des bayerischen notarvereins, der notarkasse und der

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r Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern Mitteilungsblatt für die im Bereich der Notarkasse tätigen Notare und Notarassessoren sowie für die Beamten und Angestellten der Notarkasse Herausgeber: Landesnotarkammer Bayern — Ottostraße 10, 8000 München 2 Druck: E. Mühlthaler's Buch- und Kunstdruckerei GmbH, Dachauer Straße 15, 8000 München 2 Heft 1 MittBayNot Januar/Februar 1990 L , Abhandlung EG-Recht und deutsches Notariat Versuch einer Standortbestimmung vor der Verwirklichung des Binnenmarktes von Notar Dr. Gerd-Jürgen Richter, Landau in der Pfalz* Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Grundzüge des EG-Rechtes im Überblick III. Zur Funktion des Notars in der deutschen Rechtsord- nung 1. Das formalrechtliche Argument 2. Das materiellrechtliche Argument 3. Die bestimmenden Funktionsmerkmale IV. Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit 1. Zur Rechtsnatur der Art. 52 ff. EWGV 2. Der Regelungsbereich von Art. 55 EWGV 3. Tätigkeit des ausländischen Notars nach der auslän- dischen Rechtsordnung im Inland 4. Umgekehrte Diskriminierung V. Harmonisierung von Rechtsvorschriften 1. Grundlagen der Angleichung 2. Angleichungskompetenzen im EWGV 3. Schaffung von parallelem EG-Recht VI. Perspektiven des deutschen Notariates im gemein- samen Markt 1. Veränderung des Umfeldes 2. Notarielle Tätigkeit als Dienstleistung für den Markt 3. Folgerungen a) Formzwang als Element des Verbrauerschutzes b) Institutionelle Absicherung der Formzwecke Bei der vorliegenden Abhandlung handelt es sich um einen Vortrag, den der Autor bei der Jahresversammlung 1989 des Bayerischen Notar- vereins am 14.10.1989 in Ludwigshafen gehalten hat. Der Vortragsstil wurde im wesentlichen in der abgedruckten Fassung beibehalten. MittBayNot 1990 Heft 1

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Page 1: des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der

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Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der

Landesnotarkammer Bayern

Mitteilungsblatt für die im Bereich der Notarkasse tätigen Notare und Notarassessoren sowie für die Beamten und Angestellten der Notarkasse

Herausgeber: Landesnotarkammer Bayern — Ottostraße 10, 8000 München 2 Druck: E. Mühlthaler's Buch- und Kunstdruckerei GmbH, Dachauer Straße 15, 8000 München 2

Heft 1 MittBayNot Januar/Februar 1990

L ,

Abhandlung

EG-Recht und deutsches Notariat — Versuch einer Standortbestimmung vor der Verwirklichung des Binnenmarktes —

von Notar Dr. Gerd-Jürgen Richter, Landau in der Pfalz*

Inhaltsübersicht

I. Einleitung

II. Grundzüge des EG-Rechtes im Überblick

III. Zur Funktion des Notars in der deutschen Rechtsord-nung

1. Das formalrechtliche Argument

2. Das materiellrechtliche Argument

3. Die bestimmenden Funktionsmerkmale

IV. Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit

1. Zur Rechtsnatur der Art. 52 ff. EWGV

2. Der Regelungsbereich von Art. 55 EWGV

3. Tätigkeit des ausländischen Notars nach der auslän-dischen Rechtsordnung im Inland

4. Umgekehrte Diskriminierung

V. Harmonisierung von Rechtsvorschriften

1. Grundlagen der Angleichung

2. Angleichungskompetenzen im EWGV

3. Schaffung von parallelem EG-Recht

VI. Perspektiven des deutschen Notariates im gemein-samen Markt

1. Veränderung des Umfeldes

2. Notarielle Tätigkeit als Dienstleistung für den Markt

3. Folgerungen a) Formzwang als Element des Verbrauerschutzes b) Institutionelle Absicherung der Formzwecke

Bei der vorliegenden Abhandlung handelt es sich um einen Vortrag, den der Autor bei der Jahresversammlung 1989 des Bayerischen Notar-vereins am 14.10.1989 in Ludwigshafen gehalten hat. Der Vortragsstil wurde im wesentlichen in der abgedruckten Fassung beibehalten.

MittBayNot 1990 Heft 1

Page 2: des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der

I. Einleitung

„Die Vollendung des großen einheitlichen Marktes von 320 Millionen Einwohnern setzt voraus, daß die Mitglied-staaten der Gemeinschaft alle Arten von Schranken abschaf-fen, ihre Regeln harmonisieren, ihre Rechtsvorschriften und ihre Steuerstrukturen-angleichen, ihre Zusammenarbeit im monetären Bereich ausbauen und die erforderlichen flan-kierenden Maßnahmen treffen, um zu erreichen, daß die europäischen Unternehmen zusammenarbeiten °`

Mit diesen Sätzen des Aufbruchs umschreibt die Kommis-sion in ihrem Weißbüchl aus dem Jahre 1985 an den Euro-päischen Rat die Zielsetzung des Binnenmarktes, der schrittweise bis zum 31.12.1992 verwirklicht werden soll. Durch die zeitliche Vorgabe schafft Art. 8a EWGV den normativen Druck zur Erreichung des gesteckten Zieles, das notwendig zu tiefgreifenden Veränderungen in den Ord-nungssystemen der Mitgliedstaaten führen muß. Deren Viel-falt gerät zunehmend in Kollision zu der Zielsetzung der europäischen Verträge, die letztlich ausschließlich von dem gemeinsamen kleinsten Nenner politischen Handelns, dem wirtschaftlichen Wohlergehen, getragen sind.

Dieses Maß der europäischen Dinge mag tatsächlich das

gleichung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften", soweit dies für das ordnungsgemäße Funktionieren des gemein-samen Marktes erforderlich ist, Art. 3 h) EWGV.

Instrument zur Durchsetzung der Vertragsziele ist zunächst der EWG-Vertrag selbst, der als primäres Gemeinschafts-recht unmittelbare Geltungskraft zwischen den Mitglied-staaten und dem einzelnen Rechtssubjekt beansprucht, jedenfalls soweit dies die Fragen des Dienstleistungsver-kehrs und des Diskriminierungsverbotes betrifft.

Sekundäres Gemeinschaftsrecht in Form der Verordnung, mit unmittelbarer Geltung in jedem Mitgliedstaat, sowie der Richtlinie, mit lediglich verbindlicher Zielvorgabe, die der Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber bedarf, haben sich als die wichtigsten Regelungsinstrumente erwie-sen. Je nach Kompetenzzuweisung werden diese Rechts-akte gesetzt durch den Rat bzw. die Kommission.

Die Durchsetzbarkeit des Gemeinschaftsrechtes gewähr-leisten Art. 169 und 170 EWGV, die der Kommission und den Mitgliedstaaten das Recht einräumen, Vertragsverletzungen durch Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes fest-stellen zu lassen, mit der Folge der Verpflichtung des Mit-gliedstaates, die sich aus dem Urteil ergebenden Maßnah-men zu ergreifen.

hilfreichste Kriterium im engeren Bereich des Wirtschafts- lebens sein, erscheint jedoch als äußerst problematisches Wegen der unmittelbaren Geltung des Gemeinschaftsrech- Element im Rahmen der Beurteilung der Effizienz der natio- tes ist der Europäische Gerichtshof allein zuständig für die

nalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, aus deren Auslegung des Vertrages und des sekundären Gemein-Normengefüge ohne Schaden nicht wahllos — d.h. soweit schaftsrechtes. Kommt es hierauf in einem Rechtsstreit an, die Aufgabenstellung des EWG-Vertrages dies verlangt und hat das letztinstanzliche Gericht gemäß Art. 177 EWGV die

ermöglicht — Ordnungsprinzipien herausgebrochen werden Pflicht zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof, der da-

können, mit funktional in die deutsche Gerichtsbarkeit eingegliedert ist. Mit dem sogenannten „Solange Il"-Beschluß vom Okto-

Dennoch kann eine Standortbestimmung des Notarberufes, ber 19863 hat das Bundesverfassungsgericht den Europäi- als eine der in den Mitgliedstaaten am unterschiedlichsten schen Gerichtshof als gesetzlichen Richter im Sinne des ausgestalteten Tätigkeiten überhaupt, nur von der merkanti- Grundgesetzes anerkannt und die Ausübung seiner Ge- len Zielsetzung der Gemeinschaft auch im Bereich der Aus- richtsbarkeit bei einem - behaupteten Grundrechtsverstoß legung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften ausgehen; durch EG-Normen versagt; dies gilt jedenfalls solange, wie dies folgt aus dem völkerrechtlichen Grundsatz des „effet die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes einen utile`, wonach internationale Verträge in ihrer Anwendung wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheits- stets weit auszulegen sind? gewalt der Gemeinschaften generell gewährleistet.

Nach einem Überblick über einige für unsere Fragestellung wesentliche Grundzüge des EG-Rechtes und einer Aufberei-tung der Tätigkeit des deutschen Notars aus der Sicht des Europäischen Rechtes soll zunächst das Berufsrecht, näm-lich die Niederlassungsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit, erörtert werden. Dem schließt sich an der Blick auf das Sachrecht und dessen mögliche Veränderung, also die Harmonisierung von Rechtsvorschriften, um so die Grund-lage für eine Betrachtung der künftigen Perspektiven des deutschen Notariates zu gewinnen.

II. Grundzüge des EG-Rechtes im Überblick

Die eingangs angesprochene Zielsetzung der Europäischen Gemeinschaften manifestiert sich für den Notarberuf in der Beseitigung der Hindernisse für den freien Dienstleistungs-verkehr, Art. 3 c) EWGV, dem Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit, Art. 7 EWGV, und der „An-

Art. 12 des Grundgesetzes und sein Schutzgut Berufswahl oder Berufsausübung ist damit nicht nur der deutschen Ge-richtsbarkeit entzogen, sondern spielt auch in der Termino-logie des Gemeinschaftsrechtes keine Rolle: Das primäre EG-Recht kennt nur den Begriff der ,Tätigkeit" nicht den des „Berufes"4. Die Funktion, nicht ein in den Mitgliedstaaten unterschiedlich geprägtes Berufsbild ist Maßstab für die Beurteilung durch das EG-Recht. Aus diesem Blickwinkel interessiert die nationalgesetzliche Ausgestaltung eines Berufsbildes, seine Regulierung, nur insoweit, als sie durch die tatsächlich wahrgenommene Tätigkeit getragen wird.

III. Zur Funktion des Notars in der deutschen Rechtsordnung

1. Das formalrechtliche Argument -

Der deutsche Notar übt nach nationalem Verständnis eine Tätigkeit aus, die funktionell zum öffentlichen Dienst ge-hört, da die Beurkundung von Rechtsvorgängen als originäre

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vollendung des 3 BVerfG, NJW 1987 S. 577 ff.

Binnenmarktes, Weißbuch der Kommission an den Europäischen 4 Fischer, Die Rechtsstellung des deutschen Notars im Recht der Rat, Juni 1985 S. 4 Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, DNotZ 1989 S. 468, Blumenwitz, Rechtsprobleme im Zusammenhang mit der An- 481 ff. und Schweitzer, Die Rolle der Notare und der Notariats- gleichung von Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Nieder- kammern in der EG, Österreichische Notariatszeitung 1989 S. 170, lassungsrechtes der freien Berufe, NJW 1989 S. 621, 623 173

2 MittBayNot 1990 Heft 1

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Staatsaufgabe Teil der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist. Sowohl die Beurkundung als auch die Beglaubigung sind wegen der ihnen eigenen besonderen Rechtswirkungen Ausübung staatlicher Aufgaben, die von Behörden, vor allem von der Gerichtsbarkeit, übernommen werden müßten, wenn sie nicht den Notaren zugewiesen wären. Der Begriff des „öffentlichen Amtes" in § 1 BNotO und die Verleihung der ,,Urkundsgewalt" als Ausfluß staatlicher Souveränität, manifestiert diese Sicht6.

aas materiellrechtliche Argument

Das formale Argument der Delegation staatlicher Funktio-nen auf den Notar erfaßt allerdings die Eigenart der nota-riellen Tätigkeit nur unvollkommen. Sie wird erst deutlich im Blick auf das materielle Recht, mit seinen aus Gründen einer Vielzahl von Formzwecken verankerten Formgeboten, die in ihrer qualifizierten Ausprägung der öffentlichen Be-glaubigung und Beurkundung die Funktion notarieller Tätig- keit bestimmen. -

Die Ordnungsfunktion der Form hat — unabhängig von der normativen Ausgestaltung der Formzwecke im Einzelfall — einerseits Bedeutung für das öffentliche Interesse, also die Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit, und andererseits für die privaten Interessen der Teilnehmer des Rechtsgeschäftes7. Neben der subjektiven Zielrichtung der Formfunktion ist der objektive Formzweck der zur notariellen Beurkundung anhal-tenden Form immanent, da gerade diese stärkste der gesetz-lich zur Verfügung stehenden Formen von ihrer Zweckset-zung her nur als Teil und zugleich als innere Schranke der Privatautonomie verstanden werden kann.

Die objektive Zielrichtung der Form mag das im bürgerlichen Recht bestehende Spannungsverhältnis zwischen Privat-autonomie und dem Schutz des Einzelnen vor Übervortei-lung erhellen. Bei Geschäften des täglichen Lebens ist der Schutzgedanke durch massive gesetzliche Eingriffe in die Privatautonomie zu Lasten der Entschlußfreiheit verwirk-licht, etwa durch das Gesetz zum Schutz vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Mietrechtsgesetzgebung oder die Regelung der Abzahlungs- und Haustürgeschäfte. Hin-gegen wird im Bereich der durch Formvorschriften gekenn-zeichneten Materien nur zur Einhaltung der Form genötigt, ohne daß die Abschlußfreiheit und die inhaltliche Offenheit des Rechtsgeschäftes tangiert werden. Die Form schränkt daher die privatautonome Selbstbestimmung nicht ein son-dern verhilft ihr zur ausschließlich vom Willen der Vertrags-partner getragenen Verwirklichung.

Im Recht der Kapitalgesellschaften gilt dies in besonderem Maße, soweit die Verfassung der juristischen Person und damit die Rechte und Pflichten der Gesellschafter betroffen sind oder soweit es gilt, grundlegende mehrheitsabhängige Entscheidungen, die durch Einhaltung formaler Verfahren legitimiert werden, zu dokumentieren, wobei die Beweis-funktion der Form zusätzliche Bedeutung erlangt.

Die öffentliche Beglaubigung dient, soweit sie Eintragungs-voraussetzung für das Grundbuch oder sonstige öffentliche Register ist, der staatlichen Kontrolle des Rechtsverkehrs; sonstige subjektive Formzwecke, wie etwa das Verkehrs-interesse oder das Parteiinteresse, treten hinter diesen übergeordneten Formzwecken zurück.

BVerfGE 64 S. 371, 374

6 Blumenwitz, Zum Kollisionsrecht der notariellen Urkunde, DNotZ 1968 S. 712, 713

hierzu ausführlich Häsemeyer, Die gesetzliche Form der Rechts-geschäfte, 1971 S. 166 ff.

Notarielle Tätigkeit in ihrer Bezogenheit auf die objektive Zielrichtung der Formfunktionen erweist sich damit auch ihrem Inhalt nach als Verwirklichung hoheitlicher Gewalt.

3. Die bestimmenden Funktionsmerkmale

Die funktionelle Zuordnung des Notars zur freiwilligen Ge-richtsbarkeit bedingt seine Unabhängigkeit gegenüber Staat und Rechtsuchenden. In seiner Amtsführung ist der Notar bei freier rechtlicher Entscheidung allein den Gesetzen un-terworfen. Die materiellrechtliche Funktion des Notars, dem die, widerstreitenden Interessen der Urkundsbeteiligten anvertraut sind, hat die Pflicht der unparteiischen Wahr- nehmung des Amtes zur Folgen. -

Das gilt auch und insbesondere für die „sonstige Betreuung der Beteiligten auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechts-pflege`, also die Beratungstätigkeit im Sinne des § 24 BNotO, bei der der Notar ebenfalls nicht von den seine Tätigkeit bestimmenden Funktionsmerkmalen gern. § 14 Abs. 1 Satz 2 BNotO entbunden ist. Diese Einschränkung der notariellen Betreuungstätigkeit, ihre Verpflichtung auf Unabhängigkeit und Unparteilichkeit ist einunverzichtbares Sachgebot, da doch jede Beratungs- oder Entwurfstätigkeit letztlich zur Herstellung einer. öffentlichen Urkunde führen kann, die von dem im Vorfeld erteilten notariellen Rat getra-gen sein muß. Die ältere Literatur hat dies treffend mit dem Begriff der „Einheit :des Verfahrens"9 gekennzeichnet.

IV. Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit

1. Zur Rechtsnatur der Art. 52 ff. EWGV

Mit der Feststellung, daß notarielle Tätigkeit nicht nur orga-nisatorisch sondern insbesondere aufgrund ihres Tätigkeits-feldes im Rahmen der deutschen Privatrechtsordnung funk-tionell hoheitlich ausgestaltet ist, stellt sich die Frage nach dem Anwendungsausschluß der EG-Vorschriften über die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 55 EWGV, also einem Ausblenden von zentralen Normen des EWG-Vertrages.

Die Rechtsqualität der Vorschriften zur Niederlassungs-und Dienstleistungsfreiheit wurde zunächst als Ausprägung des Diskriminierungsverbotes, Art. 7 EWGV, verstanden, als Gleichheitsverbürgung des ausländischen Marktteilneh-mers mit dem Inländer10. Objektive Zulassungsbeschrän-kungen, wie etwa § 4 BNotO, gelten nach diesem Verständ-nis auch für den EG-Ausländer und sind nur im Rahmen der Richtlinienkompetenz des Art. 57 Abs. 2 EWGV in einem,der Einstimmigkeit unterliegenden Verfahren zu überwinden. Der EuGH hat sich in dem Urteil „van Binsbergen"11 aus dem Jahre 1974 dieser Meinung angeschlossen und judi-ziert, daß besondere berufsrechtliche Anforderungen nicht als mit den Art. 52 ff. EWGV unvereinbar anzusehen sind, die sich aus der Anwendung von durch das Allgemein-interesse gerechtfertigten Berufsregelungen ergeben.

In der jüngeren Literatur12"wird allerdings zunehmend ver-treten, die Dienstleistungsvorschriften seien ihrer Rechts-natur nach absolute Grundrechte, so daß nach dem Grund-

8 BVerfGE, a. a. 0. Fn. 5 S. 375

Blumenwitz, a. a. 0. Fn. 6 S. 720

t0 Grabitz/Randeshofer, Kommentar zum EWG-Vertrag, 1988 Art. 57 passim

11. EuGH, Urteil vom 3.12.1974, RS 33/74 = NJW 1975 S. 1095 12 Blumenwitz, a. a. 0. Fn. 2 S. 622

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satz ,,in dubio pro libertate" inländische Zulassungsbe-schränkungen nur greifen, soweit sie durch den Ausnahme-tatbestand des Art. 55 EWGV gerechtfertigt sind.

Der EuGH scheint sich dieser Meinung zuzuwenden, etwa in der 1984 entschiedenen Rechtssache „Klopp"13, wo die Ver- sagung der Anwaltszulassung gegenüber dem EG-Aus-länder unter Berufung auf das für Inländer geltende Zweig- stellenverbot als gemeinschaftswidrig erkannt wurde. Es läßt sich daher wohl nicht argumentieren, daß die in der Bundesnotarordnung vorgesehene Bedürfnisprüfung als Ausprägung der staatlichen Hoheitsgewalt quasi außerhalb des Regelungskreises des Art. 55 EWGV liege und es schon deshalb überhaupt nicht auf eine Prüfung des im EWG- Vertrag selbst geregelten Ausnahmetatbestandes der Aus-übung öffentlicher Gewalt als Rechtfertigung für die Ein-schränkung der Dienstleistungsfreiheit ankomme14.

Dennoch kann die Fragestellung nicht allein auf die Proble-matik des Art. 55 EWGV verengt werden, wie folgende Fall-gestaltungen zeigen mögen:

- Kann der ausländische EG-Bürger sich im Inland nieder-lassen oder Dienstleistungen erbringen als deutscher Notar oder als Notar nach seiner eigenen Rechtsord-nung?

— Kann der deutsche.Notar sich im EG-Ausland niederlas-sen oder Dienstleistungen erbringen als Notar nach der Rechtsordnung des EG-Auslandes oder als Notar nach seiner eigenen Rechtsordnung?

Das Tätigwerden des Ausländers als deutscher Notar richtet sich zweifellos nach der Anwendbarkeit des Art. 55 EWGV; leistet er jedoch Dienste als ausländischer Notar im Inland nach seiner ausländischen Berufsordnung, so ist fraglich, ob der Schutzbereich des Art. 55 EWGV überhaupt tangiert sein kann. Schließlich ist die Dienstleistung des deutschen Notars im Ausland — aus inländischer Sicht — keine Frage von Art. 55 EWGV, sondern der umgekehrten Diskriminie- rung (discrimination ä rebours)15 durch die betreffende inländische Berufsordnung.

2. Der Regelungsbereich von Art. 55 EWGV

Der Vorbehalt von Art. 55 EWGV wird eröffnet, wenn die frag-liche Tätigkeit — nicht der in einer Berufsordnung definierte Beruf — mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden ist. Daß die notarielle Amtshandlung eine wirtschaftliche Tätigkeit und damit eine Dienstleistung im Sinne des Art. 60 EWGV ist, bedarf nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „Kommission gegen Königreich der Nieder-lande"16 aus 1987 keiner weiteren Prüfung.

Die Auslegung des Begriffes „öffentliche Gewalt" allein aus der Sicht der jeweiligen nationalen Rechtsordnung hat der EuGH verworfen, um eine gemeinschaftswidrige Einschrän-kung der Vertragsfreiheiten zu verhindern17. Damit ist die

13 EuGH, Urteil vom 12.7.1984, RS 107/83 = NJW 1985 S. 1275

14 So aber die Antwort des Vizepräsidenten der EG-Kommission Bangemann auf eine Anfrage an die Kommission, betreffend § 4 BNotO vom 19.5.1989, Amtsblatt der Europäischen Gemein-schaften vom 23.10.1989 Nr. C 270/29

15 Weis, Inländerdiskriminierung zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Verfassungsrecht, NJW 1983 S. 2721, 2722; Blumenwitz, a. a. O. Fn. 2 S. 625

16 EuGH,. Urteil vom 26.3.1987, RS 235/85

17 Zu den Auslegungsschritten ausführlich Kranz, Die Ausübung öffentlicher Gewalt durch Private nach dem Europäischen Gemeinschaftsrecht: Ein Beitrag zur Auslegung von Art. 55 Abs. 1 EWG-Vertrag, 1984, S. 156 ff.

jeweilige nationale Sicht des Begriffes der „öffentlichen Gewalt" jedoch nicht völlig aus dem Interpretationsvorgang ausgeschieden. Vielmehr wird unter Beachtung der Unter-schiedlichen Begriffswelt der nationalen Rechtsordnungen deren spezifische Ausprägung der „öffentlichen Gewalt" in einem ersten Auslegungsschritt geprüft und in diesem Rah-men gefragt, ob die nationale Einordnung der Tätigkeit als unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Hoheitsge-walt anerkannt werden kann. Dies wurde etwa im „Frontis-tiria-Urteil"78 aus dem Jahre 1988.verneint, da die Gründung von Privatschulen in Griechenland trotz einer entgegenste-henden Bestimmung in der griechischen Verfassung ihrer Funktion nach eine private Tätigkeit sei, und den Ausschluß eines zentralen Bereiches des EWG•Vertrags damit nicht rechtfertige, zumal sie der staatlichen Kontrolle obliege.

Aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht ist Art. 55 EWGV eine nationale Vorbehaltsklausel, die nur soweit reichen kann, als dies nicht die Ziele des Vertrages gefährdet, da sich die Mitgliedstaaten mit Vertragsabschluß eines Teiles ihrer Souveränität begeben haben. Die wettbewerbsöffnende Funktion der Bestimmungen des Dienstleistungsrechtes kann daher nur dort begrenzt werden, wo der hoheitliche

Charakter der Tätigkeit der Eröffnung privaten Wettbewerbs entgegensteht.

In dem grundlegenden „Reyners-Urteil"19 hat der EuGH. 1974 der anwaltlichen Tätigkeit folglich den Schutz des Art. 55 EWGV versagt, trotz der gesetzlich vorgeschriebenen Vertretung der Mandanten vor Gericht: diese schließe die freie richterliche Beurteilung und Entscheidung nicht aus, habe also letztlich nur beratende und daher keine hoheit-liche Funktion.

Mit der Unterscheidung zwischen der vorbereitenden und interessenorientierten Tätigkeit des Anwaltes und der Aus-übung unabhängiger Entscheidungsfunktionen durch den Richter ist ein wesentliches Argument aufbereitet, für die Einordnung der Tätigkeit des deutschen Notars in das Web-muster eines gemeinschaftsrechtlich verstandenen Begriffs der öffentlichen Gewalt: Er ist gekennzeichnet durch Vor-gabe eines mit besonderer Rechtsqualität ausgestalteten Verfahrens und der Rechtsverbindlichkeit hinsichtlich des durch dieses Verfahren gewonnenen Ergebnisses. Das durch Unparteilichkeit der Urkundsperson gekennzeichnete Beurkundungsverfahren ist getragen durch Aufklärungs-pflicht betreffend den Sachverhalt, Belehrungspflicht betref-fend die rechtliche Tragweite der Erklärungen und Verfah-rensleitung; auf die Inanspruchnahme des Verfahrens be-steht wie in der streitigen Gerichtsbarkeit ein Rechts-anspruch. Das gewonnene Arbeitsergebnis hat besondere Beweiskraft, ist Vollstreckungstitel gleich dem richterlichen Urteil und Voraussetzung für die materielle Rechtswirksam-keit im Bereich der dem Formzwang unterworfenen Rechts-geschäfte. Zudem ist das Verfahren nicht nur aus sich her-aus, sondern auch in seinem inhaltlichen Bezug auf die Ver-wirklichung der objektivrechtlichen staatlichen Formziele hoheitlich und somit der Eröffnung des privaten Wettbewer-bes nicht zugänglich.

Nichts anderes kann hinsichtlich des Kriteriums der öffent-lichen Gewalt gelten, soweit der Notar Beglaubigungen vor-nimmt oder Urkunden herstellt, die auch als Privaturkunden rechtswirksam wären. Die gemäß § 14 BNotO zu beobach-

18 EuGH, Urteil vom 15.3.1988, RS 147/86

79 EuGH, Urteil vom 21.6.1974 = NJW 1975 S. 513 ff.

4 MittBayNot 1990 Heft 1

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tenden Amtspflichten und die Beweisfunktion werden hier-durch nicht berührt. Die Einschränkung der Belehrungs- und Prüfungspflicht bei der Beglaubigung von -Unterschriften ändert diesen Befund nicht. Sie ist Ausdruck einer sachlich gebotenen anderen Aufgabenstellung als im Beurkundungs-verfahren, die nur die inhaltliche Verantwortung für den Urkundstext aufhebt, nicht aber die hoheitliche Verantwor-tung für das Verfahren.

Um das starre Regel-Ausnahmeschema des Artikel 55 EWGV zu durchbrechen, hat der EuGH2O im Rahmen seiner funktio-nellen Betrachtung der Berufsbilder einzelne abtrennbare Tätigkeiten aus dem Schutzvorbehalt herausgenommen, jedoch nur soweit ihnen Eigenständigkeit zukommen kann. In der Literatur21 ist angesichts dieser Rechtsprechung ver-einzelt behauptet worden, die Beratungstätigkeit im Sinne des § 24 BNotO sei in diesem Sinne abtrennbar, weil inso-weit eine Konkurrenz zu der Beratung durch andere rechts-besorgende Berufe bestehe. Diese Auffassung verkennt völlig die besondere Rechtsqualität notarieller Beratung im Hinblick auf die im gesamten Tätigkeitsfeld bestehenden Amtspflichten, sowie das bereits skizzierte Argument der „Einheit des Verfahrens"

3. Tätigkeit des ausländischen Notars nach der ausländi-schen Rechtsordnung im Inland

Ob der ausländische Notar unter Berufung auf die Dienst-leistungsfreiheit im Inland nach seiner eigenen Berufsord-nung etwa als „notaire" oder „notary public" tätig werden darf, ist ebenfalls noch nicht höchstrichterlich geklärt.

Art. 55 EWGV ist durch diese Fragestellung nur insoweit berührt, als durch die verwendete Berufsbezeichnung der Anschein der Funktionsgleichheit mit dem inländischen Notar erweckt wird, der Rechtsuchende also nicht deutlich zu erkennen vermag, daß sich die Tätigkeit etwa des „notaire" ausschließlich auf die Rechtsbesorgung betreffend das französische Recht bezieht. Im letzteren Fall ist dem franzö-sischen Kollegen — bei Vorliegen der gesetzlich geforderten Zuverlässigkeit — die Erlaubnis zur Rechtsberatung auf dem Gebiet seines Heimatrechtes und dem Recht der euro-päischen Gemeinschaften gem. § 1 Abs. 1 Ziffer 5 des Rechtsberatungsgesetzes zu erteilen. Sofern er darüber hin-aus in seiner Eigenschaft als französischer „notaire" eine öffentliche Urkunde, den „acte authentique" errichten will, also in amtlicher Funktion tätig wird, ist dies nicht mehr von seiner Urkundsgewalt getragen, die nur soweit reicht als die Souveränität des Staates, in dem er zugelassen ist. Da die Urkundsgewalt aus dem völkerrechtlichen Souveränitäts-grundsatz hergeleitet wird22 — genauso wie etwa die Ge-richtsgewalt — ist sie von der Regelungsmaterie des Dienst-leistungsrechts des EWG-Vertrages nicht erfaßt, eine ,Beru-fung auf EG-Recht damit ausgeschlossen.

Ob die Errichtung einer Privaturkunde, die sicher nicht unter den Vorbehalt des Art. 55 EWGV subsumiert werden kann, mit einer Analogie zum Argument der Urkundsgewalt als völ-kerrechtlich unzulässig anzusehen ist, erscheint hingegen zweifelhaft. Begründet werden könnte dies allenfalls mit dem Hinweis auf die besondere Rechtsqualität des Verfah-rens aufgrund der Amtseigenschaft der Urkundsperson.

20 EuGH, a. a. O. Fn. 19 S. 515

21 Schweitzer, a. a. O. Fn. 4 S. 173; dagegen Fischer, a. a. O, Fn. 4 S. 500

22 vgl. Fn. 6

Bedeutung hat der Fragenkomplex bei der Anwendung von Art. 11 EGBGB, etwa wenn hinsichtlich eines beurkun-dungspflichtigen inländischen. Rechtsvorganges als Ge-schäftsrecht nach Art. 27 EGBGB in zulässiger Weise aus-ländisches Recht gewählt wird und die Urkunde dann nach dem gewählten ausländischen Recht als Privaturkunde im Inland vor dem ausländischen Notar abgeschlossen wird; dies ist zulässig. Jedoch scheitert der Abschluß derselben Privaturkunde durch den ausländischen Notar im Inland ohne Wahl des ausländischen Rechtes als Geschäftsrecht an der nicht eingehaltenen Ortsform, Art. 11 EGBGB. Glei-ches gilt, soweit das Geschäftsrecht nicht frei wählbar ist, etwa im Immobiliarsachenrecht gem. Art. 11 Abs. 4 EGBGB. Hierin könnte eine Diskriminierung der Dienstleistung des ausländischen Notars durch deutsches Sachrecht erblickt werden, dessen Arbeitsprodukt insoweit im Inland keine Anerkennung findet.

Zwar schließt Art. 55 EWGV die Errichtung von Privaturkun-den durch den ausländischen Notar im Inland wohl nicht aus, jedoch steht die „ordre public`, Art. 56 EWGV, der Aner-kennung mehrerer Ortsrechte im Inland entgegen, so daß die Urkunde im Inland keine Rechtswirksamkeit erlangt. Die Einheitlichkeit des Ortsrechtes wird im übrigen auch von Art. 9 Abs. 1 des EG-Schuldvertragsübereinkommens aus dem Jahr 1980 anerkannt.

Nur,am Rande erwähnt sei die Problematik der Anerkennung der durch den ausländischen Notar im Ausland nach seinem Ortsrecht hergestellten Urkunde mit Inlandsbezug. Hierbei geht es um die für das Gesellschaftsrecht noch offene Frage, ob nach Art. 11 EGBGB — neue Fassung — auf das Ortsrecht abgestellt werden kann oder das Geschäftsrecht des Gesellschäftssitzes die Form bestimmt23. Im letzteren Fall soll nach der Rechtsprechung des BGH die Geschäfts-form bei Gleichwertigkeit der Urkundsperson und des Ver-fahrens gewahrt sein.

4. Umgekehrte Diskriminierung

Der umgekehrte Fall der Tätigkeit des deutschen Notars außerhalb seines Amtssitzes im Bereich des ausländischen Geschäftsrechtes ist europarechtlich ebenso anhand der „ordre public`, bzw. Art. 55 EWGV, aus der Sicht des jewei-ligen EG-Auslandes zu beurteilen, hängt -also von der Aus-gestaltung der Formvorschriften des jeweiligen Landes ab.

Die Erbringung einer Dienstleistung des deutschen Notars im EG-Ausland hat aber auch den inländischen Aspekt der. Überschreitung der dem Notar verliehenen Urkundsgewalt. Ohne Zweifel ist die Beurkundung dem deutschen-Notar im Ausland untersagt, umstritten ist die Möglichkeit der Auf-spaltung der Tätigkeit in einen amtlichen und nicht-amt-lichen Teil24 — etwa Wahrnehmung der Versammlung im Ausland und Protokollierung im Inland — und bisher meines Wissens nicht erörtert der Fall der Beratung ohne direkten Urkundsbezug. Sofern die inländische Rechtsordnung inso-weit gemeinschaftswidrige Grenzen setzt, diskriminiert sie den Inländer bei einer auslandsbezogenen Tätigkeit, so daß dieser sich auf die Vertragsfreiheiten berufen kann. Das Ver-ständnis der Urkundsgewalt als Teil der „ordre public" läßt eine Verfahrensaufspaltung nicht zu, verweigert dem Inlän-der daher auch etwa bei der Einholung einer Unterschrift im Ausland und anschließender Beglaubigung im Inland den Schutz durch das Dienstleistungsrecht. Nichts anderes

23 Palandt/Heldrich, 49. Aufl. 1990, Art. 11 EGBGB Anm. 2 d), m. w. N. 24 Blumenwitz, a. a. Q. Fn. 6 S. 720

MittBayNot 1990 Heft 1 5

Page 6: des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der

kann für die Beratungstätigkeit gelten, da sie funktionell nur als Notar wahrgenommen werden kann, dem Argument der Verfahrenseinheit gehorchend.

V. Harmonisierung von Rechtsvorschriften

1. Grundlagen der Angleichung

Mit der Feststellung, daß das Berufszulassungs- und das Be-rufsausübungsrecht des deutschen Notars aufgrund der ho-heitlichen Ausprägung insgesamt dem Zugriff des unmittel-bar geltenden primären EG-Rechtes entzogen ist, wird frei-lich nur ein Aspekt der notariellen Standortbestimmung er-faßt. Tiefgreifende Veränderungen sind durch das Bemühen um Rechtsvereinheitlichung zu erwarten. Tempo und Um-fang werden dabei nur zum kleineren Teil durch das vorhan-dene gesetzliche Instrumentarium bestimmt, sind vielmehr abhängig vom politischen Willen der Gemeinschaft. Das Maß der Integration wird nur scheinbar von den Verwaltun-gen der EG vorgegeben, der Einfluß der nationalen Politik im Rahmen des Normsetzungsverfahrens gerne unterschätzt. Die bisherige Praxis und die im eingangs zitierten Weißbuch vorgesehenen Arbeitsbereiche zeigen ein segmentierendes Vorgehen der europäischen Verwaltung, die ergebnisbezo-gen dort eingreift, wo ein möglichst hoher Gemeinschafts-effekt erreichbar ist.

2. Angleichungskompetenzen im EWGV

Das zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschrif-ten mit Art. 100 EWGV zur Verfügung gestellte schwerfällige Verfahren der einstimmigen Beschlußfassung wurde im Hin-blick auf die zeitliche Vorgabe des gemeinsamen Marktes durch Art. 100a EWGV flexibler gestaltet und durch einen Auftrag an die Kommission zur Erfassung aller 1992 noch nicht angeglichenen Rechts- und Verwaltungsvorschriften ergänzt25, um dem Rat hierzu eine zeitnahe Beschlußfas-sung zu ermöglichen.

Diese als Generalklauseln gefaßten Bestimmungen werden verdrängt, soweit eine speziellere Norm des Vertrages ein Angleichungsverfahren regelt. Im Dienstleistungsbereich sind Normsetzungskompetenzen betreffend die Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten in Art. 57 Abs. 2 EWGV und zu dem „ordre public" Bereich in Art. 56 Abs. 2 EWGV vorhanden. Da beide Ermächtigungen Einstimmigkeit voraussetzen, bei Art. 57 Abs. 2 EWGV allerdings nur in dem wichtigen Bereich der Ausbildung und der Zugangs-bedingungen zu einem Beruf, ist eine Harmonisierung der Berufsordnungen in absehbarer Zeit wohl nicht zu erwarten.

3. Schaffung von parallelem EG-Recht

Eine dynamischere Entwicklung nimmt die Schaffung von sekundärem EG-Recht aufgrund der Ermächtigung in Art. 54 beziehungsweise 220 EWGV. Hierbei geht es einmal darum, vereinheitlichtes EG-Recht in die nationalen Rechtsordnun-gen zu inkorporieren — wie etwa bei dem Bilanzrichtlinien-gesetz geschehen — aber auch darum, neue Rechtsinstitute zur Verfügung zu stellen, die parallel zu den einzelnen Rechtsordnungen und neben deren nationale Gestaltungen treten. Erstes Beispiel hierfür ist die Europäische Wirt-schaftliche Interessenvereinigung. Weitere gesellschafts-rechtliche Maßnahmen sind zu erwarten bzw. in Vorberei-tung, etwa betreffend die Aktiengesellschaft oder die Ein-mann-GmbH.

25 Art. 100 b EWGV

Im Immobilienbereich besteht eine besondere Kompetenz aufgrund des Art. 54 Abs. 3e) EWGV betreffend die Ermög-lichung des Erwerbs und der Nutzung von Grundbesitz im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten durch EG-Ausländer; derzeit liegt ein Richtlinienentwurf für eine „Eurohypothek" vor26, die künftig als auf europäischer Ebene einheitliches Finanzierungsinstrument Bedeutung erlangen könnte.

VI. Perspektiven des deutschen Notariates im gemein-samen Markt

1. ' Grundlagen

Die von der Gemeinschaft in Gang gebrachten Veränderun- gen des Sachrechtes entscheiden künftig mit über die Auf-gabenfelder des deutschen Notars und damit über die Per- spektiven dieses Berufsstandes im gemeinsamen Markt. Die möglichen Veränderungen des Beruftzulassungs- und Berufsausübungsrechtes durch eine den deutschen Notar nicht in die öffentliche Gewalt einbeziehende Rechtspre- chung des EuGH erscheinen mir demgegenüber von unter-geordneter Bedeutung, soweit sie lediglich die personelle, nicht aber die funktionelle Struktur des Berufes betrifft27.

Essentielles Merkmal der funktionellen Struktur ist die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, deren Sicherung die gegenwärtige gesetzliche Regelung des Berufsausübungs-rechtes dient. Dieses ändert sich grundlegend bei Einbezie-hung des deutschen Notariates in interprofessionelle Sozie-täten gleich welcher Größe, da der Notar nicht mehr in der Lage sein wird, das von seinem Steuerberatersozius müh-sam ausgearbeitete Konzept mit der ihm gebotenen, Distanz zu überprüfen und den rechtsuchenden Vertragspartner gegen das Mandat der eigenen Sozietät zu belehren oder auf eine objektiv gebotene andere Vertragsgestaltung hinzuwir- ken. In der berufsübergreifenden Sozietät geht damit die Einzigartigkeit der notariellen Leistungserbringung verloren.

Mit dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts28 vom Juli dieses Jahres, nach dem es dem Anwaltsnotar künftig gestattet ist, sich mit einem Nur-Steuerberater zu assozi-ieren, ist — aus nachvollziehbaren verfassungsrechtlichen Gründen — der Schritt in die falsche Richtung getan; jedoch ist diese Judikatur versehen mit dem ausdrücklichen Be-kenntnis des Gerichtes, daß die Entscheidung nicht be-deute, „daß der Gesetzgeber gehindert wäre, Anwaltsnota-ren die Sozietät mit Angehörigen anderer freier Berufe, sogar mit dem des Rechtsanwalts, vollständig zu verbieten". Sofern der Gesetzgeber von der eingeräumten Möglichkeit des Verbots zumindest der interprofessionellen Sozietät keinen Gebrauch macht, werden die bisher noch vorhande-nen gemeinsamen Berufsgrundlagen des Anwaltsnotariates und des Nur-Notariates zerstört, die schon bestehenden Unterschiede in der Beurkundungspraxis zwischen den beiden Ausformungen des Notariates vertieft und damit für den Rechtsuchenden vor der Beurkundung die Frage nach der wirtschaftlichen Verflechtung des Notars eine conditio

26 vgl. hierzu Wehrens, Der Schweitzer Schuldbrief und die deutsche Briefgrundschuld. Ein Rechtsvergleich als Basis für eine künftige Eurohypothek, Österreichische Notariatszeitung 1988 S. 181 ff.

27 Zur funktionellen Struktur gehören insbesondere die in § 1 u. 4 BNotO enthaltenen Regelungsbereiche; zur personellen Struktur die Materie des § 5 BNotO

28 BVerfG, Beschluß vom 4.7.1989, DNotZ 1989 S. 627 ff. (allerdings nur auszugsweise unter Weglassung wichtiger Begründungs-teile)

6 MittBayNot 1990 Heft 1

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sine qua non der Vertragsunterzeichnung ohne Prüfung durch einen eigenen Rechtsberater; dies alles innerhalb eines Staates im engsten räumlichen Miteinander!

Neben der aus dem Dualismus der Notariatssysteme gebo-renen inländischen Problemlage sind Parameter für die künf- tige Entwicklung die große- Divergenz der Aufgabenfelder und des ,notariellen Berufsverständnisses innerhalb des lateinischen Notariates, aber auch das Aufeinanderprallen zweier grundlegend unterschiedlicher Rechtssysteme inner-halb der EG, von denen eines — das angelsächsische — kein Notariat im Sinne des kontinentaleuropäischen Rech-tes kennt.

Hinzu kommt das national und international entstandene Streben nach Deregulierung, also dem Abbau marktwidriger Regulierungen, vor allem betreffend Marktzutrittsbeschrän-kungen und staatliche Preisreglementierung. Die Bundes-regierung29 hat diesem Trend durch Einsetzung einer „De- regulierungskommission" Rechnung getragen, die offenbar eine Vergewerblichung der freien Berufe für international unumgänglich und national wünschenswert erachtet. Die Faszination des Begriffes der „Deregulierung" auf euro-päischer Ebene scheint allerdings weniger begründet durch die Deregulierungsergebnisse, als durch das dadurch eröff-nete Verfahren einer möglichst einfachen Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften. Beispiel hierfür ist die aufgrund der Ermächtigung des Art. 57 Abs. 1 EWGV zu Beginn dieses Jahres erlassene Richtlinie über eine allge-meine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome30.

Sie sieht für rechtsbezogene Berufe zwar einen Anpas- sungslehrgang oder eine Eignungsprüfung vor, geht aber im übrigen von dem Postulat der Gleichwertigkeit der Ausbil- dungslehrgänge aus — also von einer Fiktion - und erwar- tet, daß bestehende Unterschiede durch Berufserfahrung ausgeglichen werden.

2. Notarielle Tätigkeit als Dienstleistung für den Markt

Nach der im Weißbuch der EG niedergelegten Vorstellung der Kommission ist die Errichtung eines „gemeinsamen Dienstleistungsmarktes" eine der Hauptvoraussetzungen für künftigen wirtschaftlichen Wohlstand. Wörtlich: „Der Handel mit Dienstleistungen ist für die Wirtschaft genauso wichtig wie der Handel mit Gütern"31 Der dieser Sicht vor-ausgesetzte gewerbliche -Dienstleistungsbegriff wird als Gegenpol zu der staatlichen Dienstleistung innerhalb der öffentlichen Verwaltung verstanden, die nicht marktbe-stimmt ist. In diesem Gegensatzpaar kann die notarielle Dienstleistung aufgrund ihrer Funktion nur dem hoheit- lichen Sektor zugerechnet werden. Die tragenden Funktions-merkmale der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit sind Begriffe, die den allgemeinen Marktmechanismen eines nachfrageorientierten Leistungsangebotes völlig entgegen-stehen. Der Notar kann daher nicht Teil des Marktes sein, sondern nur in eine dienende Funktion zu den Märkten treten. Die berufsrechtliche Regulierung stellt sich damit nicht als Instrument zur Marktumgehung, sondern zu einer funktionell begrenzten Markteröffnung für einen besonders marktempfindlichen Bereich der Rechtspflege dar.

29 Kabinettsbeschluß vom 16.12.1987, BMWi Tn. 9168/1987 S. 2

30 RL 89/48/EWG vom 21.12.1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens drei-jährige Berufsausbildung abschließen, ABI Nr. L 19 vom 24.1.1989 S. 16 ff.

31 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, a. a. 0. Fn. 1 S. 25 f.

In seiner dem Markt dienenden Funktion erbringt der deut-sche Nur-Notar eine qualifizierte Dienstleistung. Empirisch feststellen ließe sich dies am Ergebnis notarieller Tätigkeit, der Schaffung von Rechtsfrieden ohne Einschaltung-der streitigen Gerichtsbarkeit. Leider enthält die von den Lan-desjustizverwaltungen geführte bundeseinheitliche Zählkar-tenstatistik keinen Bezug zu notariellen Urkunden, so daß gegenwärtig der sicher mögliche Qualitätsbeweis stati-stisch nicht erbracht werden kann. Eine andere Zahl mag allerdings die Qualität der notariellen Tätigkeit im Bereich der Notarkasse verdeutlichen: Im vergangenen Jahr wurden der Berufshaftpflichtversicherung bei insgesamt 1.238.000 abgeschlossenen Urkunden 231 Haftpflichtansprüche ge-meldet, das sind 0,019 Prozent. Diese angesichts der immer komplizierter werdenden Rechtsverhältnisse und der stän-dig von der Rechtspechung erhöhten Haftungsanforderun-gen beeindruckende Zahl enthält nur die Regreßbehauptun-gen und erfaßt lediglich die abgeschlossenen Urkunden-nicht .aber die Vielzahl der notariellen Beratungen bzw. den Entwurf von Privaturkunden.

Die durch Spezialisierung und Berufsrecht abgesicherte notarielle Leistungsqualität wird flächendeckend erbracht, kann daher vom Rechtsuchenden auch in ländlichen Gebie-ten in Anspruch genommen werden. Nach der Schließung vieler kleinerer Amtsgerichte ist der Notar mancherorts so-gar der einzig verbliebene Jurist, sein von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit getragener Rat für die Bevölkerung die Summe der vorsorgenden Rechtspflege.

Schließlich schafft die besondere Beweiskraft notarieller Urkunden für die Beteiligten Rechtssicherheit, die sofortige Vollstreckbarkeit Rechtsdurchsetzbarkeit. Beides wird in einem grenzüberschreitenden Markt an Bedeutung gewin-nen.

3. Folgerungen

a) Formzwang als Element des Verbraucherschutzes

Der im Entstehen begriffene europäische - Rechtsbesor-gungsmarkt wird gekennzeichnet sein durch Spezialisie-rung, Verflechtung und zunehmende Gewerblichkeit. Dies kann nicht ohne Einfluß bleiben auf die Methoden zur Durch-setzung der Auftraggeberinteressen und wird daher im ver-tragsrechtlichen Bereich den Beratungsbedarf der Vertrags-partner steigern. Der wirtschaftlich schwächere oder unge-wandtere Rechtsuchende bedarf folglich eines erhöhten Schutzes, der — wie dargestellt — durch gesetzliche Ein-engung der Privatautonomie oder Formzwang verwirklicht werden kann. Da sich die komplexe Materie der Vertragsge-staltung gesetzlich nur unvollständig bzw. generalisierend, folglich individuell unangepaßt beschränkend und damit markthindernd erfassen läßt, ist der rechtsgeschäftliche Formzwang der marktgerechte Weg zur Verwirklichung eines wirksamen . Verbraucherschutzes. Dies wird deutlich bei einem Blick auf die subjektiven Zielrichtungen der Formge-bote, die auf den Schutz eines oder beider Vertragspartner oder Dritter, am Rechtsgeschäft - nicht Beteiligter, aber gleichwohl betroffener Personen abstellen. Trotz der verfolg-ten Schutzziele vermögen Formgebote in ihrer differen-zierten Ausgestaltung das die Privatautonomie störende Zwangselement flexibel zu minimieren. /hering32 sah daher in der Form lediglich die „geschworene Feindin der Willkür, die Zwillingsschwester der Freiheit" Allerdings fehlt der

32 Ihering, Geist des römischen Rechts, 2. Teil, 2 Abtl. S. 471

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Form der Bezug-zum Inhalt des Rechtsgeschäftes, also zu dessen privatautonomer Verwirklichung, die überall dort zweifelhaft wird, wo die inhaltliche Offenheit sich gegen eine oder beide Vertragspartner wendet. Hier ist in dem immer undurchschaubarer werdenden Privatrechtsverkehr, über das reine Formgebot hinaus, die sozialstaatliche Funktion des Rechtes gefordert, der bei Wahrung der Privat-autonomie nur die notarielle Form aufgrund der Warn- und Hinweisfunktion gerecht wird.

Die innerhalb der Formgebote erbrachte notarielle Tätigkeit weist alle leistungsbezogenen Merkmale des Rechtsbesor-gungsmarktes auf; sie verschließt sich dem Markt nur inso-weit, als ihre Funktion dies zwingend erfordert. Nicht uner-heblich mag für die Leistungsnachfrage die günstige Ko-stenfolge wegen der Inanspruchnahme nur eines Leistungs-erbringers sein, sowie die hohe Verfügbarkeit der notariellen Form vor allem in den ländlichen Gebieten aufgrund der bestehenden Notariatsstruktur.

Zweiter Aspekt der Bedeutung des Formzwangs für den ge-mäß Art. 100a Abs. 3 EWGV auf einem hohen Niveau zu ver-wirklichenden Verbraucherschutz ist die an die öffentliche Urkunde geknüpfte besondere Beweiskraft. In der Praxis geht es hierbei weniger um die zivilprozeßuale Bedeutung als um-den Nachweis des Bestehens grundlegender Rechts-verhältnisse, welche auf eine Vielzahl von Rechtsgeschäften ausstrahlen, wie etwa Eheverträge, Erbverträge, Scheidungs-vereinbarungen, aber auch um die nachprüfbare Wahrung von Fristen, zum Beispiel im Steuerrecht.

Die sofortige Vollstreckbarkeit notarieller Urkunden wird in einem europäischen Markt für den Verbraucher im Immobi-lienbereich und bei der Beschaffung von Finanzierungen zu-nehmende Bedeutung erlangen. Europaweit tätige Kreditin-stitute werden auf den Schutz ihrer Ausleihungen durch voll-streckbare Titel nicht verzichten wollen, wie schon die Ten-denz im inländischen Markt zeigt, in dem die Bausparkassen von der nicht sofort vollstreckbaren Beleihungsurkunde fast vollständig abgekommen sind.

Die beratungsintensive Materie des Gesellschaftsrechtes ist in der deutschen Rechtsordnung einem weitgehenden Formzwang unterworfen, jedenfalls im Recht der juristi-schen Person. Neben den Schutzfunktionen der Formgebote für die Gesellschafter dient die Formenstrenge dem Gläubi-gerschutz, etwa soweit es um den Nachweis der Inhaber-schaft des Geschäftsanteils an einer GmbH geht, im Hin-blick auf rückständige Leistungen oder die Differenzhaf-tung. Bei mehrheitsabhängigen Entscheidungen der verfaß-ten Gesellschaft entsteht das Problem der Beweisbarkeit, der die Entscheidung legitimierenden Einhaltung des Ver-fahrens. Wegen dem rechtstatsächlichen Ungleichgewicht etwa zwischen den Leitungsorganen einer Aktiengesell-schaft und dem einzelnen Aktionär kommt der präventiven Sicherung der gesetzlichen Verfahrensweise durqh die Ver-fahrenskontrolle seitens der unabhängigen Urkundsperson ein nicht zu unterschätzender Rang zu.

Es wird daher künftig darum gehen, europaweit die essen-tielle Bedeutung der Formgebote deutlich zu machen und zugunsten eines marktorientierten Verbraucherschutzes dort einzusetzen, wo die gesetzliche Regelung Schutz-zwecke nur unter dem Opfer privatautonomer Vielfalt ver-wirklichen kann. Der nationale und europäische Gesetz-geber sollte sich der Chance bewußt werden, die in der Nor-mierung der notariellen Form für einen reibungslosen und möglichst gerichtsfreien Privatrechtsverkehr liegt. Eine Er-

weiterung der Formgebote aufgrund der zunehmend länder-übergreifenden Rechtsgeschäfte sollte geprüft werden vor allem im Bereich der einseitig verpflichtenden Rechtshand-lungen und im Recht der Gesellschaften.

Der Normierung von Formgeboten bei Vorliegen von Schutz-zwecken in der parallelen EG-Gesetzgebung wird richtungs-weisende Funktion auch für die europäische Notariatsstruk- tur zukommen, die von den Mitgliedstaaten notwendig an den durch das materielle EG-Recht gestellten Anforderun-gen ausgerichtet werden muß. Das Formverständnis der europäischen Gemeinschaften dürfte somit langfristig ent-scheidend sein für das Maß der Harmonisierung der natio-nalen Notariatsordnungen und der daraus für die Markt-bürger erwachsenden Vorteile.

b) Institutionelle Absicherung der Formzwecke

Der deutsche Gesetzgeber hat die institutionelle Ausfor-mung des Notariates in hohem Maße an die zu wahrenden Formzwecke angepaßt. Die besondere Funktion des deut-schen Notars schließt daher auch in einem sich wandelnden Umfeld die Übernahme von nicht funktionsgetragenen Auf-gabenfeldern aus. Das wachsende Beratungsangebot ande-rer rechtsbesorgender Berufe verengt künftig zunehmend die notarielle Tätigkeit, wenn es nicht gelingt, die inhaltliche Verantwortung innerhalb der zugewiesenen Funktion, also dem gesamten vom Begriff der „vorsorgenden Rechts-pflege' erfaßten vertragsrechtlichen Bereich, zu erhalten. Voraussetzung hierfür ist die Stärkung der institutionellen Unabhängigkeit der Notare und deren Akzeptanz durch den Rechtsbesorgungsmarkt.

Beides ist miteinander verknüpft, da der Rechtsuchende als Nachfrager der Dienstleistung im Markt die freiwillige oder durch Formgebote erzwungene Leistungsinanspruchnahme in ihrem von den Funktionselementen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit getragenen Wesen nur zu erkennen vermag, wenn die Eigenständigkeit der Leistungen durch die Ausge-staltung der sie erbringenden Institutionen erkennbar wird. Die Funktion für den Markt muß so untrennbar mit der Insti-tution „Notar" verbunden sein, daß sich die Leistungsnach-frage ohne Umwege über sonstige Berater an den Notar rich-tet. Falls notwendig, kann die Beratungsdichte im Vorfeld der Beurkundung dann durch Kooperation, nicht aber in Abhängigkeit von anderen Berufsgruppen erreicht werden.

Die eigene Leistung sichtbar zu machen vermag der Notar nur dem Kreis der von ihm betreuten Rechtsuchenden. Die generelle Verdeutlichung des Spektrums notarieller Lei-stungsfähigkeit und Kompetenz muß von der Gesamtheit der Notare in den bestehenden oder neu zu schaffenden Organisationsstrukturen geleistet werden. Es gilt im Hin-blick auf die künftigen europäischen Anforderungen ein Gegengewicht zu schaffen zu den sich ständig vergrößern-den Sozietätsstrukturen des Rechtsberatungsmarktes. Gleichwertige Themen dieser gemeinsamen Arbeit müssen sein die innere Strukturanpassung angesichts des zu er-wartenden weiteren Auseinandertriftens notarieller Auf-gabenstellung im städtischen und ländlichen Bereich, die Fortbildung, vor allem im Hinblick auf europarechtliche Fragestellungen, der Zugriff auf spezialisiertes Wissen und besonderes know how in bestimmten Aufgabenfeldern, die Verstärkung der Kooperation mit Notariaten der anderen Mit-gliedstaaten sowie eine gezielte verbraucher- und wirt-schaftsorientierte Öffentlichkeitsarbeit. Wir sind alle her-ausgefordert!

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KurzeBeiträge

Der Notar in Osterreich

— Besprechung des von Dr. August Meyer, em.öff. Notar, verfaßten Buches „Der Notar`, Salzburg 1989 *

von Notar a.D. Dr. Josef Maidl, Berchtesgaden

Wer Notar ist, Notar werden will, sich einen Einblick in die vielfältigen Strukturen europäischer Notariatssysteme ver-schaffen möchte oder an verantwortlicher Stelle Entschei-dungen über die künftige Gestalt des Notariats in seinem Land vorbereiten oder treffen muß, wird bei einem Blick über die Grenzen im Notariatswesen anderer Staaten Bekanntes finden und Neues entdecken, was zur Bereicherung seines Wissens nützlich, wenn nicht gar notwendig ist. Über das Bayerische Notariatswesen und seine Geschichte ist in der Festschrift „125 Jahre Bayerisches Notariat" (1987) und in den Sonderheften der MittBayNot 1987 und 1989, über die Geschichte des Notariats in der Rheinpfalz in MittBayNot 1986, 53 berichtet worden.

Das Notariat in unserem Nachbarland Österreich kann man wohl kaum besser kennenlernen als aus dem Buch, das unter dem Titel „Der Notar" von August Meyer nach 41 Jahren aktiver Zugehörigkeit zum Notarstand und 33 Jah-ren Tätigkeit als Standesfunktionär verfaßt worden und im Juli 1989 erschienen ist, also zu einem Zeitpunkt, zu dem wohl niemand die großen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen voraussehen konnte, die inzwischen im osteuropäischen Raum eingetreten und noch in vollem Gange sind.

Wer mehr über den Notar erfahren oder aus den reichen Lebens- und Berufserfahrungen von August Meyer für 'sich einen Nutzen ziehen will, wird sich nicht mit meiner natur-gemäß unvollkommenen Darstellung begnügen dürfen. Dieses Buch ist für jeden, der es liest oder darin einzelne Abschnitte nachliest, eine wertvolle Bereicherung.

Schon im Untertitel dieses Buches — „Eine Bestandsauf-nahme mit historischen Bezügen" — weist der Verfasser auf seine Zielsetzung hin. Im Vorwort sagt er es dann genauer:

„In einer Zeit bevorstehender europaweiter-Veränderungen, deren Ausmaß und Auswirkungen derzeit überhaupt nicht abgesehen werden können, ist es angebracht, den derzeiti-gen Stand österreichischer Rechtskultur auf dem die Notare betreffenden Sektor festzustellen und zu dokumentieren, um für alle künftigen Entwicklungen klarzustellen, welche Werte, Errungenschaften, Vorteile und Gewohnheiten unter Umständen verloren gehen können."

Bezugsquelle: siehe VIII in diesem Heft S. 72.

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Ein Sachbuch über den Notar mit persönlicher Note, zu dem „mit Freude und väterlichem Stolz" am Schluß auch die beiden Söhne des Verfassers beigetragen haben, will es sein, kein juristisches Fachbuch. „Dem Fachmann soll es Hinweise und Anregungen geben, dem Außenstehenden aber einen allgemeinen Überblick über einen Berufsstand bieten, der im allgemeinen wenig in die Öffentlichkeit tritt, aber doch richtig gesehen und beachtet werden will:`

Wohl kaum ein anderer als Dr. August Meyer, bis 1988 Notar in St. Johann im Pongau und langjähriger Präsident der Notariatskammer Salzburg, kann dieser Aufgabe besser gewachsen sein. Die meisten bayerischen und pfälzischen Notare kennen ihn seit Jahren als Gast bei unseren Ver-anstaltungen. Teile seines umfangreichen schriftstelleri-schen Schaffens haben vor Jahren Eingang in die Deutsche Notar-Zeitschrift in einer geschichtlichen Betrachtung und Deutung der „Wurzeln notarieller Tätigkeit" (DNotZ 1980 S. 132) gefunden.

Auch wer August Meyer bisher noch nicht kannte, merkt beim Lesen schon nach wenigen Seiten, daß es sich bei ihm um einen ,Vollblutnotar" und großen Idealisten handelt.

Das Buch „Der Notar" ist in drei Hauptabschnitte unterteilt, beginnend mit „Der österreichische Notar und sein Umfeld" gefolgt von „Aufgaben und Amtsführung des Notars" und endend mit „Der Notarenstand". Ein großer Teil der Unter-abschnitte beginnt mit historischen Rückblicken. Wünsche und Verbesserungsvorschläge an den Gesetz- und Verord-nungsgeber läßt er häufig am Schluß der einzelnen Unter-abschnitte einfließen, in der Erwartung, sie mögen Gehör finden.

Im ersten Hauptabschnitt liest man mit Interesse die im Rahmen des österreichischen Beitrags für den internationa-len Notarenkongreß 1984 in Florenz erstellte Definition des Notariats, welche sprachlich, nicht sachlich verkürzt wie folgt lautet: „Das Notariat ist eine nach der jeweils gelten-den gesetzlichen Ordnung mit bestimmten Zuständigkeiten auf dem außerstreitigen Rechtsgebiet einschließlich der Errichtung öffentlicher Urkunden versehene Einrichtung juristischer Dienstleistung, die besonders qualifizierte Juristen aufgrund. obrigkeitlicher Bestellung in Ausübung öffentlicher Gewalt in der Regel auf freiberuflicher Grund-lage höchstpersönlich erbringen" (S. 17).

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Die Betrachtungen der österreichischen Verhältnisse stüt-zen sich auf die Notariatsordnung, das Gerichtskommis-särsgesetz, die Standesrichtlinien und die „überkommene Übung", aus denen sich die drei Zuständigkeitsbereiche des Notars in Österreich ergeben (S. 50): (1) die Beurkundungs-tätigkeit, (2) das Gerichtskommissariat, (3) die Parteienver-tretung (worauf unten näher eingegangen wird), zu denen noch die Aufgabe der Rechtsberatung der Parteien hinzu-kommt.

In einer gefälligen Sprache — was übrigens für das ganze Werk gilt — sind die hauptsächlichen beruflichen Merkmale und Pflichten des österreichischen Notars und seine Kardi-naltugenden dargestellt. Das Amt des Notars, das aufgrund obrigkeitlicher Ernennung durch den Bundesminister für Justiz beginnt, erlischt mit der Vollendung des siebzigsten Lebensjahres des Amtsinhabers. Volle Alterspension gibt es bei freiwilliger Amtsniederlegung ab Vollendung des fünf-undsechzigsten Lebensjahres. Die wirtschaftliche Grund-lage ist ein freiberufliches Einkommen aufgrund gesetz-licher Kostenvorschriften. Die sog. Systemierung der Notar-amtsstellen (S. 19) bedeutet, daß der Notar für eine be-stimmte Amtsstelle ernannt wird und die Zahl der grundsätz-lich über das ganze Land verteilten Amtsstellen und deren örtliche Lage nur durch Verordnung des Bundesjustizmini-sters verändert werden können. Auch für Österreich gilt danach, daß die flächendeckende Versorgung der Bevölke-rung mit Notarstellen erhalten bleiben muß. Der österreichi-sche Notar ist grundsätzlich auch unversetzbar.

Das in einem besonderen Unterabschnitt (S. 21 ff.) behan-delte Berufsethos ergibt sich aus der „von Generation zu Generation seit langer Zeit überlieferten Berufsauffassung". Dazu gehören insbesondere Gewissenhaftigkeit, Vertrauens-würdigkeit und Unparteilichkeit des Notars, „Rechtsfür-sorge" (hier mit besonderem Hinweis auf das Gerichts-kommissariat in Nachlaßsachen) und das Streben nach größtmöglicher Rechtssicherheit sowie die Pflicht zur Ver-schwiegenheit.

Im Unterabschnitt „Der , Notar und seine Geschichte" (S. 27 ff.) wird das Geschichtsbewußtsein des Notaren-standes, die Historische Sammlung des österreichischen Notariats in Wien und das dort begründete Dokumentations-zentrum des österreichischen Notariats besonders hervor-gehoben, vorgeschlagen auch die Gründung einer „Gesell-schaft für mitteleuropäische Notarengeschichte" mit dem Sitz in Salzburg wegen der besonderen historischen Bedeu-tung des Salzburger Notariats.

Erwähnt ist u.a. die Gründungsurkunde des Klosters Raithen-haslach an der Salzach aus dem Jahre 1146, die von einem Notar des Salzburger Erzbischofs Konrad verfaßt wurde, eine Urkunde, die unser Münchener Kollege Dr. Wirner vor zwei Jahren auf der Jubiläumsausstellung dieses Klosters entdeckt hat.

In dem mit „Der Notar und die Politik" (S. 39 ff.) über-schriebenen Unterabschnitt warnt der Verfasser vor jeder politischen Einfärbung des Standes, fordert aber, daß die Standesorgane im Rahmen ihres Wirkungsbereiches an der Rechtspolitik des Landes stärker teilhaben können. Politi-sche Funktionen eines Notars seien seine Privatangelegen-heit, den Vorrang müsse der Beruf haben (S. 47).

In Österreich gibt es kein Beurkundungsgesetz. Was jedoch aufgrund Standesrichtlinien und „überkommener Übung" in dem Buch sporadisch für das Beurkundungsverfahren dar

gestellt wird, gibt zusammengereiht im wesentlichen § 17 Abs. 1 und 2 des bundesdeutschen Beurkundungsgesetzes wieder.

Im zweiten Hauptabschnitt „Aufgaben undAmtsführung des Notars" (S. 49 ff.) werden die (bereits genannten) drei Zustän-digkeitsbereiche des Notars erläutert.

Öffentliche Urkunden (begrifflich identisch mit § 415 ZPO!), die vom Notar gefertigt werden, sind Beurkundungen, die entweder vor dem Notar abgegebene Erklärungen enthalten oder Vorgänge oder Tatsachen bezeugen. Eine besondere Art der notariellen Beurkundung ist der Notariatsakt (S. 59 ff.), der für Rechtsgeschäfte und Rechtserklärungen der Parteien bestimmt ist. Für ihn gelten bestimmte zwin-gende Formvorschriften und gleichzeitige, ununterbrochene Anwesenheit der Beteiligten. Durch Notariatsakt können übrigens auch Rechtsgeschäfte, die dieser Form nicht be-dürfen (z.B. Miet- oder Pachtverträge) beurkundet werden. In Österreich geht die Vollstreckbarkeit einer Notariatsurkunde über § 794 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO hinaus. Sie kann sich auch auf sonstige schuldrechtliche Ansprüche (z.B. einen Räumungs-anspruch) beziehen. Notwendig ist jedoch, daß die ent-sprechende Zustimmungserklärung des Verpflichteten (also keine Vollstreckungsunterwerfung!) gehörig beurkundet wird.

