität in Anspruch genommen werden. Sogenannte

Mobilitätsplattformen helfen dabei die Konzepte zu integrieren und dem Kunden alles

im Sinne eines One-Stop-Shopping-Konzepts anbieten zu können. Ergänzen lassen

sich die Leistungen mit entsprechenden Mehrwertdiensten, die einen wichtigen Beitrag

für eine nachhaltige Mobilität leisten können.

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118 |

7 Zusammenfassende Bewertung der Untersuchung

7.1 Zentrale Ergebnisse, Limitationen und zukünftige Forschung

Während über viele Jahrzehnte der Verbrennungsmotor in den Fahrzeugen domi-

nierte, scheint dieser nun von neuen alternativen Antriebsformen abgelöst zu werden.

Als mögliche Nachfolgetechnologien stehen Hybrid-, Elektro- und Brennstoffzellen-

fahrzeuge zur Diskussion. Welche dieser Technologien sich letztendlich am Markt

durchsetzt bzw. ob es zu einer Koexistenz kommt, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch

unklar. Für die Beantwortung dieser Fragen spielt besonders die weitere Entwicklung

im asiatischen Raum eine entscheidende Rolle. Im Rahmen dieser Arbeit liegt der Fo-

kus auf rein batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen. Diese stellen eine realistische,

aber nicht die einzig mögliche Technologie für die Mobilität der Zukunft dar. Sie schei-

nen besonders geeignet, die Herausforderungen bewältigen zu können, denen sich

die Automobilindustrie derzeit und vor allem in den kommenden Jahren konfrontiert

sieht.

Hierbei können Herausforderungen auf vier Ebenen identifiziert werden: Politik-,

Markt-, Gesellschafts- und Wettbewerbsebene. Auf Politikebene sind vor allem ver-

schärfte umweltpolitische Emissionsgrenzwerte zu nennen, die die Hersteller zu deut-

lichen CO2-Einsparungen ihrer Fahrzeuge zwingen. Auch wenn es hinsichtlich der

maximalen Obergrenzen zwischen den jeweiligen Ländern noch Unterschiede gibt, ist

der weltweite Trend erkennbar, diese über die kommenden 10 Jahre in erheblichem

Masse zu reduzieren. Folglich reichen auch inkrementelle Optimierungsmassnahmen

des Verbrennungsmotors nicht mehr aus, um entsprechende Obergrenzen einhalten

zu können. Da Automobile über Exporte in die ganze Welt verkauft werden, sind Au-

tomobilhersteller, insofern sie Fahrzeuge in die entsprechenden Länder verkaufen wol-

len, gezwungen sich an den strengsten Obergrenzen zu orientieren. Bei

Nichterreichung der vereinbarten Grenzwerte drohen den Automobilkonzernen mas-

sive Strafzahlungen. Neben den Herstellern werden aber auch die Käufer für das Fah-

ren dieser Fahrzeuge mit zusätzlichen Kosten belastet. So spielen weltweit

Umweltmassnahmen eine immer wichtigere Rolle, weshalb viele Städte damit begon-

nen haben Umweltzonen einzuführen und das Fahren mit stark CO2 emittierenden

Fahrzeugen zu reglementieren. Auf Marktebene stellen vor allem knapper werdende

Ölvorkommen und die damit verbundene Volatilität des Ölpreises eine grosse Heraus-

forderung für die Automobilindustrie dar. Trotz des derzeitig niedrigen Ölpreises ist laut

Branchenexperten wieder mit einem deutlichen Anstieg zu rechnen, so dass das Fah-

ren mit konventionellen Fahrzeugen aufgrund steigender Betriebskosten zunehmend

unattraktiver wird. Infolgedessen dürfte sich für die Hersteller der Verkauf klassischer

Verbrennungsfahrzeuge deutlich schwieriger erweisen. Neue Förderungstechniken

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mit teilweise unbekannten Auswirkungen auf die Umwelt und der Standort zahlreicher

Ölvorkommen in Krisengebieten stellen ein weiteres Risikopotenzial dar. Auf Gesell-

schaftsebene können in den letzten Jahren erhebliche Einstellungsveränderungen hin-

sichtlich des Automobils identifiziert werden. Vor allem bei jüngeren Menschen ist zu

beobachten, dass sich die Statussymbole verschieben und der Besitz eines eigenen

Automobils immer mehr an Bedeutung verliert. Dagegen gewinnen gesellschaftliche

Megatrends wie „Nutzen statt Besitzen“ auch im Bereich der Mobilität erheblich an

Bedeutung und stellen die Automobilhersteller vor neue Aufgaben. Weitere elemen-

tare Herausforderungen zeigen sich schliesslich noch auf Wettbewerbsebene. Wäh-

rend in den Triade-Märkten seit einigen Jahren stagnierende bzw. sinkende

Absatzzahlen zu verzeichnen sind, werden vor allem in den BRIC Staaten deutliche

Zuwächse bei den Absatzzahlen erzielt. Ländern wie China oder Indien steht eine re-

gelrechte Nachfrageexplosion nach Fahrzeugen bevor. Automobilhersteller aus die-

sen Ländern haben jedoch kaum Anreize Fahrzeuge mit einem klassischen

Verbrennungsmotor auf den Markt zu bringen, da sie im Vergleich zu europäischen

oder amerikanischen Herstellern einen deutlichen Entwicklungsrückstand aufweisen.

Folglich werden diese Hersteller verstärkt in alternative Technologien wie die Elektro-

mobilität investieren und damit die klassische Automobilbranche entsprechend unter

Druck setzen.

Es stellt sich aber die Frage, wie die etablierten Hersteller mit dieser Situation umge-

hen und wie ihre bisherigen Reaktionen auf den elektromobilen Wandel aussehen.

Hierbei lassen sich vor allem zwei Strategien beobachten. Erstens wird deutlich, dass

die meisten etablierten Hersteller das Thema Elektromobilität lange Zeit vollständig

ignorierten und folglich erst zu einem relativ späten Zeitpunkt in den Markt der

Elektromobile eingestiegen sind. Während viele OEMs den Markt der Elektromobilität

etwas zögerlich für sich entdeckten, konnten Branchenneulinge wie Tesla bereits meh-

rere Modelle erfolgreich am Markt positionieren. Zweitens zeigt sich, dass sobald der

Einstieg gewagt wurde, die lancierten Modelle oftmals Abwandlungen bereits beste-

hender Fahrzeugkonzepte darstellen. Viele Hersteller versuchen das bestehende Mo-

dell des Verbrennungsfahrzeugs einfach auf die Elektromobilität zu übertragen und

erkennen nicht, dass sie auf diese Weise weder das Potenzial der Elektromobilität

noch die Wertschöpfungspotenziale dieser Technologie erschliessen können.

Aus kurzfristiger Perspektive mag das zögerliche Verhalten der Hersteller richtig er-

scheinen, bedeutet doch der Verbleib jedes weiteren Jahres auf der Verbrennungs-

technologie die Nutzung bereits bestehender Anlagen und Kompetenzen. Aus

langfristiger Perspektive jedoch bergen das Nichtreagieren und das Verharren auf der

bestehenden Technologie enorme Risiken. Ist der Einstieg erst einmal verpasst, kön-

nen neue oder branchenfremde Akteure die Chance wahrnehmen, sich in der Branche

zu etablieren und zentrale Positionen der neuen elektromobilen Wertschöpfungskette

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besetzen. Beispiele aus anderen Branchen zeigen auf, dass aufgrund diskontinuierli-

cher technologischer Innovationen etablierte Unternehmen immer wieder erheblich in

Schwierigkeiten geraten oder sogar innerhalb kurzer Zeit ganz vom Markt verschwin-

den können.

Um das Ausmass des Wandels besser verstehen zu können, wurde in dieser Arbeit

analysiert, welche Veränderungen ein Wechsel auf die neue Technologie mit sich

bringt und inwiefern die etablierten Hersteller davon profitieren können. Seit einigen

Jahren bereits ist in der automobilen Wertschöpfungskette eine Verschiebung der

Wertschöpfung zu erkennen. Aufgrund der Auslagerung vieler Aktivitäten an Zulieferer

beträgt der Wertschöpfungsanteil der OEMs an einem Verbrennungsfahrzeug nur

noch 25%. Mit dem Übergang zur Elektromobilität und dem damit verbundenen Weg-

fall von zentralen Komponenten wie Motor und Getriebe wird dieser Wert noch weiter

abnehmen, so dass ein deutlicher Bedeutungsverlust für die Hersteller bei den Up-

stream-Aktivitäten zu erwarten ist. Während im Upstream-Bereich grosse Teile der

Wertschöpfung an Batteriehersteller und Zulieferer verloren gehen, ergeben sich hin-

gegen im Downstream-Bereich der neu formierten elektromobilen Wertschöpfungs-

kette zahlreiche neue Potenziale. So kann dem Kunden z.B. mit Hilfe innovativer

Leasingformen der Einstieg in den Elektromobilitätsmarkt erleichtert werden. Hier wird

ein Ansatz aus dem Mobilfunkmarkt aufgegriffen, wo schon lange der separate Verkauf

von Endgerät und Vertrag üblich ist. Auch im Bereich der Elektromobilität kann sich

eine solche Trennung als sinnvoll erweisen und für den Kunden das Risiko eines Bat-

terieausfalls reduzieren. Während lediglich die Elektrofahrzeuge direkt an den End-

kunden verkauft werden, kann die Batterie im Rahmen eines Stromladevertrags

verleast werden. Mit dem Angebot solcher Fahrstromverträge und dem Wandel vom

reinen Fahrzeughersteller hin zum Elektromobilitätsprovider wird dem Kunden der Zu-

gang zur öffentlichen Ladeinfrastruktur ermöglicht. Wallbox und stationärer Energie-

speicher ergänzen das Portfolio und sorgen für die entsprechende Lademöglichkeit im