Im Nachlaßverfahren sind dem österreichischen Notar als Gerichtskommissär die wichtigen Aufgaben der „beurkun-denden und besorgenden Akte" zugewiesen. Nur der dritte Akt, in der Regel die Entscheidung über die Einantwortungs-urkunde, was in etwa unserem Erbschein entspricht, ist dem Bezirksgericht vorbehalten. Der Notar bereitet danach alles bis auf die Entscheidung vor. Diese durch ein Gesetz von 1970 geregelte Zuständigkeit der Notare ist zwingen-des. Recht. Das Gerichtskommissariat in Verlassenschafts-sachen ist ein für das österreichische Notariat typischer und markanter Aufgabenbereich mit alter Tradition, der sich im Bewußtsein der Bevölkerung einen festen Platz erobert hat, einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des österreichi-schen Notars ausmacht und mit der Befugnis zur Erteilung von Auszügen aus dem international viel beachteten, hoch-modernen EDV-Grundbuch, aus dem bisherigen Buch-Grundbuch und aus dem Handelsregister ausgestattet ist.

Die dritte Art der Zuständigkeit des Notars ist die Parteien-vertretung, wozu man auch die Fertigung von Privaturkun-den zählt. Die echte Vertretungszuständigkeit in Verfahren bei Gerichten und Behörden geht über § 24 BNotO hinaus. Sie gilt auch für Zivilprozesse, soweit kein Anwaltszwang besteht. Sogar Strafverteidiger kann der Notar sein, wenn er sich in die entsprechende Liste eintragen läßt.`

Im Unterabschnitt „Die Amtsführung des Notars" (S. 63 ff.) wird ausgeführt, daß Amtshandlungen nur in begründeten Ausnahmefällen außerhalb der „Kanzlei" des Notars vor-genommen werden sollen und gar Amtshandlungen außer-halb seines „Amtssprengels" ohne triftigen Grund standes-widrig sind. Nach Gedanken über die Einrichtung und Ausstattung einer „Notariatskanzlei" (Technik nicht über-schätzen!) wird das Problem der „dauernden" Verwahrung der Notariatsurkunden angesprochen. Die Urkunden und Hauptakten eines ausgeschiedenen Notars verwahrt näm-lich nicht der Nachfolger, sondern der zuständige Gerichts-hof 1. Instanz. Vorgeschlagen wird eine Aussonderung und Vernichtung von routinemäßigen Urkunden und dgl. nach 100 Jahren.

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Im letzten Hauptabschnitt „Der Notarenstand" (S. 75 ff.) werden zunächst die Standesorgane und ihre Funktionen

geschildert und als wichtigster Bestandteil der Standes-autonomie die regelmäßigen „Kanzleirevisionen" durch die Notariatskammern (also nicht durch die Justizaufsicht!) betont. Neben den Notariatskammern für die einzelnen Bun-desländer — allerdings Wien, Niederösterreich und Burgen-land einerseits und Tirol und Vorarlberg andererseits jeweils zu einer Kammer zusammengefaßt — gibt es als Dachorga-nisation die Österreichische Notariatskammer, wozu der Delegiertentag und der Ständige Ausschuß gehören. In den einzelnen Gremien sind auch die Notariatskandidaten mit einer allerdings begrenzten Mitgliederzahl vertreten. Die Ansichten des Verfassers. über Führungsstil und Führungs-qualität der Standesfunktionäre (S. 89 ff.) sind lesenswert. Das Disziplinarrecht (S. 91 ff.) wird als modern und zweck-mäßig bezeichnet. Für Ordnungswidrigkeiten ist die Nota-riatskammer zuständig, für sonstige Standespflichtverlet-zungen das Oberlandesgericht.

Ausführlich ist die Stellung der Notariatskandidaten (S. 94ff.) behandelt. Vor einem Jahr (1.2.1989) standen in Österreich 355 öffentlichen Notaren 296 (!) Notariatskandidaten gegen-über, die Wartezeiten bis zu 15 Jahren in Kauf nehmen müssen. Allerdings beginnt ihre Praxis bereits unmittelbar nach dem Abschluß des Universitätsstudiums. Nach einer gewissen Zeit folgt die Notariatsprüfung vor dem zustän-digen OLG. Nach einer weiteren entsprechenden Dienstzeit kann der geprüfte Kandidat zum Notarsubstitut mit voller Vertretungsbefugnis eines Notars ernannt werden. Wegen der langen Wartezeiten befürwortet der Verfasser eine Steuerung des Zuganges zum Notarberuf, u.a. durch eine Begrenzung der Kandidatenstellen.

Höhepunkt des standesinternen Aus- und Fortbildungs-wesens (S. 100 ff.) ist die Gründung der Notariatsakademie in Wien als Institut der Österreichischen Notariatskammer im Jahre 1986, die als bisher „kräftigstes Lebenszeichen" im April 1989 die sehr erfolgreich verlaufenen Europatage des Notariats in Salzburg veranstaltet hat.

Eine der,Glanzleistungen des österreichischen Notariats ist die Schaffung des „Zentralen Testamentsregisters" durch die Österreichische Notariatskammer, in Wien im Jahre 1972, unbestreitbar das Verdienst des langjährigen Präsidenten der Österreichischen Notariatskammer Prof. Dr. Kurt Wagner. Dort werden „unter voller Wahrung streng-ster Geheimhaltung" alle bei Gerichten, Notaren und Rechtsanwälten verwahrten Testamente, Erbverträge und Erbverzichtsverträge elektronisch registriert. Über 1 Million Urkunden sind auf diese Weise dort schon erfaßt worden (S. 110). Auf der gleichen Grundlage könnte ein zentrales Register für Mobiliarpfandrechte eingeführt werden, wofür seit langem ein dringendes Bedürfnis bestehe; Ideen habe der Notarenstand bereits geliefert (S. 42 und 110).

Besonders erwähnenswert ist die durch Gesetz von 1972 errichtete Versicherungsanstalt des österreichischen Nota-riats, Körperschaft des öffentlichen Rechts in Wien, eine

bisher in Österreich einmalige Errungenschaft für einen freien Berufsstand (S. 108). Sie kommt für die Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Standesangehörigen auf und wird vom Notarenstand ohne öffentliche Zuschüsse, aber unter staatlicher Aufsicht verwaltet. Diese Versor-gungseinrichtung, die aus einem privatrechtlichen Pen-sionsinstitut (von 1882) entstanden ist und in ihrer mehr als hundertjährigen Geschichte ihre Rechtsgrundlage und Rechtsform geändert, aber stets ihre berufsständische Struktur beibehalten hat, weist gewisse Ähnlichkeiten mit der Notarkasse Anstalt des öffentlichen Rechts in München auf, in deren Wirkungskreis sie wenige Jahre (1939 bis 1945) einbezogen war.

Auf Pflege und Ausbau internationaler Beziehungen (S. 104) ist das österreichische Notariat aus guter alter Tradition bedacht, die auf die Zeit der Donau-Monarchie zurückgeht und seit dem Beitritt zur „Internationalen Union des latei-nischen Notariats" (1958) in verstärktem Maße betrieben wird. Davon zeugen die zahlreichen großen internationalen Kongresse in Wien und Salzburg und die ständigen Ver-bindungen mit den Nachbarn in Italien und Bayern, die — worüber gerade wir, bayerischen Notare uns besonders freuen — auf beiden Seiten ein wesentlicher Faktor zur Bewältigung praktischer Probleme aus den grenznahen Be-reichen und ein fester Bestandteil des Standeslebens geworden sind und über die fachliche Weiterbildung hinaus zu vielen freundschaftlichen Kontakten geführt haben. Aus all dem wird deutlich, „daß das österreichische Notariat aus Tradition und Eignung fähig ist, eine Brückenfunktion zwischen den einzelnen Notariatssystemen auszuüben und als Orientierungsmuster für andere Staaten zu dienen".

Meyer beendet den Hauptteil seines Buches, dem ein histo-rischer Überblick über die Geschichte des österreichischen Notariats von 1291 bis 1989 folgt, in der Überzeugung, daß das österreichische Notariat den künftigen Herausforderun-gen gewachsen ist, mit, einem Schlußwort, das Beachtung verdient und Gehör finden sollte:

„Eine ,Deregulierung' oder sonstige, wie immer benannte unnötige Veränderung bewährter Strukturen kann nur zu Lasten der bisher durch den Notarenstand gebotenen Sicherheit für die Bevölkerung gehen und sich daher nur ,konsumentenfeindlich` auswirken. Im allgemeinen wird man zumindest in Europa eine ähnliche Entwicklung wie in Österreich erwarten können, wozu noch kommt, daß die sich allmählich abzeichnende Veränderung in den Ländern des sogenannten Ostblocks hoffen läßt, daß künftig auch

_jene Notariate wieder in die Familie der europäischen Notare zurückkehren, welche ihr zusammen mit den öster-reichischen Notaren in der Vergangenheit bereits angehört haben. Alle diese Umstände lassen auch international eine Zunahme der Bedeutung und Stärkung der Stellung des Notars erwarten. Eine internationale Entwicklung des Notariats hin zum Nur-Notariat des lateinischen Typs wäre allerdings auch im Interesse der zunehmenden Sicherheits-bedürfnisse der rechtssuchenden Bevölkerung in allen Ländern wünschenswert"

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Inhaltlich unzulässige Grundbucheintragungen und Umdeutung von Grundbucherklärungen

- zugleich eine Besprechung der Entscheidung des LG Regensburg vom 1.8.1989 - 5 T 165189 - *

Von Notar Walter Böhringer, Lehrbeauftragter, Heidenheim

Kraftfahrzeug-Stellplätze auf freier Grundstücksfläche sind nach allgemeiner Meinung' nicht sondereigentumsfähig, weil es sich nicht um Räume im Sinne von § 5 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 2 S. 2 WEG handelt. Sind für solche Kfz-Stellplätze Teileigentumsgrundbücher angelegt worden, so hat sich das Grundbuchamt zu fragen, wie es diese Situation bereinigt.

A. Inhaltlich unzulässige Grundbucheintragungen

Handelt es sich bei Kfz-Einstellplätzen lediglich um mar-kierte, aber nach allen Seiten offene Grundstücksflächen, so kann an solchen Grundstücksflächen kein Sondereigentum begründet werden. Diese gewollten Teileigentumsrechte können nicht zur Entstehung gelangen. Die im Freien liegen-den Abstellplätze gehören als Teile des unbebauten Grund-stücks nach wie vor unabdingbar zum gemeinschaftlichen Eigentum2. Bei ihnen ist nur eine Gebrauchsregelung mög-lich3. Dieses Sondernutzungsrecht ist Inhalt des Sonder-eigentums und kein selbständiges dingliches Recht4.

Eine Grundbucheintragung ist dauernd und völlig unwirk-sam, wenn deren Wirkungslosigkeit aus dem Grundbuch-inhalt, also aus dem Eintragungsvermerk und der zulässig in Bezug genommenen Bewilligung5 ohne Zuhilfenahme anderer, außerhalb des Grundbuchs liegender Auskunfts-und Beweismittel ersichtlich ist. Die Eintragungsbewilli-gung und der Aufteilungsplan gehören durch zulässige Bezugnahme (§ 7 Abs. 3,4 Nr. 1 WEG) mit zum Inhalt der Ein-tragung. Fälle unzulässiger Eintragungen sind alle Einträge

In diesem Heft 5.43; vgl. auch BGH in diesem Heft S. 30

1 BayObLGZ 1986, 29 = MittBayNot 1986, 79; BayObLG MittBayNot 1987, 197; Röll, Teilungserklärung- und Entstehung des Woh-nungseigentums, S. 20.

2 BayObLGZ 1986, 29 = MittBayNot 1986, 79; BayObLG MittBayNot 1987, 197.

3 OLG Hamm Rpfleger 1975, 27. Zur Sondereigentumsfähigkeit von Kfz-Einstellplätzen auf einem nicht überdachten Oberdeck eines Garagengebäudes: BayObLG WEZ 1988, 194; LG Braunschweig Rpfleger 1981, 298; OLG Frankfurt DNotZ 1977, 634 und OLGZ 1984, 32 = Rpfleger 1983, 482; LG Lübeck Rpfleger 1976, 252; LG Aachen Rpfleger 1984, 184 m.abl.M. Sauren; OLG Köln DNotZ 1984, 700 = Rpfleger 1984, 464; Merle Rpfleger 1977, 196; Panz BWNotZ 198, 142.

4 BGHZ 73, 145 = DNotZ 1979, 168 m.Anm. Ertl = NJW 1979, 548 = Rpfleger 1979, 57 = MittBayNot 1978, 206.

5 ' BayObLGZ 1987, 390 = Rpfleger 1988, 102; BayObLG Rpfleger 1986, 372; BayObLGZ 1987, 360 = MittBayNot 1988, 35; OLG Köln NJW-RR 1989, 780; Haegele/SchönerlStöber Grundbuchrecht Rdnr. 416 ff.; Horber/Demharter GBO § 53 Anm. 16.

6 BayObLGZ 1987, 360 = MittBayNot 1988, 35; BayObLG Rpfleger 1976, 66; KEHE/Ertl Einl. B Rdnr. 45, 52.

im Grundbuch mit einem nichtgrundbuchfähigen Wesen7. Nach § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO ist auf die generelle Zulässig-keit des eingetragenen Rechts im Sinne der Eintragungs-fähigkeit abzustellen8. Nach allgemeiner Ansicht ist eine Eintragung dann inhaltlich unzulässig, wenn Art oder Inhalt des eingetragenen Rechts gegen das materielle Gesetz verstößt9. Dies ist bei den klassischen Verstößen gegen den numerus clausus (z.B. dingliches Mietrecht) und den Typenzwang (z.B. Erbbaurecht an zweiter Rangstelle10) der Fall. Auch das eingangs erwähnte Sondereigentum an Abstellplätzen im Freien zählt zu der Kategorie der nicht ein-tragungsfähigen Rechte. Eine solche Eintragung verstößt gegen zwingendes Recht, §3 Abs. 2 Satz 2 WEG. Der dort manifestierte Grundsatz ist zu~tingend, da er sachenrecht-licher Natur ist; er kann nicht durch Teilungserklärungen außer Kraft gesetzt werden.

Die unwirksame Begründung von Sondereigentum berührt die Aufteilung der Miteigentumsanteile grundsätzlich nicht"". Die Entstehung isolierter Miteigentumsanteile kann zwar nicht rechtsgeschäftlich begründet werden, ist aber sachenrechtlich nicht ausgeschlossen'?. Die vorgesehenen Miteigentumsanteile entstehen z.B. dann, wenn das mit einem Miteigentumsanteil zu verbindende Sondereigentum nicht entstehen konnte. In diesem Fall bildet sich ein isolier-ter Miteigentumsanteil; in unserem Problemfall also ent-sprechend viele isolierte Miteigentumsanteile. Wichtig ist, daß die Teilungserklärung als solche aufrecht erhalten bleibt, aber umzudeuten ist. Wenn ein Dritter gutgläubig13 eine der-vom Gründungsakt erfaßten Eigentumswohnungen erwirbt, bleibt die Teilungserklärung bzw. Teilungsverein-barung ebenfalls wirksam. Dies bedeutet, daß an der ganzen übrigen Wohnanlage (ohne die nichtigen Stellplätze) Son-dereigentum entsteht. Für den gutgläubigen Erwerb kann es nicht darauf ankommen, daß wegen der nichtsondereigen- tumsfähigen Stellplätze etwas Unmögliches gebucht ist14.

7 Staudinger/Ertl Vorbem. 94 zu §§ 873-902. 8 OLG Köln NJW-RR 1989, 780. 9 OLG Hamm OLGZ 1977, 265 = DNotZ 197-7, 308 = Rpfleger 1976,

318 = MittBayNot 1976, 138; Haegele/Schöner/Stöber Rdnr. 418.

10 OLG Hamm Rpfleger 1976, 131 = MittBayNot 1976, 26.

11 BGH in diesem Heft S. 30; OLG Frankfurt OLGZ 1978, 290.

72 BGH Fn. 11; MünchKomm/Röll WEG § 6 Rdnr. 2; Röll, FS Seuß, 1987, S. 236.

13 BGH Fn. 11; Röll, FS Seuß, 1987, S. 236. Von der Gutgläubigkeit eines Erwerbers ist auszugehen, §892 BGB: BGH Fn. 11..

14 So schon zutreffend Röll, Teilungserklärung und Entstehung des Wohnungseigentums, S. 52; ders. FS Seuß, 1987, S. 235.

12 MittBayNot 1990 Heft 1

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Die inhaltliche Unzulässigkeit der Eintragung der Teileigen-tumsrechte in den jeweiligen Teileigentumsgrundbüchern hat nicht stets die Unwirksamkeit der übrigen Eintragungen (Anlegung der Wohnungseigentumsgrundbücher) zur Folge. Teilweise Unwirksamkeit einer Grundbucheintragung ist möglich. Die Unwirksamkeit der restlichen Eintragungen wird nicht berührt, wenn 'diese für sich den wesentlichen Erfordernissen einer zulässigen Grundbucheintragung ge-nügen15. In unserem Problemfall genügt die restliche Ein-tragung der Wohnungseigentumsgrundbücher für sich den wesentlichen Erfordernissen einer wirksamen Eintragung. Damit bleiben diese Eintragungen wirksam, lediglich die Eintragungen in den Teileigentumsgrundbüchern sind un-wirksam.

Inhaltlich unzulässige Eintragungen sind unwirksam. Sie bringen das Recht nicht zum Entstehen16. Da die Eintragun-gen der Teileigentumsrechte inhaltlich unzulässig sind, kön-nen sie nach einhelliger Meinung17auch nicht Grundlage für einen rechtsgeschäftlichen Erwerb kraft guten Glaubens des Grundbuchs sein. Spätere Verfügungen ändern an der inhaltlichen Unzulässigkeit der Eintragungen nichts; Eintra-gungen aufgrund solcher Verfügungen müßten ebenfalls als unzulässig gelöscht werden18. Beim gutgläubigen Erwerb wird der Inhalt des Grundbuchs als richtig und vollständig fingiert; das Vertrauen darauf aber, daß ein Recht so, wie es eingetragen ist, überhaupt entstehen kann, wird nicht ge-schützt19. Die inhaltlich unzulässige Grundbucheintragung hat also keine materielle Wirkung, auch nicht die der §§ 879, 891-894 BGB20.

Die Löschung der inhaltlich unzulässigen Eintragung ist von Amts wegen vorzunehmen21. Spätere Eintragungen verhin-dern die Amtslöschung nicht. Den „Stellplatzinhabern" ist in unserem Problemfall vor Löschung Gelegenheit zur Äuße-rung zu geben; sie haben Anspruch auf rechtliches Gehör22.

Nur die Teileigentumsrechte sind zu löschen. Die Woh-nungseigentumsgrundbücher sind jetzt aber durch die in Abschnitt B. beschriebene Umdeutung hinsichtlich des Mit-eigentumsanteils und des Inhalts des Sondereigentums unrichtig23 und entsprechend der umgedeuteten Rechtslage zu berichtigen.

Die Amtslöschung einer inhaltlich unzulässigen Eintragung hat regelmäßig zur Folge, daß der der gelöschten Eintragung zugrundeliegende Eintragungsantrag nicht zurückgewiesen werden darf, vielmehr insoweit als noch nicht erledigt anzu-

75 BGH DNotZ 1957, 106; KEHE/Ertl Einl. B Rdnr.46; KEHE/Eick-mann § 53 Rdnr. 20; Staudinger/Ertl Vorbem. 94 zu §§ 873-902; Ertl MittBayNot 1985, 177, 180; ders. MittBayNot 1988, 53, 61; Haegele%Schöner/Stöber Rdnr. 421.

16 OLG Hamm Fn.10.

17 BayObLG Rpfleger 1986, 372; BayObLGZ 1987, 398 = Rpfleger 1988, 104; BayObLG MittBayNot 1989, 35; OLG Frankfurt Rpfleger 1975, 305; OLG Hamm Fn .9; Horber/Demharter § 53 Anm. 18; Staudinger/Gursky § 892 Rdnr. 15.

18 BayObLG Rpfleger 1986, 372; BayObLGZ 1987, 390 = Rpfleger 1988, 102; Horber/Demharter § 53 Anm. 18.

79 OLG Hamm Fn. 9.

20 Staudinger/Ertl Vorbem. 95 zu §§ 873-902.

21 Dazu auch Staudinger/Ertl § 873 Rdnr. 169-177; Ertl MittBayNot 1988, 53, 61. Ein Amtswiderspruch gegen eine ihrem Inhalt nach unzulässige Eintragung ist nicht möglich, BayObLG MittBayNot 1988, 126.

22 BayObLG JurBüro 1989, 1273, 1275; Meikel/Böttcher Einl. F Rdnr. 26, 70; KEHE/Eickmann § 53 Rdnr. 20.

23 Horber/Demharter § 53 Anm. 20 b.

sehen iSt24. Das Grundbuchamt hat diesen ursprünglichen Eintragungsantrag neu zu verbescheiden25. Fraglich ist des-halb, ob ein neuer Eintragungsantrag überhaupt gestellt werden muß26. Im Problemfall hatte der Notar nach § 15 GBO entsprechend dem Ergebnis der Umdeutung einen neuen Antrag für alle Beteiligten gestellt. Dies ist bei der schwierigen Handhabung des Rechtsinstituts der Umdeu-tung durchaus sachgerecht und empfehlenswert und kann als Ergänzung des noch unerledigten früheren Antrags verstanden werden. Verfahrensrechtlich bedarf es zu dem gefundenen Ergebnis der Umdeutung keiner Änderung der Teilungserklärung. Da der frühere Antrag teilweise noch unerledigt ist, muß jetzt geprüft werden, ob die Voraus-setzungen für die neuen Grundbucheintragungen noch vor-liegen27, z.B. die Zustimmungen der dinglich Berechtigten noch wirksam sind.

B. Umdeutung von Grundbucherklärungen

Die Folgen der inhaltlichen Unzulässigkeit der Eintragung der Teileigentumsrechte in den Teileigentumsgrundbüchern sind äußerst weitreichend. Es ist deshalb verständlich, nach Lösungen zu suchen, die diese Nachteile zurückdrängen. Der unwirksame Teil der Eintragung ist dahingehend zu über-prüfen, ob seine Umdeutung in Anbetracht des wirksamen Teiles möglich ist. Ert128 stellt treffend fest, daß im Rahmen der vorsorgenden Rechtspflege das Grundbuchamt das Recht, aber auch die Pflicht hat, der unwirksamen Eintra-gung im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten zur Wirk-samkeit zu verhelfen. Das Grundbuchamt ist „Rechts-antragsstelle" und nicht „Rechtsverhinderungsstelle".

In unserem Problemfall sind die Grundbucherklärungen ein-deutig. Eine Auslegung der Erklärungen scheidet deshalb aus. Daneben ist aber eine Umdeutung von Erklärungen der Beteiligten (§ 140 BGB) auch im Grundbuchverfahren nicht von vornherein ausgeschlossen29.

1. Voraussetzungen der Umdeutung

Zur Umdeutung (Konversion) eines Rechtsgeschäfts in ein anderes (Ersatzgeschäft) kann es nach § 140 BGB erst kom-men, wenn der mit dem Inhalt des Geschäfts beabsichtigte rechtliche Erfolg nicht eintreten, die rechtsgeschäftliche Regelung so, wie sie getroffen wurde, nicht gelten kann, sondern nichtig ist. Einer Umdeutung hat deshalb stets die Auslegung des Rechtsgeschäfts voranzugehen30. Die Aus-legung kann bereits dazu führen, daß ein Geschäft der unzu-lässigen Art von den Beteiligten überhaupt nicht gewollt ist, weil nur eine falsche Bezeichnung gewählt wurde. § 140 BGB geht davon aus, daß es den Vertragspartnern weniger auf die Rechtsform ihres Geschäfts als auf dessen wirt-schaftlichen Erfolg ankommt und ihnen im Zweifel jedes

24 OLG Hamm DNotZ 1954, 207. 25 OLG Hamm Fn. 10; Horber/Demharter § 53 Anm. 18b. 26 Kein neuer Antrag erforderlich: OLG Hamm Fn. 10.

27 Horber/Demharter § 53 Anm. 20c. 28 MittBayNot 1985, 180.

29 KG OLGZ 1967, 324 = NJW 1967, 2358 = DNotZ 1968, 95 = Rpfleger 1968, 50 m.Anm. Riedel; BayObLGZ 1983, 123 = DNotZ 1983, 754 = Rpfleger 1983, 346; Meikel/Böhringer Einl. G Rdnr. 132; KEHE/Ertl Eint C Rdnr. 29.

30 Staudinger/Dilcher § 140 Rdnr. 2; Soergel/Hefermehl § 140 Rdnr. 1; Bürck SchlHAnz 1973, 40; OLG Hamm Rpfleger 1985, 289. Die Auslegung des Rechtsgeschäfts geht der Umdeutung vor: BGH WM 1959, 328,-418.

MittBayNot 1990 Heft 1 13

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rechtliche Mittel gleich sein wird, das diesen Erfolg, wenn auch nicht ganz, so doch wenigstens annähernd gewähr-

leistet31 . Ist dieser Wille feststellbar, so ist es auch gerecht-fertigt, das Geschäft als ein anderes Rechtsgeschäft auf-rechtzuerhalten, obwohl der Wille auf Errichtung des ande-ren Rechtsgeschäftes nicht gerichtet war32. Die Wirkungen

des anderen Rechtsgeschäfts müssen denen des ursprüng-lichen wirtschaftlich im wesentlichen gleichartig sein33.

Das an die Stelle des nichtigen tretende Geschäft ist so zu bestimmen, daß der ursprünglich gewollte Zweck ganz oder doch annähernd erreicht wird. Ist, wie meist, völlige Gleich-

heit nicht möglich, so ist die dem Zweck am nächsten kom-

mende Form zu wählen34. Keineswegs darf aber das durch Umdeutung geschaffene Geschäft über den Erfolg des ursprünglich gewollten Geschäfts hinausgehen35.

Für die Umdeutung ist nicht erforderlich, daß die Parteien einen auf das Geschäft in der Veränderten Form gerichteten Willen hatten, sondern es ist zu fragen36: „Wie hätten sich die Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit verhalten?" Der Grundbuchrechtspfleger muß sich in die Situation und den Zweck des Geschäftsabschlusses hineindenken und von da aus den hypothetischen Vertragswillen der Parteien bestim-m2n. Dabei ist von den Auffassungen vernünftig denkender Menschen auszugehen, ohne daß es zu einer Bevormundung der Parteien führen darf. Besondere individuelle Willensrich-tung und Interessen sind zu beachten, soweit sie für das um-zudeutende Geschäft bestimmt waren. Kommt der Grund-buchrechtspfleger zum Ergebnis, daß ein nichtiges Rechts- geschäft vorliegt, so gibt ihm der vorgetragene Sachverhalt von Amts wegen Anlaß zu prüfen, ob die objektiven und sub-jektiven Voraussetzungen der Umdeutung gegeben sind. Damit es zur Umdeutung kommt, bedarf es nicht einer Geltendmachung seitens einer der Parteien; § 140 BGB spricht selbst die Geltung des Ersatzgeschäfts aus. Diese ist daher von Amts wegen wahrzunehmen37.

2. Umdeutungsfähigkeit

Umdeutungsfähig sind auch Verfügungen38. Strittig ist die

Möglichkeit der Umdeutung durch das Grundbuchamt39. Es

ist zu unterscheiden: Die dem Grundbuchamt abgegebenen Parteierklärungen sind umdeutungsfähig, wenn die vorge-legten Urkunden eine abschließende Würdigung zulassen. Die Frage, ob es auch zur Aufgabe des Grundbuchamts ge-hören kann, § 140 BGB über die Umdeutung eines Rechts-

geschäfts anzuwenden, ist zu bejahen40. Nach dem KG41

31 BGH LM Nr. 4 zu § 140 BGB; RGZ 110, 391. 32 RG Recht 1910 Nr. 1708. 33 RGZ 110, 391; 137, 171; BGHZ 19, 269; 20, 363; OLG Hamm Fn. 26;

Staudinger/Dilcher § 140 Rdnr. 7; RGRK/Krüger-Nieland § 140 Rdnr. 2; Soergel/Hefermehl § 140 Rdnr. 1; Meikel/Böhringer Einl. G Rdnr. 130; Bürck JuS 1971, 572.

34 RGZ 110, 392; 137, 176; Soergel/Hefermehl § 140 Rdnr. 6. 35 BGHZ 19, 269; 26, 329; BGH LM Nr. 4 zu § 140; RGZ 137, 176;

Soergel/Hefermehl § 140 Rdnr. 5, 6. 36 RGZ 121, 85; BGHZ 19, 273; Erman/Westermann § 140 Rdnr. 5.

31 BGH LM Nr. 4 zu § 140; Soergel/Hefermehl § 140 Rdnr. 7; Erman/ Westermann § 140 Rdnr. 8; MünchKomm/Mayer-Maly § 140 Rdnr. 35; Meikel/Böhringer Einl. G Rdnr. 131. A.A. Siller AcP 138,

144, 185.

38 RGZ 66, 24; 129, 122; MünchKomm/Mayer-Maly § 140 Rdnr. 7.

39 Ablehnend: BayObLG NJW 1953, 1914; OLG Hamm Rpfleger 1959, 66; Westermann NJW 1970, 1023; zulassend: KG Fn. 29; Hieber DNotZ 1954, 303.

40 So auch Haegele/Schöner/Stöber Rdnr. 417 ff. 41 Fn. 29.

ist das Grundbuchamt zur Umdeutung berechtigt und ver-pflichtet, wenn die vorgelegten Urkunden eine abschließende Würdigung gestatten, so daß die dem Grundbuchamt ver-botene Beweisaufnahme entfällt42. Die Umdeutungsfähig-

keit von Grundbucherklärungen ist im Grundbuchverfahren

nicht völlig ausgeschlossen, sondern stets vom Grundbuch-amt mit den von ihm zur Verfügung stehenden Mitteln• zu prüfen, wenn Grundbucherklärungen trotz Auslegung zur Eintragung nicht ausreichen43. Umdeutung einer Grund-

bucherklärung im Sinne von § 140 BGB ist so in beschränk-

tem Umfange möglich44. Einer solchen Umdeutung sind

allerdings bedingt durch den das Grundbuchverfahren be-herrschenden Bestimmtheitsgrundsatz, das grundsätzliche Erfordernis urkundlich belegter Eintragungsunterlagen und - das Fehlen einer Ermittlungs- und Beweiserhebungspflicht des Grundbuchamts im Eintragungsverfahren Grenzen ge-setzt. Ist die Grundbucherklärung aber ihrem Wortlaut nach nicht eintragungsfähig, entspricht sie jedoch objektiv und nach dem wirtschaftlich mit ihr Gewollten den Erforder-nissen eines anderen, eintragungsfähigen Rechts, so kann sich auch das Grundbuchamt, sofern es zu einer abschlie-ßenden Würdigung in der Lage ist, einer solchen Umdeutung

nicht verschließen45.

Bei § 140 BGB genügt es, daß die Beteiligten als vernünftig denkende Leute das andere Geschäft gewollt haben würden. Dieser Wille kann nicht nach rein objektiven Gesichts-

punkten46 ermittelt werden, sondern muß nach der Lebens-erfahrung bejaht werden, wenn die Beteiligten mit der Ersatzlösung einen nahezu gleichen Erfolg erreichen und der von ihnen gewollten Rechtsform kein besonderes Gewicht beigemessen haben47. Um dies zu beurteilen,

bedarf es keiner Beweisaufnahme, denn die Vernunfts-gründe, auf die es ankommt, sind objektiv festzustellen und von der Meinung der Beteiligten unabhängig. Auch in zahl-reichen anderen Fällen des Grundbuchverfahrens müssen bestimmte Tatsachen nach verständigem Ermessen beur-teilt werden, ohne daß ein schlüssiger Beweis verlangt

42 So wohl auch OLG Düsseldorf DNotZ 1977, 305; Hieber DNotZ 1954, 303; KEHE/Ertl Einl. C Rdnr. 29 ff.; Staudinger/Dilcher § 140 Rdnr. 18; BayObLG Fn. 25; ablehnend noch BayObLG DNotZ 1954, 30; dazu auch OLG Hamm JMBINW 1959, 66; Soergel/Hefermehl §,140 Rdnr. 7; MünchKomm/Wacke §873 Rdnr.38; Kehrenl Bühler/Tröster Notar und Grundbuch § 2 A; Meikel/Böhringer Einl. G Rdnr. 133; Meikel/Sieveking § 13 Rdnr. 35.

43 zu Recht KG Fn. 29; OLG Hamm Rpfleger 1985, 289; Staudinger/ Ertl § 873 Rdnr. 138.

44 KG Fn. 29; KG NJW 1968, 508; OLG Hamm Rpfleger 1957,, 19 m.Anm. Haegele Rpfleger 1957, 117 = JMBINW 1957, 92; OLG Düsseldorf DNotZ 1977, 305; KEHE/Ertl Einl. C Rdnr. 29; Haegele/ Schöner/Stöbe'r Rdnr. 416 ff.; Horber/Demharter § 19 Anm. 8 c; Güthe (6. Aufl.) Vorbem. 101 vor § 13 GBO; Staudinger/Dilcher § 140 Rdnr. 18; Staudinger/Ertl § 873 Rdnr. 138; RGRK/Augustin §873 Rdnr.49; MünchKomm/Wacke §873 Rdnr.38; Münch-Komm/Westermann § 1094 Rdnr. 6; Kehrer/Bühler/Tröster § 2 A,

2 C Fn. 390; Hieber DNotZ 1954, 303; dazu auch BayObLGZ 1983, 123 =✓DNotZ 1983, 754 = Rpfleger 1983, 346; HansOLG Bremen

OLGZ 1987, 9.

45 BayObLG Fn. 29; KG Fn. 29; OLG Hamm Rpfleger 1985, 289; Staudinger/Ertl § 873 Rdnr. 138; Meikel/Böhringer Einl. G Rdnr. 134; KEHE/Ertl Einl. C Rdnr. 30; Haegele/Schöner/Stöber Rdnr. 416 ff.

46 BGHZ 19, 269; KEHE/Ertl Einl. C Rdnr. 31; Staudinger/Ertl § 873 Rdnr. 138.

47 Meikel/Böhringer Einl. G Rdnr. 135; KEHE/Ertl, Einl. C Rdnr. 29

14 MittBayNot 1990 Heft 1

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werden könnte48. Da die Anwendung der Bestimmung des § 140 BGB nur unter Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten des Grundbuchverfahrens in Betracht kommt, bedeutet dies, daß eine Konversion ausscheidet, wenn dazu eine Beweisaufnahme erforderlich wäre. Beste-hen aber keine „unklaren Verhältnisse", gestatten also be-reits die dem Grundbuchamt vorliegenden Urkunden eins abschließende Würdigung, so ist auch der Grundbuch-rechtspfleger zur Umdeutung nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet.

Das Grundbuchamt hat die Eintragungsunterlagen zu prü-fen, ob sie umdeutungsfähig sind. Läßt sich den Urkunden entnehmen, was die Beteiligten sich vorgestellt haben und welch anderes Geschäft sie bei Kenntnis der Nichtigkeit des erklärten Geschäfts gewollt haben würden, so führt die Umdeutung zum Erfolg. Die vom Grundbuchverfahren be-dingten Schwierigkeiten des Rückgriffs auf den wirklichen und hypothetischen Willen der Beteiligten engen zwar den praktischen Spielraum der Umdeutung ein, schließen aber ihre amtswegige Wahrnehmung keineswegs aus49. Wo Zweifel bestehen bleiben, muß allerdings von § 18 GBO Gebrauch gemacht werden und, wenn eine Aufklärung durch die Beteiligten nicht erfolgen kann, Zurückweisung des Antrags vorgenommen werden50. Auf keinen Fall darf das Grundbuchamt aber die Frage offenlassen51.

3. Umdeutung einer Grundbucheintragung

Ob Eintragungen im Grundbuch und anderen Registern (zu unterscheiden von der Umdeutung der Eintragungsunter-lagen) umdeutungsfähig sind, ist bestritten. Inhaltlich unzu-lässige Eintragungen sind mit der gebotenen Zurückhaltung einer Umdeutung nicht ganz unzugänglich52. Waren die Grundbucherklärungen, auf denen die Eintragung beruht, umdeutungsfähig, so hätte das Grundbuchamt sie mit dem umdeutungsfähigen zulässigen Inhalt eintragen können und müssen53. Die Umdeutung der Eintragung tritt nicht kraft Gesetzes von selbst ein. Das Grundbuchamt hat sie als hoheitliche Tätigkeit analog den für umdeutungsfähige nichtige Verwaltungsakte geltenden Vorschriften ohne be-sonderen neuen Antrag dadurch vorzunehmen, daß es die unwirksame Eintragung aufgrund des noch nicht erledigten alten Eintragungsantrags und der ihm vorliegenden Eintra-gungsunterlagen durch eine wirksame Eintragung ersetzt54.

4. Umdeutung in Sondernutzungsrechte

§ 139 BGB scheidet — unabhängig vom Vorhandensein einer salvatorischen Klausel in der Teilungserklärung bzw. Teilungsvereinbarung — aus, da die Eintragungen auch ab-gegeben worden wären, wenn die Beteiligten gewußt hätten55, daß die Bildung von Sondereigentum an den nicht-

48 Z.B. Nachweis der Entgeltlichkeit bei Verfügungen des Vorerben und Testamentsvollstreckers, bei Prüfung von AGB-Klauseln Böh-ringer BWNotZ 1980, 129; BayObLGZ 1952, 321; Hieber DNotZ 1954, 303.

49 So auch MünchKomm/Mayer-Maly § 140 Rdnr. 35; Meikel/Böhrin-ger Eint G Rdnr. 137.

50 So auch Riedel Rpfleger 1968, 50; Meikel/Böhringer Einl. G Rdnr. 137.

51 Meikel/Böhringer Einl. G Rdnr. 137. 52 Staudinger/Ertl § 873 Rdnr. 168; MünchKomm/Wacke § 873

Rdnr. 55; Meikel/Böhringer Einl. G Rdnr. 138 ff. ss Staudinger/Ertl § 873 Rdnr. 168; KEHE/Ertl Einl. C Rdnr. 30. 54 Meikel/Böhringer Einl. G Rdnr. 140. s5 BGH Fn. 11.

sondereigentumsfähigen Stellplätzen nicht möglich war. Die Voraussetzungen der Umdeutung in unserem Problemfall sind erfüllt. Sein Sachverhalt führt zu keinen unklaren Ver-hältnissen. Jeder Wohnungseigentümer soll einen Kfz-Stell-platz im Freien als Teileigentum erhalten. Ist dies rechtlich nicht möglich, so läßt die Teilungserklärung objektiv und nach dem wirtschaftlich Gewollten erkennen, daß jeder Wohnungseigentümer einen Stellplatz dinglich zugewiesen erhalten soll, was auch über ein Sondernutzungsrecht er-reicht wird.

Das Sondernutzungsrecht gibt dem Eigentümer einer be-stimmten Wohnung das Recht zum Gebrauch von gemein-schaftlichem Eigentum unter Ausschluß der übrigen Mit-eigentümer. Das Sondernutzungsrecht ist Inhalt des Sonder-eigentums, § 5 Abs. 4, § 10 Abs. 2, § 15 WEG. Ein Unter-schied-zum Teileigentumsrecht besteht aber beim Sonder-nutzungsrecht darin, daß die Übertragung des Sonder-nutzungsrechts nur an ein anderes Mitglied der Wohnungs-eigentümergemeinschaft, nicht jedoch an einen (außen-stehenden) Dritten möglich ist56. Zugunsten eines Dritten kann ein Sondernutzungsrecht nicht begründet werden57.

Unter § 10 Abs. 2 WEG fallen nur Vereinbarungen, die aus-schließlich das Verhältnis der Wohnungseigentümer unter-einander betreffen. Gebrauchsrechte zugunsten eines Dritten können nicht zum Inhalt des Sondereigentums im Sinne des § 10 Abs. 2 WEG gemacht werden58. Sonder-nutzungsrechte können auch nicht für sich allein bestehen59. Die Wirkung eines Sondernutzungsrechts geht nicht über die mit der Teilungserklärung gewollten Bildung von Teileigentumsrechten hinaus. Da alle Grundstücks-eigentümer an der Teilungserklärung mitgewirkt haben und sich insoweit einig waren, kann das Teileigentumsrecht in ein Sondernutzungsrecht umgedeutet werden60. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist ohne weiteres anzu-nehmen, daß die seinerzeitigen Beteiligten bei Kenntnis der wirklich bestehenden rechtlichen Möglichkeiten ein Sonder-nutzungsrecht vereinbart hätten.

Schwierigkeiten bei der Umdeutung treten dann auf, wenn in unserem Problemfall ein bisheriger Miteigentümer (Nicht-wohnungseigentümer) durch die Teilungserklärung nur einen Stellplatz — ohne Wohnungseigentum - erhalten soll oder den sondereigentumslosen Miteigentumsantetl be-sitzt61. Eine Umdeutung des nichtigen Teileigentumsrechts in ein Sondernutzungsrecht ist — zumindest für das Grund-buchamt - nicht möglich, da dieses Inhalt eines Sonder-eigentums ist und nicht losgelöst von diesem existieren kann62. Es bestehen auch Bedenken, ob es dem hypotheti-schen Willen der Beteiligten noch entspricht, das nichtige Teileigentumsrecht in eine beschränkte persönliche Dienst-barkeit zugunsten des Nichtwohnungseigentümers63 und zu

56 BGHZ 73, 145 = DNotZ 1979, 168 m.Anm. Ertl = NJW 1979, 548 = Rpfleger 1979, 57 = MittBayNot 1978, 206. Dazu auch Merle Rpfleger 1978, 86; Noack Rpfleger 1976, 193; Ertl Rpfleger 1979, 81.

57 Weitnauer WEG § 10 Rdnr. 14a; § 15 Rdnr. 25. 58 Weitnauer WEG § 10 Rdnr. 14a. 59 Röll, Teilungserklärung und Entstehung des Wohnungseigen-

tums, 5.52. 60 BayObLG DWEigt 1981, 27; 1984,30; Weitnauer WEG § 5 Rdnr. 2a;

§ 15 Rdnr. 25; Röll, FS Seuß, S. 236. 61 Röll, FS Seuß, S. 236. 62 Röll, Teilungserklärung und Entstehung von Wohnungseigentum,

S. 20. 63 Dazu Röll, FS Seuß, S. 236.

MittBayNot 1990 Heft 1 15

Page 16: des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der

Lasten des Gemeinschaftseigentums umzudeuten, auch wenn beide Rechtsfiguren den Gebrauch von Eigentum ge-statten. Denkbar wäre auch eine Umdeutung in ein lang-fristiges Mietverhältnis. Die beschränkte persönliche Dienstbarkeit — und schon gar nicht das langfristige Miet-verhältnis — entspricht mit ihrem gesetzlichen Inhalt objek-tiv nicht, auch nicht wenigstens weitgehend, den Erforder-nissen und dem wirtschaftlichen Ergebnis des mit dem (nichtigen) Teileigentumsrecht Gewollten. Auch wäre dann fraglich, welchem Sondereigentum der isolierte Miteigen-tumsanteil des nichtigen Teileigentumsrechts zugeordnet werden kann — im Verhältnis der Miteigentumsanteile (wohl im Zweifel) oder nach der Zahl der Sondereigentumsrechte oder nur einem Wohnungseigentümer. Die Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens bereitet Schwierigkeiten und kann nicht zu einem den Anforderungen des Grundbuchver-kehrs an Klarheit und Bestimmtheit entsprechenden ein-deutigen Ergebnis führen. Bei solchen unklaren Verhält-nissen ist es nicht mehr Aufgabe des Grundbuchamts64,

eine Umdeutung der Grundbucherklärungen vorzunehmen. Eine Würdigung dieser Erklärungen ohne Beweisaufnahme wäre nicht möglich, kann— wie aufgezeigt — nur zu Mut-maßungen oder zu Unterstellungen führen, denen eine aus-reichende tatsächliche Grundlage fehlt. Materiell-rechtlich` aber bleibt die Teilungserklärung bzw. Teilungsvereinbarung hinsichtlich des Wohnungseigentums bestehen65, der ge-samte Gründungsakt ist umzudeuten, nur eben nicht vom Grundbuchamt.

5. Isolierter Miteigentumsanteil

Nach sachenrechtlichen Grundsätzen kann niemandem gemeinschaftliches Eigentum ohne seine Mitwirkung auf-gedrängt werden66, auch gibt es keine — rechtsgeschäft-lich begründeten67 — Miteigentumsanteile ohne Sonder-eigentum und auch kein Sondernutzungsrecht ohne Mit-eigentumsanteil und dazu gehörendem Sondereigentum. Sondereigentum und Miteigentumsanteil sind untrennbar miteinander verbunden und können nur als Einheit in einem besonderen Grundbuchblatt eingetragen werden68. Schei-tert die Begründung des Teileigentums, so kann es auch nicht mit Beschränkung auf den vorgesehenen Miteigen-tumsanteil entstehen. Außerdem ist auch ein Nebeneinander

64 OLG Hamm Rpfleger 1957, 117; BayObLG 1953, 33 = DNotZ 1954, 30 = Rpfleger 1954, 45; Staudinger/Ertl § 873 Rdnr. 138; Meikel/ Böhringer Ein[. G Rdnr. 135, 136.

65 -. Röll, FS Seuß, S.- 236. 66 BayObLG MittBayNot 1988, 35.

67 BGH Fn. 11.

68 BayObLGZ 1970, 166; OLG Hamm Fn. 9.

von „gewöhnlichem" Miteigentum und dem besonders gestalteten Miteigentum nach dem WEG ausgeschlossen69.

Wird in unserem Problemfall das nichtige Teileigentum in Sondernutzungsrechte der Wohnungseigentümer umgedeu-tet, so sind die Miteigentumsanteile der bisherigen Teil-eigentumsrechte isoliert. Jeder mit dem Teileigentumsrecht verbundene Miteigentumsanteil ist als Folge der Umdeu-tung dem Miteigentumsanteil, der mit dem Wohnungseigen-tum verbunden ist, zuzuschreiben. Für diese Bestandteils-zuschreibung nach § 890 Abs. 2 BGB gilt das gleiche wie für die Vereinbarung von mit Sondereigentum verbundenen Mit-eigentumsanteilen7°. Da die Bestandteilszuschreibung wegen der Wirkungen des § 1131 BGB die Pfanderstreckung von Rechten in Abt. 111 des Grundbuchs überflüssig macht, der Übersichtlichkeit des Grundbuchs dient und zudem erhebliche Kosten erspart, ist dieser Weg vorzuziehen. Das Grundbuchamt hat aber § 6 GBO zu beachten.

Besitzt ein Nichtwohnungseigentümer den sondereigen-tumslosen Miteigentumsanteil, so scheidet — wie darge-legt — eine Umdeutung der Verfahrenserklärungen durch. das Grundbuchamt aus. Der isolierte Miteigentumsanteil wächst den anderen Miteigentümern nicht entsprechend § 738 Abs. 1 BGB zu, da sie nicht gesamthänderisch ver-bunden sind. Alle Miteigentümer sind aufgrund des Gemein-schaftsverhältnisses verpflichtet, den "Gründungsakt so zu ändern, daß keine isolierten Miteigentumsanteile bestehen bleiben71. Der isolierte Miteigentumsanteil muß auf einen oder mehrere andere Wohnungseigentümer übertragen werden (§§ 873, 925 BGB), im Zweifel auf alle anderen im Ver-hältnis ihrer Miteigentumsanteile. Diese verbinden dann jeweils ihren bereits vorhandenen Miteigentumsanteil mit dem erworbenen Anteil durch Vereinigung oder Bestand-teilszuschreibung, § 890 BGB.

C. Fazit:

1. Werden für Kfz-Stellplätze im Freien Teileigentumsgrund-bücher angelegt, so handelt es sich insoweit um inhalt-lich unzulässige Eintragungen.

2. Grundbucherklärungen müssen vom Grundbuchamt von Amts wegen umgedeutet werden, wenn die vorgelegten Urkunden eine abschließende Würdigung gestatten und eine Beweisaufnahme nicht stattzufinden braucht.

69 BayObLGZ 1970, 166; OLG Hamm Fn. 9.

70 MünchKomm/Röll WEG Rdnr. 33 vor § 1; Bärmann/Pick/Merle WEG § 3 Rdnr. 49.

71 „Dingliche Verstrickung`; BGH Fn. 11 (dort. auch wegen des Ent-gelts für die Übertragung); MünchKomm/Röll WEG § 5 Rdnr. 35a; Röll, Teilungserklärung und Entstehung des Wohnungseigen-tums, S. 51, 52.

16 MittBayNot 1990 Heft 1

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IIL

Buchbesprechungen

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Wahl, Vertragliche Versorgungsrechte in Übergabeverträgen und sozialrechtliche Ansprüche. Jur. Dissertation, Rehau 1988, 313 Seiten.*

Herr Kollege Wahl hat sich mit einer Arbeit promoviert, der das bei juristischen Dissertationen eher seltene Verdienst gebührt, nicht nur von wissenschaftlichem Interesse, son-dern auch von praktischem Nutzen zu sein — Anlaß genug, sie an dieser Stelle kurz vorzustellen.

Das alle Sozialleistungssysteme beherrschende Span-nungsfeld zwischen sozialer Solidarität einerseits und selbstbestimmender Eigenverantwortung andererseits wird für das gesamte Sozialrecht exemplarisch in § 1 BSHG um-schrieben, wonach es Aufgabe der Sozialhilfe sei, die Führung eines der Menschenwürde entsprechenden Lebens zu ermöglichen und den Hilfeempfänger unter eigener Mit-wirkung soweit wie möglich zu befähigen; unabhängig von der 'Sozialhilfe zu leben. In dieses Spannungsfeld gerät der Notar nahezu tagtäglich, wenn es bei der Gestaltung von Übergabeverträgen um das Verhältnis von vertrag-lichen Versorgungsrechten zu sozialrechtlichen Ansprüchen geht.

Die vorgelegte Arbeit untersucht dieses Verhältnis in jenen Bereichen des Sozialrechts, die in ihren Voraussetzungen oder nach Inhalt und Zweck eine Affinität zu vertraglichen Versorgungsrechten haben können (Kranken- und Unfallver-sicherung, Altersrente, Leistungen nach dem Arbeitsförde-rungsgesetz und Bundesversorgungsgesetz, Sozialhilfean-sprüche) und berücksichtigt dabei nicht nur die Interessen-sphären der Vertragsteile und des Sozialleistungsträgers, sondern auch die der Geschwister des Übernehmers. Dabei zeigt sich, daß tendenziell dort, wo die gewährte Sozial-leistung überwiegend durch Beiträge des Leistungsempfän-gers erkauft ist (etwa bei der Kranken- und Rentenversiche-rung oder beim Arbeitslosengeld) oder einem besonderen Ausgleichszweck dient, mit dem sich eine Verweisung auf anderweitige Versorgung nicht verträgt (so bei der Unfallver-sicherung oder bei Teilen der Versorgung nach dem BVG, insbesondere der Grundrente) Einkommen und Vermögen des Leistungsempfängers unberücksichtigt bleiben; dort aber, wo die Allgemeinheit ganz oder überwiegend für die Leistungen aufkommen muß und der Leistungsumfang sich nach dem individuellen Bedarf richtet (so etwa bei der Aus-gleichsrente, der Heil- und Krankenbehandlung und den son-stigen Hilfen im Einzelfall nach dem BVG sowie bei der Sozialhilfe) besteht die Tendenz der Verweisung auf andere Versorgung, also auch auf Altenteilsleistungen aus Über-gabeverträgen.

Bezugsquelle: siehe VIII in diesem Heft S. 72.

MittBayNot 1990 Heft 1

Der Ausfall nachrangiger Sozialleistungen bei sozial-leistungsidentischer Bedarfsdeckung durch vertragliche Versorgungsrechte bzw. die Ausschöpfung solcher Versor-gungsrechte durch den Sozialleistungsträger ist in der nota-riellen Praxis und im Bewußtsein der Bevölkerung von be-sonderer Bedeutung im Bereich der Sozialhilfe (siehe hierzu zuletzt Schute, Der Nachrang der Sozialhilfe gegenüber Möglichkeiten der Selbsthilfe und Leistungen von dritter Seite, NJW 1989, 1241 ff.). So wird von den Vertragsteilen nahezu regelmäßig - bei landwirtschaftlichen Übergaben häufig nach entsprechenden Hinweisen des Bauernverban-des — befürchtet, die vertragliche Vereinbarung von Wart und Pflege führe zum vollständigen Wegfall des Anspruchs auf Pflegegeld nach § 69 Abs. 2 BSHG. Die Dissertation bestätigt, daß Leistungen von Wart und Pflege zwar zur Auf-wandsersparnis führen und damit als sozialhilferechtliche Einkünfte anzurechnen seien, das Pflegegeld aber - ent-sprechend der Praxis der Sozialhilfeverwaltung — in der Regel nur um die Hälfte zu kürzen sei. Die Untersuchung beschäftigt sich_ desweiteren auch mit der in der Praxis ebenfalls gefürchteten Überleitung des Rückforderungsan-spruchs des Schenkers nach § 528 BGB auf die Sozialhilfe-verwaltung und gelangt dabei zu dem Ergebnis, daß dieser Rückforderungsanspruch zum einen wegen Unteilbarkeit der Grundstücksschenkung von vornherein nur auf einen der Bedürftigkeit des Schenkers entsprechenden Geldbetrag gerichtet sei und zum anderen der Übernehmer, insbeson-dere bei landwirtschaftlichen Anwesen, die Einrede eigenen Notbedarfs (§ 529 Abs. 2 BGB) erheben könne.

In diesem Zusammenhang sei auch auf die erst nach Ab-schluß der Dissertation veröffentlichte Entscheidung des OVG Münster NJW 1988, 1866 ff. hingewiesen, wonach der Anspruch nach § 528 BGB auch dann nicht übergeleitet werden könne, wenn der geschenkte Gegenstand in der Hand des Schenkers zum Schonvermögen nach § 88 Abs. 2 und Abs. 3 BSHG gehört hätte; dem Sozialamt dürfe durch die Überleitung nicht mehr an Ersatz zufließen, als es er-spart hätte, wenn der geschenkte Gegenstand zur Zeit der Hilfegewährung noch in der Hand des Bedürftigen gewesen wäre (zum Regreß des Sozialhilfeträgers nach landwirt-schaftlichen Übergaben: siehe neuerdings Plagemann, AgrarR 1989, 85 ff.).

In der seine Arbeit abschließenden Untersuchung der sozial-rechtsspezifischen Grenzen der Vertragsgestaltung gelangt der Autor allgemein zu dem Ergebnis, daß die Subsidiarität negierende Vertragsgestaltungen zwar nur in seltenen Fäl-len dem Verdikt der Sittenwidrigkeit und damit Nichtigkeit anheimfallen werden, häufiger jedoch der Inhalt von Alten-teilsvereinbarungen, beispielsweise durch gesetzliche Fik-tion angemessener Gegenleistungen und deren Anrech-

17

Page 18: des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der

iv. Rechtsprechung

A.

Bürgerliches Recht

1. BGB §§ 175, 276 (Widerruf einer von mehreren Vollmacht-gebern erteilten. Voltmacht)

a) Widerruft nur einer von mehreren Vollmachtgebern die in einer Urkunde erteilte Vollmacht, so kann er nicht Rückgabe, sondern nur die Vorlage der Urkunde verlangen, um einen entsprechenden Vermerk auf ihr anzubringen.

b) Eine positive Vertragsverletzung kann auch dann noch begangen werden, nachdem die Bedingung, von deren Ein• tritt die Wirkung des abgeschlossenen Vertrages abhängt, endgültig ausgefallen ist.

BGH, Urteil vom 29.9.1989 — V ZR 198187 — mitgeteilt von D. Bundschuh, Richter am BGH

Aus dem Tatbestand:

Die Kläger sind die in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ver-bundenen Eigentümer eines Grundstücks in M. An diesem Grund-stück war für einen Dritten ein Erbbaurecht bestellt, das mit einem dinglichen Vorkaufsrecht der Kläger belastet war.

Mit notariellem Vertrag vom 28.7.1983 kaufte die Beklagte von den Klägern das Grundstück und von dem Erbbauberechtigten das Erb-baurecht. Der Erwerb stand unter der Bedingung, daß die Beklagte bis zum 15.9.1983 dem jeweiligen Verkäufer eine Bankbürgschaft zur Sicherung des jeweiligen Kaufpreises vorlegt. Die Verkäufer bevoll-mächtigten die Beklagte, an dem Grundstück und am Erbbaurecht Grundpfandrechte zu bestellen.

Am 15.9.1983 teilte die Beklagte beiden Verkäufern mit, nur das Erb-baurecht erwerben zu wollen. Sie stellte nur dem Erbbauberechtigten die Bürgschaft. Dem traten sowohl die Kläger als auch der Erbbau-berechtigte entgegen. Die Beklagte bestand jedoch insoweit auf Erfüllung des Kaufvertrages. Daraufhin beauftragten die Kläger noch am selben Tag einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Inter-essen. Außerdem widerriefen sie die erteilte Belastungsvollmacht und forderten die Beklagte — vergebens — zur Rückgabe des ent-sprechenden Teils der Kaufvertragsurkunde auf. Nachdem in den sich anschließenden Verhandlungen eine Einigung nicht hatte erzielt werden können, die Beklagte den Notar vielmehr angewiesen hatte, den Antrag auf Eintragung der Auflassungsvormerkung für das Erbbaurecht beim Grundbuchamt zu stellen, übten die Kläger am 28.9.1983 ihr Vorkaufsrecht aus. Daraufhin nahm der Notar seinen Eintragungsantrag zurück.

Die Kläger verlangen von der Beklagten Ersatz der bezahlten vor-prozessualen Anwalts- und Notarkosten in Höhe von insgesamt 25.430,10 DM nebst Zinsen und Freistellung von weiteren Kosten in Höhe von 30.042,— DM.

Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 32.227,80 DM nebst Zinsen stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Klage abge-wiesen und die gegen die Teilabweisung der Klage gerichtete Anschlußberufung der Kläger zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihren Klageanspruch weiter. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Aus den Gründen:

I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Klage sei-aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

II. Entgegen der Annahme der Revision steht den Klägern ein Anspruch auf Ersatz ihrer Kosten auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Verzuges wegen unterlassener Rück-gabe der Vollmachtsurkunde zu. Dabei kann auf sich be-ruhen, ob dem Berufungsgericht darin zu folgen ist, daß alle Kosten auch bei Herausgabe der Vollmachtsurkunde ent-standen wären oder ob (und ggf. inwieweit) hier eine — anspruchsbegründende — Doppelkausalität gegeben ist, oder schließlich, ob — wie die Revision geltend macht -die vollen Kosten allein schon durch die Weigerung der Be-klagten, die Vollmachtsurkunde herauszugeben, entstanden waren und das spätere Verhalten den einmal begründeten Schadensersatzanspruch nicht mehr zu beeinflussen ver-mochte (vgl. BGHZ 29, 207, 215). Ein Schadensersatz-anspruch wegen Nichtrückgabe der Vollmachtsurkunde kommt jedenfalls deswegen nicht in Betracht, weil die Beklagte zur Herausgabe nicht verpflichtet war. Diese Urkunde enthält nämlich in demselben Satz nicht nur die Bevollmächtigung durch die Kläger, sondern auch eine solche durch den Erbbauberechtigten. Da diese Vollmacht aber nicht widerrufen worden war, hatte die Beklagte ein berechtigtes Interesse an dem weiteren Besitz der Urkunde. In einem solchen Fall kann ein Vollmachtgeber nicht die Rückgabe, sondern nur die Vorlage der Urkunde verlangen, um einen entsprechenden Vermerk auf ihr anzubringen (MünchKomm/Thiele, BGB 2. Aufl. § 175 Rdnr. 2; BGB-RGRK/ Steffen 12. Aufl. § 175 Rdnr. 1; Staudinger/Dilcher, BGB 12. Aufl. § 175 Rdnr. 4; Erman/Brox, BGB 7. Aufl. § 175 Rdnr. 2; Soergel/Leptien, BGB 12. Aufl. § 175 Rdnr. 2). Daß die Kläger auch ein dahingehendes Verlangen gestellt hätten und die Beklagte dies abgelehnt hätte, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.

Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht jedoch auch einen Anspruch aus positiver Vertragsverletzung. Für einen solchen Anspruch besteht nicht schon deswegen keine Grundlage, weil mangels Nichteintritts der vereinbarten aufschiebenden Bedingung kein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen ist. Denn auch bedingte Vertragsver-hältnisse begründen während des Schwebezustandes gegenseitige Treuepflichten, deren Verletzung einen Scha-densersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung recht-fertigen kann (BGHZ 90, 302, 308). Wenn aber durch den Abschluß eines aufschiebend bedingten Vertrages Bindun-gen schon vor Eintritt der Bedingung entstehen, die beide Parteien verpflichten, sich während des Schwebezustandes vertragstreu zu verhalten und dafür zu sorgen, daß den Be-

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langen des anderen Teils Rechnung getragen wird, ist es nur konsequent, auch ab Beendigung des Schwebezustandes diejenigen Grundsätze anzuwenden, die sonst für die Zeit nach der Abwicklung (BGHZ 16, 4, 10; 61, 176, 179) oder nach dem Scheitern eines Vertrages (BGH Urt. v. 3.10.1962, VIII ZR 34/62, NJW 1962, 2198) aufgestellt worden sind und eben-falls zu einer Schadensersatzpflicht führen können. Sie lauten dahin, daß auch in diesem Stadium nach Treu und Glauben im Rahmen des zumutbaren noch gewisse „nach-vertragliche" Handlungs- und Unterlassungspflichten be-stehen können, damit dem Vertragspartner nicht unverhält-nismäßige Schäden aus dem Vertragsabschluß erwachsen oder der Vertragszweck nachträglich weder vereitelt noch gefährdet wird.

Die Beklagte hat diese nachwirkende Treuepflicht dadurch verletzt, daß sie den Notar anwies, den Antrag auf Eintra-gung der Auflassungsvormerkung am Erbbaurecht beim Grundbuchamt einzureichen. Da der Kauf des Grundstücks und der Kauf des Erbbaurechts nach dem Willen der Par-teien eine Einheit bilden sollte, war der Beklagten als ver-tragsschließender Partei bewußt, daß mit der Nichterfüllung der Bedingung für den Kauf des Grundstücks auch der Kauf des Erbbaurechts hinfällig geworden war. Indem sie den-noch auf der Vollziehung des einen Vertragsteils bestand, hat sie den Boden des abgeschlossenen Vertrages verlas-sen und den mit dem einheitlichen Verkauf von Grundstück und Erbbaurecht verfolgten Zweck nachträglich. gefährdet. Die Weisung an den Notar lief zugleich darauf hinaus, den Klägern durch die gewünschte Eintragung der Auflassungs-vormerkung unverhältnismäßigen Schaden zuzufügen. Auch wenn in der Weisung nur ein Ersuchen auf Vornahme einer Amtshandlung (§ 53 BeurkG) zu sehen ist (Keide//Kuntze/ Wink/er, BeurkG 12. Aufl. Einleitung Rdnr. 29), so hatte sie doch zur Folge, daß der Notar den Antrag im Hinblick auf die ihm bekannten Verhandlungen der Parteien nicht mehr zurückhalten konnte. Auch eine gegenläufige Weisung der Kläger hätte ihn nicht von der Einreichung des Antrags ab-halten können (Keide//Kuntze/Wink/er a. a. 0. § 53 Rdnr. 19; Jansen, FGG 2. Aufl. BeurkG § 53 Rdnr. 17).

Entgegen der Annahme der Revisionserwiderung handelte die Beklagte dabei nicht in unverschuldetem Rechtsirrtum. Die gewollte Einheit zwischen dem Kauf des Grundstücks und dem des Erbbaurechts war eine Tatsachen- und nicht eine Rechtsfrage, so daß die Beklagte der Rechtsansicht ihres Anwalts nicht vertrauen durfte.

Daß die Kläger in der gegebenen Situation einen Anwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragen durften, ist nicht zweifelhaft. (Wird ausgeführt.)

2. BGB §§ 463 Satz 2, 251 Abs. 1; WEG §§ 1 Abs. 2, 16 Abs. 2 (Nur anteiliger Schadensersatz für den Käufer einer Eigen-tumswohnung bei Minderwert des Gemeinschaftseigen-tums)

Verschweigt der Verkäufer einer Eigentumswohnung arg-listig einen Fehler des gemeinschaftlichen Eigentums (hier: Mängel der Heizungsanlage), so kann der Käufer nach § 463 Satz 2 BGB im Rahmen des „kleinen" Schadensersatzes nicht den gesamten Minderwert des Gemeinschaftseigen-tums ersetzt verlangen, sondern grundsätzlich nur den Bruchteil, der dem gekauften Sondereigentum an dem

gemeinschaftlichen Eigentum zugeordnet ist (§ 1 Abs. 2 WEG). Dies gilt auch dann, wenn der Minderwert anhand der erforderlichen Reparaturkosten berechnet wird,

BGH, Urteil vom 23.6.1989 - V ZR 40/88 - mitgeteilt von D. Bundschuh, Richter am BGH

Aus dem Tatbestand:

Die Beklagte veräußerte in den Jahren 1980 bis 1984 89 in Eigen-tumswohnungen umgewandelte Mietwohnungen einer im Jahre 1965 im sozialen Wohnungsbau errichteten Wohnanlage in B. Eine der Wohnungen erwarben die Kläger mit notariellem Kaufvertrag vom 3.5.1984 zum Preis von 126.800 DM. Ihr Vertrag enthält ebenso wie alle anderen vor demselben Notar beurkundeten Verträge in § 2 Abs. 2 folgende Bestimmung:

„Beschaffenheit und Ausstattung des Kaufgegenstandes sind dem Käufer bekannt. Die Verkäuferin übernimmt keine Gewähr für Größe, Güte und Beschaffenheit der hier verkauften Eigentumswohnung, weder hinsichtlich der im Sondereigentum noch hinsichtlich der im Gemeinschaftseigentum stehenden Gebäudeteile und des Grund-stücks"

Der Vertrag enthält keine Verpflichtung der Beklagten zur Vornahme von Arbeiten. Die Wohnung wurde den Klägern am 1.6.1984 über-geben.

Bei Abschluß der nach dem 28.10.1983 beurkundeten Verträge wußte die Beklagte von Mängeln der Heizungsanlage, insbesondere von Schäden der unter den beiden Öltanks befindlichen Auffangwannen. Sie offenbarte diese Mängel den Klägern und weiteren Erwerbern nicht.

Mit Mehrheitsbeschluß „bevollmächtigten und ermächtigten" die 'Wohnungseigentümer im Februar 1985 die Kläger, „sämtliche Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum ,Sanierung der Öltank-Lager-räume' einschließlich Schadenersatz auch für die Wohnungseigen-tümergemeinschaft geltend zu machen und durchzusetzen".

Dem Beschluß stimmten insbesondere die Wohnungseigentümer zu, die ihr Wohnungseigentum nach dem 28.10.1983 erworben haben.

Die Kläger haben von der Beklagten Mängelbeseitigungskosten in Höhe von ursprünglich 31.326,90 DM als Schadensersatz geltend gemacht, und zwar in erster Linie aus eigenem Recht, hilfsweise auf-grund der Ermächtigung der Wohnungseigentümergemeinschaft.

Das Landgericht hat die zur Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten mit 20.034,38 DM ermittelt und die Beklagte insoweit zur Zah-lung verurteilt. Das Kammergericht hat die Zahlungsverpflichtung der Beklagten auf 3.606,19 DM ermäßigt.

Die zugelassene Revision der Kläger blieb ohne Erfolg

Aus den Gründen:

1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts können die Klä-ger und diejenigen Erwerber, die ihr Wohnungseigentum nach dem 28.10.1983 erworben haben, von der Beklagten gem. § 463 Satz 2 BGB Schadenersatz wegen arglistigen Verschweigens von Mängeln an der im Gemeinschaftseigen-tum stehenden Heizungsanlage verlangen. Den Wohnungs-eigentümern, die ihre Wohnung vorher gekauft haben, stünden Gewährleistungsansprüche nicht zu, da sich die Beklagte ihnen gegenüber wirksam freigezeichnet habe. Der Höhe nach sei der Schadensersatzanspruch auf den Teil-betrag der zur Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten begrenzt, der den Miteigentumsanteil der Kläger und der-jenigen Wohnungseigentümer, die nach dem 28.10.1983 gekauft haben, entspreche.

Il. Hiergegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.

1. Ansprüche der Kläger aus eigenem Recht

a) Die Kläger sind zur Geltendmachung ihres eigenen Scha-densersatzanspruchs befugt. Für das Werkvertragsrecht hat der Bundesgerichtshof ausgesprochen, daß die Wohnungs-

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eigentümer nur als Wohnungseigentümergemeinschaft bestimmen können, ob wegen Mängeln am Gemeinschafts-eigentum Minderung oder „kleiner" Schadensersatz, der hier verlangt wird, gefordert werden solle. Wegen der Gemeinschaftsbezogenheit könnten diese „sekundären" Gewährleistungsrechte nur einheitlich und damit gemein-schaftlich ausgeübt werden (BGHZ 74, 258, 263 ff. [= Mitt-BayNot 1979, 153]; 81, 35, 37; BGH Urt. v. 4.11.1982, VII ZR 53/82, NJW 1983, 453 = WM 1983, 68 [= MittBayNot 1983, 116 = DNotZ 1984, 99]). Ob,dieser Rechtsprechung auch für die Gewährleistungsansprüche aus Kaufrecht zu folgen wäre, kann offenbleiben. Denn die Wohnungseigentümer haben hier durch nicht angefochtenen Beschluß die Kläger „bevoilmächtigt und ermächtigt", Schadensersatzansprü-che auch für die Gemeinschaft gerichtlich durchzusetzen. Das würde selbst nach der Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofes zum Werkvertragsrecht die Sachbefugnis der Kläger rechtfertigen (vgl. BGHZ 74, 258, 267).

b) Den Klägern steht ein eigener Anspruch auf ScI adens-ersatz wegen Mängeln am gemeinschaftlichen Eigentum in Höhe ihres Miteigentumsanteils (6.233/1.000.000) zu.

aa) Zutreffend hat das Berufungsgericht den geltend ge-machten Anspruch der Kläger nach Kaufrecht beurteilt. Die Kläger - und die übrigen Erwerber - haben eine bereits 1965 fertiggestellte Eigentumswohnung erworben. Die Um-wandlung der im Jahre 1965 im sozialen Wohnungsbau errichteten Anlage in Eigentumswohnungen hat nach der tatrichterlichen Feststellung keine Herstellungspflichten der Beklagten im Sinne der §§ 631, 633 BGB ausgelöst. Die vom Bundesgerichtshof beim Kauf einer neu errichteten, im Bau befindlichen oder erst zu errichtenden Eigentumswoh-nung für notwendig gehaltene Anwendung der Werkvertrags-vorschriften entfällt daher (vgl. BGHZ 68, 372, 374 [= Mitt-BayNot 1977, 110 = DNotZ 1977, 618]; 98, 100, 107 f. [= Mitt-BayNot 1986, 246 = DNotZ 1987, 92]; 101, 350, 352 f.; 100, 391, 396 [= MittBayNot 1987, 190 = DNotZ 1987, 681]; Urt. v. 21.4.1988, VII ZR 146187, WM 1988, 1028, 1029 [= MittBayNot 1988, 173 = DNotZ 1989, 299]).

bb) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht die Voraus-setzungen des § 463 Satz 2 BGB hinsichtlich der Kläger - und der Wohnungseigentümer, die ihre Wohnung nach dem 28.10.1983 gekauft haben -, dem Grunde nach bejaht. Auch die Beklagte stellt das Vorliegen einer arglistigen Täuschung in der Revisionsinstanz nicht mehr in Frage.

c) Dem Anspruch der Kläger - und der Erwerber, die ihre Wohnung nach dem 28.10.1983 gekauft haben - steht nicht der Gewährleistungsausschluß nach § 2 Abs. 2 des Ver-trages entgegen (§ 476 BGB).

d) Der Anspruch der Kläger aus § 463 Satz 2 BGB ist auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gerichtet. Der Käufer kann verlangen, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn der arglistig verschwiegene Fehler bei Gefahrübergang nicht vorhanden gewesen wäre (vgl. Soerge//Huber, BGB 11. Aufl. § 463 Rdnr. 38; MünchKomm/H. P. Westermann, § 463 Rdnr. 19). Das bedeutet nicht, daß er Mängelbeseiti-gung in Natur, d. h. Herstellung der fehlenden Eigenschaft, verlangen könnte; denn der primäre Erfüllungsanspruch ist ausgeschlossen und einen Nachbesserungsanspruch im Sinne des § 633 BGB kennt das gesetzliche Kaufrecht nicht (vgl. BGB-RGRK/Mezger, 12. Aufl. § 463 Rdnr. 13). Daher sind die Grundsätze zur Haftung des Bauträgers für Baumängel des Gemeinschaftseigentums nach Werkvertragsrecht (vgl.

BGHZ 74, 258, 263 f.; BGH Urt. v. 21.2.1985, VII ZR 72/84, NJW 1985, 1551, 1552 re. Sp. unter a [= MittBayNot 1985, 116 = DNotZ 1985, 622]) nicht anzuwenden.

Dem Käufer stehen zur Schadensberechnung zwei Möglich-keiten offen: Er kann den Kaufgegenstand zurückweisen und Ersatz des gesamten ihm durch die Nichterfüllung des Ver-trages entstandenen Schadens verlangen - „großer Scha-densersatz" - oder die fehlerhafte Sache behalten und den Minderwert liquidieren - „kleiner" Schadensersatz - (BGHZ 96, 283, 287 [= MittBayNot 1986, 72 = DNotZ 1986, 284]; MünchKomm/H.P. Westermann, § 463 Rdnrn. 20 ff. m. w. N.). Dieser letztgenannte („kleine") Schadensersatz zielt auf den Wertunterschied zwischen der mangelfreien und der mangelhaften Sache (BGB-RGRK/Mezger, a. a. 0.).

Handelt es sich - wie hier - um Mängel des gemein-schaftlichen Eigentums, so verteilt sich der insgesamt entstandene Minderwert auf die einzelnen Wohnungseigen-tümer, und zwar nach Maßgabe des jeweiligen. Anteils am Gemeinschaftseigentum; denn die Summe der jeden einzel-nen Miteigentümer treffenden Schäden (Minderwert) kann nicht größer sein als der am gemeinschaftlichen Eigentum insgesamt entstandene Minderwert. Für das Miteigentum nach Bruchteilen hat in diesem Sinne schon das Reichs-gericht entschieden, daß der Verkäufer eines Anteilsrechts, wenn nichts anderes vereinbart ist, nach den §§ 459 ff. BGB für Sachmängel nur zu seinem rechnungsmäßigen Anteil haftet (RG SeuffArch 82 Nr. 174 = HRR 1928 Nr. 1799). Für das Wohnungseigentum als besonders ausgestaltetes Bruchteilseigentum (§ 1 Abs. 2, § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1 WEG) gilt, wenn nur das Gemeinschaftseigentum betroffen ist, nichts anderes (a. A. Doerry, Anm. LM Wohnungseigen-tumsG § 21 Nr. 7).

Der Käufer kann allerdings - wie die Kläger dies hier tun - im Rahmen des „kleinen" Schadensersatzes den Minder-wert anhand der zur Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten berechnen (Senatsurt. v. 9.10.1964, V ZR 109/62, NJW 1965, 34, 35 = WM 1964, 1249; BGH Urt. v. 26.1.1983, VIII ZA 227/81, NJW 1983, 1424, 1425). Dabei ändert sich aber-grund-sätzlich nichts am gedanklichen Ansatz oder an den daraus zu ziehenden Folgerungen. Es geht nicht etwa um die Minde-rung des Kaufpreises nach § 462 BGB, sondern um eine vereinfachte Form der Berechnung des mangelbedingten Minderwertes. Auch der so ermittelte Minderwert trifft jeden Miteigentümer nur anteilig,nach Maßgabe seines Anteils am gemeinschaftlichen Eigentum. Verändern kann sich dieser Schadensumfang im Rahmen der konkreten Schadensbe-rechnung allenfalls dann, wenn im Innenverhältnis eine von der Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossene Reparaturkostenumlage (§ 21 Abs. 5 Nr. 2, § 16 Abs. 2 WEG) nicht gegenüber allen Miteigentümern durchgesetzt werden kann und der ungedeckte Betrag von den übrigen Miteigen-tümern - wiederum anteilig - aufgebracht werden muß.

Die Richtigkeit der hier für das Kaufrecht vertretenen Lösung wird, wie die Revisionserwiderung mit Recht bemerkt, durch einen Blick auf die unhaltbaren Folgerungen bestätigt, die sich vom gegenteiligen Standpunkt aus ergäben. Hätte z. B. im vorliegenden Falle nur ein einziger Erwerber seinen Kauf-vertrag erst nach dem 28.10.1983 geschlossen - und wäre mithin nur er arglistig getäuscht worden -; so könnte er nach dieser Auffassung die gesamten Reparaturkosten selbst dann ersetzt verlangen, wenn diese ein Mehrfaches des Kaufpreises ausmachten und damit den Wert, den die Eigentumswohnung in fehlerfreiem Zustand gehabt hätte,

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weit überstiegen. Das kann nicht rechtens sein. Eine solche ausufernde Ersatzpflicht verstieße nicht zuletzt gegen den Rechtsgedanken des § 251 Abs. 2 BGB. Umgekehrt wird durch die Beschränkung seines Schadensersatzanspruchs der Käufer nicht unbillig benachteiligt, denn im Innenver-hältnis zu den anderen Wohnungseigentümern kann er durch einen Beschluß der Gemeinschaft nur verpflichtet werden, zu den Reparaturkosten in dem Umfang beizu-tragen, der seinem Anteil am gemeinschaftlichen Eigentum entspricht (§ 16 Abs. 2 WEG).

2. Ansprüche aus fremdem Recht der übrigen Wohnungs-käufer

a) Soweit die Kläger Ansprüche in gewillkürter Prozeßstand-schaft geltend machen, bestehen hiergegen keine prozes-sualen Bedenken. Die Wohnungseigentümer haben die Kläger durch Mehrheitsbeschluß (§ 21 Abs. 3 WEG; vgl. BGHZ 74, 258, 266 f.) zur Geltendmachung ihrer etwaigen Ansprüche im eigenen Namen ermächtigt. Das erforderliche eigene schutzwürdige Interesse der Kläger (vgl. Senatsurt. v. 2.10.1987, V ZR 182/86, WM 1987, 1406, 1407 f.) folgt daraus, daß die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zusteht (§ 21 Abs. 1 WEG). Die Beklagte wird durch die gewählte Art der Prozeßführung auch nicht unbillig benachteiligt; insbeson-dere liegt angesichts der internen Kostenzusage der Woh-nungseigentümer nichts dafür vor, daß die Durchsetzung entstehender Kostenerstattungsansprüche gefährdet wäre (vgl. Senatsurteil a. a. 0.). Ob und in welchem Umfang den übrigen Miteigentümern Ansprüche gegen die Beklagte zu-stehen, ist - entgegen der Auffassung des Berufungs-gerichts - nur eine Frage der Begründetheit der Klage. Das Senatsurteil vom 16.9.1964, V ZR 132/62, NJW 1964, 2296 f., kann für die Auffassung des Berufungsgerichts nicht heran-gezogen werden. Es hatte - anders als hier - Ansprüche zum Gegenstand, die ihrer Natur nach nicht abtretbar waren und auch anderen nicht zur Ausübung überlassen werden konnten.

b) Zu Recht hat das Berufungsgericht Schadensersatzan-sprüche derjenigen Erwerber, die ihr Wohnungseigentum vor dem 28.10.1983 von der Beklagten gekauft haben, verneint. Diesen Erwerbern steht ein Anspruch aus § 463 Satz 2 BGB nicht zu, weil sie nach den unangegriffenen tatrichterlichen Feststellungen nicht arglistig getäuscht worden sind.

Entgegen der Ansicht der Revision ist der Gewährleistungs-ausschluß wirksam:

aa) Dabei kann zugunsten der Kläger unterstellt werden, daß hier das AGB-Gesetz Anwendung findet (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AGBG; vgl. BGHZ 98, 100, 106 unter 1.; OLG München NJW 1981, 2472), wovon auch das Berufungsgericht ausgeht. Denn die Freizeichnung der Verkäuferin von ihren Gewähr-leistungspflichten ist auch dann nicht zu beanstanden.

bb) § 11 Nr. ,10 a AGBG ist hier nicht einschlägig. Nach die-ser Vorschrift ist eine Bestimmung, durch die bei Verträgen über Lieferungen neu hergestellter Sachen und Leistungen die Gewährleistungsansprüche gegen den Verwender insge-samt ausgeschlossen werden, nichtig. Um eine neu her-gestellte Sache im Sinne dieser Vorschrift handelt es sich vorliegend jedoch nicht. Nach der Rechtsprechung des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs kann allerdings auch die Umwandlung eines Altbaus in Eigentumswohnun-gen die Voraussetzungen von § 11 Nr. 10 a AGBG erfüllen. Voraussetzung ist aber, daß mit dem ,Verkauf" der Woh-

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nungen eine Herstellungspflicht des Veräußerers verbunden ist, die nach Umfang und Bedeutung mit der Neuherstel- lungspflicht vergleichbar ist (BGHZ 100, 391, 397 ff. m. w. N.; vgl. BGH Urt. v. 21.4.1988, VII ZR 146/87, WM 1988, 1028, 1029). Daran fehtl es hier.

cc) Der Gewährleistungsausschluß hält auch der Inhalts-kontrolle nach § 9 AGBG und § 242 BGB stand.

Die Gewährleistungsvorschriften sind dispositiv und lassen deshalb auch - wie § 476 BGB voraussetzt (vgl. auch § 11, Nr. 10 a AGBG) - einen Ausschluß der Sachmängelhaftung zu. Die Unwirksamkeit eines Gewährleistungsausschlusses käme dann in Betracht, wenn die gesetzlich zulässige Frei-zeichnung unangemessen wäre und zu einem mit Treu und Glauben nicht-mehr in Einklang stehenden Ergebnis führen würde (vgl. BGHZ 98, 100, 106 f.). Das ist beim Verkauf einer Eigentumswohnung in einem Altbau indes anders als bei einer neu hergestellten Wohnung nicht der Fall (BGHZ 62, 251, 254; 65, 359, 362 [= MittBayNot 1976, 21 = DNotZ 1976, 414]; 98, 100, 107). Die Rechtsprechung des Bundesgerichts-hofes zur Wirksamkeit von Gewährleistungsausschlüssen in Veräußerungsverträgen über neu errichtete, im Bau befind-liche oder noch zu 'errichtende Häuser oder Eigentumswoh-nungen (BGHZ 98, 100, 107 f.; 101, 350, 353 ff.; kritisch: Medi-cus, Zur gerichtlichen Inhaltskontrolle notarieller Verträge, Heft 2 der Schriften der Juristischen Studiengesellschaft Regensburg e. V., 1989) läßt sich weder auf den formular-mäßigen noch auf den „formelhaften" Gewährleistungs-ausschluß in Individualverträgen bei Altbauten ohne Her-stellungsverpflichtung übertragen (BGHZ 98, 100, 106 ff.; Palandt/Putzo, BGB 48. Aufl. Vorbem. vor § 459 Anm. 4 e aa und § 476 Anm. 2 f.; kritisch: Bunte, EWiR § 242 BGB 7186, 871).

dd) Sonstige Ansprüche sind nicht ersichtlich.

c) Für die Wohnungseigentümer, die ihre Kaufverträge mit der Beklagten nach dem 28. Oktober 1983 abgeschlossen haben, hat das Berufungsgericht zutreffend Schadens-ersatzansprüche nach § 463 Satz 2 BGB bejaht. Insoweit gelten die gleichen Überlegungen wie zugunsten der Kläger selbst (vgl. oben unter 111).

3. Zur Höhe der Klageforderung

Nach allem schuldet die Beklagte den Klägern und den anspruchsberechtigten Wohnungseigentümern nur Ersatz desjenigen Anteils_ am gesamten, durch die. Mängel der Heizungsanlage bedingten Minderwert der Wohnanlage, der der Summe ihrer Anteile an dem gemeinschaftlichen Eigen-tum entspricht. Diese Summe hat das Berufungsgericht unangegriffen mit 18% festgestellt. Demgemäß hat es die Beklagte zu Recht zur Zahlung von 3.606,19 DM verurteilt.

3. BGB § 419 (Keine Anwendung von § 419 BGB, wenn der Gläubiger an der Übernahme selbst mitgewirkt hat)

Wenn der Gläubiger an der. Vermögensübertragung selbst maßgeblich mitgewirkt hat, ohne für eine Sicherung seiner Forderung zu sorgen, ist § 419 BGB nicht anwendbar, weil es sich bei der Übernahme im Sinne dieser Vorschrift um einen dem Gläubigerwillen zuwiderlaufenden Vorgang handelt.

BGH, Urteil vom 20.9.1989 - IVa ZR 118/88 -

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Aus dem Tatbestand:

Der Kläger meint, die beklagten Eheleute müßten wegen Übernahme des Vermögens seiner Schwester deren Kostenschulden in Höhe von noch 15.704,72 bezahlen, für die er Kostenfestsetzungsbeschlüsse besitzt.

Der Kläger und seine Schwester sind testamentarische Erben ihrer Eltern. Sie wurden in Erbengemeinschaft als Eigentümer eines Nach-laßgrundstückes eingetragen. Dieses und eine dort betriebene Bäckerei waren Hauptbestandteile des Nachlasses. Nach der Tei-lungsanordnung der Eltern sollten die Schwester das Hausgrund-stück und der Kläger den Bäckereibetrieb erhalten. Beide prozessier-ten jahrelang gegeneinander wegen der Auseinandersetzung. Erst 1984/1985 gelang es, die wechselseitigen Ansprüche im Rahmen eines gerichtlichen Vergleiches und notarieller Vereinbarungen zu regeln. Die Schwester hatte jedoch schon am 18.2.1983 nach einem Urteil des Landgerichts, in dem festgestellt wurde, daß ihr das Allein-eigentum än dem Grundstück bei der Auseinandersetzung zu über-tragen sei, das Grundstück an die Beklagten auf Rentenbasis ver-kauft. Die beklagte Ehefrau ist ihre Stieftochter.

Dem gerichtlichen Vergleich vom 11.10.1984 traten die Beklagten und die Ehefrau des Klägers bei. Darin war nämlich unter anderem verein-bart, daß der Kläger-und seine Schwester in Erbengemeinschaft einerseits und die Beklagten andererseits die Auflassung bezüglich des Grundstücks mit der Maßgabe erklärten, daß das Eigentum von der Erbengemeinschaft unmittelbar auf die Beklagten übergehen sollte. Der Kläger erhielt für die Gewerberäume ein Dauernutzungs-und für seine Wohnung ein Dauerwohnrecht. Beides lösten die Be-klagten später ab. Wegen der in jenem Prozeß gegen seine Schwester festgesetzten Kosten betrieb der Kläger erfolglos die Zwangsvoll-streckung.

Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die Be-rufung der Beklagten ist zurückgewiesen worden. Mit der zugelasse-nen Revision erstreben die Beklagten weiterhin die Klageabweisung.

Aus den Gründen:

1. ... Es kann unterstellt werden, daß die Schwester des Klägers durch den Kaufvertrag und den Vergleich ihr wesent-liches Vermögen auf die Beklagten übertragen hat. Auch vom Bestehen der Gläubigerforderung im maßgeblichen Zeitpunkt kann ausgegangen werden (vgl. BGH Urteil vom 6.12.1974 — V ZR 86/73 — NJW 1975, 304 = LM BGB § 419 Nr. 29). Der Tatbestand des § 419 BGB ist aus einem anderen Grunde nicht gegeben.

2. Die Anwendung dieser Bestimmung scheitert daran, daß der Kläger selbst bei der - Vermögensübertragung maßgeb-lich mitgewirkt hat. Das hat er getan, ohne für eine Siche-rung der Forderung gegen seine Schwester zu sorgen.

a) Zwar sah die Teilungsanordnung der Eltern die Über-nahme des Hausgrundstücks durch seine Schwester vor. Auch ist dem Kläger zuzugeben, daß er zur Durchsetzung dieses Willens seiner Eltern mit seiner Schwester gemein-schaftlich verfügen mußte, § 2040 BGB. Er brauchte aber das Eigentum am Nachlaßgrundstück nicht direkt und nicht ohne Sicherungsmaßnahmen hinsichtlich seiner (etwaigen) Kostenforderungen auf die Beklagten zu übertragen. Der Kläger hatte wegen der Durchsetzung seiner eigenen Betei-ligung an der Erbschaft, die letztlich in Gestalt des Dauer-nutzungs- und des Dauerwohnrechts ihm auch eingeräumt worden ist, jahrelang prozessiert. Im Vergleich vom 11.10.1984 erklärte er unter II ausdrücklich alle übrigen Ansprüche mit besonderer und bewußter Ausnahme der noch ausstehenden Kostenregelung für erledigt. Hinsicht-lich dieser offenbleibenden Forderung hat er sich dennoch keine Sicherung vorbehalten.

b) Soweit zu übersehen, ist in der Rechtsprechung zu § 419 BGB bislang noch kein Fall entschieden worden, in welchem der Gläubiger selbst bei dem Übertragungsakt mitgewirkt hat. -

Das Reichsgericht hat allerdings schon frühzeitig erkannt, daß dann, wenn dem in §419 BGB geschützten Gläubiger-interesse bereits anderweitig Genüge geschehen ist, eine Anwendung dieser Bestimmung nicht mehr in Frage kommt. Es hat deshalb bei vorausgegangener Liquidation die An-wendung abgelehnt (RGZ 92, 77, 85 ff.). Der Bundesgerichts-hof hat in neuerer Zeit § 419 BGB als Ausnahmevorschrift bezeichnet und gegenüber einer ausdehnenden Anwendung deutliche Zurückhaltung erkennen lassen (BGHZ 62, 100, 102; 80, 296, 300).

Die Kritik des Schrifttums (Erman/H. P. Westermann, 7. Aufl. § 419 Rdnr. 1; MünchKomm/Mösche/, 2. Aufl. § 419 Rdnrn. 3 und 4; umfassend Schricker, JZ 1970, 265 A mit ein-gehendem - Nachweis auch von Dissertationen bis 1969 in Fn. 42; Kritik in späteren Dissertationen z. B.: Viotto, Köln 1970 S. 39 f. und 56 f., Brenner, Regensburg 1974 S. 82 ff. und 104 ff., Gördes, Bielefeld 1970 S. 80 ff., de Buhr, Bielefeld 1981 S. 3 ff. und 18 ff.; vgl. weiter Wilburg, Festschrift für Larenz 1973, S. 661 ff.; Eisemann, AcP 176 — 1976 — 487, 511 ff.; Lambsdorff/Lewental, NJW 1977, 1854, 1856 f.) reicht bis zu dem Vorschlag, den besonderen Gläubigerschutz des § 419 BGB völlig zu streichen (so z. B. Wilburg, a. a. 0. 671 und Lambsdorff/Lewental, a. a. 0. 1857). Art. 8 des 1988 vom Bundesministerium der Justiz vorgelegten. Entwurfes einer Insolvenzordnung sieht die Aufhebung des §.419 BGB vor (zur Begründung vgl. Entwurf S. B 322 ff.). -

c) § 419 BGB dient vorrangig dem Gläubigerschutz. Die Rechtfertigung für den Haftungsübergang liegt in dem Ge-danken, daß das Vermögen des Schuldners die natürliche Grundlage für diesem gewährte Kredite ist, daß da, wo die Vermögensmasse des Schuldners geblieben ist, dessen Gläubiger Befriedigung sollen suchen und finden können (h. M. im Anschluß an RGZ 69, 283, 288). Nach dem Sinn und Zweck des § 419 BGB soll dem Gläubiger sein Zugriffs-objekt erhalten bleiben (BGHZ 62, 100, 101; Urteil vom 9.3.1972 — III ZR 191/69 — BB 1972, 729); es geht um Ver-mögenswerte, die der Schuldner dem Gläubigerzugriff ent-ziehen will. Rechtsprechung und Schrifttum setzen demge-mäß immer voraus oder betonen sogar ausdrücklich, daß der in § 419 BGB als Übernahme des Vermögens bezeich-nete Vorgang für den Gläubiger den dauernden Entzug des Zwangsvollstreckungsobjektes mit sich bringt (vgl. z. B. BGHZ 66, 217, 219 [= MittBayNot 1976, 127 = DNotZ 1977, 24]; 80, 296, 300 f.; 83, 122, 128 [= MittBayNot 1982, 88]: „Ver-flüchtigung von Vollstreckungsobjekten"; Urteil vom 7.3.1985 — III ZR 90/83 — WM 1985, 866 unter II 2 „auf Dauer ent-zieht", so auch Urteil vom 20.3.1986 — IX ZR 88/85 — NJW 1986, 1985, 1988; MünchKomm/Mösche/, 2. Aufl. Rdnrn. 1 und 25; Soergel/Zeiss, 11. Aufl. Rdnr. 1; Palandt/Heinrichs, 48. Aufl. Anm. 1 a und 3 a; Jauernig/Stürner, 4. Aufl. Anm. 1).

Bei der Übernahme im Sinne von § 419 BGB handelt es sich demnach um einen dem Gläubigerwillen zuwiderlaufenden Vorgang. Gibt der Gläubiger aus freien Stücken das Haf-tungsobjekt selbst weg, dann kann von Entzug-keine Rede sein. Negatives Tatbestandsmerkmal des in § 419 BGB beschriebenen Vorganges ist, daß der Gläubiger nicht etwa freiwillig bei dem Übertragungsakt mitwirkt. Tut er das, dann begibt er sich des besonderen Schutzes dieser Ausnahme-vorschrift, dann ist für die Anwendung von § 419 BGB kein Raum mehr.

Der Gläubiger ist vor dem Erwerber aufgerufen, für seinen eigenen Schutz zu sorgen. Er ist „näher dran`. Wenn der Gläubiger selbst bei der Übertragung des Vermögensstückes

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beteiligt ist, dann ist ihm klar, daß jedenfalls dieses Ver-mögensstück nicht mehr Gegenstand etwaiger Voll-streckungsmaßnahmen wegen . seiner Forderungen sein kann. Deshalb hat umgekehrt der Erwerber nicht einmal An-laß zu Mißtrauen. Er braucht also, wenn der Gläubiger selbst das Haftungsobjekt weggibt, nicht zu befürchten, aufgrund der Ausnahmebestimmung des § 419 BGB wegen der bei der Weggabe — wie hier in dem unter Beitritt der Beklagten geschlossenen Vergleich - sogar angesprochenen Forde-rungen des Gläubigers herangezogen zu werden. Er wird und kann sich darauf verlassen, daß der Gläubiger sich recht-zeitig vergewissert hat, was es für ihn selbst bedeutet, dieses Haftungsobjekt zu verlieren.

3. Dem steht nicht entgegen, daß im vorliegenden Fall offen-geblieben ist, ob der Kläger die wirtschaftliche Lage seiner Schwester in allen Einzelheiten kannte. Das Berufungsurteil hat seine Kenntnis lediglich unterstellt. Auf diese Kenntnis kommt es jedoch nicht an.

a) Das subjektive Korrektiv der Kenntnis hat nur Bedeutung für den Erwerber. Es ist der Ausgleich dafür, daß der Erwer-ber sogar dann zur Haftung herangezogen wird, wenn er durch ein alltägliches Rechtsgeschäft wie z. B. den Kauf eines Hauses nur ein einziges Vermögensstück entgeltlich erwirbt, was nicht von vornherein Anlaß zum Verdacht gibt. Bei der Abwägung der Interessen des Gläubigers an der Er-haltung seines Vollstreckungsobjektes und derjenigen des Erwerbers, nicht für etwaige . Schulden des früheren Eigen-tümers haften zu müssen, war dieses den Erwerber begün-stigende Korrektiv erforderlich, damit überhaupt dem zumin-dest gleichrangigen Verkehrsschutzinteresse (BGHZ 106, 253 [= MittBayNot 1989, 155] unter III 2 a zu § 1365 BGB) Rechnung getragen werden kann. Immerhin haftet der Erwerber schon dann, wenn er die Verhältnisse kennt, aus denen sich ergibt, daß das einzelne Vermögensstück, wel-ches ihm übertragen worden ist, im wesentlichen das Ver-mögen des Veräußerers ausmacht. Demgegenüber ist der Gläubiger, der ein Haftungsobjekt weggibt, wie bereits aus-geführt „näher dran' Überdies hat im Regelfalle der Kredit-gewährung, nämlich durch Banken, die dieses Geschäft gewerbsmäßig betreiben, der Gläubiger erheblich bessere Möglichkeiten zur Überprüfung der Verhältnisse beim Schuldner/Veräußerer als der Erwerber.

b) Das Berufungsgericht beruft sich dafür, daß eine etwaige Zustimmung des Gläubigers nicht maßgeblich sei, auf die Meinung des Reichsgerichts (RGZ 148, 257, 264). Diese Mei-nung ist angesichts der Entwicklung und der sie berück-sichtigenden Entscheidung des Gesetzgebers überholt. Nach § 1365 BGB kann ein Ehegatte trotz der sich aus dem gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft erge-benden Berechtigung des anderen Ehegatten mit dessen sogar durch das Vormundschaftsgericht ersetzbarer Einwil-ligung über sein Vermögen im ganzen verfügen. Allerdings ist bei einer vergleichenden Heranziehung dieser Vorschrift deren anderer- Sinn und Zweck zu berücksichtigen (BGHZ 77, 293, 296 f. [= MittBayNot 1980, 164 = DNotZ 1981, 43]). Möglicherweise hat dieser andere Zweck gegenüber dem allgemeinen Gläubigerschutz jedenfalls in heutiger Zeit sogar größeres Gewicht. Für die Frage, ob ein Gläubiger sich seines gesetzlichen Rechtes durch Zustimmung soll begeben können, muß die in § 1365 BGB getroffene Ent-scheidung des Gesetzgebers jedenfalls beachtet werden. Genügt aber im Rahmen des Familienschutzes schon die formlose und nur konkludent erklärte Einwilligung (Münch-KommlGernhuber, 2. Aufl. § 1365 Rdnrn. 83 und 84), dann

rechtfertigt die vom Gläubiger durch eigenes Mitwirken voll-zogene Aufgabe seines Zugriffsobjektes die Nichtanwen-dung des § 419 BGB allemal.

4. BGB § 823 (Übergang der Streupflicht beim Grundstücks-kauf nicht mit Gefahrübergang sondern mit Eigentums-wechsel) ..

Eine Vereinbarung, nach der die Nutzungen und Lasten aus einem Grundstück schon vor dem Eigentumserwerb auf den Grundstückskäufer übergehen, ist typischerweise dahin zu verstehen, daß die an das Grundstückseigentum geknüpfte Streupflicht des Anliegereigentümers aus öffentlich-recht-licher Delegation noch nicht vor dem Eigentumswechsel auf den Erwerber übergeht.

BGH, Urteil vom 3.10.1989 - VI ZR 310/88 — mitgeteilt von D. Bundschuh, Richter am BGH

Aus dem Tatbestand:

Der Kläger macht den Beklagten für die Folgen eines Oberschenkel-halsbruchs verantwortlich, den er am 1.11.1985 durch einen Sturz bei Schneeglätte erlitten hat. Er hat behauptet, er sei auf dem Bürger-steig vor dem Eckhausgrundstück des Beklagten in D. zu Fall gekom-men; der Sturz sei darauf zurückzuführen, daß es der Beklagte pflichtwidrig versäumt habe, den schneebedeckten Bürgersteig vor dem Grundstück mit abstumpfenden Mitteln zu versehen.

Das Landgericht hat die auf Ersatz des materiellen Schadens, die Zahlung von Schmerzensgeld und die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für die unfallbedingten Zukunftsschäden gerichete Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht, dessen Urteil in NJW 1989, 839 abgedruckt ist, hat die Berufung des Klägers zurück-gewiesen.

Die zugelassene Revision, mit der der Kläger sein Klagebegehren weiterverfolgt, blieb ohne Erfolg.

Aus den Gründen:

II. Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision stand.

1. Mit Recht ist das Berufungsgericht der Auffassung, daß der Beklagte im Unfallzeitpunkt kraft öffentlich-rechtlicher Delegation (noch) nicht für die Unfallstelle streupflichtig gewesen ist.

Die Satzung über die Straßenreinigung und die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren in der Stadt D. (künftig: Sat-zung), die auf der Ermächtigungsgrundlage in § 4 Abs. 1 StrReinG NW beruht, hat in §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 die Winter-wartung für die öffentlichen Wege innerhalb der geschlosse-nen Ortslagen, die nach § 2 Abs. 2 der Satzung insbesondere das Schneeräumen und das Bestreuen der Gehwege um-faßt, auf die Anlieger übertragen. Anlieger sind nach § 1 Abs. 2 der Satzung die Eigentümer bzw. Erbbauberechtigten der an eine öffentliche Straße angrenzenden und durch sie erschlossenen Grundstücke; diese Eingrenzung des Perso-nenkreises entspricht § 4 Abs. 1 StrReinG NW, der den Ge-meinden die Abwälzung der Reinigungspflicht nur auf die Eigentümer der anliegenden Grundstücke und die Erbbau-berechtigten gestattet. Im Zeitpunkt des Unfalls war der Be-klagte (noch) nicht Eigentümer des angrenzenden Eckhaus-

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grundstücks, vor dem der Kläger durch Schneeglätte zu Schaden gekommen ist. Damit scheidet eine Schadenszu-ständigkeit des Beklagten kraft öffentlich-rechtlicher Pflich-tenstellung aus. Verkehrssicherungspflichtig war vielmehr der Voreigentümer K. kraft seines damals noch bestehenden Eigentums an dem angrenzenden Grundstück (vgl. auch Senatsurteil vom 27.11.1984 — VI ZR 49/83 — VersR 1985, 243, 144).

Die Revision macht insoweit geltend, das Berufungsgericht habe wesentlichen Auslegungsstoff außer acht gelassen: Es habe nicht die besonderen Vereinbarungen im notariellen Kaufvertrag (Auflassungserklärung, Bewilligung einer unwiderruflichen Vormerkung, Übertragung des Besitzes sowie der Lasten und Nutzungen auf den Beklagten am 1.1.1985, Ermächtigung zur Belastung des Grundstücks mit Hypotheken noch vor der Eigentumsumschreibung) gewür-digt; aus diesem Vertragsinhalt folge, daß der Beklagte im Unfallzeitpunkt bereits eine Rechtsposition erlangt gehabt habe, die dem Eigentum so weit angenähert gewesen sei, daß es gerechtfertigt und geboten sei, ihn gleich einem Anliegereigentümer die Streupflicht tragen zu lassen. Dieser Angriff bleibt ohne Erfolg. Auf die Einzelheiten des Kaufver-trags kommt es für die Beurteilung der Verkehrssiche-rungspflicht des Beklagten kraft öffentlich-rechtlicher Dele-gation nicht an. Der Begriff des Eigentümers im Sinne von § 4 Abs. 1 StrReinG NW und § 1 Abs. 2 der Satzung ist mit dem Berufungsgericht strikt auszulegen. Die Delegation der öffentlich-rechtlichen Streupflicht der Gemeinden auf die Anliegereigentümer beruht auf Tradition (vgl. BVerwG NJW 1966, 170). Eine Auslegung, die sich von der Anknüpfung an das Eigentum lösen und Verlagerungen der Pflichtigkeit außerhalb ihres herkömmlichen Rahmens zulassen würde, würde den Willen der Normgeber außer acht lassen, der ersichtlich an diese Tradition anknüpft (vgl. auch Wa/precht/ Brinkmann, Straßenreinigungsgesetz Nordrhein-Westfalen, 3. Aufl., § 4 Nr. 137). Sie liefe insbesondere den Vorschriften des § 4 Abs. 3 StrReinG NW und der §§ 3 Abs. 4, 4 Abs. 7 der Satzung zuwider, die den Übergang der Reinigungspflicht auf einen anderen als den Anliegereigentümer bzw. Erbbau-berechtigten von engen Voraussetzungen (schriftliche Erklä-rung gegenüber der Gemeinde, deren Zustimmung, Nach-weis einer ausreichenden Haftpflichtversicherung) abhän-gig machen. Überdies geriete eine relativierende Auslegung des Begriffs des Eigentums mit dem Bestimmtheitsgebot in Konflikt. Die schuldhafte Verletzung der öffentlich-recht-lichen Streupflicht kann als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße geahndet werden (vgl. § 11 der Satzung); dies gebietet Klarheit über die Person des Pflichtigen (vgl. auch Walprecht/Brinkmann, a. a. O. Nr. 121)

2. Erfolglos bleibt die Revision auch mit ihrem Angriff dagegen, daß das Berufungsgericht eine vertragliche Über-nahme der Streupflicht durch den Beklagten verneint hat.

Wie vorstehend ausgeführt, ist der Voreigentümer K. bis zum Übergang des Eigentums an dem Grundstück auf den Be-klagten mit der Streupflicht belastet gewesen. Das schließt allerdings eine vertragliche Übernahme dieser Aufgabe durch den Beklagten nicht aus. Eine solche Vereinbarung hätte K. zwar im Unterschied zu einer Weiterübertragung der Reinigungspflicht im dafür vorgesehenen Verfahren nach § 4 Abs. 3 StrReinG NW und §§ 3 Abs. 4, 4 Abs. 7 der Satzung nicht aus der Pflichtenstellung entlassen (vgl. BGB-RGRK, 12. Aufl., § 823 Rdnr. 132; Walprecht/Brinkmann a. a. O. Nr. 147). Sie hätte jedoch — was für den vorliegenden Klage-

anspruch allein interessiert — eine deliktische Mitverant-wortlichkeit des Beklagten ausgelöst (vgl. Senatsurteile vom 14.10.1969 — VI ZR 55/68 — NJW 1970, 95, 96 und 26.11.1974 — VI ZR 164/73 — VersR 1975, 329, 330; BGB-RGRK, a. a. 0., Rdnrn. 128 f. und 173).

Das Berufungsgericht hat jedoch die zwischen dem Vor-eigentümer K, und dem Beklagten getroffenen Vereinbarun-gen dahin gewürdigt, daß eine Übernahme der öffentlich-rechtlichen Verkehrssicherungspflicht durch den Beklagten nicht Gegenstand dieser-Vereinbarungen gewesen ist. Das läßt Rechtsfehler nicht erkennen.

In § 3 des notariellen Kaufvertrages heißt es:

„Die Übergabe des Kaufgegenstandes erfolgt am 1. Januar 1985. Damit gegen Gefahren, Nutzungen und Lasten auf Käufer über."

Wenn das Berufungsgericht diese Vertragsbestimmung dahin verstanden hat, daß sich die Parteien mit der Verwen-dung des Begriffs der Lasten offensichtlich an § 446 Abs. 1 S. 2 BGB angelehnt und deshalb nicht die von dieser Vor-schrift nicht erfaßte Streupflicht des Anliegereigentümers aus öffentlich-rechtlicher Delegation gemeint haben, so hat es damit nicht den Sinn dieser Klausel verkannt, wie die Revision rügt. Vielmehr hat sich das Berufungsgericht in den Bahnen rechtlich anerkannter Vertragsauslegung. be-wegt. Seit jeher wird die Anliegerstreupflicht nicht zu den Lasten des Grundstücks i. S. der §§ 103, 436, 446 Abs. 1 S. 2 BGB gezählt, weil — wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt — der Eigentümer diese Leistung (zumindest durch Überwachung und Kontrolle eines Beauftragten) persönlich zu erbringen hat, während es sich bei den Lasten im Sinne der genannten Vorschriften um Leistungen handelt, die aus dem Grundstück — insbesondere aus den Grundstücks-nutzungen — zu erbringen sind (vgl. RGZ 129, 10, 12 f.; ferner BGB-RGRK, 12. Aufl., § 103 Rdnr. 2 und § 823 Rdnr. 173; MünchKomm-Ho/ch, BGB, 2. Aufl., § 103 Rdnr. 7; MünchKomm-Westermann, BGB, 2. Aufl., § 436 Rdnr. 5; Palandt-Heinrichs, BGB, 48. Aufl., § 103 Anm. 1; Palandt-Putzo, BGB, 48. Aufl., § 436 Anm. 2 b) bb); Soergel-Müht, BGB, 12. Aufl., § 103 Rdnr. 5; Staudinger-Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 103 Rdnr. 5; Staudinger-Köhler, BGB, 12. Aufl., § 436 Rdnr. 4). Angesichts dieses herkömmlichen Begriffs-verständnisses hätte es einer Klarstellung bedurft, wenn die formularmäßig verwendete Klausel im vorliegenden Fall die Anliegerstreupflicht hätte erfassen sollen. An einer solchen Klarstellung fehlt es. Die von der Revision hervorgehobenen Besonderheiten (Übergabe des Besitzes zur Winterzeit, Nähe der Büroräume des Beklagten) geben keine Veranlas-sung für die Annahme, daß der Begriff der Lasten hier anders gemeint ist als er sonst typischerweise verstanden wird.

3. Ohne Erfolg beruft sich die Revision darauf, daß der Be-klagte eine Angestellte beauftragt habe, den Bürgersteig vor dem gekauften Haus regelmäßig zu bestreuen. Der Senat vermag der Auffassung der Revision, der Beklagte habe hier-durch seine deliktische Verantwortlichkeit ausgelöst, weil nunmehr der zunächst verpflichtete Mieter in der Wahrneh-mung der Streupflicht habe nachlässiger werden können, nicht zu folgen. Zwar kann die faktische Übernahme einer Sicherungsaufgabe durchaus eine neue Gefahrzuständig-keit schaffen. Dies setzt jedoch voraus, daß der ursprünglich Verkehrssicherungspflichtige auf die anderweitige Erledi-gung der Sicherungsaufgabe vertraut und sich deshalb der

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Verpflichtung'zur Verkehrssicherung ganz oder zum Teil ent-hoben sieht. Eine solche Entwicklung würde in der Tat neue Gefahren entstehen lassen, die derjenige abwenden müßte, der die Verkehrssicherung faktisch übernommen hat. So liegen die Dinge hier aber nicht. ... (wird ausgeführt)

5. BGB § 928 Abs. 2 (Zum Aneignungsrecht an herrenlosen Grundstücken)

Der Fiskus kann auf das Aneignungsrecht aus § 928 Abs. 2 BGB verzichten. Im Falle eines wirksamen Verzichts kann sich jeder Dritte das herrenlose Grundstück durch Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt und Eintragung im Grund-buch aneignen. Eigenbesitz oder ein Aufgebotsverfahren (analog § 927 BGB) ist für den Eigentumserwerb nicht erforderlich.

BGH, Urteil vom 7.7.1989 — V ZR 76/88 — mitgeteilt von D. Bundschuh, Richter am BGH

Aus dem Tatbestand:

Die Kläger sind Eigentümer des im Grundbuch von K. Blatt 6 einge-tragenen Grundstücks. Dieses Grundstück ist von landwirtschaft-lichen Nutzflächen umgeben, die im Eigentum des Beklagten stehen.

Zu dem Anwesen der Kläger führt von der Gemeindestraße aus ein ca. 300 m langer Schotterweg, der aus den Flurstücken 51/1 und 51/3 besteht. Das Flurstück 51/1 durchtrennt das Grundstück der Kläger, das Flurstück 51/3 verläuft zwischen dem Grundbesitz des Beklag-ten.

Die beiden Flurstücke standen ursprünglich im Eigentum der Ge-meinde A. Nach dem Verzicht der Gemeinde auf ihr Eigentum waren sie im Grundbuch von A. Blatt 624 als herrenlos verzeichnet. Mit Schreiben vom 25.2.1982 teilte die Oberfinanzdirektion Kiel dem Amtsgericht mit, das Land Schleswig-Holstein verzichte auf sein Aneignungsrecht an den Flurstücken.

Am 4.3.1982 erklärten der Beklagte und am 5.3.1982 die Kläger die Aneignung der beiden Flurstücke gegenüber dem Grundbuchamt.

Aufgrund der Aneignungserklärung des Beklagten wurden die Flur-stücke in das Bestandsverzeichnis des Grundbuchs eingetragen, das den Grundbesitz des Beklagten ausweist. Die Rechtsbehelfe der Kläger gegen die Eintragung blieben ohne Erfolg.

Aus den Gründen:

1. Hinsichtlich beider Flurstücke ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, daß nach dem Verzicht der Gemeinde A. auf das Eigentum das Land Schleswig-Hol-stein (Fiskus) auf das Aneignungsrecht aus § 928 Abs. 2 Satz 1 BGB an dem herrenlosen Grundstück verzichten konnte.

a) Angesichts der von den Parteien nicht angegriffenen Fest-stellung des Berufungsgerichts von der „äußersten Gering-wertigkeit der Parzellen" kann mit dem angefochtenen Urteil davon ausgegangen werden, daß der Eigentumsverzicht der Gemeinde nicht der Zustimmung der Kommunalaufsichts-behörde gemäß dem früheren § 78 Abs. 2 a der Gemeinde-ordnung für Schleswig-Holstein bedurfte.

b) Entgegen der Ansicht von Staudinger/Ertl (BGB 12. Aufl. § 928 Rdnrn. 24, 25) ist auch der Fiskus berechtigt, auf sein Aneignungsrecht zu verzichten.

Anders als im Falle des gesetzlichen Erbrechts des Fiskus fällt das Eigentum an einem herrenlosen Grundstück dem-nach § 928 Abs. 2 BGB berechtigten Bundesland nicht auto-matisch mit der Eigentumsaufgabe durch den bisherigen Grundstückseigentümer zu. Die sich aus den §§ 1936, 1942 Abs. 2, 2346 BGB ergebende Konsequenz des unmittelbaren Anfalls der Erbmasse ohne Ausschlagungs- und Verzichts-möglichkeit ist für die Regelung des § 928 Abs. 2 BGB vom Gesetzgeber nicht gezogen worden. Dem Fiskus wird nur ein Aneignungsrecht eingeräumt. Bis zu seiner - nicht fristge-bundenen — Ausübung bleibt das Grundstück herrenlos. Die Abhängigmachung des Eigentumserwerbs von einer zeitlich nicht begrenzten Ausübung des Aneignungsrechts (der Fiskus kann also sein Aneignungsrecht über längere Zeiträume hinweg ruhen lassen), rechtfertigt die Annahme, daß der Fiskus sein Aneignungsrecht auf andere übertragen oder auf das Aneignungsrecht verzichten kann (h. M. vgl. MünchKommlKanzleiter, 2. Aufl. § 928 Rdnr. 9; BGB-RGRK/ Augustin 12. Aufl. § 928 Rdnr. 8; Erman/Ronke, BGB, 7. Aufl. § 928 Rdnr. 10; Palandt/Bassenge, BGB 48. Aufl. § 928 Anm. 4 c; Süß, AcP 151, 1, 31).

c) Kann damit der Fiskus auf das Aneignungsrecht verzich-ten, so stellt sich die weitere Frage, ob der Verzicht zu seiner Wirksamkeit der Eintragung in das Grundbuch bedarf. Die Ansichten in Rechtsprechung und Schrifttum sind geteilt. Für das Eintragungserfordernis haben sich ausgesprochen: Süß, AcP 151, 1, 26 Fn. 25; Erman/Ronke, BGB 7. Aufl. § 928 Rdnr. 10; Palandt/Bassenge, BGB 48. Aufl. § 928 Anm. 4 c; OLG Hamm, Beschl. v. 10.6.1955, 15W 244/55. Die Eintragung halten für entbehrlich: BGB-RGRK/Augustin 12. Aufl. § 928 Rdnr. 8; MünchKomm/Kanzleiter, § 928 Rdnr. 9; LG Hamburg, NJW 1966, 1715 = DNotZ 1967, 34.

Für die Wirksamkeit des Verzichts ohne Eintragung im Grundbuch könnte sprechen, daß das Aneignungsrecht selbst nicht im Grundbuch eingetragen ist und durch den wirksamen Verzicht das Grundbuch (anders als im Falle der eintragungsbedürftigen Rechtsänderungen i. S. der §§ 873, 877 BGB) nicht unrichtig würde. Das betroffene Grundstück ist und bleibt herrenlos und wird dementsprechend im Grundbuch ausgewiesen.

Die Frage der Eintragungsbedürftigkeit bedarf jedoch keiner abschließenden Beantwortung, da die Klage auf Grund-buchberichtigung sowohl im Falle eines unwirksamen als auch eines wirksamen Verzichts auf das, Aneignungsrecht unbegründet wäre. Bei einem unwirksamen Verzicht unter-liegen die Flurstücke nach wie vor dem Aneignungsrecht des Fiskus. Die Kläger könnten dementsprechend nicht ihre Eintragung in das Grundbuch erreichen. Aber auch im Falle eines wirksamen Verzichts hätten die Kläger kein Eigentum an den herrenlosen Flurstücken erworben (siehen unten zu 2.).

2. Dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, daß ein herren-loses Grundstück hinsichtlich dessen der Fiskus auf sein Aneignungsrecht wirksam verzichtet hat, der Aneignung Dritter — unter welchen Voraussetzungen auch immer - unterliegt (vgl. Soerge//Mühl, BGB 11. Aufl. § 928 Rdnr. 4; MünchKomm/Kanzlelter, 2. Aufl, § 928 Rdnr. 8; BGB-RGRK/ Augustin 12. Aufl. § 928 Rdnr. 8; Palandt/Bassenge, BGB 48. Aufl. § 928 Anm. 4 c). Ist ein Verzicht auf das Aneig-nungsrecht möglich, so wäre es nicht folgerichtig, die Aneignung des herrenlosen Grundstücks durch Dritte aus-zuschließen.

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3. Der originäre Eigentumserwerb an einem herrenlosen Grundstück setzt dementsprechend den im Immobilien-sachenrecht getroffenen Grundregeln (vgl. §§ 873, 900, 927 Abs. 2, 928 Abs. 2 Satz 2 BGB) die Eintragung in das Grund-buch voraus.

4. Weitere Voraussetzungen für die Aneignung eines herren-losen Grundstücks bestehen dagegen nicht. Soweit im Falle der Buchersitzung (§ 900 BGB) und des Aufgebotsverfahrens (§ 927 BGB) der originäre Eigentumserwerb vom_ 30-jährigen Eigenbesitz abhängig gemacht wird, lassen sich diese Ein-schränkungen nicht auf den Fall der Aneignung eines herrenlosen Grundstücks übertragen (a. A. MünchKomm/ Kanz/eiter, a. a. 0., der — falls das Aneignungsrecht des Fiskus nicht an den Eigenbesitzer abgetreten worden ist — ein Aufgebotsverfahren entsprechend § 927 BGB verlangt). Im Gegensatz zur Aneignung herrenloser Grundstücke soll im Falle der Buchersitzung oder des Aufgebotsverfahrens der wirkliche Eigentümer sein Recht gegen seinen Willen verlieren. Der langjährige Eigenbesitz (ohne Entzug durch den wirklichen Eigentümer) ist geeignet, nach außen den Eindruck zu erwecken, der Eigenbesitzer sei auch der Eigen-tümer der Sache und könne dementsprechend nach seinem Belieben mit ihr verfahren. In einem solchen Fall ist es gerechtfertigt, nur dem Eigenbesitzer die Möglichkeit einzu-räumen, nach Ablauf eines längeren Zeitraumes (der Gesetz-geber hat sich bei Grundstücken für 30 Jahre entschieden) auch das Eigentum an der Sache zu erwerben. Im Falle der Aneignung herrenloser Sachen ist die Situation dagegen anders. Eigentumsrechte an der Sache werden durch die Aneignung nicht beseitigt. Ein Schutzbedürfnis gegen die sofortige Aneignung durch Dritte (durch Vorschaltung eines Aufgebotsverfahrens oder des Erfordernisses eines lang-jährigen Eigenbesitzes) besteht nicht. Aus der Sicht dessen, der das Eigentum aufgegeben oder auf das Aneignungs-recht verzichtet hat, ist daher ein 30-jähriger (oder auch ein kürzerer) Eigenbesitz und/oder ein Aufgebotsverfahren für die Aneignung nicht geboten. Dementsprechend hat der Gesetzgeber auch an keiner Stelle Fristen, Eigenbesitz oder die Einleitung eines Aufgebotsverfahrens für die Aneignung herrenloser beweglicher oder unbeweglicher Sachen vor-gesehen. Im übrigen ist dem Vortrag der Kläger auch nicht zu entnehmen, daß sie die fraglichen Flurstücke als ihnen gehörend besessen haben (vgl. §872 BGB).

Für den originären Eigentumserwerb ist es auch ohne Be-deutung, ob durch die Aneignung der Eigentümer des Nach-bargrundstücks berührt wird. Durch die Aufgabe des Eigen-tums und den Verzicht auf das Aneignungsrecht aus § 928 Abs. 2 Satz 1 BGB haben der Eigentümer und der Fiskus die Sache für den Zugriff eines jeden Dritten freigegeben. Dem Grundstücksnachbarn, in dessen Rechte am eigenen Grund-stück durch die Aneignung nicht eingegriffen wird, kommt kein Vorrang für die Aneignung gegenüber irgendeinem Drit-ten zu. Es ist auch — im Gegensatz zum Berufungsgericht - nicht einzusehen, daß im Falle der erheblichen Beein-trächtigung der wirtschaftlichen Nutzung des eigenen Grundstücks des Nachbarn durch die Aneignung des herren-losen Grundstücks durch einen Dritten das Aneignungs-recht davon abhängen soll, ob der Dritte Eigenbesitzer der herrenlosen Sache war.' Wäre der Beklagte 'Eigenbesitzer gewesen, so wäre die wirtschaftliche Beeinträchtigung des Grundstücks der Kläger (etwa infolge Durchtrennung durch das herrenlose Flurstück) nicht geringer gewesen. Gleiches würde auch im Falle des — selbst von den Klägern für mög-lich gehaltenen — gemeinschaftlichen Eigenbesitzes der Parteien an dem fraglichen Flurstück gelten.

5. Ist damit Eigenbesitz für die wirksame Aneignung eines herrenlosen Grundstücks nicht erforderlich, so wäre der Be-klagte, der die Aneignungserklärung vor den Klägern abge-geben und auch die Eintragung in das Grundbuch erwirkt hat, im Falle eines wirksamen Verzichts auf das Aneig-nungsrecht des Fiskus Eigentümer des Flurstücks 51/1 und 51/3 geworden. Eine Grundbuchberichtigung käme demnach auch in diesem Falle nicht in Betracht. Ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übertragung des Eigentums auf die Kläger ist nicht ersichtlich.

Die Klage mit dem Ziel, die Kläger als Eigentümer der Flur-stücke in das Grundbuch einzutragen, ist daher unbe-gründet.

6. ZPO § 800 Abs. 1;. BGB §§ 1192 Abs. 1, 1142 (Zwangsvoll-streckungsunterwerfung wegen eines zuletzt zu zahlenden Teilbetrages einer Grundschuld)

1. Die Erklärung des Grundstückseigentümers, sich und den jeweiligen Eigentümer wegen eines „zuletzt zu zahlenden Teilbetrages" einer Grundschuld der sofortigen Zwangsvoll• streckung zu unterwerfen, ist eintragungsfähig.

2. Im Rahmen des § 1142 BGB muß der Eigentümer, sofern nicht der Gläubiger eine Teilleistung annimmt, die fällige Grundschuld in voller Höhe ablösen.

BGH, Beschluß vom 28.9.1989 — V ZB 17/88 — mitgeteilt von D. Bundschuh, Richter am BGH

Aus dem Tatbestand:

Mit notariell beglaubigter Urkunde vom 20.10.1986 bewilligte und beantragte die Beteiligte zu 1, die am 17.11.1986 als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen wurde, die Eintragung einer brieflosen Grundschuld von 2.800.000 DM zugunsten der Beteiligten zu 2. Außerdem unterwarf sie sich mit notarieller Urkunde vom gleichen Tage „wegen des zuletzt zu zahlenden Teilbetrages von 600.000 DM . . . dieser Grundschuld nebst Zinsen hierauf ..." der sofortigen Zwangsvollstreckung in das Grundstück in der Weise, daß die Zwangsvollstreckung auch gegen den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks zulässig sein sollte, und bewilligte und beantragte, diese Unterwerfung in das Grundbuch einzutragen. Mit Schreiben vom 6.11.1986 beantragte der beurkundende Notar zugleich im Namen der Beteiligten zu 2 unter anderem die Eintragung der Grund-schuld sowie der Unterwerfung „wegen eines rangletzten Teilbetra-ges von 600.000 DM" in das Grundbuch. Entsprechend wurde die Grundschuld am 17.11.1986 mit dem Zusatz eingetragen:,,... hin-sichtlich des rangletzten Teilbetrages vollstreckbar nach § 800 ZPO.`

Unter Vorlage von Berichtigungsbewilligungen beider Beteiligten hat die Beteiligte zu 2 beantragt, den eingetragenen Unterwerfungsver-merk dahin zu berichtigen, daß der jeweilige Eigentümer wegen des zuletzt zu zahlenden Teilbetrages von 600.000 DM nebst Zinsen hier-auf der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen ist. Zur Begrün-dung hat sie ausgeführt, die von ihr beanstandete Eintragung ent-spreche inhaltlich nicht der Unterwerfungserklärung und der Eintra-gungsbewilligung der Beteiligten zu 1. Zwischen dem titulierten und dem nicht titulierten Teil der Grundschuld habe kein Rangverhältnis geschaffen werden sollen. Der Sinn der Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung wegen des zuletzt zu zahlenden Teilbetrages liege vielmehr darin, daß sich der Vollstreckungstitel durch Teilzah-lungen nicht erschöpfen solle, wenn diese nicht größer seien als der nicht titulierte Teilbetrag der Grundschuld.

Der Rechtspfleger hat den Antrag, das Landgericht die als. Be-schwerde geltende Erinnerung zurückgewiesen.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts hat die Beteiligte zu 2 wei-tere Beschwerde eingelegt, mit der sie ihren Berichtigungsantrag weiterverfolgt. Hilfsweise hat sie beantragt, ihrem Antrag mit der

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Maßgabe zu entsprechen, daß das Grundbuchamt angewiesen wird, die Kennzeichnung des vollstreckbaren Teilbetrages der Grund-schuld als letztrangig von Amts wegen zu löschen.

Das Oberlandesgericht möchte die weitere Beschwerde als unbe-gründet zurückweisen. Es sieht sich daran aber durch den Beschluß des Oberlandesgerichts Hamm vom 30.10.1986 (NJW 1987, 1090 = DNotZ 1988, 233) gehindert und hat die Sache dem Bundes-gerichtshof vorgelegt.

Aus den Gründen:

Die Vorlage ist gemäß § 79 Abs. 2 GBO statthaft .. .

Die weitere Beschwerde ist zulässig und im Hauptantrag auch begründet.

Nach § 800 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann sich der Eigentümer in einer notariellen Urkunde (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) in An-sehung einer Grundschuld der sofortigen Zwangsvoll-streckung in der Weise unterwerfen, daß die Zwangsvoll-streckung aus der Urkunde gegen den jeweiligen Eigen-tümer des Grundstücks zulässig sein soll. Die Unterwerfung bedarf in diesem Fall der Eintragung in das Grundbuch (§ 800 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Die Grundbucheintragung hat Be-deutung lediglich für die Frage, ob und unter welchen Vor-aussetzungen gegen den Erwerber des Grundstücks im Falle der Einzelrechtsnachfolge eine vollstreckbare Ausferti-gung der Urkunde erteilt werden kann. Die Eintragung be-sagt weder etwas über die Wirksamkeit der Unterwerfungs-klausel an sich, noch kann sie eine unwirksame Unter-werfungserklärung heilen (Wolfsteiner Anm. zu OLG Hamm DNotZ 1988, 233, 234, 235; Wieczorek/Schütze, ZPO 2. Aufl. § 800 Anm. A II d und A IV). Die Unterwerfungserklärung ist eine ausschließlich auf das Zustandekommen des Voll-streckungstitels gerichtete einseitige prozessuale Willens-erklärung, die lediglich prozeßrechtlichen Grundsätzen untersteht (RGZ 146, 308, 312; BGH Urt. v. 23.10.1980, III ZR 62/79, WM 1981, 189 f. [= DNotZ 1981, 738]; BGHZ 88, 62, 64 ff. [= DNotZ 1983,679]; Senatsurt. v. 1.2.1985, V ZR 244/83, NJW 1985, 2423 re.Sp. [= DNotZ 1985, 474]). Als prozes-suales Nebenrecht verändert sie den materiellen Inhalt der in § 800 Abs. 1 Satz 1 ZPO genannten Pfandrechte nicht und nimmt daher weder an der Bestandsvermutung noch am öffentlichen Glauben des Grundbuchs teil (§§ 891, 892 BGB; Senatsurt. v. 16.11.1979, V ZR 93/77, WM 1980, 34, 35 re. Sp. [= DNotZ 1980, 354]; Räfle WM 1983, 806, 815; Stein/Jonas/ Münzberg, ZPO 20. Aufl. § 800 Rdnr. 3, Wieczorek/Schütze a. a. O. § 800 Anm. IV; a. M. Rosenberg, Lehrbuch des Deut-schen Zivilprozeßrechts 9. Aufl., § 173 1 8 c). Inwieweit das Grundbuchamt angesichts der geringen Bedeutung einer falschen Eintragung die Wirksamkeit der Unterwerfungs-erklärung im einzelnen prüfen darf, braucht hier nicht näher erörtert zu werden. Einem Antrag, der auf eine inhaltlich unzulässige Eintragung gerichtet wäre, dürfte es jedenfalls nicht stattgeben (§ 53 Abs. 1 Satz 2 GBO). Das ist bei der mit dem Hauptantrag verfolgten Eintragung aber nicht der Fall:

a) Zutreffend hat das vorlegende Oberlandesgericht die mit den Berichtigungsbewilligungen erstrebte Eintragung vom objektiven Erklärungshorizont her nicht, wie das Beschwer-degericht, dahin ausgelegt, daß die Beteiligte zu 2 erst dann vollstrecken dürfe, wenn alles übrige gezahlt ist. Die Betei-ligte zu 2 soll vielmehr nach dem Zweck der Klausel ersicht-lich auch dann vollstrecken können, wenn auf die Grund-schuld noch nichts bezahlt wurde. Sinn der Klausel ist, daß die Anrechnung von Zahlungen auf den vollstreckbaren Teil-betrag solange und soweit ausgeschlossen sein soll, als der

nicht vollstreckbare Teilbetrag noch offensteht. Ein Rang-verhältnis zwischen den Teilbeträgen, worauf das Beschwer-degericht abstellt, ist gerade nicht beabsichtigt.

b) Die so verstandene Unterwerfungserklärung ist eintra-gungsfähig.

aa) Unschädlich ist dabei, daß die Beteiligte zu 1 die Unter-werfungserklärung vor dem Eigentumserwerb abgegeben hat. Sie war jedenfalls Eigentümerin, als die Unterwerfungs-erklärung gemäß § 800 Abs. 1 Satz 2 ZPO eingetragen und damit wirksam wurde. Das reicht aus (§ 185 Abs. 2 BGB; vgl. BayObLG DNotZ 1987, 216 [= MittBayNot 1987, 26]; KG DNotZ 1988, 238).

bb) Der Grundstückseigentümer kann sich auch wegen eines Teilbetrages einer Grundschuld der Zwangsvoll-streckung gemäß § 800 ZPO unterwerfen (BayObLGZ 1985, 141, 142 f. [= MittBayNot 1985, 122 = DNotZ 1985, 476]; OLG Hamm NJW 1987, 1090, 1091 [= MittBayNot 1987, 31 = DNotZ 1988, 233]; für die Höchstbetragshypothek vgl. BGHZ 88, 62, 64 ff). Voraussetzung ist, daß der Teilbetrag der Grundschuld im Sinne von § 794 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 und 2 ZPO bestimmt ist. Ein Zahlungsanspruch in diesem Sinne ist bestimmt, wenn er betragsmäßig festgelegt ist oder sich aus der Urkunde ohne weiteres errechnen läßt. Er muß so be-stimmt sein, daß er auch im Urkundenprozeß (§ 592 ZPO) gel-tend gemacht werden könnte (BGHZ 88, 62, 65). Diesen An-forderungen genügt hier die Unterwerfungserklärung. Der Grundschuldteilbetrag ist betragsmäßig festgelegt. Die Be-zeichnung des Teilbetrages als ein „zuletzt zu zahlender" ändert an der betragsmäßigen Festlegung. nichts. Dieser Zusatz soll - wie bereits ausgeführt - nur bedeuten, daß Teilzahlungen auf die Grundschuld zuerst auf den nicht titu-lierten Teil der Grundschuld angerechnet werden. Er berührt mithin nur die Frage, ob und wieweit der Vollstreckungs-schuldner etwa im Verfahren gemäß § 767 ZPO i. V. m. §§ 794, 795, 797 ZPO einwenden kann, der Titel sei durch Teilzahlungen auf die Grundschuld verbraucht.

Die Bestimmtheit des Zahlungsanspruchs läßt sich auch nicht mit dem Hinweis auf eine künftige Teilung der Grund-schuld in Frage stellen. Die Probleme, die sich im übrigen bei jeder Unterwerfung wegen eines Grundschuldteilbetra-ges dann stellen, wenn die Grundschuld später geteilt wird (vgl. Wolfsteiner, DNotZ 1988, 234), beeinflussen die Be-stimmtheit der Teilunterwerfung zum Zeitpunkt des Wirk-samwerdens (§ 800 Abs. 1 Satz 2 ZPO) nicht (vgl. BayObLGZ 1985, 141, 143).

cc) Die Unterwerfungserklärung ist auch nicht deshalb un-wirksam, weil sie - wie in den Worten „zuletzt zu zahlen-der" zum Ausdruck kommt - sich wie eine Tilgungsbestim-mung auswirkt:

(1) Die Verrechnungsvereinbarung verstößt nicht, wie das vorlegende Gericht meint, gegen zwingende Vorschriften des Vollstreckungsrechts.-

Aus der Formulierung „zuletzt zu zahlender Teilbetrag" in der Unterwerfungserklärung läßt sich nicht entnehmen, daß damit auch eine den Vollstreckungsvorschriften vorgehende Verrechnungsbestimmung getroffen werden soll. Auch ohne eine ausdrückliche dahingehende Einschränkung bezieht sich die Unterwerfungserklärung ihrem Sinne nach nur auf Zahlungen außerhalb des Zwangsvollstreckungsverfahrens. Es spricht nichts dafür, daß in zwingende Bestimmungen des Zwangsvollstreckungsrechts eingegriffen werden sollte.