Privatbereich. Um dem steigenden Verkehrsaufkommen und veränderten Mobilitäts-

bedürfnissen gerecht zu werden, gilt es seitens der Hersteller zusätzlich Mobilitäts-

dienstleistungen und Mehrwertdienste zu schaffen. Die Elektrofahrzeuge dürfen nicht

für sich alleine betrachtet werden, sondern stellen einen Teil eines nachhaltigen Mobi-

litätssystems dar. Hierfür gilt es inter- und multimodale Angebote zu schaffen und im

Rahmen eines Mobilitätskonzepts entsprechend sinnvoll zu verknüpfen. Ein breites

und gut aufeinander abgestimmtes Portfolio an Fortbewegungsmitteln bildet hierbei

die Grundlage, so dass der Kunde jederzeit die von ihm präferierte Mobilitätsform wäh-

len kann. Im Rahmen dieser neuen Mobilitätsmodelle lassen sich auch Elektrofahr-

zeuge integrieren.

Die Arbeit verdeutlicht, dass sich die Automobilhersteller in Zukunft noch weiter von

ihrem eigentlichen Kernprodukt, dem Automobil, entfernen und zu einem Anbieter von

Mobilität entwickeln werden. Um diesen Wandel zu schaffen reicht es nicht aus, das

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bisherige Mobilitätsverständnis unverändert auf den Bereich der Elektromobilität zu

übertragen. Dadurch werden die Elektrofahrzeuge als Ersatz für bestehende Verbren-

nungsfahrzeuge betrachtet und der Wandel stellt lediglich den Wechsel auf eine neue

Antriebstechnologie dar. Dies wird dem Ansatz einer nachhaltigen Mobilität nicht ge-

recht. Des Weiteren sollten sich die Hersteller auch bewusst werden, dass das Auto-

mobil in Zukunft nicht mehr das alleinige Fortbewegungsmittel im Individualbereich

darstellt, sondern im Rahmen inter- bzw. multimodaler Mobilitätsangebote oftmals nur

noch ein Baustein neben anderen ist. Mobilität wird facettenreicher und auch der Be-

sitz eines eigenen Fahrzeugs nicht mehr zwingend notwendig, um Zugang zur indivi-

duellen Mobilität zu erhalten. Die Hersteller sind gefordert, diese Trends aufzunehmen

und entsprechende nachhaltige Mobilitätslösungen zu kreieren.

Im Rahmen der Diskussion bzgl. der Erkenntnisse dieser Arbeit soll aber auch kritisch

angemerkt werden, dass die Arbeit in bestimmten Bereichen an ihre Grenzen stösst.

Die Arbeit zeigt sowohl die Veränderungen in der automobilen Wertschöpfungskette

als auch neue Potenziale für die Zukunft auf, bewegt sich dabei jedoch auf einer kon-

zeptionellen Ebene. Die wirtschaftlichen Potenziale in den neu entstehenden Wert-

schöpfungsbereichen bzw. konkrete Umsetzungsmöglichkeiten werden nicht

untersucht und stellen Ansatzpunkte für weitere Forschungsarbeiten dar.

Des Weiteren erlaubt der gewählte Forschungsansatz zwar eine breite Beantwortung

der Forschungsfrage, allerdings wird auch deutlich, dass ein derartiger Ansatz nur ein

idealtypisches und grob vereinfachtes Abbild der zukünftigen elektromobilen Wert-

schöpfungskette schaffen kann. Kontextspezifische Aspekte werden bei dieser Be-

trachtungsweise weitgehend ausgeklammert, so dass beispielsweise keine Aussagen

hinsichtlich kultureller Unterschiede zwischen einzelnen Ländern möglich sind. Es

bleibt unklar, ob die angesprochenen Sharing-Konzepte weltweit in ähnlicher Weise

von den Kunden akzeptiert werden oder aufgrund kultureller Unterschiede in einzelnen

Ländern besser bzw. schlechter funktionieren. So wäre es beispielsweise denkbar,

dass diese Konzepte in den Triade-Märkten wie Nordamerika, Westeuropa und Japan

besonders erfolgreich sind, da hier seit einigen Jahren ohnehin bereits ein leichter

Rückgang bei den Neuwagenverkäufen zu beobachten ist. Dieser Trend wird unter

anderem mit der Verschiebung der Statussymbole bei jüngeren Konsumenten begrün-

det, für die der Besitz eines eigenen Fahrzeugs nicht mehr oberste Priorität hat und

andere Güter wie Smartphones an Bedeutung gewonnen haben (Roland Berger,

2011a, S.26). Anders hingegen sieht es in Wachstumsländern wie China oder Indien

aus, in denen dem Besitz eines eigenen Automobils möglicherweise noch ein deutlich

höherer Stellenwert beigemessen wird. Im Gegensatz zu Europa stellt das eigene Au-

tomobil noch immer ein bedeutendes Statussymbol dar und steht wie kaum ein ande-

res Produkt für Individualität und persönlichen Erfolg. Mit einem zunehmenden

Wirtschaftserfolg in China und der damit einhergehenden wachsenden Mittelschicht

gehen Analysten in den kommenden Jahren von einem deutlichen Anstieg bei den

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Neuwagenverkäufen aus. Dies lässt vermuten, dass die Bedeutung ein eigenes Auto-

mobil zu besitzen sich regional noch unterscheidet und entsprechend auch die Akzep-

tanz solcher Sharing-Konzepte regionalen Einflüssen unterliegt. Inwieweit dies

tatsächlich der Fall ist und wie derartige Anpassungen für die jeweiligen Regionen

aussehen könnten, gilt es in weiteren Forschungsarbeiten zu klären.

Ganz eng mit dieser Thematik verbunden ist die Ausgestaltung des angebotenen Mo-

bilitätsmixes. Multi- und Intermodalität führen schliesslich dazu, dass das Automobil in

Zukunft von vielen Konsumenten nicht mehr als alleiniges Verkehrsmittel gesehen

wird, sondern nur noch einen Teil eines gut vernetzten Mobilitätsangebots darstellt.

Um den Konsumenten ihre individuell präferierte Mobilität bieten zu können, müssen

die Hersteller folglich den Zugang zu einer breiten Auswahl an unterschiedlichen Ver-

kehrsmitteln ermöglichen und diese intelligent miteinander vernetzen. Da vermutlich

auch die Präferenzen hinsichtlich dieses Mobilitätsmixes regional variieren, gilt es dies

bei der Zusammenstellung der Fortbewegungsmittel zu berücksichtigen. So ist bei-

spielsweise zu vermuten, dass vor allem im asiatischen Raum der Bedeutung von

Elektrofahrrädern oder Elektrorollern ein ganz anderer Stellenwert im Strassenverkehr

beigemessen wird, als dies in westlichen Regionen der Fall ist. Die Identifizierung der-

artiger regionaler Besonderheiten bei der Zusammensetzung des Mobilitätsmixes

sollte somit ebenfalls Gegenstand zukünftiger Forschung sein.

Neben den beschriebenen kulturellen Anpassungen bleibt auch unklar, wie sich Pre-

miumhersteller und Volumenhersteller in Zukunft voneinander unterscheiden werden.

Während in den vergangenen Jahren eine Differenzierung stark über die Motorleistung

geschah, liegen die Differenzierungskriterien der Zukunft eher im Bereich der angebo-

tenen Mobilitätsdienstleistungen wie Intermodalität und in der intelligenten Vernetzung

der verschiedenen Mobilitätsträger. Sowohl die zentralen Kriterien als auch die Unter-

scheidung der jeweiligen Mobilitätsangebote bleiben dennoch recht vage und bedürfen

dringend weiterer Forschung.

7.2 Qualität des Forschungsdesigns

In einem letzten Schritt soll schliesslich noch die Qualität der Forschungsdesigns dis-

kutiert werden. Während in der quantitativen Forschung klassische Gütekriterien wie

Objektivität, Reliabilität und Validität Anwendung finden, lassen sich diese nicht ein-

fach auf den gewählten qualitativen Forschungsansatz übertragen und müssen ent-

sprechend angepasst werden.

Eine grundlegende Anforderung an die Wissenschaftlichkeit stellt die Objektivität dar.

Sie soll sicherstellen, dass unterschiedliche Forscher bei gleichem Wissen und Vorge-

hen zu denselben Forschungsergebnissen gelangen. Qualitative Methoden wie das

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Experteninterview sind jedoch gerade von der Interaktion mit dem Interviewpartner ge-

prägt und unterliegen somit immer subjektiven Einflüssen, so dass bei einer wieder-

holten Durchführung niemals dieselben Antworten zu erwarten sind. Die

Datenerhebung kann folglich niemals völlig standardisiert ablaufen, weshalb auch

nicht das Ziel sein kann Objektivität zu erreichen, sondern vielmehr die subjektiven

Einflüsse im Forschungsprozess zu minimieren (Helfferich, 2011, S.155). Die qualita-

tive Forschung greift daher anstelle der Objektivität auf das Gütekriterium der Intersub-

jektivität zurück (Steinke, 2012). Dabei steht nicht die Überprüfbarkeit der Daten im

klassischen Sinne im Vordergrund, sondern eine intersubjektive Nachvollziehbarkeit

und Schaffung von Transparenz bei der Datenerhebung, -auswertung und -interpreta-

tion. Diese Transparenz wird unter anderem durch die detaillierte Dokumentation der

Datenerhebung und -auswertung in Kapitel 1.3 geschaffen. Zusätzlich können Inter-

viewpartner und Interviewleitfaden dem Anhang dieser Arbeit entnommen werden. Um

bei der Analyse der Interviews Informationsverlusten bzw. Interpretationsfehlern vor-

zubeugen, hat sich der Autor stark am Originaltext orientiert. Hierfür wurde eine wort-

wörtliche Transkription der Interviews angefertigt und im Rahmen der Arbeit oftmals

auf Originalzitate zurückgegriffen.

Neben dem Gütekriterium der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit gibt die Reliabilität

Auskunft über die Zuverlässigkeit einer Messung und zeigt somit auf, wie stabil die

erhaltenen Ergebnisse bei einer erneuten Durchführung sind (Bortz & Döring, 2005, S.

195). Da Interviews einmalige Ereignisse mit einmaligen Ergebnissen darstellen, was

eine exakte Reproduktion der Ergebnisse schwierig macht, erweist sich dieses Güte-

kriterium für die qualitative Forschung als eher ungeeignet. Jedoch wird im Rahmen

der Datenaufbereitung häufig auf die Intercoder-Reliabilität zurückgegriffen. Hierfür

werden die transkribierten Daten von verschiedenen Codern analysiert und unabhän-

gig voneinander mit Kodierungen versehen. Im Anschluss daran kann überprüft wer-

den, inwieweit die Kodierungen identisch gesetzt wurden und ob Anpassungen bzgl.

der verwendeten Kodierungsregeln bzw. -kategorien notwendig sind. Aufgrund der An-

zahl der Interviews und des relativ langen Erhebungszeitraums, hat sich dies im Rah-

men der vorliegenden Arbeit als nicht praktikabel erwiesen. Stattdessen wurde ein

Intracoder-Ansatz verfolgt, bei dem mit zeitlichem Abstand zu einer ersten Kodierung

die transkribierten Interviews stichprobenhaft erneut kodiert wurden. Die Kodierungs-

regeln bzw. -kategorien wurden letztlich solange angepasst, bis möglichst identische

Kodierungsergebnisse erzielt werden konnten.

Die interne bzw. externe Validität stellt schliesslich das dritte Gütekriterium dar. Wäh-

rend ersteres vor allem die interne Konsistenz der geführten Interviews untersucht,

geht es bei letzterem um die Generalisierbarkeit der Ergebnisse (Bortz & Döring, 2006,

S.335). Die interne Validität der geführten Experteninterviews zeigt sich in der Glaub-

würdigkeit und der Authentizität der Interviewten. Durch ein Briefing im Vorfeld per

Email über den geplanten Ablauf, die Themenbereiche und den Umgang mit sensiblen

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Daten konnte ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis aufgebaut werden und die Inter-

views waren von grosser Offenheit geprägt. Nur in seltenen Fällen wurden bei den

Interviews seitens der Interviewten Informationen bewusst zurückgehalten. Hierbei

handelte es sich meist um konkrete Unternehmenszahlen der Automobilhersteller, die

im Zusammenhang mit der Forschungsfrage eine eher untergeordnete Rolle spielen.

Aufkommende Unklarheiten während einer Interviewsituation wurden direkt angespro-

chen, so dass es z.B. nicht zu Definitionsasymmetrien zwischen Interviewer und Inter-

viewtem kommen konnte. Die Unverfälschtheit der Daten selbst wird durch den

Mitschnitt über ein Diktiergerät und die anschliessende Volltranskription gewährleistet.

Im Gegensatz zur internen Validität steht bei der externen Validität besonders die

Frage nach der Generalisierbarkeit der Ergebnisse im Vordergrund (Lamnek, 2005,

S.150). Von extern validen Forschungsergebnissen kann dann gesprochen werden,

wenn sich diese auch bei einer veränderten Zusammensetzung der Interviewpartner

bzw. in einem anderen Kontext ergeben (Lamnek, 2005, S.150). Da die Zahl der be-

fragten Probanden in Experteninterviews klassischerweise relativ gering ist, erweist

sich die Generalisierbarkeit der Ergebnisse bei qualitativem Vorgehen oft problema-

tisch (Bortz & Döring, 2006, S.335). Klassischen statistischen Repräsentativitätstests

können Experteninterviews aufgrund der kleinen Fallzahlen und der bewussten Aus-

wahl der Interviewten nicht standhalten (Lamnek, 2005, S.184). Die qualitative Sozial-

forschung strebt stattdessen nach der „Erkenntnis wesentlicher und typischer

Zusammenhänge, die sich an einigen wenigen Fällen aufzeigen lassen“ (Lamnek,

1995, S.189). Für den Forschungsverlauf dieser Arbeit bedeutete dies, dass solange

Experteninterviews durchgeführt wurden bis sich keine neuen Erkenntnisse mehr

ergaben und eine Skizzierung der elektromobilen Zukunft möglich wurde. Dafür wur-

den 20 Experteninterviews mit einer Dauer von ca. 60 Minuten durchgeführt. Die In-

terviewdaten wurden zusätzlich mittels Datentriangulation auf ihre Plausibilität

überprüft, so dass die Schwäche vermeintlich kleiner Fallzahlen entkräftet werden

kann. Hinsichtlich der Generalisierbarkeit der Ergebnisse aus den Interviews gibt es

des Weiteren eine branchenspezifische Besonderheit zu beachten. Da die Entwicklung

und Produktion neuer Automobile enorm kapitalintensiv ist, arbeiten die Hersteller in

diesen Bereichen teilweise eng zusammen und es kommt zu den unterschiedlichsten

Kooperationsformen. Dies ermöglicht einen kontinuierlichen Informationsaustausch

zwischen den Herstellern und verschafft ihnen einen Blick über die eigenen Unterneh-

mensgrenzen hinweg. Insofern konnten auch die Experten in den Interviews nicht nur

Kenntnisse aus ihren eigenen Aufgabenbereichen mit einfliessen lassen, sondern ei-

nen umfassenden Blick über die Aktivitäten und Entwicklungen innerhalb der Branche

vermitteln.

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8 Mobilität im Jahr 2030 – Ein Szenario

In den bisherigen Kapiteln dieser Arbeit wurde der Wandel in der Automobilindustrie

zur rein batteriebetriebenen Elektromobilität aufgezeigt und entsprechende Hand-

lungsoptionen für die etablierten Automobilhersteller abgeleitet. Zeitlich betrachtet war

der Blick dabei auf die kommenden Jahre gerichtet. Im folgenden Ausblick soll eine

längerfristige Perspektive eingenommen und ein visionäres Zukunftsbild der Mobilität

für das Jahr 2030 skizziert werden. Da zu erwarten ist, dass sich die Branche auch in

den nächsten Jahren ähnlich turbulent entwickelt, gestaltet sich eine valide Prognose

jedoch recht schwierig. Selbst während des Schreibens dieser Arbeit wechselten die

Einschätzungen von Experten hinsichtlich mancher Entwicklungen mehrmals. War

z.B. zu Beginn der Recherchen das Thema Batteriewechsel noch sehr präsent und

wurde von Experten befürwortet, ist dieses heutzutage für den Individualverkehr na-

hezu ad acta gelegt und wenn überhaupt nur noch für den öffentlichen Personennah-

verkehr interessant (Theisen, 2014). Dies soll die Schwierigkeit eines solchen

visionären Ausblicks aufzeigen und nur noch einmal verdeutlichen, dass keine valide

Vorhersage getroffen werden kann. Vielmehr soll auf Grundlage der Interviews mit Ex-

perten der Automobilbranche und des eigenen gesammelten Wissens über die Bran-

che ein mögliches, realistisches Bild der Zukunft entworfen werden:

Mit fast 8,5 Mrd. Menschen erreicht die Weltbevölkerung im Jahre 2030 einen bisheri-

gen absoluten Höchststand (United Nations, 2015). Auch die Urbanisierung ist ent-

sprechend der Prognosen aus dem Jahre 2015 zügig vorangeschritten, so dass nun

ca. 60% der Menschheit in Städten lebt, was ebenfalls einen neuen Höchstwert dar-

stellt. Die Anzahl sogenannter Megastädte mit mehr als 10 Mio. Einwohnern erhöht

sich entsprechend von weltweit 28 auf 41 (United Nations, 2014). Besonders zu spüren

ist dieser Wandel der Urbanisierung im asiatischen Raum, wo es weltweit die meisten

Megastädte gibt.