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Das Oberlandesgericht übersieht zudem, daß im Regelfall der Verwertung der Grundschuld durch Zwangsversteige-rung der nicht titulierte Teil dem titulierten nicht im Range vorgeht. Er ist daher nicht in das geringste Gebot (§ 44 Abs. 1 ZVG) aufzunehmen und erlischt zusammen mit dem titulierten Anspruch. Ob sich die Unterwerfung auf einen „zuletzt zu zahlenden Teilbetrag" bezieht, hat somit im Zwangsversteigerungsverfahren keine Auswirkungen (Wolf-steiner, DNotZ 1988, 236; Muth, JurBüro 1984, 175 f; Haegele/ Schöner/Stöber, Grundbuchrecht B. Aufl. Rdnr. 2044 f.).

Die Einwirkungsmöglichkeit der Unterwerfungserklärung auf die Verteilung des Vollstreckungserlöses könnte über-dies nur in dem seltenen Falle der Zwangsverwaltung in Betracht kommen (§§ 866, 869 ZPO, 146 ff. ZVG). Auch dies spricht dagegen, die Klausel auf Beitreibungen in der Zwangsvollstreckung zu beziehen. Daß die Verrechnung von Nutzungen aus dem Grundstück (§§ 155 ff. ZVG) auf den nicht vollstreckbaren. Teil vollstreckungsrechtlich unzuläs-sig ist (vgl. § 757 ZPO, § 161 Abs. 2 ZVG; Dassler/Schiffh-auer/

Gerhardt, ZVG 11. Aufl. § 161 Anm. 3; Steiner/Riede/, ZVG B. Aufl. Bd. 3 S. 161 Rdnr. 3), steht der Zulässigkeit der Klausel danach nicht entgegen.

(2) Die Unterwe.rfungsklausel verstößt entgegen der Ansicht des vorlegenden Gerichts auch nicht deshalb gegen § 800 ZPO, weil sie dem jeweiligen Eigentümer die Möglichkeit nehme, zuerst Zahlungen auf den vollstreckbaren Teil der Grundschuld zu erbringen.

Richtig geht das vorlegende Gericht zwar davon aus, daß das Befriedigungsrecht des Eigentümers gegenüber einem Hypothekengläubiger gemäß § 1142 BGB als gesetzlicher Inhalt der Hypothek nicht durch Vereinbarung mit dinglicher Wirkung abbedungen werden kann (Senatsurt. v. 28.5.1976, V ZR 203/75, WM 1976, 845, 847 = NJW 1976, 845 [= DNotZ 1977, 356]) und daher auch Einschränkungen des Ablösungs-rechts nicht eintragungsfähig sind. Sinn der Vorschrift ist es, dem Eigentümer zu ermöglichen, den Gläubiger aus seinem sonstigen Vermögen zu befriedigen und damit den Verlust des Grundeigentums durch Zwangsversteigerung zu verhindern (Erman/Räfle, BGB 7. Aufl. § 1142 Rdnr. 1). Im Hin-blick auf diese Zielsetzung ist § 1142 BGB gemäß § 1192 Abs. 1 BGB entsprechend auch auf die Grundschuld an-wendbar. Der Eigentümer kann daher den Grundschuldgläu-biger befriedigen, wenn das dingliche Recht fällig ist. Er muß aber dann die fällige Grundschuld in ihrer vollen Höhe ablösen, sofern nicht der Gläubiger eine Teilleistung an-nimmt (§ 266 BGB). Die vorliegende Klausel engt dieses Recht, nämlich nur zur vollen Befriedigung, nicht ein. Damit wird der Zweck der Ablösungsvorschrift des § 1142 Abs. 1 BGB (i. V. m. § 1192 Abs. 1 BGB), den Verlust des Grund-stücks durch Zwangsversteigerung zu verhindern, nicht da-durch vereitelt, daß der Eigentümer mit dem Sicherungsneh-mer eine Vereinbarung trifft, in welcher Weise auf das ding-liche Recht geleistete Zahlungen „verrechnet" werden sol-len. Die in der Unterwerfungserklärung liegende Tilgungs-bestimmung kann daher Grundschuldinhalt sein (Gaber-diel, Kreditsicherung durch Grundschulden, 4. Aufl. 1985 Rdnr. 17.22; wohl auch Muth, JurBüro 1984, 9 ff. und 175 ff. und Wolfsteiner, DNotZ 1988, 236; vgl. auch BGHZ 26, 244 und Senatsbeschl. v. 6.3.1981, V ZB 2/80, WM 1981, 527, 528 [= DNotZ 1981, 385]).

Beeinträchtigt die Bestimmung nicht das Recht des Eigen-tümers, den Gläubiger bei Fälligkeit der Grundschuld zu be-friedigen, so kann nichts anderes für das Ablösungsrecht

Dritter nach den §§ 1150, 268 BGB gelten (insoweit a. A. Wolfsteiner a. a. O. S. 237). Auch der Dritte darf nur in der Weise ablösen, wie das der Eigentümer hätte tun können; denn der Gläubiger darf nicht schlechter gestellt werden, als wenn der Eigentümer geleistet hätte (vgl. MünchKomm/ Keller, BGB 2. Aufl. § 268 Rdnr. 10). Bei Ablösung nur eines Teils der Grundschuld durch den Dritten muß daher dem Gläubiger die sich aus der dinglichen Vollstreckungsklausel ergebende Verrechnungsfolge erhalten bleiben.

Die Unterwerfungserklärung „wegen des zuletzt zu zahlen-den Teilbetrages" einer Grundschuld ist danach eintra-gungsfähig, weil die in ihr enthaltene Verrechnungsbestim-mung weder das Ablösungsrecht des jeweiligen Eigen-tümers noch der sonstigen Ablösungsberechtigten in einer gegen den Zweck dieser Rechte verstoßenden Weise beein-trächtigt. Das Grundbuchamt ist daher — unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen — anzuweisen, von sei-nen Bedenken gegen die beantragte Berichtigung Abstand zu nehmen.

7. WEG § 1 Abs. 2 und 5, §§ 3 und 4, § 5 Abs. 2; BGB § 812 Abs. 1 §§ 890, 892, 925 (Heilung der Teilungserklärung durch gutgläubigen Erwerb einer Eigentumswohnung)

1. Ist eine Teilungsvereinbarung nicht bei gleichzeitiger An-wesenheit beider Teile vor einem Notar erklärt und daher zunächst unwirksam, so wird dieser Mangel insgesamt ge-heilt, sobald ein Dritter gutgläubig eine der vom Gründungs-akt erfaßten Eigentumswohnungen erwirbt.

2. Ein isolierter Miteigentumsanteil kann zwar nicht rechts-geschäftlich begründet werden, er kann aber kraft Gesetzes entstehen, wenn die Begründung von Sondereigentum an einem Gebäudeteil gegen zwingende gesetzliche Vorschrif-ten verstößt und daher insoweit unwirksam ist.

3. Ein isolierter Miteigentumsanteil wächst den anderen Mit-eigentümern nicht entsprechend § 738 Abs. 1 BGB zu, da sie nicht gesamthänderisch verbunden sind. Vielmehr sind alle Miteigentümer aufgrund des Gemeinschaftsverhältnisses verpflichtet, den Gründungsakt so zu ändern, daß keine isolierten Miteigentumsanteile bestehen bleiben. Hierzu bedarf es einer Vereinbarung. Der isolierte Miteigentums- anteil muß — im Zweifel anteilig — durch Vereinigung oder Zuschreibung (§ 890 BGB) auf die anderen Anteile über-tragen werden. Für die Übertragung ist ein Wertausgleich zu leisten.

BGH, Urteil vom 3.11.1989 — V ZR 143/87 — mitgeteilt von D. Bundschuh, Richter am BGH

Aus dem Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von den Beklagten als Wohnungseigentümern der Wohnanlage U-Center anteiligen Ersatz der Kosten, die sie für den Erwerb des Teileigentums an bestimmten Räumen, insbesondere im 44. und 45. Stockwerk, und für die Errichtung einer Heizungs-anlage aufgewendet hat. Eigentümerin des Grundstücks war zu-nächst die Firma D. Mit notariellem Vertrag vom 25.6.1971 veräußerte sie einen Miteigentumsanteil von 1.758,89/10.000 an den Beklagten zu 3. Der Kaufvertrag sah die spätere Aufteilung in Wohnungs- und Teileigentum vor. In einem Generalunternehmervertrag vom 6.8.1971 verpflichtete sich die Firma D gegenüber dem Beklagten zu 3 zur schlüsselfertigen Herstellung derjenigen Wohnflächen des Verwal-tungsraumes und der Autoabstellplätze, an denen der Beklagte zu 3 Sondereigentum oder Sondernutzungsrechte haben sollte. Nach diesem Vertrag sollte die Heizzentrale des U-Centers gemeinschaft-liches Eigentum und von einem Dritten betrieben werden. In einer Zusatzvereinbarung vom 8.11.1971 zum Generalunternehmervertrag

30 MittBayNot 1990 Heft 1

Page 29: des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der

wurde statt dessen vereinbart, daß an dem vorgesehenen Heizwerk nicht gemeinschaftliches Eigentum, sondern Teileigentum begrün-det und später durch die Firma D veräußert werden sollte. Dement-sprechend wurde in der Teilungsvereinbarung vorgesehen, daß der Firma D u.a. das Sondereigentum an den zum Heizwerk gehörenden Räumen, verbunden mit einem Miteigentumsanteil von 92,144110.000, zustehen sollte. Die Teilungsvereinbarung wurde von der Firma D am 30.6.1972, von dem Beklagten zu 3 am 11.8.1972 unterzeichnet, und zwar jeweils in notariell beglaubigter Form.

Durch notariellen Kaufvertrag vom 27.7.1972 verpflichtete sich die Firma D gegenüber der Klägerin, ihr das künftige Teileigentum an den Heizwerkräumen zu übertragen. Die Verträge wurden vollzogen und die Rechtsänderungen in das Grundbuch eingetragen.

Die Klägerin ließ die Heizwerkanlage mit einem Kostenaufwand von 1.010.000 DM errichten und verpachtete sie.

Die Beklagten zu 1 und 2 erwarben im Jahre 1974 von der Firma D je eine Eigentumswohnung im U-Center.

Nachdem der erkennende Senat in einem Urteil vom 2.2.1979 (BGHZ 73, 302) entschieden hatte, daß eine Heizungsanlage jedenfalls dann, wenn sie nur die zu der Wohnanlage gehörenden Wohnungen und Räume mit Wärme versorge, dem gemeinschaftlichen Gebrauch diene und daher nicht im Sondereigentum stehen könne (§ 5 Abs. 2 WEG), verlangten die anderen Miteigentümer von der Klägerin und der Pächterin die Herausgabe des Heizwerks. Diese erfolgte am 1.9.1980.

Am 18.2.1982 trat die Firma D, die inzwischen anders firmierte, der Klägerin alle Ansprüche ab, die ihr gegen die Eigentümergemein-schaft zustehen könnten, weil das Heizwerk möglicherweise nicht sondereigentumsfähig sei.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten zur Zahlung folgender Beträge nebst Zinsen zu verurteilen:

die Beklagte zu 1: 2.702,06 DM, den Beklagten zu 2: 1.107,03 DM, den Beklagten zu 3: 335.050,29 DM.

Die Beklagten haben die Ansprüche bestritten und hilfsweise mit Gegenforderungen auf Nutzungsentschädigung die Aufrechnung erklärt.

Die Eigentümergemeinschaft hat mit Beschluß vom 30.6.1986 einen Gegenanspruch auf Nutzungsentschädigung aufgeteilt und auf die Wohnungs- und Teileigentümer zum Zwecke der Aufrechnung über-tragen. .

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte teilweise Erfolg.

Aus den Gründen:

I....

1. Als Grundlage für einen Anspruch der Klägerin aus eige-nem Recht auf anteiligen Ersatz der Erwerbskosten (ins-gesamt 900.000 DM) kommt nur ein Anspruch auf Verwen-dungsersatz nach §§ 994, 996 BGB in Betracht. Das Beru-fungsgericht meint, diese Kosten gehörten nicht zu den (not-wendigen) Verwendungen, denn sie seien-zur Erhaltung und ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Heizwerks oder des Hauses nicht erforderlich gewesen; sie hätten sich auf den Bestand und den Zustand des Gebäudes nicht ausgewirkt. Diese Beurteilung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Nach ihr sind Verwendungen nur solche Vermögensaufwendungen, die der Sache zugute kommen sollen; es muß sich daher um Maßnahmen han-deln, die der Erhaltung, Wiederherstellung oder Verbesse-rung der Sache dienen (BGHZ 10, 171, 177; 41, 157, 160; 87, 104, 106). Diesen Voraussetzungen genügt die Zahlung des Kaufpreises durch die Klägerin nicht.

2. Die insoweit hilfsweise geltend gemachten Ansprüche auf anteiligen Ersatz der „Kosten für den Grundstücks-anteil" aus abgetretenem Recht der Firma D hat das Beru-fungsgericht im Ergebnis ebenfalls zutreffend verneint.

a) Ansprüche der Firma D gegen die Beklagten zu 1 und 2

aa) Forderungen aus § 812 BGB versagt das Berufungsge-richt mit der Begründung, die Beklagten hätten nur erhalten, was ihnen vertraglich zugestanden habe. Ihr Miteigentums-anteil habe sich nicht (anteilig) um die Höhe des Miteigen-tumsanteils erhöht, der mit dem Sondereigentum am Heiz-werk verbunden sein sollte; vielmehr sei dieser Miteigen- tumsanteil der Firma D verblieben.

Das entspricht der Rechtslage.

(1) Allerdings lagen zwei Gründungsmängel vor:

Die Teilungsvereinbarung zwischen der Firma D und dem Be-klagten zu 3 wurde nicht, wie nach § 4 Abs. 2 Satz 1 WEG in Verbindung mit § 925 BGB vorgeschrieben, bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile vor einem Notar erklärt. Dieser Mangel hat zwar zunächst zur Unwirksamkeit der Teilungs-vereinbarung geführt (BGHZ 29, 6, 10), er ist aber später gemäß § 892 BGB geheilt worden. Nach einer im Schrifttum verbreiteten Auffassung wird ein Fehler beim Abschluß des Gründungsgeschäfts insgesamt geheilt, sobald ein Käufer gutgläubig Wohnungseigentum erwirbt, denn dieses kann nicht nur an einer Wohnung entstehen (Röll, Festschrift Seuss, 1987, S. 233, 236, 238; Weitnauer, WEG 7. Aufl. § 3 Anm. 6g; Palandt/Bassenge, BGB 48. Aufl. WEG § 2 Anm. 2a aa). Dieser Auffassung tritt der Senat bei. Danach ist eine solche Heilung hier eingetreten, denn die Firma D hat meh-rere Wohnungen, u.a. an die Beklagten zu 1 und 2, veräußert. Daß die Erwerber etwa nicht gutgläubig gewesen seien, ist weder festgestellt noch vorgetragen.

Der zweite Gründungsmangel betriff die in der Teilungsver-einbarung vorgesehene Einräumung von Sondereigentum am Heizwerk. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht jedoch den ursprünglichen Vereinbarungen entnommen, daß die Firma D und der Beklagte zu 3 die Teilungsverein-barung im übrigen auch dann getroffen hätten, wenn sie gewußt hätten, daß die Bildung von Sondereigentum an den -Heizwerkräumen nicht möglich war. Außerdem war die Aus-legungsregel des § 139 BGB hier in § 15 der Teilungsverein-barung durch eine Teilwirksamkeitsklausel abbedungen.

Das ist zulässig. Die Einräumung von Sondereigentum an einem Gebäudeteil ist eine selbständige, von den ande-ren Vereinbarungen abtrennbare Regelung. Das Gebäude braucht nicht vollständig in Sonder- und Gemeinschafts-eigentum aufgeteilt zu werden; nach § 1 Abs. 5 WEG werden alle Teile des Gebäudes, an denen kein Sondereigentum be-gründet werden soll (oder kann), gemeinschaftliches Eigen-tum (vgl. BayObLGZ 1973, 267, 268; 1987, 390, 395 [= Mitt-BayNot 1988, 35 = DNotZ 1988, 316]; OLG Frankfurt OLGZ 1978, 290, 291; OLG Karlsruhe DNotZ 1973, 235; OLG Stutt-gart OLGZ 1979, 21, 23).

Die unwirksame Begründung von Sondereigentum an einem Gebäudeteil berührt die Aufteilung der Miteigentumsanteile gründsätzlich nicht (OLG Frankfurt a. a. 0.). Die vorgesehe-nen Miteigentumsanteile,entstehen selbst dann, wenn das mit einem Anteil zu verbindende Sondereigentum nicht ent-stehen konnte. In diesem Fall entsteht ein isolierter Mit-eigentumsanteil.

Eine solche Aufrechterhaltung der Teilungserklärung ist nach dem Zweck des § 5 Abs. 2 WEG geboten. Die Begrün-dung von Sondereigentum an dem gemeinschaftlichen Ge-brauch dienenden Anlagen und Einrichtungen ist ausge-schlossen, um eigenmächtige Verfügungen des Sonder-eigentümers zu verhindern (vgl. Regierungsbegründung zu

MittBayNot 1990 Heft 1 31

Page 30: des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der

§ 5 Ziff. 2c, BR-Drucks. 75/51 — abgedruckt bei Weitnauer,

WEG 6. Aufl. Anh. IV). Dem ist genügt, wenn insoweit ent-gegen der Teilungsvereinbarung gemeinschaftliches Eigen-tum entsteht. Der beabsichtigte Schutz der anderen Mit-eigentümer würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn als Folge des Verstoßes gegen § 5 Abs. 2 WEG der Gründungsakt ins-gesamt nichtig und deshalb kein Wohnungseigentum ent-standen wäre.

Die Aufrechterhaltung der Teilungserklärung widerspricht auch nicht zwingenden Grundsätzen des Wohnungseigen-tumsgesetzes. Der Senat teilt die von Röll (Teilungser-klärung und Entstehung des Wohnungseigentums, S. 52; MünchKomm 2. Aufl. WEG § 5 Rdnr. 35a und § 6 Rdnr. 2; Festschrift Seuss, S. 233, 235) begründete Auffassung, daß die Entstehung isolierter Miteigentumsanteile zwar gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1 WEG nicht rechtsgeschäftlich begrün-det werden kann, aber sachenrechtlich nicht ausgeschlos-sen ist. Die genannten Bestimmungen beziehen sich nach ihrem Wortlaut und der Begründung (vgl. Erläuterung zu § 3 Ziff. 1 — BR-Drucks. 75/71 — abgedruckt bei Weitnauer a. a. 0.) nur auf den zulässigen Inhalt des Rechtsgeschäfts. Als Folge der Anwendung gesetzlicher Bestimmungen kann ein isolierter Miteigentumsanteil aber entstehen.

(2) Ein isolierter Miteigentumsanteil wächst aber den ande-ren Miteigentümern nicht entsprechend § 738 Abs. 1 BGB zu, da sie nicht, wie in dieser Vorschrift vorausgesetzt, ge-samthänderisch verbunden sind. Vielmehr sind alle Mit-eigentümer aufgrund des Gemeinschaftsverhältnisses ver-pflichtet, den Gründungsakt so zu ändern, daß keine isolier-ten Miteigentumsanteile bestehen bleiben („dingliche Ver-strickung`, vgl. MünchKomm/Rö// 2.Aufl. WEG § 5 Rdnr.35a; ders. Teilungserklärung und Entstehung des Wohnungs-eigentums, S. 52). Hierzu bedarf es einer Vereinbarung. Der isolierte Miteigentumsanteil muß — im Zweifel anteilig — durch Vereinigung oder Zuschreibung (§ 890 BGB) auf die anderen Anteile übertragen werden. Das ist hier noch nicht geschehen.

Ein bereicherungsrechtlicher Zahlungsanspruch der Firma D gegen die Beklagten zu 1 und 2 besteht daher (noch) nicht. Zwar können die Wohnungseigentümer die anteilige Über-tragung des isolierten Miteigentumsanteils nicht ersatzlos verlangen, denn sie haben hierauf weder nach der Teilungs-vereinbarung noch nach den schuldrechtlichen Absprachen einen Anspruch. Aber einen Wertausgleich brauchen sie erst zu leisten, wenn sie einen entsprechenden Vermögens-zuwachs erfahren. Das ist erst bei Übertragung ihres jewei-ligen Anteils am isolierten Miteigentumsanteil der Fall.

bb) Die Revision meint in Übereinstimmung mit dem Land-gericht, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts habe der Firma D gegen die Eigentümergemeinschaft ein An-spruch wegen Fortfalls der Geschäftsgrundlage zugestan-den, denn es sei „ohne weiteres davon auszugehen, daß die Firma D die Preise für die einzelnen Wohneinheiten höher festgesetzt hätte, wenn sie die Unrichtigkeit ihrer Vorstellun-gen hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse am Heizwerk gekannt hätte”

Eine Äquivalenzstörung liegt aus mehreren Gründen nicht vor.

Zum einen haben die Beklagten zu 1 und 2 im Rahmen der vertraglichen Beziehungen mit der D nur das erhalten, wor-auf sie Anspruch hatten, nämlich das Sondereigentum an je einer Wohnung, verbunden mit dem von vornherein'zuge-

ordneten Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum am U-Center. Soweit ihnen darüber hinaus ein An-spruch auf anteilige Übertragung des isolierten Miteigen-tumsanteils der D erwachsen ist, beruht dieser nicht auf ihren jeweiligen schuldrechtlichen Beziehungen zur D, son-dern auf der dinglichen Verbindung („Verstrickung") inner-halb der Wohnungseigentümergemeinschaft (vgl. oben II 2a, aa (2)). Das Verhältnis der kaufvertraglich geschuldeten Lei-stung und Gegenleistung — und damit auch deren Gleich-wertverhältnis - wird dadurch nicht berührt. Zum anderen wird selbst die außervertragliche Übertragung eines Anteils am isolierten Miteigentumsanteil nur gegen Wertausgleich geschuldet.

b) Anspruch der D gegen den Beklagten zu 3.

Insoweit gelten die vorstehenden Ausführungen sinngemäß

3. Soweit das Berufungsgericht Ansprüche der Klägerin auf anteiligen Ersatz der Kosten für die Errichtung des Heiz-werks (insgesamt 1.010.000 DM) bejaht (und nur das Erlö-schen dieser Forderungen infolge der Hilfsaufrechnungen angenommen) hat, ist diese Entscheidung entgegen der An-sicht der Revisionserwiderung der Überprüfung durch das Revisionsgericht von Rechts wegen entzogen.

a) Die Beklagten haben gegen das Urteil nicht Anschluß-revision eingelegt. (wird ausgeführt)

4. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht gegenüber dem An-spruch der Klägerin auf anteiligen Ersatz der Kosten für die Errichtung des Heizwerks die Hilfsaufrechnung der Beklag-ten mit Ansprüchen auf Nutzungsentschädigung durchgrei-fen lassen.

Das Berufungsgericht spricht der Eigentümergemeinschaft analog § 988 BGB einen Anspruch auf Herausgabe der Nut-zungen zu, welche die Klägerin aus dem Heizwerk gezogen hat. Die Klägerin habe den Besitz an dem Heizwerk rechts-grundlos erlangt, weil der zugrundeliegende Kaufvertrag vom 27.7.1972 auf eine unmögliche Leistung gerichtet gewe-sen und daher nach § 306 BGB nichtig sei. Herauszugeben-de Nutzungen seien die Einnahmen aus der Verpachtung des Heizwerks in Höhe von insgesamt 1.278.058, 58 DM. Die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen könnten nicht gemäß § 818 Abs. 3 BGB saldierend berücksichtigt werden. Die Kosten für den Erwerb der Räume (900.000 DM) könne die Klägerin nur von ihrer Vertragspartnerin, der Firma D, verlangen. Die übrigen Aufwendungen seien trotz gerichtlichen Hinweises nicht substantiiert worden.

Ob die Angriffe der Revision gegen die entsprechende An-wendbarkeit des § 988 BGB hier begründet sind, kann dahin-gestellt bleiben. Denn jedenfalls gibt § 988 BGB nur einen Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen der Sache, deren Besitz der Besitzer unentgeltlich erlangt hat. Nur in diesem Umfang kommt ein Anspruch auch bei analoger Anwendung auf rechtsgrundlosen Besitzerwerb in Frage.

Der von der Klägerin aus der Verpachtung des Heizwerks gezogene Pachtzins ist kein herauszugebender Ertrag des gemeinschaftlichen Eigentums nach §§ 100, 99 Abs. 3 BGB. Wie der Bundesgerichtshof mehrfach ausgesprochen hat, können Nutzungen aus einem vom Besitzer erst eingerichte-ten Betrieb nicht als Ertrag der herauszugebenden Sache angesehen werden (BGHZ 63, 365, 368; Urt. v. 9.6.1969, VII ZR 52/67, WM 1969, 1083, 1084; Senatsurt. v. 12.5.1978, V ZR 67/77, NJW 1978, 1578).

32 MittBayNot 1990 Heft 1

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Die Nutzung der Heizungsräume als solche und der damit verbundene Mitgebrauch des Grundstücks ist ebenfalls kein herauszugebender Gebrauchsvörteil im Sinne von § 100 BGB. Der Gebrauch der Heizräume beruhte auf den Investi-tionen der Rechtsvorgängerin der Klägerin. Nach dem Gene-ralunternehmervertrag und der Teilungsvereinbarung be-zweckten diese Investitionen die Errichtung von Teileigen-tum. Der durch den Kaufvertrag vom 27.6.1972 an die Kläge-rin weitergegebene anteilige Aufwand war demnach eine Investition zur späteren Nutzung der Heizungsräume. Eine Entschädigung für den Gebrauch dieser Räume können die Miteigentümer aufgrund ihres' gemeinschaftlichen Eigen-tums ebensowenig beanspruchen, wie ein (Allein-)Eigen-tümer vom Besitzer eine Entschädigung für die Nutzung eines Gebäudes verlangen kann, das dessen Vorbesitzer auf eigene Kosten errichtet hat.

Anmerkung der Schriftleitung:

Zu dieser Entscheidung des BGH erscheint in Heft 2/1990 ein Beitrag von Notar Dr. Ludwig Röll, Günzburg.

Dort ist unter anderem folgende Erklärung der beim Notar Erschiene-nen beurkundet:

„Mit der eingangs genannten Urkunde (= Urkunde vom 25.5.1956) hat die frühere Gemeinde P. an die Eheleute S. und B. L. zum Gesamtgut der Gütergemeinschaft als Ablösung ihres Gemeindenutzungsrechts aus den Grundstücken der Gemarkung P.... eine damals noch nicht vermessene Teilfläche von ca. 2900 qm überlassen..."

Diesen Vertrag hat der Gemeinderat der Beteiligten zu 1 am 7.12.1981 genehmigt.

Die Beteiligte zu 1 hat unter Bezugnahme auf den Gemeinderats-beschluß vom 2.3.1956 die Löschung aller davon betroffenen bei den berechtigten Grundstücken als Bestandteile eingetragenen Gemein-, denutzungsrechte, unter anderem auch des beim Grundstück der Be-teiligten zu 2 eingetragenen Gemeindenutzungsrechtes, beantragt. Das Amtsgericht wies die Anträge der Beteiligten zu 1 zurück. Der dagegen eingelegten Erinnerung der Beteiligten zu 1 hat das Amts-gericht nicht abgeholfen. Das Landgericht hat die Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1.

Aus den Gründen:

Das Rechtsmittel ist begründet.

1....

B. GBO § 22, § 29, § 53 Abs. 1 Satz 2; BayGO Art. 82 Abs: 1 (Zur Löschung eines im Grundbuch eingetragenen Gemein-denutzungsrechts)

1. Die im Bestandsverzeichnis eingetragenen Gemeinde. nutzungsrechte sind von Amts wegen (§ 53 Abs. 1 Satz 2 GBO) zu löschen, wenn dem Grundbuchamt die öffentlich-rechtliche Natur des Rechts nachgewiesen wird.

2. Steht die öffentlich-rechtliche Natur eines Gemeindenut-zungsrechts nicht fest, dann ist es ungeachtet dessen, ob es öffentlich-rechtlicher oder privat-rechtlicher Natur ist, nach § 22 GBO zu löschen, wenn sein Erlöschen nach-gewiesen worden ist.

3. Für den im Grundbuchverfahren erforderlichen Nachweis des Erlöschens eines Gemeindenutzungsrechts reicht es grundsätzlich aus, daß die Beteiligten in notarieller Form erklären, daß das Recht erloschen sei.

BayObLG, Beschluß vom 18.7.1989 — BReg. 2 Z 61/89 — mit-geteilt von Johann Demharter, Richter am BayObLG

Aus dem Tatbestand:

Die Beteiligten zu 2 sind im Grundbuch als Miteigentümer in Güter-gemeinschaft des im Bestandsverzeichnis (lfd. Nr. 50) als Wohn-haus ... nebst 1/1 Gemeinderecht beschriebenen Anwesens einge-tragen. Das Anwesen ist mit einer Grundschuld zugunsten der Betei-ligten zu 3 belastet.

In der privatschriftlichen Übereinkunft vom 9.12.1955 vereinbarten die Rechtler der Gemeinde P. (der Rechtsvorgängerin der Beteiligten zu 1) mit dieser unter anderem folgendes:

„Mit der hierunter gegebenen Unterschrift erklären die Rechtler, daß sie mit den von ihnen in Besitz genommenen Flächen für die Nut-zungsrechte abgefunden sind und sie für die Zukunft für den übrigen Teil der Gemeindeflächen auf die Ausübung der Nutzungsrechte ver-zichten."

Der Gemeinderat von P. beschloß am 2.3.1956 folgendes:

„Der Gemeinderat von P. ist mit der von ... aufgestellten vorläufigen Aufteilung des Gemeindegrundes PI: Nr.... der Gemeinde P. und der zwischen dem Vertreter der Gemeinde - - . und den Rechtlern getrof-fenen Vereinbarung vom 9.12.1955 Ober die Aufteilung dieses Gemein-degrundes an die einzelnen Rechtler einverstanden

In Ausführung dieses Beschlusses wurden die entsprechenden Grundabtretungsverträge zwischen der Gemeinde und den einzelnen Rechtlern notariell beurkundet; der entsprechende Vertrag zwischen den Beteiligten zu 2 und der Gemeinde wurde am 9.11.1981 abge-schlossen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Prüfung nicht stand, weil in grundbuchmäßiger Form nach-gewiesen ist, daß das Gemeindenutzungsrecht nicht mehr besteht (§§ 22, 29 GBO).

a) Erweist sich eine Eintragung nach ihrem Inhalt als unzu-

lässig, so ist sie von Amts wegen zu löschen (§ 53 Abs. 1 Satz 2 GBO)..Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Die Tatsache, daß das Gemeindenutzungsrecht im Be-standsverzeichnis des Grundbuchblattes, zusammen mit der Eintragung eines bestimmten Anwesens eingetragen ist, kennzeichnet das Gemeinderecht als ein Recht, das mit dem Eigentum an diesem Anwesen verbunden und des halb gemäß § 96 BGB Bestandteil dieses Anwesens ist (BayObLGZ 1960, 447/450; 1970, 45/47).

Die Nutzungsrechte am Gemeindevermögen können privat-oder öffentlich-rechtlicher Natur sein. Sie sind privatrecht-

- sicher Natur, wenn sie sich auf einen Privatrechtstitel (wie etwa Pachtvertrag, Dienstvertrag, Nießbrauch, Reallast)

gründen und von dem Verhältnis, in dem der Berechtigte zu der Gemeinde steht, unabhängig sind. Dagegen sind sie öffentlich-rechtlicher Natur, wenn sie im Gemeindeverbund wurzeln und ihre Grundlagen in den öffentlich-rechtlichen Beziehungen der Nutzungsberechtigten zur Gemeinde haben (BayObLGZ 1960, 447/450; Widtmann/Grasser GO 5. Aufl. Art. 80 Rdnr. 2). _ Nutzungsrechte privatrechtlicher Natur können in das Grundbuch eingetragen werden; Nut-zungsrechte, die öffentlich-rechtlichen Charakter haben, sind nicht eintragungsfähig, weil das Grundbuch nur dazu

bestimmt ist, über die privatrechtlichen Verhältnisse eines Grundstücks Auskunft zu geben, nicht dagegen über öffent-lich-rechtliche Verhältnisse (BayObLGZ 1960, 447/451 ff.; 1982, 400/403). Allerdings sind in Bayern regelmäßig bei Anlegung des Grundbuchs ungeachtet der Rechtsnatur die Gemeinderechte beim berechtigten Grundstück vorgetragen worden. Eine Vermutung für die privatrechtliche .oder für die öffentlich-rechtliche Natur von Nutzungsrechten besteht nicht. Hier wurde dem Grundbuchamt aufgrund der vorge-legten Urkunden kein Sachverhalt dargelegt, der es recht-fertigt, die öffentlich-rechtliche Natur des Gemeinderechts als erwiesen anzusehen.

MittBayNot 1990 Heft 1 33

Page 32: des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der

Zwar wird. von der öffentlich-rechtlichen Natur des Nut-zungsrechts ausgegangen, wenn Gemeindenutzungsrechte nach Art. 70 BayGO , i. d. F. vom 25.1.1952 (BayBS 1 S. 461) von der Gemeinde abgelöst und sämtliche Gemeindegrund-stücke, die Gegenstand der Nutzungsrechte waren, zwecks Entschädigung der Nutzungsberechtigten veräußert worden sind. (BayObLGZ 1970, 45/49; BayObLG MittBayNot 1978, 109). Dies war hier aber nicht der Fall. Nach der genannten Vorschrift können Nutzungsrechte von der Gemeinde mit Zustimmung der Mehrheit der Berechtigten gegen Entschä-digung abgelöst werden. Die Ablösung ist ein Verwaltungs-akt, der die (vorherige) Zustimmung der Rechtlermehrheit voraussetzt; sie ist kein Vertrag (Heimreich/Widtmann GO 3. Aufl. Art. 70 Anm. 3). Der Gemeinderatsbeschluß vom 2.3.1956 hat den oben im Tatbestand wiedergegebenen Inhalt. Aus ihm ist nicht zu entnehmen, daß es sich um einen Ablösungsbeschluß handelt. Weder ist auf Art. 70 BayGO hingewiesen noch wird der Begriff „Ablösung" verwendet. Auch wird nicht auf eine (vorherige) Zustimmung der Recht-lermehrheit Bezug genommen. Der Gemeinderat erklärt viel-mehr mit diesem Beschluß sein Einverständnis zu einem mit den Rechtlern abgeschlossenen Vertrag über die Aufteilung von Gemeindegrund.

b) Nach § 22 GBO bedarf es zur Berichtigung des Grund-buchs der hier fehlenden Bewilligung nach § 19 GBO nicht, wenn die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachgewiesen ist. Der Unrichtigkeitsnachweis ist in der Form des § 29 GBO zu führen (Horber/Demharter GBO 17. Aufl. § 22 Anm. 11 b). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben.

Steht — wie hier — die öffentlich-rechtliche Natur eines Ge-meindenutzungsrechtes nicht fest, dann ist es ungeachtet dessen, ob es privat- oder öffentlich-rechtlicher Natur ist, nach § 22 GBO zu löschen, wenn sein Erlöschen nachgewie-sen worden ist.

Ein Gemeindenutzungsrecht privatrechtlicher Natur kann durch Verzichts- oder Aufhebungserklärung erlöschen. Ein Gemeindenutzungsrecht öffentlich-rechtlicher Natur kann die Gemeinde durch Vertrag mit einzelnen Rechtlern ab-lösen. Ein öffentlich-rechtliches Gemeindenutzungsrecht kann auch durch Verzicht eines einzelnen Rechtlers erlö-schen (Heimreich/Widtmann Art. 68 Anm. 12).

Das Erlöschen des beim Grundstück der Beteiligten zu 2 eingetragenen Gemeinderechts und damit die Unrichtigkeit des Grundbuchs sind durch den notariellen Vertrag vom 9.11.1981 nachgewiesen. Dort wird unter Bezugnahme auf die notarielle Urkunde vom 25.5.1956 erklärt, daß die Rechts-vorgängerin der Beteiligten zu 1 an Rechtsvorgänger der Be-teiligten zu 2 „als Ablösung ihres Gemeindenutzungsrechts" eine bestimmte Grundstücksfläche überlassen hat. Wie oben ausgeführt, ist das Gemeindenutzungsrecht hier nicht im Sinne des Art. 70 BayGO i. d. F. vom 25.11.1952 durch Verwaltungsakt abgelöst worden. Der in der notariellen Urkunde vom 9.11.1981 gebrauchte Begriff der „Ablösung" ist deshalb als Erlöschen des Gemeindenutzungsrechts durch Aufhebungsvertrag oder Verzicht zu verstehen.

Die Unrichtigkeit des Grundbuchs ist auch in der Form des § 29 Abs. 1 GBO nachgewiesen. Zwar enthält die Urkunde vom 9.11.1981 neben der Auflassung nur die Erklärung der Beteiligten zu 1 und 2, ihre jeweiligen Rechtsvorgänger hät-ten das Gemeindenutzungsrecht zum Erlöschen gebracht. Der Aufhebungsvertrag oder Verzicht selbst ist in dieser Ur-kunde nicht enthalten. Indessen genügte auch die Vorlage der Urkunde mit der Erklärung, daß eine Aufhebung-oder ein Verzicht bereits in notariell beurkundeter Form vorliege.

Die Rechtsprechung hat es für den Nachweis der Erteilung einer Vollmacht ausreichen lassen, wenn der Vollmachtge-ber in der Form des § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO erklärte, er habe dem Vertreter bereits Vollmacht erteilt (BGHZ 29, 366/368 f.), es handelt sich insoweit um das sogenannte Vollmachts- anerkenntnis.

Der Rechtsgedanke des Vollmachtsanerkenntnisses kann auf den vorliegenden Fall übertragen werden, in dem das Erlöschen des Gemeindenutzungsrechts nachzuweisen ist. Die Beteiligten zu 1 und 2 wären nämlich nicht gehindert ge-wesen, das Erlöschendes Gemeindenutzungsrechts unge- achtet etwaiger früherer Erklärungen vorsorglich durch ein weiteres Rechtsgeschäft nochmals herbeizuführen. Für eine verschiedene Behandlung einer Erklärung, daß das Erlö-schen des Gemeindenutzungsrechts bereits eingetreten ist, und einer abermaligen rechtsgeschäftlichen Aufhebung oder eines erneuten Verzichts besteht kein Grund. Dies gilt jedenfalls dann, wenn — wie hier — kein Anlaß vorliegt, an der Richtigkeit der Erklärung in der Urkunde vom 9.11.1981 zu zweifeln (vgl. auch BayObLGZ 1984, 155/160 [= MittBayNot 1984, 186] ).

Eine Zustimmung der Beteiligten zu 3) zu der rechtsge-schäftlichen-Aufhebung oder zu einem Verzicht war unab-hängig von der Rechtsnatur des Gemeindenutzungsrechts schon deshalb nicht erforderlich, weil ihr Grundpfandrecht erst am 7.8.1980, also erst nach Errichtung der notariellen Ur-kunde vom 25.5.1956 in das Grundbuch eingetragen wurde. Entsprechendes gilt für ein in Abteilung Il des Grundbuchs eingetragenes Leibgeding.

9. BGB §§ 1018, 1090 (Unzulässigkeit einer Dienstbarkeit zur Sicherung der Wohnraumnutzung „im Rahmen der Bewirt-schaftung des landwirtschaftlichen Betriebs`)

Eine Einschränkung dahingehend, daß der auf einem Grund-stück zu errichtende Wohnraum nur durch Personen genutzt werden darf, die von dem Eigentümer des Grundstücks mit Zustimmung des Freistaats Bayern „im Rahmen der Bewirt-schaftung des landwirtschaftlichen Betriebs" bestimmt werden, kann nicht als beschränkte persönliche. Dienstbar-keit in das Grundbuch eingetragen werden (Abgrenzung zu BayObLGZ 1989, 89 ff. [= MittBayNot 1989, 212]).

BayObLG, Beschluß vom 9.8.1989 - BReg. 2 Z 72/88 — mit-geteilt von Johann Demharter, Richter am BayObLG

Aus dem Tatbestand:

Die Beteiligte zu 1 ist als Eigentümerin von umfangreichem, landwirt-schaftlich genutztem Grundbesitz im Grundbuch eingetragen. Unter anderem gehören dazu das Grundstück Flstr. 789/2 (Landwirtschafts-fläche) und das Grundstück Flst. 790 (Wirtschaftsgebäude, Hofraum, Landwirtschaft, Gartenbau, Acker-Grünland). Die Beteiligte zu 1 be-stellte für den Freistaat Bayern, den Beteiligten zu 2, am 8.7.1987 mit notariell beglaubigter Erklärung an den beiden genannten Grund-stücken eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit mit dem Inhalt, daß der auf den Grundstücken zu errichtende Wohnraum nur durch Personen genutzt werden darf, die vom jeweiligen Eigentümer der vorbezeichneten Grundstücke mit Zustimmung des Beteiligten zu 2 im Rahmen der Bewirtschaftung des landwirtschaftlichen Betriebs bestimmt werden. Sie bewilligte und beantragte die Eintragung dieser Dienstbarkeit.

Das Grundbuchamt hat den Eintragungsantrag zurückgewiesen, da eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit mit diesem Inhalt nicht bestellt werden könne.

Das Landgericht hat das dagegen gerichtete Rechtsmittel des Beteiligten zu 2 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2.

34 MittBayNot 1990 Heft 1

Page 33: des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der

Aus den Gründen:

Das Rechtsmittel ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt, daß die einem Grundstückseigentümer auferlegte Unterlassungs-pflicht nach § 1090 Abs. 1, § 1018 2. Alternative BGB auf eine Beschränkung im tatsächlichen Gebrauch des Grund-stücks gerichtet sein müsse und nicht nur eine Beschrän-kung der rechtlichen Verfügungsfreiheit mit sich bringen. dürfe. Die hier bewilligte beschränkte persönliche Dienst-barkeit solle sicherstellen, daß der auf dem Grundstück zu errichtende Wohnraum nur durch Personen genutzt werden könne, die mit der Bewirtschaftung des landwirtschaftlichen Betriebs zu tun hätten. Der Wohnraum stünde daher auch nicht Inhabern benachbarter landwirtschaftlicher Betriebe oder deren Angehörigen oder Arbeitnehmern zur Verfügung. Was zulässig bleibe, sei daher keine tatsächliche andere Nutzung als das, was unterlassen werden müsse.

Allerdings hätten Rechtsprechung und Literatur im Zusam-menhang mit der Gewährung von Darlehen zur Finanzierung von Wohnungen durch den Staat oder durch private Unter-nehmer die Eintragung von Wohnungsbelegungsrechten als beschränkte persönliche Dienstbarkeit für zulässig ge-halten. Ein entsprechendes Gewohnheitsrecht, auf das das Bayerische Oberste Landesgericht in diesem Zusammen-hang hingewiesen habe, bestehe aber nicht, soweit es um die Sicherung der Zweckbestimmung von Wohnräumen für einen landwirtschaftlichen Betrieb gehe.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält jedenfalls im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die Eintragungsbewilligung ist zunächst dahin auszule-gen, daß an jedem der Grundstücke Flst. 789/2 und 790 eine selbständige beschränkte persönliche Dienstbarkeit be-gründet werden soll und daß auch dann, wenn das Eigentum an den beiden Grunstücken nicht mehr in derselben Hand liegt, nur der jeweilige Eigentümer des belasteten Grund-stücks mit Zustimmung des Freistaats Bayern zu bestim-men hat, wer den auf dem Grundstück vorhandenen Wohn-raum nutzen darf. Denn andernfalls hätten neben den be-schränkten persönlichen Dienstbarkeiten zusätzlich Grund-dienstbarkeiten bestellt werden müssen.

b) Eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit ist nach § 1090 Abs. 1 BGB die Belastung eines Grundstücks in der Weise, daß der Berechtigte das Grundstück in einzelnen.Be-ziehungen benutzen darf oder daß ihm eine sonstige Befug-nis zusteht, die gemäß § 1018 BGB den Inhalt einer Grund-dienstbarkeit bilden kann. Von den in den §§ 1090, 1018 BGB vorgesehenen Möglichkeiten der inhaltlichen Ausgestaltung kommt hier nur der zweite Fall des § 1018 in Betracht, daß nämlich auf dem belasteten Grundstück gewisse Handlun-gen nicht vorgenommen werden dürfen. Der Eigentümer darf den auf dem Grundstück vorhandenen Wohnraum nicht wie sonst kraft seines Eigentumsrechts nach Belieben nutzen (§ 903 BGB). Die Bestimmung des Eigentümers, wer den Wohnraum nutzen darf, ist von der Zustimmung des Beteilig-ten zu 2 als Dienstbarkeitsberechtigtem abhängig. Sowohl die Bestimmung als auch die Zustimmung müssen sich „im Rahmen der Bewirtschaftung des landwirtschaftlichen Be-triebs" halten. Die Auslegung der Eintragungsbewilligung nach Wortlaut und Sinn ergibt, daß diese Beschränkung des Bestimmungs- und Zustimmungsrechts Inhalt des ding-lichen Rechts sein und nicht etwa nur schuldrechtlichen Charakter haben soll.

c) Im vorliegenden Fall scheitert die Eintragung der Dienst- -barkeiten schon daran, daß sie inhaltlich nicht genügend bestimmt sind. Der Zweck des Grundbuchs, bestimmte und sichere Rechtsverhältnisse für Grundstücke und Rechte an Grundstücken zu schaffen und zu erhalten, erfordert klare und eindeutige Eintragungen. Um sie zu ermöglichen, müs-sen auch die zur Eintragung erforderlichen Erklärungen klar und eindeutig sein (Horber/DemharterGBO 17. Aufl. Anh. zu § 13 Anm. 4 mit weit. Nachw.; KEHE/Ert/ GBR 3. Aufl. Ein 1. Rdnr. C 7; für den Inhalt von Dienstbarkeiten im besonderen vgl. BayObLG Rpfleger 1985, 488; KG KGJ 53 A 152 ff.; KG JFG 3, 329 ff.). Im vorliegenden Fall soll die Nutzung des Wohnraums nur „im Rahmen der Bewirtschaftung des land-wirtschaftlichen Betriebs" zulässig bleiben. Die entschei-dende Abgrenzung zwischen dem, was nach dem Inhalt der Dienstbarkeit erlaubt bleibt und dem, was danach verboten ist, entbehrt der nötigen Eindeutigkeit und Klarheit. Denn es ist keine eindeutige Aussage darüber möglich, wer ein Grundstück „im Rahmen der Bewirtschaftung des landwirt-schaftlichen Betriebs" bewohnt-und damit auch bewohnen darf, in welchem Umfang z. B. Familienangehörige des Betriebsinhabers hierunter fallen. Die Formulierung ist ver-gleichbar mit derjenigen, die der bereits zitierten Entschei-dung des Kammergerichts KGJ 53 A 152 ff. zugrunde lag. Das Kammergericht hat dort das Gebot, ein Grundstück „zu keinem anderen Zwecke zu benutzen als zur Bierbrauerei und Landwirtschaft und den damit in Verbindung stehenden Betrieben" als inhaltlich nicht bestimmt genug angesehen. Der Senat kommt in dem vorliegenden Fall zu dem gleichen Ergebnis (Vgl. BayObLGZ 1980, 2321239 [= MittBayNot 1980, 201]; BayObLG Rpfleger 1981, 352/353).

d) Der Eintragung der beschränkten persönlichen Dienstbar-keiten steht weiter entgegen, daß sie nur eine Beschränkung der rechtlichen Verfügungsfreiheit enthält.

aa) Wenn nach § 1018 Fall 2 BGB „auf dem Grundstück ge-wisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen", so ist damit eine Beschränkung in der tatsächlichen Herr-schaftsmacht des Eigentümers gemeint. Handlungen in die-sem Sinn sind tatsächliche Maßnahmen, die dem Grund-stückseigentümer an sich erlaubt sind als Ausfluß des sich aus § 903 BGB ergebenden Rechts, mit dem Grundstück, so-weit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, beliebig zu verfahren und andere von jeder Einwirkung aus-zuschließen. Die vom Grundstückseigentümer übernom-mene Unterlassungspflicht darf daher nicht nur eine Beschränkung der rechtlichen Verfügungsfreiheit enthalten. Dabei muß sich das Verbot auf die Benutzung des Grund-stücks in tatsächlicher Hinsicht auswirken, also eine Ver-schiedenheit in der Benutzungsart zur Folge haben. Dies bedeutet zwar nicht, daß sich das Grundstück selbst in seinem sachlichen Bestand ändern müßte; erforderlich ist aber, daß die Vornahme der hiernach verbotenen Handlung eine andere Benutzung darstellen würde als dies bei den weiterhin zulässigen Handlungen der Fall wäre (vgl. zum Ganzen BayObLGZ 1989, 89193 [= MittBayNot 1989, 212] m. w. N.).

bb) Die Nutzung zu Wohnzwecken soll hier nur im Rahmen der Bewirtschaftung des landwirtschaftlichen Betriebs, zu dem die zu belastenden Grundstücke gehören, erlaubt blei-ben; auch die Zustimmung des Beteiligten zu 2 ist nur in die-sem Rahmen vorgesehen und zulässig. Anders als- in den vom Senat am 6.4.1982 (BayObLGZ.1982, 184 ff. [= MittBay-

MittBayNot 1990 Heft 1

35

Page 34: des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der

Not 1982, 122]) und daran anknüpfend am 30.3.1989 (Bay-ObLGZ 1989, 89 ff.) entschiedenen Fällen sind die be-schränkten persönlichen Dienstbarkeiten im vorliegenden Fall nicht als schlichte Wohnungsbesetzungsrechte und damit nicht als Verbot einer bestimmten tatsächlichen Nut-zung ausgestaltet; sie unterscheiden vielmehr zwischen einer Nutzung zu Wohnzwecken im Rahmen dieses landwirt-schaftlichen Betriebs und einer sonstigen Nutzung zu Wohnzwecken. Damit wird entscheidend auf ein Unterschei-dungsmerkmal abgestellt, das der Senat in früheren Be-schlüssen als nicht geeignet angesehen hat, um einen Unterschied in der tatsächlichen Art der Nutzung zu begrün-den: Die Nutzung von Wohnraum nur zu Zwecken oder nur im Rahmen eines bestimmten landwirtschaftlichen Betriebs unterscheidet sich in tatsächlicher Hinsicht nicht von der Nutzung von Wohnraum z. B. zu Zwecken eines anderen landwirtschaftlichen Betriebs (BayObLGZ 1980, 232/236 f.; BayObLG Rpfleger 1981, 352 f.; BayObLG MittBayNot 1982, 121/122). Der Senat sieht darin den entscheidenden Unter-schied zu der Ausgestaltung der Dienstbarkeiten, die Gegenstand des Beschlusses vom 30.3.1989 waren; dort war den Berechtigten der Dienstbarkeiten (Grunddienstbarkeit und beschränkte persönliche Dienstbarkeit) dem Grundsatz nach ein generelles, nicht an persönliche Unterscheidungs-merkmale gebundendes Besetzungsrecht eingeräumt (Bay-ObLGZ 1989, 89/94; ebenso schon der Inhalt der beschränk-ten persönlichen Dienstbarkeit in BayObLGZ 1982, 184 ff.). Dem Eigentümer des belasteten Grundstücks ist in diesen Entscheidungen eine Benutzung zu Wohnzwecken ohne Zu-stimmung des Inhabers der Dienstbarkeiten generell unter-sagt.

cc) Der Senat hält im Anschluß an die Entscheidungen der Jahre 1980 bis 1982 daran fest, daß eine Dienstbarkeit, die der Nutzung von Wohnraum nur im Rahmen eines bestimm-ten landwirtschaftlichen Betriebs zuläßt, inhaltlich nicht zulässig ist und deshalb nicht in das Grundbuch einge-tragen werden kann. Der Senat hat es in BayObLGZ 1989, 89/95 zwar dahingestellt sein lassen, ob im Hinblick auf § 35 BauGB und auf die ganz spezielle Funktion, die einem „Aus-tragshaus" zukommt, bei einer solchen Zweckbindung (die aber wie bereits dargelegt im vorliegenden Fall nicht ein-deutig ist) nicht doch von einer anderen tatsächlichen Art der Nutzung gesprochen werden kann. Der Senat verneint dies nunmehr vor allem deshalb, weil kein Anlaß besteht, von der ständigen früheren Rechtsprechung in diesem Punkt abzuweichen. Denn mit der in BayObLGZ 1989, 89 ff. vom Senat gebilligten Formulierung von „Austragshaus-Dienstbarkeiten" steht ein Weg zur Verfügung, der den bau-planungsrechtlichen Bedürfnissen der Praxis genügt. Ent-scheidend ist immer, daß dem Dienstbarkeitsberechtigten ein generelles Wohnungsbesetzungsrecht oder Zustim-mungsrecht eingeräumt und dem Grundstückseigentümer das Recht genommen wird, allein darüber zu bestimmen, wer den auf dem belasteten Grundstück vorhandenen Wohn-raum nutzen darf.

Anmerkung

Aus diesem Beschluß lassen sich zum Thema „Austrags-hausdienstbarkeiten", das hier naturgemäß nicht erschöp-fend behandelt werden kann, einige Lehren ziehen. Denn er zeigt dem Notar, worauf es ankommt und was vermieden werden muß, um einer Ablehnung der Grundbucheintragung vorzubeugen.

1. Für die Praxis ist es wichtig, zu wissen, daß

a) für Fremdenverkehrsdienstbarkeiten mit der im Beschluß vom 17.5.1985 (BayObLGZ 1985, 193 = MittBayNot 1985, 123 m. Anm. Ertl = DNotZ 1986, 228 m. Anm. Ring).

b) für Austragshausdienstbarkeiten mit der im Beschluß vom 30.3.1989 (BayObLGZ 1989, 89 = MittBayNot 1989, 212 = Rpfleger 1989, 401 m. krit. Anm. Quack),

gebilligten Formulierung jeweils ein Weg zur Verfügung steht, der als zulässiger Inhalt solcher Dienstbarkeiten im Grundbuch eingetragen werden kann und den bauplanungs-rechtlichen Bedürfnissen genügt.

2. Diese Rechtsprechung wird nicht durch den hier bespro-chenen Beschluß vom 9.8.1989 in Frage gestellt und auch nicht durch die kritische Anmerkung von Quack, in der es wörtlich heißt:

„Am Rechtsschutzbedürfnis für das Grundbuchverfahren fehlt es wohl in der Tat nicht". Auf die anderen, von Quack angeschnittenen Fragen wird man gelegentlich in einem größerem Rahmen eingehen müssen.

3. Das BayObLG hatte im Beschluß vom 9.8.1989 über eine für den Freistaat Bayern bestellte beschränkte persönliche Dienstbarkeit an zwei Grundstücken zu entscheiden. Dazu einige Bemerkungen: .

a) Das eine Grundstück war unbebaut, auf dem anderen stand bereits ein Wirtschaftsgebäude, also vom Sachverhalt her ein Sonderfall, der sich nicht — wie sonst — in das übliche Schema vom Austragshaus „auf einem selbstän-digen Grundstück" und „auf dem Hofstellengrundstück" (vgl. MittBayNot 1985, 177/179) einordnen läßt.

b) Der Grundstückseigentümer hielt es offenbar nicht für notwendig, im Rahmen einer Grunddienstbarkeit „dem jeweiligen Eigentümer des Hofstellengrundstücks" ein Bestimmungs- oder Mitbestimmungsrecht einzuräumen. Er wollte vielmehr sein eigenes Bestimmungsrecht, genauer gesagf das „des jeweiligen Eigentümers des belasteten Grundstücks" mit Zustimmung des Freistaates Bayern „im Rahmen der Bewirtschaftung des landwirtschaftlichen Be-triebes" zum Inhalt der Dienstbarkeit machen. Daraus könn-ten sich später jedenfalls dann Schwierigkeiten ergeben, wenn die beiden Grundstücke (z.B. im Wege der Ausein-andersetzung unter Erben oder der Zwangsversteigerung) auf verschiedene Eigentümer übergehen würden und jeder Eigentümer „sein" Bestimmungsrecht abweichend von dem des anderen ausübt.

c) Den ersten Ablehnungsgrund hat hier das BayObLG — meines Erachtens mit Recht — in einem Verstoß gegen den für Grundbucheintragungen geltenden Bestimmtheits-grundsatz gesehen, der naturgemäß wie alle Grundsätze dem Gericht einen gewissen Ermessensspielraum läßt.

d) Der zweite Ablehnungsgrund erscheint mir deshalb be-deutungsvoller. Die verwendete Formulierung erfüllt nicht das (im letzten Satz der Entscheidungsgründe) besonders hervorgehobene Kriterium, „daß dem Dienstbarkeitsberech-tigten (hier dem Freistaat Bayern) ein ,generelles` Woh-nungsbesetzungs- oder Zustimmungsrecht eingeräumt und dem Grundstückseigentümer das Recht genommen wird, allein darüber zu bestimmen, wer den auf dem belasteten Grundstück vorhandenen Wohnraum nutzen darf." Diesen Gesichtspunkt halte ich auch deshalb für wichtig, weil man auf diese Weise nicht auf die vielleicht etwas fragwürdige Konstruktion von der „gewohnheitsrechtlichen Anerken-nung" der Wohnungsbesetzungsrechte zurückgreifen braucht.

36 MittBayNot 1990 Heft 1

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e) Bei einer als „generelles" Wohnungsbesetzungsrecht aus-gestalteten Dienstbarkeit kann die Ablehnung der Eintra-gung nicht auf die Begründung gestützt werden, „was zuläs-sig bleibe, sei keine tatsächlich andere Nutzung als das, was unterlassen werden müsse". Denn bei einem „generellen, nicht an persönliche Unterscheidungsmerkmale" gebunde-nen Wohnungsbesetzungsrecht bestimmt der Dienstbar-keitsberechtigte selbst (entweder allein oder zusammen mit dem Grundstückseigentümer), wer den vorhandenen Wohn-raum nutzen darf. Er ist folglich berechtigt, jede andere Nutzung (durch den Eigentümer oder durch Dritte) zu ver-

bieten.

f) Die Landesnotarkammer Bayern hat bei ihrem Formulie-rungsvorschlag (dazu MittBayNot 1985, 177/178) aus zwei Gründen auf das „Wohnungsbesetzungsrecht" zurückgegrif-fen. Es ist vom BGH (MittBayNot 1975, 75) und in BayObLGZ 1982, 184 [= MittBayNot 1982, 122) als zulässige Gestal-tungsform, anerkannt. Außerdem hatte das BayObLG in seinen früheren ablehnenden Beschlüssen zu Fremdenver-kehrs- und Austragshausdienstbarkeiten nie über eine For-mulierung zu entscheiden, die als Wohnungsbesetzungs-recht ausgestaltet war. Es war deshalb nicht gezwungen, von seiner eigenen Rechtsprechung oder von der des BGH abzuweichen.

4. Das BayObLG ist (trotz der Formulierung: Bestellung „einer" Dienstbarkeit an beiden Grundstücken) mit Rück-sicht auf den Inhalt des Wohnungsbesetzungsrechtes im Wege der Auslegung zutreffend davon ausgegangen, daß nicht eine „Gesamtbelastung" beider Grundstücke. (§ 48 GBO), sondern in Wirklichkeit die Bestellung „je einer Dienstbarkeit" als Einzelbelastung eines jeden der beiden Grundstücke gewollt war. Wäre diese Auslegung nicht mög-lich gewesen, dann hätte die Eintragung schon aus diesem Grund abgelehnt werden müssen. Das BayObLG hält zwar eine Gesamtbelastung mehrerer Grundstücke mit einer ein-zigen Dienstbarkeit für rechtlich zulässig (vgl. den in die-sem Heft Seite 41 abgedruckten Beschluß vom 23.11.1989 — 2 Z 55/89 —), aber nur unter der Voraussetzung, daß das bestellte dingliche Recht einen einheitlichen Inhalt an jedem der belasteten Grundstücke hat und daß nicht — wie hier — jedem Eigentümer ein eigenes Bestimmungsrecht für sein Grundstück über dessen Nutzung zusteht. Dabei ist auch zu beachten, daß es sich beim Wohnungsbesetzungs-recht um eine sog. Verbotsdienstbarkeit (2. Fallgruppe der §§ 1018, 1090 BGB) und nicht (wie z.B. beim Wohnungsrecht; § 1093 BGB) um eine sog. Benutzungsdienstbarkeit (1. Fall-gruppe der §§ 1018, 1090 BGB) handelt.

5. Bei Dienstbarkeiten „kommt es sehr oft auf scheinbar geringe Nuancen in der Ausgestaltung der Rechte und Pflichten und damit auf ihre Formulierung an" Dies ist eine beachtenswerte Feststellung von Odersky (in der Festschrift 125 Jahre Bayerisches Notariat, 1987 S. 213/215), deren Richtigkeit sich an dem hier besprochenen Fall wieder einmal zeigt.

Notar a.D. Rudolf Ert/, Kempten (Allgäu)

10. GBO §§ 18, 22, 23 (Löschung der zur Sicherung eines

Rückübereignungsanspruchs bestellten Vormerkung)

1. Mit einer Zwischenverfügung kann nicht aufgegeben werden, zur Löschung einer Auflassungsvormerkung die

-Bewilligung eines Vormerkungsberechtigten beizubringen.

2. Ist in einem Übergabevertrag ein Rückübereignungs-anspruch vorgesehen, so sind dieser und.die dafür bestellte Vormerkung in der Regel auf die Lebenszeit des Veräußerers beschränkt. Die Vormerkung ist bei Nachweis des Todes des Berechtigten nach § 22 GBO zu löschen. § 23 GBO ist nicht anwendbar`.

BayObLG, Beschluß vom 29.8.1989 — BReg. 2 Z 92/89 — mit-geteilt von Notar Dr. Dr. Oswald Braun, München und Johann

Demharter, Richter am BayObLG

Aus dem Tatbestand:

Mit notariellem Vertrag vom 19.11.1973 überließen die Eheleute F. und K. M. den Beteiligten zu 1 bis 3, die Geschwister sind, ein Grundstück als Miteigentümer: zu je einem Drittel. Als Gegenleistung über-nahmen diese nach näherer Maßgabe des Vertrages die auf dem Grundstück lastenden Grundpfandrechte. Darüber hinaus verpflich-.teten sich die Beteiligten zu 1 und 2 jeweils, an die Eltern eine lebens-längliche jährliche Rente in Höhe von 500 DM zu bezahlen; der Betei-ligte zu 3 räumte jedem Veräußerer an dem von ihm erworbenen Mit-eigentumsanteil zu einem Drittel den lebenslänglichen Nießbrauch ein. Ferner verpflichteten sich die Beteiligten zu 1 und 2, zur Abfin-dung ihres weiteren Bruders, des Beteiligten zu 4, der gegenüber seinen Eltern auf sein jeweiliges gesetzliches Erb- und Pflichtteils-recht verzichtete, einen Betrag von 2 500 DM zu bezahlen.

Außerdem trafen die Beteiligten zu 1 und 2 mit ihren Eltern jeweils folgende Vereinbarung (Ziffern VIII 1 c und VIII 2 c):

„Die Erwerberin verpflichtet sich, den heute erworbenen Miteigen-tumsanteil ohne Zustimmung des Veräußerers nicht zu veräußern. Kommt die Erwerberin dieser Verpflichtung nicht nach, so ist der Ver-äußerer berechtigt, die unentgeltliche Überlassung des erworbenen Miteigentumsanteils an sich zu verlangen und zwar je zur Hälfte."

In Ziffer IX des Vertrages ist bestimmt:

„Die Beteiligten bewilligen und beantragen, in das Grundbuch ein-zutragen:

1. Die. . aufgeführten Nießbrauchsrechte zugunsten der Veräußerer;

2. zur Sicherung der oben in Ziffer Vill 1 c, 2 c genannten Rücküber-eignungsverpflichtung je eine Vormerkung zugunsten der Veräußerer.

Bei den Nießbrauchsrechten soll die Bestimmung vermerkt werden, daß es zur Löschung dieser Rechte nur des Nachweises des Todes der Berechtigten bedarf:'

Die Auflassungsvormerkungen wurden am 31.1.1974 im. Grundbuch eingetragen.

K. M. ist am 5.6.1983 und F. M. am 5.2.1988 verstorben.

Im gemeinschaftlichen Erbschein werden als Erben von K. M. deren Ehemann F. M. zu 112 und die vier Kinder zu je 1/8 und als Erben von F. M. die vier Kinder zu je 1/4 ausgewiesen.

Mit notarieller Urkunde bewilligten und beantragten die Beteiligten zu 1 bis 3, die Rückauflassungsvormerkung wegen Ablebens der Beteiligten zu löschen.

Das Grundbuchamt hat ihnen mit Zwischenverfügung aufgegeben, die Löschungsbewilligungen der Erben der eingetragenen Berechtig-ten sowie die entsprechenden Erbnachweise vorzulegen. Der gegen die Zwischenverfügung eingelegten Erinnerung hat das Grundbuch-amt nicht abgeholfen und sie dem Landgericht als Beschwerde vor-gelegt. Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3.

Aus den Gründen:

Die weitere Beschwerde führte zur Aufhebung der Entschei-dung des Landgerichts und der Zwischenverfügung des Grundbuchamts. -

MittBayNot 1990 Heft 1 37

Page 36: des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der

2. Die Entscheidungen der Vorinstanzen müssen aus formel-len Gründen aufgehoben werden.

Durch den Erlaß einer Zwischenverfügung sollen dem An-tragsteller der Rang und die sonstigen Rechtswirkungen, die sich nach dem Eingang des Antrags richten (§ 879 BGB i. V. m. §§ 17, 45 GBO, §§ 878, 892 Abs. 2 BGB; Horber/Dem-harter GBO 17. Aufl. § 13 Anm. 4) und die bei sofortiger Zu-rückweisung verloren gingen, erhalten bleiben. Dies ist nur gerechtfertigt, wenn der Mangel des Antrags mit rückwir-kender Kraft geheilt werden kann. Denn andernfalls könnte der Antragsteller einen ihm nicht gebührenden Rechtsvorteil erlangen. Der Erlaß einer Zwischenverfügung ist daher aus-geschlossen, wenn der Mangel nicht mit rückwirkender Kraft geheilt werden kann (BGHZ 27, 310/313; BayObLGZ 1984, 126/128; 1988, 229/231 [= MittBayNot 1988, 232- _ DNotZ 1989, 361]; Horber/Demharter Anm. 3 d, KEHE/Herr-mann GBR 3. Aufl. Rdnr. 16, jeweils zu § 18). Ein solcher Fall liegt hier vor. Wird die Löschung einer Auflassungsvormer-kung beantragt, ohne daß zugleich die Löschungsbewilli-gung aller Vormerkungsberechtigten vorgelegt wird, so leidet der Löschungsantrag an einem wesentlichen Mangel. Dieser kann mit rückwirkender Kraft nur dann geheilt wer-den, wenn alle erforderlichen Löschungsbewilligungen bei Antragseingang bereits erklärt waren. Eine erst später er-klärte Bewilligung kann nicht zurückwirken (BayObLGZ 1988, 229/231). Hier waren — die Auffassung des Landgerichts zur Auslegung des Vertrags vom 19.11.1973 als richtig unterstellt — die Löschungsbewilligungen aller Erben der eingetrage-nen Berechtigten notwendig. Dies sind nach dem vorgeleg-ten Erbschein die vier Kinder von F. und K. M. Es fehlt die Löschungsbewilligung des Beteiligten zu 4. Zwar hat dieser im Vertrag vom 19.11.1973 auf sein Erbrecht verzichtet. Im Grundbuchverfahren hat aber der Erbschein nach § 35 GBO volle Beweiskraft für das Bestehen des Erbrechts (Horber/ Demharter §35 Anm. 11 b). Ein Erbschein darf nur dann nicht vom Grundbuchamt der Eintragung zugrundegelegt werden, wenn es neue, vom Nachlaßgericht offenbar nicht berücksichtigte Tatsachen kennt, die die ursprüngliche oder nachträgliche Unrichtigkeit des Erbscheins in irgendeinem Punkt erweisen und daher seine Einziehung durch das Nachlaßgericht erwarten lassen. (Horber/Demharter § 35 Anm. 10 c). Ein hinreichender Anhaltspunkt dafür ist nicht allein darin zu sehen, daß in dem Vertrag vom 19.11.1973 ein Erbverzicht enthalten ist. Es ist jedenfalls nicht ausge-schlossen, daß dieser später wieder aufgehoben worden ist.