Doch trotz des beschriebenen Bevölkerungswachstums, der Verstädterung und einer

steigenden Nachfrage nach Mobilität weisen die Städte im Jahr 2030 eine entspannte

Verkehrssituation auf. Nervenaufreibende Stop-and-go Fahrten in überfüllten Innen-

städten gehören endgültig der Vergangenheit an und der Verkehr bewegt sich flüssig

wie noch nie durch die Metropolen. Auch die in der Vergangenheit lange Zeit vorherr-

schende Parkplatzproblematik konnte endlich gelöst werden, so dass Parkplatzknapp-

heit und damit verbundene lange Suchzeiten kaum noch ein Problem darstellen.

Darüber hinaus konnte in den Städten sogar eine deutliche Verbesserung der Luftqua-

lität und Reduzierung der Lärmbelästigung erreicht werden. Hätte im Jahre 2015/2016

jemand eine solche Zukunftsvision beschrieben, sie wäre einem beinahe wie eine Uto-

pie erschienen. Wie konnte es also innerhalb von nur 15 Jahren zu einer derartig po-

sitiven Entwicklung kommen?

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Stellte im Jahre 2013 London noch einen Vorreiter in Bezug auf Umweltzonen dar,

wurden bis 2030 in beinahe allen grösseren Städten weltweit ähnliche Umweltzonen

eingeführt. Die Regelung beschränkt sich dabei nicht mehr nur auf Megastädte, son-

dern wurde sukzessiv auch von kleineren Städten aufgegriffen. Seitens der Politik wur-

den in den letzten Jahren die Emissionsgrenzwerte so verschärft, dass

Automobilhersteller quasi nur noch emissionsfreie Fahrzeuge verkaufen können. Ne-

ben den bereits genannten politischen Treibern, stellte aber auch die Entwicklung der

Kraftstoffpreise einen wesentlichen Faktor dar. Durch eine heftige Ölkrise und einen

rasanten Anstieg des Rohölpreises wurden Verbrennungsfahrzeuge für die breite

Masse immer uninteressanter. Aufgrund stark gefallener Batteriepreise konnten zu-

sätzlich rein batteriebetriebene Elektrofahrzeuge nun deutlich günstiger angeboten

werden, so dass diese das Stadtbild bestimmen. Auch wenn es noch vereinzelt Fahr-

zeuge mit Verbrennungsmotoren gibt, stellen diese im Verkehrsbild im Jahre 2030

aber eher die Ausnahme dar.

Durch den konsequenten Wechsel auf eine emissionsfreie Mobilität konnten Luft- und

Lärmbelastungen erheblich reduziert werden. Denkt man an die ersten serienmässi-

gen Elektrofahrzeuge der Automobilhersteller aus dem Jahre 2009 zurück, so muss

man jetzt eingestehen, dass diese mit ihrer relativ konventionellen Optik doch noch

stark an klassische Verbrennungsfahrzeuge erinnerten. Rein elektrisch betriebene

Fahrzeuge im Jahre 2030 weisen eine von Grund auf unterschiedliche Architektur auf

und haben mit den Elektrofahrzeugen der Vergangenheit nur noch wenig gemeinsam

(vgl. Abb. 8-1).

Abb. 8-1: „City Pods“ im Jahre 2030

(Quelle: Webseite von Volkswagen / General Motors)

Wurden früher Fahrzeuge entwickelt und nachträglich mit Informations- und Kommu-

nikationstechnologie (IKT) ergänzt, bildet die IKT im Jahre 2030 das Kernstück um das

herum ein Fahrzeug konzipiert wird (Spiegelberg, 2014). Aufgrund der beträchtlichen

IKT-Ausstattung erinnern sie nicht mehr an klassische Fahrzeuge, sondern vielmehr

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an fahrende Smartphones. Die Kommunikation zwischen den einzelnen Fahrzeugen

(Car-to-Car Communication) sowie die Interaktion mit der Umgebung (Car-to-Infra-

structure Communication) ist problemlos machbar und ermöglicht völlig neue Mobili-

tätskonzepte. Ein einheitliches Design der Fahrzeuge gibt es nicht mehr, so dass eine

Reihe verschiedener Fahrzeugkonzepte parallel existieren. Gefährte mit klassischen

vier Rädern bis hin zu „City Pods“, in denen Personen stehend transportiert werden,

bieten den Kunden für jede Situation die passende Lösung. So kann beispielsweise

für den Weg zur Arbeit ein kleiner „City Pod“ gewählt werden, während nach dem Be-

such eines Einkaufszentrums etwas mehr Platz benötigt wird und auf entsprechend

geräumigere Fahrzeugkonzepte zurückgegriffen wird.

Eine weitere ganz zentrale Komponente im Jahr 2030 stellt das autonome Fahren dar.

Bereits in der Vergangenheit war mit dem Aufkommen von Spurkontrollsystemen,

Parkhilfen oder der Verkehrszeichen-Erkennung der Trend zur Automatisierung er-

kennbar. Dieser Ansatz wurde konsequent weiterverfolgt, so dass vollautonomes Fah-

ren nun zum Standard geworden ist. Während sich im Jahre 2015 Google und andere

Unternehmen auf diesem Gebiet noch mit vielen technischen, aber vor allem auch

rechtlichen Fragen konfrontiert sahen, sind diese nun geklärt und autonomes Fahren

stellt einen festen Bestandteil der Mobilität dar45 (Thomsen, 2014). Der Einsatz dieser

neuen Technologie beschränkt sich dabei nicht nur auf Autobahnen, sondern ist auch

im unübersichtlichen und engen Stadtverkehr mit seinen zahlreichen externen Ein-

flussfaktoren möglich. Die Handhabung gestaltet sich dabei denkbar einfach, so dass

über ein Display zu Beginn einer Fahrt lediglich der entsprechende Zielort eingegeben

werden muss. Das Fahrzeug navigiert daraufhin eigenständig unter Beachtung der

Strassenverkehrsordnung und sämtlicher externer Gefahren auf dem optimalen Weg

zum Zielort.

Die „Fahrer“ der autonom fahrenden Wägen sind ab sofort nicht mehr gezwungen sich

auf den Verkehr zu konzentrieren und können sich stattdessen während der Fahrt mit

anderen Dingen beschäftigen. Dies schont im dichten Stadtverkehr die Nerven und

ermöglicht den Insassen zusätzlich völlig neue Freiräume. So nutzen viele Menschen

nun den Weg zur Arbeit um noch Unterlagen zu lesen oder Präsentationen zu erstel-

len. Für den Heimweg oder längere Strecken bietet sich die Nutzung des Multimedia-

programms an, worüber Filme angesehen oder im Internet gesurft werden kann. Selbst

Schlafphasen sind möglich, da die Fahrzeuge nicht mehr auf ein Eingreifen der Insas-

sen angewiesen sind. Ein weiterer ganz entscheidender Vorteil zeigt sich beim Parken.

Ist man am gewünschten Zielort angekommen, kann man direkt aussteigen, während

sich das Fahrzeug selbstständig einen Parkplatz oder Ladestation in der Umgebung

sucht. Langwieriges Suchen nach geeigneten Parkmöglichkeiten und das teilweise

45 Interview Thomsen (2014): „Autonome Fahrten auf Autobahnen bei Neuwagen: noch vor Ablauf dieses Jahrzehnts“

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komplizierte Einparken aus der Vergangenheit entfallen vollständig. Erweisen sich die

in der Nähe befindlichen Parklücken als zu klein, können sich die Fahrzeuge aufgrund

von Car-to-Car Kommunikation eigenständig umparken und dadurch den knappen

Platz optimal nutzen. Wird das Fahrzeug für die folgenden Stunden nicht benötigt,

kann der Besitzer es sogar zusätzlich als Carsharing-Auto deklarieren und damit etwas

Geld verdienen. Dieser muss lediglich über sein Smartphone den Zeitraum definieren,

über den er das Fahrzeug anderen Menschen zur Verfügung stellen möchte. Auf diese

Weise kann die Auslastung der Fahrzeuge über den Tag hinweg optimiert und die

Anzahl der Fahrzeuge auf den Strassen deutlich reduziert werden. Wird das Fahrzeug

wieder benötigt, kann es per Smartphone-Steuerung angefordert werden und man wird

am entsprechenden Ort von seinem Automobil abgeholt. Diese Technologie bietet

aber nicht nur den Autofahrern, sondern auch den Automobilherstellern grosse Vor-

teile. So konnten mit dem automatisierten Fahren ganz neue Zielgruppen erschlossen

werden und folglich auch älteren Menschen („Silverager“) wieder die Teilnahme an der

individuellen Mobilität ermöglicht werden. Ebenso erweist sich diese Technologie in

Bezug auf die Sicherheit im Strassenverkehr als äusserst nützlich. Aufgrund einer

computergestützten Steuerung kann menschliches Versagen oder eine zu kurze Re-

aktionszeit quasi nicht mehr auftreten, so dass der Verkehr mittlerweile deutlich siche-

rer ist. Die verminderte Unfallgefahr bedeutet niedrigere Versicherungsbeiträge und

hilft den Nutzern Geld zu sparen (Thomsen, 2014). Durch die hohe Sicherheit im Ver-

kehr wurden sogar entsprechende Einsparungen an Sicherheitstechniken vorgenom-

men, so dass die Fahrzeuge im Jahre 2030 leichter und kostengünstiger sind und eine

hohe Reichweite aufweisen.

Auch die Städte profitieren ganz erheblich von dieser Entwicklung. Aufgrund der Au-

tomatisierung konnten während der Fahrt die Abstände zwischen den Fahrzeugen op-

timiert werden. Auf diese Weise wurde ein besserer Verkehrsfluss erreicht und

künstliche Staus sind im Jahr 2030 Vergangenheit. Zusätzlich wurden Fahrzeugspu-

ren verkleinert und der Ausbau anderer Verkehrswege wie z.B. Fahrradwege geför-

dert. Über die Vernetzung mit den Ampeln erhielten die Fahrzeuge die optimale

Geschwindigkeit mitgeteilt, so dass unnötige Brems- und Beschleunigungsvorgänge

vermieden werden konnten. Dies führte zu einer erheblichen Reduzierung des Ener-

gieverbrauchs, wodurch sich wiederum Geld und Ressourcen sparen liessen.

Eine weitere positive Entwicklung im Mobilitätsbereich stellt die Veränderung des Mo-

dal Splits beim Personennahverkehr dar. War in der Vergangenheit häufig das Auto-

mobil die erste Wahl, zeigt sich 2030 ein deutlich breiteres Mobilitätsangebot. So stützt

sich das Transportaufkommen nicht mehr hauptsächlich auf das Automobil, sondern

verteilt sich entsprechend der Bedürfnisse auf unterschiedlichste Verkehrsträger und

sorgt auf diese Weise für eine Entlastung der Strassen. Bereits bekannte Verkehrsträ-

ger wie Bahn, ÖPNV, Elektroroller oder Fahrrad wurden durch innovative Fahrzeug-

konzepte wie rein elektrisch betriebene „City Pods“ oder andere Ein-Personen-

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Transportmittel ergänzt. Auf diese Weise kann nun die Wahl des Verkehrsträgers per-

fekt der jeweiligen Situation angepasst werden. Intermodale und multimodale Ver-

kehrskonzepte ergänzen diesen Ansatz und ermöglichen so den maximalen Grad an

Flexibilität. Auch die Automobilhersteller mussten sich neu positionieren und haben

sich nun endgültig zum Mobilitätsanbieter gewandelt. Das zentrale Geschäftsmodell

basiert somit nicht mehr auf dem reinen Verkauf der Fahrzeuge, sondern dem Verkauf

von Mobilität. Durch eine intelligente Verknüpfung der jeweiligen Verkehrsträger und

dem Angebot entsprechender Zusatzdienstleistungen ermöglichen sie dem Kunden

eine perfekt auf seine Bedürfnisse abgestimmte Mobilität. Hierbei spielt das Konzept

einer „Seamless Mobility“ eine zentrale Rolle (vgl. Abb. 8-2).

Abb. 8-2: „Seamless Mobility“ im Jahre 2030

(Quelle: Webseite Ford)

Die ursprünglich separaten Verkehrskonzepte wie Carsharing, Bahn, ÖPNV,

Elektroroller, Fahrrad etc. stellen jetzt keine voneinander abgekoppelten Systeme

mehr dar, sondern bilden ein integriertes Mobilitätskonzept. Dabei ist entscheidend,

dass der Übergang zwischen den jeweiligen Verkehrsträgern nahtlos geschieht. Dazu

gehört, dass für die Teilstrecken einer Reise nicht jeweils eigene Tickets gekauft wer-

den müssen. Dies reduziert die Unsicherheit in fremden Städten, wo sich in der Ver-

gangenheit die Ticketstrukturen des ÖPNV für Fremde oftmals nur mit viel Zeitaufwand

erschlossen. Auch aufgrund autonom fahrender Fahrzeuge kann das Zusammenspiel

der einzelnen Verkehrsmittel nun noch besser koordiniert werden, da man im Idealfall

direkt zum nächsten Verkehrsmittel transportiert wird und sich dieses dann selbststän-

dig „entsorgt“ (Spiegelberg, 2014). So navigiert der „City Pod“ selbstständig wieder zu

seiner entsprechenden Ladestation oder befördert einen weiteren Kunden. Durch die

„Seamless Mobility“ ist es auch möglich, dass bei Verspätungen eines Verkehrsmittels

im Laufe der Reiseroute automatisch Alternativen gesucht und gebucht werden. Auf

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diese Weise kann beispielsweise der Ausfall einer U-Bahn direkt durch die Buchung

eines „City Pods“ aufgefangen werden, der den Kunden bereits an entsprechender

Stelle empfängt.

„Seamless Mobility“ im Jahre 2030 macht sich aber auch daran bemerkbar, dass die

Kunden sich nicht jeweils auf ein neues Verkehrsmittel einstellen müssen. Nach der

Erstellung eines Fahrerprofils werden dort die entsprechenden Präferenzen angege-

ben und auf Basis einer Daten-Cloud gespeichert (Spiegelberg, 2014). Steigt der

Kunde schliesslich in ein anderes Fahrzeug, erkennt dieses nach Abruf der Daten aus

der Cloud den Fahrer und passt sich entsprechend der dort hinterlegten Wünsche an.

Dies umfasst z.B. Einstellungen hinsichtlich der Sitzposition, der gewünschten Innen-

raumtemperatur oder der Lieblingsmusik.

Die zunehmende Intermodalität führte durch die Verlagerung auf unterschiedlichste

Verkehrsträger zu einer erheblichen Entlastung der Strassen. Doch selbst wenn die

Bürger nicht auf ein Fahrzeug verzichten wollen, kann es zu einer Entspannung der

Verkehrslage kommen. Die Lösung liefert im Jahre 2030 der Megatrend „Sharing“.

Dieser Trend wurde über die letzten 15 Jahre konsequent vorangetrieben und be-

stimmt nun in erheblichem Ausmass den Alltag und die Mobilität der Menschen. Dabei

wurde der „Share Economy“ Gedanke aus anderen Lebensbereichen aufgegriffen und

auf die Mobilität übertragen. Das 2008 gegründete Unternehmen „Airbnb“ zeigte be-

reits viele Jahre zuvor auf, wie dieser Ansatz im Rahmen einer privaten Apartmentver-

mittlung funktionieren kann. Fahrzeuge zu besitzen hat bei vielen Menschen endgültig

an Bedeutung verloren und es wird entscheidender, jederzeit Zugriff auf die persönlich

präferierte Mobilität zu bekommen. Flexibilität im Leben wird somit nicht mehr zwin-

gend durch ein eigenes Fahrzeug erreicht, sondern zeigt sich in den omnipräsenten

Wahlmöglichkeiten des präferierten Verkehrsmittels. Durch eine gemeinschaftliche

Nutzung werden die vorhandenen Fahrzeuge besser ausgelastet und es wird verhin-

dert, dass Fahrzeuge wie in der Vergangenheit nur ca. 1h/Tag im Einsatz sind (Ramm-

ler, 2013). Diese Optimierung ist auch dringend notwendig, da in den Städten oftmals

einfach kein Platz mehr für ein eigenes Auto ist. Platz ist in den Städten der Zukunft

zu einem derart raren Gut geworden, dass private Parkmöglichkeiten an andere Kun-

den vermietet werden. Verlassen Fahrzeugbesitzer für die Fahrt zur Arbeit ihren eige-

nen Parkplatz, bieten sie diesen anderen Verkehrsteilnehmern für einen bestimmten

Zeitraum zur Miete an und verdienen auf diese Weise Geld.

Neben dem klassischen Carsharing gibt es im Jahre 2030 aber noch weitere Ausprä-

gungen der kollaborativen Fahrzeugnutzung. Auf Basis der 2009 bzw. 2012 gegrün-

deten privaten Carsharing Modelle von Uber oder Lyft haben sich völlig neue Konzepte

wie z.B. „Neighbourhood Cars“ etabliert (Breitenberger, 2015). Hierbei schliessen sich

Anwohner eines Viertels für den Kauf eines Fahrzeugs zusammen und nutzen dieses

dann gemeinschaftlich. Ein weiterer Ansatzpunkt zeigt sich in der Digitalisierung und

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Vernetzung der Fahrzeuge. Haben Reisende ähnliche Reiserouten, wird diesen über

das Smartphone kurzfristig ein Vorschlag unterbreitet sich zu einer Fahrgemeinschaft

zusammenzuschliessen. Dieser Ansatz der gemeinsamen Fahrzeugnutzung, trug we-

sentlich zur Entlastung der Städte bei.