3. Gegenstand eines Rechtsmittelverfahrens gegen eine Zwischenverfügung ist nur das in ihr angenommene Eintra-gungshindernis, nicht die Entscheidung über den Eintra-gungsantrag selbst (BayObLGZ 1984, 136/138 [= MittBayNot 1984, 184]). Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerde-gerichts über den Eintragungsantrag selbst ist insoweit nicht möglich.

Für das weitere Verfahren wird jedoch bemerkt:

a) Zur Löschung der Auflassungsvormerkung bedarf es gem. § 22 Abs. 1 GBO der sonst erforderlichen Bewilligungen der Betroffenen (§ 19 GBO) nur dann nicht, wenn die Unrichtig-keit des Grundbuchs nachgewiesen ist. Diese Bestimmung gilt nicht nur für dingliche Rechte, sondern auch entspre-chend für die schwächere Vormerkungsberechtigung, der das Gesetz Wirkungen beigelegt hat, die denjenigen des dinglichen Rechts ähnlich sind (BayObLGZ 1969, 258/260).

Die Unrichtigkeit des Grundbuchs in Bezug auf eine Vormer-kung ist dann nachgewiesen, wenn der durch sie gesicherte

Anspruch weggefallen ist; denn als Sicherungsmittel hängt die Vormerkung in ihrem Bestand von dem des Anspruchs ab, zu dessen Sicherung sie bestellt ist (BayObLGZ a. a. 0. und BayObLG DNotZ 1989, 363/365 m. w. N.).

Die Vorschrift des § 22 GBO wird durch § 23 GBO ergänzt; er betrifft die Grundbuchberichtigung durch Löschung von Rechten, die auf die Lebenszeit des Berechtigten be-schränkt sind. Derartige Rechte können nach dem Tod des Berechtigten nach Maßgabe des § 22 GBO gelöscht werden, falls Rückstände von Leistungen nach der Art des Rechts ausgeschlossen sind. Besteht die Möglichkeit von Rück-ständen, so gilt § 22 GBO nur mit Abwandlungen; die Löschung aufgrund Unrichtigkeitsnachweises ist durch § 23 GBO unter bestimmten Voraussetzungen erleichert, im übri-gen aber ausgeschlossen (Horber/Demharter § 23 Anm. 1). "

Eine Vormerkung kann durch Rechtsgeschäft auf die Lebenszeit des Berechtigten beschränkt werden. Es ist jedoch auch möglich, daß nur der gesicherte Anspruch auf die Lebensdauer des Gläubigers beschränkt wird; dies wirkt sich dann aber auf die akzessorische Vormerkung aus (Meikel/Böttcher GBR 7. Aufl. § 23 Rdnr. 38; Böttcher MittRhNotK 1987, 219/221).

Bei der in der Grundbuchpraxis im Zusammenhang mit Über-gabeverträgen üblichen Rückauflassungsvormerkung han-delt es sich jedoch nicht um ein Recht im Sinne des § 23 GBO. Eine solche Vormerkung dient in der Regel der Siche-rung eines aufschiebend bedingten Rückübertragungsan-spruchs des Veräußerers gegen den Erwerber. Das der Vor-merkung zugrundeliegende schuldrechtliche Rechtsverhält-nis (und damit diese selbst) ist dabei üblicherweise auf die Lebenszeit des Veräußerers beschränkt. Verstirbt der Be-rechtigte der Vormerkung, so erlischt der schuldrechtliche Anspruch auf Rückübertragung und damit auch die Vormer-kung; Rückstände sind dann nicht möglich (Horber/Dem-harter § 23 Anm. 3 b; Melke//Böttcher a. a. 0. sowie Böttcher a. a. O.S. 224).

Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Frage, ob das der Rückauflassungsvormerkung zugrundelie-gende Rechtsverhältnis auf die Lebenszeit von F. und K. M. beschränkt war, verneint. Die Auslegung von Willenserklä-rungen und damit von notariellen Verträgen ist Sache der Tatsacheninstanz. Diese kann das Rechtsbeschwerdege-richt nur auf Rechtsfehler überprüfen.

Hier liegt nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand ein Rechtsfehler darin, daß das Landgericht nicht alle in Be-tracht kommenden Gesichtspunkte gewürdigt hat.

Der Vertrag vom 19.11.1973 dient einer vorweggenommenen Erbfolge. Ein Zustimmungsbedürfnis zu Grundstücksver-fügungen der Beschenkten sollte deshalb ersichtlich nur zu Lebzeiten der Eheleute F. und K. M. bestehen. Es ist kein Grund dafür erkennbar, weshalb eine solche Zustimmungs-befugnis und damit ein Rückübereignungsanspruch auch den Erben der Eheleute F. und K. M. eingeräumt werden sollte. Hätten die Beteiligten- ihre Miteigentumsanteile im Wege der Erbfolge erlangt, so könnten sie nach Ausein-andersetzung des Nachlasses auch ohne Zustimmung der übrigen Erben über ihr Eigentum verfügen. Es wäre kaum verständlich, daß die Erblasser die durch den Vertrag vom 19.11.1973 vorweg bedachten Kinder insoweit schlechter stel-len wollten als im Falle des Erbgangs. Ein Rentenanspruch ist nach der Natur der Sache, das Nießbrauchsrecht nach § 1061 Satz 1 BGB auf die Lebenszeit des Berechtigten beschränkt. Daß dies im notariellen Vertrag ausdrücklich aufgeführt ist, rechtfertigt nicht den Umkehrschluß, daß die Rückübereignungsansprüche vererblich sein sollten. Uner-

38 MittBayNot 1990 Heft 1

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heblich ist, daß gemäß Ziffer IX des Vertrages vom 19.11.1973 im Grundbuch nur bei den Nießbrauchsrechten vermerkt werden sollte, daß es zur Löschung dieser Rechte nur des Nachweises des Todes der Berechtigten bedarf. Beim Nieß-brauch besteht die Möglichkeit von Rückständen (Horber/ Demharter § 23 Anm. 3 a). Die Eintragung eines Löschungs-erleichterungsvermerks gern. § 23 Abs. 2 GBO ist deshalb hier sinnvoll. Bei der Rückauflassungsvormerkung für einen nicht vererblichen Anspruch handelt es sich jedoch nicht um ein rückstandsfähiges Recht im Sinne des § 23 GBO; beim Tod des Berechtigten ist es nach § 22 GBO zu löschen, § 23 GBO ist nicht einschlägig (Horber/Demharter § 23 Anm. 3 b und 4 a). Eine Löschungserleichterung wäre somit gar nicht eintragungsfähig.

b) Vor einer Löschung der Auflassungsvormerkungen wird das Grundbuchamt allerdings noch dem bisher nicht in das Verfahren einbezogenen Beteiligten zu 4 Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen.

Anmerkung

Nicht nur dieser Beschluß gibt zu einigen Überlegungen Anlaß, sondern auch die im vorliegenden Fall verwendete Formulierung des durch Vormerkung gesicherten bedingten Rückübereignungsanspruchs des Übergebers für den Fall, daß der Übernehmer vertragswidrig den übergebenen Grund-besitz ohne Zustimmung des Übergebers veräußert (oder belastet).

1. Verfahrensrechtlich geht es um die Voraussetzungen der Löschung einer unbefristeten Vormerkung für einen befriste-ten Anspruch auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück.

Das BayObLG hatte hier über den Wortlaut einer Verein-barung zu entscheiden, die in einem ähnlichen Fall wegen einer nicht eindeutigen und deshalb auslegungsbedürftigen Formulierung dem OLG Köln (Rpfleger 1985, 290) Schwierig-keiten bereitet hat. Horber/Demharter erwähnt deshalb mit Recht in der neuesten 18. Aufl. (1989) bei § 23 GBO (Anm. 3 b) nicht nur die aus den früheren Kommentierungen bekannte Entscheidung des LG Bochum (Rpfleger 1971, 314 = MittBayNot 1971, 360), sondern auch den bei anderer Fall-gestaltung zutreffenden Beschluß des OLG Köln. Einen anderen solchen Fall (Löschung der Vormerkung für ein befristetes Verkaufsangebot), der vom BayObLG (MittBay-Not 1989, 312) entschieden worden ist, habe ich kürzlich in MittBayNot 1989, 297 ausführlich besprochen.

2. Das OLG Köln ist in diesem Beschluß vom 30.1.1985 — 2 Wx 41/84 — aufgrund der Auslegung der dort getroffe-nen Vereinbarung über ein Ankaufsrecht zum Ergebnis ge-kommen, daß für die Löschung der Vormerkung nicht § 22 GBO, sondern § 23 GBO in Betracht kommt. Der Leitsatz dieses Beschlusses lautet:

Ist zur Sicherung eines mit dem Tod des Berechtigten endenden Ankaufsrechts eine Auflassungsvormerkung be-stellt, so bleibt ein zu Lebzeiten des Berechtigten entstande-ner Eigentumsverschaffungsanspruch über dessen Tod,hin-aus bestehen und geht auf die Erben über. In entsprechen-der Anwendung des § 23 Abs. 2 GBO kann daher eine Vor-löschungsklausel eingetragen werden.

3. Für die Gestaltung des bedingten Anspruchs des Über-gebers auf Rückübertragung des Eigentums, der — wie das BayObLG in dem hier besprochenen Fall mit Recht aus-führt — üblicherweise auf Lebenszeit des Übergebers be-

schränkt, also nicht nur bedingt, sondern auch befristet ist, sind eine Reihe von Varianten denkbar, die hier nicht alle dargestellt werden können. Sie sollten aber zur Ver-meidung von Auslegungsschwierigkeiten bedacht und in einer eindeutigen Weise in der notariellen Urkunde formu-liert werden.

a) Es kann z.B. gewollt sein, daß die Bedingung für das Ent-stehen des Rückübereignungsanspruchs bereits bei Ab-schluß eines schuldrechtlichen Vertrages über die Veräuße-rung oder Belastung, erst bei Einigung über das Verfügungs-geschäft, bei Abgabe der Bewilligung vor dem Notar, bei Ein-gang des Antrags beim Grundbuchamt oder gar erst bei Grundbuchvollzug der Verfügung eintritt. Nur in den beiden letzteren Fällen erhält das Grundbuchamt sichere Kenntnis von dem Vorgang, ohne allerdings zu wissen, ob der Über-geber (z. B. mündlich) der Veräußerung oder Belastung zugestimmt hat.

b) Es kann — wie im Fall des OLG Köln — dem Willen der Beteiligten entsprechen, daß der grundsätzlich mit dem Tod des Übergebers erlöschende Anspruch ausnahmsweise be-stehen bleibt, wenn der Übernehmer zu Lebzeiten des Über-gebers gegen die vertragliche Verpflichtung verstoßen und damit den Rückübereignungsanspruch des Übergebers aus-gelöst hat.

c) Es kann aber auch vereinbart werden, daß der Anspruch auf jeden Fall erlischt, wenn der Übergeber verstirbt, bevor er das Eigentum am übergebenen Grundbesitz zurück-erhalten hat. Nur in diesem Fall genügt (jedenfalls nach h.M.) der Nachweis des Todes des Übergebers zur Löschung der für ihn eingetragenen Vormerkung (§ 22 GBO). Ob eine solche Gestaltung dem Parteiwillen entspricht, bedarf im Einzelfall der Klärung. Wollen die Beteiligten dies nicht, dann sollte ein Löschungserleichterungsvermerk (§ 24 i. V. m. § 23 Abs. 2 GBO) in Betracht gezogen werden.

4. Es wird allerdings auch die Meinung vertreten, bei einer Vormerkung seien nie „Rückstände" i.S. des § 23 GBO mög-lich mit der Folge, daß die Löschung der Vormerkung sich nicht nach § 23, sondern nach § 22 GBO richtet. Dies ist jedoch nicht die h.M. und auch nicht die Auffassung des BayObLG (vgl. dazu meinen Rspr.- und Lit.-Überblick in Mitt-BayNot 1989, 300 Fn. 39).

Notar a.D. Rudolf Ertl, Kempten (Allgäu)

11. BGB § 158 Abs. 2, § 1030, § 1643 Abs. 1, § 1821 Abs. 1 Nr. 5; GBO § 19 (Kein Genehmigungserfordernis bei atypischer Nießbrauchsbestellung zu Gunsten eines Minderjährigen in Bezug auf die dingliche Einigung)

1. Das Grundbuchamt ist weder verpflichtet noch berechtigt,, die Wirksamkeit des der dinglichen Rechtsänderung zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts zu prüfen und die Eintragung der Rechtsänderung davon abhängig zu machen.

2. Der Genehmigungstatbestand der § 1643 Abs. 1, § 1821 Abs. 1 Nr.5 BGB erfaßt allein das schuldrechtliche Grund-geschäft, nicht die dingliche Rechtsänderung. Für das Grundbuchverfahren ist er deshalb ohne Bedeutung.

3. Das den Vertragsteilen als Inhalt des Nießbrauchs einge-räumte Recht, diesen unter gewissen Voraussetzungen und mit bestimmten Fristen zu „kündigen", ist als eine dem Nießbrauch hinzugefügte auflösende Bedingung auszule-gen. Eine solche Bedingung ist zulässig.

BayObLG, Beschluß vom 27.9.1989 — BReg 2 Z -101/89 — mitgeteilt von Notar Helmut Heinrich, Pegnitz und von Johann Demharter, Richter am BayObLG

MittBayNot 1990 Heft 1 - 39

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Aus dem Tatbestand:

Der Beteiligte zu 1 bestellte mit notariellem Vertrag vom 23.5.1989 an seinem Grundstück einen Nießbrauch für den Beteiligten zu 2, der dabei als Minderjähriger von seiner Mutter vertreten wurde. Über den Inhalt des Nießbrauchs ist in Abschnitt II der Urkunde u.a. bestimmt:

„3. Der Nießbraucher ist verpflichtet, sämtliche auf dem Vertrags-gegenstand ruhenden privaten und öffentlichen Lasten, insbeson-dere auch die Zinsen für die im Grundbuch eingetragene Grund-schuld zu nominal 148.000,— DM zugunsten der. . . zu tragen; diese ist derzeit valutiert mit DM 100.000,— circa.

4. Abweichend von der gesetzlichen Regelung obliegen dem Nieß-braucher auch die außerordentlichen öffentlichen Lasten sowie die außergewöhnlichen Ausbesserungen und Erneuerungen.:'

Der Beteiligte zu 1 bewilligte die Eintragung des Nießbrauchs in das Grundbuch. Das Grundbuchamt hat den Eintragungsantrag mit Zwi-schenverfügung beanstandet: Wegen der vom Beteiligten zu 2 in Ab-schnitt II Nrn. 3 und 4 übernommenen, über den gesetzlichen Inhalt des Nießbrauchs hinausgehenden Verpflichtungen handle es sich um den entgeltlichen Erwerb eines Nießbrauchs. Nach § 1643 Abs. 1, § 1821 Abs. 1 Nr. 5 BGB sei die Einigungserklärung des gesetzlichen Vertreters genehmigungspflichtig und die Eintragung von der Vorlage der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung abhängig.

Das Landgericht hat das Rechtsmittel der Beteiligten zurückgewie-sen. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde.

Aus den Gründen:

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Bei dem für den Beteiligten zu 1 gebuchten Grundstück soll ein Nießbrauch für den Beteiligten zu 2 eingetragen wer-den. Voraussetzung für die Eintragung ist (neben Antrag und Voreintragung, §§ 13, 39 GBO) nur die Eintragungsbewilli-gung des Beteiligten zu 1 als Betroffenem. Diese Bewilli-gung liegt vor. Da der Beteiligte zu 1 sie selbst erklärt hat, stellt sich die Frage nach der ausreichenden Vertretungs-macht eines Vertreters — in diesem Rahmen wäre auch das Erfordernis einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmi-gung zu prüfen — nicht.

b) Das Grundbuchamt darf jedoch eine Eintragung dann nicht vornehmen, wenn sicher feststeht, daß sie das Grundbuch unrichtig machen würde (BGHZ 35, 135/139 f.; BayObLGZ 1987, 359/360 m: w. N. [= MittBayNot 1988, 33 = DNotZ 1988, 313]; Horber/Demharter GBO 17. Aufl. Anh. zu § 13 Anm. 9). _

Die Vorinstanzen nehmen an, daß durch die Eintragung des Nießbrauchs das Grundbuch unrichtig würde, wenn nicht die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung erteilt ist, die zu dem der Nießbrauchsbestellung zugrunde liegenden Rechtsgeschäft nach § 1643 Abs. 1, § 1821 Abs. 1 Nr. 5 BGB erforderlich sei. Diese Annahme ist falsch; sie beruht auf einer Verkennung des Verhältnisses von schuldrechtlichem Grundgeschäft und dinglicher Einigung (Vollzugsgeschäft).

Als Genehmigungstatbestand kommt nur § 1821 Abs. 1 Nr. 5 BGB in Frage; es handelt sich insbesondnere nicht um die Übernahme einer fremden Verbindlichkeit i.S. von § 1822 Nr. 10 BGB. Der Genehmigung unterliegt danach aber nur die schuldrechtliche Vereinbarung, die dem dinglichen Rechtsgeschäft zugrunde liegt, also etwa der Kaufvertrag oder (bei einer gemischten Schenkung) das Schenkungs-versprechen (RGZ 108, 356/364; MünchKomm/Schwab BGB 2. Aufl. Rdnr. 43 und 47, Soergel/Damrau BGB 12. Aüfl. Rdnr. 15, Staudinger/Eng/er BGB 12. Aufl. Rdnr. 44, jeweils zu § 1821). Diese könnten, wenn die vormundschaftsgericht-liche Genehmigung nicht erteilt ist, nach Maßgabe der

§ 1643 Abs. 3, § 1829 BGB schwebend unwirksam sein. Die Wirksamkeit des dinglichen Vollzugsgeschäfts, also der Eini-gung über den Nießbrauch nach § 873 BGB, würde davon aber nicht berührt (vgl. BGH NJW 1988, 2364 [= MittBayNot 1988, 124 = DNotZ 1988, 572] sowie MittBayNot 1989, 142; BayObLG Rpfleger 1969, 48; OLG Hamm Rpfleger 1959, 127/128; OLG Frankfurt Rpfleger 1980, 292 [= DNotZ 1981, 40]; Palandt/Bassenge BGB 48. Aufl. Vorbem. 5a und b vor § 854; Staudinger/Ertl Rdnr. 1 vor § 873). Das Grundbuchamt hat deshalb die Gültigkeit des dem dinglichen Rechtsge-schäft zugrunde liegenden Kausalgeschäfts nicht zu prüfen; es darf die Eintragung einer Rechtsänderung grundsätzlich selbst dann nicht ablehnen, wenn es dieses Rechtsgeschäft für nichtig hält (vgl. BayObLG MittBayNot 1981, 188; KGJ 46, 171/175; OLG Hamm Rpfleger 1958, 127/128; OLG Frankfurt Rpfleger 1980, 292; Horber/Demharter § 19 Anm. 6 a; KEHEI Ert/ GBR 3. Aufl. Einleitung Rdnr. A 41; Meike//Böttcher GBR 7. Aufl. Anh. zu § 18 Rdnr. 90). Anders ist es nur dann, wenn die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit des Grundgeschäfts auch die dingliche Einigung erfaßt oder das Grundgeschäft in anderem Zusammenhang (etwa wegen einer darin ent-haltenen Vollmacht für das Vollzugsgeschäft) für das Vor-liegen der Eintragungsvoraussetzungen bedeutsam ist. Ein solcher Fall (vgl. dazu im einzelnen BayObLG Rpfleger 1968, 48; OLG Hamm Rpfleger 1959, 127/128; Horber/Demharter § 19 Anm. 6 b; KEHE/Ert/, Einleitung Rdnr. A 42; Melke!! Böttcher Anh. zu § 18 Rdnr. 91, 92) liegt hier nicht vor.

3. Für das-weitere Verfahren wird bemerkt: Die Beteiligten haben in Abschnitt II der notariellen Urkunde mehrere, von der gesetzlichen Regelung des Nießbrauchs abweichende Vereinbarungen über den Inhalt des Rechts getroffen; dies ist zulässig, soweit davon nicht diejenigen gesetzlichen Vor-schriften betroffen sind, die das Wesen des Nießbrauchs prägen (vgl. BayObLGZ 1979, 273/276 [= MittBayNot 1979, 165]; Staudinger/Promberger § 1030 Rdnrn. 10 und 11).

Keine Bedenken bestehen danach gegen die in Abschnitt II Nrn. 3 und 4 vereinbarten Regelungen (vgl. BayObLGZ 1985, 6 ff. [= MittBayNot 1985, 70] und BayObLG MittBayNot 1985, 128 f.). Nach Abschnitt II Nr. 2 soll der Nießbrauch so lange bestehen, bis er von einem Vertragsteil schriftlich gekündigt wird. Die Kündigung soll spätestens am dritten Werktag eines Kalenderjahres für den Schluß des nächsten Kalender-jahres zulässig sein, erstmals zum 31.12.1994. Die Kündi-gung als die auf Beendigung eines Rechtsverhältnisses gerichtete Erklärung ist mit dem Wesen einer Dienstbarkeit nicht vereinbar und kann somit auch nicht zum Inhalt eines Nießbrauchs gemacht werden. Das Recht eines Beteiligten, unter bestimmten Voraussetzungen und mit bestimmter Frist den Nießbrauch zu „kündigen", kann dem Recht aber als auflösende Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) hinzugefügt werden (vgl. für die Grund- bzw. beschränkte persönliche Dienstbarkeit KG OLGE 43, 225; Palandt/Bassenge § 1018 Anm. 11; Soergel/Baur BGB 11. Aufl. § 1018 Rdnr. 45). Der Nießbrauch kann auch als auflösend bedingtes Recht be-stellt werden (Palandt/Bassenge Anm. 3 b vor § 1030; zur Zu-lässigkeit einer sog. ,,Potestativbedingung" vgl. BayObLG MittBayNot 1988, 127/128 m. w. N.). Abschnitt II Nr. 2 der Ur-kunde ist in diesem Sinne auszulegen; das hat zur Folge, daß der Nießbrauch im Grundbuch selbst als auflösend be-dingtes Recht eingetragen werden muß. Eine Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung gemäß § 874 BGB ist inso-weit nicht zulässig (BayObLGZ 1973, 21/24 m. w. N.; Palandt/ Bassenge § 874 Anm. 3 a), wohl aber hinsichtlich der Aus-gestaltung der Bedingung im einzelnen.

40 MittBayNot 1990 Heft 1

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12. BGB §§ 1018, 1090; GBO §§ 19, 48, 53 Abs. 1 Satz 2 (Zulässigkeit der Sicherung eines Pachtverhältnisses durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit)

1. Eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit kann als Gesamtbelastung bestellt werden, wenn sich ihr Aus-übungsbereich auf mehrere Grundstücke erstreckt.

2. Offen bleibt, ob eine beschränkte persönliche Dienstbar-keit oder eine Grunddienstbarkeit, die zur Benutzung des Grundstücks in einzelnen Beziehungen berechtigt (§ 1018

1. Fallgruppe, § 1090 Abs. 1 BGB), nur dann inhaltlich zu-lässig ist, wenn dem Eigentümer des belasteten Grund-stücks eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzungsmöglichkeit bleibt. Die Eintragung kann aus diesem Grunde jedenfalls nur dann abgelehnt werden, wenn das Gegenteil eindeutig feststeht.

BayObLG, Beschluß vom 23.11.1989 - BReg. 2 Z 55189 — mit-geteilt von Johann Demharter, Richter am BayObLG

Aus dem Tatbestand:

Die Beteiligten zu 1 sind als Gesellschafter bürgerlichen Rechts gemeinsam Eigentümer dreier Grundstücke zu 12919, 4665 und 495 mz. Mit notariell beglaubigten Erklärungen vom 11./17.5.1988. bewilligten und beantragten sie, an den genannten Grundstücken folgende beschränkte persönliche Dienstbarkeit für die Beteiligte zu 2 einzutragen:

Die Beteiligte zu 2 hat das ausschließliche Recht, auf den Grund-stücken eine Mischanlage zur Herstellung bituminöser Straßenbau-stoffe sowie eine Wiederaufbereitungsanlage für Baustoffe mit den jeweils dazugehörigen technischen Einrichtungen zu errichten und zu betreiben — bzw. durch Dritte betreiben zu lassen — und zwar bis zum 31.12.2001.

Die Dienstbarkeit verlängert sich über diesen Zeitpunkt hinaus, solange ein Vertrag mit der Beteiligten zu 2 über die Errichtung und den Betrieb einer Mischanlage zur Herstellung bituminöser Straßen-baustoffe bzw. einer Wiederaufbereitungsanlage für Baustoffe auf den oben bezeichneten Grundstücken besteht. Eine Beendigung des Vertrages im Wege des Sonderkündigungsrechts nach § 57 a ZVG läßt den Bestand der Dienstbarkeit unberührt und führt nicht zu deren Auflösung.

Das Grundbuchamt hat den Eintragungsantrag mit Beschluß vom 24.6.1988 zurückgewiesen. Die Dienstbarkeit könne nicht eingetragen werden, da den Eigentümern der zu belastenden Grundstücke neben der Nutzung durch die Dienstbarkeitsberechtigte keinerlei wesent-liche Nutzungsmöglichkeit mehr verbleibe. Jede andere Benutzung der Grundstücke sei infolge der Dienstbarkeit ausgeschlossen; den Eigentümern blieben allenfalls Pacht- und Mieteinnahmen. Allem Anschein nach solle auch durch die Dienstbarkeit eine mieter- oder pächterähnliche Stellung der Dienstbarkeitsberechtigten dinglich gesichert werden; dies sei nicht zulässig.

Das Landgericht hat die gegen die Entscheidung des Amtsgerichts eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu 2 mit Beschluß vom 6.2. 1989 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2.

Aus den Gründen:

Das Rechtsmittel ist begründet und führt zur Anweisung, die beschränkte persönliche Dienstbarkeit wie beantragt in das Grundbuch einzutragen.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:.:.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält den rechtlichen Nachprüfungen nicht stand.

a) Nach § 1090 Abs. 1 BGB kann ein Grundstück in der Weise belastet werden, daß derjenige, zu dessen Gunsten die Be-lastung erfolgt, berechtigt ist, das Grundstück in einzel-nen Beziehungen zu benutzen. Für die hier bewilligte beschränkte persönliche Dienstbarkeit kommt — soweit es um das von den Vorinstanzen angenommene Eintragungs-

hindernis geht — diese Fallgruppe in Betracht. Die Benut-zung des Grundstücks ,,in einzelnen Beziehungen" steht dabei als eine bestimmte, näher definierte Nutzungsart im Gegensatz zu einem umfassenden nicht näher bezeichneten oder begrenzten Nutzungsrecht. Rechtsprechung und bisher herrschende Meinung lassen eine Dienstbarkeit dieser Art darüber hinaus nur zu, wenn dem Eigentümer daneben noch eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung des Grundstücks mög-lich bleibt; die den Gegenstand der Dienstbarkeit bildende Benutzung darf danach die Nutzungsmöglichkeit, die das Grundstück insgesamt bietet, nicht erschöpfen (KG KGJ 39 A 2151217; KG NJW 1973, 1128; OLG Köln DNotZ 1982, 4421443; OLG Hamm Rpfleger 1981, 105; Erman/Ronke BGB 7. Aufl. Rdnr. 12, MünchKommlFaickenberg BGB 2. Aufl. Rdnr. 28; Patandt/Bassenge BGB 48. Aufl. Anm. 5 b; Stau-dinger/Ring BGB 12. Aufl. Rdnr. 44, jeweils zu § 1018). Auch der erkennende Senat hat diese Ansicht früher wiederholt vertreten (BayObLGZ 1965, 180/181; 1979, 444/448 f. [= Mitt-BayNot 1980, 14 = DNotZ 1980, 540]; BayObLG MittBayNot 1985, 127).

b) Der ersten Voraussetzung, Benutzung der Grundstücke nur in einer bestimmten, näher umschriebenen Art und Weise, wird die hier bewilligte beschränkte persönliche Dienstbarkeit durchaus gerecht. Der Beteiligten zu 2 ist nur eine einzelne, bestimmte Nutzungsart gestattet. Der Betrieb eines Gewerbes einschließlich des Rechts, Gebäude zu errichten, zu verändern und zu unterhalten, kann sehr wohl Gegenstand einer Grunddienstbarkeit oder einer beschränk-ten persönlichen Dienstbarkeit nach der ersten in §§ 1018, 1090 Abs. 1 ,BGB genannten Fallgruppe sein (vgl. BGHZ 35, 3781381 — Tankstellendienstbarkeit; BayObLG MittBayNot 1981, 188 — Gaststättendienstbarkeit; KG OLGE 15, 359 — Betrieb eines Schotterwerks; M ünch Komm/Falckenberg Rdnr. 29, Patandt/Bassenge Anm. 5 a, jeweils zu § 1018). Die der Beteiligten zu 2 gestattete Art der Benutzung und damit der Inhalt der Dienstbarkeit ist entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts auch mit der nötigen Bestimmtheit bezeichnet. Bei der Frage, ob dem Eigentümer noch eine Nutzungsmöglichkeit verbleiben muß und in welchem Umfang, handelt es sich nicht um ein Problem der Be-stimmtheit. Einer rechtsgeschäftlichen Festlegung der Aus-übungsstelle bedarf es nicht.

c) In dem Beschluß vom 3.11.1987 (BayObLGZ 1987, 359/361 f. [= MittBayNot 1988, 33 = DNotZ 1988, 313]) hat der Senat die Gründe angeführt, die dagegen sprechen, die inhaltliche Zulässigkeit einer Benutzungsdienstbarkeit auch von einer dem Eigentümer verbleibenden Nutzungsmöglichkeit ab-hängig zu machen. Neuerdings hat sich auch Ertt (MittBay-Not 1988, 53 ff.) mit eingehender Begründung gegen diese zweite Voraussetzung der Zulässigkeit der Benutzungs-dienstbarkeit ausgesprochen.

Die Frage braucht jedoch auch im vorliegenden Fall nicht abschließend entschieden zu werden. Denn es steht ent-gegen der Ansicht der Vorinstanzen nicht fest, daß den Eigentümern der mit der beschränkten persönlichen Dienst-barkeit zu belastenden Grundstücke keine sinnvolle Nut-zungsmöglichkeit mehr verbleibt. Aus der Eintragungs-bewilligung geht entgegen_der Ansicht des Landgerichts nicht hervor, daß die Beteiligte zu 2 auf Grund der Dienstbar-keit die gesamten Grundstücksflächen in Anspruch nehmen kann und daß die ihr eingeräumte Berechtigung die Benut-zungsmöglichkeit der Grundstücke voll ausschöpft. Zwar werden für das nach der Dienstbarkeit zulässige Gewerbe

MittBayNot 1990 Heft 1 41

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nach den eigenen Angaben der Beteiligten zu 2 rund 17 000 der insgesamt 18 109 m2 Grundfläche benötigt. Doch ver-bleibt den Eigentümern nach den Angaben der Beteiligten zu 2 die Möglichkeit, ein auf den Grundstücken stehendes mehrstöckiges Bürohaus zu vermieten und kleinere Rest-flächen als Lagerplatz zu nutzen oder nutzen zu lassen. Damit steht im vorliegenden Fall wie in den vielen vergleich-baren, in BayObLGZ 1987, 359/361 zitierten Fällen jedenfalls nicht positiv fest, daß den Eigentümern der Grundstücke keine sinnvolleNutzungsmöglichkeit verbleibt. Dies wäre aber entgegen der Beurteilung der materiellen Beweislast durch das Landgericht Voraussetzung für die Zurückwei-sung des Eintragungsantrags. Unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Unzulässigkeit (§ 53 Abs. 1 Satz 2 GBO) — allein darum geht es in diesem Zusammenhang — kann eine Ein-tragung nur dann abgelehnt werden, wenn die Unzulässig-keit feststeht (BayObLGZ 1987, 359/363).,

d) Der Senat ist nicht gehalten, die weitere Beschwerde gem. § 79 Abs. 2 GBO dem Bundesgerichtshof zur Entschei-dung vorzulegen., Von einer Entscheidung des Bundes-gerichtshofs weicht der Senat mit dem vorliegenden Be-schluß nicht ab; er befindet sich vielmehr auf der Linie der bereits zitierten Entscheidungen zur Zulässigkeit von Tank-stellendienstbarkeiten, wenn dort auch nicht ausdrücklich auf diesen Punkt eingegangen wird. Auch von der Entschei-dung eines Oberlandesgerichts weicht der Senat mit seinen entscheidungserheblichen Feststellungen nicht ab. In den Entscheidungen KG KGJ 39, 215 und OLG Köln DNotZ 1982, 442 haben die Gerichte die Eintragungsbewilligung jeweils so verstanden, daß das im Rahmen der Dienstbarkeit zu errichtende Bauwerk (bzw. die zu errichtende Anlage) die ganze Grundstücksfläche ohne jede Einschränkung erfas-sen sollte.

3. Die beschränkte persönliche Dienstbarkeit entspricht so-mit den Anforderungen des § 1090 BGB. Auch sonst stehen der Eintragung, entgegen der Ansicht des Grundbuchamts, keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken entgegen.

a) Eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit kann als Gesamtbelastung begründet werden, wenn sich wie hier die Ausübung der Dienstbarkeit auf mehrere Grundstücke er-streckt (BayObLGZ 1955, 170/174; OLG Jena KGJ 44, 358; Haegele/Schöner/StöberGrundbuchrecht 9. Aufl. Rdnr. 1120;

Güthe/Triebe/ GBO 7. Aufl. § 48 Rdnr. 6; Meikel/Sieveking Grundbuchrecht 7. Aufl. Einl. C 108; a. A. KEHE/Eickmann

GBR 3. Aufl. § 48 Rdnr. 3 m. w. N. für beide Meinungen). Daß dafür ebenso wie beim Gesamterbbaurecht (vgl. BGHZ 65, 345/346 [= MittBayNot 1976, 65 = DNotZ 1976, 369]) ein wirt-schaftliches Bedürfnis besteht, zeigt der vorliegende Fall. Im übrigen besteht auch bei der Teilung des mit der Dienst-barkeit belasteten Grundstücks (§§ 1026, 1090 Abs. 2 BGB) die Dienstbarkeit als einheitliches Gesamtrecht fort (BGB/RGRK-Rothe 12. Aufl. Rdnr. 1, MünchKomm/Fa/cken-berg Rdnr. 1, jeweils zu § 1026; a. A.%Staudinger/Ring § 1026

Rdnr. 1)

b) Es steht der Eintragungsfähigkeit des Rechts auch nicht entgegen, daß die Beteiligten über denselben Gegenstand, der den Inhalt der Dienstbarkeit bildet, einen Miet- oder Pachtvertrag abgeschlossen haben (vgl. BGH LM Nr. 7 zu § 1090 BGB; BGH NJW 1974, 2123; OLG Hamm DNotZ 1957, 314/315; MünchKomm/Fa/ckenberg § 1018 Rdnr. 8). Die Dauer der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit kann auch im Wege der Bedingung von dem Bestehen eines schuldrechtlichen Vertrags abhängig gemacht werden (vgl.

BayObLG Rpfleger 1985, 488; Senatsbeschluß vom 4.11.1955 BReg. 2 Z 157/55; OLG Düsseldorf DNotZ 1961, 409; OLG Hamm Rpfleger 1959, 19/20; Haege/e/Schöner/Stöber Rdnr. 1149). Hier soll sich die beschränkte persönliche Dienstbarkeit über den 31.12.2001 hinaus verlängern, „so-lange ein Vertrag mit der (Beteiligten zu 2) über die Errich-tung und den Betrieb einer Mischanlage zur Herstellung bituminöser Straßenbaustoffe bzw. einer Wiederaufberei-tungsanlage für Baustoffe auf den oben bezeichneten Grundstücken besteht". Der Fortbestand der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit über den 31.12.2001 hinaus ist somit durch einen solchen Vertrag sowohl aufschiebend als auch auflösend bedingt. Derartige Bedingungen sind, wie sich im einzelnen aus den oben zitierten Entscheidun-gen ergibt, zulässig. Die Voraussetzungen für den Eintritt der Bedingungen sind klar genug abgegrenzt und werden den Bestimmtheitsanforderungen gerecht (vgl. BayObLG Rpfleger 1985, 488). Schwierige Rechtsfragen sind in diesem Zusammenhang nicht zu entscheiden (vgl. BayObLG Mitt-BayNot 1984, 254; OLG Düsseldorf a. a. 0.). Die Kündigung des Vertragsverhältnisses nach § 57 a ZVG hätte zur Folge, daß das Vertragsverhältnis mit der Beteiligten zu 2 erlischt, die Dienstbarkeit aber fortbesteht; da die mit der Dienstbar-keit verbundene Bedingung damit ausfiele, würde sich die Dienstbarkeit selbst in ein Recht von unbestimmter Dauer verwandeln. Auch dagegen bestehen keine rechtlichen Be-denken. Die Dienstbarkeit ist ein Recht, das nach seiner Natur auf Dauer angelegt ist (vgl. z. B. BGH NJW 1985, 2474 [= MittBayNot 1985, 190]; BayObLG MittBayNot 1980, 203); eine zeitliche Schranke ergibt sich bei der beschränkten per-sönlichen Dienstbarkeit gern. § 1090 Abs. 2, § 1061 BGB dar-aus, daß sie nicht vererblich ist oder mit der juristischen Person, der sie zusteht, erlischt. Den juristischen Personen steht in diesem Zusammenhang auch die Beteiligte zu 2 als Kommanditgesellschaft gleich (Pa/andt/Bassenge § 1061 Anm. 2). Daß die Grundstücke infolge der Belastung mit der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit als Objekt der Zwangsvollstreckung für einen nachrangigen Grundpfand-rechtsgläubiger oder einen persönlichen Gläubiger und für den Ersteher in der Zwangsversteigerung beträchtlich ent-wertet werden, liegt in der Natur der Sache und ist bei anderen vergleichbaren Belastungen nicht anders.

Da die beschränkte persönliche Dienstbarkeit so wie be-willigt ihrem Inhalt nach nicht unzulässig ist und alle sonsti-gen Eintragungsvoraussetzungen vorliegen, ist das Grund-buchamt zur Eintragung anzuweisen.

Anmerkung

Beide Leitsätze dieses für die amtliche Sammlung (BayObLGZ 1989 Nr. 76) bestimmten Beschlusses verdienen Beachtung.

1. Die Zulässigkeit der Bestellung einer beschränkten per-sönlichen Dienstbarkeit als Gesamtbelastung an mehreren Grundstücken (§ 48 GBO) ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Denn §§ 1132, 1192, 1200 BGB gelten nur für Grund-pfandrechte und ausdrücklich nicht für die Zwangshypothek (§ 867 Abs. 2 ZPO). Im Streit um die Zulässigkeit vertritt das BayObLG mit einer überzeugenden Begründung die jetzt wohl h.M. (vgl. LG Nürnberg-Fürth MittBayNot 1982, 26 zum Wohnungsrecht). Zu den Voraussetzungen einer solchen Gesamtbelastung verweise ich auf den Beschluß des BayObLG vom 9.8.1989 — 2 Z 72188 — (in diesem Heft S. 34) und auf meine Anmerkung dazu, daß dort keine Gesamt-dienstbarkeit möglich gewesen wäre.

42 MittBayNot 1990 Heft 1

Page 41: des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der

2. Es ist eine sehr begrüßenswerte Gepflogenheit, daß

unsere Obergerichte häufig bei passender Gelegenheit in

die Entscheidungsgründe Andeutungen einfließen lassen,

aus denen der aufmerksame Leser eine bestimmte Tendenz

(z.B. zu einer bevorstehenden Abweichung von der bisheri-

gen Rechtsprechung) erkennen kann. So läßt sich hier wohl

der Satz „Die Frage braucht jedoch auch im vorliegenden

Fall nicht abschließend entschieden zu werden" in Verbin-

dung mit dem Hinweis auf BayObLGZ 1987, 359/361 = Mitt-

BayNot 1988, 33 und auf meinen Aufsatz in MittBayNot 1988,

53 deuten. Dort habe ich zum Thema „Dienstbarkeit oder

Nießbrauch?" in Übereinstimmung mit Schöner (DNotZ

1982, 416) und mit Kanzleiter ( DNotZ 1986, 624) die Auf-

merksamkeit auf Schwierigkeiten gelenkt, die durch eine

bestimmte Entwicklung in der OLG-Rechtsprechung für die

Abgrenzung zwischen Benutzungsdienstbarkeiten und Nieß-

brauch aufgetreten sind. Es scheint also in der Tat eine

Rückkehr zu der von mir in MittBayNot 1988, 53/56 als

„Meinung 1" bezeichneten Auffassung im Gange zu sein,

die der BGH meines Erachtens nie verlassen hat. Für die

notarielle Praxis würde dies bedeuten, daß Grundbuchämter

die Eintragung eines Wohnungsrechtes (§ 1093 BGB) an

einer Eigentumswohnung nicht mehr mit der Begründung

ablehnen dürfen, dem Wohnungseigentümer verbleibe

„keine", jedenfalls „keine sinnvolle" oder „keine wesent-

liche" tatsächliche Nutzungsmöglichkeit, es käme dafür

allenfalls ein Nießbrauch (§ 1030 BGB) in Betracht.

3. Volle. Zustimmung verdienen auch die sonstigen Ent-

scheidungsgründe, insbesondere die eindeutige Stellung-

nahme des BayObLG gegen die „Beurteilung der materiel-

len Beweislast durch das Landgericht" in der Beschwerde-

instanz. Will das Grundbuchamt eine Eintragung unter dem

Gesichtspunkt der „inhaltlichen Unzulässigkeit" ablehnen

oder von Amts wegen löschen (§ 53 Abs. 1 Satz 1 GBO), dann

hat es nur dann ein Recht dazu, wenn die Unzulässigkeit ein-

deutig feststeht. Das Verfahren in Grundbuchsachen (auch

in den Beschwerdeinstanzen) unterscheidet sich eben in

vielfacher Beziehung vom Rechtsstreit in einem Zivilprozeß,

in dem — wenn es dazu kommen sollte — das Prozeßgericht

durchaus zu einem anderen Ergebnis kommen kann als

vorher das Gericht in einem Verfahren in Grundbuchsachen.

Notar a.D. Rudolf Ertl, Kempten (Allgäu)

13. WEG § 3 Abs. 2, § 15; BGB § 140 (Umdeutung der Er-klärung oberirdischer Pkw-Stellplätze zu Sondereigentum in die Begründung von Sondernutzungsrechten)

Eine Teilungserklärung, in welcher Teileigentumsrechte aus-gewiesen sind, die aus einem Miteigentumsanteil verbun• den mit dem Sondereigentum an einem oberirdischen Pkw-

Stellplatz bestehen, kann in der Weise umgedeutet werden, daß an den Parkflächen die Begründung von Sondernut-zungsrechten, verbunden mit der Zuschreibung der auf die Stellplätze entfallenden Miteigentumsanteile auf die übri-gen Miteigentumsanteile der Sondernutzungsberechtigten

gewollt war. Eine solche Umdeutung kann nach Vollzug der Teilungserklärung im Wege der Grundbuchberichtigung ohne Mitwirkung sämtlicher Eigentümer und dinglich Be-rechtigter erfolgen.

(Leitsätze nicht amtlich)

LG Regensburg, Beschluß vom _1.8.1989 — 5 T 165/89 -

mitgeteilt von Notar Dr. Karl Sauer, Regensburg

Aus dem Tatbestand:

Im Grundbuch des Amtsgerichts R. ist für sämtliche Miteigentümer der Wohnanlage Flur Nr. 3600/1 ein Miteigentumsanteil zu je 0,248/1000 jeweils verbunden mit dem Teileigentum, an einem im Freien gelegenen Kraftwagenabstellplatz vorgetragen.

Diese Eintragung beruht auf den entsprechenden Erklärungen in der Teilungserklärung vom 18.7.1968.

Am 13.4.1987 kündigte das Amtsgericht — Grundbuchamt — die Amtslöschung dieser Teileigentumsrechte wegen inhaltlicher Unzu-lässigkeit an. Gleichzeitig erhielten die betroffenen Eigentümer Frist zur Äußerung.

Am 7.3.1989 beantragte der Notar Dr. S. gem. § 15 GBO einen am 16.7.1987 von ihm beurkundeten Nachtrag zur Teilungserklärung vom 18.7.1968 im Grundbuch zu vollziehen. Danach sollen die im Grund-buch eingetragenen Teileigentumsrechte an den Pkw-Stellplätzen gelöscht und die Miteigentumsanteile an der Parkfläche den einzel-nen Wohnungseigentumseinheiten zugeschrieben werden.

Gleichzeitig soll den Wohnungseigentümern anstelle des unzulässi-gen Erwerbs von Teileigentum an Parkraum im Freien jeweils ein Sondernutzungsrecht hinsichtlich dieser Parkflächen eingeräumt werden. -

Mit Zwischenverfügung beanstandete das Grundbuchamt, daß nicht sämtliche Eigentümer und Berechtigte der Abänderung der Teilungs-erklärung zugestimmt hätten.

Hiergegen richtet sich die Erinnerung des Notars. Grundbuchamt und Grundbuchrichter haben der Erinnerung nicht abgeholfen.

Aus den Gründen:

In der Sache ist das Rechtsmittel erfolgreich.

Die vom Rechtspfleger in der Zwischenverfügung genann-

ten Vorbehalte gegen den Vollzugsantrag des Notars vom

7.3.1989 sind nicht begründet.

Die dort geforderten Zustimmungserklärungen aller Woh-

nungseigentümer sowie aller Berechtigter wurden bereits

mit der Teilungserklärung vom 18.7.1968, abgegeben.

Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

In der genannten Teilungserklärung haben die Wohnungs-

eigentümer und die dinglich Berechtigten einer Regelung

zugestimmt, wonach für die Inhaber des Wohnungseigen-

tums jeweils ein oder mehrere Miteigentumsanteile zu je

0,248/1000 jeweils verbunden mit einem Teileigentum an

einem Kraftwagenstellplatz bestellt werden sollte. Diese

Verfügung schlug fehl, da Sondereigentum an den im Freien

gelegenen Stellplätzen nicht entstehen konnte. Dieser

Mangel führt nicht zur Unwirksamkeit der Eigentumsauf-

teilung insgesamt. So bleibt die übrige Begründung von

Sondereigentum unberührt. Es entsteht lediglich kein

Sondereigentum an den Stellplätzen. Sie bleiben im gemein-

schaftlichen Eigentum.

Die nichtige Einräumung von Teileigentum an den im Freien

gelegenen Stellplätzen kann aber umgedeutet werden in die

Bestellung von entsprechenden Sondernutzungsrechten.

Dem Inhalt der Teilungserklärung, soweit er die Stellplätze

betrifft, ist zu entnehmen, daß die Eigentümer jedem

MittBayNot 1990 Heft 1

43

Page 42: des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der

Inhaber von Wohnungseigentum unter Ausschluß der übri-gen Wohnungseigentümer die fraglichen Stellplätze zur aus-schließlichen Benutzung zuweisen wollten.

Hätten sie gewußt, daß die in der Teilungsanordnung beab-sichtigte Zuweisung von Sondereigentum an den jeweiligen Parkflächen die Vorschrift des § 3 Abs. 2 WEG verletzt und deshalb nichtig ist, so muß bei der gegebenen Sachlage angenommen werden, daß sie dann die allein mögliche Ein-räumung von Sondernutzungsrechten an den Parkflächen nach § 15 Abs. 1 WEG und die Zuschreibung der einzelnen, auf die Kfz-Stellplätze entfallenden Miteigentumsanteile zu den übrigen Miteigentumsanteilen der „Stellplatzinhaber" gewollt hätten.

Dieser Erklärungsinhalt ist bereits der ursprünglichen Tei-lungsanordnung vom 18.7.1968 durch Umdeutung gem. § 140 BGB zu entnehmen. Entsprechend dieser Umdeutung muß das derzeit unrichtige Grundbuch berichtigt werden.

Die Umdeutung ist möglich, da das Sondernutzungsrecht nicht weiter reicht als das Teileigentum. Mit der Einräumung von Sondernutzungsrechten wird nahezu das gleiche er-reicht, wie es ursprünglich durch die Bestellung von Sonder-eigentum an den Parkflächen beabsichtigt war.

Da jeder „Stellplatzinhaber" auch Miteigentümer an der ge-samten Wohnanlage und Sondereigentümer einer Wohnung ist, entstehen auch keine sogenannten „freien" Miteigen-tumsanteile. Es erhöht sich durch die Umdeutung nur der jeweils zugunsten der einzelnen Eigentümer bestehende Miteigentumsanteil um die der jeweiligen Parkfläche ent-sprechende Quote. Daß damit die Miteigentumsanteile nicht mehr genau dem Wert und der Größe des zugehörigen Sondereigentums entsprechen, ist rechtlich ohne Belang. Zwingend ist für den Inhalt des Wohnungseigentums und des Teileigentums nur, daß mit jedem Sondereigentum ein, in welcher Größenordnung auch immer sich bewegender Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum verbunden ist und bleibt. Wie das Verhältnis zwischen Sondereigentum und Miteigentumsanteil an dem gemein-schaftlichen Eigentum festgelegt wird und welche Gesichts-punkte dabei berücksichtigt werden, hat das Gesetz der freien Bestimmung durch die Wohnungseigentümer über-lassen (vgl. hierzu BGH NJW 1976, 1976).

Durch die Umdeutung wird das von den Beteiligten ange-strebte Ziel wirtschaftlich und rechtlich sinnvoll erreicht. Eine Benachteiligung dritter Personen ist nicht ersichtlich.

Anmerkung der Schriftleitung:

Vgl. dazu den Beitrag von Böhringer in diesem Heft S. 12.

14. BGB § 1587 c Nr. 1, § 1587 o (Zur Auslegung einer Aus-schlußklausel in einer Scheidungsvereinbarung)

Eine zur Regelung aller Ansprüche vermögensrechtlicher Art vereinbarte Klausel in einer Scheidungsvereinbarung, wonach sämtliche Ansprüche — gleich aus welchem Rechtsgrund — abgegolten sind, umfaßt nicht die Rechte aus dem Versorgungsausgleich.

(Leitsatz nicht amtlich)

BGH, Beschluß vom 24.5.1989 — IV b ZB 173187 —

Aus dem Tatbestand:

Der am 11.12.1940 geborene Ehemann (Antragsgegner) und die am 13.1.1951 geborene Ehefrau (Antragstellerin) schlossen am 28.5.1976 die Ehe, aus der zwei Söhne hervorgegangen sind. Scheidungs-anträge beider Parteien — der des Ehemannes seinerzeit als Hilfs-antrag — wurden der jeweiligen Gegenseite im November 1983 zugestellt.

Während der Ehezeit (1.5.1976 bis 31.10.1983, § 1587 Abs. 2 BGB) erwarben beide Parteien Versorgungsanwartschaften: der Ehemann nach beamtenrechtlichen Vorschriften beim Land Nordrhein-West-falen (weiterer Beteiligter zu 2) in Höhe von 695,87 DM und die Ehe-frau in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Bundesversiche-rungsanstalt für Angestellte (BfA, weitere Beteiligte zu 1) in Höhe von 313,80 DM, jeweils monatlich und bezogen auf den 31.10.1983.

Das Amtsgericht, das die Ehe vorab durch das rechtskräftig gewor-dene Urteil vom 7.1.1987 geschieden hatte, hat den Versorgungsaus-gleich später durch Quasi-Splitting in Höhe von 191,04 DM (Hälfte der Wertdifferenz beider Versorgungen) geregelt.

Auf die Beschwerden der BfA und des Ehemannes hat das Oberlan-desgericht den Ausgleichsbetrag auf 163,30 DM herabgesetzt. Wegen der Höchstbetragsregelung des § 1587 b Abs. 5 BGB hat es die Parteien im übrigen gem. § 1587 f Nr. 2 BGB auf den schuldrecht-lichen Ausgleich verwiesen. Die weitergehende Beschwerde des Ehe-mannes hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen; sie war darauf gerichtet, den Versorgungsausgleich nicht durchzuführen, weil er durch eine Parteivereinbarung ausgeschlossen und außerdem gern. § 1587 c Nr. 1 BGB grob unbillig sei.

Mit der weiteren Beschwerde verfolgt der Ehemann dieses Ziel weiter. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

Aus den Gründen:.

1. Das Oberlandesgericht hat eine am 17.9.1986 von den Parteien geschlossene und durch den Notar H. beurkundete Vereinbarung dahin ausgelegt, daß sie keinen Ausschluß des Versorgungsausgleichs umfasse, so daß sich die Frage einer Genehmigung dieser Vereinbarung durch das Fami-liengericht gem. § 1587 o Abs. 2 BGB nicht stelle.

a) Das Vertragswerk, in dessen 16 geregelten Punkten der Versorgungsausgleich nicht ausdrücklich erwähnt wird, ent- hält den einleitenden Satz: „Zur abschließenden Regelung aller zwischen uns bestehenden Ansprüche vermögens-rechtlicher Art schließen wir die nachstehende Verein-barung" und als Ziffer 14 folgende Bestimmung:

„Die Erschienenen vereinbaren hiermit, daß mit der Erfül-lung der in dieser Urkunde eingegangenen Verpflichtungen sämtliche gegenseitigen Ansprüche — gleich aus welchem Rechtsgrunde — mit Ausnahme der Ziffer 1 dieser Urkunde, abgegolten sind."

Nach Ziffer 1 sollte ein vor dem Oberlandesgericht am 10.6.1986 abgeschlossener Vergleich unberührt bleiben.

b) Das Oberlandesgericht hat den Standpunkt eingenom-men, daß der in der Urkunde nirgends erwähnte Ver-sorgungsausgleich auch durch die allgemein gefaßte Aus-gleichsklausel in Ziffer 14 nicht geregelt worden sei, weil diese nur gegenseitige vermögensrechtliche Ansprüche umfasse; das Rechtsinstitut des Versorgungsausgleichs gewähre keine persönlichen vermögensrechtlichen An- sprüche, über die die Ehegatten im Scheidungsverfahren beliebig verfügen könnten. Vielmehr handele es sich um ein Amtsverfahren, das der Disposition der Ehegatten in weitem Umfang entzogen sei und nur in den Grenzen des § 1587 o BGB nach notarieller Beratung und mit familiengerichtlicher Genehmigung Parteivereinbarungen zulasse.

c) Dagegen wendet sich die weitere Beschwerde mit der Erwägung, das Oberlandesgericht habe sachfremd die

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MittBayNot 1990 Heft 1

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Besonderheiten des Versorgungsausgleichsverfahrens zur Auslegung einer Vereinbarung herangezogen. Dem vermag der Senat jedoch nicht zu folgen.

Die Auslegung einer einzelvertraglichen Regelung ist im Verfahren der weiteren Beschwerde nur beschränkt nach-zuprüfen, nämlich — wie im Revisionsverfahren — nur dar-auf, ob die Auslegung durch den Tatrichter mit dem Wortlaut vereinbar ist, ob Denkgesetze, Erfahrungssätze oder aner-kannte Auslegungsregeln verletzt sind oder ob wesentlicher Auslegungsstoff außer acht gelassen worden ist. Dieser ein-geschränkten Prüfung hält-die Auslegung des Oberlandes-gerichts stand. Es ist nicht rechtsfehlerhaft, sondern im Gegenteil naheliegend, daß in der notariellen Urkunde vom 17.9.1986, die mehr als neun Jahre nach dem Inkrafttreten des ersten EheRG und fast drei Jahre nach der Rechtshän-gigkeit der Scheidungsanträge errichtet wurde, das Rechts-institut des Versorgungsausgleichs ausdrücklich genannt worden wäre, wenn es nach den Vorstellungen der Parteien durch den Vertrag in irgendeiner Weise beeinflußt werden sollte. Dieser Schluß wird dadurch bestärkt, daß in der Ver-einbarung entgegen der sonstigen Praxis bei notariellen Ver-trägen über den Versorgungsausgleich keine Gründe für dessen Ausschluß genannt werden. Der Ehemann hat dafür auch im Verfahren nichts vorgetragen, obwohl es ungeach-tet der Pflicht zur Amtsermittlung (§ 12 FGG) demjenigen, der sich auf einen vertraglichen Ausschluß des Versorgungs-ausgleichs beruft, obliegt, dem Familiengericht die Um-stände vorzutragen, aus denen sich entweder ein angemes-sener Ausgleich ergibt oder die einen entschädigungslosen Verzicht auf den Versorgungsausgleich genehmigungsfähig erscheinen lassen (vgl. zur Darlegungslast für Härtegründe im Sinne des § 1587 c BGB Senatsbeschluß vom 23.3.1988 — IV b ZB 51/87 — BGHR FGG § 12 Versorgungsausgleich 1

FamRZ 1988, 709, 710 unter 4). Aus der Formulierung im angefochtenen Beschluß, daß Rechte aus dem Versorgungs-ausgleich nicht zu den „gegenseitigen" vermögensrecht-lichen. Ansprüchen rechnen, läßt sich eine rechtsfehlerhafte Auslegung nicht herleiten. Damit hat das Beschwerde-gericht offensichtlich (und zutreffend) nur gemeint, daß der Wertausgleich, der beim öffentlich-rechtlichen Versorgungs-ausgleich zu Lasten der Versorgung des Ausgleichspflichti-gen vorgenommen wird, nichts mit Leistungspflichten zu tun hat, wie sie in ihrer synallagmatischen Verknüpfung für den gegenseitigen Vertrag kennzeichnend sind. Daß allgemein der Versorgungsausgleich vermögensrechtlicher Natur ist, hat das Oberlandesgericht erkennbar nicht in Frage stellen wollen.

2. Auch soweit das Beschwerdegericht dem Begehren des Ehemannes, den Versorgungsausgleich gem. § 1587 c BGB auszuschließen, nicht gefolgt ist, hält seine Entscheidung den Angriffen der weiteren Beschwerde stand. (Wird aus-geführt.)

15. BGB §§ 1478, 1477 Abs. 2, 1476 Abs. 2 (Zugewinnaus-gleichsanspruch als in die Gütergemeinschaft eingebrach-ter Gegenstand)

a) Wenn Ehegatten, die im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben, Gütergemeinschaft verein-baren, so ist der Anspruch eines Ehegatten auf Zugewinn-ausgleich ein in die Gütergemeinschaft eingebrachter Gegenstand (§ 1478 Abs. 2 Nr.1 BGB). Die entsprechende Zugewinnausgleichsverbindlichkeit des anderen Ehegatten mindert den Wert des von diesem Eingebrachten.

b) Im Rahmen der Bestimmung des Wertes des beiderseits Eingebrachten ist der Wertverlust der Deutschen Mark auch bei eingebrachten Geldforderungen zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt für Geldschulden.

c) Zur Verzinsung eines sich bei der Auseinandersetzung des Gesamtguts ergebenden Zahlungsanspruchs.

BGH, Urteil vom 18.10.1989 = IV b ZR 82188 — mitgeteilt von D. Bundschuh, Richter am BGH _

Aus dem Tatbestand.-

Die Parteien schlossen am 19.5.1959 die Ehe miteinander. Sie lebten zunächst im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Am 5.6.1975 vereinbarten sie durch notariellen Ehevertrag mit sofor-tiger Wirkung Gütergemeinschaft bei gemeinschaftlicher Verwaltung des Gesamtguts. Seit dem 20.10.1983 sind sie geschieden.

In einem Verfahren zur Vermittlung der Auseinandersetzung des Gesamtguts vor dem landesrechtlich zuständigen Notariat (§§ 99, 193 FGG) erklärte der Beklagte, er wolle das von ihm in das Gesamt-gut der Gütergemeinschaft eingebrachte, mit einem Zweifamilien-haus bebaute Grundstück gegen Wertersatz übernehmen (§ 1477 Abs. 2 Satz 2 BGB); daneben verlangte er Rückerstattung des Wertes des Eingebrachten (§ 1478 BGB).

Nachdem das Verfahren vor dem Notariat ohne Ergebnis geblieben war, hat die Klägerin mit der vorliegenden Klage, die am 20.9.1985 zugestellt worden ist, zunächst die Zustimmung des Beklagten zu einem von ihr vorgelegten Auseinandersetzungsplan erstrebt. Vor dem Amtsgericht — Familiengericht — haben die Parteien in einem Teilvergleich vereinbart, daß der Beklagte das Hausgrund-stück aus dem Gesamtgut zu Alleineigentum übernimmt; er hat aner-kannt, dafür zum Gesamtgut 550.000 DM zu schulden, und sich ver-pflichtet, 'vorab an die Klägerin auf ihr Auseinandersetzungsgut-haben 75.000 DM zu zahlen. Die Zahlung der 75.000 DM isterfolgt, der Beklagte ist als alleiniger Grundstückseigentümer im Grundbuch eingetragen worden. Daraufhin hat die Klägerin die Klage dahin geändert, daß der Beklagte verurteilt werde, an sie zur Auseinander-setzung der Gütergemeinschaft 210.000 DM nebst 8% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Dabei hat sie u. a. einen — zunächst strittigen — Anspruch des Gesamtguts gegen den Beklagten auf Zahlung einer Entschädigung für die zeitweilig alleinige Nutzung des Hausgrundstücks berücksichtigt, den sie in Höhe von 42.000 DM angesetzt hat. Die Parteien haben sodann unstreitig gestellt, daß der Beklagte „im Außenverhältnis" die Verbindlichkeiten des Gesamt. guts (in Höhe von 10.326,87 DM) allein übernommen und die Klägerin insoweit freigestellt habe. Sie haben vereinbart, die Aktiva und Passiva des Gesamtguts per Stichtag 20.10.1983 zu bewerten. Neben der bereits genannten Nutzungsentschädiung ist insbesondere noch umstritten geblieben, ob auch die Klägerin etwas in das Gesamtgut der Gütergemeinschaft eingebracht hat (§ 1478 Abs. 2 Nr. 1 BGB), nämlich ihren Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns, und ob die entsprechende Verpflichtung des Beklagten den Wert des von ihm Eingebrachten mindert. Der Beklagte hat auch-die Höhe des von der Klägerin als eingebracht angesehenen Zugewinnausgleichs-anspruchs bestritten und gegenüber diesem Anspruch die Einrede der Verjährung erhoben. Das Amtsgericht hat ihn unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt; an die Klägerin zur Auseinander-setzung der Gütergemeinschaft 146.903,15 DM nebst 8% Zinsen seit dem 20.10.1985 zu zahlen.

Der Beklagte hat Berufung eingelegt und an seinem Standpunkt fest- - gehalten, die Klägerin habe nichts in die Gütergemeinschaft einge-bracht. Dem ist die Klägerin entgegengetreten. Vor dem Berufungs-gericht haben die Parteien (unter Vorbehalt ihrer gegensätzlichen Rechtsstandpunkte) weiter folgendes unstreitig gestellt:

1. Zugewinn

Auf den Endstichtag (5.6.1975) indexiertes Anfangs- vermögen des Ehemanns: 120.000 DM

Endvermögen des Ehemanns (Wert des Hauses abzüglich damit zusammenhängender Schulden): 434.000 DM

Zugewinn des Ehemanns: 314.000 DM

Anfangs- und Endvermögen der Ehefrau: 0 DM

Zugewinn der Ehefrau: 0 DM

Zugewinnausgleichsanspruch der Ehefrau: 157.000 DM.

MittBayNot 1990 Heft 1

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2. Gesamtgut:

Nettowert des auseinanderzusetzenden Gesamt-guts auf den Zeitpunkt der Auseinandersetzung (inbegriffen die zuvor umstrittene Nutzungsent- schädigung): 547.000 DM.

Das Berufungsgericht hat das Urteil des Amtsgerichts unter Zurück-weisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert. Es hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 122.428,45 DM nebst 4% Jahreszinsen ab Rechtskraft des Urteils zu zahlen; im übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Dagegen richtet sich die — zugelassene — Revision des Beklagten, mit der er den Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter-verfolgt. Mit der Anschlußrevision bekämpft die Klägerin die Teil-abweisung ihres Zinsanspruchs.

Aus den Gründen:

Die Revision des Beklagten bleibt ohne Erfolg

1. Das Berufungsgericht entscheidet in Anwendung des § 1478 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB, daß der Klägerin bei der Auseinandersetzung der Gütergemeinschaft ein Anteil von 36,175% an dem Gesamtgut zusteht, dessen Nettowert, wie im zweiten Rechtszug unstreitig gestellt worden ist, 547.000 DM beträgt. Es ergibt sich ein Betrag von 197.877,25 DM. Weil das Gesamtgut — abgesehen von Einzelgegenständen, deren Zuweisung offenbar durch ein-verständliche Verrechnung im Zusammenhang mit der Eini-gung über die Höhe des Nettowertes des Gesamtguts aus-geglichen ist — aus dem Wertersatzanspruch gegen den Beklagten wegen der Übernahme des Hausgrundstücks besteht (§ 1477 Abs. 2 BGB) und dieser durch die in § 1476 Abs. 2 Satz 1 BGB vorgesehene Anrechnung auf den Über-schußanteil des Beklagten von (63,825% von 547.000 DM = 349.122,75 DM) nur in dieser Höhe seine Erledigung gefun-den hat, steht er in der restlichen Höhe von 197.877,25 DM der Klägerin zu (§ 1476 Abs. 2 Satz 2 BGB). Der Anspruch verringert sich um die bereits erhaltene Vorschußzahlung in Höhe von 75.000 DM sowie um der Klägerin über-tragene Bankguthaben des Gesamtguts von 448,80 DM auf 122.428,45 DM.

2. Die Angriffe der Revision dagegen, daß das Berufungs-gericht der Klägerin einen Anteil an dem die Gesamtgutsver-bindlichkeiten übersteigenden Überschuß des Gesamtguts zubilligt, greifen nicht durch.