An dieser Stelle soll jedoch nicht verschwiegen werden, dass es gerade in den An-

fangszeiten des Wandels hin zu dieser neuen Mobilität auch zahlreiche Bedenken gab.

Vor allem die Entwicklung des autonomen Fahrens wurde teilweise heftig kritisiert, da

dies als Einschränkung der Freiheit angesehen wurde. Während eine Autofahrt mit

Emotionen und Fahrerlebnis assoziiert wurde, fühlte sich das automatisierte und

gleichmässige Fahren gerade in der Übergangsphase für viele wie ein Verlust an Frei-

heit und Individualität an. Dieser Eindruck wurde durch das Teilen der Fahrzeuge so-

gar noch verstärkt. Doch die zahlreichen Vorteile dieser neuen Entwicklungen wie z.B.

eine noch nie dagewesene situationsgerechte Wahlfreiheit der Verkehrsmittel, der Zu-

gewinn an Freizeit, entspannte Fahrten in Grossstädten sowie die kaum mehr vorhan-

denen Luft- und Lärmbelastungen konnten schnell auch die grössten Pessimisten

überzeugen.

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Anhang 1: Interviewpartner

Florian Wunsch (Nissan Center Europe - EV Brand Manager) 25/06/2012

Steffen Sauerbrei (Peugeot Deutschland - Leiter Strategische Planung) 27/06/2012

Kurt Sigl (Bundesverband Emobilität - Präsident) 29/06/2012

Christoph Bleile (Opel / GM Schweiz - Manager Public Relations) 29/06/2012

Wolfgang Rudschies (ADAC - Redakteur) 03/07/2012

Peter Moos (Daimler / Smart - Product Management smart electric drive) 04/07/2012

Rolf Schumann (Better Place – Country Engagement Principal Europe) 05/10/2012

Dr. Manfred Josef Pauli (Elektromobilitätsakademie – Wissenschaftlicher Mitarbeiter) 31/07/2014

Prof. Dr. Andreas Knie (Geschäftsführer InnoZ) 18/08/2014

Mark Backé (BMW Schweiz AG - Leiter Marketing & Mitglied der Geschäftsleitung) 19/08/2014

Prof. Gernot Spiegelberg (Siemens AG – Corp. Technology New Technology Fields) 28/08/2014

Thomas Theisen (RWE Deutschland AG – Head of New Technologies) 05/09/2014

Stefan Ponikva (BMW AG - Head of Brand Management BMW i) 12/09/2014

Lars Thomsen (future matters – Zukunftsforscher, Gründer von future matters) 24/09/2014

Dr. Eileen Mandir (moovel – Product Development moovel) 26/09/2014

Dr. Mark Mennenga (TU Braunschweig – Wissenschaftlicher Mitarbeiter) 29/09/2014

Nicolai Woyczechowski (Hubject GmbH – Manager Business Development) 30/09/2014

Eric Heymann (Deutsche Bank AG – DB Research) 01/10/2014

Bernhard Stimpfle (BMW Group – Leiter Technologien Mobilitätsdienste) 07/07/2015

Susanne Breitenberger (BMW Group – Leitung Mobilitätsforschung) 07/07/2015

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Besuchte Fachkonferenzen:

ZHAW School of Engineering: „Tage der Technik 2010 - Nachhaltige Mobilität“, Win-

terthur (19. Oktober 2010)

eCarTec Kongress: „4. Internationaler eCarTec Fachkongress für Elektromobilität“,

München (23./24. Oktober 2012)

Konferenz der Heinrich Böll Stiftung: „Auto 3.0 - Die Zukunft der Automobilindustrie“,

Berlin (31./01. Februar 2013)

GreenBuzz-Event bei Tesla Motors: “Tesla Motors - Mainstreaming E-Mobility” (06.

Februar 2014)

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Anhang 2: Interviewleitfaden

ALTERNATIVE ANTRIEBE:

Was sind die Haupttreiber für den Wandel hin zu alternativen Antriebstechni-ken?

Zahlreiche alternative Antriebsarten stehen zur Diskussion (alternative Kraft-stoffe, Hybridantrieb, Batterieantrieb, Brennstoffzelle). Welche dieser Optionen wird sich in den kommenden Jahren durchsetzen und warum (short-term vs. long-term)?

Wo liegen die Vor- und Nachteile der jeweiligen Antriebsarten?

Inwiefern wird der Wechsel auf eine neue Technologie durch die finanzielle Ab-hängigkeit vom klassischen Automobil mit Verbrennungsmotor ausgebremst?

Die Erforschung alternativer Antriebe ist mit extrem hohen Entwicklungskosten verbunden – wie wird mit diesem Risiko umgegangen?

Fokussieren sich die Automobilhersteller auf mehrere Technologien gleichzei-tig?

Was sind derzeit die grössten Probleme im Bereich der Elektromobilität?

Welche Anreize sind notwendig, um Elektromobilität stärker zu fördern?

Wie sieht die Förderung der Elektromobilität in anderen Ländern aus? Welche Länder dienen hier als Vorzeigemodell?

In Deutschland wurde für das Jahr 2020 ein Ziel von 1Mio. Elektroautos ausge-geben – bei ca. 42Mio. Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor ein relativ kleiner Anteil. Sind 1Mio. Elektrofahrzeuge realistisch und ist es dennoch ein Erfolg?

AUTOMOBILHERSTELLER:

Stellt der Wandel zur Elektromobilität eine radikale Branchentransformation oder lediglich einen inkrementellen Umbruch dar?

Ist die Vormachtstellung der Automobilhersteller in Zukunft gefährdet?

Wie werden Wettbewerber definiert?

Wer waren die „First Mover“ in Richtung Elektromobilität (etablierte Spieler / neue Spieler / branchenfremde Spieler)? Wer hat den Prozess initiiert bzw. vo-rangetrieben?

Könnten sich die Kräfteverhältnisse in der Automobilindustrie in den nächsten Jahren aufgrund der alternativen Antriebe entscheidend verändern oder leiten die neuen Spieler lediglich den Wandel ein?

Welche Rolle spielten Tesla (2003) und Betterplace (2007) in Bezug auf die Verbreitung von Elektromobilität?

Werden in den nächsten Jahren (mittel- bis langfristig) noch alle bekannten Au-tomobilhersteller am Markt aktiv sein?

Welcher der Akteure wird in den nächsten Jahren im Bereich der individuellen Mobilität eine entscheidende Rolle spielen?

Welche Rolle wird Google und Apple in der Mobilität der Zukunft zukommen?

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Werden sich neben BYD noch andere Batteriehersteller vorwärts integrieren? Inwiefern ist eine „Rückwärtsintegration“ von Unternehmen aus dem IKT-Be-reich denkbar?

Wie sieht die Elektromobilitätsstrategie der OEMs aus? Werden bestehende Fahrzeuge nur umgebaut oder die Elektrofahrzeuge von Grund auf neu entwi-ckelt?

Fragen zum eigenen Elektrofahrzeugangebot (Fahrzeugklassen, Modelle, Preise, Miete vs. Leasing, Beladung, …)

Welche Veränderungen am Fahrzeug ergeben sich durch den Wechsel zur Elektromobilität? Welche Komponenten werden überflüssig / ersetzt / modifi-ziert?

Wie werden die Elektrofahrzeuge derzeit angeboten (konventioneller Kauf, Bat-terieleasing, Meilenverkauf, …)? Welche innovativen Konzepte wird man in Zu-kunft sehen?

Wie lange dauert die Entwicklung eines Elektrofahrzeugs (Entwicklung bis Ver-kauf)?

Wie findet die Differenzierung beim Elektrofahrzeug statt? Wird der Batterie ein ähnlicher Stellenwert wie dem Verbrennungsmotor zukommen?

Die ersten serienmässigen Elektrofahrzeuge kommen von OEMs wie Nissan oder Mitsubishi und nicht von Technologieführern wie Audi / BMW / Daimler. Bremsen die OEMs den Wandel bewusst? Wurde der Wandel verschlafen bzw. unterschätzt?

Inwiefern eignen sich die Fahrzeuge der Premiumhersteller als Elektromobile?

Wie hat sich der Flottenverbrauch über die letzten 10Jahre entwickelt?

Inwiefern unterscheidet sich die neue elektromobile Wertschöpfungskette von der klassischen Wertschöpfungskette?

Auf welche Aktivitäten werden sich die Automobilhersteller besonders fokussie-ren?

Wie eignen sich die Fahrzeughersteller notwendige Kenntnisse im Bereich der Batterietechnik an?

Bei der Elektromobilität finden derzeit viele Kooperationen statt. In welchen Be-reichen finden diese statt und mit welchen Spielern?

Besteht für die OEMs überhaupt noch die Möglichkeit den Wissensvorsprung asiatischer Akteure im Bereich der Batterietechnik aufzuholen?