Zu Recht und von den Parteien unbeanstandet geht das Berufungsgericht davon aus, daß den Parteien der Über-schuß des Gesamtguts nicht gem. § 1476 Abs. 1 BGB zu gleichen Teilen gebührt. Vielmehr gilt, weil der Beklagte Rückerstattung des Wertes des Eingebrachten verlangt hat, insoweit die Regelung des § 1478 BGB. Das Berufungs-gericht legt dar, der Wert des Gesamtgutes reiche nicht aus, nach Abs. 1 Halbsatz 1 der Vorschrift jedem der Ehegatten den — inflationsbereinigten — Wert des von ihm Einge-brachten zu erstatten. Es läßt daher beide Parteien den Fehl-betrag nach dem Verhältnis des Wertes des von ihnen Ein-gebrachten tragen (Abs. 1 Halbsatz 2 der Vorschrift). Diese Beurteilung ist frei von Rechtsfehlern.

a) Bei der Bestimmung des beiderseits in das Gesamtgut der Gütergemeinschaft Eingebrachten hat das Berufungs-gericht zutreffend angenommen, daß nicht nur der Beklagte das Hausgrundstück (Wert am 5.6.1975 nach Abzug von Schulden: 434.000 DM), sondern auch die Klägerin etwas eingebracht hat, nämlich ihren Anspruch auf Zugewinn-ausgleich in Höhe von 157.000 DM; zugleich mindert sich

der Wert des von dem Beklagten Eingebrachten wegen der Zugewinnausgleichsverbindlichkeit, die sein eingebrachtes Vermögen verringert, auf (434.000 DM — 157.000 DM =) 277.000 DM.

aa) Mit der Beendigung des gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft entstand am 5.6.1975 der Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Ausgleich des Zuge-winns (§§ 1372, 1378 Abs. 3 Halbsatz 1 BGB a. F.). Dabei handelte es sich nicht um einen verhaltenen Anspruch der noch durch ein Verlangen, also einen Gläubigerakt, hätte aktualisiert werden müssen, sondern der Ausgleichsan-spruch entstand unmittelbar kraft Gesetzes (so zu § 1378 Abs. 3 Satz 1 BGB n. F. MünchKommlGernhuber 2. Aufl. § 1378 Rdnr. 13; Staudinger/Thiele BGB 12. Aufl. § 1378 Rdnr. 12).

bb) Die Klägerin hat diesen Anspruch auf Zugewinnaus-gleich als einen ,Gegenstand`, der ihr „beim Eintritt der Gütergemeinschaft gehört" hat (§ 1478 Abs. 2 Nr. 1 BGB), in die Gütergemeinschaft eingebracht. Er wurde nach der Regel des § 1416 Abs. 1 und 2 BGB ohne weiteres gemein-schaftliches Vermögen beider Ehegatten (Gesamtgut). Denn die mit der Beendigung des gesetzlichen Güterstandes ent-standene Ausgleichsforderung war von diesem Augenblick an übertragbar (§ 1378 Abs. 3 Halbsatz 1 BGB a. F.) und daher nicht als Sondergut durch § 1417 BGB vom Gesamtgut ausgeschlossen. Die Parteien haben sie auch nicht durch den Ehevertrag zum Vorbehaltsgut der Klägerin erklärt (§ 1418 Abs. 2 Nr. 1 BGB). In dem Ehevertrag vom 5.6.1975 heißt es nach der Vereinbarung der Gütergemeinschaft und nach der Abrede der gemeinschaftlichen Verwaltung des Gesamtguts in § 3:

„Durch Urkunde vom 2.6.1975 wurde unter GR. B. Nr. 463/75 das Grundstück Sch.-Straße 15 an den Ehemann aufge-lassen. Wir ändern den Eintragungsantrag dahingehend ab, daß dieses Grundstück auf die Ehegatten unmittelbar zum Gesamtgut der Gütergemeinschaft eingetragen wird. Auf Nachricht wird verzichtet"

Darin hat das Berufungsgericht zu Recht keine abschlie-ßende Bezeichnung der Gegenstände gesehen, die Gesamt-gut werden sollten. Die gegenteilige Auffassung der Revi-sion, mit § 3 des Ehevertrages sei zum Ausdruck gebracht worden, daß andere Vermögensteile als das Grundstück nicht Gesamtgut werden sollten, so daß der Zugewinnaus-gleichsanspruch der Klägerin ihrem Vorbehaltsgut zugewie-sen worden sei, findet im Sachverhalt keine Grundlage. § 3 des Ehevertrages enthält keine Verfügung zum Gesamtgut, die nach der Regel des § 1416 BGB auch überflüssig ge-wesen wäre, sondern nur die Berichtigung eines Eintra-gungsantrages. Etwas anderes hat auch der Beklagte bisher nicht geltend gemacht. Die Annahme der Revision, nur das Grundstück habe Gesamtgut werden sollen, ist zudem nicht mit der auf dem beiderseitigen Parteivorbringen beruhenden Feststellung des Berufungsgerichts zu vereinbaren, „auch auf Seiten des Beklagten (sei) weder Sonder- noch Vor-behaltsgut vorhanden" gewesen; danach ist für keine der Parteien Vorbehaltsgut gebildet worden.

cc) Auf das weitere Schicksal der eingebrachten Gegen-stände kommt es für die Anwendung des § 1478 BGB nicht an. Ihr Wert bestimmt sich — abgesehen von der noch erfor-derlichen Inflationsbereinigung — nach der Zeit der Einbrin-gung (§ 1478 Abs. 3 BGB). Daher bleiben Wertsteigerung, Wertminderung und selbst Untergang der eingebrachten Ge-genstände ohne Bedeutung (vgl. Planck/Unzner BGB 4. Aufl.

46 MittBayNot 1990 Heft 1

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§ 1478 Anm. 6). Der Annahme des Berufungsgerichts, der Zu-gewinnausgleichsanspruch sei sogleich am 5.6.1975 durch das Zusammentreffen von Recht und Pflicht in einer Hand (Konfusion) erloschen, braucht deshalb- nicht weiter nach-gegangen zu werden. Im Rechtsstreit wird nicht Erfüllung des Anspruchs auf Zugewinnausgleich verlangt, sondern die Parteien streiten über die Rückerstattung des Wertes des Eingebrachten nach § 1478 BGB, wobei, wie dargelegt, das weitere Schicksal der eingebrachten Gegenstände rechtlich bedeutungslos ist. Infolgedessen geht auch die Einrede der Verjährung des Anspruchs auf Zugewinnausgleich ins Leere.

dd) Dem Ansatz des Zugewinnausgleichsanspruchs als von der Klägerin eingebracht muß ein wertmindernder Ansatz der Ausgleichsverbindlichkeit bei der Bestimmung des Wertes des von dem Beklagten Eingebrachten entsprechen (ebenso OLG Karlsruhe FamRZ 1982, 286, 288 f.; Münch-KommlKanzteiter 2. Aufl. § 1478 Rdnr. 7). Eingebrachte Schulden verringern den Wert des Eingebrachten (Behmer FamRZ 1988, 339, 342; MünchKommlKanzleiter a. a. O. Rdnr. 8). Eine andere Beurteilung würde die Rückerstattung des Wertes des Eingebrachten (§ 1478 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB) ebenso wie die Verpflichtung verzerren, einen Fehl-betrag nach dem Verhältnis des Wertes des beiderseits Ein-gebrachten zu tragen (Abs. 1 Halbsatz 2 der Vorschrift; vgl. Behmer a. a. 0.).

Nach allem hat das Oberlandesgericht zutreffend den Wert des von der Klägerin Eingebrachten mit 157.000 DM, den Wert des von dem Beklagten Eingebrachten mit (434.000 DM - 157.000 DM =) 277.000 DM angesetzt.

b) Das Berufungsgericht nimmt an, nach § 1478 Abs. 1 BGB seien nicht diese Nominalwerte zur Zeit der Einbringung, sondern die inflationsbereinigten Werte des Eingebrachten zurückzuerstatten. Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 84, 333, 338; Senatsurteile vom 10.7.1985 - IV b ZR 37/84 - FamRZ 1986, 40, 42 und vom 1.10.1986 - IV b ZR 77/85 - FamRZ 1987, 43, 45 [= MittBay-Not 1987, 37 = DNotZ 1987, 304]) und der im Schrifttum vor-herrschenden Auffassung (Gernhuber FamR 3. Aufl. § 38 X 9, S. 583; MünchKommlKanzleiter a. a. O. § 1478 Rdnr. 8; Soergel/Gaul BGB 12. Aufl. § 1478 Rdnr. 7; Staudinger/ Thiele a. a. O. § 1478 Rdnr. 9; a. A. Bölling FamRZ 1982, 234 ff., 289 ff. und 993 ff.).

Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, daß die Inflationsbereinigung - nach den in BGHZ 61, 385 für den Zugewinnausgleich entwickelten Grundsätzen - auch inso-weit erforderlich ist, als Geldforderungen (oder Geldschul-den) eingebracht worden sind (ebenso für den Zugewinnaus-gleich: BGH Urteile vom 22.11.1974 - IV ZR 73/73 - WM 1975, 28 und vom 13.10.1983 - IX ZR 106/82 - FamRZ 1984, 31, 32 [= DNotZ 1984, 494]; für die Gütergemeinschaft noch offengelassen in BGH Urteil vom 1.7.1982 - IX ZR 32/81 - FamRZ 1982, 991, 993 - insoweit in BGHZ 84, 333 nicht ab-gedruckt). Mit der Berücksichtigung von eingebrachten Geldforderungen werden diese, wie dargelegt, nicht geltend gemacht, sondern es handelt sich allein darum, ihren infla-tionsbedingten Wertverlust in gleicher Weise wie bei den anderen eingebrachten Gegenständen zu berücksichtigen. Für eingebrachte Geldschulden gilt Entsprechendes. Der Wertverlust wird für Geldforderungen und Geldschulden - im Gegensatz zu anderen eingebrachten Gütern, die auch eine individuelle, abweichende Wertentwicklung nehmen können - durch den Vergleich der Kaufkraftindizes exakt angezeigt.

c) Das Berufungsgericht errechnet zutreffend, daß der infla-tionsbereinigte Wert des von beiden Parteien im Jahre 1975 Eingebrachten danach mehr als 607.000 DM beträgt (dama-liger Wert des beiderseits Eingebrachten: 434.000 DM; Lebenshaltungskostenindex 1975: 82,6, 1980: 100, 1983:

434.000 DM x 115,6 115,6; . 826

= 607.390 DM). Weil das ausein-

anderzusetzende Gesamtgut mit einem Wert von 547.000 DM somit nicht ausreicht, den Wert des Eingebrachten an die Parteien zurückzuerstatten, ist es in der Weise aufzuteilen, daß sie den Fehlbetrag nach dem Verhältnis des Wertes des von ihnen Eingebrachten tragen (§ 1478 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB). Dieses Verhältnis beträgt, wie dargelegt, 157.000 DM zu 277.000 DM. Dem entsprechen die vom Berufungsgericht genannten Hundertsätze von 36,175 und 63,825. Wenn also die Klägerin einen Anteil von 36,175% des Wertes des Ge-samtguts und der Beklagte einen solchen von 63,825% er-hält, so wird der Fehlbetrag von den Parteien nach dem Ver-hältnis des Wertes des von ihnen Eingebrachten getragen.

d) Der Anteil des Beklagten am Nettowert des Gesamtguts beläuft sich mithin auf (63,825% von 547.000 DM =) 349.122,75 DM, der Anteil der Klägerin auf 197.877,25 DM. Nur in Höhe seines Anteils von 349.122,75 DM hat sich die auf § 1477 Abs. 2 BGB beruhende Wertersatzpflicht des Beklagten durch Anrechnung nach § 1476 Abs. 2 Satz 1 BGB erledigt. Im übrigen, d. h. in Höhe von 197.877,25 DM, bleibt er der Klägerin verpflichtet (§ 1476 Abs. 2 Satz 2 BGB). Bei Berücksichtigung des bereits gezahlten Vorschusses von 75.000 DM und des - noch nicht anderweitig verrechne-ten - aus dem Gesamtgut erhaltenen Bankguthabens in Höhe von 448,80 DM ergibt sich der zuerkannte Zahlungs-anspruch von noch 122.428,45 DM.

Auch die Anschlußrevision der Klägerin, mit der sie die Teil-abweisung ihres Zinsanspruchs bekämpft, ist unbegründet. Der Klägerin stehen mangels früherer Fälligkeit der Haupt-forderung Zinsen gemäß § 291 BGB erst ab Rechtskraft des Urteils zu, und zwar in Höhe von 4% pro Jahr (§ 291 Satz 2 i. V. mit § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Wenn Ehegatten sich über die Auseinandersetzung des Gesamtguts der Gütergemeinschaft einigen, so werden da-mit vertragliche Auseinandersetzungsansprüche begründet. Einigen sie sich nicht, steht die Auseinandersetzungsklage zur Verfügung, die auf die Zustimmung des Beklagten zu einem vom Kläger vorgelegten Auseinandersetzungsplan zu richten ist. Mit der Rechtskraft des Urteils, das einer solchen Klage stattgibt, kommt gem. § 894 ZPO der Auseinanderset-zungsvertrag zustande (vgl. Senatsurteil vom 13.4.1988 - IV b ZR 48/87 - FamRZ 1988, 813, 814; Staudinger/Thiele a. a. O. § 1474 Rdnr. 9), entstehen also die daraus sich ergebenden Ansprüche.

Besteht das Gesamtgut aus einer Geldforderung, so sieht das Gesetz in erster Linie Auseinandersetzung durch deren Teilung in Natur vor (§§ 1474, 1477 Abs. 1 i. V. mit § 752 BGB; vgl. Staudinger/Huber a. a. 0. § 754 Rdnr. 3 und - zu § 2042 Abs. 2 i. V. mit § 752 BGB - RGZ 65, 5, 7). Im vorliegenden Fall besteht die weitere Besonderheit, daß die Geldforde-rung, aus der das Gesamtgut nach der einverständlichen Aufteilung der ursprünglich sonst in ihm enthaltenen Gegenstände allein noch besteht, gegen einen der _Ehe-gatten selbst, nämlich gegen den Beklagten, gerichtet ist. Bei dieser Sachlage begehrt die Klägerin mit ihrem Zah-

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lungsantrag — in zweckmäßiger Vereinfachung — die Tei-lung und Teilzuweisung der Geldforderung, die erst mit der Rechtskraft des Urteils eintritt, und zugleich einen Titel zur Durchsetzung des ihr dann zustehenden Teils der Geldforde-rung. Vor der Rechtskraft des Urteils stand der Klägerin daher eine fällige Hauptforderung, aus der allein Zins-ansprüche abgeleitet werden könnten, nicht zu.

Anmerkung der Schriftleitung:

Vgl. dazu den Beitrag von Behmer in MittBayNot 1989, 7

B.

Handelsrecht einschließlich Registerrecht

16. GmbHG § 18 Abs. 1, § 47 Abs. 4 Satz 1; BGB § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 (Ausschluß aller dem Organ angehörenden GmbH-Gesellschafter bei der Abstimmung über dessen Ent-lastung)

a) § 47 Abs. 4 Satz 1 GmbHG enthält zwingendes Recht, soweit die Vorschrift Entlastungsbeschlüsse betrifft.

b) Wird über die Entlastung eines Gesellschaftsorgans (hier: Beirat) abgestimmt, so sind alle dem Organ ange-hörenden Gesellschafter von der Abstimmung ausgeschlos-sen, sofern es sich nicht um eine bestimmte Einzelmaß• nahme eines Organmitglieds handelt.

c) Steht ein Geschäftsanteil an einer GmbH einer Erben-gemeinschaft zu, so kann jeder Miterbe gemäß § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB ohne Mitwirkung der anderen Anfech-tungsklage gegen einen Gesellschafterbeschluß erheben.

BGH, Urteil vom 12.6.1989 — II ZR 246/88 — mitgeteilt von D. Bundschuh, Richter am BGH

Aus dem Tatbestand:

Die Klägerinnen sind zu gleichen Teilen befreite Vorerbinnen ihres verstorbenen Ehemannes (Klägerin zu 1) und Vaters (Klägerin zu 2) R.

Dieser hielt bei seinem Tode 67,78% des Stammkapitals der Beklag-ten zu 1, einer GmbH, der gegenwärtig außerdem noch die beiden Töchter des Verstorbenen aus erster Ehe als Gesellschafter ange-hören. Im Testament des Erblassers ist Testamentsvollstreckung angeordnet. Alleiniger Testamentsvollstrecker ist zur Zeit der Be-klagte zu 2.

Nach Abschnitt VI Nr. 1 des Testaments sind die Testamentsvoll-strecker von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Abschnitt VI Nr. 3 Buchst. c lautet:

„Die Testamentsvollstrecker haben den Nachlaß auf die angeordnete Dauer der Testamentsvollstreckung nach bestem Wissen und Gewis-sen zu verwalten; sie üben insbesondere ausschließlich und ohne Einschränkung alle Rechte der Erben, auch deren Stimmrechte in den Gesellschaften und Unternehmen aus, an denen ich beteiligt bin, soweit nicht zwingende gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen

Soweit ein Testamentsvollstrecker als solcher darartige Rechte nicht wahrnehmen kann, z.B. weil sie nicht zum Nachlaß gehören, sondern in der Person der Erben entstanden sind, mache ich meinen Erben die Auflage, sich auch die Ausübung dieser Rechte durch die jeweiligen Testamentsvollstrecker gefallen zu lassen.

Bei Gesellschafterrechten, die nicht vom Testamentsvollstrecker ausgeübt werden dürfen, haben die Erben diese zu hören und ent-sprechend ihren einverständlichen Weisungen zu handeln...."

In Abschnitt VII werden die Testamentsvollstrecker angewiesen, so-fort — falls beim Tod des Erblassers noch nicht geschehen — dafür zu sorgen, daß ein Beirat gebildet wird, der aus den vorgesehenen Testamentsvollstreckern und drei weiteren Personen bestehen soll. Bei Eintritt des Erbfalls war dem bereits durch entsprechende Fas-sung des § 6 der Satzung Rechnung getragen. § 6 Nr. 2 Abs. 3 der Satzung bestimmt, daß „von R eingesetzte Testamentsvollstrecker oder Ersatztestamentsvollstrecker ... automatisch auf die Dauer der Testamentsvollstreckung zu Mitgliedern des Beirats berufen" sind. In § 8 Nr. 3 Abs. 2 der Satzung heißt es:

„Soweit nicht zwingendes Recht entgegensteht oder die Satzung nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt, dürfen auch diejenigen Gesellschafter mitstimmen, auf die sich der Beschluß bezieht und deren Rechte und/oder Pflichten durch den Beschluß betroffen wer-den."

Die Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1 beschloß zu Tagesordnungspunkt 5 über die Entlastung des Beirats. Ausweislich des Protokolls wurde zunächst den außer dem Beklagten zu 2 vor-handenen Beiratsmitgliedern einstimmig Entlastung erteilt; dabei stimmte der Beklagte zu 2 mit den Stimmen des Nachlasses mit. Bei der anschließenden Abstimmung über die Entlastung des Beklagten zu 2 enthielt sich dieser der Stimme; er wurde mit den Stimmen der übrigen Gesellschafter entlastet.

Gegen diese Beschlüsse haben die Klägerinnen Anfechtungsklage erhoben. Sie haben sich auf den Standpunkt gestellt, der Beklagte zu 2 habe weder über seine eigene Entlastung noch über die der übrigen Beiratsmitglieder abstimmen dürfen; an seiner Stelle seien sie, die Klägerinnen, stimmberechtigt gewesen. Die Klägerin zu 1 hat dar-über hinaus gegenüber dem Beklagten zu 2 die Feststellung bean-tragt, daß die Erben bei der Beschlußfassung über die Entlastung des Beirats anstelle des Beklagten zu 2 stimmberechtigt seien, solange dieser dem Beirat angehöre.

Die Vorinstanzen haben die Klagen insgesamt abgewiesen. Der Senat hat die Revision der Klägerin zu 1 nicht angenommen, soweit es um die Feststellungsklage gegen den Beklagten zu 2 geht. Im übrigen verfolgen die Klägerinnen mit ihrer Revision, deren Zurück-weisung die Beklagten beantragen, die Anfechtungsklage weiter.

Aus den Gründen:

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse.

I. Die Anfechtungsklage ist, wie das Berufungsgericht rich-tig gesehen hat, auch gegenüber solchen Gesellschafterbe-schlüssen zulässig und geboten, bei denen es darum geht, ob sie mit der erforderlichen Mehrheit zustande gekommen sind (BGHZ 88, 320, 328 [= DNotZ 1985,89]; BGHZ 97, 28, 30; BGHZ 104, 66, 69 [= MittBayNot 1988, 188 = DNotZ 1989, 21]). Das Berufungsgericht hat aber die Prozeßführungsbe-fugnis der Klägerinnen für eine solche Klage mit der Begrün-dung verneint, sie stehe nach § 2212 BGB dem Beklagten zu. 2 als Testamentsvollstrecker zu. Dessen Befugnis, den Nach-laß zu verwalten (§ 2205 BGB) und damit auch die dazu ge-hörigen Gesellschafterrechte in der GmbH auszuüben, sei weder durch eine Verfügung des Erblassers gemäß § 2208 BGB noch aus anderen Gründen beschränkt.

1. Daran ist im Ausgangspunkt richtig, daß die Anfechtungs-klage mangels Prozeßführungsbefugnis unzulässig ist, so-weit die Gesellschafterrechte von einer Testamentsvoll-streckung erfaßt werden (§ 2212 BGB). In den Nachlaß fal-lende GmbH-Anteile unterliegen der Verwaltung des Testa-mentsvollstreckers. Diesem steht damit, soweit seine Ver-waltungsbefugnis reicht, auch das Recht zur Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen zu.

2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gehört es jedoch nicht zu den Aufgaben des Testamentsvollstreckers, einen Gesellschafterbeschluß anzufechten, bei dem er selbst unzulässigerweise anstelle der Erben mitgestimmt hat. Wenn insoweit die Verwaltungsbefugnis des Testa-mentsvollstreckers beschränkt ist, steht ihm in diesem Um-

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fang auch die Prozeßführungsbefungis nicht zu; denn diese ist nur ein Teil der Verwaltungsbefugnis. Es kommt daher darauf an, ob eine solche Beschränkung vorliegt.

a) Das Berufungsgericht hat — freilich im Zusammenhang mit der Frage, ob der Testamentsvollstrecker einen Beschluß

,anfech-ten darf, bei dem er unzulässigerweise mitgestimmt hat — eine testamentarische Beschränkung der Rechte des Testamentsvollstreckers i.S. des § 2208 BGB verneint. Es hat die Anordnungen in Abschnitt VI Nr. 3 Buchst. c des Testaments dahin verstanden, daß der Erblasser bei der Ausübung der Gesellschafterrechte den Testamentsvoll- streckern unter allen Umständen den Vorrang habe einräu-men und einen direkten Einfluß der Erben auf die Angele-genheiten der Gesellschaft bis an die Grenze der Zulässig-keit einer solchen Regelung habe ausschalten wollen. Gegen dieses Verständnis der testamentarischen Bestim-mungen ist aus Rechtsgründen nichts einzuwenden. Zu Un-recht rügt die Revision, das Berufungsgericht hätte berück-sichtigen müssen, daß der Erblasser in der Präambel der letztwilligen Verfügung seinen Willen zum Ausdruck ge-bracht habe, daß „die Firmengruppe R zum Wohle meiner Familie und der Belegschaft in meinem Sinne. . . erfolgreich weitergeführt" werde; diesem Ziel könnten rechtswidrige Gesellschafterbeschlüsse nicht dienen. Handelt der Testa-mentsvollstrecker rechtswidrig, hat das gesetzliche Folgen, insbesondere den Schadensersatzanspruch nach § 2219 BGB und die Entlassungsmöglichkeit nach § 2227 BGB. Eine vom Erblasser verfügte Beschränkung der Verwaltungs-befugnis des Testamentsvollstreckers läßt sich damit jedoch nicht begründen.

b) Der Beklagte zu 2 ist in der Ausübung der Gesellschafter-rechte nicht durch § 181 BGB beschränkt. Diese Vorschrift ist allerdings auf Insichgeschäfte eines Testamentsvoll-streckers grundsätzlich entsprechend anwendbar (BGHZ 30, 67, 69 ff.). Der Senat hat unter dem Gesichtspunkt des § 181 BGB die Frage beurteilt, ob ein Testamentsvollstrecker bei seiner Wahl zum Geschäftsführer einer GmbH mitwirken kann (BGHZ 51, 209, 214 ff.). Auf die im Schrifttum dagegen geltend gemachten Bedenken (vgl. R. Fischer, Festschrift Hauß, 1978, S. 74 f.; Fischer/Lutter/Hommeihoff, GmbHG 12. Aufl. § 47 Rdnr. 12; zustimmend dagegen Schotz/ K. Schmidt, GmbHG 7. Aufl. § 47 Rdnr. 181. m. w.N.) ist hier nicht einzugehen. Ist § 181 BGB in derartigen Fällen entsprechend anwendbar, dann kann der Testamentsvoll-strecker von dem Verbot des Selbstkontrahierens auch befreit werden. Das kann sowohl durch die Erben (was hier nicht in Betracht kommt) als auch im voraus durch den Erb-lasser in der letztwilligen Verfügung geschehen. Hierzu hat das Berufungsgericht zwar keine Feststellungen getroffen. Die Frage läßt sich jedoch ohne Schwierigkeit anhand der testamentarischen Bestimmungen beantworten. Nach Abschnitt VI Nr. 1 Abs. 2 des Testaments sind die Testa-mentsvollstrecker ausdrücklich von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. In Abschnitt VII kommt zum Aus-druck, daß die Testamentsvollstrecker dem Beirat zwingend angehören sollten. Die Befreiung vom Verbot von Insich-geschäften sollte sich danach erkennbar auch auf die Tätig-keit der Testamentsvollstrecker als Beiratsmitglieder be-ziehen.

c) Der Beklagte zu 2,war jedoch nach § 47 Abs. 4 Satz 1 GmbHG vom Stimmrecht ausgeschlossen. Daß der Tatbe-stand dieser Vorschrift erfüllt ist, soweit der Beklagte zu 2 selbst als Beiratsmitglied entlastet werden sollte, steht außer Frage; die Stimmverbote des § 47 Abs. 4 GmbHG tref-

fen auch den Testamentsvollstrecker (vgl. Scho/z/K. Schmidt a. a. O. § 47 Rdnr. 157; Roth, GmbHG, 2. Aufl. § 47 Anm. 5.4.4; Rowedder/Koppensteiner, GmbHG §47 Rdnr.49). Das gleiche gilt aber auch für die Entlastung der anderen Beiratsmitglie-der. Das Stimmverbot erfaßt über den Gesetzeswortlaut hin-aus beim Vorwurf gemeinsam begangener Pflichtverletzun-gen die Abstimmung über das Verhalten aller daran Beteilig-ten, weil dieses in einem solchen Fall nur einheitlich beur-teilt werden kann (BGHZ 97, 28, 33 f.). Soll, wie hier, über die Entlastung eines gesamten Organs entschieden werden, ist es nicht anders. Wenn die Tätigkeit der Geschäftsführung, des Aufsichtsrats oder eines Beirats insgesamt gebilligt oder mißbilligt werden soll, sind, falls es nicht um eine be-stimmte Einzelmaßnahme eines Organmitglieds geht, alle Gesellschafter betroffen, die dem Organ angehören (Scho/z/ K. Schmidt a. a. O. § 46 Rdnr. 97 und § 47 Rdnr. 134 m. w. N.). Aus dem Urteil des Senats vom 16.2.1981, wo ausgesprochen worden ist, daß sich der Stimmrechtsausschluß nach § 47 Abs. 4 GmbHG nicht auf Personen ersteckt, die dem ausge-schlossenen Gesellschafter persönlich oder rechtlich nahe-stehen (BGHZ 80, 69, 71), ergibt sich nichts Gegenteiliges.

An diesem Ergebnis ändert § 8 Nr. 3 Abs. 2 der Satzung der Beklagten zu 1 letztlich nichts. Dieser Bestimmung ist frei-lich zu entnehmen, daß bei einem Beschluß wie dem, um den es hier geht, die davon Betroffenen stimmberechtigt sein sollen. Satzungsregelungen, die einem Gesellschafter entgegen dem Gesetz die Möglichkeit geben, die Verfolgung berechtigter Ansprüche gegen ihn mit seiner Stimme zu ver-eiteln, sind zwar eng auszulegen_(Sen.Urt. v. 28.1.1980 — II ZR 84/79, WM 1980, 649, 650). Dazu gehört auch eine Satzungs-bestimmung, die es dem Gesellschafter erlaubt, über seine eigene Entlastung mitabzustimmen, denn der Entlastungs-beschluß bewirkt im GmbH-Recht den Ausschluß der Gesell-schaft mit allen bei der Beschlußfassung erkennbaren Er-satzansprüchen. Die hier zu beurteilende Satzungsregelung läßt jedoch eine Auslegung, die die Befreiung vom Stimm-verbot für Entlastungsbeschlüsse nicht gelten läßt, nicht zu. Ihr ist mit kaum zu überbietender Deutlichkeit der Wille zu entnehmen, die Stimmverbote des § 47 Abs. 4 GmbHG so weit außer Kraft zu setzen, wie dies rechtlich zulässig ist.

Es kommt deshalb darauf an, ob § 47 Abs. 4 Satz 1 GmbHG, soweit diese Vorschrift Entlastungsbeschlüsse betrifft, zwingendes Recht enthält, obwohl nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 2 GmbHG die §§ 46 bis 51 nur „in Ermangelung besonderer Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages" gelten. Die Frage ist umstritten (bejahend Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 181; ders. in Baumbach/Hueck, GmbHG 15. Aufl. § 47 Rdnr. 73; Schoiz/ K. Schmidt a. a. O. § 47 Rdnr. 173; Fischer/Lutter/Homme/- hoff a. a. O. § 47 Rdnr. 9; Flume, Die juristische Person, 1983, S. 225; verneinend mit Ausnahme von Maßnahmen aus wichtigem Grund gegen den Gesellschafter: fmmenga/ Werner, GmbHR 1976, 55,59; Hachenburg/Schilling, GmbHG 7. Aufl. § 47 Rdnr. 78; Rowedder/Kloppsteiner, GmbHG, 1985, § 47 Rdnr. 68; insgesamt verneinend: Meyer-Landrut in Meyer-Landrut/Milier/Niehus, GmbHG, 1987, § 47 Rdnr. 33; U. H. Schneider, ZHR 150 [1986], 614; die Entscheidungen RGZ 89, 367, 383 und RGZ 122, 159, 162, die scheinbar insge-samt auf § 45 Abs. 2 GmbHG verweisen, betrafen Fälle des Selbstkontrahierens). Sie ist dahin zu entscheiden, daß § 47 Abs. 4 Satz 1 GmbHG nicht abbedungen werden kann. Der Senat hat in dem erwähnten Urteil vom 28.1.1980 ausgespro-chen, daß die Satzung die Anwendbarkeit des § 47. Abs. 4

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GmbHG insoweit nicht ausschließen kann, als es um die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen einen Ge-schäftsführer wegen seines Verhaltens außerhalb der Ge-schäftsführung geht (WM 1980, 649, 650). Für Ersätzan-sprüche aus pflichtwidriger Geschäftsführung (oder Auf-sichtsrats- oder Beiratstätigkeit) kann nichts anderes gelten. Ein Gesellschafter kann bei der Entscheidung darüber, ob gegen ihn Schadensersatzansprüche erhoben werden sol-len, die Interessen der Gesellschaft nicht objektiv wahr-nehmen. Eine Satzungsregelung, mit der sich die anderen Gesellschafter insoweit in die Hand dessen begeben, der die Gesellschaft möglicherweise geschädigt hat, verstößt gegen § 138 BGB. Entlastungsbeschlüsse können nicht an-ders beurteilt werden. Soweit durch sie dem zu Entlastenden lediglich das Vertrauen ausgesprochen wird, würde zwar dem Stimmrecht des Betroffenen nichts im Wege stehen. Eine andere Beurteilung ist jedoch wegen der bereits er-wähnten weitergehenden Wirkung der Entlastung geboten, die darin besteht, daß erkennbare Schadensersatzansprü-che nicht mehr geltend gemacht werden können. Eine allge-meine Inhaltskontrolle im Hinblick auf mißbräuchliche Aus-übung des Stimmrechts wäre unzureichend. Die Mitgesell-schafter wären gezwungen, einen unter Mitwirkung des Betroffenen zustande gekommenen Entlastungsbeschluß anzufechten, um der Gesellschaft die Möglichkeit zu erhal-ten, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Es wird aber zahlreiche Fälle geben, in denen ihnen das Bestehen solcher Ansprüche innerhalb der Anfechtungsfrist nicht be-wußt wird, obwohl es hätte erkannt werden können. In sol-chen Fällen würden die Ansprüche mangels Anfechtung des Beschlusses verlorengehen. Die demgegenüber klarere und praktikablere Lösung, die bei Entlastungsbeschlüssen ein Stimmrecht des betroffenen Gesellschafters von vornherein nicht zuläßt, vermeidet solche Ergebnisse. Ihr ist daher der Vorzug zu geben.

d) Anstelle des vom Stimmrecht ausgeschlossenen Beklag-ten zu 2 waren die Klägerinnen stimmberechtigt. Das ent-spricht dem Grundsatz, daß bei rechtlicher Verhinderung des Vertreters oder Amtswalters der Vertretene das Stimm-recht selbst ausüben kann (Zöllner, Schranken mitglied-schaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 273 f.; Scholz/K. Schmidt a. a. O. § 47 Rdnr. 155; Priester, Festschrift Stimpel, 1985, S. 463, 471; BGHZ 51, 209, 217). Zwar mag es davon Ausnah-men geben. Geht es etwa um den Abschluß eines Rechts-geschäfts zwischen der Gesellschaft und dem Nachlaß, für den der Testamentsvollstrecker zu handeln hat, dann dürf-ten, wenn dieser insoweit vom Stimmrecht ausgeschlossen ist, bei der Abstimmung darüber die Erben nicht an seine Stelle treten, denn deren Interessen decken sich mit denen, die der Testamentsvollstrecker bei dem Geschäftsabschluß mit der GmbH wahrzunehmen hat. Bei der Frage, ob der Testamentsvollstrecker von etwaigen Schadensersatzan-sprüchen der Gesellschaft aus seiner Tätigkeit als Mitglied eines Gesellschaftsorgans freizustellen ist, ist er indessen nicht als Amtswalter, sondern persönlich betroffen. Die Erben sind daher nicht gehindert, an seiner Stelle abzu-stimmen. Ob das, wie das Landgericht gemeint hat, dem Sinn der vom Erblasser getroffenen testamentarischen Bestimmungen zuwiderläuft, ist unerheblich. Es steht nicht in der Rechtsmacht des Erblassers, den Erben außer-halb der Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers in seiner Verfügungsmacht über den Nachlaß zu beschrän-ken. Anders könnte es sein, wenn der Gesellschaftsvertrag vorsähe, daß bei einem, Ausschluß des Testamentsvoll-streckers vom Stimmrecht auch die Erben nicht mitstimmen

dürften. Für die Annahme einer solchen Stimmrechts. beschränkung bietet der Wortlaut des § 8 Nr. 3 Abs. 2 der Satzung der Beklagten aber keine hinreichenden Anhalts. punkte.

Auch die Anordnung in Abschnitt VI Nr. 3 Buchst. c des Te-staments, wonach die Erben notfalls nach den Weisungen der Testamentsvollstrecker zu handeln haben sollen, ver-mag sie in ihrem Stimmrecht nicht zu beschränken. Wer -wie hier der Beklagte zu 2 — von der Willensbildung der Ge-sellschaft ausgeschlossen ist, kann diese auch nicht durch den Abstimmungsberechtigten bindende Weisungen beein-flussen (vgl. BGHZ 48, 163, 166 f.). Aus diesem Grunde würde die genannte testamentarische Bestimmung, würde man sie in jenem Sinne verstehen, eine rechtswidrige Auflage ent-halten, die nach den §§ 2192, 2171 BGB unwirksam wäre.

II. Die Anfechtungsklage ist begründet.

1. Sie ist rechtzeitig erhoben.

a) ...

b) Die Klägerin zu 1 durfte die Klage jedoch trotz der Bestim-mung in § 18 Abs. 1 GmbHG allein erheben. Eine solche Befugnis ergibt sich freilich nicht aus § 2039 Satz 1 BGB. Danach kann ein Miterbe einen zum Nachlaß gehörigen Anspruch allein geltend machen und Leistung an alle Erben verlangen. Die Ausübung von Gestaltungsmöglichkeiten ge-hört aber nicht zu den Ansprüchen i. S. dieser Vorschrift (vgl. Dütz, MünchKomm. z. BGB, 1982, § 2039 Rdnr. 9 m. w. N.). Die Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses ist ein solches Gestaltungsrecht.

Nach § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB kann indessen jeder Miterbe notwendige Erhaltungsmaßnehmen ohne Mitwir-kung der anderen treffen. Dazu kann auch die Erhebung einer Klage gehören, wenn nur durch sie ein zum Nachlaß gehöriges Recht erhalten werden kann (BGHZ 94, 117, 120 f. m. w. N.). Diese Voraussetzung ist bei einer gesellschafts-rechtlichen Anfechtungsklage erfüllt; denn nur durch deren rechtzeitige Erhebung kann die Wirksamkeit eines rechts-widrigen Beschlusses beseitigt werden. (K. Schmidt, MünchKomm. z. BGB, 2. Aufl. §§ 744, 745 Rdnr. 8; vgl. auch BVerwG NJW 1965, 1546 f. für die Klage gegen eine Maß-nahme der Flurbereinigungsbehörde). In einem solchen Fall steht dem allein klagenden Miterben. eine gesetzliche Pro- zeßführungsbefugnis zu; § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB geht der Regelung in § 2040 BGB, wonach die Erben über einen Nachlaßgegenstand nur gemeinschaftlich verfügen können, vor. Das Senatsurteil vom 14.12.1967 (BGHZ 49, 183, 192; vgl. demgegenüber BGHZ 56, 47, 50 f.) steht dem nicht entgegen; dort ging es um die Frage, ob ein Mehrheits-beschluß der Erben von der Mehrheit mit Außenwirkung ausgeführt werden kann.

Ob die Klägerin zu 2 bis zum Ablauf der Anfechtungsfrist ge-hindert war, sich an der Anfechtungsklage zu beteiligen, ist für die Anwendung des § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB ohne Bedeutung (BGHZ 94, 117, 121). Das war hier im übrigen der Fall. Die Klägerin zu 1 war wegen der Anordnung der Testamentsvollstreckung nach § 1638 BGB gehindert, die Klägerin zu 2 zu vertreten; der dort angeordnete Ausschluß der Vermögenssorge der gesetzlichen Vertreter gilt bei An-ordnung der Testamentsvollstreckung auch außerhalb der Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers (BGH, Urt. v. 30.11.1988 — IVa ZB 12188, WM 1989, 282, 283). Ein Ergänzungspfleger ist für die Klägerin zu 2 insoweit erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist bestellt worden.

50 MittBayNot 1990 Heft 1

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Es wird allerdings die Auffassung vertreten, § 18 Abs. 1. GmbHG schließe die Rechtsausübung durch einen einzel-nen Mitberechtigten auch dort aus, wo das jeweilige Ge-meinschaftsrecht sie zulasse (Hachenburg/Schilling/Zutt a. a. O. § 18 Rdnr. 20; Scholz/Winter a. a. O. § 18. Rdnr. 20). Das ist jedoch nicht richtig. § 18 GmbHG soll nur verhindern, daß die Anteilsrechte von den einzelnen Mitberechtigten unterschiedlich ausgeübt werden; dazu kämmt es nicht, wenn nur einer oder ein Teil der Miterben das Recht mit Wirkung für alle ausübt (Wiedemann, GmbHR 1969, 247,

249; Roth a. a. O. § 18 Anm. 3.1).

2. Der Beklagte zu 2 durfte, wie oben ausgeführt worden ist, sowohl über seine eigene Entlastung als auch über die der anderen Beiratsmitglieder nicht abstimmen; an seiner Stelle waren die Klägerinnen stimmberechtigt. Die Klägerin zu 2 war damals zwar noch minderjährig, und die Klägerin zu 1 war, wie bereits erwähnt, anderen Vertretung nach § 1638 BGB verhindert; auch der in der Gesellschafterversammlung vom 18.4.1986 anwesende Ergänzungspfleger konnte die Klä-gerin zu 2 deswegen nicht vertreten, weil sich sein Wirkungs-kreis damals auf das von den Klägerinnen eingeleitete Ver-fahren auf Entlassung des Beklagten zu 2 aus dem Testa-mentsvollstreckeramt beschränkte. Aber die Abstimmung konnte das Bestehenbleiben etwaiger Schadensersatzan-sprüche gegen den Beklagten zu 2 unmittelbar beeinflus-sen. Die Teilnahme daran war eine unaufschiebbare Maß-nahme; für sie gilt ebenfalls § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB. Die Klägerin zu 1 durfte daher das Stimmrecht für die Erbengemeinschaft allein ausüben. Da sie zur Abstimmung nicht zugelassen worden ist, sind die angefochtenen Beschlüsse rechtswidrig.

17. BGB § 179 Abs. 3 Satz 1 (Zur Vertretung der GmbH beim Abschluß des Anstellungsvertrags mit dem Geschäfts- führer) ,

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein GmbH-Gesell-schafter, der bei Abschluß des Vertrages über die Anstel-lung eines Geschäftsführers für die Gesellschaft auftritt, ohne von den übrigen Gesellschaftern zu ihrer Vertretung er-mächtigt zu sein, nach § 179 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht haftet.

BGH, Urteil vom 9.10.1989 — II ZR 16/89 — mitgeteilt von D. Bundschuh, Richter am BGH

Aus dem Tatbestand:

Der Beklagte ist einer der beiden Gesellschafter der K-GmbH (im folgenden: K). Nach Verhandlung zwischen ihm und dem Geschäfts-führer der Gesellschäft, B, einerseits und dem Kläger andererseits über dessen Anstellung als weiterer Geschäftsführer übersandte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 26.4.1984 den von ihm unter-schriebenen Entwurf eines „Geschäftsführervertrages`; in dem die Gesellschaft als „vertreten durch die Gesellschafterversammlung" aufgeführt war. Im Begleitschreiben hieß es: „Für die Gesellschaft habe ich den Vertrag meinerseits unterschrieben und bitte um Ihre Gegenzeichnung". Der Kläger kam dem nach. Nach dem Vertrag hatte er zunächst eine Probezeit von sechs Monaten als Prokurist abzuleisten, nach deren Ablauf er zum Geschäftsführer bestellt werden sollte.

Der Kläger nahm seine Tätigkeit Anfang Mai 1984 auf. Mit Schreiben der Gesellschaft vom 21.5.1984, das von dem Beklagten und B unter-zeichnet war, wurde er aufgefordert, seine Arbeit einzustellen, weil die Voraussetzungen für seine Anstellung nicht erfüllt seien; vorsorg-lich wurde die Kündigung ausgesprochen.

Der Kläger erhob zunächst vor dem Arbeitsgericht gegen die K Klage auf Feststellung, daß sein Beschäftigungsverhältnis nicht wirksam beendet worden sei, sowie auf Zahlung des Gehalts für die Monate Juni bis September 1984. Dem Beklagten verkündete er in jenem Pro-zeß den Streit. Das Arbeitsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, ein Vertrag sei nicht zustandegekommen; der Beklagte habe die Gesellschaft nicht wirksam vertreten können, weil er nicht Geschäftsführer sei.

Im jetzigen Rechtsstreit verlangt der Kläger vom Beklagten als Ver-treter ohne Vertretungsmacht Zahlung des restlichen Gehalts für die Probezeit von sechs Monaten zuzüglich eines anteiligen 13. Monats-gehalts, Urlaubsabgeltung und Urlaubsgeld.

Der Beklagte hat eingewandt, der Kläger hätte wissen müssen, daß die Gesellschaft nicht von einem Gesellschafter, sondern vom Ge-schäftsführer vertreten werde. Selbst wenn der Vertrag wirksam ge-schlossen worden wäre, wäre er durch die im Schreiben vom 21.5.1984 enthaltene Kündigung aufgelöst worden. Außerdem hat er geltend gemacht, dem Kläger stehe jedenfalls keine Urlaubsabgeltung und kein Urlaubsgeld zu. .

In den Vorinstanzen ist die Klage erfolglos geblieben. Die Revision des Klägers führte zur Zurückverweisung.

Aus den Gründen:

I. Nach dem bisher vorgetragenen und festgestellten Sach-verhalt läßt sich eine Haftung des Beklagten nach § 179 BGB nicht ausschließen.

1. Gemäß § 68 ZPO in Verbindung mit § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG ist aufgrund des Urteils des Arbeitsgerichts davon auszugehen, daß ein wirksamer Anstellungsvertrag zwi-schen dem Kläger und der K -mangels Vertretungsbefugnis des Beklagten nicht zustandegekommen ist. Damit haftet der Beklagte dem Kläger grundsätzlich nach § 179 Abs. 1 BGB auf Erfüllung oder Schadensersatz.

2. Das Berufungsgericht hat gemeint, ein Anspruch bestehe hier gleichwohl nach § 179 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht, weil der Kläger hätte wissen müssen, daß der Beklagte keine Vertre-tungsmacht gehabt habe. Daß dieser nicht Geschäftsführer gewesen sei, sei dem Kläger bekannt gewesen. Er habe auch nicht ohne weiteres davon ausgehen dürfen, daß der Beklagte Alleingesellschafter gewesen sei. Er habe sich über die Anzahl der Gesellschafter Gewißheit verschaffen müssen und auch können, indem er die beim Handelsregi-ster niedergelegte Gesellschafterliste eingesehen hätte. Dies sei ihm umso mehr zuzumuten gewesen, als es sich bei der Bestellung zum Organmitglied nicht um ein alltägliches Geschäft gehandelt habe. Tatsächlich habe sich der Kläger nach den vom Arbeitsgericht getroffenen Feststellungen durch Einsicht in das. Handelsregister vergewissert, daß der Beklagte Gesellschafter gewesen sei; dabei hätte er un-schwer auch erkennen können, daß es sich bei ihm nicht um den einzigen Gesellschafter gehandelt habe.

Diesen Ausführungen liegt eine unrichtige rechtliche Beur-teilung zugrunde. Der dem Kläger vom Beklagten zur Unter-schrift übermittelte Vertrag führte als Vertretungsorgan nicht den Geschäftsführer, sondern die Gesellschafterver-sammlung auf. Das entsprach dem Inhalt nach der Regelung in § 46 Nr. 5 GmbHG. Danach sind für die Bestellung eines Geschäftsführers die Gesellschafter zuständig. Diese Zu-ständigkeit erstreckt sich im Regelfall auch auf den Ab-schluß des Anstellungsvertrages; insoweit gilt die gesetzli-che Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer nicht (Sen.Urt. v. 13.5.1968 — II ZR 103/86, WM 1968, 1328). Im vorliegenden Fall war es entgegen der Ansicht der Revision nicht des-wegen anders, weil der Kläger in der sechsmonatigen Probe-zeit nur als Prokurist tätig sein und erst danach zum Ge-schäftsführer ernannt und fest angestellt werden sollte. Die

MittBayNot 1990 Heft 1 551

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Einstellung eines Prokuristen ist zwar Sache des Geschäfts-führers. Der mit dem Kläger geschlossene Anstellungsver-trag ist aber so zu verstehen, daß er auch nach Ablauf der Probezeit und Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer Grundlage seines Anstellungsverhältnisses sein sollte. Da-mit besteht noch ein ausreichend enger Zusammenhang mit der Organbestellung; er rechtfertigt es, auch dafür die Zu-ständigkeit der Gesellschafter nach § 46 Nr. 5 GmbHG anzu-nehmen; § 6 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages enthält übri-gens eine gleichlautende Regelung. Die Eingangsformel des Geschäftsführervertrages („vertreten durch die Gesell-schafterversammlung") war danach im Grundsatz richtig.

Der Beklagte war Gesellschafter. Er erklärte in seinem Be-gleitschreiben, er habe den Vertrag „für die Gesellschaft" unterschrieben. Darin und in der Unterzeichnung des Vertra-ges lag die stillschweigende Behauptung, zur Vertretung der Gesellschafter insgesamt berechtigt zu sein (vgl. BGHZ 39, 45, 51). Es beruhte nicht auf Fahrlässigkeit, daß der Kläger sich darauf verließ und keine weiteren Nachforschungen darüber anstellte, ob außer dem Beklagten noch andere Ge-sellschafter vorhanden waren, wer das gegebenenfalls war und ob sie den Beklagten bevollmächtigt hatten, sie beim Vertragsschluß zu vertreten. Zwar führt nach § 179 Abs. 3 Satz 1 BGB jede Fahrlässigkeit zum Ausschluß der Haftung. Eine Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorg-falt liegt aber nur vor, wenn die Umstände des Falles den Vertragspartner veranlassen müssen, sich danach zu erkun-digen, ob der Vertreter die zumindest stillschweigend be-hauptete Vertretungsmacht tatsächlich hat (RGZ 104, 191, 194). Solche Umstände gab es hier nicht. Es ist nicht außer-gewöhnlich, daß nach interner Beschlußfassung nicht alle Gesellschafter bei Abschluß des Vertrages — also nach außen hin — auftreten; oft wird die Gesellschafterversamm-lung die Unterzeichnung des Anstellungsvertrages einem einzelnen Gesellschafter oder gar einem bereits vorhan-denen Geschäftsführer überlassen (vgl. Scholz/K. Schmidt, GmbHG 7. Aufl. § 46 Rdnr. 80). Tritt daher ein einzelner Gesellschafter bei Abschluß eines Geschäftsführeranstel-lungsvertrages mit der ausdrücklichen oder stillschweigen-den Behauptung auf, allein vertretungsberechtigt zu sein, dann kann der Vertragspartner auf die Richtigkeit dieser Be-hauptung vertrauen, wenn keine konkreten Umstände vorlie-gen, die Anlaß geben, daran zu zweifeln. Entgegen der in der Revisionserwiderung vorgetragenen Ansicht ist ein solcher Umstand nicht darin zu sehen, daß den Anstellungsvertrag des Geschäftsführers B, den der Kläger kannte, außer dem Beklagten noch ein Vertreter des zweiten Gesellschafters unterschrieben hatte. Denn selbst wenn der Kläger darauf geachtet haben sollte, brauchte er deswegen nicht an der Richtigkeit der ihm gegenüber abgegebenen Erklärung des Beklagten, er handele berechtigterweise für die „Gesell-schafterversammlung", zu zweifeln.

Es kommt entgegen der in der Revisionserwiderung vertrete-nen Auffassung nicht darauf an, welche Gedanken sich der Kläger darüber gemacht hat, ob der Beklagte als Alleinge-sellschafter oder — auch — als berechtigter Vertreter etwa vorhandener weiterer Gesellschafter auftrat. Das Gesetz knüpft die Haftung an das Auftreten als Vertreter ohne Ver-tretungsmacht und läßt sie nur dann entfallen, wenn für den Vertragsgegner Anlaß bestand, an der Vertretungsmacht zu zweifeln. Ist das nicht der Fall, dann ist es unerheblich, ob er die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der von ihm angenommenen Vertretungsmacht in jeder Hinsicht richtig beurteilt hat.

Der vom Berufungsgericht erwähnten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 2.3.1972 — VII ZR 143/70, MDR 1972, 596 — lag keine andere Beurteilung zugrunde. Zu-nächst ging es dort nicht um die Haftung des — vollmacht-losen — Vertreters, sondern darum, ob die verklagte Ge-meinde sich nach Treu und Glauben nicht auf die fehlende Vertretungsmacht ihres Gemeindedirektors berufen durfte. Außerdem handelte es sich um den Abschluß eines wegen seiner Bedeutung nicht unter die Alleinvertretungsberechti-gung eines Gemeindedirektors fallenden Geschäfts (vgl. zu ähnlichen Fällen auch RG HRR 1935, 104; OLG Celle OLGZ 1976, 440 ff.). Der Umstand, der an dem Vorhandensein der Vertretungsmacht zweifeln ließ, bestand darin, daß das für die laufenden Geschäfte zuständige Vertretungsorgan einen davon nicht erfaßten Vertrag abschloß. Im hier zu entschei-denden Fall trat dagegen ein Mitglied des gerade für den Ab-schluß eines solchen Vertrages zuständigen Gremiums auf, ohne daß Anhaltspunkte dafür vorlagen, daß es das nicht durfte. Dabei spielt es, wie bereits erwähnt, keine entschei-dende Rolle, ob der Beklagte aus der Sicht des Klägers allei-niger Gesellschafter war oder ob er berechtigt war, für etwa vorhandene weitere Gesellschafter zu handeln. Deshalb ist es — anders als die Revisionserwiderung meint — auch von untergeordneter Bedeutung, ob der Kläger die beim Han-delsregister befindliche Gesellschafterliste eingesehen hat.

3. Auf der Grundlage des bisherigen Prozeßstoffes läßt sich nicht abschließend beurteilen, ob die Haftung des Beklag-ten nach § 179 Abs. 2 BGB beschränkt ist. Danach schuldet der vollmachtlose Vertreter nicht die Erfüllung des Vertra-ges, sondern nur Ersatz des Vertrauensschadens, wenn er selbst den Mangel der Vertretungsmacht nicht gekannt hat. So könnte es hier gewesen sein. Alle Beteiligten sind offen-bar zunächst davon ausgegangen, der Vertrag sei wirksam zustandegekommen; das hat der Klägerin seiner Berufungs-begründung selbst hervorgehoben, und das läßt sich auch dem von B und dem Beklagten unterzeichneten Schreiben vom 21.5.1984 entnehmen (...).Wäre § 179 Abs. 2 BGB anzu-wenden, müßte der Kläger darlegen, welchen Schaden er dadurch erlitten hat, daß er auf die Vertretungsmacht des Beklagten und damit auf die Wirksamkeit des Vertrages vertraut hat. Der Beklagte hat dazu seinerseits in der Klage-erwiderung behauptet, der Kläger habe trotz seiner Tätigkeit für die Beklagte sein früheres Arbeitsverhältnis nicht aufge-geben.

Damit hierzu — gegebenenfalls auch zur Höhe eines Erfüllungs- oder Schadensersatzanspruchs des Klägers — nach Ergänzungen des Parteivorbringens die nötigen Fest-stellungen getroffen werden können, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

IL ...

18. BGB § 181, GmbHG § 35 Abs. 4, § 46 Nr. 5, §§ 47 ff. (Er-löschen der Befreiung von § 181 BGB bei Vereinigung aller GmbH-Anteile in der Hand des Gesellschafter-Geschäfts-führers)

1. Wird die Niederschrift über eine Gesellschafterversamm-lung in dieselbe Urkunde aufgenommen wie der Vertrag über die Gründung der GmbH, so ist eine von der Gesellschafter-Versammlung vorgenommene Bestellung von Geschäftsfüh-

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rern und die von ihr erteilte Befreiung vom Verbot des Selbst-kontrahierens nicht aus dem Grund unwirksam, weil eine Gesellschafterversammlung erst nach Gründung der Gesell-schaft abgehalten werden kann.

2. Ist einem Geschäftsführer entsprechend einer in der Sat-zung enthaltenen Ermächtigung Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens auch für den Fall erteilt, daß aus der mehrgliedrigen Gesellschaft später eine Einmanngesell-schaft entsteht, so ist dies in das Handelsregister einzu-tragen (Fortführung von BayObLGZ 1987, 153 [= MittBayNot

1987, 208 = DNotZ 1989, 32]).

BayObLG, Beschluß vom 21.9.1989 = BReg. 3 Z 5/89 — mitgeteilt von Notar-Dr. Hoffmann, Amberg und von Johann Demharter, Richter am BayObLG

Aus dem Tatbestand:

1. Der Kaufmann M. und die Firma H-GmbH errichteten zu Urkunde des nunmehr verfahrensbevollmächtigten Notars eine Gesellschaft mit der Firmenbezeichnung „M.. HSD GmbH". Der Gesellschaftsver-trag (das Gründungsprotokoll) hat u. a. folgenden Wortlaut:

Geschäftsführerbestellung

Die Gesellschafter treten unter Verzicht auf die Einhaltung aller Form- und Fristvorschriften für die Einberufung und Abhaltung einer Gesellschafterversammlung zu einer solchen Versammlung zusam-men und beschließen einstimmig was folgt: Zum Geschäftsführer wird der Mitgesellschafter, Herr M., bestellt. Er ist von den Beschrän-kungen des § 181 BGB, über deren Bedeutung belehrt wurde, befreit und zwar — soweit zulässig — auch für den Fall, daß alle Geschäfts-anteile ihm allein oder ihm und der GmbH selbst zustehen:`

Es folgen dann weitere Nebenbestimmungen sowie die Unterschrif-ten des Kaufmanns M. und des Notars. Der Geschäftsführer der weiteren Gesellschafterin genehmigte später den Inhalt der Urkunde in allen Teilen.

Die dem Gesellschaftsvertrag als Anlage beigefügte Satzung enthält in § 5 u. a. die folgende Vertretungsregelung:

„Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so vertritt dieser die Gesellschaft allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer gemeinschaftlich oder durch einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten.

Durch Beschluß der Gesellschafter kann einem Geschäftsführer oder allen Geschäftsführern die Befugnis zur alleinigen Vertretung erteilt werden. Ebenso kann allen oder einzelnen Geschäftsführern Befrei-ung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilt werden und zwar auch für den Fall, daß sich alle Geschäftsanteile in seiner Hand oder daneben in der Hand der Gesellschaft selbst befinden.

2. Der Notar reichte dem Registergericht folgende Anmeldeerklärung des Geschäftsführers ein:

„Ich melde die Gesellschaft und meine Bestellung zum Geschäfts-führer an. Ich bin von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit und zwar auch für den Fall, daß alle Geschäftsanteile der GmbH mir oder mir und der GmbH selbst gehören. Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, so ver- tritt

dieser die Gesellschaft allein. Sind mehrere Geschäftsführer be-

stellt, so wird die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer gemein-schaftlich oder durch einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten.

Ebenso kann allen oder einzelnen Geschäftsführern Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilt werden.

Im Handelsregister wurden die Gesellschaft, der Geschäftsführer M. sowie in Spalte 6 u. a. eingetragen:

„Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, vertritt er die Gesellschaft allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, wird die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer zusammen mit einem Prokuristen vertreten.

M. ist befugt, die Gesellschaft bei der Vornahme von Rechtsgeschäf-ten mit sich selbst oder als Vertreter Dritter uneingeschränkt zu vertreten:`

3. Der Notar beantragte, in das Handelsregister einzutragen, Herr M. sei auch für den Fall, daß alle Geschäftsanteile ihm oder allein ihm und der GmbH selbst zustehen, von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Der Rechtspfleger des Registergerichts lehnte dies ab.

Das Landgericht wies die hiergegen erhobene Beschwerde als unbegründet zurück.

Auf weitere Beschwerde hob der Senat am 7.7.1988 (BayObLGZ 1988, 232) die landgerichtliche Entscheidung auf und verwies die Sache an den Registerrichter zurück, da dieser über den Antrag auf Ergänzung der Eintragung im Handelsregister hätte entscheiden müssen.

4. Der Registerrichter lehnte den Antrag ab, in das Handelsregister einzutragen, daß der Geschäftsführer M. auch für den Fall, daß alle Geschäftsanteile ihm oder allein ihm und der Gesellschaft selbst zu-stehen, von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit bleibt. Da die Befreiung von dem Verbot des Selbstkontrahierens als „uneinge-schränkt" eingetragen worden sei, sei damit für jedermann ersicht-lich, daß dies unabhängig von der Zahl der Gesellschafter gelte.

Das Landgericht wies die vom Geschäftsführer hiergegen eingelegte Beschwerde als unbegründet zurück.

5. Gegen die Zurückweisung des Rechtsmittels wendet sich die vom Notar eingelegte weitere Beschwerde.

Aus den Gründen:

1:..:

2. Mit der von den Vorinstanzen gegebenen Begründung kann die beantragte Eintragung nicht verweigert werden.

a) Das Vertretungsorgan einer juristischen Person steht. einem Vertreter i. S. des § 181 BGB gleich (BGH WPM 1975, 157/158). Der Geschäftsführer einer GmbH kann deshalb bei einem mit ihm abzuschließenden Rechtsgeschäft die Ge-sellschaft nicht vertreten; gleiches gilt bei einem Rechts-geschäft der Gesellschaft mit einem Dritten, den der Ge-schäftsführer ebenfalls als gesetzlicher oder rechts-geschäftlicher Vertreter vertritt. Dem Geschäftsführer kann jedoch nach der angeführten Vorschrift das Selbstkontra-hieren gestattet werden.

Dem Geschäftsführer einer mehrgliedrigen GmbH kann ge-nerell oder im Einzelfall durch einen einfachen Gesellschaf-terbeschluß Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilt werden (BGHZ 87, 59/60 [= MittBayNot 1983, 135 = DNotZ 1983, 633]; BGH WPM 1975, 157; Fleck WPM 1985, 677/678). Eine generelle Befreiung kann entweder in der Weise vorgenommen werden, daß die Satzung allen oder ein-zelnen Geschäftsführern das Insichgeschäft gestattet, oder dadurch, daß die Satzung die Gesellschafterversammlung ermächtigt, allen oder einzelnen Geschäftsführern die Be-freiung zu erteilen. Die in der Satzung enthaltene generelle Befreiung ist zum Handelsregister anzumelden und in dieses einzutragen. Die in der Satzung für die Gesellschaf-terversammlung enthaltene Ermächtigung ist nicht anzu-melden; die Anmeldepflicht tritt aber dann ein, wenn von der Ermächtigung Gebrauch gemacht wird (vgl. zu alledem: BayObLGZ 1979, 182 [= MittBayNot 1979, 119]; 1980, 209/ 212 ff. [= MittBayNot 1980, 170 = DNotZ 1981, 185]; 1981, 132/136 f. [= DNotZ 1981, 699]; 1982, 41/44 [= MittBayNot 1982, 79]; 1984, 109/111 f. [= MittBayNot 1984, 135]; OLG Zweibrücken OLGZ 1983, 36 [= MittBayNot 1982, 81]; OLG Stuttgart OLGZ 1985, 37; OLG Hamm WPM 1987, 405/406 [= DNotZ 1987, 246]; Baumbach/Hueck/Zöllner GmbHG 15. Aufl. Rdnr. 75, Scholz/Uwe H. Schneider GmbHG 7. Aufl. Rdnr. 98, je zu § 35; Soerget/Leptien BGB 12. Aufl. § 181 Rdnr.39; Heinemann GmbHR 1985, 176). Dem Geschäfts-

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führer einer Einmann-GmbH kann die Befreiung nur von vornherein im Gesellschaftsvertrag oder nachträglich durch Änderung der Satzung erteilt werden (BGHZ a. a. 0.).

b) Der Senat hält an seiner Rechtsmeinung fest, daß die einem bestimmten Geschäftsführer einer mehrgliedrigen GmbH durch die Satzung erteilte und im Handelsregister eingetragene Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB grundsätzlich erlischt, wenn eine Einmanngesellschaft entstanden ist, deren Alleingesellschafter dieser Geschäfts-führer ist (BayObLGZ 1987, 153 [= MittBayNot 1987, 208 = DNotZ 1989, 32]). Gründe der Publizität und des Verkehrs-schutzes stehen dieser Ansicht jedenfalls in aller Regel nicht entgegen. Der Alleingesellschafter-Geschäftsführer, der mit sich selbst im Namen der Gesellschaft ein Rechts-geschäft abschließt, kennt nämlich seine Rechtsstellung als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Ge-schäftsführer immer; unter Umständen ist er im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses die einzige Person, die davon Kenntnis hat. Es ist deshalb nicht ersichtlich, wer bei Ab-schluß dieses Geschäfts davor geschützt werden muß, daß er nichts von der Entstehung einer Einmanngesellschaft weiß. Gründe der Publizität und des Verkehrsschutzes erfor-dern vielmehr das Festhalten an der Ansicht des Senats, weil andernfalls die Gläubiger, die zu dem von § 181 BGB ge-schützten Personenkreis gehören (BGHZ 87, 59/62), sich auf Verträge mit einer Gesellschaft einlassen könnten, ohne von einer etwaigen Umwandlung der mehrgliedrigen Gesell-schaft in eine-Einmanngesellschaft und einer damit einher-gehenden schwerwiegenden inhaltlichen Erweiterung der Befugnisse des Geschäftsführers zu wissen. Erlischt da-gegen die Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens mit der Entstehung einer Einmanngesellschaft, so kann die dann auf § 181 BGB beruhende Ungültigkeit eines Insich-geschäfts für Gläubiger der Gesellschaft nicht nachteilig sein, die später von dem Erlöschen der Befreiung erfahren und sich darauf berufen wollen.

Ferner ist nicht ersichtlich, daß sich aus der Ansicht des Senats unzumutbare Belastungen für die Registergerichte ergeben könnten. Dem Handelsregister ist nicht zuverlässig zu entnehmen, ob aus einer mehrgliedrigen GmbH etwa eine Einmanngesellschaft geworden ist. Selbst wenn die jährlich im nachhinein zum Handelsregister einzureichende Liste der Gesellschafter (§ 40 GmbHG) für den maßgebenden Stichtag die Bildung einer Einmanngesellschaft ausweisen sollte, kann dies in der Zwischenzeit bereits wieder überholt sein; die Liste stellt also keine zuverlässige Informations-quelle für den Rechtsverkehr dar (BayObLGZ 1987, 153/159) und wird deshalb in der Regel auch keine geeignete Grund-lage für ein Amtslöschungsverfahren nach § 142 FGG abgeben.

Schließlich ist auch nicht ersichtlich, daß ohne leichte Mög-lichkeit zur Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens die Geschäftsabwicklung insbesondere bei. der Einmannge-sellschaft unangemessen erschwert würde. Insichgeschäfte sind grundsätzlich anstößig (BGHZ 33, 181/190) und bringen für Dritte besondere Gefahren mit sich, bei der Einmann-GmbH z. B. den Abschluß eines Anstellungsvertrags für den Alleingesellschafter und -Geschäftsführer mit der Fest-legung einer überhöhten Geschäftsführervergütung oder den Abschluß eines Darlehensvertrags mit unangemesse-nen Zins- und Rückzahlungsbedingungen. Es besteht kein Grund, den Abschluß solcher Verträge unter Ausschluß der Publizität zu begünstigen. Ein Bestreben, die Verlautbarung

der Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens zu ver-meiden, zeigt vielmehr gerade, daß diese Publizität für den Rechtsverkehr eine wichtige informative Wirkung ausübt (Robert Fischer in Festschrift für Fritz Hauß 5.61/69 f.). Soweit ein Bedürfnis besteht, Insichgeschäfte zuzulassen (vgl. BGHZ 33, 189/194), kann dem auch unter Zugrunde-legung der Ansicht des Senats ohne weiteres Rechnung getragen werden, nämlich durch Verlautbarung einer ent-sprechenden Befreiung im Handelsregister.

Im einzelnen braucht auf die von der genannten Entschei-dung des Senats aufgeworfenen Fragen hier nicht weiter eingegangen zu werden, weil die beantragte Eintragung im vorliegenden Fall ohnehin nicht unter Berufung auf diese Entscheidung verweigert werden kann.

c) Das Landgericht ist der Ansicht, der Eintragungsantrag sei zurückzuweisen, weil die bereits bestehende Eintragung ohnehin verlautbare, was zur Eintragung angemeldet sei. Dem kann nicht gefolgt werden.