Wie hoch belaufen sich die Kosten für eine Batterie ($/kWh)? Wie hoch belaufen sich die Kosten für einen Verbrennungsmotor?

Welchen Wertschöpfungsanteil haben die Automobilhersteller an den Batterie-packs im Vergleich zum Verbrennungsmotor?

Welche Kompetenzen sind für den Bau eines Automobils entscheidend?

Welche Kompetenzen gewinnen / verlieren aufgrund der Veränderungen in der Wertschöpfungskette an Relevanz?

LADEINFRASTRUKTUR:

Wie sieht die (öffentliche/private) Ladeinfrastruktur für rein elektrische Fahr-zeuge aus?

Wer ist für den Aufbau der Ladeinfrastruktur verantwortlich?

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Inwiefern lässt sich mit der Ladeinfrastruktur und den Beladungen der Fahr-zeuge Geld verdienen?

Wo werden die Ladeprozesse hauptsächlich stattfinden?

Wie funktioniert der Zugang zu den Ladesäulen?

Wie funktioniert Roaming an den Ladesäulen?

Wie sieht es bei der Ladeinfrastruktur hinsichtlich Standardisierungen aus?

Welche Akteure eigenen sich für die Zugangs- und Abrechnungsprozesse?

Welche Möglichkeiten können sich für Automobilhersteller in Zusammenhang mit der Ladeinfrastruktur ergeben?

Inwiefern sind Wechselstationssysteme noch relevant in der Zukunft?

MOBILITÄT DER ZUKUNFT:

Stellt das Automobil in der Zukunft noch den Kern der Individualmobilität dar?

Wie wird die individuelle Mobilität der Zukunft aussehen (kurzfristig / langfris-tig)?

Wie sehen die Mobilitätskonzepte der Zukunft aus?

Welche Bedeutung werden Intermodalität, Multimodalität oder Carsharing-Kon-zepte in der Zukunft haben?

Inwiefern unterscheiden sich die Mobilitätskonzepte zwischen den Ländern? Lassen sich die neuen Mobilitätstrends auch auf Schwellenländer übertragen?

Wird ein Einsatz der neuen Mobilitätsdienstleistungen und -services nur in Me-gacities und Grossstädten möglich sein?

Welche Gründe gibt es für den Wandel vom klassischen Automobilhersteller zum Mobilitätsanbieter?

Inwiefern kannibalisieren sich die Automobilhersteller durch neue Mobilitätskon-zepte?

Inwiefern lassen sich bei den neuen Mobilitätskonzepten Elektrofahrzeuge in-tegrieren?

Wie gehen die Mineralölkonzerne mit der elektromobilen Bedrohung um?

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Anhang 3: Aussagen der Hersteller hinsichtlich Elektromobilität

Zitat OEM Zeitpunkt

«Ein reines E-Auto mit 150 Kilometer Reichweite ist nicht die richtige Lösung» Vizechef

Toyota Europe, Alain Uyttenhoven

08/2012

«Ich halte nichts vom reinen Elektroantrieb. Denn ich sehe nicht, dass in absehbarer Zeit Bat-terien mit ausreichender Haltbarkeit zur Verfügung stehen werden»

VW-Aufsichtsrats-chef, Ferdinand

Piëch 11/2012

«Wir bringen den Fiat 500 mit Elektromotor auf den Markt, weil wir müssen» Fiat-Sprecher 11/2012

«Elektro und Hybrid brauchen wir nicht, um effizient zu sein» Mazda-Europachef,

Jeffrey Guyton 01/2013

«Plug-in Hybride werden weit mehr sein als nur eine Übergangstechnologie» Audi-Entwicklungs-

chef, Wolfgang Dürheimer

03/2013

«Das batterie-elektrische Auto ist kein Allheilmittel, aber ein wichtiges Element im Antriebsmix der Zukunft. Der Verbrennungsmotor wird noch lange weiter existieren, weil er seine eigene Abschaffung finanzieren muss»

Daimler-Chef, Dieter Zetsche

06/2013

«Die Zeit ist in China noch nicht reif für ein reines Elektroauto» Audi-China-Chef,

Dietmar Voggenrei-ter

11/2013

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«Wir wollen mit möglichst wenig Elektrifizierung die Emissionsziele erreichen» Opel-Chef,

Karl-Thomas Neumann

03/2014

«Elektromobilität hat keine Priorität» PSA-Chef,

Carlos Tavares 03/2014

«Ich denke nicht, dass wir ein dediziertes Elektromodell benötigen, um unsere Effizienzziele zu erreichen»

Leiter Entwicklung elektrischer Antriebe Ford, Kevin Layden

03/2014

«Ich hoffe, sie kaufen ihn nicht, denn jedes Mal, wenn ich einen Fiat 500e verkaufe, kostet es mich 14.000 Dollar»

Fiat-Chrysler-Chef, Sergio Marchionne

05/2014

«Die Zeit für ein reines Elektroauto ist noch nicht gekommen. Ohne entsprechende Infrastruk-tur sind Plug-in-Hybride wie unser A3 e-tron im Moment das beste Konzept»

Audi-Chef, Rupert Stadler

09/2014

«Die konventionellen Antriebe sind noch lange nicht ausgereizt. Zudem ist die Fantasie für reinen Elektroantrieb weit weg. Es gibt Barrieren bei Kosten, Reichweite und Infrastruktur»

Seat-Chef, Jürgen Stackmann

01/2015

«Teure Elektroautos benötigen wir nicht. Wir schaffen mit nochmals verbesserten Verbren-nungsmotoren die CO2-Grenzwerte»

Mazda-Europachef, Jeffrey Guyton

02/2015

«Perspektivisch können wir uns das für unsere teureren Fahrzeuge vorstellen. Aber derzeit gehen wir davon aus, dass wir die CO2-Ziele ohne Elektrifizierung erreichen können. Jeder Art von Elektrifizierung ist immer der teuerste Weg, deshalb versuchen wir bei Opel den Weg über hocheffiziente Motoren und Getriebe zu gehen»

Opel-Chef, Karl-Thomas Neumann

06/2015

(Quelle: electrive.net-Newsletter Analyse – Eigene Darstellung)

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Anhang 4: Design der Elektrofahrzeuge

Zitat Interview-

partner

«Der [Fiat 500] hatte dann meinetwegen einen Diesel- oder Benzinmotor drinnen, dann wurde der ausgeweidet und dann wurden die Elektrokomponenten eingebaut. […] Es ist halt immer noch so eine Art Notlösung gewesen, weil man hat ja ein konventionelles Auto genommen und das nicht vom Band gezogen oder vom Band dann gleich so gefertigt, dass er Elektroantrieb hat - also mit einem Elektroantrieb verheiratet - sondern man hat es fertig genommen und erst mal wieder auseinander genommen - also das ist schon noch ein Unterschied»

ADAC

«Und in dieser Zeit kam auch die Entscheidung - eine damals extrem mutige Entscheidung von unserem Vorstand - zu sagen: Ok, wir investieren in Elektromobilität. Aber wir nehmen nicht ein konventionelles Konzept her und nehmen einen BMW 3er oder BMW 1er und bauen da jetzt bitte den Ottomotor aus und dafür eben die gesamte Bodenplatte mit Batterien. Sondern der Vorstand hat entschieden eine eigene Taskforce zu gründen, die losgelöst von allen Konzerninteressen und allen Entwicklungsprozessen loslaufen durfte, und hat sich zwei Jahre lang ein-sperren dürfen, um die Zukunftsmobilität von Grund auf neu zu definieren. Auch der Antrieb»

BMW

«Der konsequente Weg, den BMW beschritten hat, ist natürlich auch der schwierigste und langwierigste Weg. Wenn Sie heute sagen, es reicht einen sogenannten Konvertiten anzubieten, also ein von der Architektur auf Verbrennung ausgelegtes Automobil quasi um den Verbrennungsantriebsstrang zu entschlacken und dann einen Elektroantriebsstrang einzupflanzen, also das ist etwas das bringt sie jetzt nicht um, rein technisch gesehen. Ist einfach nur die Frage, ob zum Schluss vom Aufwand her und von dem, was hinten rauskommt, sie große Freude daran haben. Umgekehrt ist es natürlich auch bei weitem nicht mit den Investitionen verknüpft, mit denen das ganze Thema BMWi bei uns verknüpft war. Und deswegen: Ja, hier ist BMW einfach ein anderes unternehmeri-sches Risiko eingegangen»

BMW

«[Aufgrund der Batterien] mussten wir das Gewicht kompensieren. Und dazu haben wir Karbon eingesetzt. Wir sind der erste Hersteller, der industriell Karbon verarbeitet in der Automobilindustrie. Und unsere ganze Karosserie vom i3 ist ein vollwertiges Karbonkonstrukt. […] Bringt natürlich auch massive Gewichtsreduzierung zur Kompen-sation der Gewichtsmaximierung der Batterie»

BMW

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«Also Mercedes, Audi und VW bauen jetzt Fahrzeuge um. Wie gerade gesagt: bei VW die Plattform, bei Mercedes nimmt man die B-Klasse und die A-Klasse. Natürlich den Smart, der bietet sich ja dafür an. […] Und bei BMW geht man einen völlig neuen Weg. Bei BMW wird eine komplette i-Linie entstehen - i3 und i8. Da wird der i3 nicht die unterste Schiene markieren, der i8 vielleicht auch noch nicht die höchste […]. Aber da denkt man konsequent elektromobil»

Bundesver-band eMobili-

tät

«[W]ir haben einen fantastischen Platz für eine Batterie - bei allen anderen Autos ist das ein elendes Gefummel, wo man jede Menge Kompromisse eingehen muss. Wir haben von vornherein einen Platz angedacht für die Bat-terie, kriegen da eine ordentliche Batterie rein, verbessern dadurch noch unsere Fahrdynamik, haben die Batterie als teuerstes Teil am sichersten Ort des Fahrzeugs. Also absolut ideal. Und das ist kein Zufall, sondern es war von vornherein immer daran gedacht»

Daimler / Smart

«Also im Moment haben wir wirklich zwei Geschäftsmodelle im Rennen. Das ist wirklich das Modell VW, die sagen: Wir wollen am Ende jedes Modell elektrisch auch herstellen können. Und die Gegenstrategie, die BMW oder Nissan fährt: Wir entwickeln wirklich ein komplett eigenständiges Segment von Elektroautos, weil bestimmte Über-tragbarkeiten einfach nicht gegeben sind. Es reicht einfach nicht nur das Chassis zu wechseln, sondern da braucht es einfach noch mehr Gedanken»

Elektromobili-tätsakademie

«[D]a wird dann doch ein Nachteil entstehen und das scheint sich jetzt auch langsam abzuzeichnen, dass eben ein elektrisches Auto nicht mehr nur ein anderer Antrieb ist, sondern auch das Fahrzeugkonzept – also mal dieses schöne Wort „Conversion Design“ zu bemühen - wichtig ist und das Fahrzeug auch integriert wird in eine Ener-gielandschaft, in eine Batterielandschaft, in eine Mikro-Smart-Grid-Landschaft. [So] dass es eben nachher dann auch heißt: Wie biete ich dem Kunden denn wirklich eine Dienstleistung, die über das Auto hinausgeht?»

InnoZ

«Ja, also ich würde bei BMW da nicht mal von „Purpose Design“, sondern eher von „Purpose Material“ sozusagen ausgehen. Das Design ist noch relativ konventionell, erstaunlich konventionell sogar […] - also lass ich mir von Designexperten erklären. Was die aber wirklich Purpose-mässig gemacht haben, das ist wirklich das ganze Ma-terialkonzept und auch das Produktionskonzept weitgehend zu entkoppeln. […] Aber immerhin schon mehr „Pur-pose Design“ als ein E-Golf, der auch weiterhin wie ein E- Golf daherkommt, das ist richtig»

InnoZ

(Quelle: Interviews – Eigene Darstellung)

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Anhang 5: Differenzierungskriterien bei Elektrofahrzeugen

Zitat Interview-part-

ner

«Also eine ihrer Kernkompetenzen ist es ja noch die Motoren zu bauen. Viel haben sie ja schon ausgelagert – Sicherheitstechnologien, Sitzen, Interieur - alles was damit zusammenhängt kommt von den Zulieferern. Der Motorenbau ist noch ein Thema, was bei den OEMs sagen wir mal verortet ist sozusagen. […] Es ist eines der Kernelemente wo man sagen kann, damit differenzieren sie sich» «Ich glaube das Gesamtkonzept wird ein wichtiges. Dass man sagt – das ist eine Technologie vom Unterneh-men ABC; Batterie plus Elektromotor plus die Art und Weise wie sowas verbaut ist, wie sowas funktioniert. Dass damit die OEMs Werbung betreiben werden und dass dort auch die Kompetenz zu einem grösseren Teil bei den OEMs verbleibt. Ich glaube nicht, dass die OEMs bereit sind diesen Wertschöpfungsanteil abzugeben» «Teile des künftigen reinen batterieelektrischen Antriebskonzeptes werden vermutlich zu einem Commodity verkommen – einfach weil es auf Masse ankommt… die Packs usw. Die Integration, das Thermomanagement, dass die Dinge nicht zu heiss werden im Sommer, dass die Dinge gekühlt sind im Winter, wenn Sie Minus 20 Grad in Norwegen haben und Sie müssen trotzdem damit morgens irgendwie 10km weit kommen usw. usf. - das sind Dinge, die nachher den entscheidenden Vorteil ausmachen werden und da ist der Zug nicht abgefah-ren»

Deutsche Bank Research

«Aber da sehen wir jetzt im Moment auch einen Trend völlig in die Digitalisierung, also das, was Karstadt grade droht oder anderen schon gedroht ist, quasi in ein digitales Netz zu fallen, das passiert auch mit den Autoher-stellern. Das heißt, zukünftig wird die Attraktivität eines Verkehrsmittels im Wesentlichen davon abhängen, wie ich es im Internet präsent habe – wir sprechen da von der digitalen Signatur, die so ein Auto oder ein Verkehrs-mittel haben muss, weil die wird immer entscheidender» «[Die Batterien] sind immer ähnlicher, also die Zellen werden immer konventioneller, aber der Size, die Größe, wird unterschiedlich ausfallen. Also kW-Stärken der Batterien sind sehr unterschiedlich»

InnoZ

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«Eine Batterie ist für mich Commodity. Die differenziert überhaupt nicht. Die Software zur Steuerung der Batterie differenziert» «Es gibt eine ganz interessante Theorie von Geoffrey Moore ‚Core / Context‘. Ist die Batterie ‚Core‘, sprich differenzierend (Kernkompetenz) oder ist es ‚Context‘, sprich nicht-differenzierende Technologie? […] Ich per-sönlich glaube, es ist ‚Context‘ - die Autoindustrie glaubt es ist ‚Core‘. […] Warum machen die die Batterie? Ja, die wollen wieder irgendwas im Auto besitzen. Jetzt glauben sie die Batterie ist der Differenzierer. Ich sage: Nein. Das sind die Software und die Emotion. Also ich würde voll in Software gehen und voll auf Brand» «Brand, Community, Vernetzung, Digitalisierung - das sind die Punkte»

Better Place

«Der Elektroantrieb ist einfach ein relativ simples Ding. Und da können Sie schon noch an den Komponenten nachher was weiterforschen und noch bessere Motoren machen, aber das Prinzip ist so einfach, dass es relativ leicht kopiert werden kann. Das heißt, sie haben immer so ein bisschen das Problem, sie müssen dann schon etwas exorbitantes Gutes bieten, um dann ein Alleinstellungsmerkmal wieder zu erhalten» «Ich glaube eher nicht [, dass die Batterie zu einem Differenzierungskriterium im Automobil wird]. Also zumin-dest nicht in dem starken Maße [, wie es der Verbrennungsmotor war]» «[A]ber wirklich differenzieren tun sich die Fahrzeuge ja heute nicht mehr. Das Elektroauto wird das Ganze noch ein Stück egalisieren. Das ist ganz klar» «Die Automobilindustrie ist ja heute schon zu hohen Teilen zulieferabhängig. Da wird ja nicht mehr allzu viel in eigener Regie hergestellt und es wird das meiste nur noch in eigener Regie montiert. Also von daher denke ich, wird das mit den Batterien wahrscheinlich einen ähnlichen Weg gehen»

Elektromobili-tätsakademie

«Differenzierungskriterien der Zukunft sind nicht mehr PS-Zahlen, sondern Ausstattung, Design, Interior, Funk-tionalitäten des Automobils»

Siemens

(Quelle: Interviews – Eigene Darstellung)

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Lebenslauf

Markus Seeberger

Nationalität: Deutsch

Geburtsort: Erlangen

Geburtstag: 26.05.1982

Ausbildung

2010-2015 Universität St. Gallen, Schweiz

Doktoratsprogramm in Betriebswirtschaftslehre (PMA)

Schwerpunkt: Marketing

Dissertationstitel: „Der Wandel in der Automobilindustrie hin zur

Elektromobilität – Veränderungen und neue Wertschöpfungspo-

tenziale für Automobilhersteller“

(Prof. Dr. Thomas Dyllick / Prof. Dr. Wolfgang Stölzle)

2002-2008 Friedrich-Alexander Universität, Nürnberg

Studium der Betriebswirtschaftslehre,

Abschluss: Diplomkaufmann

Praktische Erfahrung

2010-2015 Institut für Wirtschaft und Ökologie (IWÖ-HSG),

Lehrstuhl für Nachhaltigkeitsmanagement,

Universität St. Gallen, Schweiz

Assistent von Prof. Dr. Thomas Dyllick

2007 Horváth & Partners Management Consultants,

Praktikum, Düsseldorf

2006 Schaeffler KG, (Sales Controlling)

Werkstudent, Herzogenaurach

2006 Schaeffler KG, (Sales Controlling)

Praktikum, Herzogenaurach