Die derzeitige Eintragung lautet dahin, daß der Geschäfts-führer M. befugt ist, die Gesellschaft bei der Vornahme von Rechtsgeschäften mit sich selbst oder als Vertreter Dritter „uneingeschränkt" zu vertreten. Diese ersichtlich im Anschluß an BayObLGZ 1979, 182/185 gewählte Formulie-rung bedeutet für den unbefangenen Leser, daß sich die Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens auf Rechts-geschäfte aller Art bezieht. Dagegen handelt es sich bei dem nach der Rechtsprechung des Senats bei der Ent-stehung einer Einmanngesellschaft aus einer mehrglied-rigen Gesellschaft zu verzeichnenden Vorgang um einen Erlöschenstatbestand, der — wie auch andere Erlöschens-tatbestände — von der Möglichkeit unbeschränkter Ver-tretungsmacht überhaupt nicht angesprochen ist, sondern vielmehr auch diese beendet.

3. Die Entscheidung des Landgerichts kann auch nicht aus anderen Gründen Bestand haben.

a) Allerdings gibt der vorliegende Fall Anlaß zur Prüfung, ob M. überhaupt wirksam zum Geschäftsführer bestellt und vom Verbot des § 181 BGB wirksam befreit worden ist.

(1) Die Gründer können im Gesellschaftsvertrag den oder die Geschäftsführer bestellen (§ 6 Abs. 3 Satz 2 GmbHG). Dabei handelt es sich rechtlich um eine Wahl, die durch Beschluß der Gründer vorgenommen wird (Hachenburg/UtmerGmbHG 7. Aufl. II § 6 Rdnr. 17; ebenso zum Aktienrecht: Kraft in Kölner Komm. z. AktG. 2. Aufl. § 30 Rdnr. 8). Dieser Beschluß stellt, auch wenn er in den Gründungsvertrag aufgenommen wird, regelmäßig keinen materiellen Bestandteil der Satzung dar; er wird nur aus Zweckmäßigkeitsgründen in den Gesell-schaftsvertrag aufgenommen und in einem einheitlichen Vorgang mitbeurkundet (HachenburglUlmer a. a. 0.).

(2) Die Gründer sind hier den anderen Weg gegangen, den § 6 Abs. 3 Satz 2 GmbH eröffnet: sie haben den Geschäfts-führer in einer Gesellschafterversammlung bestellt. Dieser Wille der Gesellschafter ist zu beachten, so daß die Um-deutung in eine Geschäftsführerbestellung durch Gesell-schaftsvertrag ausscheidet (vgl. auch BGHZ 80, 212/214 [= DNotZ 1982, 171]; KG JurBüro 1983, 1551 [= DNotZ 1984, 116]; OLG Zweibrücken JurBüro 1988, 1046 [= MittBayNot 1988, 141]; OLG Oldenburg JurBüro 1989, 825).

Allerdings konnte vor Abschluß des Gesellschaftsvertrags noch keine Gesellschafterversammlung gebildet werden. Eine solche kann als Gesellschaftsorgan erst bestehen,

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wenn eine Vor-Gesellschaft (Vor-GmbH) existent geworden ist (BayObLGZ 1982, 467/471 [= MittBayNot 1983, 29 = DNotZ 1983, 252]). Nur diese untersteht als notwendige Vor-stufe zur juristischen Person bereits dem Recht der eingetra-genen GmbH insoweit, als es mit ihrem besonderen Zweck vereinbar ist und nicht die Rechtsfähigkeit voraussetzt (BGHZ 80, 212/214). Für sie kann deshalb bereits eine Gesell-schafterversammlung gebildet werden, welche auch über die Bestellung des Geschäftsführers entsprechend § 46 Nr. 5, §§ 47 ff. GmbHG beschließt oder kraft Satzungs-ermächtigung von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Eine Vor-Gesellschaft entsteht mit ihrer Errichtung und besteht bis zur Eintragung der GmbH im Handels-register (BGHZ 91, 148/151 [= DNotZ 1984, 585]; Senats-beschluß vom 16.2.1989 — BReg. 3 Z 3/89; Scholz/Karsten Schmidt § 11 Rdnr. 21). Die Errichtung bedarf der notariellen Form; der Beurkundungsakt ist erst abgeschlossen, wenn der Gesellschaftsvertrag.(Gründungsprotokoll, vgl. Hachen-burg/Ulmer § 2 Rdnr. 7) von den Gründungsbeteiligten (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GmbHG; § 13 Abs. 1 Satz 1 BeurkG) und vom Notar unterschrieben worden ist (§ 13 Abs. 3 BeurkG; vgl. Baumbach/Hueck § 2 Rdnr. 11).

(3) Als im vorliegenden Fall _die Nummer II des Gesell-schaftsvertrages schriftlich niedergelegt worden ist, hat somit noch keine Vor-GmbH bestanden, in der eine Be-schlußfassung der Gesellschafter entsprechend §§ 47 ff. GmbHG möglich gewesen wäre. Die Gründungsgesellschaf-ter sind noch nicht das Gesellschaftsorgan Gesellschafter-versammlung.

Hier ist aber die Besonderheit zu beachten, daß über die Gesellschafterversammlung ein notarielles Protokoll erstellt wurde, das in dieselbe Urkunde aufgenommen wurde wie der Gründungsvertrag; es wurde von dem anwesenden Gesellschafter M. und dem Notar im selben Akt wie der Gründungsvertrag unterschrieben und erst damit als nota-rielle Urkunde existent. Selbst wenn die Beschlüsse der zeit-lich vorangegangenen Gesellschafterversammlung nach deren Willen schon vorher gefaßt und deshalb nach dem Ge-sagten als unwirksam anzusehen sein sollten, muß in der Unterzeichnung der notariellen Urkunde eine Wiederholung und damit eine Bestätigung dieser Beschlüsse gesehen werden (vgl. § 141 BGB). Es kommt deshalb nicht darauf an, ob etwa von vornherein die Gültigkeit der in der Gesellschaf-terversammlung gefaßten Beschlüsse an ihre notarielle Beurkundung gebunden werden sollte (vgl. § 154 Abs. 2 BGB), so daß sie ohne eine solche noch nicht zustande kommen konnten.

Auch wenn eine Gesellschafterversammlung erst (minde-stens eine logische Sekunde) nach Abschluß des Grün-dungsvertrags zusammentreten und wirksame Beschlüsse fassen kann, muß es doch als zulässig angesehen werden, den Gründungsvorgang und das Protokoll über die Gesell-schafterversammlung in derselben Urkunde zusammenzu-fassen. Dabei wird unterstellt werden können, daß es dem Willen der Vertragsparteien entspricht, daß zuerst der Grün-dungsvertrag und erst dann (also eine logische Sekunde später) die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung wirksam werden. Es kann nicht verlangt werden, daß nur der Einhaltung der rechtstheoretisch erforderlichen Reihen-folge wegen zwei getrennte Urkunden errichtet und getrennt unterschrieben werden. Jedenfalls muß dies für die Bestel-lung der Geschäftsführer und die Bestimmung des Umfangs ihrer Vertretungsmacht gelten; denn dieselbe Bestimmung könnte nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GmbHG auch im Gesell-

schaftsvertrag selbst getroffen werden, ohne nach dem Ge-sagten materieller Inhalt der Satzung zu werden. In diesem Fall könnten gegen die Gültigkeit einer solchen Bestim-mung von vornherein keine Bedenken erhoben werden.

(4) Schließlich ist es auch zulässig, schon im Gründungs-stadium für die Vor-Gesellschaft nicht nur den oder die Geschäftsführer zu bestellen, sondern auch eine Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens auszusprechen, ebenso wie eine Regelung über die Einzelvertretungsbefugnis der Geschäftsführer getroffen werden kann (§ 35 Abs. 2 Satz 2 GmbHG). In beiden Fällen handelt es sich um Erweiterungen der Vertretungsmacht der Geschäftsführer. Das Verbot des Selbstkontrahierens stellt eine immanente Beschränkung der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers dar (BFH WPM 1975, 456/457; BayObLGZ 1985, 189/193 [= MittBayNot 1985, 139 = DNotZ 1986, 170]). Die Befreiung von diesem Verbot erweitert also die in § 37 GmbHG umschriebene Ver-tretungsmacht (Robert Fischer in Festschrift für Fritz Hauß 5. 61/69). Ebenso stellt die Einzelvertretungsbefugnis eine Erweiterung der Vertretungsmacht dar, weil das Gesetz vom Regelfall der Gesamtvertretung ausgeht (§ 35 Abs. 2 Satz 2, 3 GmbHG). Die Gründer sind nicht gehindert, die Vertre-tungsmacht der Geschäftsführer schon vor der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister zu erweitern und ihnen auch Rechtshandlungen zu gestatten, die nicht unerläßlich sind, um die gesetzlichen Eintragungsvoraussetzungen und die Eintragung selbst herbeizuführen (BGHZ 80, 129/139 [= MittBayNot 1981, 192]); eine andere, hier nicht zu ent-scheidende Frage ist, inwieweit hierfür Einstimmigkeit der Gründer erforderlich ist oder ein Mehrheitsbeschluß genügt (vgl. hierzu BGHZ 80, 212/215).

b) Zu Unrecht gehen die Vorinstanzen davon aus, in BayObLGZ 1987, 153/160 sei es als ausgeschlossen bezeich-net worden, daß die Satzung einer mehrgliedrigen Gesell-schaft Bestimmungen für den Fall treffen könne, der Gesell-schafter-Geschäftsführer werde alleiniger Gesellschafter. Die Bemerkung in dieser Entscheidung, es hätte nicht ein-mal wirksam beschlossen werden können, daß der Gesell-schafter-Geschäftsführer auch für diesen Fall befreit sein solle, trifft nur den damals zur Entscheidung stehenden Fall und bezieht sich erkennbar nur auf Beschlüsse der Gesell-schafterversammlung nach § 46 Nr. 5, §§ 47 ff. GmbHG, was, sich schon daraus ergibt, daß am Ende desselben Absatzes die Frage nach der Zulässigkeit entsprechender Satzungs-bestimmungen ausdrücklich offengelassen ist. Die Bemer-kung war in dem damals zu entscheidenden Fall deshalb ver-anlaßt, weil die Satzung gerade keine Bestimmung für den Fall enthalten hatte, daß aus der mehrgliedrigen eine Ein-manngesellschaft wird. Ein entsprechender Beschluß der Gesellschafterversammlung wäre deshalb — anders als im vorliegenden Fall — nicht durch die Satzung gedeckt gewesen.

c) Die in BayObLGZ 1987, 153 offengelassene Frage nach der Zulässigkeit einer entsprechenden Satzungsbestimmung ist dahin zu entscheiden, daß dagegen keine durchgreifenden Bedenken bestehen. In der genannten Entscheidung wurde das Erlöschen einer Befreiung vom Verbot des Selbstkontra-hierens damit begründet, daß eine solche Befreiung einen ganz anderen, wesentlich erweiterten Inhalt bekommt, wenn aus der bisher mehrgliedrigen Gesellschaft eine Einmann-gesellschaft wird, und daß der Rechtsverkehr aus der Satzung einer mehrgliedrigen Gesellschaft eine derartige Erweiterung nicht entnehmen kann, weshalb die Verlaut-

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barung im Handelsregister den Umfang der Vertretungs-befugnis des Geschäftsführers (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 2 GmbHG) nach Umwandlung in eine Einmanngesellschaft nicht mehr ihrem erweiterten Inhalt nach zutreffend wieder-gibt. Diese Gründe greifen nicht ein, wenn in der Satzung, wie hier, ausdrücklich für den Fall der Umwandlung der mehrgliedrigen Gesellschaft in eine Einmanngesellschaft eine Regelung getroffen und die Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens auch für diesen Fall vorgesehen wird, und wenn die Befreiung dementsprechend weit gefaßt durch Gesellschafterbeschluß erteilt wird. Der Rechtsverkehr kann und muß sich in einem solchen Fall darauf einstellen, daß die Befreiung jederzeit auch mit dem erweiterten Inhalt wirksam wird, wie er durch Entstehung einer Einmann-gesellschaft zustande kommt.

Andere Gründe als solche der Publizität können die Wirk-samkeit der hier vorgesehenen Befreiung nicht in Frage stellen. Dieser Auffassung steht die Entscheidung des Bun-desgerichtshofs vom 28.2.1983 (BGHZ 87, 59/62 f.) nicht ent-gegen. Diese verwehrt nämlich nur deshalb die Eintragung einer Befreiung, die nur für den Fall bestehen soll, daß eine Einmanngesellschaft entsteht, weil der Eintritt dieses Falles dem Handelsregister nicht entnommen werden kann. Hier geht es aber darum, eine Befreiung einzutragen, die unab-hängig davon gelten soll, ob eine Einmann-GmbH besteht oder nicht.

4. Aus den genannten Gründen waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben; die Sache war an das Amts-gericht zurückzuverweisen, weil dieses erneut über die Ergänzung der ursprünglichen Eintragung zu entscheiden hat. Der Senat ist nur deshalb gehindert, das Register-gericht zur Vornahme der beantragten Eintragung anzu-weisen, weil nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, daß inzwischen weitere, bisher nicht bekannte Umstände aufgetreten sind, die der Eintragung entgegen-stehen könnten.

c.

Notarrecht einschließlich Beurkundungsrecht

19. BGB § 313 Satz 1 (Beurkundungspflicht eines Immo-bilien Anlagevermittlungsvertrags)

Vereinbarungen, die lediglich zur Vorbereitung eines ange-strebten Vertrages über den Erwerb oder die Veräußerung eines Grundstückes geschlossen werden, bedürfen grund-sätzlich auch dann nicht in entsprechender Anwendung des §-313 Satz 1 BGB der notariellen Beurkundung, wenn sich aus ihnen ein wirtschaftlicher Druck ergeben kann, das Grundstücksgeschäft auch tatsächlich einzugehen. Aus-nahmsweise kann jedoch im Hinblick auf den Schutzzweck des § 313 Satz 1 BGB ein Vertrag eines Anlagevermittlers mit einem Anleger formbedüftig sein, wenn dieser Vertrag sei-nem wirtschaftlichen Sinn nach darauf gerichtet ist, den Beitritt des Anlegers zu einem Bauherrenmodell vorzuberei-ten, und der Anleger darin verpflichtet wird, unabhängig von dem Zustandekommen des angestrebten Geschäfts dem Anlagevermittler ein Entgelt zu zahlen, das wegen seiner Höhe ganz oder zumindest weit überwiegend nur als vorweg-genommene Vermittlungsprovision verstanden werden kann.

BGH, Urteil vom 19.9.1989 - XI ZR 10189 - mitgeteilt von D. Bundschuh, Richter am BGH

Aus dem Tatbestand:

Die Beklagte ist Initiatorin der im Bauherrenmodell errichteten Ferienresidenzen S. und B. Der Vertriebsbeauftragte der Beklagten P. stellte dem Kläger in einem Ende 1985 geführten Gespräch die Bau-herrenmodelle vor. Am 19.12.1985 unterschrieb der Kläger einen Zeichnungsschein für ein Appartement der Ferienresidenz S. Als Gesamtaufwand waren darin 226.779 DM, als „Beratungs- und Bear-beitungsgebühr" 7.755,84 DM (3,42% des Gesamtaufwandes) fest-gelegt. Nach den vorgedruckten Vertragsbestimmungen beauftragte der Kläger die Beklagte, ihn „über die wirtschaftlichen Voraussetzun-gen und Ziele des bezeichneten Bauvorhabens zu beraten und die Vorbereitungshandlungen zum Abschluß eines Treuhandvertrages mit der 1-GmbH zu treffen:` Über die „Beratungs- und Bearbeitungs-gebühr" war in dem Formular bestimmt: ,,Für.Beratung und für die Vorbereitung des Treuhandvertrages wird die oben ausgeworfene Gebühr berechnet. Entsprechend der Rechnung, die mir/uns nach Auftragsannahme zugeschickt wird, werde(n) ich/wir den Betrag auf das Konto der W-Vermögensberatung AG ... überweisen:' Mit Schrei-ben vom 23.12.1985 erklärte die Beklagte, sie nehme den Auftrag an, den Kläger über das-Investitionsvorhaben zu beraten und die Vorbe-reitungshandlungen zum Abschluß eines Treuhandvertrages mit der 1-GmbH zu treffen. Die zugleich in Rechnung gestellte „Gebühr für die Beratung und Bearbeitung des Auftrages" beglich der Kläger. Nach anderweitiger Beratung aufgrund der von der 1-GmbH übersandten Unterlagen teilte der Kläger der Beklagten jedoch mit Schreiben vom 27.1.1986 mit, daß er sich an dem Bauherrenmodell nicht beteiligen werde, und bat um Rückzahlung der sogenannten Bearbeitungs-gebühr. Nach Verhandlungen zwischen den Parteien schrieb die Beklagte am 28.7.1986, sie respektiere die Entscheidung des Klägers, eine Rückzahlung lehne sie jedoch ab.

Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage, die auf Rück-zahlung eines Teilbetrages der gezahlten Gebühr von 5.755,84 DM zu-züglich Zinsen gerichtet ist, stattgegeben. Die zugelassene Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg.

Aus den Gründen:

1. ...

2. Nach §§ 313 Satz 1, 125 Satz 1 BGB ist ein Vertrag, durch den sich der eine Teil 'verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, bei fehlender notarieller Beurkundung nichtig. Die Formvorschrift be-zweckt u. a., Veräußerer und Erwerber vor übereilten Verträ-gen zu bewahren, sie auf die Wichtigkeit des Geschäfts hin-zuweisen und ihnen die Möglichkeit rechtskundiger Beleh-rung und Beratung zu eröffnen (BGHZ 87, 150, 153). Um diesem Zweck auch gegenüber möglichen Umgehungsver-suchen Geltung zu verschaffen, wird § 313 Satz 1 BGB in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in bestimmten Fällen analog auch auf Verträge angewandt, die nicht selbst die Verpflichtung zur Übertragung und zum Erwerb des Eigentums an einem Grundstück zum Gegenstand haben. Danach können Verträge, auch wenn sie mit Dritten abge-schlossen wurden, formbedürftig sein, wenn sie einen Ver-tragsteil bereits dadurch wirtschaftlich binden, daß für den Fall des Unterbleibens des Geschäfts über den Erwerb oder die Veräußerung von Grundstücken ins Gewicht fallende wirtschaftliche Nachteile vereinbart werden. Dies wurde ins-besondere bei Verträgen angenommen, in denen für den Fall des Abschlusses oder Nichtabschlusses eines solchen Geschäfts eine Vertragsstrafe, der Verfall einer Kaufpreis-anzahlung oder eine erfolgsunabhängige Maklerprovision versprochen wurde (vgl. BGH, Urteile vom 1.7.1970 - IV ZR 1178/68, WM 1970, 1224, 1225, vom 30.10.1970 - IV ZR 1176/68, WM 1970, 1517, 1518, vom 18.12.1970 - IV ZR 1155/68, WM 1971, 190, vom 25.4.1973 - IV ZR 80/72, WM 1973, 816, vom 3.11.1978 - V ZR 30/77, WM 1979, 162 [= DNotZ 1979, 304], vom 6.2.1980 - IV ZR 141/78, WM 1980, 742, 743 [= MittBayNot 1980, 151 = DNotZ 1987, 745], vom 12.7.1984 - IX ZR 127/83, VersR 1984, 946 und vom 2.7.1986, WM 1986, 1438 [= MittBayNot 1986, 241 = DNotZ 1987, 745];

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vgl. weiter BGHZ 89, 41, 47; 10,3, 235, 239 [= MittBayNot 1988, 165 = DNotZ 1989, 225]; a. A. zumindest für die Fälle der wirtschaftlichen Bindung durch Vereinbarung einer erfolgsunabhängigen Maklerprovision Schwerdtner, Makler-recht 3. Aufl. Rdnr. 31 ff.; Tempel, Materielles Recht im Zivil-prozeß S. 296; Westerhoff AcP 184 [1984] 341, 364 ff.; vgl. dazu auch Hagen DNotZ 1984, 267, 270 f.).

Bei der Beurteilung des vorliegenden Falles ist davon auszu-gehen, daß solche Vereinbarungen grundsätzlich nicht form-bedürftig sind, die nur der Vorbereitung eines Vertrages über den Erwerb oder die Veräußerung von Grundstücken dienen, auch wenn mit ihnen wirtschaftliche Belastungen verbun-den sind, die nutzlos werden, wenn es nicht zu dem beab-sichtigten Geschäft kommt. Der Schutzzweck des § 313 Satz 1 BGB erfordert nicht, diese Vorschrift immer schon dann analog anzuwenden, wenn sich aus einem Vertrag, der im Hinblick auf ein formbedürftiges Grundstücksgeschäft geschlossen wird, ein wirtschaftlicher Druck ergeben kann, dieses Geschäft später auch tatsächlich einzugehen (vgl. BGHZ 76, 43, 46 [= MittBayNot 1980, 62 = DNotZ 1980,409]; vgl. auch BGH, Urteil vom 25.2.1987 — IVa ZR 263/85, WM 1987, 693, 694 [= MittBayNot 1987, 184 = DNotZ 1987, 751]). Nicht jedes Geschäft, dessen wirtschaftliche Folgen die Entschließungsfreiheit hinsichtlich des Abschlusses eines Vertrages über den Erwerb oder die Veräußerung von Grund-stücken (mittelbar) erheblich beeinträchtigen können, ist. dem Formzwang des § 313 Satz 1 BGB unterworfen. Für den hier zu beurteilenden Vertrag ist dies jedoch ausnahms-weise anzunehmen. Der vorliegende Fall ist in den wesent-lichen Punkten den bereits entschiedenen Fällen vergleich-bar, in denen ein Maklervertrag als formbedürftig angesehen wurde, weil in ihm der Fall des Nichtzustandekommens des Hauptvertrages als „Bemühungsentgelt" eine so hohe er-folgsunabhängige Provision vereinbart war, daß diese nach den Umständen des Einzelfalles geeignet war, einen mittel-baren Zwang zum Erwerb oder zur Veräußerung des Grund-stückes auszuüben.

Gegenstand des zwischen den Parteien geschlossenen Ver-trages war nach dessen Wortlaut die Beratung über die wirt-schaftlichen Voraussetzungen und Ziele des Bauvorhabens und die Vorbereitung des Abschlusses des Treuhandvertra-ges mit der 1-GmbH, die den Kläger bei dem Grundstücks-erwerbsgeschäft vertreten sollte. Nach seinem wirtschaft-lichen Sinn war der Vertrag jedoch in gleicher Weise wie ein Maklervertrag über den Nachweis oder die Vermittlung von Grundstückskaufverträgen darauf gerichtet, einen formbe-dürftigen Vertrag zustande zu bringen. Ebenso konnte die im formularmäßigen Zeichnungsschein vereinbarte Vergütung von dem Anleger nur als- eine vorweg zu zahlende Vermitt-lungsprovision verstanden werden. Dafür sprach bereits der Umstand, daß das Entgelt der Beklagten wie bei vergleich-baren Anlagevermittlerverträgen in einem bestimmten Pro-zentsatz des Gesamtaufwandes bemessen wurde. Es war offensichtlich, daß der als „Beratungs- und Bearbeitungs-gebühr" zu zahlende Betrag kein angemessenes Entgelt sein konnte für die wenig aufwendigen Leistungen, die von der Beklagten in der Zeit zwischen der Unterzeichnung des Vertrages und dem Abschluß des vorzubereitenden Treu-handvertrages zu erbringen sein sollten. Auch die Beklagte sieht die dem Anleger auferlegte Zahlungspflicht teilweise als Vergütung für die Leistungen an, die sie schon zuvor als Initiatorin des -Bauherrenmodells erbracht hatte.. Diese Leistungen sind jedoch nicht Gegenstand der von der Be-klagten übernommenen Vertragspflicht. Aus dem gleichen

Grund kann die Zahlung des Anlegers nicht als Gegen-leistung für die Beratungstätigkeit angesehen werden, die zum Abschluß des Vertrages des Anlegers mit der Beklagten geführt hat. Die von der Beklagten übernommenen Leistun-gen waren damit zumindest im wesentlichen solche, die. üblicherweise bei dem tatsächlichen Abschluß des ange-strebten Vertrages durch eine vereinbarte Provision mit ab-gegolten sein sollen. Die Höhe der „Beratungs- und Bearbei-tungsgebühr ist hier nur dadurch erklärlich, daß sie zumin-dest zu ihrem weit überwiegenden Teil als Vermittlunspro-vision für die angestrebte Beteiligung an der Bauherren-gemeinschaft gezahlt werden sollte. Anders als in den bis-her entschiedenen Fällen über die Formbedürftigkeit von Maklerverträgen, in denen für den Fall des Nichtabschlus-ses des Hauptvertrages eine erfolgsunabhängige Provision vereinbart wurde, war hier der an die Beklagte zu zahlende Betrag, der in der Sache ganz oder zumindest weit überwie-gend eine Provision darstellt, nach dem Wortlaut des Ver-trages nicht erst bei Abschluß oder Nichtabschluß des an-gestrebten Vertrages zu zahlen, sondern bereits nach Auf-tragsannahme. Der Umstand, daß die „Beratungs- und Bear-beitungsgebühr" zu einem so frühen Zeitpunkt gezahlt wert den sollte (und gezahlt wurde), rechtfertigt jedoch nicht, den vorliegenden Vertrag anders zu behandeln als Maklerver-träge, in denen für den Fall des Nichtzustandekommens des Hauptvertrages in Form einer erfolgsunabhängigen Pro-vision eine in ihrer Wirkung vertragsstrafenähnlicheZahlung an den Makler vereinbart wird. Von der ausweislich des Zeichnungsscheins getroffenen Vereinbarung und späteren Zahlung der „Beratungs- und Bearbeitungsgebühr" konnte hier in gleicher Weise ein wirtschaftlicher Druck zum Abschluß des Hauptvertrages ausgehen wie von einer unter sonst gleichen Umständen vereinbarten Verpflichtung zur Zahlung einer erfolgsunabhängigen Maklerprovision. Zur Erreichung des Zwecks des § 313 Satz 1 BGB, vor Übereilung bei Abschluß eines auf den Erwerb oder die Veräußerung von Grundstücken gerichteten Vertrages zu schützen, hätte daher auch der vorliegende Vertrag der notariellen Beurkun-dung bedurft. Der Senat verkennt dabei nicht, daß sich bei dieser analogen Anwendung des § 313 Satz 1 BGB auf Fälle der vorliegenden Art nach den Umständen des Einzelfalles Zweifel ergeben können, ob der zu beurteilende Vertrag in seiner Beziehung zu einem angestrebten Vertrag über den Erwerb oder die Veräußerung von Grundstücken einem Maklervertrag entspricht, in dem eine erfolgsunabhängige Provision vereinbart ist, und daß auch Unsicherheiten in der Frage bestehen können, ob die vereinbarte Zahlung eine Höhe erreicht, die nach den Besonderheiten des Falles zu einem mittelbaren Zwang zum Abschluß eines Vertrages über den Erwerb oder die Veräußerung von Grundstücken führen kann (vgl. dazu BGH, Urteil vom 2.7.1986 — IVa ZR 102/85, WM 1986, 1438, 1439). Der Senat ist jedoch der Ansicht, daß diese Rechtsunsicherheit hingenommen wer-den muß, um eine mögliche Umgehung des- 313 Satz 1 BGB zu verhindern und einen wirksamen Schutz des Anlegers vor Übereilung, wie er durch das Erfordernis der notariellen Beurkundung bezweckt wird, zu erreichen.

MittBayNot 1990 Heft 1 57

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D.

Kostenrecht

20. KostO § 145 Abs. 1 und 3 (Zum Verhältnis von § 145Abs. 1 S. 1 KostO zu § 145 Abs. 3 KostO)

Die Gebührenvorschrift des § 145 Abs. 1 Satz 1 KostO hat Vorrang vor derjenigen des § 145 Abs. 3. KostG.

BayObLG, Beschluß vom 3.8.1989 — BReg. 3 Z 70/89 — mitgeteilt von Johann Demharter, Richter am BayObLG

Aus dem Tatbestand:

1. Die Beteiligte zu 1 ist Eigentümerin von umfangreichem Grund-besitz in M. Mit Schreiben vom 4.2.1988 machte die Beteiligte zu 2 der Beteiligten zu 1 das Angebot, deren dortiges gesamtes Grund-eigentum zu einem Nettokaufpreis von ... zu kaufen. Die Nummer 8 dieses privatschriftlichen Angebots lautet:

„Sämtliche Kosten des Vertrages und seines Vollzugs sowie die Grunderwerbsteuer werden von uns getragen ..:`

Die Beteiligte zu 2 beauftragte den beteiligten Notar A., den Kaufver-trag zu entwerfen und später zu beurkunden. Der erste Entwurf des Notars wurde der Beteiligten zu 2 zugeleitet. Es fand dann eine Be-sprechung in Gegenwart des Notars statt, die dieser auf den 25.4.1988 und die Beteiligte zu 1 auf den 21.4.1988 datiert. Auf der Grundlage des Ergebnisses dieser Besprechung fertigte der Notar am 5.5.1988 einen geänderten Kaufvertragsentwurf, der am 9.5.1988 aufgrund der Angaben der beiden Beteiligten ergänzt und korrigiert wurde. Die Beteiligte zu 1 beauftragte den Notar, die einzelnen Blät-ter der Grundbuchdaten zu erstellen, die Anlage zur Urkunde werden sollten. Insgesamt fertigte der Notar den Entwurf eines Generalver-trages und Entwürfe von Einzelkaufverträgen, die ca. 84 Grundstücke umfassen sollten.

Die vom Notar gefertigten Entwürfe wurden jeweils den Beteiligten überlassen. Zur Beurkundung eines Kaufvertrages kam es nicht.

2. Unter Zugrundelegung eines Geschäftswertes von ... DM erteilte der Notar der Beteiligten zu 1 am 17.9.1988 eine Kostenberechnung über insgesamt ... DM. Darin ist eine nach § 145 Abs. 3, 2, § 36 Abs. 2 KostG berechnete Gebühr von ... DM enthalten. Diese Kostenberech-nung berichtigte der Notar am 26.1.1989.

3. Die Beteiligte zu 1 erhob Notarkostenbeschwerde mit dem Antrag, die Kostenberechnung aufzuheben. Sie habe dem Notar keinen Beur-kundungsauftrag erteilt. Mit der Erstattung der Vertragsentwürfe habe die Beteiligte zu 2 den Notar beauftragt....

Der Notar führte aus, der Auftrag zur Erstellung der Entwürfe und zur Beurkundung sei ihm von beiden Beteiligten erteilt worden. Seine Inanspruchnahme als Notar habe einmal den Beurkundungsauftrag zur Grundlage gehabt und zum anderen den Auftrag zur Erstellung der Entwürfe. Die Beteiligte zu 1 habe nicht erklären müssen, daß sie die Kosten übernehme, da die Pflicht zur Entrichtung von Notar-kosten sich aus dem Gesetz ergebe. Die Kostenregelung in der Num-mer 8 des Angebotsschreibens vom 4.2.1988 habe nur Bedeutung im Verhältnis der Beteiligten untereinander gehabt.

Das Landgericht wies nach Vernehmung von Zeugen die Beschwerde am 21.3.1989 als unbegründet zurück.

4. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beteiligte zu 1 mit der weiteren Beschwerde.

Aus den Gründen:

1. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist zulässig.

2....

3....

4. Die Entscheidung des Landgerichts hält aber in der Sache selbst einer rechtlichen Nachprüfung (§ 156 Abs. 2 Satz 4 KostG, § 550 ZPO) nicht stand. Das Landgericht bejaht die Pflicht der Beteiligten zu 1, dem Notar Kosten zu zahlen, nach § 145 Abs. 3 KostG. Die hier gegebenen besonderen Umstände geboten aber die Prüfung, ob Kosten ausschließ-

[ich nach § 145 Abs. 1 KostO gefordert werden konnten und ob danach eine Kostenschuld der Beteiligten zu 1 ausschei-det. Die Gebührenvorschrift des § 145 Abs. 1 Satz 1 KostO hat Vorrang vor derjenigen nach § 145 Abs. 3 KostO (Korin-tenberg § 145 Rdnr. 53). Da diese besonderen Umstände übersehen worden sind, hat das Landgericht entgegen § 12 FGG den Sachverhalt nicht genügend aufgeklärt und in den Gründen entgegen § 25 FGG die gebotene kostenrechtliche Prüfung unterlassen.

a) Wird gegen die Kostenberechnung des Notars Beschwer. de eingelegt (§ 156 Abs. 1 Satz 1 KostO), so bestimmt der Be-schwerdeführer durch seine Beanstandung den Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung (BayObLGZ 1987, 1861190 [= MittBayNot 1987, 270]). Hier leugnet die Beteiligte zu 1 ihre Kostenschuldnerschaft. Das Gericht hat deshalb diese Einwendung unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prü-fen. Der Notar hat Gebühren nach § 145 Abs. 3 KostG be-rechnet. Hier hätte aber erwogen werden müssen, ob eine Kostenschuldnerschaft der Beteiligten zu 1 schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil nach der fehlgeschlagenen Beurkundungsabsicht eine Gebühr nur nach § 145 Abs. 1 KostO in Rechnung gestellt werden konnte, für die mög-licherweise die Beteiligte zu 1 nicht haftet.

b) In der Nummer 1 der Gründe stellt das Landgericht fest, die Beteiligte zu 2 habe den Notar mit der Erstellung des Ver-tragsentwurfes und der anschließenden Beurkundung be-auftragt. Der Notar führt aus, seine Inanspruchnahme habe einmal den Beurkundungsauftrag zur Grundlage gehabt und zum anderen den Auftrag zur Erstellung der Entwürfe. Da es nicht zur Beurkundung gekommen ist, hätte vom Land-gericht geprüft werden müssen, ob ein Entwurfsauftrag nach § 145 Abs. 1 Satz 1 KostG gegeben war.

(1) Wird einem Notar ein Beurkundungsauftrag (§ 20 Abs. 1 Satz 1 BNotO) erteilt, so wird er als Träger eines unabhän-gigen öffentlichen Amtes (§ 1 BNotO) hoheitlich tätig (Sey-boldiHornig BNotO 5. Aufl. § 20 Rdnr. 2; Jansen FGG 2. Aufl. § 1 BeurkG Rdnr. 3). Zur Vorbereitung der Verhandlungs-niederschrift kann der Notar von sich aus oder auf Bitten Be-teiligter einen Entwurf des beabsichtigten Geschäfts ferti-gen. Dieser hat nur Vorbereitungscharakter für die spätere Beurkundung und zwar auch dann, wenn der Entwurf einem Beteiligten überlassen wird (vgl. z.B. OLG Düsseldorf DNotZ 1974, 497/498; OLG Frankfurt DNotZ 1977, 439/440; OLG Schleswig DNotZ 1985, 118/119). Kommt es vor Erteilung des Beurkundungsauftrages aus irgendwelchem Grund zum Abbruch der Verhandlungen, so kann der Notar selbst bei Aushändigung eines von ihm gefertigten Vertragsentwurfs an den Auftraggeber auf dessen Bitte hin keine Gebühr nach § 145 Abs. 1 KostG verlangen (OLG München DNotZ 1937, 159; 1938, 470). Geschuldet werden dann nur Gebühren nach § 57 KostG, wenn der Notar bereits mit den Beteiligten ver-handelt hat, oder nach § 130 Abs. 2 KostG (vgl. BayObLGZ 1979, 93/95 [= MittBayNot 1979, 127 = DNotZ 1979, 632]).

(2) Schuldner der Gebühr des § 145 Abs. 1 Satz 1 KostG ist im Regelfall derjenige, der den Notar lediglich beauftragt, den Entwurf einer Urkunde zu fertigen, ohne daß ein Beur-kundungsauftrag erteilt wird. Nach heute herrschender Auf-fassung kann die angeführte Gebühr aber ausnahmsweise auch bei Bestehen eines Beurkundungsauftrags für ein Rechtsgeschäft dann entstehen, wenn dem Notar vor der fehlgeschlagenen Beurkundung ein zweiter Auftrag, näm-lich zur Entwurfsfertigung (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 1 BNotO), erteilt worden ist.

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In diesem Fall tritt der Notar den Beteiligten ebenfalls in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis gegenüber (vgl. BGHZ 87, 156/163 [= DNotZ 1983, 549 mit Anm. Zimmer-mann]); er ist aber insoweit nicht — wie bei der Beurkun-dung oder ihrer Vorbereitung — hoheitlich tätig (Jansen § 3 BeurkG Rdnr.5). Hierbei kann der Notar sogar Erfüllungs-gehilfe eines Beteiligten sein (BGH NJW 1984, 1748/1749 [= DNotZ 1984, 511]). Für ihn gilt dann außerdem das Mitwir-kungsverbot nach § 3 BeurkG nicht (Jansen a. a. 0.). Dieser zweite Auftrag zur Entwurfsfertigung, der gegenüber dem Beurkundungsauftrag eine selbständige notarielle Tätigkeit darstellt, kann ausdrücklich oder stillschweigend erteilt wer-den. Ist eine aus schlüssigem Verhalten sich ergebende Be-auftragung zu prüfen, so ist die zur Abgrenzung von der nur die Beurkundung vorbereitenden Entwurfsfertigung zu-nächst einmal die Feststellung erforderlich, daß dem,Urkun-denentwurf eine selbständige Bedeutung, eine besondere Zweckbestimmung, zukommt (BayObLG JurBüro 1980, 914/ 915 [= MittBayNot 1980, 38]; BayObLG MittBayNot 1982, 266/268 und 1983, 196/198, insoweit in BayObLGZ 1983, 91 ff. nicht abgedruckt; OLG Düsseldorf DNotZ 1974, 497; KG DNotZ 1975, 178 und 755; OLG Schleswig DNotZ 1985, 118/ 119). Der erforderte Entwurf muß immer die Bedeutung einer selbständigen „Zwischenstation auf dem Wege zur Beurkun-dung" haben (BayObLG MittBayNot 1983, 196/198; KG DNotZ 1975, 178/179). Der später als Kostenschuldner in Anspruch genommene Beteiligte muß zum anderen wissen, daß er durch sein Verhalten dem Notar einen gesonderten Ent-wurfsauftrag erteilt hat und damit eine gebührenpflichtige Tätigkeit des Notars in Anspruch nimmt (vgl. OLG Hamm JurBüro 1966, 424/426; OLG Schleswig JurBüro 1984, 1714/1715). Ob dem Verhalten eines Beteiligten ein derartiger Erklärungswert beigemessen werden kann, ist unter Berück-sichtigung aller Umstände des Falles durch Auslegung zu ermitteln. Es kommt dabei maßgebend darauf an, ob das Verhalten des Beteiligten für den Notar als dem Empfänger der Erklärung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§§ 133, 157 BGB; diese Vorschriften gelten auch im öffentlichen Recht entsprechend,'vgl. Pa/andt/Hein-richs BGB 48. Aufl. § 133 Anm. 2 b m. w. N.) bei objektiver Würdigung den Schluß zuläßt, daß dem Notar dieser geson-derte Auftrag mit der gesetzlichen Kostenfolge erteilt wird (BayObLG JurBüro 1984, 1713 m. w. N.). Die Tatsache der Ent-wurfsaushändigung allein reicht hierzu nicht aus (BayObLG MittBayNot 1983, 196/198) und zwar auch nicht unter dem Gesichtspunkt, daß der nur zur Beurkundung beauftragte Notar dem Auftraggeber den Entwurf nicht aushändigen muß (OLG Hamm DNotZ 1950, 436/438). Der Entwurfsaus-händigung kann aber eine besondere Zweckbestimmung zu-kommen, wenn es damit ermöglicht wird, daß die Partner des zu beurkundenden Geschäfts über dessen wesentlichen Punkte Einigung erzielen, wenn also der Entwurf Grundlage für das Aushandeln des beabsichtigten Geschäfts ist (OLG Düsseldorf Rpfleger 1974, 82; OLG Frankfurt DNotZ 1977, 439/440; OLG Schleswig DNotZ 1978, 7601761 und 1985, 118/119; KG DNotZ 1986, 113 ff.). In solchen Fällen kann die Überlassung von Entwürfen an Beteiligte den Schluß recht-fertigen, daß die Feststellung und Kontrolle der Richtigkeit und Vollständigkeit der Entwürfe letztlich nicht beim Notar, sondern bei den Beteiligten oder sonst zwischengeschalte-ten Personen (z.B. Steuerberater usw.) liegen soll. Der Notar kann — jedenfalls zunächst, bis ein beurkundungsfähiger Entwurf zustände gekommen ist — nur eine Hilfestellung gegenüber den späteren Vertragsparteien übernehmen (vgl.

Maurer DNotZ 1977, 497/499; Keidel/Kuntze/Winkler FGG 12. Aufl. BeurkG § 17 Rdnr. 10).

(3) Die landgerichtliche Entscheidung hat sich entgegen § 25 FGG nicht mit Tatsachen auseinandergesetzt, die er-geben können, daß eine Entwurfsgebühr nach § 145 Abs. 1 Satz 1 KostO entstanden ist. Hier war das privatschriftliche Kaufangebot der Beteiligten zu 2 die Veranlassung dafür, daß der Notar zunächst einen Entwurf gefertigt hat, den die Beteiligte zu 2 der Beteiligten zu 1 nach deren Vorbringen am 19.4.1988 zugesandt hat. Dann folgte eine Besprechung der Beteiligten in Gegenwart des Notars, die am 21. oder 25.4.1988 stattgefunden hat. Das Ergebnis dieser Bespre-chung ist, wie der Notar vorträgt, in Vertragsentwürfe umge-setzt worden. Diese hat der Notar gefertigt, die aber in wei-teren Besprechungen am 5.5. und 9.5.1988 ergänzt oder kor-rigiert werden mußten. Aus all dem ergibt sich: Der Notar hätte angesichts der Vielzahl der vom Kaufgeschäft betrof-fenen Grundstücke (ca. 84) und auch wegen des Umstands, daß diese mit Erbbau- und Vorkaufsrechten belastet waren, aufgrund des privatschriftlichen Angebots vom 4.2.1988 zur Vorbereitung der Verhandlungsniederschrift noch keine vor-lesungsfähigen Urkunden fertigen können. Der Notar hatte nach dem jeweiligen Verhandlungsstand Entwürfe zu ferti-gen, wie sich der Zeuge ausgedrückt, hat. Diese mußten den Beteiligten zu weiteren Verhandlungen über den endgültigen Vertragstext ausgehändigt werden. Das gebietet die Prü-fung, ob dem Notar neben dem Beurkundungsauftrag durch schlüssiges. Verhalten vorweg ein gesonderter Auftrag zu Entwurfsfertigungen erteilt worden ist. Der Senat kann die Auslegung des möglichen schlüssigen Verhaltens nicht selbst vornehmen, da sich die Beteiligten zu diesem Ge-sichtspunkt bisher noch nicht geäußert haben.

Läßt sich — wie hier — eine solche gesonderte ausdrück-liche Beauftragung nicht feststellen, so ist im Regelfall der Auftraggeber für die Beurkundung auch der Schuldner der Gebühr nach § 145 Abs. 1 Satz 1 KostO. Für ihn sind in diesem Stadium der Vorbereitung der Beurkundung bereits Gebühren angefallen und zwar entweder nach § 57 KostO oder nach § 130 Abs. 2 KostO. Den Beurkundungsauftrag hat nach den Feststellungen des Landgerichts die Beteiligte zu 2 erteilt. Als Schuldnerin einer Gebühr nach § 145 Abs. 1 Satz 1 KostO kommt somit in erster Linie diese Beteiligte in Betracht. Die stillschweigende Auftragserteilung kann dem Grundsatz nach aber auch der Partner des später nicht be-urkundeten Geschäfts, hier somit die Beteiligte zu 1, vorge-nommen haben. Dies stellt aber einen Ausnahmefall dar (ebenso im Falle der Gebührenschuld nach § 145 Abs. 3 KostO; BayObLGZ 1979, 93/95). Einer stillschweigenden Be-auftragung des Notars zur Entwurfsfertigung durch die Be-teiligte zu 1 könnte der Umstand entgegenstehen, daß nach den Feststellungen des Landgerichts im Beisein des Notars wiederholt gesagt worden 'ist, der Beteiligten zu 1 dürften keine Kosten entstehen. Nach den Ausführungen des Land-gerichts haben sich diese Äußerungen u.a. auf die Ände-rungswünsche bezogen. Gerade diese waren aber Anlaß für die verschiedenen Entwürfe, die der Notar gefertigt hat. Wenn ein Beteiligter äußert, ihm dürften durch eine be-stimmte notarielle Tätigkeit keine Kosten entstehen, so wird hierdurch nicht allein das Innenverhältnis der Beteiligten an-gesprochen. Nur wenn es zum Vertragsabschluß gekommen und in der Vertragsurkunde die privatrechtliche Kosten-tragungspflicht geregelt ist, stellt sich die Frage, ob damit auch eine Kostenübernahmeerklärung gegenüber dem Notar nach §§ 141, 3 Nr. 2 KostO abgegeben worden ist

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(vgl. BayObLGZ 1973, 298/301; BayObLG JurBüro 1984, 1552 [= MittBayNot 1984, 149]); vgl. auch BayObLGZ 1984, 178/180 [= DNotZ 1985, 567]), dessen Kostenforderung öffentlich-rechtlicher Natur ist (BGH NJW 1988, 65/66). Hier ist aber kein solcher Vertrag beurkundet worden. Es wird entschei-dend darauf ankommen, ob der Notar als Empfänger einer sich aus schlüssigem Verhalten ergebenden Erklärung trotz der wiederholten Äußerungen, der Beteiligten zu 1 dürften keine Kosten entstehen, gleichwohl annehmen konnte, daß ein Auftrag mit der gesetzlichen Kostenfolge erteilt wird (vgl. auch Klein MittRhNotK 1983, 233/237).

(4) Die Gebühr des § 145 Abs. 1 Satz 1 KostO entsteht_ nur, wenn der vom Notar gefertigte Entwurf vollständig und vor-lesungsfähig ist (vgl. BayObLGZ 1979, 93/95). Zur Vorlesung einer Urkunde kommt es vor der Genehmigung und den Unterschriften (§ 13 Abs. 1 BeurkG). In diesem Stadium der Beurkundung müssen sich die Partner eines Vertrages so-wohl über dessen Gestaltung wie auch über dessen Inhalt einig sein. Nach den Feststellungen des Landgerichts sind die vom Notar erstellten Entwürfe in einen Generalvertrag und in Kaufverträge aufgeteilt worden. Das dürfte dem Wil-len der Beteiligten zu 2 entsprochen haben. Die Beteiligte zu 1 trägt vor, gerade die Erstellung eines zweigeteilten Ver-tragssystems zeige, daß die Beteiligte zu 2 Auftraggeberin des Notars gewesen sei; sie, die Beteiligte zu 1, habe eine einheitliche Kaufvertragsurkunde gewollt. Der Notar bringt hierzu noch vor, diese einheitliche Urkunde habe die Betei-ligte zu 1 erst Anfang Juni 1988 verbindlich abgelehnt. Das Landgericht wird erneut zu prüfen haben, ob bei dieser Sachlage auch aus der Sicht der Beteiligten zu 1 die vom Notar gefertigten Entwürfe soweit gediehen waren, daß von vollständigen und vorlesungsfähigen Urkunden gesprochen werden kann. Der Notar trägt zur Vertragsgestaltung vor, die zweckmäßigere Abwicklungslösung sei die Spaltung des ansonsten einheitlichen Geschäfts in Generalvertrag und Kaufverträge gewesen. Damit sollten im Interesse beider Be-teiligter Schwierigkeiten mit den einzelnen Vorkaufsberech-tigten vermieden werden, die bei einer einheitlichen kaufver-traglichen Gestaltung in der Ausübung des Vorkaufsrechts behindert worden wären, weil der Kaufpreis für das einzelne Grundstück nicht genannt worden wäre und sich gesamt-schuldnerische Haftungsfolgen hätten ergeben können. Eine solche Behinderung sei rechtlich unzulässig, da in der Vergangenheit seitens der Beteiligten zu 1 die Erbbaugrund-stücke durch die Bestellung der Einzelerbbaurechte als selb-ständige Grundstücke behandelt worden seien. Der Notar hat bei seiner Urkundstätigkeit nach Erforschung des Wil-lens der Beteiligten und nach Erfüllung seiner Beratungs-und Belehrungspflichten den Text der Urkunde selbst zu for-mulieren. Die Umformung der mündlichen Erklärungen in die schriftliche Urkunde ist das Werk des Notars; er trägt die Verantwortung für den rechtlichen Erfolg des Geschäfts (vgl. KG JurBüro 1981, 745/746; Daimer/Reithmann Die Prüfungs-und Belehrungspflicht des Notars 4. Aufl. Rdnr. 36). Trifft es zu, daß durch die Zweiteilung des Vertragswerkes Benach-teiligungen -von Vorkaufsberechtigten verhindert worden sind, so durfte der Notar nach seinem Ermessen die Zwei-teilung wählen. Dann waren seine Entwürfe vollständig und vorlesungsfähig. Die Beteiligte zu 1 hat aber vermutlich im Juni 1988 einen eigenen einheitlichen Vertragsentwurf vor-gelegt. Diesen wird das Landgericht daraufhin zu über-prüfen haben, ob die einheitliche Vertragsgestaltung die vom Notar aufgezeigten möglichen Benachteiligungen von Vorkaufsberechtigten enthält oder ob diese vermieden

worden sind. Ist letzteres der Fall, so ist jedenfalls im Ver-hältnis des Notars zur Beteiligten zu 1 ein beurkundungs- fähiger Entwurf nicht gegeben.

(5) Nach den Feststellungen des Landgerichts hat die Betei-ligte zu 1 allerdings den Auftrag gegeben, Einzelnachweise für die jeweiligen Grundstücke zu erstellen, die schließlich 100 bis 120 Anlagen zum Kaufvertragsentwurf umfaßten. Wenn hierin eine Auftragserteilung im gebührenrechtlichen Sinne gegeben ist, so haftet die Beteiligte zu 1 trotzdem nicht nach § 145 Abs. 1 Satz 1 KostO für Kosten, wenn es sich insoweit nicht um einen vorlesungsfähigen Entwurf handelt. Es kann die Haftung für Schreibauslagen nach §§ 141, 136 Abs. 1 Nr. 1 KostO in Betracht kommen.

c) Greift hier die Gebührenvorschrift des § 145 Abs. 1 Satz 1 KostG nicht ein, so stellt sich die Frage, ob die Beteiligte zu 1 dem Notar die nach § 145 Abs. 3 KostG berechnete Gebühr und die weiter in Rechnung gestellten Beträge schuldet, weil sie die Entwürfe „erfordert" hat. Das Landgericht hat. eine Gebührenschuld nach § 145 Abs. 3 KostG nicht rechts-fehlerfrei bejaht.

(1) Das Landgericht hat allerdings zutreffend festgestellt, daß die erste Voraussetzung der Anwendung des § 145 Abs. 3 KostG, nämlich der Auftrag an den Notar zur Beurkun-dung (BayObLGZ) 1979, 93/94), gegeben war. Diesen Auftrag hat die Beteiligte zu 2 erteilt. Bei dem beabsichtigten Grund-stückskauf handelte es sich um ein beurkundungsbedürfti-ges Rechtsgeschäft (§ 313 BGB). Es ist weiter nicht zur Beur-kundung gekommen und zwar aus Gründen, die nicht in der Person des Notars gegeben waren. Die Entwürfe sind so-wöhl der Beteiligten zu 1 als auch der Beteiligten zu 2 ausge-händigt worden.

(2) Weiter ist Voraussetzung für das Entstehen einer Gebüh-renschuld nach § 145 Abs. 3 KostG, daß der zur Vorbereitung der Beurkundung gefertigte Entwurf in vorlesungsfähiger Form die wesentlichen Bestandteile des vorgesehenen Geschäfts enthält (BayObLGZ 1979, 93/95; Rohs/Wedewer § 145,Rdnr. 31). Ist dies nicht der Fall, so entsteht keine Ge-bührenpflicht nach der angeführten Vorschrift (Rohs/Wede-wera. a. 0.). Das Landgericht führt zwar aus, die Urkunde sei in vorlesungsfähiger Form erstellt gewesen, ohne dies näher auszuführen. Diese Begründung genügt aber nicht den An-forderungen des § 25 FGG, weil sie dem Rechtsbeschwerde-gericht nicht die Nachprüfung ermöglicht, ob das Land-gericht mit Recht den Entwurf als vollständig angesehen hat (BayObLG a. a. O. S. 94 f.), zumal es den Entwurf nicht erholt hat. Auf die Ausführungen 4 b (4) wird Bezug genommen.

(3) Schließlich läßt die landgerichtliche Entscheidung nicht erkennen, ob der Begriff „Erfordern" richtig angewendet worden ist. Dem Notar muß ein — gegenüber dem Beurkun-dungsauftrag — selbständiger Auftrag zur Aushändigung des Urkundenentwurfs erteilt worden sein (BayObLGZ 1979, 93/95; BayObLG MittBayNot 1983, 196/198; OLG Stuttgart JurBüro 1986, 595/596 [= DNotZ 1986, 761]). Der Auftrag-geber muß aber nicht daneben einen (zusätzlichen) Auftrag zur Beurkundung erteilen (BayObLG a. a. 0.; KG DNotZ 1975, 755/756; OLG Stuttgart JurBüro 1986, 595). Der Auftrag zur Aushändigung kann ausdrücklich oder — wie im Falle des § 145 Abs. 1 Satz 1 KostG — auch stillschweigend durch schlüssiges Verhalten erteilt werden (BayObLGZ 1973, 298/302; 1979, 93/96). Es muß sich dann durch eine schlüs-sige Erklärung der Beteiligten ergeben, daß er sich als Auf-traggeber und Kostenschuldner behandeln lassen will (vgl. OLG Köln JurBüro 1978, 418), wobei der den Entwurf ver-

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langende Beteiligte wissen oder zumindest damit rechnen muß, daß für die Entwurfsaushändigung auch dann von ihm Gebühren verlangt werden können, wenn es nicht zur Beur-kundung kommt (OLG Stuttgart JurBüro 1986, 5951596; Korin-

tenberg § 145 Rdnr. 55). Ob dem Verhalten des Beteiligten ein derartiger Erklärungswert beigemessen werden kann, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles durch Auslegung zu ermitteln. Es kommt dabei maßgebend darauf an, ob das Verhalten des Beteiligten dem Notar als Empfän-

ger der Erklärung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte den Schluß zuläßt, es werde ihm ein Auf-trag mit der gesetzlichen Köstenfolge erteilt (BayObLGZ 1979, 93/96; OLG Köln JurBüro 1978, 418.f.;; OLG Schleswig JurBüro 1984, 171411715; OLG Stuttgart JurBüro 1986, 595/ 596; Göttlich/Mümmler KostG 9. Aufl. S. 401 f.). Eine aus

den Umständen sich ergebende Auftragserteilung bedarf konkreter Anhaltspunkte (BayObLG MittBayNot 1983, 196/ 198). Die bloße Bitte um Aushändigung des Entwurfs, der vom Geschäftsgegner in Auftrag gegeben worden ist, muß nicht für eine Auftragserteilung sprechen (BayObLG a. a. 0.; KG DNotZ 1974, 305; OLG Köln JurBüro 1978, 418/419). Für die Annahme einer Auftragerteilung reicht es auch allein nicht aus, daß der als Kostenschuldner in Anspruch genom-mene Beteiligte an den Verhandlungen beim Notar beteiligt war (OLG Hamm Rpfleger 1974, 332; OLG Köln JurBüro 1978, 418/419). Dies gilt selbst dann, wenn er einen intensiven Ein-fluß auf den Inhalt des geplanten Geschäfts genommen hat (OLG Köln a. a. 0.). Auch ein allein festgestelltes Interesse, den Entwurf kennenzulernen, rechtfertigt die Annahme einer stillschweigenden Auftragserteilung nicht (OLG Köln a. a. 0.). Die Erklärung des Geschäftsgegners, der den Be-

urkundungsauftrag nicht erteilt hat, an den Notar, er lege Wert darauf, daß er den Entwurf in der Hand habe, kann eine stillschweigende Auftragserteilung belegen (KG DNotZ 1974, 305/307). Dies muß jedoch nicht immer der Fall sein. Bei der geplanten Auslegung ist zu bedenken: Das Gesetz geht von der Identität des Auftraggebers der Beurkundung und desjenigen aus, der die Aushändigung des Entwurfs er-fordert. Das ergibt sich insbesondere daraus, daß nach § 145 Abs. 3 Satz 2 KostG „daneben" die in § 57 und in § 130 Abs. 2 KostG bestimmten Gebühren nicht erhoben werden; Schuld-ner dieser Gebühren ist aber stets der Auftraggeber der Beurkundung (BayObLGZ 1979, 93/95).

Das vom Landgericht angeführte eigene Interesse der Betei-ligten zu 1 an der Vertragsgestaltung ist kein. Anhaltspunkt für eine schlüssige Auftragserteilung. Es ist naturgemäß, daß jeder Interessent eines Vertrages an dessen Gestaltung mitwirkt; es ist — wenn der Vertrag zustande kommt — schließlich auch „sein" Vertrag. Das Landgericht hat auch nicht rechtsfehlerfrei den Umstand gewürdigt, daß vor dem Notar erklärt worden ist, der Beteiligten zu 1 dürften durch die Einschaltung des Notars keine Kosten entstehen. Auf die Ausführungen 4 b (3) wird Bezug genommen.

5. Nach alledem war die landgerichtliche Entscheidung aufzuheben.

22. KapErhG § 20; KostO §§ 27, 44 Abs. 1, § 47 (Zur Anwen-dung von § 44 KostO auf Gesellschafterbeschlüsse)

Beurkundet ein Notar die Zustimmungsbeschlüsse der Gesellschafter der an einer Verschmelzung beteiligten Gesellschaften in einer Urkunde, so sind die Beschlüsse gegenstandsgleich. Der Notar darf die Gebühr des § 47 KostG nur einmal in Ansatz bringen.

BayObLG, Beschluß vom 21.9.1989 - BReg. 3Z 111/89 — mitgeteilt von Johann Demharter, Richter am BayObLG

Aus dem Tatbestand.

1. Der beteiligte Notar beurkundete einen Verschmelzungsvertrag. Die Firma A-GmbH übertrug ihr Vermögen unter Ausschluß der Abwicklung nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KapErhG auf die Beteiligte, die damals die Firma B-GmbH führte.

Alleinige Gesellschafterin der an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften war die Firma C-GmbH.

In der Nummer IV der Niederschrift beurkundete der Notar eine Gesellschafterversammlung der Beteiligten. Der Geschäftsführer der Alleingesellschafterin stimmte dem Verschmelzungsvertrag zu. Weiter wurde eine Satzungsänderung beschlossen, wonach die Firma der Gesellschaft nunmehr D-GmbH lautet und der Sitz der Gesellschaft X ist.

In der Nummer V beurkundete der Notar eine Gesellschafterver-sammlung der Firma A-GmbH. Der Geschäftsführer der Alleingesell-schafterin stimmte dem Verschmelzungsvertrag und der Verwendung von Bestandteilen der Firma A-GmbH in der neu gebildeten Firma der aufnehmenden Gesellschaft zu.

Nach der Nummer VI trägt die Kosten der Beurkundung und ihres Vollzugs die Beteiligte.

2. Der Notar erteilte der Beteiligten am 18.6.1986 folgende

Kostenberechnung

Wert: 3.586.788,02 DM - Verschmelzungsvertrag § 36 Abs. 2 KostG

DM 10.920,— Zustimmungsbeschluß der D-GmbH § 47 KostG

DM 10.000,— Zustimmungsbeschluß der B-GmbH § 47 KostG

DM 10.000,— Vertretungsfeststellungen (3 mal) § 150

DM 30,— Schreibauslagen §§ 136, 152

DM 34,— Sonstige Auslagen §§ 137, 152

DM 8,—

Summe DM 30.992,— 14% Umsatzsteuer DM 4.338,88

Gesamtsumme

DM 35.330,88

3. Die Prüfungsabteilung der Notarkasse machte Bedenken gegen den zweimaligen Ansatz der Höchstgebühr nach § 47 KostG geltend. Es sei zwar kostenrechtlicher Grundsatz, daß bei Zusammenbeur-kundung von Beschlüssen verschiedener Gesellschaften in einer Ur-kunde getrennte Gebühren nach § 47 KostG zu erheben seien. Dieser Grundsatz erfahre aber eine Ausnahme dann, wenn es sich um Be-schlüsse zu einem einheitlichen Rechtsvorgang handle, so z. B. bei Genehmigung von Verschmelzungen durch die beteiligten Gesell-schaften. Hier sei die Zusammenbeurkundung aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen zu rechtfertigen mit der Folge, daß § 44 KostG anwendbar sei.

Der Notar konnte sich dieser Auffassung nicht anschließen. § 44 KostG erfasse nur den Fall, daß Erklärungen nach den §§ 36 bis 38, 42 und 43 KostO beurkundet worden seien. Die Beurkundung von Ge-sellschafterbeschlüssen sei nach § 47 KostG zu bewerten. Es sei nicht ersichtlich, aus welchem Grund hier vom allgemein anerkann-ten Anwendungsbereich des § 44 KostG abgegangen werden solle.

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Der Präsident des Landgerichts wies den Notar an, die Entscheidung des Landgerichts zur Klärung der zwischen der Notarkasse und dem Notar bestehenden unterschiedlichen kostenrechtlichen Auffassun-gen herbeizuführen.

4. Der Notar beantragte aufgrund dieser Weisung die Entscheidung des Landgerichts. Das Landgericht entschied, der Notar hätte nur einmal den Höchstsatz von 10.000 DM nach § 47 KostO ansetzen dürfen; es ließ die weitere Beschwerde zu.

Aus den Gründen:

1. Die aufgrund Anweisung der vorgesetzen Dienstbehörde

vom Notar eingelegte weitere Beschwerde (§ 156 Abs. 5 Satz 1 KostO) ist statthaft, weil sie das Landgericht zugelas-

sen hat (§ 156 Abs. 2 Satz 2 KostO). Das Rechtsmittel ist frist- und formgerecht eingelegt worden (§ 156 Abs. 2 Satz 1,

Abs. 4 Satz 1 KostO). Es ist somit zulässig.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält einer rechtlichen Nachprüfung (§ 156 Abs. 2 Satz 4 KostO, § 550 ZPO) stand, soweit die Auffassung vertreten worden ist, der Notar könne

für die Beurkundung der beiden Zustimmungsbeschlüsse

zum Verschmelzungsvertrag nur einmal die Höchstgebühr nach §§ 141, 47 KostO in Ansatz bringen. Das Landgericht

hätte aber selbst eine berichtigte Kostenberechnung erstel-len müssen.

a) Obwohl der Notar den von zwei Gesellschaften abge-schlossenen Verschmelzungsvertrag beurkundet hat, ist

vom Landgericht zutreffend nur die aufnehmende Gesell-schaft, die jetzige Firma D-GmbH, am Verfahren beteiligt worden. Eine Beteiligung der Alleingesellschafterin der bei-den an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften kam

nicht in Betracht.

Entscheidungen im Notarkostenbeschwerdeverfahren nach § 156 KostO wirken — ebenso wie solche nach § 14 KostO — nach herrschender Ansicht ihrer Natur nach für und gegen

alle Kostenschuldner (BayObLGZ 1989, 256/263). Zum Zeit-punkt der Beurkundung waren Kostenschuldner die ver-

tragsschließenden Gesellschaften, nämlich die Beteiligte und die Firma A-GmbH. Mit der inzwischen vorgenommenen

Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister des Sitzes der übertragenden Gesellschaft ist das Vermögen dieser Gesellschaft einschließlich der Verbindlichkeiten auf

die übernehmende Gesellschaft übergegangen (§ 25 Abs. 2

Satz 1 KapErhG). Schuldnerin der Notarkosten ist somit nur noch die Beteiligte als aufnehmende Gesellschaft. Die

Alleingesellschafterin der beiden an der Verschmelzung be-teiligten Gesellschaften ist nicht Kostenschuldnerin gewor-

den, obwohl der Notar deren Zustimmungsbeschlüsse beur-kundet hat. Sie hat hierbei jeweils das Organ Gesellschafter-

versammlung der sich verschmelzenden Gesellschaften mit

beschränkter Haftung gebildet (vgl. §48 Abs. 1 und 3

GmbHG). Diese sind als juristische Personen (§ 13 Abs. 1 GmbHG) handlungsunfähig; für sie handeln als Organe die

Geschäftsführer (§ 35 Abs. 1 GmbHG) und die Gesellschaf-

terversammlung. Entstehen durch ein Organhandeln Ver-

bindlichkeiten, so treffen diese grundsätzlich die Gesell-schaft selbst. Nimmt z. B. der Geschäftsführer eine Anmel-

dung zum Handelsregister vor, so verpflichtet er sich kosten-rechtlich nicht selbst, sondern nach § 2 Nr. 1 KostG die Ge-

sellschaft (vgl. BayObLG Beschluß vom 4.12.1986 — BReg.

3 Z 121/86, in BayObLGZ 1986, 496 insoweit nicht abge-druckt; KGJ 34 B 9; OLG Düsseldorf GmbHR 1955, 61;

Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann KostG 11. Aufl. — nachfolgend: Korintenberg — § 2 Rdnr. 27). Die Kosten für

die Beurkundung der Zustimmungsbeschlüsse schuldete somit nicht die Alleingesellschafterin. Es hafteten vielmehr

im Zeitpunkt der Beurkundung die an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften und es haftet nunmehr die Betei-

ligte allein.

b) Im Regelfall wird das Notarkostenbeschwerdeverfahren aufgrund einer Beanstandung der Kostenberechnung durch

den Kostenschuldner eingeleitet. Die Beanstandung bildet

dann den Gegenstand der Entscheidung im Verfahren nach

§ 156 KostO (BayObLGZ 1987, 341 f. [= MittBayNot 1987, 274]). Wird — wie hier — Weisungsbeschwerde eingelegt, so ist allein die Beanstandung der Kostenberechnung, die zur Weisung geführt hat, die gerichtliche Entscheidung her-

beizuführen, der Gegenstand, welcher die Entscheidungs-befugnis des Gerichts bestimmt, aber auch eingrenzt

(BayObLGZ 1986, 229/234 [= MittBayNot 1986, 212]). Was nicht beanstandet worden ist, darf nicht nachgeprüft werden (BayObLG JurBüro 1989, 227). Dies gilt auch im Rechtsbeschwerdeverfahren. .

Das Anweisungsschreiben des Präsidenten des Landge-

richts nimmt auf den Bewertungsfall Nr. 25 des Prüfungs-berichts der Notarkasse vom 5.3.1987 Bezug. Darin wird aus-geführt, daß Bedenken gegen den zweimaligen Ansatz der

Höchstgebühr nach § 47 KostO von je 10.000"DM bestünden, weil es sich bei der Beurkundung der Genehmigung von

Verschmelzungen durch die beteiligten Gesellschaften

um einen einheitlichen Vorgang im Sinne des § 44 KostO handle. Gegenstand des Notarkostenbeschwerdeverfahrens, ist somit allein die Frage, ob der Notar zwei Höchstgebühren nach § 47 KostO in Ansatz bringen durfte oder

nur eine.

c) § 27 Abs.`2 Satz 1 KostO bestimmt: „Werden in einer

Verhandlung mehrere Beschlüsse beurkundet, so gilt § 44 KostG entsprechend" Der Notar versteht diese Vorschrift da-

hin, daß die mehreren in einer Verhandlung beurkundeten Beschlüsse solche sein müßten, die von ein und derselben

Gesellschafterversammlung gefaßt worden seien. Handle es

sich aber um Beschlüsse von verschiedenen Gesellschafter-versammlungen, so sei die angeführte Vorschrift und damit auch § 44 KostG nicht anwendbar.

Der Auffassung des Notars kann nicht gefolgt werden.

(1) Die Kostenvorschrift des § 27 Abs. 2 Satz 1 KostG ist in

Anlehnung an Vorläuferregelungen in preußischen Gerichts-kostengesetzen und in der Reichskostenordnung geschaf-fen worden. Die früheren Vorschriften sind somit zum Ver-

ständnis des § 27 Abs. 2 Satz 1 KostG vergleichend heran-zuziehen.

§ 48 Abs. 3 Satz 1 PrGKG vom 25.7.1910 (PrGS S. 184/200) und § 46 Abs. 3 Satz 1 PrGKG vom 28.10.1922 (PrGS S. 363/377) enthielten die folgende übereinstimmende Regelung: „Wer-

den gleichzeitig mehrere Beschlüsse beurkundet, für deren Gegenstände ein bestimmter Geldbetrag nicht erhellt, so ist

für alle Beschlüsse zusammen nur ein Wertbetrag nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmungen in Ansatz zu

bringen" In der Begründung zu § 48 Abs. 3 PrGKG 1910 ist ausgeführt worden, gegenüber dem bisherigen Rechtszu-stand habe die Vorschrift eine erweiterte Fassung dahin er-

halten, daß sie „in allen Fällen, in denen mehrere Beschlüs-

se in einer Urkunde vereinigt seien, nur einen einmaligen Gebührensatz zulasse" (vgl. KG KGJ 42 B 302/

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306 f.). Aus der Gesetzesfassung hat das Kammergericht den Grundsatz abgeleitet, daß jede Urkunde gebührenrecht-lich als einheitliche Leistung zu behandeln sei, möge sie auch Erklärungen Ober verschiedene Gegenstände oder solche verschiedener Personen in sich zusammenfassen. Bei der Zusammenbeurkundung von Beschlüssen gelte der Satz „eine Urkunde = eine Gebühr." Die Gebühr des § 48 Abs. 3 Satz 1 PrGKG sei z. B. auch dann nur einmal zu erheben, wenn die mehreren gleichzeitig beurkundeten Beschlüsse von verschiedenen Organen einer juristischen Person gefaßt worden seien (KG Recht 1911, 268; KG KGJ 42 B 302; vgl. auch KG JurRdsch 1927 Nr. 538).

Die am 1.4.1936 in Kraft getretene Reichskostenordnung be-stimmte in § 41 Abs. 2 Satz 2 RKostO: „Werden in derselben Verhandlung mehrere Beschlüsse dieser Art beurkundet, so werden sie für die Gebührenberechnung als eine Einheit angesehen." Diese Vorschrift ist in Anlehnung an die an-geführten Vorschriften der preußischen Gerichtskosten-gesetze geschaffen worden .(OLG München DNotZ 1939, 278/279). Mit dem Ausdruck „in derselben Verhandlung" ist die Beurkundung „in einer Urkunde" angesehen worden. Es ist auch im Geltungsbereich des § 41 Abs. 2 Satz 2 RKostO in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten worden, es könne nur eine Gebühr berechnet werden, wenn in einer Nie-derschrift die Beschlüsse zweier Organe einer Aktiengesell-schaft beurkundet worden seien (OLG München a. a. 0.). In der Literatur ist dieser Meinung zugestimmt worden. Da der Grundsatz gelte, „eine Urkunde = eine Gebühr", sei es unerheblich, ob die mehreren Beschlüsse, die in eine Urkunde aufgenommen worden seien, von verschiedenen Organen derselben juristischen Person oder von Organen verschiedener juristischer Personen gefaßt worden seien (Jonas/Melsheimer/Hornig/Stemmler RKostO 4. Aufl. § 41 Anm. VI 2; Beushausen Das Deutsche Notariatskostenrecht 3. Aufl. S. 658 f.; Küntzel/Kersten KostO § 41 Anm. 16; Künt-zel DNotZ 1937,623/625). Handle es sich um Versammlungen verschiedener Gesellschaften, so werde die Aufnahme einer einheitlichen Niederschrift grundsätzlich abzulehnen sein; dies gelte aber dann nicht, wenn ein einheitlicher Vorgang gegeben sei, wie dies etwa bei der Genehmigung der Ver-schmelzung mehrerer Gesellschaften mit einer dritten der Fall sei (Jonas/Me/sheimer/Hornig/Stemm/er, Küntze// Kersten a. a. 0.; Beushausen a. a. O. S. 659). Küntzel (DNotZ 1937, 623/625) führte weiter aus, dieses Ergebnis sei unbe-friedigend. Aus seiner Tätigkeit als Notarrevisor sei ihm be-kannt, daß insbesondere gemeinsame Beurkundungen von Generalversammlungen von Tochtergesellschaften vorge-nommen worden seien; es sei nicht auszuschließen, daß von Gesellschaften ein Druck auf die Notare ausgeübt werden könnte, durch einheitliche Protokollierung die Gebühren für voneinander unabhängige Beschlußfassungen erheblich herabzusetzen. Dem § 41 RKostO solle ein Zusatz hinzuge-fügt werden, wonach bei Beschlußfassungen verschiedener Organe derselben juristischen Person und bei Beschluß-fassungen von Organen mehrerer juristischer Personen die Gebühren auch dann getrennt zu berechnen seien, wenn diese Beschlußfassungen in eine Verhandlung aufgenom-men worden seien.

(2) Die am 1.10.1957 in Kraft getretene Kostenordnung 1957 hat zu einer Trennung des Gebührensatzes (Regelung in § 47 KostG) und des Geschäftswertes (Regelung in § 27 KostG) geführt (Ackermann JurBüro 1975, 443). Hinsichtlich des Ge-

schäftswertes bestimmt § 27 Abs. 2 Satz 1 KostO — wie in den Vorgängervorschriften - -, daß zum einen die Beurkun-dung mehrerer Beschlüsse in einer Verhandlung maßge-bend ist. Nach früherer Rechtsauffassung war lediglich die Zusammenbeurkundung der mehreren Beschlüsse ent-scheidend; auf einen inneren Zusammenhang und damit auf einen einheitlichen Vorgang kam es nicht an (vgl. KG KGJ 42 B 302/307; Küntzel DNotZ 1937, 623/625). Nunmehr ist in § 27 Abs. 2 Satz 1 KostO zum anderen angeordnet worden, daß bei der Beurkundung mehrerer Beschlüsse in einer Ver-handlung § 44 KostO entsprechend anzuwenden ist. Dies be-deutet: Sind die mehreren Beschlüsse im Sinne des § 44 Abs. 1 KostO gegenstandsgleich, so kommt nur ein Ge-schäftswert und eine Gebühr nach § 47 KostO in Betracht. Haben die Beschlüsse dagegen einen verschiedenen Ge-genstand, so ist der Geschäftswert eines jeden Beschlusses gesondert zu ermitteln; die einzelnen Werte sind dann ent-sprechend § 44 Abs. 2 KostO zusammenzurechnen (Rohs/Wedewer KostO 3. Aufl. § 27 Rdnr. 40). Es kommt aber — wie nach der früheren Rechtslage — nicht mehr darauf an, ob die Beschlüsse von ein und demselben Organ einer Vereinigung oder von den Organen verschiedener Ver-einigungen gefaßt und dann protokolliert worden sind (Beus-hausen/Küntzel/Kersten/Bühfing KostO 5. Aufl. §27 Anm.7e; Göttlich/Mümmler KostO 9. Aufl. S. 218 f.; Korintenberg § 47 Rdnrn. 61 f.).

(3) Aus der urkundsrechtlichen Behandlung des Verschmel-zungsvertrages und der Zustimmungsbeschfüsse können hier — entgegen der Auffassung des Notars — keine Folge-rungen hergeleitet werden. Es ist richtig, daß der Notar beim Verschmelzungsvertrag Willenserklärungen im Sinne der §§ 6 ff. BeurkG und bei Beschlüssen die Tatsache der Beschlußfassung nach den §§ 36 ff. BeurkG beurkundet (vgl. BayObLGZ 1982, 467/471 f. [= MittBayNot 1983, 29 = DNotZ 1983, 252]; KG DNotZ 1943, 192/193). Es kommt hier aber nicht darauf an, ob die Willenserklärungen und die Zu-stimmungsbeschlüsse gegenstandsgleich im Sinne des § 44 Abs. 1 KostO sind (was allgemein verneint wird, vgl. z. B. BayObLGZ 1980, 317/321 [= MittBayNot 1981, 44 = DNotZ 1981, 317]; Rohs/Wedewer § 27 KostO Rdnr. 44), sondern dar-auf, ob die mehreren Beschlüsse, die beurkundet worden sind, denselben Gegenstand betreffen. Durch § 27 Abs. 2 Satz 1 KostO ist nur für die mehreren Beschlüsse, die gleich-zeitig gefaßt und beurkundet worden sind, §44 KostO für entsprechend anwendbar erklärt worden (Beushausen/ Küntzel/Kersten/Bühling § 27 Anm. 7).

c) Die in der Nummer IV und V der Niederschrift vom 18.6.1986 beurkundeten Beschlüsse haben denselben Gegenstand im Sinne des § 44 Abs. 1 KostO. ,

Der Verschmelzungsvertrag (§ 21 KapErhG) wird zwar von den Geschäftsführern der beteiligten Gesellschaften abge-schlossen. Voraussetzung für seine Wirksamkeit ist aber, daß die Gesellschafter jeder der beteiligten Gesellschaften dem Verschmelzungsvertrag zustimmen (§ 20 Abs. 1 KapErhG). Die nach § 35 Abs. 1 GmbHG statuierte Vertre-tungsmacht des Geschäftsführers einer,GmbH ist nach § 37 Abs. 2 Satz 1 GmbHG weder durch die Satzung noch durch den Gesellschaftsvertrag noch durch den Anstellungsver-trag oder auf sonstige Weise beschränkbar (Baumbach/ Hueck/Zö//ner GmbHG 15. Aufl. § 37 Rdnr. 20). Die Regelung in § 20 Abs. 1 KapErhG ist eine gesetzlich angeordnete Beschränkung der an sich unbeschränkbaren Vertretungs-

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macht des Geschäftsführers (Scholz/Priester GmbHG 7. Aufl. Anh. Umw. § 20 KapErhG Rdnr. 1). Die Zustimmungs-beschlüsse bewirken, daß der zunächst schwebend unwirk-same Verschmelzungsvertrag voll wirksam wird. Willens-erklärungen sind gegenstandsgleich, wenn sie der Begrün-dung oder Erfüllung ein und desselben Rechtsverhältnisses dienen (BayObLGZ 1986, 235/238 [= MittBayNot 1986, 209 = DNotZ 1987, 170]). Deshalb sind Genehmigungen oder Zu-stimmungen zu Rechtsgeschäften mit diesen gegenstands-gleich (vgl. z. B. Hartmann Kostengesetze 22. Aufl. § 44 KostG Anm. 2 B a). Gleiches gilt aber _auch für Organ-beschlüsse, wenn diese die Wirksamkeit eines Rechts-geschäfts herbeiführen. Es ist deshalb der herrschenden Auffassung in der Kostenrechtsliteratur zuzustimmen, daß Zustimmungsbeschlüsse zu Verschmelzungsverträgen den-selben Gegenstand entsprechend § 44 Abs. 1 KostG haben (Göttlich/Mümmler § 218 f.; Korintenberg § 47 Rdnr. 62). Die Gebühr des § 47 KostG darf deshalb nur einmal in Ansatz ge-bracht werden.

3. Die weitere Beschwerde des Notars hat somit in der Sache keinen Erfolg. Sie war als unbegründet zurückzuweisen, so-weit sie sich gegen die Nummer 1 der landgerichtlichen Ent-scheidung wendet.

4. Das Landgericht hätte aber nach der Aufhebung der Kostenberechnung des Notars die Kosten selbst berechnen' müssen.

Mit der Anrufung des Ländgerichts tritt dieses bei der Kostenberechnung an die Stelle des Notars. Es hat dann dessen Befugnisse und muß eine berichtigte Kostenberech-nung grundsätzlich selbst erstellen (BayObLGZ 1961, 54; Korintenberg § 156 Rdnr. 65). Ein Ausnahmefall ist hier nicht ersichtlich.

Die vom Landgericht unterlassene Kostenberechnung hat der. Senat nachzuholen, wobei zu berücksichtigen war, daß Schreibauslagen und sonstige Auslagen außer Streit stehen.

Es ergibt sich folgende

Kostenberechnung

Wert: 3.586.788,02 DM

Gebühr für die Beurkundung des Verschmelzungsvertrages § 36 Abs. 2 KostG DM 10.920,

Gebühr für die Beurkundung der Zustimmungsbeschlüsse der Alleingesellschafterin der Firma D-GmbH und der Firma B-GmbH § 27 Abs. 2 Satz 1, §§ 44, 47 KostG DM 10.000,-

Vertretungsfeststellungen (3 mal) § 150 KostG DM 30,-

Schreibauslagen §§ 136, 152 KostG DM 34,-

Sonstige Auslagen §§ 137, 152 KostG DM 8,-

Summe DM 20.992,- 14% Umsatzsteuer DM 2.938,88

Gesamtsumme DM 23.930,88

E.

Steuerrecht

22. EStG 1977 § 10 Abs. 1 Nr. 1 (Grabpflegeaufwendungen als dauernde Last)

Vom Erben aufgrund testamentarischer Anordnung erbrach-te Grabpflegeaufwendungnen können jedenfalls solange nicht als dauernde Last abgezogen werden, als sie den Wert des Nachlasses nicht übersteigen (Fortführung des BFH-Urteils vom 23.11.1967 IV R 143167, BFHE 91, 149, BStBl II 1968, 259)

BFH, Urteil vom 4.4.1989 - X R 14/85 - BStBl 11 1989, 779

Aus dem Tatbestand:

Die Kläger wurden für das Streitjahr 1977 zusammen zur Einkommen-steuer veranlagt. Sie erklärten u.a. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus zwei Einfamilienhäusern, die die Klägerin 1972 von ihrer Mutter geerbt hatte. Gleichzeitig begehrten sie den Abzug von Grabpflegeaufwendungen als Sonderausgaben. Die Verpflichtung zur Grabpflege für die Dauer der Grabnutzung beruhte auf einer Auf-lage im Testament der Mutter der Klägerin. Das Finanzamt (FA) ließ die geltend gemachten Grabpflegeaufwendungen nicht zum Abzug zu, weil eine dauernde Last nach dem Urteil des BFH vom 23.11.1967 IV R 143/67 (BFHE 91, 149, BStBl 111968,259) einen Berechtigten vor-aussetze.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Das FA beantragte in der Revision das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Aus den Gründen:

Die Revision ist begründet. Zu Unrecht hat das FG die Grab-pflegeaufwendungen als Sonderausgaben angesehen.

1. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind als Sonderausgaben ab-ziehbar auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veran-lagung außer Betracht bleiben. Der IV. Senat des BFH hat in dem Urteil in BFHE 91, 149, BStBl 111968,259 den Abzug der Grabpflegeaufwendungen abgelehnt, weil eine dauernde Last ebenso wie die Rente einen Berechtigten voraussetze, dem die Leistungen zufließen. Diese Begriffsbestimmung der dauernden Last stimmt mit der ständigen Rechtspre-chung des BFH überein, der dauernde Lasten definiert als wiederkehrende Aufwendungen, die ein Steuerpflichtiger aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung für längere Zeit einem anderen gegenüber in Geld- oder Sachleistungen zu erbringen hat und die nicht mit bestimmten Einkünften im Sinne des Einkommensteuerrechts zusammenhängen (z.B. Urteile in BFHE 75, 96, BStBl III 1962, 304; vom 30.10.1984 IX R 2/84, BFHE 143, 317, BStBl 11 1985, 610 [= MittBayNot 1985, 2] und vom 28.1.1986 IX R 12/80, BFHE 146, 68, BStBl 11 1986, 348 [= MittBayNot 1986, 148]).

Die Auffassung, eine dauernde Last setze einen Berechtig-ten voraus, ist im Schrifttum und in der Rechtsprechung der FG auf Widerspruch gestoßen (z.B. FG Berlin, Urteil vom 15.7.1971 V 176/71, Entscheidungen der Finanzgerichte [EFG] 1972, 16; Söhn in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuer-gesetz, Kommentar, § 10 Anm. D 91, 92; Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 10 EStG Anm. 42; Fichte/mann in Frotscher, Kommentar zum Ein-kommensteuergesetz, § 10 Anm. 27; Schmidt/Heinicke, Ein-kommensteuergesetz, Kommentar, 7. Aufl., § 10 Anm. 12, Stichwort: ,,Grabpflegekosten"; Jansen/Wrede, Renten, Raten, dauernde Lasten, 9. Aufl., Anm. 86; Blencke, Finanz-

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Finanz-Rundschau [1972], 217; Bruschke, FR 1983, 166). Auch der Senat hat hinsichtlich des Merkmals „Berechtigter" Zweifel an der bisherigen Definition der dauernden Last durch die Rechtsprechung.

a) Aus der Entstehungsgeschichte ergeben sich keine An-haltspunkte dafür, daß dauernde Lasten wie die Renten einem Berechtigten zufließen müssen.

Die „dauernde Last" ist erstmals in § 9 Abs. 1 des Preußi-schen EStG 1891 neben Renten unter den abziehbaren Auf-wendungen aufgeführt. In der Begründung des Gesetzesent-wurfs wird dazu lediglich erläutert, daß „die Natur der Ein-kommensteuer als eine nach der allgemeinen steuerlichen Leistungsfähigkeit des Pflichtigen bemessene Steuer, . . die Beschränkung der Besteuerung auf das reine Einkommen" bedinge (Begründung zu § 9 des Preußischen EStG 1891, An-lagen zu den stenographischen Berichten über die Verhand-lungen des. Hauses der Abgeordneten, Bd. 1 S. 201 ff., 213). Diesen Katalog der abziehbaren persönlichen Aufwendun-gen haben § 8 Abs. 2 des Preußischen EStG 1906 (PrGS 1906, 241), § 13 EStG vom 29.3.1920 (RGBI 1920,..359) und § 15 Abs. 1 EStG vom 10.8.1925 (RGBI 1925, 189), soweit Renten und dauernde Lasten betroffen sind, unverändert übernom-men. Nach der amtlichen Begründung zum EStG 1925 soll-ten sie „wie im bisherigen Recht abgezogen werden" (RTDrucks Nr. 293, 37; vgl. hierzu auch Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz vom 10.8.1925, 1927, § 15 Anm. 2). § 10 EStG 1934 (RGBI 1 1934, 1005) bezeichnet die Gruppe von abziehbaren Ausgaben, zu denen Renten und dauernde Lasten gehören, erstmals als Sonderausgaben, ohne daß sich aus der Begründung Anhaltspunkte für eine andere Rechtfertigung der Abziehbarkeit erkennen lassen. Aus späteren Änderungen ergibt sich jedenfalls für die dauernden Lasten nichts anderes.

b) Auch aus einem sog. Korrespondenzprinzip ergibt sich das Erfordernis eines Berechtigten nicht. Ein allgemeiner Grundsatz, daß beim Geber Aufwendungen nur abgezogen werden dürfen, wenn sie beim Empfänger besteuert werden können, ist im EStG nicht verankert (für viele Kirchhof in Kirchhof/Söhn, a. a. 0., § 2 Anm. A 189; Söhn, Steuer und Wirtschaft [StuW] 1985, 395, 406; Lang, Die Bemessungs-grundlage der Einkommensteuer, S. 80 bis 86; Tipke, Steuer-recht, 11. Aufl. 1987, 163,; derselbe in StuW 1980, 1, 8; Herr-mann/Heuer/Raupach, a. a. 0., § 2 EStG Anm. 29 a; Stuhr-mann in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaft-steuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 13. Aufl., § 22 EStG Anm. 47; Weiter, Wiederkehrende Leistungen im Zivil- und Steuerrecht, 1984, 221 f.; Charlier, Steuerberater-Jahrbuch [StbJb] 1966/1967, 279, 288; vgl. z.B. BFH-Urteile vom 27.9.1973 VIII: R 71/69, BFHE 111, 33, BStBI 11 1974, 101; vom 13.12.1973 1 R 136/72, BFHE 111, 108, BStBI 11 1974, 210).

Auch beschränkt auf wiederkehrende Leistungen läßt sich ein solches Korrespondenzprinzip nicht aus der Ausnahme-regelung des § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG herleiten. Danach hat zwar .der Empfänger wiederkehrende Bezüge nicht zu ver-steuern, wenn sie freiwillig oder aufgrund einer freiwilligen begründeten Rechtspflicht oder einer gesetzlich unterhalts-berechtigten Person gewährt werden. Insoweit korrespon-diert § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG mit § 12 Nr. 2 EStG, wonach der Geber die entsprechenden Leistungen nicht von seiner Be-messungsgrundlage abziehen darf. Dieser Ausnahmetatbe-stand, der unentgeltliche und von der Erbschaft- bzw. Schen-kungsteuer erfaßte Zuwendungen betrifft, läßt sich nicht verallgemeinern (Tipke, a. a. 0., S. 163; derselbe in StuW

1980, 1, 8; Fischer in Kirchhof/Söhn, a. a. 0., § 22 Anm. A 36, 38. und B 750; Stephan in Littmann/Bitz/Meincke, Das Ein-kommensteuerrecht, 15. Aufl., '§ 22 EStG Anm. 18; Söhn, StuW 1985, 395, 406; Weiter, a. a. 0., S. 221 f.).

c) Im Streitfall kann jedoch dahinstehen, ob eine dauernde Last einen Berechtigten voraussetzt, weil die Grabpflegeauf-wendungen aus anderen Gründen nicht als dauernde Last zu beurteilen sind.

2. Die Grabpflegeaufwendungen sind nicht als dauernde Last abziehbar, weil die Klägerin durch sie wirtschaftlich nicht belastet ist.

a) § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG setzt für den Abzug von Sonder-ausgaben Aufwendungen voraus. Aus der Verwendung des Wortes „Aufwendungen" und aus dem Zweck der Regelung des § 10 EStG, bestimmte, die wirtschaftliche Leistungs-fähigkeit des Steuerpflichtigen mindernde Privatausgaben vom generellen Abzugsverbot des § 12 EStG auszunehmen, hat die Rechtsprechung des BFH gefolgert, daß Vorausset-zung für den Abzug von Sonderausgaben stets eine wirt-schaftliche Belastung des Steuerpflichtigen ist (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteile vom 16.9.1965 IV 67/61 S, BFHE 83, 568, BStBl III 1965, 706; vom 20.2.1976 VI R 131/74, BFHE 118, 331, m. w. N.; vom 13.8.1985 IX R 10/80, BFHE 144, 423, BStBl 11 1985, 709 [= MittBayNot 1986, 46]; vom 24.9.1985 IX R 2/80, BFHE 145, 507, BStBI 11 1986; 284 [= MittBayNot 1986, 41] vgl. auch Söhn in Kirchhof/Söhn, a. a. 0., § 10 Anm. A 17 f., B 12; Herrmann/Heuer/Raupacht a. a. 0., § 10 EStG Anm. 33; SchmidtlHeinicke, a. a. 0., § 10 Anm. 3 b). Das gilt vor allem für dauernde Lasten, die im Preußischen EStG 1891 neben wiederkehrenden Leistungen als persönliche Ab-zugsbeträge zum Abzug zugelassen worden sind, weil sie die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mindern (Be-gründung zu §.9 des Preußischen EStG 1891, a. a. 0., S. 221). Eine wirtschaftliche Belastung liegt nicht vor, solange die Aufwendungen aus einer hierfür empfangenen Gegenlei-stung erbracht werden können. Das Bundesverfassungsge-richt hat im Beschluß vom 18.2.1988 1 BvR 930/86 (Steuer-rechtsprechung in Karteiform [StRK], Einkommensteuerge-setz 1975, § 10 Abs. 1 Nr. 1 a, Rechtsspruch 10 a) ausdrück-lich bestätigt, daß die Wertverrechnung dem - aus dem Prinzip der Steuergerechtigkeit zu entnehmenden - Gebot entspricht, die Besteuerung grundsätzlich an der wirtschaft-lichen Leistungsfähigkeit auszurichten.

b) Die Rechtsprechung hat allerdings eine Ausnahme vom Grundsatz der Verrechnung von Leistungen mit damit zu-sammenhängenden Gegenleistugnen gemacht bei Betriebs-und Vermögensübertragungen im Wege vorweggenomme-ner Erbfolge wie etwa bei Altenteilslasten und ihnen gleich-stehenden Versorgungsleistungen, die im Zusammenhang mit Betriebs- und Vermögensübertragungen vorbehalten wurden. In dem grundlegenden Urteil in BFHE 83, 568, BStBl III 1965, 706 ist die Einschränkung damit begründet worden, daß nach der Entstehungsgeschichte des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG in der Fassung des:-Gesetzes zur Neuordnung von Steuern vom 16.12.1954 solche Lasten in der Regel grund-sätzlich abgezogen werden sollten. Nach den parlamentari-schen Beratungen war besonders bei Altenteilslasten um-stritten, ob sie als Betriebsausgaben oder als Sonderaus-gaben zu berücksichtigen seien. Der Regierungsentwurf hatte, um eine Gleichstellung mit den bei der Übergabe von Gewerbebetrieben vereinbarten Versorgungslasten zu er-reichen, im ganzen einen Abzug nur als Sonderausgaben vorgesehen (vgl. Deutscher Bundestag, 2. Wahlperiode,

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Drucks. 481, zu Art. 1 Ziff. 12 und 18 S. 4, 81, 85 f., besonders S. 88). Dieser Vorschlag wurde zwar nicht Gesetz, da bei den Beratungen offenbar davon ausgegangen wurde, Altenteils-leistungen seien weiterhin als Betriebsausgaben abzu-ziehen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs vom 12.9.1934 VI A 360/34, RStBI 1935, 157). Der Entstehungsgeschichte ist jedoch zu entnehmen, daß Altenteilslasten und sonstige bei Betriebsübergaben jeder Art vereinbarte Versorgungslasten in der Regel abziehbar sein sollten (vgl. BFHE 83, 568, BStBI I 11965, ,706).

Mit Ausnahme von Fällen der Vermögensübertragungen in vorweggenommener Erbfolge, bei denen der Übernehmer zu Altenteils- oder anderen Versorgungsleistungen verpflichtet ist, hat die Rechtsprechung aber daran festgehalten, daß eine Wertverrechnung bei Kauf- und Darlehensverträgen und darüber hinaus in allen Fällen geboten ist, in denen wieder-kehrende Leistungen im Austausch mit einer Gegenleistung erbracht werden (BFHE 83, 568, BStBl III 1965, 706; BFHE 111, 33, BStBl 11 1974, 101; BFHE 144, 423, BStBl 11 1985, 709 [= MittBayNot 1986, 46], sowie Urteil vom 3.6.1986 IX R 2/79, BFHE 146, 442, BStBl 11 1986, 674 [= MittBayNot 1986, 282].

c) Eine Wertverrechnung ist nicht nur geboten, wenn wieder-kehrende Leistungen aufgrund eines gegenseitigen Vertrags im Austausch mit einer Gegenleistung erbracht werden, sondern auch dann, wenn sie aufgrund einer testamenta-risch angeordneten Auflage geleistet werden. Denn solange die Aufwendungen den Wert des Nachlasses nicht überstei-gen, ist der Steuerpflichtige wirtschaftlich nicht belastet. Ein Abzug dieser Aufwendungen als dauernde Last würde dem vom Gesetz verfolgten Zweck widersprechen, nur unver-meidbare, die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen min-dernde Privatausgaben steuerlich zu berücksichtigen.

d) Bestätigt wird dieses Ergebnis durch einen Vergleich mit der Behandlung von Grabpflegeaufwendungen in § 33 EStG. Besteht mangels testamentarischer Auflage keine recht-liche, sondern nur eine sittliche Verpflichtung zur Grab-pflege, so kommt lediglich ein Abzug nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung in Betracht. Als außergewöhn-liche Belastung sind Grabpflegekosten nach der Rechtspre-chung jedoch nicht abziehbar, weil sie „keine Belastung des Einkommens" darstellen. Es handle sich „insoweit um Auf-wendungen, die in der Vermögenssphäre liegen" (BFHE 91, 149, BStBl 11 1968, 259). Der Senat läßt dahingestellt, ob er dieser Begründung folgen könnte. Er hält das Ergebnis für zutreffend aufgrund der Erwägung, daß es überhaupt an einer Belastung des Steuerpflichtigen fehlt, soweit die Auf-wendungen aus dem Nachlaß geleistet werden können (vgl. hierzu Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. 0., § 33 EStG Anm. 44 f., 144). Ein Abzug kommt allenfalls dann in Betracht, wenn die Zahlungen nicht aus dem Nachlaß gelei-stet werden können (Schmidt/Drenseck, a. a. 0., § 33 Anm. 8, Stichwort: Nachlaßverbindlichkeiten,, m. w. N.; Oepen in Blümich, a. a. 0., § 33 EStG Anm. 150, Stichwort: Todesfall; Borggreve in Littmann/Bitz/Meincke, a. a. 0., § 33 EStG Anm. 104; vgl. auch BFH-Urteil vom 24.7.1987 III R 208/82, BFHE 150, 351, BStBl 11 1987, 715). Es erscheint nicht ge-rechtfertigt, Aufwendungen, die der Steuerpflichtige aus dem Nachlaß erbringen kann, unterschiedlich zu behandeln, je nachdem, ob er sie aufgrund sittlicher Verpflichtungen oder aufgrund einer testamentarisch angeordneten Auflage leistet.

3. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Das FG hat zwar keine Feststellungen über den Wert des Nachlasses getroffen. Es ist jedoch offensichtlich, daß die in den Jahren 1972 bis 1977 erbrachten Grabpflege-aufwendungen unter dem Wert des aus zwei Einfamilienhäu-sern bestehenden Nachlasses gelegen haben. Daher kommt ein Abzug als dauernde Last im Streitjahr nicht in Betracht. Die Klage war abzuweisen.

23. GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1; AO 1977 § 42 (Zur Grund-erwerbsteuerpflicht bei der Übertragung von GbRAnteiten)

Ist nach dem Gesellschaftsvertrag einer GbR, zu deren

Gesamthandseigentum mehrere Wohnungs- bzw. Teilerb.

baurechte gehören, jeder der Gesellschaftsanteile untrenn-

bar verknüpft mit je einem Wohnungs- und Teilerbbaurecht,

unterliegt die Übertragung eines derart ausgestalteten Ge-

selischaftsanteils der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 i. V. m. § 42 AO 1977

BFH, Urteil vom 10.5.1989 - II R 86/86. -

Aus dem Tatbestand:

Die Eheleute B hatten im Jahre 1965 ein Erbbaurecht erworben und anschließend ein „Dreifachhaus" darauf errichtet. Die Wohnungen hatten sie vermietet. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 15.7. 1982 gründeten die Eheleute B eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zur Vermietung und Verwaltung des Erbbaurechts. Das Erbbau-recht wurde Gesamthandsvermögen. Am gleichen Tage war (zeitlich vorhergehend) das Erbbaurecht in Wohnungs- und Teilerbbaurechte aufgeteilt worden. § 3 des Gesellschaftsvertrages hat folgenden Inhalt:

„1. Die Gesellschafter haben ihre Beteiligungen in einzelne Anteile gestückelt. Einem jeden so gebildeten Anteil haben sie mit Rück-sicht auf die Bestimmungen dieses Vertrages über die Auseinander-setzung im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters und der Liquidation der Gesellschaft das Wohnungserbbaurecht an einer bestimmten zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Wohnung oder Garage zugeordnet. Die Stückelung der Beteiligungen und die Zuord-nung der Wohnungen oder Garagen ergeben sich aus dem als Anlage zu dieser Urkunde genommenen Verzeichnis.

2. Das Verhältnis der Werte der gebildeten Gesellschaftsanteile untereinander entspricht dem Verhältnis der Werte der den einzelnen Anteilen zugeordneten Wohnungen"

Nach § 6 des Gesellschaftsvertrages können Darlehen, die Gesell-schafter zur Finanzierung ihrer Beteiligungen in Anspruch nehmen, auf demjenigen Wohnungserbbaurecht dinglich abgesichert werden, welches der Beteiligung des jeweiligen Gesellschafters zugeordnet ist. Jeder Gesellschafter kann seine Beteiligung an einen beliebigen Dritten abtreten, wobei Teilabtretungen mit der Maßgabe zulässig sind, daß der abgetretene Teil der Beteiligung dem Wert einer oder mehrerer der Beteiligung zugeordneten Wohnungen entsprechen muß (§ 10 des Gesellschaftsvertrages). Die Gesellschaft kann von jedem Gesellschafter zum Ende eines Geschäfts-(= Kalender-)jahres gekündigt werden (§ 4 des Vertrages), mit der Folge, daß der kündi-gende Gesellschafter ausscheidet (§ 13 Nr. 1 des Gesellschaftsver-trages). Für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters ist die Gesellschaft verpflichtet, dem ausscheidenden Gesellschafter mit Wirkung vom Tage seines Ausscheidens dasjenige Wohnungs- oder Teilerbbaurecht als Alleinberechtigtem - mehreren Berechtigten an einer Wohnung oder einer Garage zu gleichen Teilen - zu über-tragen, welches seiner Gesellschaftsbeteiligung zugeordnet ist, wo-bei der Ausscheidende diejenigen Grundpfandrechte zu übernehmen hat, welche der Absicherung seiner persönlichen Darlehen dienen, Der jeweilige Geschäftsführer der Gesellschaft ist bevollmächtigt, die Übertragung vorzunehmen und alle hierzu erforderlichen Erklä-rungen abzugeben und entgegenzunehmen, insbesondere auch die Einigung über den Rechtsübergang zu erklären und alle Grundbuch-eintragungen zu bewilligen (§ 13 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages). Diese Bestimmungen gelten sinngemäß für den Fall der Auflösung

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und Liquidation der Gesellschaft (§ 13 Nr. 3 des Gesellschaftsvertra-ges). Nach § 7 des Gesellschaftsvertrages sind die einzelnen Gesell-schafter am Gewinn oder Verlust der Gesellschaft im Verhältnis der jeweiligen Gesellschaftsbeteiligungen zueinander beteiligt.

Am 25.1.1983 wurde zwischen den Eheleuten B einerseits und denjeni-gen „Personen, die sich aus dem Verzeichnis ergeben, welches als Anlage zu dieser Urkunde genommen wird" — alle Beteiligten auf-grund notariell beurkundeter Vollmacht vertreten durch eine GmbH — ein „Kauf- und Abtretungsvertrag" geschlossen. Nach dessen Inhalt „treten hiermit" die Eheleute B „den in dem anliegenden Ver-zeichnis aufgeführten Erwerbern- mehreren bei einer Einheit ge-meinsam erwähnten Erwerbern zu jeweils selbständigen gleichen Teilen — jeweils denjenigen Teil ihrer Beteiligung an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ab, welche in dem als Anlage zu dem der Gesell-schaft zugrundeliegenden Gesellschaftsvertrag genommenen Ver-zeichnis diejenige Wohnung zugeordnet ist, die für den betreffenden Erwerber in dem diesem Vertrag anliegenden Verzeichnis angegeben ist". Aus diesem Verzeichnis „ergeben sich" auch „die jeweiligen Kaufpreise". Der Käufer übernahm alle im Gesellschaftsvertrag und in der Teilungserklärung enthaltenen Verpflichtungen als seine eige-gen Verpflichtungen und verpflichtete sich seinerseits, diese auch seinem Rechtsnachfolger aufzuerlegen. Dasselbe galt hinsichtlich der Verpflichtungen aus dem Erbbaurechtsvertrag,-soweit die Verein-barungen nicht Inhalt des Erbbaurechts geworden waren. Der Käufer hatte vom Tage des Eintritts in die Gesellschaft „den jeweils fälligen auf seine Erbbaurechtseinheit entfallenden Erbbauzins" an den Geschäftsführer der GbR zu zahlen. Der Erbbauzins belief sich im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses auf 7,13 DM/qm Grundstücks-fläche. Die Abtretung erfolgte jeweils mit sofortiger dinglicher Wir-kung; sie wurde von den Abtretungsempfängern angenommen. Die Abtretungen bezogen sich nicht auf alle Geschäftsrechte der Ehe-leute B; diese waren nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) auch noch im Jahre 1986 zu mehr als 1/9 am Gesellschaftsver-mögen beteiligt. Das Grundbuch wurde im Anschluß an die Abtre-tungsverträge in der Weise berichtigt, daß die neu eingetretenen Gesellschafter als (weitere) Gesamthandseigentümer aller Woh-nungs- und Teilerbbaurechte eingetragen wurden.

Zu den Erwerbern gehörte auch N, dessen Rechtsnachfolgerin die Klägerin als seine Alleinerbin ist. Er hatte u.a. für 14 770 DM den Ge-sellschaftsanteil Nr.21 erworben, dem die laufende Teileigentums-nummer 3 der Teilungserklärung, nämlich eine Garage vom Typ D mit einem wirtschaftlichen Anteil von 71,47/10 000 zugeordnet war.

Das Finanzamt (FA) sah in dem Anteilserwerb einen der Grund-erwerbsteuer unterliegenden Erwerb der Mitberechtigung am Erb-baurecht verbunden mit dem Teilerbbaurecht und setzte gegen den Rechtsvorgänger der Klägerin aus einer Besteuerungsgrundlage von 14 770 DM Grunderwerbsteuer in Höhe von 295 DM fest. Auf den Ein-spruch verböserte das FA nach vorheriger Anhörung, setzte die Steuer unter Einbeziehung des Werts der übernommenen Erbbau-zinsverpflichtung auf 328 DM fest und wies den Einspruch als unbe-gründet zurück.

Mit der Klage begehrt die Klägerin die Aufhebung der Grunderwerb-steuerfestsetzung mit der Begründung, bei der GbR sei lediglich eine nicht der Grunderwerbsteuer unterliegende Veränderung im Perso-nenstand eingetreten. Das FG hat der Klage mit der in EFG 1986, 574 veröffentlichten Entscheidung stattgegeben.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision beantragt das FA, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Aus den Gründen:

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils sowie zur Abweisung der Klage.

1. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil das FG unzu-treffend davon ausgegangen ist, daß aufgrund der Verein-barung vom 25.1.1983 zwischen den Eheleuten B und dem Rechtsvorgänger der Klägerin kein Grunderwerbsteueran-spruch aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1983) i. V. m. § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) entstanden sei.

a) Im Ergebnis zutreffend hat das FG angenommen, daß die Vereinbarung vom 25.1.1983 nicht als Übertragung sämt-licher Anteile an einer Grundbesitz haltenden GbR nach § 1

MittBayNot 1990 Heft 1

Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 i. V. m. § 42 AO 1977 der Grund-erwerbsteuer unterliegt (vgl. dazu die Senatsurteile vom 19.3.1980 II R 23/77, BFHE 130, 422, BStBl 11 1980, 598,'und vom 4.12.1985 II R 142/84, BFHE 145, 242, BStBl 11 1986, 190 [= MittBayNot 1986, 278]). Denn die Eheleute B sind nach den Feststellungen des FG weiter in der GbR verblieben, ent-äußerten sich also nicht aller Anteile (vgl. hierzu Senats-beschluß vom 29.7.1987 II B 57/87, BFHE 150, 366, BStBl II 1987, 722).,Außerdem fehlt ein vor der Abtretung der Gesell-schaftsanteile bestehender gemeinsamer Wille der Abtre-tungsempfänger, gerichtet auf den Erwerb des ganzen Erb-baurechts, wenn auch im Gewand des Gesellschafterwech-sels (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 4.3.1987 II R 150/83, BFHE 149,75, BStBl 11 1987, 394 [= MittBayNot 1987, 277]). Nach dem Inhalt des Abtretungsvertrages war jede einzelne Abtretung unabhängig von der Wirksamkeit der anderen Ab-tretungen. Diese Klausel entspricht der Verknüpfung,des ab-getretenen Gesellschaftsanteils mit dem ihm jeweils zuge-ordneten Wohnungs- und Teilerbbaurecht. Diese Einzelver-knüpfung. ist mit der Annahme nicht zu vereinen, eine Gruppe von Personen habe (als Neugesellschafter) alle Anteile an einer aus anderen Personen bestehenden Gesell-schaft zum Zwecke des (verdeckten) Transports der Mit-berechtigung am Erbbaurecht verbunden mit den Sonder-eigentumseinheiten erworben.

b) Die entgeltliche Abtretung vom 25.1.1983 unterliegt jedoch aus anderen Gründen der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 i. V. m. § 42 AO 1977 in dem Aus-maß, wie eine Veräußerung der Mitberechtigung am Erbbau-recht zu dem entsprechenden Bruchteil (71,47/10 000) ver-bunden mit dem Teileigentum an der Garage.

Das FG hat den Vermietungspool und-die dadurch erreichte Verminderung des Vermietungsrisikos in den Vordergrund gestellt und es deshalb für „plausibel" gehalten, daß die Zuordnung von Wohnungs- bzw. Teilerbbaurechten nur der Erleichterung der Auseinandersetzung dienen sollte. Des-halb hat es die Steuerpflicht aus § 1 Abs. 1 Nr.'1 GrEStG 1983 i. V. m. § 42 AO 1977 verneint. Die rechtlichen Schluß-folgerungen des FG halten der revisionsgerichtlichen Über-prüfung nicht stand. Das FG hat die vom Gesetz abweichen-den besonderen Vereinbarungen über die Ansprüche der ein-zelnen Gesellschafter im Fall des Ausscheidens bzw. der Liquidation der Gesellschaft dabei nicht berücksichtigt.

Nach den gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen ist jeder Gesellschaftsanteil untrennbar verknüpft mit einer be-stimmten Bruchteilsberechtigung am Erbbaurecht, die ihrer-seits mit je einem Wohnungs- bzw. Teilerbbaurecht verbun-den ist. Das erhellt die von § 733 BGB abweichende Verein-barung über die Auseinandersetzungs- bzw. (bei Ausschei-den) Abschichtungsansprüche des jeweiligen Gesellschaf-ters, die gern. § 731 Satz 1 BGB zulässig ist. Der Auseinan-dersetzungsanspruch des einzelnen Gesellschafters bezieht sich auf die jeweils seinem Gesellschaftsanteil zugeordnete Sache, nämlich die bruchteilsmäßige Mitberechtigung am Erbbaurecht verbunden mit dem jeweiligen Wohnungs- bzw. Teilerbbaurecht, welches ihm die GbR mit Wirkung vom Tage seines Ausscheidens bzw.- im Rahmen der Auseinanderset-zung nach Auflösung aus dem Gesamthandsvermögen zu übereignen verpflichtet wird.

Wird ein derart ausgestalteter Gesellschaftsanteil übertra-gen, so ersetzt die Übertragung des Anteils an der Gesamt-hand die an sich gebotene Übertragung der Mitberechtigung am Erbbaurecht- zum entsprechenden Bruchteil verbunden

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mit dem Wohnungs- bzw. Teileigentum. Denn die gewählte Konstruktion der Abtretung derart ausgestalteter Gesell-schaftsrechte ist nur verständlich unter dem Gesichtspunkt erhoffter Steuerbefreiung aus § 6 Abs. 2 bzw. § 7 Abs. 2 GrEStG 1983 bei Beachtung der Fristen von § 6 Abs. 4 bzw. § 7 Abs. 3 GrEStG 1983 für den Fall der Verpflichtung der GbR zur Übereignung. Sie stellt — ohne daß damit eine moralische Wertung verbunden wäre (vgl. BFHE 149, 75, BStBl 111987,294) — einen Mißbrauch von Gestaltungsmög-lichkeiten des Rechts i. S. des § 42 Satz 1 AO 1977 dar. Nach § 42 Satz 2 AO 1977 ist deshalb der Steueranspruch so ent-standen, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung entsteht.

2. Die Sache ist spruchreif. Der Senat entscheidet deshalb in der Sache selbst. Der angefochtene Grunderwerbsteuer-bescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtmäßig, die Klage deshalb als unbegründet abzuweisen.

24. ErbStG 1974 § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 25; BGB § 158 Abs. 1 (Schenkungssteuerliche Bereicherung bei Schenkung unter Auflage)

Verpflichtet sich der Bedachte im Zuge eines Überlassungs-vertrages zu aufschiebend bedingten Leistungen, so kann diese Leistungsverpflichtung vor Eintritt der Bedingung die Bereicherung des Bedachten i. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 nicht schmälern.

BFH, Urteil vom 7.6.1989 — lt R 183/85 —

Aus dem Tatbestand:

Mit notariell beurkundeter Vereinbarung übertrug die Mutter der Klä-gerin dieser mehrere Grundstücke. Am übertragenen Grundbesitz be-hielt sie sich den lebenslänglichen Nießbrauch vor. Die Klägerin ver-pflichtete sich, nach Wegfall des Nießbrauchs an ihre Schwester eine lebenslängliche (Unterhalts-)Rente in Höhe von 2 000 DM monat-lich zu zahlen. Weitere Leistungen hatte die Klägerin nicht zu erbrin-gen. Die Mutter der Klägerin ist im Dezember 1916 und die Schwester der Klägerin im Juli 1944 geboren.

Mit Schenkungsteuerbescheid hat das Finanzamt (FA) gegen die Klä-gerin Schenkungsteuer in Höhe von 131 373 DM festgesetzt, wovon es einen Teilbetrag in Höhe von 96378 DM bis zum Erlöschen des Nießbrauchs gemäß § 25 ErbStG 1974 i.d. F. des Änderungsgesetzes vom 18.8.1980 (BGBl 1 1980, 1537, BStBl 1 1980, 581) stundete. Die Rente zugunsten der Schwester der Klägerin berücksichtigte das FA als aufschiebend bedingt nicht.

Die Klägerin begehrt, den schenkungsteuerlichen Erwerb um den kapitalisierten Wert sowohl des Nießbrauchs als auch der Rente zu mindern. Das FG hat die Steuer dementsprechend herabgesetzt.

Die Revsion des FA führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage.

Aus den Gründen:

1....

2. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil das FG hin-sichtlich der Nießbrauchslast unzutreffend von einer ge-mischten Schenkung ausgegangen ist und weiter unzutref-fend angenommen hat, die Rentenverpflichtung sei nicht aufschiebend bedingt.

a) Die einer Schenkung beigefügte Nebenabrede, wonach der Bedachte zwar um-das Eigentum am Zuwendungsgegen-stand bzw. um ein zugewendetes Recht bereichert ist, ihm

aber die Nutzungen der Sache oder des Rechts (§ 100 BGB) nicht sofort gebühren sollen, ist zivilrechtlich Schenkung unter Auflage. Eine derartige Nebenabrede bewirkt lediglich ein Hinausschieben auf Zeit des mit dem Eigentumsüber-gang bzw. der Rechtsübertragung grundsätzlich. verbunde-nen vollen Nutzungsrechts. Sie verursacht dem Bedachten keine Aufwendungen, die in schenkungsrechtlicher und, schenkungsteuerrechtlicher Hinsicht bewirken könnten, daß in Höhe der Aufwendungen keine Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden i. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 eingetreten wäre.

Die derart vorübergehende Einschränkung der Bereiche-rung, die unmittelbar mit dem Zuwendungsgegenstand ver-knüpft ist und die lediglich durch die Zuwendung infolge der Nebenabrede herbeigeführt wird, kann nur durch den Abzug der Last berücksichtigt werden, soweit nicht § 25 Abs. 1 ErbStG 1974 n. F. (zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung vgl. Beschluß des BVerfG vom 15.5.1984 1 BvR 464, 605/81, 427, 440/82, BVerfGE 67, 70, BStBI 11 1984, 608) entgegen-steht. Insoweit erwächst dem Bedachten kein Aufwand i. S. einer Leistungspflicht, sondern es obliegt ihm nur eine zeit-lich beschränkte Duldung. Diese zeitlich befristete Dul-dungspflicht kann nicht der Leistungspflicht aufgrund aus-tauschvertraglicher Elemente der Vereinbarung bzw. der Pflicht zu Aufwendungen aufgrund Auflage gleichgestellt werden (a. A. offenbar die gleichlautenden Erlasse der ober-sten Finanzbehörden der Länder vom 10.2.1983, BStBl 11983, 238, unter 5.).

b) Der Senat hat mit der Entscheidung vom 12.4.1989 II R 37/87 (BStBl 11 1989, 524 [= MittBayNot 1989, 232]) seine im Urteil in BFHE 134, 357, BStBl 11 1982, 83 (= MittBayNot 82, 99) gemachte Aussage zur Auflagenschenkung modifiziert und ausgesprochen, daß bei einer Schenkung unter Auflage schenkungsteuerrechtlich die dem Bedachten auferlegten Aufwendungen von den ihm obliegenden Duldungspflichten zu unterscheiden sind; dies hat zur Folge, daß der Bedachte, soweit ihm Aufwendungen auferlegt sind, die ihn zu Leistun-gen verpflichten, insoweit — -wie bei einer gemischten Schenkung — nicht i. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 auf Kosten des Zuwendenden bereichert ist.

Die der Klägerin auferlegte Rentenleistungspflicht ist ent-gegen der Annahme des FG nicht lediglich befristet durch den Wegfall des Nießbrauches, sondern aufschiebend be-dingt in der Weise, daß die Schwester der Klägerin diesen Zeitpunkt erleben muß. Denn die Unterhaltsrente steht nur der Schwester der Klägerin zu.

Wird ein Rechtsgeschäft unter einer aufschiebenden Bedin-gung vorgenommen, so tritt nach § 158 Abs. 1BGB die von der Bedingung abhängig gemachte Wirkung mit dem Eintritt der Bedingung ein. Die Wirkung eines bedingten Rechtsge-schäfts besteht darin, daß bis zum Bedingungseintritt die getroffene Regelung ohne die ihr beigefügte Modalität gilt, danach die von den Parteien vorgesehene Änderung eintritt und bei endgültigem Feststehen des Nichteintretens der Be-dingung die zunächst als vorläufig anzusehende Rechtslage festliegt (so H. P. Westermann in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl., Rdnr. 38 zu § 158). Bei der aufschiebend bedingten Verpflichtung entsteht folg-lich (zunächst) keine Forderung und dementsprechend keine Schuld des Verpflichteten. Die Verpflichtung ist schwebend unwirksam.

Diese Rechtslage ist auch in schenkungsteuerrechtlicher Hinsicht zu berücksichtigen. Daraus folgt, daß die aufschie-

68 MittBayNot 1990 Heft 1

Page 67: des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der

bend bedingte Verpflichtung zur Leistung der"Rente vor Eintritt der Bedingung die Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden 1. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 nicht schmälern kann.

Ist die Renten leistungsverpflichtung unbedingt geworden und steht- damit fest, daß die Klägerin deshalb insoweit nicht auf Kosten der Schenkerin bereichert ist, ist dieser Umstand durch Änderung des Steuerbescheids in Anwen-dung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 zu berücksich-

tigen.

3. Die Sache ist spruchreif. Der Senat entscheidet in der Sache selbst.

Der angefochtene Schenkungsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung erweist sich im Ergebnis als nicht rechtswidrig. Zutreffend hat das FA die Rentenverpflichtung bei der Steuerfestsetzung nicht berücksichtigt und den Nieß-brauchsvorbehalt zugunsten der Schenkerin nur nach Maß-gabe des § 25 ErbStG 1974 n. F. durch zinslose Stundung der auf den Kapitalwert dieser Belastung entfallenden Steuer bis zum Erlöschen des Nießbrauchsrechts berücksichtigt.

V. Hinweise für die Praxis

1. Einkommensteuer; hier: Schenkweise als Kommanditisten in eine Komman-ditgesellschaft aufgenommene minderjährige Kinder als Mitunternehmer

Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 5.10. 1989—Az.: IVB2—S2241 —48/89

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 10.11.1987 (BStBl 1989 II S. 758) schenkweise als Kommandi-tisten in einer KG aufgenommene minderjährige Kinder als Mitunternehmer anerkannt, obwohl in dem Entscheidungs-fall das Widerspruchsrecht der Kommanditisten nach § 164 HGB ausgeschlossen, das Gewinnentnahmerecht der Kom-manditisten weitgehend beschränkt und das Kündigungs-recht für die Kommanditisten langfristig abbedungen war und die Kommanditisten für den Fall ihres vorzeitigen Aus-scheidens aufgrund eigener Kündigung zum Buchwert abge-funden werden sollten. Der BFH sieht darin keine nennens-werten und nicht auch zwischen Fremden üblichen Abwei-chungen vom Regelstatut des HGB: Dabei macht es für den BFH keinen Unterschied, ob die besonderen Bedingungen einzeln oder zusammen vorliegen.

Zu der Frage, welche Folgerungen aus diesem Urteil für die steuerliche Anerkennung von schenkweise als Kommanditi-sten in eine KG aufgenommenen minderjährigen Kindern als Mitunternehmer zu ziehen sind, wird unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den Vertretern der ober-sten Finanzbehörden der Länder wie folgt Stellung genom-men:

Die Frage, ob eine Mitunternehmerschaft minderjähriger Kinder gegeben ist, muß nach dem-Gesamtbild der Verhält-nisse entschieden: werden (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 25.6.1984 - BStBl II S. 751, 769). Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Das minderjährige Kind eines Gesellschafters einer Perso-nengesellschaft kann nur als Mitunternehmer anerkannt werden, wenn es Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt. Es kommt deshalb darauf an, ob dem minderjährigen Kommanditisten nach dem Ge-sellschaftsvertrag wenigstens annäherungsweise diejeni-

gen Rechte eingeräumt werden, die einem Kommanditisten nach dem HGB zustehen. Maßstab ist das nach dem HGB für den Kommanditisten vorgesehene" Regelstatut. Dazu gehören auch die gesetzlichen Regelungen, die im Gesell-schaftsvertrag abbedungen werden können.

Wie der Große Senat des BHF im Beschluß vom 25.6.1984 (BStBl II S. 751, 769) ausgefürt hat, können Mitunternehmer-initiative und Mitunternehmerrisiko im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein. Beide Merkmale müssen jedoch gemeinsam vorliegen. Ein Kommanditist ist beispielsweise dann mangels Mitunternehmerinitiative kein Mitunterneh-mer, wenn sowohl sein Stimmrecht als auch sein Wider-spruchsrecht durch Gesellschaftsvertrag faktisch ausge-schlossen sind (BFH-Urteil vom 11.10.1988 — BStBl 1989 II S. 762).

Besondere Bedeutung kommt, wie auch vom BFH im Urteil vom 10.11.1987 (BStBl 1989 II 5.758) ausgeführt wird, der Frage zu, ob die minderjährigen Kommanditisten durch Kün-digung oder Änderung des Gesellschaftsvertrags gegen ihren Willen aus der KG verdrängt werden können. Ist der Komplementär nach dem Gesellschaftsvertrag berechtigt, nach freiem Ermessen weitere Kommanditisten in die KG aufzunehmen, und kann er dadurch die für eine Änderung des Gesellschaftsvertrags im Einzelfall erforderlichen Mehr-heitsverhältnisse (z.B. Erfordernis einer 2/3-Mehrheit) zu sei-nen Gunsten so verändern, daß die als Kommanditisten in die KG aufgenommenen minderjährigen Kinder gegen ihren Willen aus der KG verdrängt werden können, so spricht dies gegen eine Mitunternehmerstellung der Kinder. Das gilt auch dann, wenn der Komplementär tatsächlich noch keine weiteren Kommanditisten in die KG aufgenommen hat.

Der BFH hat in dem Urteil vom 10.11.1987 (BStBl 1989 II S. 758) allein die Tatsache, daß der Komplementär derzeit nicht die im Einzelfall erforderliche Stimmrechtsmehrheit bezüglich der Änderung des Gesellschaftsvertrags und der Auflösung der Gesellschaft hat, für ausreichend gehalten, um die Mitunternehmerinitiative der Kommanditisten — und zwar auch bei Ausschluß des Widerspruchsrechts nach § 164 HGB — zu bejahen. Ich bitte, die Grundsätze dieses BFH-Urteils insoweit nicht über den entschiedenen Einzel-fall hinaus anzuwenden.

MittBayNot 1990 Heft 1 69

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2. Steuerrechtliche Anerkennung von Gewinnabführungs-verträgen bei Organgesellschaften im Sinne des

§ 17 KStG; hier: Übergangsregelung

Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 31.10.1989 — Az.: IV B 7 — S 2770 — 31/89

Der BGH hat durch Beschluß vom 24.10.1988 (DB 1988 S. 2623, BB 1989 S. 95, NJW 1989, S. 295 [= MittBayNot 1989, 33 = DNotZ 1989, 102]) entschieden, daß ein zwischen zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung abgeschlossener Unternehmensvertrag, in dem sowohl eine Beherrschungs-vereinbarung als auch eine Gewinnabführungsverpflichtung enthalten sind, nur wirksam. wird, wenn die Gesellschafter-versammlungen der beherrschten und der herrschenden Gesellschaft dem Vertrag zustimmen und sein Bestehen in das Handelsregister der beherrschten Gesellschaft einge-tragen wird. Der Zustimmungsbeschluß der Gesellschafter-versammlung der beherrschten Gesellschaft bedarf der notariellen Beurkundung.

Damit sind die zivilrechtlichen Anforderungen an die Wirk-samkeit des Vertrags strenger als die in § 17 Satz 2 Nr. 1 bis 4 KStG genannten steuerrechtlichen Voraussetzungen.

Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder bitte ich, bis zu einer Anpassung des § 17 KStG wie folgt zu verfahren:

Da die körperschaftsteuerliche Organschaft einen zivilrecht-lich wirksamen Gewinnabführungsvertrag erfordert, sind ne-ben den Voraussetzungen des § 17 Satz 2 KStG auch die vom BGH aufgestellten Grundsätze zu beachten. Für die steuer-rechtliche Anerkennung eines Gewinnabführungsvertrages reicht es nicht aus, wenn ein Vertrag fehlerhaft oder nichtig ist, aber zivilrechtlich nach den Regeln über die fehlerhafte

Gesellschaft als wirksam behandelt wird. Vielmehr fordern § 14 Nr. 4 und § 17 Satz 1 KStG eine wirksam begründete Gewinnabführungsverpflichtung der Organgesellschaft.

Für Wirtschaftsjahre der Organgesellschaft, die bis zum 31.12.1992 enden, bitte ich, bestehende oder neu abge-schtossene Gewinnabführungsverträge steuerrechtlich nicht zu beanstanden, wenn sie zwar nicht die nach dem BGH-Beschluß erforderlichen zivilrechtlichen Wirksamkeits-voraussetzungen erfüllen, im übrigen aber entsprechend § 17 KStG (Abschnitt 64 KStR) abgeschlossen und durch-geführt worden sind.

Wird der Gewinnabführungsvertrag bis zum Ablauf dieser Übergangsfrist nicht an die nach dem BGH-Beschluß erforderlichen strengeren zivilrechtlichen Wirksamkeits-voraussetzungen angepaßt oder wird er im Hinblick auf diese strengeren Voraussetzungen durch Kündigung oder im gegenseitigen Einvernehmen zum Schluß des letzten im Jahre 1992 endenden Wirtschaftsjahres der Organgesell-schaft beendet, so bleibt der Gewinnabführungsvertrag für die bis dahin abgelaufenen Jahre steuerrechtlich wirksam, auch wenn er in diesem Zeitpunkt noch nicht fünf aufein-anderfolgende Jahre durchgeführt worden ist.

Ein Gewinnabführungsvertrag, der an die vom BGH genann-ten Formerfordernisse angepaßt wird, muß für seine steuer-rechtliche Anerkennung nicht erneut auf fünf Jahre abge-schlossen werden. Es reicht vielmehr aus, wenn der bisher im Wege der Übergangsregelung anerkannte Gewinnabfüh-rungsvertrag und der neu abgeschlossene Vertrag zusam-men die Mindestlaufzeit von fünf Jahren (vgl. Abschnitt 55 Abs. 2 KStR) erfüllen.

Dieses Schreiben tritt an die Stelle meines Schreibens vom 30.12.1988 — IV B 7 — S 2770 — 13/88 —. Es wird im Bundes-steuerblatt Teil 1 veröffentlicht.

3. Grunderwerbsteuer; hier: a) Befreiung beim Erwerb durch Stiefkinder (§ 3

Nr. 6 Satz 2 GrEStG) b) Grundstückserwerbe durch Schwiegerkinder (§ 3

Nr. 6 Satz 3 GrEStG)

Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 20.10.1989 — Az. S 4505 — 5/12 — 60 896

a) Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 19.4.1989 (BStBl II, 627) entschieden, daß die Eigenschaft als Stiefkind i. S. von § 3 Nr. 6 Satz 2 GrEStG nicht vom Fortbestand der Ehe abhängig ist, durch welche das Stiefkindschaftsverhältnis begründet wurde. Als Stiefkinder i. S. dieser Vorschrift sind deshalb die leiblichen Kinder des anderen Ehepartners auch dann anzusehen, wenn die Ehe im Zeitpunkt des Erwerbs-vorgangs infolge Tod oder Scheidung aufgelöst ist.

Ich bitte, das Urteil in allen dafür in Betracht kommenden Fällen anzuwenden. Soweit in der Vergangenheit eine hier-von abweichende Rechtsauffassung vertreten worden ist, wird daran nicht mehr festgehalten.

b) Abweichend von der bisher im Bezugsschreiben vertrete-nen Rechtsauffassung bitte ich aufgrund des BFH-Urteils

vom 19.4.1989 (BStBl II, 627) in allen noch nicht bestands-kräftigen Fällen Grundstückserwerbe durch Schwiegerkin-

der auch dann nach § 3 Nr. 6 Satz 3 GrEStG von der Grund-erwerbsteuer auszunehmen, wenn die das Schwiegerkind-

schaftsverhältnis begründende Ehe im Zeitpunkt des Er-werbsvorgangs infolge Scheidung nicht mehr bestanden hat.

Dieses Schreiben ergeht im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der anderen Länder.

70 MittBayNot 1990 Heft 1

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v,. Standesnachrichten

A. Personaländerungen

1. Verstorben:

Notar a. D.. Dr. Karl Friedrich, München, gest. am 12.12.1989

Notar a. D. Paul Bauer, München, gest. am 9.1.1990

2. Versetzung in den Ruhestand:

Mit Wirkung ab 21.12.1989:

Notar Dr. Hans Holz, Speyer

Mit Wirkung ab 1.4.1990:

Notar Dr. Ludwig Margraf, Donauwörth

Mit Wirkung ab 31.7.1990:

Notar Wilhelm Then, Landshut

3. Es wurden verliehen:

Mit Wirkung ab 1.1.1990:

Würzburg dem Notar (in Sozietät mit .Herbert Friedrich, Notar Dr. Grimm) bisher in Altdorf

Aschaffenburg dem Notar (in Sozietät mit Volkmar Makowka Notar Harms) bisher in Aub

Speyer dem Notar (in Sozietät mit Dr. Albert Ball, Notar Kaempfe) bisher in Bad Bergzabern

Mit Wirkung ab 1.2. 1990: Kirchenlamitz dem Notarassessor

Wilfried Schwarzer, bisher in München (Notarstelle Dr. Reuß)

B.

Offene Regelstellen,

Nachstehend aufgeführte Notare haben um die Ausschrei-bung offener Regelstellen gebeten:

Dr. Ritter/Dr. Reuß München Dr. Winkler Vilsbiburg Dubon/Kellner Immenstadt Jungsberger/Dr. Wirner München Huber Arnstorf Konrad Dachau Dr. Wich/Zetzl Ebersberg Dr. Vocke Eichstätt Jäger Garmisch-Partenkirchen Dr.' Gastroph Ingolstadt Dr. Heinz Krumbach Dr. Schulte Landstuhl Dr. Schadel Moosburg Dr. Beck/Scholz München Dr. Gassner München Dr. Kirchner/Dr. Gerstner München Dr. Winkler München Kreßel Nürnberg Dr. Bleutge/Saalfeld Pfaffenhofen Huber/Dr. v. Daumiller Prien Krause/Schiebe/ Rosenheim Thumerer/Thallinger Schwabmünchen Dr. Lemberger Simbach Dr. Korte Würzburg Friedrich/Dr. Terwey München Dr. Knöchlein/Hübner Nürnberg Landau Dahn

Die Bewerbungen sind an die Notarkasse, Ottostraße 10, 8000 München 2, zu richten. Die Notarkasse wird bei Ein- gang von Bewerbungen prüfen, ob und gegebenenfalls an welche Notarstelle in ihrem Tätigkeitsbereich eine Ver- setzung bzw. Obernahme vorgenommen wird.

4. Versetzungen und sonstige Veränderungen:

Inspektorin i. N. Cäcilia Schwarzensteiner, Bogen (Notar- stelle Amberger), ab 1.4.1990 in Mitterfels (Notarstelle Döbereiner)

Inspektor i. N. Franz Heizer, Mitterfels (Notarstelle Döber- C. einer), ab 1.5.1990 in München (Notarkasse, Prüfungs- Sonstiges abteilung)

Amtmann i. N. Karin Eyßelein, Scheinfeld ab 1.12.1989 Anschriften- und Rufnummernänderungen: in Uffenheim (Notarstelle Thiede)

Mellrichstadt (Notarstelle Schüßler), Telefax-Nr.: 09776/5808 Inspektor i. N. Peter Postupka, Kempten (Notarstelle

Hilpoltstein (Notarstelle Dr. Dietel), Telefax-Nr.: 09174/9091 Dr. Gudden), ab 1.4.1990 in Mindelheim (Notarstelle Zöbelein) Forchheim/Ofr. (Notarstellen Mitzel/Klossek),

Inspektorin i. N. Christine Schiller, Scheinfeld, ab 15.12. Telefax-Nr.: 09191/1605

1989 in Höchstädt/Aisch (Notarstelle Dr. Rettenbeck) München(NotarstelleFlesch),Oberanger38,8000München2,

Inspektor i. N. Achim Gregor, Mindelheim (Notarstelle Tel.: 089 /2 60 70 65

Zöbelein), ab 1.4.1990 in München (Notarkasse, Prü- München (Notarstelle Hofmiller), Dachauer Str. 14,

fungsabteilung) 8000 München 2, Tel.: 089/597981, Telefax-Nr.: 089/5236820

Amtsrat i. N. Werner Jahn, Naila (Notarstelle Weissenber- München (Notarstelle Dr. Fauvet), Tel.: 0891381702-02

ger), ab 1.12.1989 im Ruhestand München (Notarstellen Jungsberger/Dr. Wirner),

Oberamtsrat Karl-Heinz Tröger, München (Notarstellen Tel.: 0891381702-01

Friedrich/Dr. Terwey), ab 1. 1.1990 im Ruhestand Fürth (Notarstelle Dr. Eckhardt), Telefax-Nr.: 0911/778376

Oberamtsrat Josef Grünwald, Augsburg (Notarstellen München (Notarstellen Dr. Gebhard/Rüth), Rindermarkt 6, Dr. Suyter/Dr. Waibel), ab 1.1.1990 im Ruhestand 8000 München 2, Tel.: 089/269244, Telefax-Nr.: 089/269212

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